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CLAUSEWITZ 900 Tage Blockade: Belagerung von Leningrad (Vorschau)

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Clausewitz<br />

1/2014 Januar | Februar € 5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Militärtechnik<br />

im Detail<br />

T-34/76<br />

<strong>900</strong> <strong>Tage</strong> <strong>Blockade</strong><br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Leningrad</strong><br />

Vietnam<br />

Krieg unter der Erde<br />

Vicksburg 1863<br />

Wendepunkt im<br />

US-Bürgerkrieg<br />

Pyrrhus I.<br />

Er lehrte Rom<br />

das Fürchten<br />

MILITÄR & TECHNIK<br />

An der Innerdeutschen Grenze<br />

Grenztruppen<br />

der DDR<br />

Bundesgrenzschutz<br />

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Legenden<br />

der Lüfte<br />

Jeden Monat<br />

neu am Kiosk!


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

die fast <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernde <strong>Belagerung</strong><br />

der Millionenmetropole <strong>Leningrad</strong><br />

durch die Wehrmacht <strong>von</strong> 1941<br />

bis 1944 stellt zweifellos eines der<br />

dramatischsten Kapitel des Zweiten<br />

Weltkriegs dar.<br />

Die Stadt, die heute wieder ihren alten<br />

Namen Sankt Petersburg trägt,<br />

stand seit ihrer Einschließung im September<br />

1941 in einem brutalen Überlebenskampf,<br />

den unzählige<br />

Zivilisten und<br />

Soldaten nicht<br />

überstanden.<br />

<strong>Leningrad</strong> wurde<br />

zum millionenfachen<br />

Massengrab.<br />

Während der<br />

zweieinhalbjährigen<br />

<strong>Belagerung</strong> spielten sich erschütternde<br />

Szenen ab.<br />

In ihrem viel beachteten Buch „Blokada“<br />

schildert die Osteuropaexpertin<br />

und Journalistin Anna Reid das unfassbare<br />

Leid der Menschen – vor allem<br />

der Zivilbevölkerung – anhand <strong>von</strong> Zeitzeugenberichten.<br />

Selbst Fälle <strong>von</strong> Kannibalismus<br />

waren keine Seltenheit.<br />

Auch der Kinofilm „<strong>Leningrad</strong> – Die<br />

<strong>Blockade</strong>“ aus dem Jahr 2009 mit<br />

dem bekannten deutschen Schauspieler<br />

Armin Mueller-Stahl und die<br />

nach der Stadt an der Newa benannte<br />

Ballade des berühmten US-amerikanischen<br />

Sängers Billy Joel befassen<br />

sich mit diesem Kriegsschauplatz.<br />

Dennoch: In Deutschland fand dieses<br />

düstere Kapitel bisher eher wenig<br />

Beachtung – besonders im Vergleich<br />

zu „Stalingrad“ oder zur „Schlacht<br />

um Moskau“.<br />

In Russland dagegen ist die <strong>Belagerung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> auch 70 Jahre<br />

nach Ende der Kämpfe tief im kollektiven<br />

Gedächtnis verankert. Die enorme<br />

Leidensfähigkeit der Einwohner<br />

steht heute symbolhaft für den unerschütterlichen<br />

Widerstandswillen der<br />

russischen Bevölkerung während des<br />

Zweiten Weltkrieges.<br />

Eine erkenntnisreiche Lektüre<br />

wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

P.S.: Als besonderes Extra liegt<br />

diesem Heft das <strong>CLAUSEWITZ</strong>-<br />

Kalenderposter 2014 bei!<br />

NEUE SERIE<br />

6. Folge<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Kommandos im Buschkrieg<br />

Die „Rhodesian Light Infantry“ schlägt schnell und aggressiv zu – dadurch<br />

kann sie den zahlenmäßig überlegenen Feind in Schach halten.<br />

Der <strong>von</strong> Weißen beherrschte Süden Rhodesiens<br />

erklärt sich 1965 als unabhängig.<br />

Er wird <strong>von</strong> Südafrika sowie Portugiesisch-Mosambik<br />

unterstützt im sich abzeichnenden<br />

Krieg gegen afrikanische Nationalisten.<br />

Letztere werden <strong>von</strong> Sambia und Tansania<br />

sowie den kommunistischen Mächten China<br />

und UdSSR unterstützt. Als besonders effektiv<br />

im Kampf gegen die – aus weißer Sicht – „Aufständischen“<br />

erweist sich die Rhodesian Light<br />

Infantry (RLI). Das Regiment wird bereits im Februar<br />

1961 gegründet und besteht zunächst<br />

ausschließlich aus Berufssoldaten. Erst ab<br />

1973 kommen auch Wehrpflichtige hinzu. Zudem<br />

spielen Ausländer eine so gewichtige Rolle,<br />

dass das Regiment oft mit der Fremdenlegion<br />

verglichen wird. Vor allem Südafrikaner,<br />

Briten und Vietnamveteranen dienen in der RLI.<br />

Für viele <strong>von</strong> ihnen ist der Kampf gegen den<br />

Kommunismus ein Grund beizutreten.<br />

Den Kern bilden kleine Einheiten aus jeweils<br />

zwölf Soldaten. Ein spezielles „Support Commando“<br />

verfügt über je eine Mörser-, Pionier-,<br />

Aufklärungs- und Panzerabwehreinheit.<br />

Das Training der Rekruten findet auf außergewöhnlich<br />

hohem Niveau statt und enthält u.a.<br />

eine Kletterausbildung, Überlebenstraining,<br />

Fährtenlesen und Nahkampf. Außerdem wird<br />

viel Wert auf eigenverantwortliches Handeln<br />

gelegt – eine wichtige Komponente im Buschkrieg,<br />

der weitab vom Hauptquartier und meist<br />

mit sehr kleinen Einheiten über einen langen<br />

Zeitraum stattfindet. Die Soldaten der RLI können<br />

in jedem Gelände kämpfen und sind den<br />

zahlenmäßig überlegenen Rebellen taktisch<br />

stets voraus. Das Kampfkonzept ist so ausgelegt,<br />

dass RLI-Einheiten den Gegner aktiv suchen<br />

und nicht warten, bis er zu ihnen kommt.<br />

Dazu legen die Infanteristen große Strecken zu<br />

Fuß zurück oder verwenden den Hubschrauber<br />

in den großen Weiten des afrikanischen<br />

Buschs. Berühmt ist die „Fireforce“-Taktik: RLI-<br />

Soldaten werden mit Helikoptern möglichst nah<br />

und überraschend an den Gegner herangebracht<br />

und vernichten diesen dann unerbittlich.<br />

Als 1980 die Republik <strong>von</strong> Simbabwe ausgerufen<br />

und Rhodesien zu existieren aufhört,<br />

wird das Regiment offiziell aufgelöst. Bis heute<br />

gilt die RLI als eine der effektivsten Militäreinheiten<br />

der Geschichte - und ist Vorbild für<br />

viele moderne Anti-Terror-Einheiten.<br />

BRUTALER BUSCHKRIEG:<br />

Dieser RLI-Angehörige ist mit<br />

einem FN FAL Sturmgewehr<br />

ausgerüstet und trägt einen<br />

Pilotenoverall, der sich auch im<br />

Infanterieeinsatz als bequem und<br />

robust erweist. Im Hintergrund ist<br />

ein Alouette Mk III Hubschrauber zu<br />

sehen, der den nur leicht bepackten<br />

Soldaten gerade abgesetzt hat.<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

FAKTEN<br />

Zeit: 1961–1980<br />

Spitzname: „The Saints“<br />

Uniform: Tarnuniform, oft ein Overall (ursprünglich<br />

für Piloten entworfen)<br />

Hauptwaffe: Belgisches FN FAL Sturmgewehr<br />

(verschiedene Varianten), englisches<br />

L1A1 SLR sowie das südafrikanische R1<br />

Kampftaktik: „Fire Force“ (aggressiver Angriff<br />

mit Luftunterstützung in mehreren Wellen),<br />

Kommandoeinsätze aller Art, Patrouillen-Gänge<br />

durch den Busch<br />

Einsatzgebiet: Rhodesien („Buschkrieg“) sowie<br />

in angrenzenden Staaten<br />

Der Krieg in Rhodesien im Film:<br />

Der flüsternde Tod (1976)<br />

Spiel der Geier (1979)<br />

Clausewitz 1/2014


Inhalt<br />

Clausewitz 1/2014<br />

Foto: ullstein bild – Hanns Hubmann<br />

Titelthema<br />

Tödliche <strong>Blockade</strong>. ..........................................................................................................................10<br />

Die <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944.<br />

Millionenfaches Massengrab. ................................................................................24<br />

Das Leid der Menschen in <strong>Leningrad</strong>.<br />

<strong>Belagerung</strong> statt „Blitzkrieg“. .................................................................................28<br />

<strong>Leningrad</strong> unter Artilleriebeschuss.<br />

Titelgeschichte<br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

Tödliche<br />

<strong>Blockade</strong><br />

September 1941: Der Heeresgruppe Nord gelingt mit Unterstützung des finnischen<br />

Verbündeten die beinahe vollständige Einkesselung <strong>Leningrad</strong>s. Auf Befehl Hitlers soll<br />

die Stadt nicht erobert, sondern belagert und „ausgehungert“ werden – eine Entscheidung<br />

mit grausamen Folgen vor allem für die Zivilbevölkerung. Von Lukas Grawe<br />

EINGEKESSELT:<br />

Mit der Einnahme <strong>von</strong> Schlüsselburg am Ladogasee<br />

östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ist der landseitige <strong>Belagerung</strong>sring<br />

der Wehrmacht um die ehemalige<br />

russische Hauptstadt geschlossen. Für zweieinhalb<br />

Jahre wird die Millionenstadt zum Schauplatz<br />

erbitterter Kämpfe zwischen Deutschen und Russen.<br />

10<br />

11<br />

Eine Stadt wird<br />

zur Festung: Als<br />

<strong>Leningrad</strong> 1941<br />

eingeschlossen<br />

wurde, begann für<br />

die Bevölkerung<br />

eine lange Zeit<br />

des Leidens.<br />

Foto: picturealliance/Mary<br />

Evans<br />

Picture Library/ALEXA<br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .......................6<br />

Der Zeitzeuge<br />

Als Offizier in einer US-Raketenbasis .........................................32<br />

Warten auf den Nuklearschlag.<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Entscheidungsschlacht am Mississippi ...............................34<br />

Kampf um Vicksburg 1863.<br />

Meinung<br />

Gettysburg 1863 .......................................................................................................................40<br />

Die Wende im Sezessionskrieg?<br />

Militärtechnik im Detail<br />

Mittlerer Kampfpanzer T-34/76 .............................................................42<br />

Stalins gepanzerte Faust.<br />

Japans A6M Zero Jäger .............................................................................................44<br />

Tokioter Leichtgewicht.<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Hitlers letzte West-Offensive ..........................................................................46<br />

Das Unternehmen „Nordwind“ 1945.<br />

Titelfotos: ullstein bild - Roger Viollet; WEIDER History Group; picture-alliance/Everett Collection;<br />

Johnny Shumate; picture-alliance/United Archives/TopFoto; picture-alliance/ZB;<br />

picture-alliance; picture-alliance/ZB<br />

4


Foto: BArch, Bild 183-P0213-501<br />

*Da es sich bei der Schlacht um Vicksburg um einen komplexen<br />

Feldzug handelt, schwanken die Zahlenangaben in den<br />

Quellen und der Literatur (je nachdem, welcher Zeitpunkt<br />

als Bemessungsgrundlage dient). Die o.g. Zahlen sind deshalb<br />

nur Näherungswerte.<br />

Foto: picture alliance/Everett Collection<br />

Clausewitz 1/2014<br />

Clausewitz 1/2014<br />

Clausewitz 1/2014<br />

■<br />

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Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

KRIEG AM MISSISSIPPI: General<br />

Grant (im Vordergrund mit Stabsoffizieren)<br />

schickt eine Welle aus<br />

dem XIII., XV. und XVII. Korps gegen<br />

die konföderierte Festung<br />

Vicksburg. Im Hintergrund sind die<br />

Schiffe <strong>von</strong> Admiral David Dixon<br />

Porter zu erkennen, die den Angriff<br />

unterstützen. Abb.: picture alliance/Everett<br />

Collection<br />

Abb.: Autor<br />

Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Clausewitz 1/2014<br />

Clausewitz 1/2014<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Zeichnung: Johnny Shumate<br />

ANWERBUNG<br />

Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />

Fotos: picture-alliance/ZB©; Bundespolizei<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />

Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

Vicksburg 1863<br />

Entscheidungsschlacht am Mississippi<br />

1862/1863: Versuche der Union, das konföderierte Vicksburg<br />

zu erobern, scheitern. Mit einer groß angelegten <strong>Belagerung</strong><br />

will General Grant die strategisch wichtige Stadt<br />

am Ostufer des Mississippi endlich „knacken“.<br />

Von Alexander Querengässer<br />

S<br />

34<br />

eit dem Ausbruch des Amerikanischen<br />

Bürgerkrieges 1861 haben die konföderierten<br />

Streitkräfte ganz unterschiedliche<br />

Erfolge errungen. Während die Armeen<br />

im Osten bis in das Frühjahr 1863 eine Serie<br />

glanzvoller Siege erkämpft, müssen die<br />

Streitkräfte im Mittleren Westen mehrere Niederlagen<br />

hinnehmen. Der Grund hierfür liegt<br />

nicht nur in der unterschiedlichen Qualität<br />

der Truppen und ihrer Kommandeure, sondern<br />

auch in der geografischen Beschaffenheit<br />

des Kriegsschauplatzes.<br />

Im Osten fließen alle größeren Flüsse <strong>von</strong><br />

West nach Ost, also quer zur Vormarschroute<br />

der Potomac-Armee, und begünstigen so<br />

eine defensive Taktik der Südstaatler. Im<br />

Westen hingegen fließen gewaltige schiffbare<br />

Ströme <strong>von</strong> Nord nach Süd. Sie bilden große<br />

Heerstraßen, auf denen die materiell<br />

überlegene Unionsarmee nicht nur Männer<br />

und Nachschub verlegen, sondern mit gut<br />

bewaffneten Kriegsschiffen auch jede Verteidigungsstellung<br />

brechen kann.<br />

Eine uneinnehmbare Festung?<br />

Mit Hilfe dieser Kriegsflotte gelingt es der<br />

Union bereits 1862, den Mississippi bis nach<br />

Memphis unter ihre Kontrolle zu bringen,<br />

während General Ulysses S. Grant die beiden<br />

am Cumberland River gelegenen Forts Donelson<br />

und Henry einnehmen und so einen Feldzug<br />

ins Innere <strong>von</strong> Tennessee starten kann.<br />

Nachdem er in der Schlacht bei Shiloh, ebenfalls<br />

unter Mithilfe der Flotte, eine konföderierte<br />

Armee geschlagen hat, macht sich Grant<br />

an die Eroberung der wichtigsten konföderierten<br />

Festung am Mississippi: Vicksburg.<br />

Vicksburg liegt an der Kehrseite des damals<br />

noch sehr mäandernd durch die Südstaaten<br />

ziehenden Flusses. Das Mündungsgebiet<br />

rund um die Stadt New Orleans bis hinauf<br />

nach Baton Rouge ist im April 1862<br />

ebenfalls <strong>von</strong> den Unionsstreitkräften erobert<br />

worden. Vicksburg stellt somit eine der<br />

letzten sicheren Kommunikationslinien in<br />

die Trans-Mississippi Gebiete dar. Der Kommandeur<br />

der Unionsflotte, die New Orleans<br />

eingenommen hat, Admiral David Farragut,<br />

war mit seinen Schiffen bereits bis nach<br />

Vicksburg hinauf gedampft, hat dann aber<br />

feststellen müssen, dass das starke Abwehrfeuer<br />

der Konföderierten ein sicheres Passieren<br />

der Stadt unmöglich macht. Vicksburg<br />

selbst ist eine schwer einzunehmende Festung,<br />

umgeben <strong>von</strong> sumpfigem, nur mühselig<br />

zu durchquerendem Gelände. Die auf einer<br />

Hügelgruppe errichtete Stadt wird durch<br />

mehrere Erdschanzen mit modernen schweren<br />

Geschützen gesichert. Jeden Tag nutzen<br />

die Verteidiger, um diese Anlagen durch das<br />

Aufstellen spanischer Reiter, <strong>von</strong> Sturmp-<br />

HINTERGRUND Der Vicksburg-Feldzug<br />

Von Kriegsbeginn an versuchen die ternehmen einigen können. Im Juni<br />

ist die Lage in Vicksburg so an-<br />

Truppen der Union den Mississippi<br />

in ihre Hand zu bekommen und so gespannt, dass Präsident Davis in<br />

die rebellierenden Südstaaten in Erwartung einer baldigen Kapitulation<br />

der Nordvirginia-Armee die<br />

zwei Hälften zu teilen und nach und<br />

nach einzuschnüren.<br />

Freigabe für eine Invasion in Maryland<br />

gibt.<br />

Ihr Vormarsch wird durch Kompetenzschwierigkeiten<br />

konföderierter<br />

Generale zu beiden Seiten des lage in Gettysburg fällt dann jedoch<br />

Die Nachricht <strong>von</strong> Lees Nieder-<br />

Flusses erleichtert, die sich nicht mit Berichten über die Kapitulation<br />

auf ein gemeinsames Entsatzun-<br />

Vicksburgs zusammen.<br />

Konföderierte Besatzung Vicksburgs*<br />

Befehlshaber: Gen Lt. John Clifford Pemberton<br />

Truppenstärke: Circa 31.000 Mann.<br />

Zur Armierung <strong>von</strong> Vicksburg gehörten rund<br />

150 Geschütze verschiedenen Kalibers.<br />

Verluste: Circa 3.000 Mann (Tote und Verwundete).<br />

US Tennessee-Armee*<br />

Befehlshaber: Gen Maj. Ulysses Simpson Grant<br />

Truppenstärke: Im Herbst 1862 etwa 43.000 Mann, im Juni<br />

1863 etwa 75.000.<br />

Nach Grants Angaben wurden im Laufe der <strong>Belagerung</strong> 220 Geschütze<br />

eingesetzt.<br />

Verluste: Während des gesamten Feldzuges circa 10.000 Tote<br />

und Verwundete.<br />

S.34<br />

35<br />

Stalins gepanzerte Faust<br />

Mittlerer Kampfpanzer T-34/76<br />

urz nachdem die Deutschen in die Sow-<br />

im Zuge der Operation Barba-<br />

Kjetunion<br />

rossa eingefallen waren, traf sie ein heftiger<br />

Schock: Die Rote Armee besaß einen Panzer,<br />

der allen Wehrmachtspanzern überlegen<br />

war und über eine beispiellose Ausgewogenheit<br />

<strong>von</strong> Feuerkraft, Beweglichkeit und<br />

Zähigkeit verfügte. Obwohl die Rote Armee<br />

bezüglich Taktik und Ausbildungsstand<br />

noch einigen Aufholbedarf hatte, um die<br />

technischen Möglichkeiten des T-34 effektiv<br />

nutzen zu können, hatte man doch seine<br />

Lehren aus der Beobachtung des Scheiterns<br />

der statischen französischen Defensive gegenüber<br />

der deutschen Blitzkriegstaktik gezogen.<br />

Bis zur Stalingradoffensive im November<br />

1942 hatten die Rotarmisten gelernt,<br />

das Beste aus dem Potential des T-34 herauszuholen,<br />

indem sie ihn geschickt nutzten<br />

und so den deutschen Vormarsch stoppten.<br />

Schnee und Schlamm stellten für andere Panzer<br />

größere Probleme dar, obwohl der T-34<br />

auch nicht völlig immun dagegen war, stecken<br />

zu bleiben. Doch die breiten Ketten des<br />

T-34 – hier gut zu erkennen – sorgten generell<br />

für eine bessere Gewichtsverteilung und Traktion<br />

in einem Gelände, das für die Deutschen<br />

schon nicht mehr passierbar war.<br />

42<br />

„Für eine sowjetische Ukraine!“<br />

Ein Propagandaslogan, der darauf hindeutet,<br />

dass dieser Panzer Teil der Herbsto fensive<br />

1943 war, die den Deutschen die Ukraine<br />

entwinden so lte.<br />

Zusatztanks<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Der amerikanische mittlere<br />

Kampfpanzer M3, General Lee<br />

Geschwindigkeit circa 41km/h<br />

Gute Feuerkraft und Panzerung, aber sein hohes<br />

Fahrzeugprofil und der genietete Rumpf machten ihn<br />

verletzlich. Die in einer Kasematte in der Fahrzeugwanne<br />

positionierte 75-Millimeter-Kanone hatte einen nur sehr<br />

geringen Seitenrichtbereich nach links.<br />

Ersatzkettenglieder<br />

Die Panzerkette musste bisweilen<br />

repariert werden und tendierte<br />

dazu, bei starken Lenkbewegungen<br />

abzuspringen.<br />

Guckloch<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Antenne<br />

Nur Befehlsfahrzeuge waren mit Funkgeräten, die<br />

während des gesamten Krieges Mangelware<br />

waren, ausgesta tet. Andere T-34-Besatzungen<br />

verwendeten Flaggen, um miteinander zu kommunizieren,<br />

was im Gefecht ein klarer Nachteil war.<br />

Der mittlere japanische<br />

Kampfpanzer Typ 97 Chi-Ha<br />

Geschwindigkeit circa 38km/h<br />

Entwickelt als Infanterieunterstützungsfahrzeug<br />

war er mit seiner dünnen Panzerung und der<br />

niedrigen Mündungsgeschwindigkeit seiner 57-<br />

Millimeter-Kanone in allen Bereichen den alliierten<br />

Panzern unterlegen.<br />

Periskop<br />

Die nächste Generation, der T-34/85<br />

griff zu Beginn des Jahres 1944 ins<br />

Kriegsgeschehen ein. Er verfügte über<br />

einige entscheidende Verbesserungen:<br />

Seine neue 85-Millimeter-Kanone verbesserte<br />

seine Durchschlagskraft gegen<br />

die stetig verstärkte Panzerung<br />

der deutschen Gegner. Auch der Dreimannturm<br />

des 85er-Modells, welcher<br />

Platz für Kommandanten, Lade- und<br />

Richtschützen bot, verbesserte Durchhaltevermögen<br />

und Leistungsfähigkeit<br />

im Kampf.<br />

7,63-Zentimeter-Kanone<br />

vom Typ F-34<br />

Zweimannturm<br />

Der Kommandant musste seine Aufmerksamkeit<br />

zwischen der Leitung der Besatzung<br />

sowie dem Richten und Abfeuern der Kanone<br />

aufteilen. Erst der T-34/85 schuf Raum für<br />

einen spezie len Richtschützen.<br />

7,62-mm-MG<br />

Schräge Panzerung<br />

Der Winkel, in dem die Panzerung angebracht war, sorgte<br />

dafür, dass frontal auftreffende Geschosse einen längeren<br />

Weg durch die Panzerung zurücklegen mussten. Somit war<br />

die Panzerwirkung höher, ohne aber zusätzliches Gewicht<br />

als Nachteil in Kauf nehmen zu müssen.<br />

S.42<br />

Der italienische Carro Armato<br />

Der deutsche Pz.Kpfw. III<br />

M13/40<br />

Ausf.J<br />

Geschwindigkeit circa 32km/h<br />

Geschwindigkeit circa 40km/h<br />

Gute Kanone und einigermaßen gepanzert, obwohl<br />

Einer der wichtigsten deutschen Panzertypen.<br />

die Panzerung ungünstig positioniert war. Der<br />

Mit seinen Kampfwertsteigerungen bezüglich<br />

M13/40 litt stets an seiner geringen Mobilität in<br />

Panzerung und Geschütz konnte er sich gegen<br />

Folge der Untermotorisierung durch einen unzuverlässigen<br />

Motor.<br />

T-34/75 fand er seinen Meister.<br />

die meisten Widersacher behaupten. Doch im<br />

Clausewitz 1/2014 43<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />

Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />

ZUVERSICHTLICH: Ein mittlerer Kampfpanzer<br />

vom Typ „Panther“ im Januar<br />

1945 auf dem Weg zum Bereitstellungsraum<br />

am Südflügel der Westfront.<br />

Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR<br />

„Sonderformationen“ des Kalten Krieges<br />

SPEZIALEINHEIT: Männer der Grenzschutzgruppe<br />

9 (GSG 9) mit ihrem Kommandeur<br />

Ulrich Wegener (re.), späte<br />

1970er-Jahre.<br />

VORBEREITUNG: Deutsche Soldaten<br />

bringen eine Panzerabwehrkanone in<br />

einem Dorf im Elsass in Stellung.<br />

BEFEHLSHABER: Generaloberst<br />

Johannes Blaskowitz (1883–1948),<br />

Oberbefehlshaber der Heeresgruppe G<br />

bis Ende Januar 1945.<br />

IM GELÄNDE: Ausbildung <strong>von</strong> Offiziersanwärtern<br />

an der Offiziershochschule<br />

der Grenztruppen der DDR in<br />

Suhl, Mitte der 1980er-Jahre.<br />

Unternehmen „Nordwind“ 1945<br />

Hitlers letzte<br />

West-Offensive<br />

Jahreswechsel 1944/45: In Lothringen und vor allem im Elsass flammen heftige Kämpfe<br />

zwischen Deutschen und Alliierten auf. Einheiten <strong>von</strong> Wehrmacht und Waffen-SS treten<br />

mit massiven Kräften zum Großangriff an.<br />

Von Hagen Seehase<br />

46<br />

A<br />

ls kurz vor Mitternacht des 31. Dezember<br />

1944 deutsche Truppen aus<br />

ihren Bereitstellungsräumen zwischen<br />

Saargemünd (frz.: Sarreguemines) und<br />

Weißenburg (frz.: Wissembourg) hervorbrechen,<br />

ist das der Auftakt zum Unternehmen<br />

„Nordwind“, der letzten deutschen Großoffensive<br />

im Westen.<br />

Schon der Anfang verläuft aus deutscher<br />

Sicht wenig verheißungsvoll. Große Hoffnung<br />

setzen die Stäbe in die aus dem XIII.<br />

SS-Armeekorps bestehende „Sturmgruppe<br />

1“. Östlich Saargemünd tritt sie mit zwei Divisionen,<br />

darunter die 17. SS-Panzergrenadierdivision<br />

„Götz <strong>von</strong> Berlichingen“, zum<br />

Angriff an. Dieser läuft sich jedoch schon<br />

kurz darauf fest.<br />

Bereits am 3. Januar wird die Offensive in<br />

diesem Sektor beendet. Obwohl später Verstärkungen<br />

nachgeführt werden, etwa die nahezu unmögliche Aufgabe recht gut. Aufhalten<br />

kann sie den deutschen Vormarsch al-<br />

schwere Panzerjägerabteilung 654 mit ihren<br />

gewaltigen „Jagdtigern“, bleibt die Front lerdings nicht.<br />

weitgehend statisch. Etwas anders sieht es Die 361. Volksgrenadierdivision, die in einen<br />

Bereich vordringt, aus dem sie sich erst<br />

weiter im Osten aus. Hier greifen die vier Infanteriedivisionen<br />

der „Sturmgruppe 2“ an. einige Wochen zuvor zurückgezogen hat, erzielt<br />

beachtliche Geländegewinne.<br />

Ihnen gegenüber steht nur ein schwacher<br />

Aufklärerverband, die „Task Force Hudelson“.<br />

Weil dem Befehlshaber der amerikani-<br />

Edward Brooks, zieht Reserven, wo immer<br />

Der Kommandeur des VI. Corps, General<br />

schen 7th Army Major General Alexander es eben geht, aus der Frontlinie seines Korps<br />

Patch der Bereich der Niedervogesen mit ihren<br />

tiefen Taleinschnitten für gegnerische kämpft ist wochenlang<br />

und wirft sie in die Schlacht. Heftig um-<br />

S.46<br />

das Dorf Philippsburg<br />

(frz.: Philippsbourg) an der Straße zwi-<br />

Angriffsoperationen denkbar ungeeignet erschien<br />

und er gezwungen war, seine Frontlinie<br />

auszudünnen, bleibt zur Deckung des schen Seite trifft Generaloberst Johannes<br />

schen Niederbronn und Bitsch. Auf der deut-<br />

Abschnittes zwischen Bitsch (frz.: Bitche) Blaskowitz, der Kommandeur der Heeresgruppe<br />

G und damit der deutschen Angriffs-<br />

und Weißenburg nur eine schwache Task<br />

Force. Diese meistert aber eine angesichts einer<br />

mehrfachen Überlegenheit des Gegners folgende Entscheidung: Ausweitung des<br />

truppen des Unternehmens „Nordwind“,<br />

47<br />

1980er-Jahre: Die Grenzeinheiten in West und Ost sind bewaffnet und mit Ferngläsern<br />

ausgerüstet. Misstrauisch wird jede Bewegung auf der jeweils gegenüberliegenden Seite<br />

der innerdeutschen Grenze beobachtet.<br />

Von Carsten Walczok<br />

D<br />

ieses Szenario ist seit vielen Jahren bittere<br />

Realität im geteilten Deutschland<br />

des Kalten Krieges. Mit der bedingungslosen<br />

Kapitulation des Deutschen Reiches<br />

im Mai 1945 ging die Regierungsgewalt<br />

auf den alliierten Kontrollrat über. Schnell<br />

zeigte, sich, dass sich die Kooperation der<br />

Westalliierten mit der Sowjetunion problematisch<br />

gestaltete.<br />

Darüber hinaus gab es praktisch <strong>von</strong> Anfang<br />

an eine relativ konstante Wanderungsbewegung<br />

<strong>von</strong> Ost nach West. Aufgrund<br />

dieser anhaltenden Fluchtbewegung erwirkte<br />

die sowjetische Führung bereits 1946 die<br />

54<br />

Sperrung der Zonengrenze durch eine entsprechende<br />

Kontrollratsdirektive.<br />

ist auch als Polizeitruppe zu sehen, die – im<br />

zei umfasst zunächst rund 20.000 Mann und<br />

Die sowjetische Verwaltung ließ in ihrer Gegensatz zur Polizei der Länder – direkt<br />

Zone frühzeitig (Ende 1946) aus den Länderpolizei-Kadern<br />

eine „Grenzpolizei“, später schutzgesetz (BGSG) vom 16. März 1951<br />

dem Bund untersteht. Das Bundesgrenz-<br />

„Deutsche Grenzpolizei“ (DGP), aufstellen. stellt in Verbindung mit dem Artikel 87 des<br />

1949 war sie auf eine Stärke <strong>von</strong> 20.000 Mann Grundgesetzes und einem Polizeibrief der<br />

angewachsen.<br />

Länder die Rechtsgrundlage dar, nach dem<br />

Bis zum Jahr 1951 sind lediglich die Alliierten,<br />

der Zoll oder die jeweilige Länderpo-<br />

Zu den Aufgaben des BGS zählen fortan:<br />

der BGS aufgebaut und eingesetzt wird.<br />

lizei an der Grenze auf westlicher Seite vertreten.<br />

Die Bundesrepublik beginnt nun, mit Grenzverkehrs, die Verhinderung unerlaub-<br />

die Überwachung des ordnungsgemäßen<br />

dem Bundesgrenzschutz eine eigene Polizei ter Grenzübertritte, die Überwachung der<br />

aufzubauen. Die bundesdeutsche Grenzpoli-<br />

„grünen Grenze“, die Zurückweisung uner-<br />

wünschter Personen, die Verhinderung der<br />

Einfuhr unerwünschter Druckschriften und<br />

die Gewinnung <strong>von</strong> Informationen über die<br />

Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR.<br />

Die Bundesrepublik findet für diese neue<br />

Truppe sofort Aufgaben, die der BGS neben<br />

seinem Einsatz an der innerdeutschen Grenze<br />

zu erfüllen hat. Der Dienst in Bonn – der<br />

Hauptstadt der jungen Bundesrepublik –<br />

zum Schutz <strong>von</strong> Einrichtungen der Bundesregierung<br />

gehört nun ebenso zum ständigen<br />

Aufgabenfeld des<br />

BGS wie der Seegrenzschutz,<br />

den<br />

der BGS-See seit<br />

1954 übernimmt.<br />

Im Rahmen <strong>von</strong><br />

geschlossenen Einsätzen<br />

wird der<br />

Bundesgrenzschutz<br />

auch außerhalb der „Ostgrenze“ der Bundesrepublik<br />

eingesetzt. Bereits 1951 wird die lem der Einsatz entlang der innerdeutschen<br />

Doch prägend wird für den BGS vor al-<br />

junge Truppe im Rahmen des Unternehmens Grenze. Der permanente Ausbau des Grenzsperrsystems<br />

durch die DDR-Führung und<br />

„Martha“ an der bundesdeutschen Westgrenze<br />

eingesetzt. Anfang der 1950er-Jahre der an manchen Stellen unklare oder umstrittene<br />

Grenzverlauf führen immer wieder<br />

gilt es, den blühenden Schmuggel im Großraum<br />

Aachen zu bekämpfen.<br />

zu Spannungen und sogar zu Konfliktsituationen<br />

mit dem ostdeutschen Pendant.<br />

„Männersache“<br />

S.54<br />

Rückseite (li.) eines Taschenkalenders mit Werbung<br />

für den Eintritt in die Grenztruppen der DDR.<br />

Eine Aufgabe des BGS war die Sicherung der Flughäfen.<br />

Auf dieser Abbildung ist ein Sonderwagen<br />

(SW 2) des GSK Nord vor einer Boeing zu sehen.<br />

55<br />

Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />

Feldherren<br />

Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet-Cong-Bunkern<br />

Der Krieg im<br />

Untergrund<br />

60<br />

GEFÄHRLICHES UNTERFANGEN: Ein Infanterist der US Army<br />

wird während der Operation „Oregon“ (April 1967) in einen<br />

VC-Tunnel herab gelassen. Bereits im Januar geht man im Zuge<br />

der groß angelegten Search-and-Destroy-Operation „Cedar<br />

Falls“ gegen unterirdisch versteckte Waffen- und Vorratsdepots<br />

vor. Besonders im waldreichen Gebiet des „Eisernen<br />

Dreiecks“ befindet sich eine Hochburg des Viet Cong mit<br />

wichtigen Nachschubrouten.<br />

1964–1973: Die wichtigste Waffe auf kommunistischer Seite im Vietnam-Konflikt ist die<br />

Schaufel, mit der in Handarbeit Tunnel geschaffen werden. Durch sie wird die militärische<br />

Übermacht des Gegners stark abgeschwächt.<br />

Von Frederick Feulner<br />

ie Benutzung <strong>von</strong> unterirdischen Anlagen<br />

ist nicht neu in Südostasien. Die <strong>von</strong> den Truppen oder <strong>von</strong> der dienstvertet<br />

wird, finden Kämpfe meistens im Bereich<br />

sich gut. Die Tunnel werden normalerweise lungen auf 200 Meter freies Schussfeld geach-<br />

DJapaner haben da<strong>von</strong> schon im Zweiten<br />

Weltkrieg Gebrauch gemacht. Die Vietbeit<br />

errichtet. Letztere muss Arbeiter und hinter ihren gut getarnten Schützenlöchern<br />

pflichteten lokalen Bevölkerung in Handar-<br />

<strong>von</strong> 10–30 Metern statt. Sollten die Soldaten<br />

namesen hingegen verfeinern diese Technik Material wie Hartholz und Bambus als oder in Dörfern jedoch der materiellen Übermacht<br />

der Angreifer weichen müssen, kön-<br />

nicht nur, sondern nutzen sie auch in bisher „Kriegssteuer“ liefern. Besonders reichhaltige<br />

ungekanntem Ausmaß. Fast alle militärischen<br />

und zivilen Aktivitäten – außer dem gen. Obgleich die G.I.s angehalten sind, nicht ziehen. Für Verfolger beginnt dann eine ge-<br />

Materialquellen sind verlassene US-Stellunnen<br />

sie sich über die Tunnelsysteme zurück-<br />

Anbau <strong>von</strong> Lebensmitteln – können auch im benötigtes Material mitzunehmen oder zu fährliche und zeitaufwendige Suche nach den<br />

Untergrund durchgeführt werden. Bereits in vernichten, finden selbst alte Munitionskisten,<br />

Batterien und Sandbleche im Viet Cong warten den Eindringling zahlreiche Gefahren:<br />

versteckten Eingängen. In den Tunneln er-<br />

den 1940er-Jahren nutzt der Viet Minh Tunnelanlagen,<br />

um sich der französischen Luftaufklärung<br />

zu entziehen. In stark patrouilden<br />

möglichst unter dem dichten Dach des gefüllte Kartons, die beim Auslösen eines Me-<br />

dankbare Wiederverwerter. Die Anlagen wer-<br />

Falltüren, Sprengfallen oder mit Skorpionen<br />

lierter Umgebung können sich die Guerillas Waldes errichtet – oder folgen den natürlichen<br />

Konturen des Geländes.<br />

chanismus in den Tunnel ausgeleert werden.<br />

im Verborgenen auf Angriffe vorbereiten.<br />

Viele Tunnelsysteme bleiben selbst nach der Gebaut wird vorwiegend in der Regensaison,<br />

wenn der lehmige Boden feucht ist; in der In Vietnam kommen auf der Seite des Viet<br />

Bambusspieße gegen G.I.s<br />

Teilung Vietnams 1954 unentdeckt und werden<br />

durch den Viet Cong reaktiviert und erweitert.<br />

Das Erscheinen <strong>von</strong> schweren B-52- aus. Der Aushub wird nachts in die Flüsse gekanntesten<br />

sind die sogenannten Punji-Fal-<br />

Trockenzeit härtet der Boden dann steinhart Cong zahlreiche Fallen zum Einsatz. Die be-<br />

Bombern Mitte der 1960er-Jahre beschleunigt schüttet, um keine Spuren <strong>von</strong> Bautätigkeiten len. Dabei werden Gruben ausgehoben und<br />

den Tunnelbau.<br />

zu hinterlassen. Küchenabluft leitet man mit zahlreichen messerscharf angespitzten<br />

durch mehrere lange Röhren zu verschiedenen<br />

Stellen im Dschungel, damit sie sich bes-<br />

alles sorgfältig abgedeckt. Beim Drauftreten<br />

Bambusstäben bestückt. Anschließend wird<br />

Verteidigte Verstecke<br />

Vor einem Angriff müssen die Tunnelkomplexe<br />

erst gefunden werden. Hunde eignen der Oberfläche findet über senkrechte Bam-<br />

Unterschenkel eines Soldaten bohren – die<br />

ser verteilt. Ein schwacher Luftaustausch mit können sich die Stäbe in den Fuß oder den<br />

sich gut zur Suche – doch meistens werden busröhren statt. Was Licht, Feuer und Müllentsorgung<br />

betrifft, muss eine strenge Dis-<br />

Blutrinne. Direkte Todesfälle durch solche<br />

hohle Form der Stäbe fungiert zusätzlich als<br />

die Eingänge eher zufällig gefunden. Geschützt<br />

sind die Tunneleingänge durch eine ziplin eingehalten werden. Das Leben in den Fallen sind selten – was auch durchaus so gewollt<br />

ist. Häufig sind zu den senkrecht auf-<br />

äußere Verteidigungslinie aus gut getarnten, unterirdischen Anlagen ist relativ akzeptabel<br />

– sieht man <strong>von</strong> fehlendem Sonnenlicht, ragenden Bambusstöcken an den Seitenwän-<br />

schultertiefen Stellungen, die miteinander<br />

verbunden sind. So können Scharfschützen Ratten, Fledermäusen, giftigen Skorpionen, den noch schräg nach unten zeigende Stäbe<br />

auf Angreifer schießen und sich dann unentdeckt<br />

zurückziehen. Die langwierige, gedringt<br />

die hohe Feuchtigkeit alle Kleidungs-<br />

Insekten und Schlangen ab. Zudem durchfährliche<br />

und oftmals ergebnislose Suche stücke und Nahrungsmittel. Wichtige Einrichtungen<br />

wie Krankenstationen, Komman-<br />

nach unterirdischen Anlagen und Fallen<br />

frustriert die US-Soldaten. Und wenn ein dostellen oder Druckereien können bis zu<br />

Tunnelkomplex gefunden wird, bindet er zwölf Meter tief verborgen sein, gerade so<br />

Flugzeuge, Panzer und Spezialisten. Die groß gebaut wie nötig. Obgleich für MG-Stel-<br />

Tunnel sind zwar nicht unzerstörbar, doch<br />

durch die zahlreichen Verteidigungssysteme<br />

BEDENKE!<br />

kostet es große Anstrengungen, um den<br />

Kommunisten nachhaltig die Kontrolle über ■ Sei wachsam<br />

■<br />

bestimmte Gebiete zu entreißen. Im Fall des Nutze das Wissen der einheimischen<br />

Scouts<br />

berühmten Tunnelkomplexes im Distrikt<br />

■ Gehe nicht auf den Pfaden und auch<br />

<strong>von</strong> Cu Chi sind es ganze fünf Jahre!<br />

nicht auf Reisfelddeichen, solange Du<br />

es vermeiden kannst<br />

Tunnelleben<br />

Untersuche den Dschungelbewuchs<br />

Nicht jede Region ist gleichermaßen für den vorsichtig<br />

S.60<br />

Bau <strong>von</strong> Tunneln geeignet. Bei der Wahl des Pass auf, wo Du hintrittst<br />

Standortes kommt es auf den jeweiligen Untergrund<br />

an. Im Mekong-Delta und entlang wenn er müde wird<br />

halten das „Vietnamese Phrase Book“, das<br />

Wechsle den Point Man häufig aus, NÜTZLICHES VOKABULAR: US-Soldaten er-<br />

der Küste ist der Bau wegen des hohen Bleibe nicht mit mehreren Personen wichtige Redewendungen und Ausspracheregeln<br />

enthält. Die Abbildung zeigt eine Sei-<br />

Grundwasserstandes schwierig, aber der trockene<br />

Lehmboden der höher gelegenen Ge-<br />

an einem Fleck<br />

Und wenn das alles nicht hilft und Du te, die für den Tunnelkampf nützliche Befehle<br />

zeigt – falls die Soldaten in den dunklen<br />

eine Falle ausgelöst hast, schreie<br />

biete ist für Bauzwecke optimal. Auch die<br />

„Deckung!“ und wirf Dich zu Boden Tunneln, zwischen Fallen und Beschuss<br />

Schluchten und Höhlen im Hochland eignen<br />

überhaupt Gebrauch da<strong>von</strong> machen konnten.<br />

61<br />

74<br />

König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus<br />

Der besiegte Sieger<br />

319–272 v. Chr.: Pyrrhus gehört zu den schillerndsten Gestalten des hellenistischen Zeitalters<br />

– sein Leben erinnert an einen Abenteuerroman ohne „Happyend“, und seine verlustreichen<br />

„Pyrrhussiege“ sind in die Umgangssprache eingegangen. Von Otto Schertler<br />

K<br />

önig Pyrrhus herrscht seit 295 v. Chr. nau so schnell wieder verlieren. Nach seiner langt Pyrrhus erneut den Thron <strong>von</strong> Epirus,<br />

als alleiniger König über die im Nordwesten<br />

Griechenlands gelegene Land-<br />

charakterlich sehr ähnlichen Demetrios I. einem anderen Anwärter, teilen muss. Bis<br />

Flucht zieht es Pyrrhus zunächst zu dem ihm den er sich aber zunächst mit Neoptolemos II.,<br />

schaft Epirus. Diese, <strong>von</strong> den Stämmen der Poliorketes, dem Sohn des Antigonos I. Monophthalmos.<br />

An dessen Seite kämpft er bei hus herrscht allein über Epirus. Er baut das<br />

295 v. Chr. ist dieser ausgeschaltet, und Pyrr-<br />

Thesproter, Chaoner und Molosser bewohnte,<br />

Grenzregion gilt für die Griechen als halbbarbarisches<br />

Land, das erst im Lauf des vier-<br />

gesagt genau wegen, dieser Niederlage lernt prächtigen Hauptstadt mit Akropolis, Kö-<br />

der Schlacht <strong>von</strong> Ipsos und trotz, oder besser bis dahin unbedeutende Ambrakia zu einer<br />

ten Jahrhunderts v. Chr. vollständig hellenisiert<br />

wird. Zu dieser Zeit bilden die dortigen <strong>von</strong> Elefanten, die er später gegen die Römer und Artemis aus. Daneben fördert er in sei-<br />

er eine grundlegende Taktik zum Einsatz nigsburg, Theatern und Tempeln der Athene<br />

Stämme unter der Führung der Molosser einen<br />

losen Bund, der <strong>von</strong> einem König geführt Hof des ägyptischen Königs Ptolemäus I., und Festungsanlagen. Ein friedliches Herr-<br />

anwenden wird. Danach geht Pyrrhus an den nem gesamten Reich den Bau <strong>von</strong> Städten<br />

wird, dessen Dynastie sich vom mythischen wo er sehr beliebt ist. Mit dessen Hilfe erscherleben<br />

ist allerdings nicht im Sinn des<br />

Achilles ableitet und der auch der 319 v. Chr.<br />

Pyrrhus, und er richtet im Jahr 294 v. Chr. zunächst<br />

seinen Blick auf das benachbarte Ma-<br />

geborene Pyrrhus angehört. Thronwirren<br />

zwingen die Anhänger des Pyrrhus, diesen,<br />

kedonien, das durch innere Wirren geschwächt<br />

ist. Hier kann er einige Gebiete er-<br />

noch als Kleinkind durch eine abenteuerliche<br />

Flucht in das benachbarte Illyrien in Sicherheit<br />

zu bringen. Bereits 306 v. Chr. können<br />

ehemaligen Verbündeten Demetrios I. Polringen<br />

und kämpft dann gegen seinen<br />

ihn seine Gefolgsleute auf den Thron <strong>von</strong><br />

iorketes, den neuen Herrscher <strong>von</strong> Makedonien.<br />

Pyrrhus kann zwar Thessalien er-<br />

Epirus setzen – doch schon 302 v. Chr. wird<br />

er <strong>von</strong> Kassander, dem Herrscher des benachbarten<br />

Makedonien, vertrieben.<br />

ger des Demetrios zurückgedrängt.<br />

obern, wird aber schließlich vom Nachfol-<br />

Auf dem Weg zur Alleinherrschaft<br />

Der Traum vom Großreich<br />

Diese frühen Jahre im Leben des Pyrrhus zeigen<br />

die damaligen Verhältnisse in der helle-<br />

nicht mehr viel gewinnen kann und richtet<br />

Pyrrhus erkennt, dass er in Griechenland<br />

nistischen Welt recht deutlich. Das Leben der<br />

daher seinen Blick nach Westen auf das griechische<br />

Süditalien und Sizilien. Offenbar<br />

Könige ist <strong>von</strong> Verrat und ständigen Machtkämpfen<br />

geprägt, und in dieser Zeit kann<br />

träumt er <strong>von</strong> einem Reich, das sich <strong>von</strong><br />

ein fähiger und rücksichtsloser Mann über<br />

Nacht ein Königreich erwerben, es aber ge-<br />

Eine Name wie „Donnerhall“<br />

EIN LEBEN FÜR DEN KRIEG: König<br />

Pyrrhus gehört zu den populärsten Gestalten<br />

des Altertums und steht in ei-<br />

Pyrrhus inszeniert sich als „neuer Alexander“<br />

– und wie sein Vorbild stürzt<br />

ner Reihe mit Alexander, Hannibal und<br />

S.74<br />

er sich in zahlreiche Schlachten. Das<br />

Caesar. Er ist ein erfahrener Feldherr<br />

Bild zeigt Pyrrhus bei der Erstürmung<br />

und beschäftigt sich intensiv mit Themen<br />

wie Taktik und Strategie. Sein<br />

der griechischen Stadt Eryx (Sizilien),<br />

ereignisreiches Leben gäbe Stoff für<br />

an vorderster Front kämpfend. Der legendäre<br />

Hannibal soll in später für den<br />

Porträt-Büste mit Helm.<br />

mehrere Hollywood-Filme. Antike<br />

besten Feldherren – neben Alexander –<br />

gehalten haben!<br />

75<br />

Das historische Dokument<br />

Teilkapitulation in Nordwestdeutschland 1945. ....52<br />

Vorstufe zum Ende des Zweiten Weltkrieges.<br />

Militär und Technik<br />

„Sonderformationen“ des Kalten Krieges ......................54<br />

Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR.<br />

Der Krieg im Untergrund .......................................................................................60<br />

Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet Cong-Bunkern.<br />

Neu am Kiosk<br />

Legendärer Jäger ....................................................................................................................66<br />

Messerschmitt Bf 109.<br />

Spurensuche<br />

Kaderschmiede der NSDAP .............................................................................68<br />

Die ehemalige „Ordensburg Vogelsang“ in der Eifel.<br />

Feldherren<br />

Der besiegte Sieger ..........................................................................................................74<br />

König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus.<br />

Museen & Militärakademien<br />

Das Einzige seiner Art ...................................................................................................80<br />

Das Royal Air Force-Museum Laarbruch-Weeze.<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ..........................................................................................................................82<br />

Titelbild: Schwere Artillerie nimmt <strong>Leningrad</strong> unter Beschuss, Oktober 1941.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

5


Magazin<br />

AUSSTELLUNGSTIPP<br />

1813 – Auf dem Schlachtfeld bei Leipzig<br />

Sonderausstellung des Deutschen Historischen Museums<br />

Die „Völkerschlacht bei Leipzig“ brachte<br />

am 19. Oktober 1813 nicht nur den Sieg<br />

der Verbündeten Österreich, Preußen,<br />

Russland und Schweden über Napoleon. Sie<br />

war mit weit über 500.000 Soldaten auch eine<br />

der größten und blutigsten Schlachten der<br />

europäischen Geschichte.<br />

Ihr 200. Jahrestag gibt Anlass, verschiedene<br />

Aspekte dieser bedeutenden Schlacht<br />

anhand des Gemäldes „Siegesmeldung nach<br />

der Schlacht bei Leipzig“ <strong>von</strong> Johann Peter<br />

Krafft im Rahmen einer Sonderausstellung<br />

zu beleuchten. Die Einzelszenen des Gemäldes<br />

werden dafür fotomechanisch vergrößert,<br />

hintereinander in den Ausstellungsraum<br />

gestellt und können dort wie ein begehbares<br />

Papiertheater vom Publikum<br />

„erwandert“ werden.<br />

Im Mittelpunkt<br />

der Ausstellung<br />

stehen das Ereignis<br />

und die abgebildeten<br />

Personen selbst: Wer<br />

waren die Protagonisten? Wer kämpfte gegen<br />

wen? Warum wird die militärische Auseinandersetzung<br />

„Völkerschlacht“ genannt? Wer<br />

waren die kämpfenden Soldaten und warum<br />

nahmen sie an der Schlacht teil? Welches<br />

Kriegsgerät fand Verwendung?<br />

Der historische Kontext rund um die Napoleonischen<br />

Kriege und die „Befreiungskriege“<br />

wird dabei ebenso beleuchtet wie die<br />

Erinnerungskultur, die sowohl patriotische als<br />

auch nationale Gefühle bediente. Ein Ausblick<br />

beschäftigt sich mit den unmittelbaren und<br />

langfristigen Folgen für Deutschland und<br />

Johann Peter Krafft: „Siegesmeldung nach der<br />

Schlacht bei Leipzig“, Wien, 1839.<br />

Kleine Paradetrommel mit Wappen und Zeichen<br />

Napoleons, Frankreich, 1804/1815.<br />

Foto: © Stiftung Deutsches Historisches Museum (2)<br />

Europa, die mit dem Wiener Kongress, der territorialen<br />

Neuordnung, den enttäuschten nationalen<br />

Hoffnungen und dem Zeitalter der<br />

Restauration umschrieben werden können.<br />

Die Sonderausstellung ist vom 22. August<br />

2013 bis 16. Februar 2014 zu sehen.<br />

Kontakt:<br />

Deutsches Historisches Museum<br />

Unter den Linden 2<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

www.dhm.de<br />

Militärhistorische Sammlung für das Potsdam Museum<br />

„Förderverein Militärmuseum Brandenburg-Preußen“ übergibt Objekte<br />

Mitte November 2013 wurden<br />

172 Uniformen und Uniformteile,<br />

2.015 Orden und Ehrenzeichen,<br />

zahlreiche Blank- und<br />

Langwaffen, Briefe und Fotos sowie<br />

eine umfangreiche militärhistorische<br />

Bibliothek als Schenkung<br />

dem Potsdam Museum<br />

übergeben – mehr als 5.000 Objekte<br />

und Zeitdokumente der Militärgeschichte.<br />

„Wir übergeben dem Potsdam<br />

Museum unsere Sammlung, die<br />

wir über mehrere Jahre mit dem<br />

großen ehrenamtlichen Engagement<br />

unserer Mitglieder zusammengetragen<br />

haben“, sagte Burkhart<br />

Franck, Vorsitzender des<br />

1999 gegründeten „Fördervereins<br />

Militärmuseum Brandenburg-<br />

Preußen“. Unter den Exponaten<br />

befinden sich zahlreiche zum Teil<br />

seltene Stücke, die vermutlich im<br />

Jahr 2014 in einer Sonderausstellung<br />

zum Thema „100 Jahre Erster<br />

Weltkrieg“ im Potsdam Museum<br />

zu sehen sein werden.<br />

Hannes Wittenberg, stellvertretender<br />

Direktor des Potsdam<br />

Museums, würdigte das Engagement<br />

des Fördervereins: „Mit dieser<br />

Schenkung können wir viele<br />

Lücken in unserer Militaria-<br />

Sammlung füllen, die durch<br />

Sammlungsverluste während des<br />

Zweiten Weltkrieges und in der<br />

Zeit der DDR entstanden sind.“<br />

Die Übergabe der Sammlung<br />

an das Museum hatten die Vereinsmitglieder<br />

beschlossen, weil<br />

die Gründung eines Militärmuseums<br />

trotz jahrelanger Bemühungen<br />

nicht erreicht werden<br />

konnte.<br />

6


Foto: Bucher Verlag<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

Die Kaiserliche Marine im<br />

Ersten Weltkrieg<br />

Von Wilhelmshaven nach Scapa Flow<br />

Die einhundertjährige<br />

Wiederkehr des<br />

Kriegsausbruches des<br />

Ersten Weltkriegs rückt<br />

die Kaiserliche Marine<br />

und ihr Schicksal wieder<br />

in den Blickpunkt<br />

einer interessierten Öffentlichkeit.<br />

Dies insbesondere, weil ihr<br />

rasanter Aufbau angeblich den<br />

Kriegseintritt Englands 1914<br />

zwangsläufig herbeigeführt und<br />

1918 die Meuterei der Schiffsbesatzungen<br />

in Wilhelmshaven<br />

die Revolution in Deutschland<br />

ausgelöst habe. Und auch sonst<br />

ist es allgemeiner Konsens, dass<br />

die Kaiserliche Marine und besonders<br />

ihre Offiziere ihre<br />

Kriegsaufgaben mehr schlecht<br />

als recht erfüllt haben. Die angelsächsische<br />

Publizistik zeichnet<br />

dazu schon seit Längerem<br />

ein anderes, durchaus positiveres<br />

Bild und auch das vorliegende<br />

Buch möchte dem Leser<br />

durch eine nüchterne<br />

und vorurteilslose Betrachtung<br />

des Einsatzes<br />

der Seestreitkräfte<br />

des Kaiserreiches und<br />

ihrer Soldaten eine<br />

neue und abgewogene<br />

Sicht der Dinge ermöglichen.<br />

Informative Texte in insgesamt<br />

16 Kapiteln, dazu ein sehr<br />

umfangreicher Bildanteil, Gefechtskarten<br />

und besondere Exponate<br />

zu einzelnen Ereignissen<br />

und Personen unterstützen das<br />

Anliegen der Autoren in höchst<br />

anerkennenswerter Weise.<br />

Jörg-Michael Hormann / Eberhard<br />

Kliem: „Die Kaiserliche<br />

Marine im Ersten Weltkrieg.<br />

Von Wilhelmshaven nach Scapa<br />

Flow“, 161 Seiten, zahlreiche<br />

farbige und s/w Abb., Karten,<br />

Tabellen, Diagramme,<br />

Bucher Verlag, 2013,<br />

Preis: 29,99 EUR<br />

BUCHTIPP<br />

Die Luftbrücke nach Sarajevo<br />

Transportflieger der Luftwaffe und der Jugoslawienkrieg<br />

Während des Jugoslawienkrieges<br />

wirkten die deutschen<br />

Transportflieger <strong>von</strong> 1992<br />

bis 1996 an der internationalen<br />

Luftbrücke nach Sarajevo und bei<br />

den Abwürfen <strong>von</strong> Hilfsgütern<br />

über Ostbosnien mit. Es handelte<br />

sich um den ersten Einsatz der<br />

Luftwaffe unter konkreter Bedrohung<br />

in einem Kriegsgebiet.<br />

Generalmajor a.D. Hans-Werner<br />

Ahrens, Jahrgang 1948, war<br />

während der Luftbrücke nach Sarajevo<br />

Kommodore des Lufttransportgeschwaders<br />

62, Wunstorf.<br />

Ahrens vermittelt dem Leser<br />

in seinem lehrreichen Buch tiefe<br />

Einblicke in die Struktur und Kultur<br />

der Luftwaffe, die die eingeschlossene<br />

Bevölkerung trotz<br />

ständiger Bedrohung mit wichtigen<br />

Hilfsgütern versorgte. Dabei<br />

schildert er gleichermaßen anschaulich<br />

wie kritisch seine eigenen<br />

Erfahrungen als beteiligter<br />

Flugzeug- und Truppenführer.<br />

Seine vom Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt der Bundeswehr<br />

herausgegebene Studie<br />

– eine hochinteressante „Mischung“<br />

aus der Analyse <strong>von</strong> Akten<br />

und Augenzeugenberichten –<br />

enthält darüber hinaus authentische<br />

Berichte anderer beteiligter<br />

Soldaten und Entscheidungsträger.<br />

Darin spiegeln sich die Ereignisse<br />

während des gefährlichen<br />

Auslandseinsatzes in den<br />

1990er-Jahren wider.<br />

Eine ausführliche Chronik sowie<br />

zahlreiche Karten und Grafiken<br />

runden die in jeder Hinsicht<br />

lesenswerte Darstellung ab.<br />

Hans-Werner<br />

Ahrens: Die<br />

Luftbrücke nach<br />

Sarajevo 1992<br />

bis 1996.<br />

Die Transportflieger<br />

der<br />

Luftwaffe und<br />

der Jugoslawienkrieg<br />

(=Neueste<br />

Militärgeschichte. Einsatz<br />

konkret Bd. 1), Freiburg i. Br.<br />

2012, 320 S., geb.,<br />

Preis: 34,- EUR,<br />

ISBN 978-3-7930-9695-5<br />

Foto: Bundeswehr/Dahmen<br />

Foto: Steffen Verlag<br />

BUCHTIPP<br />

Im Dienst der Volksmarine, Teil II<br />

Geschichte durch Geschichten anschaulich vermittelt<br />

Der Fregattenkapitän<br />

(Ing.) a.D. und ehemalige<br />

Pressechef der<br />

DDR-Volksmarine hat<br />

weitere 43 Berichte und<br />

Essays <strong>von</strong> ehemaligen<br />

NVA-Marinern zu einem<br />

ebenso unterhaltsamen<br />

wie informativen Werk<br />

zusammengeführt. Aus den vielen<br />

Facetten der Beiträge ergibt sich<br />

für den Leser ein Gesamtbild über<br />

die „andere Deutsche Marine“ –<br />

den soldatischen, nautischen und<br />

technischen Alltag. Aber auch der<br />

politischen Komponente gibt Dieter<br />

Flohr reichlich Raum. Einen besonderen<br />

Stellenwert nimmt hier<br />

der detailreiche Bericht <strong>von</strong> Vizeadmiral<br />

a.D. Hendrik Born ein. Als<br />

letzter Chef der Volksmarine schildert<br />

er minutiös und aus erster<br />

Hand den Prozess der<br />

Wiedervereinigung und<br />

die sukzessive Auflösung<br />

der DDR-Seestreitkräfte<br />

aus seiner unmittelbaren<br />

Nähe zu den<br />

damaligen Geschehnissen.<br />

Quer durch alle<br />

Dienstgrade, durch alle<br />

Verwendungsreihen und die verschiedenen<br />

Epochen legen Flohrs<br />

Protagonisten Zeugnis ab. Sie berichten<br />

authentisch und kritisch,<br />

zuweilen angereichert mit einer<br />

kräftigen Prise Humor. Ein spannendes<br />

Dokument der jüngsten<br />

Zeitgeschichte!<br />

Flohr, Dieter (Hrsg.): Im Dienst<br />

der Volksmarine II.<br />

Zeitzeugen berichten, 224 Seiten,<br />

16,95 EUR.<br />

Jahre ist es her, seit die „Befreiungshalle“<br />

oberhalb der Stadt Kehlheim in<br />

Niederbayern feierlich eröffnet wurde.<br />

Errichtet wurde der <strong>von</strong> König Ludwig I.<br />

<strong>von</strong> Bayern in Auftrag gegebene<br />

Prachtbau in Gedenken an die<br />

Schlachten gegen Napoleons Truppen<br />

während der „Befreiungskriege“ in<br />

den Jahren <strong>von</strong> 1813 bis 1815.<br />

Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

Relikte des<br />

Krieges<br />

Großeinsatz zur Entschärfung<br />

<strong>von</strong> Fliegerbomben<br />

Experten des sächsischen<br />

Kampfmittelbeseitigungsdienstes<br />

haben in der ersten Novemberhälfte<br />

2013 elf Fliegerbomben<br />

entschärft. Es handelte sich um<br />

den bislang größten Einsatz zur<br />

Fliegerbombenentschärfung aus<br />

der Zeit des Zweiten Weltkriegs in<br />

Sachsen. Die Sprengkörper waren<br />

im April 1945 <strong>von</strong> Bombern eines<br />

Geschwaders der US Army Air<br />

Forces mitgeführt worden und<br />

sollten über dem bereits stark zerstörten<br />

Dresden abgeworfen werden.<br />

Ursprünglich war in dem<br />

Waldstück bei Rabenau Munition<br />

einer deutschen Panzerdivision<br />

vermutet worden, doch dann stießen<br />

die Experten auf die amerikanischen<br />

250-Kilo-Bomben.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

7


Clausewitz<br />

Magazin<br />

„Schwarze Listen“ der Militärdiktatur<br />

Geheimdokumente in Argentinien aufgetaucht<br />

In Argentinien sind bei Reinigungsarbeiten<br />

in einem Kellerraum<br />

Geheimakten aus der Zeit<br />

der Militärdiktatur der Jahre 1976<br />

bis 1983 gefunden worden. Unter<br />

General Jorge<br />

Videla und<br />

Admiral Emilio<br />

Massera,<br />

Mitglieder der<br />

<strong>von</strong> 1976 bis<br />

1983 in<br />

Argentinien<br />

regierenden<br />

Miliär-Junta.<br />

Foto: picturealliance/dpa<br />

den in einem Luftwaffen-Gebäude<br />

entdeckten Dokumenten befinden<br />

sich „schwarze Listen“ mit<br />

Namen <strong>von</strong> mehr als 300 Intellektuellen,<br />

Medienvertretern und<br />

Künstlern, teilte der argentinische<br />

Verteidigungsminister Augustin<br />

Rossi auf einer Pressekonferenz<br />

Anfang November 2013 in Buenos<br />

Aires mit.<br />

Die Personen wurden <strong>von</strong><br />

Funktionären des Militärregimes<br />

je nach angeblicher „Gefährlichkeit“<br />

in verschiedene Kategorien<br />

eingeteilt. In der Aufstellung der<br />

wegen ihrer Ansichten politisch<br />

Verfolgten erscheinen zum Beispiel<br />

die Namen renommierter<br />

Schauspieler wie Héctor Alterio,<br />

<strong>von</strong> Schriftstellern wie Julio Cortázar<br />

und <strong>von</strong> Musikern wie der<br />

Sängerin Mercedes Sosa.<br />

Verteidigungsminister Rossi<br />

betonte, dass die argentinische<br />

Justiz nun festlegen müsse, was<br />

mit dem brisanten Material<br />

geschehen soll. Die Unterlagen<br />

seien <strong>von</strong> großem historischen<br />

Wert und könnten zur Aufklärung<br />

der in der Diktatur begangenen<br />

Menschenrechtsverletzungen<br />

beitragen.<br />

Außerdem lasse der Fund hoffen,<br />

dass noch weitere Dokumente<br />

aus der Zeit der Militärdiktatur<br />

gefunden werden.<br />

In weiteren Mappen wurden<br />

nach Angaben <strong>von</strong> Minister Rossi<br />

insgesamt 280 Originalakten<br />

der seit ihrem Staatsstreich am 24.<br />

März 1976 bis zur Amtsübernahme<br />

durch die demokratische Regierung<br />

Raúl Alfonsins am 10. Dezember<br />

1983 in Argentinien herrschenden<br />

Militär-Junta entdeckt.<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Die Fotocollage des russischen Fotografen<br />

Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll<br />

visualisiert einen Brückenschlag zwischen<br />

Vergangenheit und Gegenwart her.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Am 14. Juni 1940 fällt Paris in deutsche<br />

Hände. Der „Triumph im Westen“ wird<br />

mit Paraden auf der prächtigen Avenue des<br />

Champs-Élysées propagandistisch in Szene<br />

gesetzt. Die Kollage zeigt Wehrmachtssoldaten<br />

vor dem knapp 50 Meter hohen Triumphbogen<br />

(1806–1836 errichtet).<br />

Heute: Die Avenue des Champs-Élysées ist<br />

heute eine der teuersten Einkaufs- und Geschäftsstraßen<br />

der Welt. Die knapp 70 Meter<br />

breite Prachtstraße wird auch weiterhin für<br />

Paraden genutzt (so am französischen Nationalfeiertag).<br />

Unter dem Arc de Triomphe befindet<br />

sich das Grab des unbekannten Soldaten.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

8


Rauchgenuss aus<br />

Amerika<br />

Pfeifentabak zur „Schlacht der<br />

Schlachten“<br />

Die Tabakspfeife gehörte lange Zeit<br />

zum Standardrepertoire des Soldaten.<br />

Dabei machte der Genuss nicht vor<br />

ideologischen Grenzen halt – sowohl<br />

General MacArthur als auch Stalin waren<br />

begeisterte Pfeifenraucher. In den<br />

USA ist unter dem „Brigadier Black“-Label<br />

ein Tabak zur Schlacht <strong>von</strong> Waterloo<br />

erschienen. Es handelt sich dabei um einen<br />

milden und einfach zu rauchenden<br />

Burley Blend, der ein süßliches Vanillearoma<br />

hat. Bei einem gemütlichen<br />

„Pfeifchen“ lässt sich besonders gut darüber<br />

debattieren, ob Waterloo nun eine<br />

Entscheidungsschlacht war oder nicht!<br />

Waterloo Pipe Tobacco, unter<br />

www.pipesandcibars.com zu beziehen.<br />

Bitte beachten Sie die Zollbestimmungen<br />

für Tabakimporte!<br />

ENGLISCHSPRACHIGES<br />

„The Killer Angels“<br />

Packender Roman über die Schlacht <strong>von</strong> Gettysburg<br />

Für „Nicht-Amerikaner“:<br />

Diese aktuelle britische Ausgabe<br />

enthält eine spezielle<br />

Einführung, die die Schlacht<br />

<strong>von</strong> Gettysburg im Rahmen<br />

des Bürgerkriegs verortet.<br />

Abb.: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Must talk to Lee in the morning. He’s tired.<br />

Never saw him that tired. And sick. But<br />

he’ll listen.“ Diese Gedanken schießen General<br />

James Longstreet – nach Robert E. Lee<br />

ranghöchster Offizier im konföderierten Heer<br />

– am Abend des zweiten Kampftages durch<br />

den Kopf. Natürlich können wir nicht wissen,<br />

was Longstreet wirklich dachte – und hier<br />

liegt der entscheidende Unterschied zu einem<br />

wissenschaftlichen Werk. Der Autor Michael<br />

Shaara verpackte die blutigen <strong>Tage</strong> <strong>von</strong> Gettysburg<br />

aus diesem Grund in einen extrem<br />

spannend zu lesenden Roman.<br />

Hauptakteure sind die Entscheidungsträger<br />

auf beiden Seiten, die ranghohen Offiziere<br />

der Konföderation und der Union. Der Leser<br />

erhält Einblick in die Motivation sowie Gedanken-<br />

und Gefühlswelt dieser Männer.<br />

Selbstverständlich immer in der Interpretation<br />

des Autors. Shaara hat es sich dabei aber<br />

nicht leicht gemacht: Er hat die Charaktere intensiv<br />

studiert, Briefe und andere Quellen ausgewertet.<br />

Ziel war es, den Leser virtuell an der<br />

Schlacht teilhaben und die Ereignisse so plastisch<br />

wie möglich vor dem geistigen Auge entstehen<br />

zu lassen. 1975 erhielt Shaara den Pulitzer-Preis.<br />

Einem großen Publikum bekannt<br />

wurde „The Killer Angels“ allerdings erst 1993<br />

im Zuge des Kinofilms „Gettysburg“, als dessen<br />

Grundlage es diente – leider zu spät für<br />

den bereits verstorbenen Autor. Bis heute gibt<br />

es keine deutsche Übersetzung dieses zeitlosen<br />

Kriegsromans.<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Clausewitz<br />

Clausewitz<br />

6/2013 November | Dezember € 5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Zu „Das Imperial War Museum“ in<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013:<br />

Im Beitrag über das Imperial War Museum<br />

in o.g. Heft wird die Produktionszahl<br />

des T 34/85 mit 2.600 Stück angegeben.<br />

Da ist Ihnen sicher ein Lapsus unterlaufen,<br />

denn bei dieser Stückzahl hätten die<br />

Sowjetmarschälle nur müde gelächelt.<br />

Für 1944 wird der Produktionsausstoß<br />

ziemlich einheitlich mit 11.000 Stück angegeben,<br />

bis zum Kriegsende dürften es<br />

fast 30.000 gewesen sein.<br />

Bernd Hoffmann, per E-Mail<br />

Anm. d. Red.: Der Leser hat Recht – es<br />

hätte in der Bildunterschrift „26.000<br />

Exemplare“ heißen sollen (und nicht<br />

„2.600“). Wir bitten, diesen Druckfehler<br />

zu entschuldigen.<br />

Zum Beitrag „Tag der offenen Tür“ im<br />

Magazinteil <strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013:<br />

Seit einigen Monaten bin ich Bezieher der<br />

Zeitschrift <strong>CLAUSEWITZ</strong> und habe es auch<br />

noch nicht bereut. Die Themenzusammenstellung<br />

finde ich gut und die einzelnen<br />

Beiträge sehr infomativ.<br />

Besonders die Seiten „Magazin“ mit<br />

den aktuellen Informationen <strong>von</strong> „hier<br />

und da“ werden <strong>von</strong> mir regelgerecht<br />

verschlungen. Dabei ist mir bei der aktuellen<br />

Ausgabe und dem Beitrag „Tag der<br />

offenen Tür“ besonders aufgefallen. Noch<br />

viel besser wäre es gewesen, wenn man<br />

solche Information „heiß“<br />

bekommen hätte, so dass<br />

man noch reagieren bzw.<br />

hinfahren hätte können.<br />

Bitte verstehen sie mich<br />

nicht falsch, mir ist schon<br />

klar, dass man nachgängig<br />

über solch eine Veranstaltung<br />

leichter berichten<br />

kann, aber wenn man die<br />

Militär & Technik<br />

Flakpanzer „Gepard“<br />

und Shilka<br />

Germanien<br />

9n. Chr.<br />

Nebelwerfer<br />

Untergang<br />

des Varus<br />

Die deutsche<br />

„Stalinorgel“<br />

Oliver<br />

Cromwell<br />

Revolutionär<br />

oder<br />

Tyrann?<br />

MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />

Fairey<br />

Swordfish<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> bei solchen Highlights wie<br />

fahrende, alte deutsche Panzer als Tipp<br />

oder Tourenplaner benutzen könnte, wäre<br />

das schon ein echter Knaller. Oder haben<br />

Sie schon einmal einen Panzer III oder VI<br />

in Fahrt gesehen?<br />

Michael Korsus, per E-Mail<br />

Zum <strong>CLAUSEWITZ</strong>-Spezial „Rommel“:<br />

In der Rommel-Spezialausgabe ist Ihnen<br />

ein kleiner Fehler unterlaufen: Auf Seite<br />

94 hält James Mason keine Walther P38<br />

sondern eine Luger 08 (ebenfalls Kaliber<br />

9 mm Parabellum) in den Händen.<br />

Meine Fragen: Was war denn nun die<br />

Dienstwaffe Rommels und wann kann ich<br />

mit einer Spezialausgabe zur Ardennenoffensive<br />

'44-'45 rechnen, in der auch die<br />

Situation Luxemburgs behandelt wird?<br />

Sonst ist die Rommel-Ausgabe sehr interessant<br />

und gut gelungen und ich werde<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> weiter kaufen.<br />

Georges Feiereisen (Luxemburg),<br />

per E-Mail<br />

Monte<br />

Cassino<br />

Kampf in Italien 1944<br />

sdaf qgsdf<br />

adfads gsdfg asdf<br />

Goethe etwas modifiziert<br />

zitierend könnte man sagen:<br />

„Das Beste, was wir<br />

<strong>von</strong> der Militärgeschichte<br />

haben, ist der Enthusiasmus,<br />

den sie erregt“. Mit<br />

dem „Rommel-Spezial"<br />

unternimmt das „CLAUSE-<br />

WITZ-Magazin“ den<br />

durchaus gelungenen Versuch,<br />

die militärhistorische Rolle des GFM<br />

Rommel nach gegenwärtigem Erkenntnisstand<br />

zu objektivieren und aus der<br />

Vielzahl <strong>von</strong> Dokumentationen, Büchern<br />

und Filmen positiv herauszuheben. Einen<br />

Korrekturhinweis zur Bildunterschrift Seite<br />

94 unten links: Der „Film-Rommel" J.<br />

Mason hat keine P 38 […] in der Hand.<br />

[…] Es ist eher unwahrscheinlich, dass<br />

Rommel im II. WK diese zuverlässige,<br />

aber schwere Infanteriepistole getragen<br />

hat. Die Amerikaner haben in zeitgenössischen<br />

Filmen ein Faible dafür, die Darsteller<br />

mit dieser etwas martialisch wirkenden<br />

Waffe auszustatten.<br />

Für weitere „Spezial-Vorhaben" besten<br />

Erfolg. Joachim Kaiser, per E-Mail<br />

Schreiben Sie an:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

Anm. d. Red.: <strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt allen<br />

Lesern, die uns auf die „falsche“ Pistole<br />

in Herrn Masons Hand aufmerksam<br />

gemacht haben. Rommel trug vermutlich<br />

eine Walther PPK (Kaliber 7,65 mm) als<br />

Dienstpistole.<br />

In eigener Sache:<br />

In der Ausgabe <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013<br />

wurde versehentlich der Name des<br />

Autors des ausgewählten Beitrages aus<br />

„Der Erste Weltkrieg 1914–1918.<br />

Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches<br />

Jahrhundert“ (S. 54–59) nicht<br />

angegeben. Verfasser des vorgestellten<br />

Kapitels „Front“ ist Dr. Markus Pöhlmann.<br />

Wir bitten, dieses Versehen zu<br />

entschuldigen.<br />

Richtigstellung:<br />

In unserer <strong>CLAUSEWITZ</strong>-Ausgabe<br />

Nr. 1/2013 Januar/Februar wurde für die<br />

Seiten 50–56 einzig der Autor Jörg-M.<br />

Hormann als Urheber angegeben.<br />

Richtigerweise muss hier aber noch Herr<br />

Ullrich Märker genannt werden, <strong>von</strong> dem<br />

einige Textpassagen stammen.<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />

sinnwahrend zu kürzen.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

9


Titelgeschichte<br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

Tödliche<br />

<strong>Blockade</strong><br />

September 1941: Der Heeresgruppe Nord gelingt mit Unterstützung des finnischen<br />

Verbündeten die beinahe vollständige Einkesselung <strong>Leningrad</strong>s. Auf Befehl Hitlers soll<br />

die Stadt nicht erobert, sondern belagert und „ausgehungert“ werden – eine Entscheidung<br />

mit grausamen Folgen vor allem für die Zivilbevölkerung. Von Lukas Grawe<br />

10


EINGEKESSELT:<br />

Mit der Einnahme <strong>von</strong> Schlüsselburg am Ladogasee<br />

östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ist der landseitige <strong>Belagerung</strong>sring<br />

der Wehrmacht um die ehemalige<br />

russische Hauptstadt geschlossen. Für zweieinhalb<br />

Jahre wird die Millionenstadt zum Schauplatz<br />

erbitterter Kämpfe zwischen Deutschen und Russen.<br />

Foto: ullstein bild – Hanns Hubmann<br />

Clausewitz 1/2014<br />

11


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

IN REICHWEITE:<br />

Deutsche Artillerie (Eisenbahnartillerie) nimmt <strong>Leningrad</strong><br />

unter Feuer. Die <strong>Belagerung</strong> der Stadt dauert <strong>900</strong><br />

<strong>Tage</strong> und führt zu einem Massensterben.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

12


<strong>Leningrad</strong> unter Beschuss<br />

FAKTEN<br />

Strategische<br />

und taktische<br />

Zielsetzung<br />

Beteiligte<br />

Verbände<br />

Befehlshaber<br />

Totalverluste<br />

Deutsches Reich<br />

„Aushungern“ der Millionenstadt und Zerstörung<br />

<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong><br />

Ausschaltung des Flottenstützpunktes <strong>Leningrad</strong><br />

und der russischen Ostseeflotte<br />

Zusammentreffen mit den finnischen Truppen;<br />

anschließend Durchtrennung der Murmanbahn,<br />

um den russischen Nachschub zu unterbinden.<br />

Heeresgruppe Nord: Panzergruppe 4<br />

(bis 19. September 1941), 16. Armee, 18. Armee<br />

Wilhelm Ritter <strong>von</strong> Leeb (bis 16. Januar 1942),<br />

Georg <strong>von</strong> Küchler<br />

Unbekannt<br />

Clausewitz 1/2014<br />

13


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

ABWEHRBEREIT:<br />

Die eingekesselten Verteidiger der Stadt leisten<br />

den Belagerern erbitterten Widerstand. Die Einheiten<br />

der Roten Armee geben keinen Quadratmeter<br />

kampflos preis.<br />

Foto: picture-alliance/ZB/©dpa<br />

14


Entschlossene Verteidiger<br />

FAKTEN<br />

Strategische<br />

und taktische<br />

Zielsetzung<br />

Beteiligte<br />

Verbände<br />

Befehlshaber<br />

Totalverluste<br />

Sowjetunion<br />

Verteidigung des wichtigen Flottenstützpunktes<br />

<strong>Leningrad</strong><br />

Erhalt der Rüstungs- und Industrieanlagen<br />

Durchbruch durch die gegnerische <strong>Blockade</strong><br />

anschließend Zurückdrängung der Heeresgruppe Nord<br />

Wolchow-Front (4., 26., 52. und 59. Armee) und <strong>Leningrad</strong>er<br />

Front (<strong>von</strong> 1941–1944 insgesamt 16 Armeen)<br />

Kirill Merezkow (Wolchow), Michail Chosin (<strong>Leningrad</strong><br />

bis Juni 1942), Leonid Goworow (<strong>Leningrad</strong>)<br />

In und um <strong>Leningrad</strong> circa 2 Mio. Tote, Verwundete<br />

und Vermisste (darunter schätzungsweise 800.000<br />

Zivilisten)<br />

Clausewitz 1/2014<br />

15


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

BEOBACHTER: Generalmajor Walter Krüger (re.), dem seit Juli<br />

1941 die 1. Panzerdivision untersteht, verschafft sich an der<br />

Front einen Überblick über die Kampfhandlungen vor <strong>Leningrad</strong><br />

im September 1941.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

RICHTUNGSWEISEND: Ein <strong>von</strong> seinem<br />

Sockel heruntergehobenes Standbild Lenins<br />

weist den deutschen Truppen den Weg<br />

nach <strong>Leningrad</strong>, der alten Zarenresidenz<br />

Sankt Petersburg. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

Bereits in den ersten Weisungen für das<br />

Unternehmen „Barbarossa“ misst Hitler<br />

der Metropole <strong>Leningrad</strong> eine große<br />

Bedeutung bei. Die alte Hauptstadt der<br />

russischen Zaren ist nicht nur die Wiege der<br />

Revolution, sondern auch ein wichtiger Rüstungs-<br />

und Industriestandort. Mit dem in<br />

der <strong>Leningrad</strong>er Bucht gelegenen Flottenstützpunkt<br />

Kronstadt verfügt die sowjetische<br />

Flotte zudem über ihren wichtigsten<br />

Ostseehafen. Um den ganzen Ostseeraum<br />

beherrschen zu können, muss die strategisch<br />

wichtige Stadt eingenommen oder „ausgeschaltet“<br />

werden.<br />

Im Rahmen des deutschen Planes für den<br />

Angriff auf die Sowjetunion ist diese Aufgabe<br />

der Heeresgruppe (HGr.) Nord unter Generalfeldmarschall<br />

Wilhelm Ritter <strong>von</strong> Leeb<br />

zugedacht, die nach Eroberung des Baltikums<br />

und der Ostseehäfen auf <strong>Leningrad</strong><br />

vorstoßen soll. Dafür stehen ihr die Panzergruppe<br />

4 sowie die 16. und 18. Armee und<br />

somit 20 Infanterie-, drei Panzer- und drei<br />

motorisierte Infanteriedivisionen zur Verfügung.<br />

Nach Beginn des deutschen Angriffs am<br />

22. Juni 1941 stößt die Wehrmacht tief ins Innere<br />

der Sowjetunion vor. Der HGr. Nord gelingt<br />

bis August die Einnahme weiter Teile<br />

des Baltikums. Am 29. August erlässt Leeb<br />

den „Heeresgruppenbefehl Nr. 1 für die Einschließung<br />

der Stadt <strong>Leningrad</strong>“. Der Generalfeldmarschall<br />

hält einen sowjetischen Widerstand<br />

östlich des Flusses Wolchow für<br />

wahrscheinlich und glaubt an eine frühzeitige<br />

Aufgabe <strong>Leningrad</strong>s. Für den Angriff auf<br />

die Stadt ist zunächst die Panzergruppe 4<br />

unter Generaloberst Erich Hoepner vorgesehen,<br />

während die 18. Armee noch im <strong>von</strong> der<br />

Sowjetunion annektierten Estland gegen<br />

Verbände der Roten Armee vorgeht und anschließend<br />

auf die alte Garnisonsstadt Krasnoje<br />

Selo vorstoßen soll. Leeb kommt es zunächst<br />

darauf an, <strong>Leningrad</strong> weiträumig einzuschließen.<br />

Die sowjetischen Truppen und<br />

die Bevölkerung sollen systematisch ausgehungert<br />

und jegliche Selbsthilfe unterbunden<br />

werden. Die Furcht vor einem verlustreichen<br />

Häuserkampf spielt dabei zwar eine<br />

untergeordnete Rolle, fungiert jedoch vorrangig<br />

als Alibi.<br />

Vorstoß auf die Stadt<br />

In erster Linie ist die <strong>Blockade</strong> als Teil der nationalsozialistischen<br />

Vernichtungspolitik gedacht.<br />

Mehrmals betont Hitler, dass <strong>Leningrad</strong><br />

vollkommen zerstört und die Stadt<br />

dem Erdboden gleichgemacht werden soll.<br />

Zudem will weder die politische noch die<br />

militärische Führung die Versorgung der<br />

über zwei Millionen Einwohner übernehmen.<br />

Die „Aushungerungslösung“ kommt<br />

schließlich dem militärischen Vorhaben entgegen,<br />

da sie die Verteidiger schwächt und<br />

<strong>Leningrad</strong> als Rüstungszentrum ausschaltet.<br />

Alle Anlagen mit militärischem Wert sowie<br />

Versorgungs- und Energiebetriebe sollen<br />

folglich zerstört und die sowjetischen Truppen<br />

<strong>von</strong> jeglichem Nachschub abgeschnitten<br />

werden.<br />

Dass Leeb nach den vorangegangenen Erfolgen<br />

des Jahres 1941 die Lage insgesamt zu<br />

positiv beurteilt, erfährt die Panzergruppe 4<br />

bei ihrem Vorstoß auf die Stadt. Die sowjetischen<br />

Verteidiger wehren sich hartnäckig<br />

und erschweren den deutschen Truppen das<br />

Vorankommen. Die Panzergruppe muss sich<br />

16


Hartnäckiger Widerstand<br />

IM VISIER: Die Millionenstadt an der Newa ist als wichtiger<br />

Industriestandort und Flottenstützpunkt <strong>von</strong> großer Bedeutung<br />

für die russische Seite. Hitler befiehlt schließlich die <strong>Belagerung</strong><br />

der Stadt. Ein Großteil der Zivilbevölkerung stirbt während<br />

der <strong>Blockade</strong> an den Folgen des Hungers oder der Kälte.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

nach sowjetischen Gegenangriffen sogar zur<br />

Verteidigung rüsten und fällt somit für die<br />

geplante Einschließung <strong>Leningrad</strong>s aus. Um<br />

den Angriff am Leben zu erhalten, befiehlt<br />

Leeb daher dem XXXVIII. Armeekorps, die<br />

Einschnürung der Stadt ohne Panzerunterstützung<br />

vorzunehmen. Von Norden her riegelt<br />

der deutsche Verbündete Finnland die<br />

Stadt ab. In der deutschen Strategie spielt der<br />

Bündnispartner eine wichtige Rolle, sollen<br />

finnische Truppen doch das östliche Ufer des<br />

Ladogasees besetzen und sich anschließend<br />

mit den deutschen Soldaten vereinigen.<br />

Die finnischen Verbände beenden jedoch<br />

ihren Vormarsch, nachdem sie die im Winterkrieg<br />

<strong>von</strong> 1940 an die Sowjetunion verlorenen<br />

Gebiete zurückerobert haben. Man ist<br />

darum bemüht, die westlichen Alliierten<br />

nicht zu provozieren. Den sowjetischen Verteidigern<br />

kommt das finnische Handeln entgegen,<br />

erleichtert es doch die Situation im<br />

Kessel um ein Vielfaches.<br />

KARTE<br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>Leningrad</strong>s – (Militär. Lage im Dezember 1941)<br />

Der Kessel schließt sich<br />

Entgegen seiner früheren Ansicht wünscht<br />

Leeb nunmehr eine engere Abschnürung der<br />

Stadt, da das zögerliche Verhalten der Finnen<br />

den Verteidigern die Versorgung der<br />

Stadt über den Ladogasee gestattet und somit<br />

eine Aushungerung behindert. Eine engere<br />

Linie um die Stadt würde zudem Truppen<br />

freimachen, die die HGr. Nord an anderen<br />

Brennpunkten gut gebrauchen kann.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Clausewitz 1/2014<br />

17


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

GUT GERÜSTET: Ein Spähtrupp der<br />

Roten Armee in Schneeanzügen.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Am 7. September 1941 beginnt das<br />

XXXVIII. Armeekorps mit dem Angriff auf<br />

die vorgeschobenen sowjetischen Stellungen.<br />

Schon einen Tag später gelingen der<br />

Vorstoß zum Ladogasee und die Einnahme<br />

der strategisch wichtigen Stadt Schlüsselburg<br />

östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>. Wenige <strong>Tage</strong> darauf<br />

erreichen erste deutsche Einheiten die<br />

Vororte der alten Zaren-Hauptstadt. Diese ist<br />

Aderlass der HGr. Nord<br />

Anfang und Mitte September kommt es innerhalb<br />

der deutschen Führung zu Diskussionen,<br />

wie der weitere Verlauf des Feldzuges<br />

ablaufen soll. Für den parallelen Vorstoß<br />

<strong>von</strong> drei Heeresgruppen fehlen mittlerweile<br />

die Kräfte.<br />

Während Hitler den Vorstoß der HGr.<br />

Nord und Süd bevorzugt, um die Sowjetunion<br />

<strong>von</strong> ihrem Nachschub abzuschnüren und<br />

die wichtigen Erdölvorkommen im Kaukasus<br />

in Besitz zu nehmen, favorisiert Generalstabschef<br />

Generaloberst Franz Halder den<br />

Vorstoß auf die Hauptstadt Moskau. Halder<br />

setzt sich durch, die HGr. Mitte benötigt nun<br />

alle Kräfte für den Sturm auf Stalins Hauptstadt.<br />

Der Norden der Sowjetunion wird daher<br />

zum Nebenkriegsschauplatz. Dies macht<br />

„Wenn heute jemand da wäre, um <strong>Leningrad</strong> zu<br />

entsetzen, dann würde ich den Befehl geben, es zu<br />

stürmen, und wir würden es erstürmen. (…) Aber<br />

das ist nicht notwendig. Die Stadt ist umklammert.“<br />

Hitler in seiner Rede vom 8. November 1941 im Löwenbräukeller in München<br />

IN DECKUNG: Ein deutscher Infanterist bahnt<br />

sich den Weg durch einen Schützengraben im<br />

Vorfeld <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>. Auch den Belagerern<br />

setzt die Witterung der Wintermonate hart<br />

zu. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

nun beinahe vollkommen eingeschlossen<br />

und nur noch auf dem Seeweg erreichbar.<br />

Allerdings misslingt die Einschließung der<br />

Kronstädter Bucht, da die schwere Festungsartillerie<br />

die sowjetischen Verteidiger tatkräftig<br />

unterstützt und der HGr. Nord die<br />

personellen Reserven ausgehen. Westlich <strong>Leningrad</strong>s<br />

bildet sich daher ein weiterer Kessel,<br />

der nach der Stadt Oranienbaum benannt<br />

wird und in den kommenden Monaten<br />

und Jahren eine ständige Gefahr für die<br />

deutschen Truppen darstellt.<br />

sich für die HGr. Nord sofort bemerkbar. Der<br />

Großverband muss die Panzergruppe 4 an<br />

die HGr. Mitte abgeben, sodass alle Angriffe<br />

auf <strong>Leningrad</strong> gestoppt werden.<br />

Zwar gelingt es Leebs HGr. vor Abgabe<br />

der Verbände noch, den Ring um <strong>Leningrad</strong><br />

zu verengen, doch eine anschließende größere<br />

Angriffsoperation ohne Panzerunterstützung<br />

wäre zum Scheitern verurteilt. Ende<br />

September 1941 haben sich die Angriffe auf<br />

die Stadt endgültig festgefahren. Zudem ist<br />

der <strong>Belagerung</strong>sring noch immer so weit <strong>von</strong><br />

der Stadt entfernt, dass an einen gezielten<br />

Artilleriebeschuss zur Zerstörung der Stadt<br />

nicht zu denken ist.<br />

18


<strong>Blockade</strong> der Stadt<br />

Der Generalfeldmarschall ist über die Herauslösung<br />

des Verbandes erbost, will er<br />

doch als Eroberer <strong>Leningrad</strong>s in die Geschichte<br />

eingehen. Nach Feindberichten seiner<br />

Einheiten ist die Lage dafür günstig: Sein<br />

XXXXI. Armeekorps meldet bereits Auflösungserscheinungen<br />

beim sowjetischen Gegner,<br />

denn die Bevölkerung verspüre keine<br />

große Lust, die Verteidigung fortzusetzen.<br />

Doch auch diese Lageeinschätzung, die sich<br />

in den kommenden Monaten als viel zu optimistisch<br />

herausstellt, hindert das Oberkommando<br />

der Wehrmacht (OKW) nicht an<br />

der Wegnahme der Panzergruppe 4.<br />

Dramatische Entsatzversuche<br />

Auf sowjetischer Seite hält man die Lage für<br />

außerordentlich bedrohlich. Sowohl die<br />

wichtigsten Rüstungsbetriebe als auch die<br />

Hafen- und Werftanlagen werden bereits zur<br />

Sprengung vorbereitet. Wiederholt fordert<br />

Stalin sogar die sowjetischen Verbände im<br />

Kessel zum Ausbruch auf: „Ziehen Sie acht<br />

oder zehn Divisionen zusammen und brechen<br />

Sie nach Osten aus. Das ist in jedem Fall<br />

notwendig, ob <strong>Leningrad</strong> gehalten werden<br />

kann oder nicht. Für uns ist die Armee wichtiger.<br />

Wir fordern <strong>von</strong> Ihnen geschlossenes<br />

Handeln.“<br />

Das Schicksal der Bevölkerung <strong>Leningrad</strong>s<br />

ist auch aus Stalins Sicht zweitrangig.<br />

FÜHRUNGSROLLE: Leonid A. Goworow (1897–1955)<br />

spielte eine führende Rolle während der Schlacht um<br />

Moskau im Winter 1941/42 und übernimmt 1942 das<br />

Kommando über die <strong>Leningrad</strong>er Front. 1944 wird er zum<br />

„Marschall der Sowjetunion“, 1945 zum „Held der Sowjetunion“<br />

ernannt. picture-alliance / Mary Evans/John Massey Stewart<br />

In jedem Fall soll der deutsche <strong>Belagerung</strong>sring<br />

gesprengt werden. Bereits am 22. September<br />

1941 unternehmen sowjetische Truppen<br />

Angriffe gegen den „Flaschenhals“, den<br />

deutschen Korridor östlich <strong>Leningrad</strong>s, der<br />

bis nach Schlüsselburg reicht. Die deutsche<br />

18. Armee, die das Kommando im Bereich<br />

<strong>Leningrad</strong> übernimmt, ist jedoch auf ein derartiges<br />

Vorgehen vorbereitet und weist den<br />

improvisierten Angriff unter hohen Verlusten<br />

zurück.<br />

Auch in der Folgezeit bleibt der „Flaschenhals“<br />

ein ständiger Unruheherd. Um<br />

künftige sowjetische Truppenverschiebungen<br />

in diesem Raum zu unterbinden, beginnt<br />

die deutsche 18. Armee am 16. Oktober<br />

den Angriff auf das wichtige Bahndrehkreuz<br />

Tichvin. Mit Hilfe eigens aus Frankreich herangeführter<br />

Verstärkungen, darunter die<br />

spanischen Freiwilligen der 250. Infanteriedivision<br />

(„Blaue Division“), soll den sowjetischen<br />

Truppen der Weg nach Osten abgeschnitten<br />

und eine Front am Fluss Wolchow<br />

errichtet werden. Das vermutete Ausweichen<br />

der sowjetischen Verbände tritt jedoch<br />

nicht ein, überall stoßen die deutschen Soldaten<br />

auf heftigen Widerstand. Bereits am<br />

25. Oktober bleibt der Angriff im Schlamm<br />

stecken. Während Hitler den Vorstoß beenden<br />

will, bittet Leeb um eine Verschiebung<br />

des Abbruchs.<br />

Vorstoß nach Tichwin<br />

Tatsächlich gelingt den deutschen Verbänden<br />

in erbitterten Kämpfen der weitere Vormarsch.<br />

Am 8. November 1941 erfolgt schließlich<br />

die Einnahme Tichwins. Da die meisten<br />

sowjetischen Nachschubwege über diese<br />

Stadt führen, ist mit ihrer Einnahme der Bela-<br />

IM BLICK: Soldaten der Wehrmacht beobachten<br />

mit Feldstecher und Grabenspiegel<br />

die Bewegungen des Gegners, um ihr MG<br />

neu auszurichten. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 1/2014<br />

19


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

AUSGESCHALTET: Zwei <strong>von</strong> den Deutschen zerstörte russische Kampfpanzer im Frontabschnitt<br />

südlich des Ladogasees.<br />

Foto: ullstein bild - ullstein bild<br />

ZERSTÖRT: Zwischen Wracks schlängeln<br />

sich die Schützengräben. Foto: picture-alliance/dpa<br />

gerungsring um <strong>Leningrad</strong> de facto vollkommen<br />

geschlossen. In den folgenden Wochen<br />

bricht daher die sowjetische Versorgung der<br />

Stadt über den Ladogasee zusammen.<br />

Hochgesteckte Ziele<br />

Die HGr. Nord drängt nun auf eine Beseitigung<br />

des „Oranienbaumer Kessels“ und auf<br />

die Einnahme <strong>von</strong> Kronstadt, doch Hitler<br />

lehnt die wiederholten Gesuche ab. Für derartige<br />

Vorhaben will der „Führer“ erst weitere<br />

schwere Artillerie zusammenziehen und<br />

die Situation mit einem überlegenen Materialeinsatz<br />

„bereinigen“. Zu derartigen Plänen<br />

kommt es jedoch nicht mehr, da Anfang Dezember<br />

sowjetische Gegenangriffe zu einer<br />

Aufgabe Tichwins führen. Die deutschen<br />

Truppen haben der sowjetischen 54. Armee,<br />

die mit Hilfe herangeführter massiver Panzerkräfte<br />

in allen Belangen überlegen ist,<br />

nicht viel entgegenzusetzen. Eine vollständige<br />

Abschnürung <strong>Leningrad</strong>s sowie ein Zusammengehen<br />

mit finnischen Truppen<br />

scheint nunmehr unmöglich.<br />

Hatte sich Hitler im November noch äußerst<br />

optimistisch geäußert, betrachtet er im<br />

Dezember 1941 die <strong>Belagerung</strong> der Stadt de<br />

facto als beendet, da die sowjetischen Nachschublieferungen<br />

wieder über den Ladogasee<br />

in den Kessel gelangen. Zwischen diesem<br />

See und dem Ilmensee halten sich zum<br />

Ende des Jahres 1941 lediglich 13 deutsche<br />

Infanterie- und zwei Panzerdivisionen. Vor<br />

<strong>Leningrad</strong> befinden sich weitere neun Infanteriedivisionen,<br />

die eine Frontbreite <strong>von</strong> 130<br />

Kilometern abzudecken haben. Entgegen allen<br />

Hoffnungen ist das Ziel der HGr. Nord,<br />

HINTERGRUND<br />

Der 1939 zwischen dem Deutschen Reich<br />

und der Sowjetunion geschlossene Nichtangriffspakt<br />

schlägt Finnland, das bis 1918<br />

zum russischen Zarenreich gehört, der sowjetischen<br />

Interessenssphäre zu. Nachdem<br />

die UdSSR im Herbst 1939 auf Gebietsabtretungen<br />

besteht, die <strong>von</strong> Finnland abgelehnt<br />

werden, greifen sowjetische Truppen<br />

am 30. November 1939 auf breiter Front an,<br />

um das gesamte finnische Staatsgebiet zu<br />

besetzen.<br />

Die zahlenmäßig weit unterlegenen finnischen<br />

Verbände können das sowjetische Vordringen<br />

jedoch stoppen und fügen den Angreifern<br />

derart hohe Verluste zu, dass das<br />

Land im am 13. März 1940 geschlossenen<br />

Frieden <strong>von</strong> Moskau lediglich geringe Gebietsverluste<br />

im Vorfeld <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> hinnehmen<br />

muss.<br />

Als das Deutsche Reich am 22. Juni<br />

1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion<br />

beginnt, erklärt Finnland zunächst seine<br />

Neutralität. Erst als die UdSSR am 25. Juni<br />

<strong>Leningrad</strong> zu zerstören, zu diesem Zeitpunkt<br />

nicht annähernd erreicht. Der weite<br />

<strong>Belagerung</strong>sring macht einen wirksamen Artilleriebeschuss<br />

unmöglich und auch aus der<br />

Luft ist eine Zerstörung der Stadt aufgrund<br />

der wenigen vorhandenen Flugzeuge nicht<br />

zu erreichen. Wider Erwarten hält <strong>Leningrad</strong><br />

daher den Hungerwinter 1941/42 durch.<br />

Das deutsche Hauptziel für das Jahr 1942<br />

ist die Herstellung der Verbindung mit den<br />

Finnen, die man fälschlicherweise immer<br />

noch für kooperationswillig hält. Die „<strong>Leningrad</strong>-Frage“<br />

ist mittlerweile zum Angelpunkt<br />

der politischen Beziehungen zum Verbündeten<br />

geworden.<br />

Hitler will nach dem im Winter 1941/42<br />

gescheiterten Vorstoß auf Moskau seinen favorisierten<br />

Plan umsetzen, die Sowjetunion<br />

<strong>von</strong> den amerikanischen und britischen<br />

Nachschublieferungen abzuschneiden. Während<br />

die HGr. Süd in den Kaukasus vorstoßen<br />

und die Lieferungen über die Wolga unterbinden<br />

soll, ist die HGr. Nord, gemeinsam<br />

mit finnischen Truppen, für die Unterbre-<br />

Finnisch-Sowjetischer Krieg<br />

einige finnische Stützpunkte bombardiert,<br />

<strong>von</strong> denen deutsche Kampfflugzeuge gestartet<br />

sein sollen, beginnen die Finnen mit der<br />

aktiven Beteiligung am Feldzug.<br />

Im als „Fortsetzungskrieg“ deklarierten<br />

Krieg gelingt es finnischen Einheiten mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> deutschen Truppen anfangs, die im<br />

vorangegangenen „Winterkrieg“ an die Sowjetunion<br />

verlorenen Gebiete zurückzuerobern.<br />

Anschließend entwickelt sich ein drei<br />

Jahre andauernder Stellungskrieg, da die finnische<br />

Staatsführung den Vormarsch einstellt,<br />

um die Westalliierten nicht zu provozieren.<br />

Auch wiederholtes deutsches Drängen,<br />

vor allem zu stärkerer Beteiligung an<br />

den Angriffen auf <strong>Leningrad</strong>, ändert nichts<br />

an der finnischen Haltung.<br />

Die Sowjetunion startet erst 1944 eine<br />

große strategische Offensive, die Finnland<br />

zum Friedensvertrag verleitet. Als Folge dieses<br />

Waffenstillstandes verliert Finnland neben<br />

den zurückeroberten Gebieten auch<br />

weitere Landstriche.<br />

20


Sowjetische Gegenoffensiven<br />

chung der Murman-Bahn vorgesehen. Die<br />

Besetzung dieser wichtigen Nachschubachse<br />

soll im Anschluss an die Eroberung <strong>Leningrad</strong>s<br />

erfolgen.<br />

Ladoga-Schlacht<br />

Das zuerst unter dem Decknamen „Feuerzauber“,<br />

später als „Nordlicht“ bezeichnete<br />

Unternehmen stößt in der Generalität auf Bedenken,<br />

da man die HGr. nach zahlreichen<br />

Abstellungen für andere Verbände für zu<br />

schwach hält, um die Stadt an der Newa zu<br />

nehmen. Doch Hitler lässt sich nicht <strong>von</strong> seinen<br />

Plänen abbringen. Zuvor sollen die Unternehmen<br />

„Moorbrand“ bzw. „Bettelstab“<br />

die Wolchow-Front begradigen und den<br />

„Oranienbaumer Kessel“ beseitigen, um<br />

weitere Kräfte freizumachen.<br />

Doch das Unternehmen „Nordlicht“<br />

scheitert, bevor es überhaupt beginnt. Am<br />

27. August 1942 eröffnet die Rote Armee eine<br />

weitere Offensive gegen den exponierten<br />

deutschen „Flaschenhals“ bei Schlüsselburg,<br />

um die äußerst angespannte Nachschublage<br />

der alten Zarenhauptstadt zu verbessern.<br />

Die als „Erste Ladoga-Schlacht“ bezeichneten<br />

Kämpfe ziehen sich bis zum 2. Oktober<br />

hin und enden schließlich mit der deutschen<br />

Abwehr der sowjetischen Offensiven. Zwar<br />

ist es Einheiten der Roten Armee gelungen,<br />

aus östlicher Richtung einige Kilometer in<br />

den deutschen Korridor vorzustoßen, doch<br />

können die deutschen Verbände, die eigentlich<br />

für die Unternehmen „Moorbrand“ und<br />

„Bettelstab“ abgestellt sind, die Einbrüche<br />

begrenzen und die angreifenden sowjetischen<br />

Verbände schließlich einkesseln. Der<br />

sowjetische Angriff bricht unter hohen Verlusten<br />

zusammen, vereitelt aber die weitgesteckten<br />

deutschen Pläne für den Sommer<br />

1942. Nicht nur die kleineren Vorhaben, sondern<br />

auch das Unternehmen „Nordlicht“<br />

wird schließlich aufgegeben. Die Stadt <strong>Leningrad</strong><br />

kann auf diese Weise auch im zweiten<br />

Kriegswinter mit Lebensmitteln versorgt<br />

werden und entwickelt sich für die deutsche<br />

HGr. Nord zu einer „offenen Wunde“, die<br />

„Feststehender Entschluss des Führers ist es, Moskau<br />

und <strong>Leningrad</strong> dem Erdboden gleich zu machen, um<br />

zu verhindern, dass Menschen darin bleiben, die wir<br />

dann im Winter ernähren müssten.“<br />

Kriegstagebucheintrag <strong>von</strong> Generalstabschef Franz Halder vom 8. Juli 1941<br />

übermäßig viele Kräfte bindet. Zudem führt<br />

die Rolle als Nebenkriegsschauplatz dazu,<br />

dass die HGr. Nord immer mehr Kräfte an<br />

die HGr. Mitte und Süd abgeben muss. An<br />

eigenständige Offensiven ist nicht mehr zu<br />

denken.<br />

Im Januar 1943 unternehmen die sowjetischen<br />

Truppen einen neuen Versuch, den<br />

weitgehend intakten deutschen <strong>Blockade</strong>ring<br />

um die Stadt an der Newa zu sprengen.<br />

Erneut richtet sich der Angriff gegen den<br />

„Flaschenhals“, doch dieses Mal sind die Bedingungen<br />

deutlich günstiger als im Sommer<br />

1942. Zum einen sind die beteiligten<br />

Fronten „Wolchow“ und „<strong>Leningrad</strong>“ bedeutend<br />

verstärkt worden während die Stärke<br />

der HGr. Nord kontinuierlich abnimmt.<br />

Zum anderen begünstigt die Witterung das<br />

Vorankommen der schweren Panzer. Unter<br />

dem Decknamen „Iskra“ beginnt am 12. Ja-<br />

ABWEHR: Soldaten der sowjetischen Luftabwehr<br />

sichern mit ihren Flakgeschützen den Luftraum<br />

über <strong>Leningrad</strong>.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 1/2014<br />

21


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

nuar der Sturm der Roten Armee mit massiven<br />

Luftangriffen, denen die völlig unterbesetzte<br />

deutsche Luftflotte 1 nichts entgegen<br />

setzten kann. Zeitgleich greift die sowjetische<br />

Armee <strong>von</strong> Osten und aus dem <strong>Leningrad</strong>er<br />

Kessel im Westen den engen deutschen<br />

Korridor an. Obwohl die deutsche 18.<br />

Armee sämtliche Reserven in den Kampf<br />

wirft, gelingt den sowjetischen Truppen der<br />

Durchbruch.<br />

Paradoxe Situation<br />

Am 17. Januar räumen die Deutschen<br />

Schlüsselburg, sodass <strong>Leningrad</strong> nach 506<br />

<strong>Tage</strong>n wieder über eine Landverbindung<br />

verfügt, die die Versorgung wesentlich erleichtert.<br />

Obwohl der schmale Durchbruch<br />

in Reichweite der deutschen Artillerie liegt,<br />

die wiederholt das Feuer auf die Einbruchstelle<br />

eröffnet, gelingt es der Roten Armee in<br />

den folgenden Monaten, das Truppenaufgebot<br />

in <strong>Leningrad</strong> und im „Oranienbaumer<br />

Kessel“ wesentlich zu erhöhen. „Demgegenüber<br />

betrachtete man auf deutscher Seite die<br />

„Es liegt also durchaus in unserem Sinne, wenn <strong>Leningrad</strong><br />

noch einige Zeit Widerstand leistet. Wir können<br />

dann diese Millionenstadt Straße um Straße und<br />

Viertel um Viertel zerstören […]. Es entwickelt sich<br />

hier das schaurigste Stadtdrama, das die Geschichte<br />

jemals gesehen hat.“<br />

<strong>Tage</strong>bucheintrag <strong>von</strong> Joseph Goebbels vom 24. September 1941<br />

VON HÖCHSTER STELLE: Befehl Josef Stalins<br />

zur entschlossenen Fortführung des<br />

Kampfes zur „Zerschmetterung der deutschen<br />

Okkupanten“ auf einem sowjetischen<br />

Propagandaflugblatt in deutscher Sprache<br />

(Vorderseite). Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Heeresgruppe Nord als eine Art Verfügungsmasse,<br />

<strong>von</strong> der immer mehr Verbände abgezogen<br />

wurden. Inzwischen hatte sich die militärische<br />

Lage auf paradoxe Weise ins Gegenteil<br />

verkehrt. Nicht mehr die Belagerer<br />

bedrohten die Belagerten, sondern umgekehrt“,<br />

so der renommierte Militärhistoriker<br />

Karl-Heinz Frieser.<br />

Durch den „Flaschenhals“<br />

Die Gesamtstärke der HGr. Nord ist mittlerweile<br />

auf 360.000 kampfbereite Soldaten geschrumpft.<br />

Trotz des günstigen Kräfteverhältnisses<br />

hält sich die Rote Armee in der<br />

Folgezeit zurück. Ihr Fokus liegt auf der Befreiung<br />

der südlichen Landesteile, der Norden<br />

spielt auch aus sowjetischer Sicht eine<br />

eher untergeordnete Rolle.<br />

Im August 1943 gelingt der deutschen 18.<br />

Armee noch einmal die Abwehr einer sowjetischen<br />

Offensive, welche die schmale Einbruchstelle<br />

in den „Flaschenhals“ verbreitern<br />

soll. Obwohl die Rote Armee ständig<br />

neue Reserven heranführt, gelingt es dem<br />

XXVI. Armeekorps, die Stellung zu halten.<br />

Doch die Kräfte der HGr. Nord sind nahezu<br />

vollkommen aufgebraucht. Anfang 1944<br />

bittet der seit 1942 amtierende Oberbefehlshaber<br />

der HGr., Generalfeldmarschall Georg<br />

<strong>von</strong> Küchler, Hitler um die Erlaubnis zum<br />

UNTER BESCHUSS: Die Millionenstadt an der Newa<br />

ist als wichtiger Industriestandort und Flottenstützpunkt<br />

<strong>von</strong> großer Bedeutung für die russische Seite.<br />

Hitler befiehlt schließlich die <strong>Belagerung</strong> der<br />

Stadt. Ein Großteil der Zivilbevölkerung stirbt während<br />

der <strong>Blockade</strong> an den Folgen des Hungers oder<br />

der Kälte.<br />

Foto: picture-alliance/ZB/©dpa<br />

22


Rückzug der Wehrmacht<br />

KAMPFBEREIT: Eine Gruppe weiblicher Millizionäre<br />

in der Moskauer Allee. Auf russischer<br />

Seite werden auch Frauen und Arbeiter<br />

militärisch geschult und im Kampf gegen<br />

die deutschen <strong>Belagerung</strong>struppen eingesetzt.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Rückzug auf eine vorbereitete Verteidigungsstellung<br />

an der Grenze zum Baltikum.<br />

Doch der „Führer“ lehnt ab.<br />

Ende der <strong>Belagerung</strong><br />

Dass die deutschen Belagerer mittlerweile<br />

handlungsunfähig sind, beweist die neuerliche<br />

sowjetische Offensive vom 14. Januar<br />

1944. Allein um <strong>Leningrad</strong> und im „Oranienbaumer<br />

Kessel“ konzentriert die Rote Armee<br />

über 420.000 Soldaten, um die deutsche 18.<br />

Armee endgültig zu zerschlagen. Die sowjetischen<br />

Truppen kommen gegen die geschwächten<br />

deutschen Verbände leicht voran,<br />

sodass Küchler am 18. Januar den Rückzug<br />

anordnen muss. Einen Tag später müssen<br />

BEFEHLSHABER: Georg <strong>von</strong> Küchler (1881–1968), seit Januar 1942 Oberbefehlshaber der<br />

Heeresgruppe Nord, während einer Lagebesprechung mit einem hochrangigen Offizier der<br />

spanischen „Blauen Division“, die als 250. Infanteriedivision auf deutscher Seite gegen die<br />

Sowjetunion kämpft.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Literaturtipps<br />

Karl-Heinz Frieser: Das Ausweichen der Heeresgruppe<br />

Nord <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ins Baltikum<br />

(=Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg,<br />

Bd. 8., Die Ostfront 1943/44).<br />

Jörg Ganzenmüller: Das belagerte <strong>Leningrad</strong><br />

1941–1944. Die Stadt in den Strategien <strong>von</strong><br />

Angreifern und Verteidigern, 2. Auflage, Paderborn<br />

2007.<br />

David M. Glantz: The Battle for <strong>Leningrad</strong>,<br />

1941–1944. Kansas 2002.<br />

auch die letzten deutschen Soldaten aus dem<br />

„Flaschenhals“ zurückgehen, um einer drohenden<br />

Umfassung zu entkommen. Schließlich<br />

kann die Rote Armee Ende Januar 1944<br />

die Bahnlinie nach Moskau wieder in Besitz<br />

nehmen. Damit ist die <strong>Belagerung</strong> <strong>Leningrad</strong>s<br />

nach über <strong>900</strong> <strong>Tage</strong>n nunmehr vollständig beendet.<br />

Die gesamte HGr. Nord muss unter<br />

dem sowjetischen Druck zurückweichen.<br />

Die zweieinhalb Jahre andauernde <strong>Belagerung</strong><br />

kostet die sowjetischen Verteidiger<br />

enorm hohe Verluste – auch und besonders<br />

unter der Zivilbevölkerung.<br />

Der deutschen HGr. Nord gelingt zwar<br />

über einen langen Zeitraum hinweg die Behauptung<br />

der <strong>Belagerung</strong>sfront, doch misslingt<br />

die geplante völlige Zerstörung bzw.<br />

„Ausschaltung“ <strong>Leningrad</strong>s. Im Gegenteil:<br />

Auch der als Nebenkriegsschauplatz betrachtete<br />

Norden Russlands erweist sich für<br />

die deutschen Angreifer als verlustreicher<br />

Frontabschnitt.<br />

Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus<br />

Münster.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

23


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

Das Leid der Menschen<br />

Millionenfaches<br />

Massengrab<br />

1941–1944: Während der <strong>Belagerung</strong> spielen sich in <strong>Leningrad</strong> grausame Szenen ab. Völlig<br />

entkräftete Einwohner sterben hunderttausendfach den Hunger- oder Kältetod. Für Angreifer<br />

und Verteidiger wird die Millionenstadt ebenfalls zum Massengrab. Von Tammo Luther<br />

24


Fast <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> lang belagern deutsche<br />

Truppen die Millionenstadt <strong>Leningrad</strong>,<br />

das alte Sankt Petersburg. Ziel ist es, die<br />

Menschen der Stadt „auszuhungern“, um<br />

das bedeutende Industriezentrum und den<br />

wichtigen Flottenstützpunkt dauerhaft auszuschalten.<br />

Durch den Beschuss der deutschen Artillerie<br />

und die Bombardierung durch Einheiten<br />

der Luftwaffe werden weite Teile der<br />

einst <strong>von</strong> prachtvoller Architektur geprägten<br />

ehemaligen russischen Hauptstadt in<br />

Schutt und Asche gelegt. Dennoch geben die<br />

sowjetischen Verteidiger nicht auf. <strong>Leningrad</strong><br />

wird schließlich zum Symbol für den<br />

„unbeugsamen russischen Widerstandswillen“<br />

im Zweiten Weltkrieg.<br />

Unter Beteiligung unzähliger Zivilisten<br />

lassen die Verteidiger provisorische, aber<br />

auch stark befestigte Abwehrstellungen in<br />

den Innen- und Außenbezirken der „Festung“<br />

<strong>Leningrad</strong> errichten. Die Parteiführung<br />

geht dabei hart gegen „Verweigerer“<br />

und angebliche „Volksfeinde“ vor. Die Zahl<br />

der Opfer, die während der <strong>Belagerung</strong> Le-<br />

AUSGEBOMBT: Bewohner der Stadt vor<br />

den Trümmern eines durch einen Luftangriff<br />

schwer beschädigten Straßenzuges<br />

in <strong>Leningrad</strong>. Unzählige Menschen werden<br />

während der <strong>Blockade</strong> infolge <strong>von</strong> Artillerie-<br />

und Bombentreffern obdachlos.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

ningrads an Hunger, Kälte, Krankheit oder<br />

infolge des Artilleriebeschusses und der<br />

Luftangriffe sterben, lässt sich nur schätzen.<br />

Vermutlich etwa 700.000 bis 800.000 Zivilisten<br />

der insgesamt etwa 2,5 Millionen Eingeschlossenen<br />

überleben die zweieinhalbjährige<br />

<strong>Blockade</strong> <strong>von</strong> September 1941 bis Januar<br />

1944 nicht. Hinzu kommen unzählige gefallene<br />

Soldaten auf beiden Seiten.<br />

Besonders die Verluste der Roten Armee<br />

sind sehr hoch. Hier wirken sich die <strong>von</strong> Josef<br />

Stalin während des „Großen Terrors“ angeordneten<br />

„Säuberungsaktionen“ bei den<br />

eigenen Offizieren nachteilig für die russische<br />

Seite aus. Denn aus Mangel an fähigen<br />

Militärs werden die schlecht geführten Verbände<br />

<strong>von</strong> den deutschen Truppen anfangs<br />

zum Teil regelrecht aufgerieben. Dies ist vor<br />

allem im Zuge der russischen Winteroffensive<br />

1942 der Fall. Eilig aufgestellte und vollkommen<br />

unzureichend geschulte „Volkswehren“<br />

und Arbeitermilizen zahlen ebenfalls<br />

einen extrem hohen „Blutzoll“.<br />

Aufgrund der katastrophalen Versorgungslage<br />

ist der Alltag der <strong>Leningrad</strong>er<br />

während der <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Mangelerscheinungen,<br />

Krankheiten und Seuchen geprägt.<br />

Um dem Hungertod zu entgehen,<br />

werden schließlich auch Haustiere wie Katzen<br />

und Hunde verzehrt. Vor allem Alte,<br />

Kranke und Kleinkinder sterben bereits in<br />

den ersten Monaten des Jahres 1942 hunderttausendfach.<br />

Schätzungen gehen <strong>von</strong> jeweils<br />

ZUSAMMENGEKAUERT: Deutsche Grenadiere<br />

harren im Schneesturm in ihrer Stellung<br />

vor <strong>Leningrad</strong> aus. Der extrem harte russische<br />

Winter setzt auch den Belagerern heftig<br />

zu und führt zu hohen Ausfallzahlen etwa<br />

durch Erfrierungen. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

100.000 Toten pro Monat aus. Bei den Bauern<br />

der Landbevölkerung aus dem Umland ist<br />

die „Todesrate“ besonders hoch, da sie keine<br />

„echten“ <strong>Leningrad</strong>er und somit bei den Lebensmittelzuteilungen<br />

besonders schlecht<br />

gestellt sind.<br />

Der strenge russische Winter trägt zusätzlich<br />

zur Verschärfung der Situation bei, denn<br />

MAHNMAL: Gedenkstätte<br />

zur Erinnerung an die <strong>Belagerung</strong><br />

<strong>Leningrad</strong>s 1941–<br />

1944 im heutigen Sankt<br />

Petersburg.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

Arco Imgaes GmbH<br />

Clausewitz 1/2014<br />

25


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

IN FREMDER ERDE: Deutsche Soldatengräber an der <strong>Leningrad</strong>er<br />

Front. Auch auf deutscher Seite sind die Verluste während der fast<br />

<strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernden <strong>Belagerung</strong> hoch. Foto: ullstein bild - Nowosti<br />

ERSCHRECKEND: Unterernährte Kinder im belagerten <strong>Leningrad</strong><br />

werden ärztlich untersucht. Unzählige Kinder sterben einen qualvollen<br />

Hungertod.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

bei Minustemperaturen <strong>von</strong> 30 bis 40 Grad<br />

unter Null kommen viele der größtenteils erheblich<br />

geschwächten und medizinisch völlig<br />

unzureichend versorgten Menschen ums<br />

Leben.<br />

Kampf ums nackte Überleben<br />

Eine im Januar 1942 angeordnete Massenevakuierung<br />

auf „Eisstraßen“ in Lkw über<br />

den zugefrorenen Ladogasee soll eine gewisse<br />

Entlastung bringen und führt sogar zum<br />

gewünschten Erfolg, denn das „Soll“ wird<br />

mit etwas mehr als 500.000 Menschen übertroffen.<br />

Doch die Zahl derjenigen, die während<br />

der Evakuierungsaktion sterben, ist<br />

hoch. Hinzu kommt, dass viele <strong>Leningrad</strong>er<br />

trotz allen Elends die Stadt aus Angst, die beschwerliche<br />

und gefährliche Reise ins Ungewisse<br />

nicht zu überstehen, nicht verlassen<br />

wollen und für Unruhe sorgen.<br />

Der Kriegsalltag in <strong>Leningrad</strong> ist <strong>von</strong> dem<br />

Kampf ums nackte Überleben geprägt. Überall<br />

und immer wieder gleichen sich die Bilder:<br />

Entkräftete Menschen gehen zu Fuß<br />

durch die Straßen, um ihre knappen Rationen<br />

in den Ausgabestellen abzuholen oder<br />

um Wasser aus den Kanälen zu schöpfen.<br />

Ein unrühmliches Kapitel stellt die Bevorzugung<br />

der Parteifunktionäre und Militärelite<br />

bei der Zuteilung <strong>von</strong> Lebensmittelrationen<br />

dar. Die kommunistische Führung in<br />

Moskau ist im Bilde, doch lässt man die „Oberen“<br />

in <strong>Leningrad</strong> gewähren. Unterschlagungen<br />

und Diebstahl lassen sich auch durch Androhung<br />

schärfster Sanktionen nicht vollständig<br />

unterdrücken und verschärfen die<br />

äußerst angespannte Lage zusätzlich.<br />

„Fast alle Leute haben sich durch den Hunger,<br />

die <strong>Blockade</strong> und die ausweglose Lage bis zur<br />

Unkenntlichkeit verändert.“<br />

Die <strong>Leningrad</strong>erin Jelena Skrjabina in einem <strong>Tage</strong>bucheintrag vom Oktober 1941<br />

Literaturtipp<br />

Anna Reid: Blockada – Die <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong><br />

1941–1944, Berlin 2011.<br />

Zwar können Lebensmitteltransporte<br />

über den zugefrorenen Ladogasee oder in<br />

den wärmeren Monaten per Schiff die dramatische<br />

Versorgungslage zeitweise zumindest<br />

leicht verbessern, doch aufhalten lässt<br />

sich die Hungertragödie dadurch nicht.<br />

Unvorstellbar grausame Szenen spielen<br />

sich ab: In den Außenbezirken prägen während<br />

der Wintermonate Leichenberge das<br />

Bild. An eine würdige Bestattung der Verstorbenen<br />

ist ohnehin nicht zu denken, aber<br />

selbst ein einfaches Massengrab lässt sich in<br />

dem völlig vereisten Boden nur schwer ausheben.<br />

Selbst in den belebten Straßen gehören<br />

die leblosen Körper <strong>von</strong> Menschen, die<br />

vor Schwäche und Auszehrung tot zusammengebrochen<br />

sind, zum täglichen Anblick<br />

der Stadtbewohner.<br />

Während der <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernden <strong>Blockade</strong><br />

der Stadt nimmt auch die Zahl der Soldatengräber<br />

der deutschen Angreifer beziehungsweise<br />

Belagerer deutlich zu. Eine genaue<br />

Zahl der Todesopfer auf deutscher<br />

SEITE AN SEITE: Angehörige eines Arbeiterbataillons<br />

werden notdürftig militärisch geschult.<br />

Besonders die eilig aufgestellte<br />

„Volkswehr“ hat hohe Verluste zu beklagen.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Seite ist nicht bekannt, doch für einen <strong>von</strong><br />

der deutschen Militärführung als „Nebenkriegsschauplatz“<br />

bezeichneten Frontabschnitt<br />

sind die Verluste erheblich.<br />

Ende der <strong>Blockade</strong><br />

Als die sowjetische Winteroffensive 1943/44<br />

schließlich Ende Januar 1944 das Ende der<br />

<strong>Belagerung</strong> bringt, wird kurz darauf in der<br />

Stadt das Museum „Die heldenhafte Verteidigung<br />

<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>“ eröffnet. Doch nach<br />

dem militärischen Sieg über das „Dritte<br />

Reich“ im Mai 1945 wird es <strong>von</strong> der obersten<br />

Sowjetführung als „Störfaktor“ angesehen.<br />

Stalin lässt das Museum schließen. Die Erinnerung<br />

an das durch eine gegnerische <strong>Blockade</strong><br />

entstandene „millionenfache Massengrab“<br />

auf russischem Boden passt aus Sicht<br />

des Diktators nicht zum „Triumph“ seiner<br />

Roten Armee.<br />

Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />

Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />

26


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Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

<strong>Leningrad</strong> unter Artilleriebeschuss<br />

<strong>Belagerung</strong> statt<br />

Ende 1941: Die Verteidiger<br />

und Einwohner der<br />

Millionenstadt <strong>Leningrad</strong><br />

sollen ausgehungert und<br />

zermürbt werden.<br />

Während ihrer <strong>Belagerung</strong><br />

werden große Teile<br />

der Stadt durch Artilleriebeschuss<br />

in eine<br />

Trümmerwüste verwandelt.<br />

Von Thomas Anderson<br />

„Blitzkrieg“<br />

In <strong>Leningrad</strong>, dem alten St. Petersburg, arbeiten<br />

trotz der <strong>Belagerung</strong> kriegswichtige<br />

Industrien wie die Kirow-Werke weiter.<br />

Hier, mitten in der Stadt nahe der Newa-<br />

Bucht gelegen, werden schwere (Typ KW)<br />

und mittlere Panzer (Typ T 34) produziert.<br />

Die Kirow-Werke und weitere Rüstungsfirmen<br />

werden nun zum erklärten Ziel der<br />

deutschen Luftwaffe und Artillerie.<br />

Die Luftschläge sind sehr effektiv. Neben<br />

der Rüstungsindustrie sind auch Schiffe der<br />

„Baltischen Rotbanner Flotte“ Ziel der Angriffe.<br />

So wird zum Beispiel das russische<br />

Schlachtschiff Marat, das immer wieder gegnerische<br />

Ziele außerhalb des <strong>Belagerung</strong>sringes<br />

bekämpft, auf Grund gelegt. Trotzdem<br />

bleibt das Schiff einsatzbereit, die<br />

Schiffsartillerie soll den Feuerkampf den<br />

ganzen Krieg über weiterführen.<br />

Über die Jahreswende 1941/42 hinweg<br />

werden die deutschen Luftwaffeneinheiten<br />

aus strategischen Gründen ausgedünnt. Als<br />

Ausgleich werden zusätzliche Artillerieeinheiten<br />

zugeführt.<br />

Kanonen, Mörser und Haubitzen<br />

Die Geschütze der Artillerie können 1941 in<br />

drei Hauptgruppen unterteilt werden. Kanonen<br />

feuern als Flachfeuergeschütze in der<br />

unteren Winkelgruppe (bis 45°). Ihr Vorteil<br />

liegt in der verhältnismäßig großen Reichweite.<br />

Mörser feuern hingegen in der oberen<br />

Winkelgruppe (über 45°) und erreichen eher<br />

kurze Reichweiten. Ihre Stärke liegt in der<br />

stark gekrümmten Flugbahn, die eine Bekämpfung<br />

<strong>von</strong> Stellungen und Bunkern <strong>von</strong><br />

oben erlaubt.<br />

Haubitzen vereinen die Vorteile <strong>von</strong> Kanonen<br />

und Mörsern. Sie können in den unteren<br />

und – mit Einschränkungen – auch in den oberen<br />

Winkelgruppen feuern. In der Praxis werden<br />

auch diese eher im Flachfeuer verwendet.<br />

28


UNTER BESCHUSS: Schwere Artillerie nimmt aus sicherer Entfernung<br />

gegnerische Stellungen in <strong>Leningrad</strong> unter Beschuss.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

FESTGEFAHREN: Eine s-10-cm-Kanone 18. Obwohl <strong>von</strong> einem<br />

8-t-Zugkraftwagen (Sd.Kfz. 7) gezogen, scheint dieses Gespann<br />

festgefahren zu sein.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

<strong>Leningrad</strong> ist das Ziel der deutschen Heeresgruppe<br />

Nord, bestehend aus der 16. und<br />

18. Armee sowie der Panzergruppe 4. Diese<br />

Großformation umfasst über die zweieinhalb<br />

Jahre andauernde <strong>Belagerung</strong> bis zu<br />

30 Infanterie- und fünf Panzerdivisionen, die<br />

jeweils über ein Artillerie-Regiment verfügen.<br />

Die drei Abteilungen dieser Regimenter<br />

sind mit leichten und schweren Waffen ausgestattet.<br />

In der Regel sind die zwei leichten<br />

Abteilungen mit insgesamt 24 Geschützen<br />

vom Typ 10,5 cm le Fh 18 (10,5-cm-leichte<br />

Feldhaubitze 18) ausgestattet. Die schwere<br />

Abteilung umfasst acht 15 cm s Fh 18 (15 cm<br />

schwere Feldhaubitze 18) sowie vier 10-cms-Kanonen<br />

18 (10 cm schwere K 18).<br />

Sowohl leichte als auch schwere Feldhaubitzen<br />

verfügen über einen Wirkungsradius<br />

<strong>von</strong> circa zehn Kilometern jenseits der Hauptkampflinie.<br />

Was Reichweite und Wirkung im<br />

Ziel betrifft, sollen sich diese Waffen als nur<br />

bedingt geeignet für die Bekämpfung der belagerten<br />

Stadt erweisen. Mit 19 Kilometern<br />

schießt die 10 cm s K 18 deutlich weiter.<br />

Schwere Artillerie<br />

Auf Ebene der Heerestruppen sind schwerere<br />

Artilleriewaffen verfügbar, die zum Teil<br />

eine höhere Reichweite, vor allem aber aufgrund<br />

des stärkeren Kalibers eine bessere<br />

Wirkung im Ziel zeigen. In selbständigen<br />

Einheiten organisiert, werden diese nach<br />

Maßgabe des höheren Führers anderen<br />

Fronteinheiten an Brennpunkten unterstellt.<br />

Der Vollständigkeit halber soll angemerkt<br />

sein, dass ein Großteil der schweren Regimenter<br />

ebenfalls mit der 10 cm s K 18 und<br />

der 15 cm s Fh 18 ausgestattet sind. Zahlenmäßig<br />

bedeutsam ist auf deutscher Seite der<br />

21-cm-schwere-Mörser 18. Erst kurz vor<br />

Kriegsbeginn entwickelt und eingeführt,<br />

sind mehr als 20 Abteilungen damit ausgerüstet.<br />

Diese moderne Entwicklung ist mit<br />

einer maximalen Reichweite <strong>von</strong> circa 17 Kilometern<br />

sehr leistungsfähig. 1941 werden<br />

17-cm-Kanonen eingeführt (s 17 cm K 18 in<br />

Mörserlafette), die dieselbe Lafette wie der<br />

21-cm-Mörser 18 nutzen. Mit knapp 30 Kilometern<br />

Reichweite deckten diese Geschütze<br />

fast die gesamte Stadtfläche <strong>Leningrad</strong>s ab.<br />

An bodenbeweglichen Geschützen steht zudem<br />

die 24-cm-Kanone K3 zur Verfügung.<br />

Eine Abteilung wird damit ausgestattet und<br />

in den Kampf um <strong>Leningrad</strong> geworfen.<br />

Im Hinblick auf die Beweglichkeit ist<br />

nicht allein der Transport der schweren Waffen<br />

<strong>von</strong> Bedeutung. Die Truppe muss auch in<br />

der Lage sein, die Logistik nachzuführen:<br />

Das bedeutet in erster Linie die sichere Versorgung<br />

mit Unmengen an Munition.<br />

Auch die Artillerie ist den Gesetzmäßigkeiten<br />

des modernen Bewegungskrieges unter-<br />

EINSATZBEREIT: Eine komplette Batterie<br />

10,5 cm le Fh 18. Diese Geschütze<br />

sind motorisiert, die Zugkraftwagen<br />

sind im Hintergrund sichtbar.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

GROßES KALIBER: Dieses Bild zeigt einen 21-cm-Mörser 18 in Feuerstellung. Das Geschütz<br />

ist auf die Grundplatte abgesenkt. Erdanker dienen als zusätzliche Sicherung, um<br />

den Rückstoß aufzufangen.<br />

Foto: Sammlung Erdmann<br />

Clausewitz 1/2014<br />

29


Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />

als 20 dieser Geschütze vom Kaliber zwischen<br />

20,3 cm und 28 cm im Inventar, einige<br />

sollen an der Heeresgruppe Nord zum Einsatz<br />

kommen.<br />

KOLOSS: Die 28-cm-Kanone K5 ist als Eisenbahngeschütz recht beweglich – im Rahmen<br />

des vorhandenen Streckennetzes. Die Schussweite ist beträchtlich. Foto: Sammlung Anderson<br />

worfen. Einerseits profitiert sie <strong>von</strong> leistungsfähigeren<br />

Zugmaschinen, die auch den Transport<br />

größerer Geschütze erlauben. Was im<br />

Westen 1940 aufgrund eines gut ausgebauten<br />

Straßennetzes noch relativ problemlos möglich<br />

war, soll sich im Herbst/Winter 1941/42<br />

in Russland als äußerst schwierig erweisen.<br />

Im unwegsamen Norden kommt auch diese<br />

Technik an ihre Grenzen, da die Schlammperiode<br />

und der harte russische Winter jede Bewegung<br />

wie Stellungswechsel erheblich erschweren<br />

oder gar ganz verhindern.<br />

Zeigt die bereits Ende des 19. Jahrhunderts<br />

eingesetzte Eisenbahnartillerie einen<br />

Ausweg aus diesem Dilemma? Scheinbar<br />

sind diese riesigen Waffen <strong>von</strong> den genannten<br />

Einschränkungen nicht betroffen. Zwar<br />

ist der rasche Transport über weite Strecken<br />

dieser auf Spezialwaggons aufgebauten Marinegeschütze<br />

gesichert, doch müssen das<br />

Streckennetz und die Infrastruktur vorhanden<br />

sein. Eisenbahntruppen sorgen, falls nötig,<br />

für den Bau ganzer Schienentrassen. Die<br />

deutsche Wehrmacht verzeichnet 1941 mehr<br />

Einsatz <strong>von</strong> Beutewaffen<br />

Das Deutsche Reich setzt während des Krieges<br />

auf Beutewaffen jeder Art, auch wenn<br />

diese wie aus einer anderen Zeit zu sein<br />

scheinen. Aus ehemals tschechischen Beständen<br />

werden Bettungsgeschütze übernommen<br />

und eingeführt – eigentlich <strong>Belagerung</strong>skanonen<br />

<strong>von</strong> unterschiedlichem Kaliber.<br />

Dazu zählen sechs schwere 24-cm-<br />

Kanonen (s-24-cm-Kanone), die auch in die<br />

Kämpfe um <strong>Leningrad</strong> eingreifen sollen.<br />

Diese Geschütze wurden im Ersten Weltkrieg<br />

<strong>von</strong> der Firma Skoda für die k.u.k. Monarchie<br />

entwickelt. Der Straßentransport<br />

wurde – damals geradezu revolutionär –<br />

durch vierachsige Elektrofahrgestelle in vier<br />

Lasten sichergestellt. Der nötige elektrische<br />

Strom wurde durch Lok-ähnliche Generatorwagen<br />

erzeugt. Insgesamt war dies eine<br />

durchaus brauchbare Lösung.<br />

An der Ostfront müssen die Generatorwagen<br />

schnell durch Zugmaschinen (18 to)<br />

ersetzt werden. Der Aufbau der Feuerstellung<br />

gestaltet sich langwierig. Jeweils zwei<br />

Bettungen pro Kanonen müssen in das Erdreich<br />

eingelassen werden, worauf dann eine<br />

Drehscheibe folgt. Auf diese wird die Lafette<br />

montiert, das Rohr folgt zum Schluss.<br />

Dank der Drehscheibe ergibt sich ein Vollkreis-Richtfeld.<br />

Dies erlaubt die Bekämpfung<br />

<strong>von</strong> Zielen in verschiedenen Gebieten.<br />

Die Reichweite der Kanone beträgt knapp<br />

30 Kilometer.<br />

Der Nachteil dieser schweren Geschütze<br />

liegt in der eingeschränkten Beweglichkeit.<br />

Ihr Einsatz macht nur Sinn, solange der eigene<br />

Vormarsch stabil ist und die Feuerstellungen<br />

sicher vor Gegenangriffen sind. Sind in<br />

der Verzögerung oder Verteidigung Abbau<br />

und Transport nicht gewährleistet, gehen<br />

leicht ganze Batterien verloren.<br />

INFO<br />

Artilleriewaffen auf deutscher Seite (Auswahl)<br />

Modell Kaliber Transportgewicht Gewicht in Feuerstellung Reichweite max Besatzung Art d. Beweglichkeit<br />

10,5 cm le Fh 18 10,5 cm Besp. 2,8 t, mot 2 t 2 t 10.600 m 6 Bespannt oder motorisiert<br />

s 10 cm Kanone 18 10,5 cm 8,1 t bsp. (2 Lasten),<br />

6,4 t mot. (1 Last)<br />

5,2 t 19.075 m 8 Bespannt oder motorisiert,<br />

1 oder 2 Lasten<br />

15 cm s Fh 18 15 cm 8 t bsp. (2 Lasten),<br />

6,3 t mot. (1 Last)<br />

5,1 13.325 m 8 Bespannt oder motorisiert,<br />

1 oder 2 Lasten<br />

17-cm-Kanone 18 in Mörserlafette 17 cm k.A. 17,5 t 29.600 m k.A. motorisiert, 1 oder 2 Lasten<br />

21-cm-Mörser 18 21 cm k.A. 16,7 t 16.700 m k.A. motorisiert, 1 oder 2 Lasten<br />

24-cm-Kanone K3 24 cm 86 t 54 t 37.000 m k.A. motorisiert in 5 Lasten<br />

s-24-cm-Kanone 24 cm 143 t ca. 80 t 29.600 m 16 motorisiert in 4 Lasten<br />

28-cm-Eisenbahnkanone K5 28 cm 218 t 218 t 62.000 m,<br />

Standardgeschoss<br />

30<br />

Eisenbahngeschütz<br />

30


Enormer logistischer Aufwand<br />

21-cm-MÖRSER 18<br />

1 Geschützrohr Kaliber 21 cm<br />

2 Rohrwiege, fängt Rückstoß über<br />

Rohrbremse auf<br />

3 Ausgleicher stabilisieren<br />

Geschützrohr<br />

4 Vollgummibereifte Räder<br />

5 Rückholer bewegt Rohr in Grundposition<br />

6 Zieleinrichtung<br />

7 Oberlafette, fängt zusätzlichen<br />

Rückstoß auf<br />

8 Hintere Stützpalette<br />

9 Vordere Stützpalette, drehbar<br />

1<br />

5<br />

6<br />

MIT GROßEM AUFWAND: Die 24-cm-Kanone K3 ist eine recht moderne<br />

Entwicklung (1935 bis 1938). Die Beweglichkeit ist höher als<br />

bei der s-24-cm-Skoda-Kanone, Auf- und Abbau sowie der Transport<br />

sind jedoch kompliziert.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

2<br />

7<br />

3<br />

8<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

4<br />

9<br />

BLITZSCHNELL: Ein 21-cm-Mörser 19 feuert in der unteren Winkelgruppe.<br />

Im Vordergrund sind Blechdosen mit Treibladungsbeuteln<br />

sichtbar.<br />

Foto: Sammlung Erdmann<br />

Rückblickend betrachtet kann man die <strong>Belagerung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> als „Abgesang“ an<br />

die klassische schwere Artillerie bezeichnen.<br />

Komplizierte Stellungswechsel<br />

Die in jeder Hinsicht „schweren“ Geschütze<br />

mussten mit enormem Aufwand herangeschafft<br />

werden. Man kann sich die Mühen<br />

des Transports einer 24-cm-Kanone K3 in bodenlosem<br />

Schlamm oder tiefem Schnee<br />

leicht vorstellen. In diverse Lasten aufgeteilt,<br />

nicht selten jeweils <strong>von</strong> zwei schweren Zugmaschinen<br />

bewegt, musste in möglichst kurzer<br />

Zeit eine neue Feuerstellung erreicht<br />

werden. Bereits die Änderung der Grundrichtung<br />

bedeutete ein Problem und besonders<br />

jeder Stellungswechsel. Auf- und Abbau<br />

banden wertvolle Ressourcen an Zeit,<br />

Personal und Material.<br />

Die festen Feuerstellungen waren oft Ziel<br />

russischer Schiffsartillerie, <strong>von</strong> Luftschlägen<br />

oder gar <strong>von</strong> feindlichen Kommandounternehmen.<br />

Der Einsatz schwerer und schwerster<br />

Mörser machte aus militärischer Sicht allenfalls<br />

noch während der Stellungskriege<br />

im Ersten Weltkrieg Sinn. Während die deutschen<br />

Truppen der Welt im Jahr 1940 eine<br />

neue, bewegliche Art der Kriegführung gezeigt<br />

haben, fielen sie nun wieder in längst<br />

vergessen geglaubte Verhaltensmuster und<br />

Strategien zurück.<br />

Das Ausschalten <strong>von</strong> kriegswichtigen Industrien<br />

sollte seit Kriegsbeginn eigentlich<br />

im Aufgabereich der Luftwaffe liegen.<br />

Schließlich können Bomber und Schlachtflieger<br />

die Wirkung ihrer Waffen mit deutlich<br />

geringerem Aufwand zielgenau an den Gegner<br />

bringen.<br />

Eine bereits 1941 überdehnte Front, die<br />

großen Verluste <strong>von</strong> Görings Luftwaffe während<br />

der Luftschlacht um England und nicht<br />

zuletzt die beschränkten Ressourcen des<br />

Deutschen Reiches sowie der hartnäckige<br />

sowjetische Widerstand führten Anfang 1944<br />

schließlich zum endgültigen Scheitern der<br />

deutschen „<strong>Leningrad</strong>-Pläne“.<br />

SCHWERES GESCHÜTZ: Eine s-24-cm-Kanone. Es mussten zwei Bettungen tief in die Erde<br />

versenkt werden. Die ballistischen Leistungen waren gut, doch erweist sich das Geschütz<br />

für den modernen Bewegungskrieg nur als bedingt geeignet.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig<br />

und arbeitet für verschiedene Zeitschriften und Verlage<br />

im In- und Ausland. Außerdem unterstützt er namhafte<br />

Modellbau-Hersteller als Fachberater.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

31


Der Zeitzeuge<br />

Warten auf den Nuklearschlag<br />

Als Offizier in einer<br />

Raketenbasis<br />

1970er-Jahre: Wie vertreibt man sich die Zeit, wenn man 24-Stunden-Schichten tief unter<br />

der Erde verbringen muss? Jim Boensch gibt als junger Offizier zwei Antworten: Er bereitet<br />

sich auf seinen Master-Abschluss und einen Atomkrieg vor.<br />

Von Walter Kreuzer<br />

GROßE VERANTWORTUNG: Der junge Jim<br />

Boensch am Anfang seiner 20-jährigen Laufbahn<br />

bei der US Air Force, stolz in die Kamera<br />

blickend. Der Posten als „Herr über die<br />

Atombombe“ fordert eine besonders starke<br />

Psyche sowie das Ertragen <strong>von</strong> Monotonie<br />

und Langeweile.<br />

Foto: Autor<br />

Sommer 1971: Der Vietnamkrieg tobt,<br />

NATO und Warschauer Pakt stehen<br />

sich säbelrasselnd gegenüber. Über den<br />

Mittleren Westen der Vereinigten Staaten verstreut<br />

lagern 450 mit Atomsprengköpfen bestückte<br />

Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman<br />

II in unterirdischen Silos. Über gesicherte<br />

Kabel sind jeweils zehn <strong>von</strong> ihnen<br />

mit einem Launch Control Center (LCC),<br />

dem Kommandostand, verbunden. Dort<br />

schieben junge Offiziere zehn Meter unter<br />

der Erde Dienst. Sie sind bereit, auf Befehl<br />

des Präsidenten die Schlüssel zu drehen<br />

und die Raketen Richtung Sowjetunion zu<br />

schicken.<br />

Jim Boensch ist einer dieser Männer.<br />

Mit knapp 22 Jahren meldet sich der Sohn<br />

eines Luftwaffenoffiziers 1968 zur Air<br />

Force, dient 20 Jahre – und geht 1988 als<br />

Major in Pension. Seither ist er in Rapid<br />

City/South Dakota Inhaber des auf geplatzte<br />

Schecks spezialisierten Inkassobüros<br />

Checkcel. Als „Volunteer“ führt<br />

der 67-Jährige zudem Touristen durch<br />

die Minuteman Missile National Historic<br />

Site. Dort erklärt er ihnen sowohl das<br />

ihm wohlbekannte LCC mit der Bezeichnung<br />

Delta-01 als auch das mit einer<br />

Übungsrakete bestückte Silo Delta-09.<br />

Dabei gibt er Auskunft auf Fragen, wie<br />

etwa der nach der Anzahl der Soldaten,<br />

die für den Abschuss einer Rakete benötigt<br />

wurden. Die Antwort: „Die Besatzungen <strong>von</strong><br />

zwei LCC oder drei Offiziere an Bord eines<br />

Flugzeugs des Strategic Air Command.“<br />

Nah am Atomkrieg?<br />

Der ehemalige Major gibt aber auch persönliche<br />

Eindrücke preis: „Wenn wir die Checkliste<br />

abgearbeitet hatten, gab es nichts mehr<br />

zu tun. Wir arbeiteten an unserem Master<br />

Degree – ich habe meinen an der University<br />

of Northern Colorado in Öffentlicher Verwaltung<br />

gemacht – und übten für die nächste<br />

Prüfung.“ Delta-01 ist zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits „acht harte Jahre lang im Einsatz<br />

und entsprechend heruntergekommen.<br />

Es war nicht so komfortabel, wie später. Wir<br />

hatten nur einen kleinen Toaster unten bei<br />

uns. Man konnte aber immer einen Kaffee<br />

oder ein Essen oben beim Koch bestellen.<br />

Nur nachts haben wir bis um vier Uhr früh<br />

darauf verzichtet.“<br />

An eine Schicht erinnert sich der 67-Jährige<br />

besonders gut: „Wir kamen 30 Minuten<br />

zu spät zur Ablösung runter. Es war klar,<br />

dass da etwas vorging, irgendetwas Kritisches.<br />

Es ging nicht um ein falsch in den<br />

Computer eingelegtes Band, wie sonst<br />

manchmal. Ich weiß bis heute nicht, was geschehen<br />

war. Das war das Aufregendste, was<br />

ich da unten erlebt habe.“<br />

Freiwillig zu den Raketen<br />

Als Jim Boensch zu seiner ersten Schicht das<br />

LCC betritt, ist er stolz: „Ich spürte die Verantwortung,<br />

die ich für das Land und die<br />

Welt trug. Und ich war stolz darauf, meinem<br />

Land mehr zu dienen, als es in meinem vorherigen<br />

Job als Public Affairs Officer möglich<br />

war. Ich wollte mein Land verteidigen.“ Mit<br />

einem Abschluss in Journalismus <strong>von</strong> der<br />

University of Memphis in der Tasche, war er<br />

zuvor sowohl auf der Clinton Sherman Air<br />

Force Base in Oklahoma als auch auf der Blytheville<br />

Air Force Base in Arkansas entsprechend<br />

verwendet worden. Er schreibt Reden<br />

für die Generäle und führt Besucher herum.<br />

„Ich wollte in den operativen Bereich und etwas<br />

mit Waffen zu tun haben, zumal sich der<br />

Vietnamkrieg abschwächte. Hinzu kommt,<br />

dass ich bei Stellenstreichungen auf der sicheren<br />

Seite sein wollte. Deshalb habe ich<br />

mich – als Einziger in meinem Jahrgang – zu<br />

den Raketen gemeldet“, verrät Boensch.<br />

Die Vorbereitung findet während eines<br />

dreimonatigen Kurses ab Mai 1971 auf der<br />

Vandenberg Air Force Base in Kalifornien<br />

32


BESONDERER ARBEITSPLATZ: Tief unter der Erde liegen die Schaltzentralen für das gewaltige Vernichtungspotenzial. Jim Boensch, heute<br />

67 Jahre alt, erinnert sich an seiner ehemaligen „Wirkungsstätte“ das besorgte Warten auf den Atomkrieg – was sich in zynischen Sprüchen<br />

wie an der Bunkertür ausdrückte.<br />

Fotos: Autor<br />

statt. Es folgen „weitere zwei oder drei Monate<br />

Training in Ellsworth bei Rapid City, um<br />

das Zertifikat für den Dienst im Launch Center<br />

zu erhalten.“<br />

Im Mittelpunkt stehen die Raketentechnik<br />

und die Bedienung: „Die nukleare Sicherheit<br />

hatte oberste Priorität. Es musste<br />

verhindert werden, dass eine Rakete aus Versehen<br />

gestartet wird.“ Entsprechend ausgeklügelt<br />

ist das System. „Es gab eine ganze<br />

Reihe <strong>von</strong> Backups für den Fall, dass der eine<br />

oder andere Kommunikationsweg ausfallen<br />

würde“, betont Boensch – und nennt verschiedene<br />

Telefon- und Funkverbindungen<br />

sowie den Fernschreiber als Beispiele. „Wir<br />

hatten aber nie ein Problem mit dem System.<br />

Nur die Glühbirnen mussten wir häufig<br />

wechseln. Später war das System ziemlich<br />

anfällig. In Russland war es ähnlich. Deshalb<br />

wurden die Systeme bei den START-Abkommen<br />

in den 1990er-Jahren auch abgebaut.<br />

Das Gefährlichste da unten war, dass du dir<br />

den Kopf gestoßen hast. Man hat sich so auf<br />

seine Aufgabe konzentriert, dass man nicht<br />

darauf geachtet hat, wohin man seinen Fuß<br />

setzt.“<br />

Keine Angst vor dem Weltkrieg<br />

Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen<br />

auf die Psyche der jungen Männer.<br />

Schließlich müssen sie auf Befehl ein Massenvernichtungsmittel<br />

abschießen, das mehrere<br />

hunderttausend Todesopfer fordern<br />

könnte. Die Sprengkraft der Minuteman II<br />

beträgt 300 Kilotonnen. Zum Vergleich: Hiroshima<br />

wurde mit 13 Kilotonnen in Schutt<br />

und Asche gelegt. „Wir hatten das immer im<br />

BEEINDRUCKEND UND BEDRÜCKEND: Die<br />

mit Technik aus dem Kalten Krieg vollgestopften<br />

Gänge und Räume erinnern heute<br />

eher an einen alten Science-Fiction-Film.<br />

Doch der Atomkrieg war eine reale Bedrohung<br />

– und vor diesem Hintergrund strahlen<br />

die Tunnel ein beklemmende Atmosphäre<br />

aus.<br />

Foto: Autor<br />

Hinterkopf. Alle Abläufe wurden mindestens<br />

einmal im Monat im Simulator geübt,<br />

weil es im LCC zu gefährlich gewesen wäre,<br />

einen Fehler zu machen. Wir waren bereit, in<br />

den Krieg zu ziehen – das war aber nicht unsere<br />

Entscheidung. Ich persönlich hatte keine<br />

schlaflosen Nächte oder schlechte Träume,<br />

weil wir so großen Schaden hätten anrichten<br />

können“, erinnert sich Jim Boensch.<br />

Seine Sorge: „Ich befürchtete, dass wir den<br />

Befehl des Präsidenten zu spät für eine Antwort<br />

auf einen Angriff bekommen könnten.<br />

Wirklich Angst vor dem Dritten Weltkrieg<br />

hatte ich aber nicht.“ Die Kommandokette<br />

vom Präsidenten zu den „Missiliers“ war<br />

kurz gehalten. Zwischen dem Oberbefehlshaber<br />

und dem LCC waren mit dem National<br />

Military Command Center sowie dem<br />

Strategic Air Command nur zwei Ebenen<br />

eingeschoben.<br />

Vier Jahre ist Jim Boensch als „Missilier“<br />

auf der Ellsworth Air Force Base stationiert,<br />

zunächst als Line Crew Member, dann als<br />

Ausbilder und schließlich als Evaluation Officer<br />

am Simulator. Noch weitere sieben Jahre<br />

hat er mit Raketen-Operationen zu tun,<br />

nun aber in einem Airborne Command Post<br />

des Strategic Air Command. Die Offiziere an<br />

Bord dieser fliegenden Kommandostände<br />

können in genau definierten Fällen, ebenso<br />

wie die „Missiliers“ in einem der LCC, die<br />

Minuteman abschießen.<br />

Diese Tätigkeit liegt für Jim Boensch weit<br />

zurück. Auch der Kalte Krieg ist längst Geschichte.<br />

Zu einem Kontakt zu einem russischen<br />

Soldaten, der im eigenen Land für die<br />

Atomraketen zuständig war, ist es in all diesen<br />

Jahren nicht gekommen. „Unglücklicherweise<br />

hatte ich nicht die Möglichkeit dazu“,<br />

bedauert Jim Boensch.<br />

Walter Kreuzer, Jg. 1963, ist Redakteur und Autor <strong>von</strong><br />

Reportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

33


Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />

Vicksburg 1863<br />

Entscheidungsschlacht<br />

1862/1863: Versuche der Union, das konföderierte Vicksburg<br />

zu erobern, scheitern. Mit einer groß angelegten <strong>Belagerung</strong><br />

will General Grant die strategisch wichtige Stadt<br />

am Ostufer des Mississippi endlich „knacken“.<br />

Von Alexander Querengässer<br />

Seit dem Ausbruch des Amerikanischen<br />

Bürgerkrieges 1861 haben die konföderierten<br />

Streitkräfte ganz unterschiedliche<br />

Erfolge errungen. Während die Armeen<br />

im Osten bis in das Frühjahr 1863 eine Serie<br />

glanzvoller Siege erkämpft, müssen die<br />

Streitkräfte im Mittleren Westen mehrere Niederlagen<br />

hinnehmen. Der Grund hierfür liegt<br />

nicht nur in der unterschiedlichen Qualität<br />

der Truppen und ihrer Kommandeure, sondern<br />

auch in der geografischen Beschaffenheit<br />

des Kriegsschauplatzes.<br />

Im Osten fließen alle größeren Flüsse <strong>von</strong><br />

West nach Ost, also quer zur Vormarschroute<br />

der Potomac-Armee, und begünstigen so<br />

eine defensive Taktik der Südstaatler. Im<br />

Westen hingegen fließen gewaltige schiffbare<br />

Ströme <strong>von</strong> Nord nach Süd. Sie bilden große<br />

Heerstraßen, auf denen die materiell<br />

überlegene Unionsarmee nicht nur Männer<br />

und Nachschub verlegen, sondern mit gut<br />

bewaffneten Kriegsschiffen auch jede Verteidigungsstellung<br />

brechen kann.<br />

Eine uneinnehmbare Festung?<br />

Mit Hilfe dieser Kriegsflotte gelingt es der<br />

Union bereits 1862, den Mississippi bis nach<br />

Memphis unter ihre Kontrolle zu bringen,<br />

während General Ulysses S. Grant die beiden<br />

am Cumberland River gelegenen Forts Donelson<br />

und Henry einnehmen und so einen Feldzug<br />

ins Innere <strong>von</strong> Tennessee starten kann.<br />

Nachdem er in der Schlacht bei Shiloh, ebenfalls<br />

unter Mithilfe der Flotte, eine konföderierte<br />

Armee geschlagen hat, macht sich Grant<br />

an die Eroberung der wichtigsten konföderierten<br />

Festung am Mississippi: Vicksburg.<br />

Vicksburg liegt an der Kehrseite des damals<br />

noch sehr mäandernd durch die Südstaaten<br />

ziehenden Flusses. Das Mündungsgebiet<br />

rund um die Stadt New Orleans bis hinauf<br />

nach Baton Rouge ist im April 1862<br />

ebenfalls <strong>von</strong> den Unionsstreitkräften erobert<br />

worden. Vicksburg stellt somit eine der<br />

letzten sicheren Kommunikationslinien in<br />

die Trans-Mississippi Gebiete dar. Der Kommandeur<br />

der Unionsflotte, die New Orleans<br />

eingenommen hat, Admiral David Farragut,<br />

war mit seinen Schiffen bereits bis nach<br />

Vicksburg hinauf gedampft, hat dann aber<br />

feststellen müssen, dass das starke Abwehrfeuer<br />

der Konföderierten ein sicheres Passieren<br />

der Stadt unmöglich macht. Vicksburg<br />

selbst ist eine schwer einzunehmende Festung,<br />

umgeben <strong>von</strong> sumpfigem, nur mühselig<br />

zu durchquerendem Gelände. Die auf einer<br />

Hügelgruppe errichtete Stadt wird durch<br />

mehrere Erdschanzen mit modernen schweren<br />

Geschützen gesichert. Jeden Tag nutzen<br />

die Verteidiger, um diese Anlagen durch das<br />

Aufstellen spanischer Reiter, <strong>von</strong> Sturmpfählen,<br />

HINTERGRUND<br />

*Da es sich bei der Schlacht um Vicksburg um einen komplexen<br />

Feldzug handelt, schwanken die Zahlenangaben in den<br />

Quellen und der Literatur (je nachdem, welcher Zeitpunkt<br />

als Bemessungsgrundlage dient). Die o.g. Zahlen sind deshalb<br />

nur Näherungswerte.<br />

Der Vicksburg-Feldzug<br />

Von Kriegsbeginn an versuchen die<br />

Truppen der Union den Mississippi<br />

in ihre Hand zu bekommen und so<br />

die rebellierenden Südstaaten in<br />

zwei Hälften zu teilen und nach und<br />

nach einzuschnüren.<br />

Ihr Vormarsch wird durch Kompetenzschwierigkeiten<br />

konföderierter<br />

Generale zu beiden Seiten des<br />

Flusses erleichtert, die sich nicht<br />

auf ein gemeinsames Entsatzunternehmen<br />

einigen können. Im Juni<br />

ist die Lage in Vicksburg so angespannt,<br />

dass Präsident Davis in<br />

Erwartung einer baldigen Kapitulation<br />

der Nordvirginia-Armee die<br />

Freigabe für eine Invasion in Maryland<br />

gibt.<br />

Die Nachricht <strong>von</strong> Lees Niederlage<br />

in Gettysburg fällt dann jedoch<br />

mit Berichten über die Kapitulation<br />

Vicksburgs zusammen.<br />

34


am Mississippi<br />

Konföderierte Besatzung Vicksburgs*<br />

Befehlshaber: Gen Lt. John Clifford Pemberton<br />

Truppenstärke: Circa 31.000 Mann.<br />

Zur Armierung <strong>von</strong> Vicksburg gehörten rund<br />

150 Geschütze verschiedenen Kalibers.<br />

Verluste: Circa 3.000 Mann (Tote und Verwundete).<br />

KRIEG AM MISSISSIPPI: General<br />

Grant (im Vordergrund mit Stabsoffizieren)<br />

schickt eine Welle aus<br />

dem XIII., XV. und XVII. Korps gegen<br />

die konföderierte Festung<br />

Vicksburg. Im Hintergrund sind die<br />

Schiffe <strong>von</strong> Admiral David Dixon<br />

Porter zu erkennen, die den Angriff<br />

unterstützen. Abb.: picture alliance/Everett<br />

Collection<br />

US Tennessee-Armee*<br />

Befehlshaber: Gen Maj. Ulysses Simpson Grant<br />

Truppenstärke: Im Herbst 1862 etwa 43.000 Mann, im Juni<br />

1863 etwa 75.000.<br />

Nach Grants Angaben wurden im Laufe der <strong>Belagerung</strong> 220 Geschütze<br />

eingesetzt.<br />

Verluste: Während des gesamten Feldzuges circa 10.000 Tote<br />

und Verwundete.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

35


Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />

WAFFENSTARREND: Vicksburg ist eine gut ausgebaute Verteidigungsstellung, an der sich<br />

die „Yankees” lange Zeit die Zähne ausbeißen. Im Bild eine Geschützbatterie der Südstaaten.<br />

Foto: picture alliance/newscom<br />

Verhauen sowie durch Gräben und Gruben<br />

zu verstärken. Zwar verfügt die Artillerie<br />

durch diese Hindernisse nicht über ein ideales<br />

Schussfeld, doch jede angreifende Infanterieformation<br />

wird durch sie schwer behindert.<br />

Und mit jedem Tag nimmt die Zahl dieser<br />

Hindernisse zu.<br />

Die Union schenkt den Konföderierten<br />

viel Zeit. Nach dem Sieg bei Shiloh benötigt<br />

es den ganzen Sommer, ehe die Tennessee-<br />

Armee im Oktober 1862 unter Grants Befehl<br />

auf Vicksburg angesetzt wird. Dann verliert<br />

Grant zwei weitere Monate durch interne<br />

Querelen mit dem Politiker-General John<br />

McClernand. McClernand ist ein Protegé<br />

Washingtons und erhofft sich ein eigenes,<br />

unabhängiges Kommando. Grant löst das<br />

Problem schließlich durch eine Reform der<br />

Tennessee-Armee. Er bildet vier Korps und<br />

unterstellt ein fünftes aus Reservetruppen<br />

seinem Rivalen.<br />

Auch in Vicksburg trifft im Oktober 1862<br />

ein neuer Kommandeur ein. John Pemberton<br />

ist ein fähiger Ingenieur, doch ihm fehlen etliche<br />

der Talente, die einen guten General ausmachen<br />

– besonders Selbstvertrauen. Im<br />

Sommer des Jahres hat er als Kommandeur<br />

des belagerten Charleston einige Rückschläge<br />

einstecken müssen. Die Aufträge des Generals<br />

sind präzise formuliert, er soll in erster Linie<br />

sein Departement sichern und, wenn die<br />

Gelegenheit günstig erscheint, versuchen,<br />

New Orleans zurück zu erobern. Da mehrere<br />

seiner untergebenen Generale ihn im Dienstalter<br />

übertreffen, wird Pemberton noch am 13.<br />

Oktober zum Lieutenant General befördert.<br />

Er strukturiert sein Departement neu und<br />

36<br />

kümmert sich vorrangig um den Ausbau der<br />

Verteidigungsanlagen in Port Hudson, einem<br />

weiteren strategisch wichtigen Punkt 200 Kilometer<br />

südlich der Stadt.<br />

Erfolgreiche Verteidiger<br />

Im späten Dezember 1862 startet Grant seine<br />

erste Offensive. Unter dem Kommando <strong>von</strong><br />

William T. Sherman marschiert das XV.<br />

Korps <strong>von</strong> Osten an die Stadt heran. Der Vormarsch<br />

wird am 26. Dezember bei Chickasaw<br />

Buff <strong>von</strong> den Konföderierten gestoppt.<br />

Diese haben mit nur zwei provisorischen Divisionen<br />

eine günstige, durch Sümpfe und<br />

Altwasserabschnitte gedeckte Stellung eingenommen.<br />

Obwohl Shermans Regimenter<br />

sich in dem undurchdringlichen Gelände<br />

kaum entfalten können, startet er eine Reihe<br />

Der Sieger:<br />

Ulysses Simpson Grant<br />

Grant wird 1822 als Sohn eines einfachen Gerbers in Ohio<br />

geboren. Auf Wunsch seiner Eltern besucht er die Militärakademie<br />

in West Point, wo er Talent, aber wenig Leidenschaft<br />

für den Soldatenstand zeigt. Später muss er sein<br />

Offizierspatent wegen seines Alkoholismus niederlegen.<br />

Im Bürgerkrieg tritt Grant als General der Ohio-Freiwilligen<br />

wieder ins Heer ein. Durch seine unkonventionelle,<br />

nicht an akademische Lehrbücher gebundene<br />

Kriegführung kann er zwischen 1862 und 1863 im Westen<br />

mehrere glanzvolle Siege erringen. 1864 macht Lincoln<br />

ihn zum Oberbefehlshaber aller US-Streitkräfte. Gestützt<br />

auf seinen Ruf als größter Kriegsheld, kann er zwischen<br />

1868 und 1876 zweimal das Amt des Präsidenten<br />

übernehmen. Grant stirbt 1885 an Kehlkopfkrebs.<br />

Foto: picture alliance/ZUMAPRESS<br />

<strong>von</strong> Attacken, die die Konföderierten ohne<br />

größere Mühe abwehren können. Sherman<br />

verliert bis zum 3. Januar über 1.200 Soldaten,<br />

die Konföderierten 200. Grants Offensive<br />

hat sich im Wesentlichen auf die Ausnutzung<br />

der parallel zum Fluss verlaufenden<br />

Mississippi Central Railroad gerichtet. Während<br />

Sherman bei Chickasaw Bluff gebunden<br />

ist, schwärmt die konföderierte Kavallerie<br />

aus, durchschneidet diese lebenswichtige<br />

Verbindungslinie und zerstört Grants wichtigstes<br />

Depot bei Holy Springs. Grant muss<br />

daraufhin seine erste Offensive abbrechen.<br />

Ein großes Problem für die Unionsarmeen<br />

besteht in der schlechten Qualität der<br />

ihnen vorliegenden Karten. Die sumpfigen<br />

Ufer des Mississippi mit seinen zahlreichen<br />

Nebenarmen sind bisher wenig erforscht.<br />

Trotzdem versucht Grant in der Folge, den<br />

Fluss verstärkt in seine Operationen mit einzubeziehen.<br />

Der neue Plan besteht darin, mit<br />

Hilfe eines Kanals eine der vielen Flussschleifen<br />

zu überbrücken. Somit könnten<br />

Admiral Porters Kanonenboote den Fluss<br />

außerhalb der Vicksburger Festungsartillerie<br />

passieren. Bereits im Sommer 1862 war ein<br />

solcher Kanal angelegt, aber nicht fertig gestellt<br />

worden. Jetzt im Winter erschweren<br />

Überschwemmungen das Projekt. Von den<br />

vier Kanälen, die die Unionspioniere durch<br />

das Sumpfland treiben, soll schließlich jener<br />

am Yazoo River die größte Bedeutung gewinnen.<br />

Der mit den Arbeiten beauftragte<br />

Ingenieuroffizier erleidet unter dem Planungsstress<br />

einen Nervenzusammenbruch.<br />

Kurz bevor die Unionssoldaten den Kanal<br />

fertig stellen können, macht eine hastig errichtete<br />

konföderierte Feldbefestigung den<br />

Plan zunichte.<br />

Im April 1863 sind schließlich alle Kanalbauprojekte<br />

gescheitert. Der politische


Präsident Davis greift ein<br />

Druck auf Grant steigt, und so fasst der Befehlshaber<br />

der Unionstruppen einen neuen<br />

kühnen Plan. Er beschließt, seine Basis nach<br />

Süden zu verlegen und sich <strong>von</strong> seinen Depots<br />

im Norden unabhängig zu machen. Dazu<br />

müssen seine Divisionen das Westufer<br />

des Mississippi, außerhalb der Reichweite<br />

der Festungskanonen, hinab marschieren.<br />

Porters Flussgeschwader soll ausreichend<br />

gepanzert werden, um die Batterien <strong>von</strong><br />

Vicksburg sicher passieren zu können und<br />

die Infanterie nach ihrem Marsch wieder auf<br />

das Ostufer übersetzen zu können. In der<br />

Nacht vom 16. zum 17. April liefern sich die<br />

Kanonenboote ein heftiges Gefecht mit der<br />

konföderierten Artillerie. Diese kann eines<br />

Der Verlierer:<br />

John Clifford Pemberton<br />

Pemberton ist eigentlich Nordstaatler. Er wird 1818 in Philadelphia<br />

geboren, besucht die Militärakademie <strong>von</strong> West Point und heiratet<br />

eine Frau aus Virginia. Diese Ehe ist der Grund, warum er sich<br />

1861 dazu entschließt, in den Dienst der Konföderierten<br />

Staaten zu treten. Pemberton ist eng mit Präsident Davis<br />

befreundet und wird weit über seine Kompetenzen zum<br />

Generalleutnant befördert und mit der Verteidigung <strong>von</strong><br />

Vicksburg betraut. Nach der Kapitulation betrachten<br />

viele Südstaatler Pemberton als „Yankee-Verräter“.<br />

Nach seinem offiziellen Austausch legt er seinen Generalsrang<br />

nieder und dient bis Kriegsende als Oberstleutnant<br />

in einem Artilleriebataillon.<br />

Pemberton stirbt 1881 in seinem Heimatstaat.<br />

Foto: picture alliance/newscom<br />

KARTE<br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Vicksburg 1863<br />

der Schiffe versenken, doch dem Rest <strong>von</strong><br />

Porters Flottille gelingt die gefährliche Passage.<br />

Am 30. April wird Grants Armee wieder<br />

auf das Ostufer des Mississippi übergesetzt.<br />

Unterdessen fesselt eine kleine Kavalleriebrigade<br />

der Union die Aufmerksamkeit<br />

Pembertons. Mit 1.700 Mann zieht Colonel<br />

Benjamin Grierson in einem zweiwöchigen<br />

Streifzug durch Mississippi, zerstört 80 Kilometer<br />

Bahngleise und mehrere Eisenbahndepots.<br />

Am 2. Mai erreicht die Brigade das<br />

<strong>von</strong> Unionstruppen gehaltene Baton Rouge.<br />

Obwohl diese Art des Kavallerieraids eigentlich<br />

eine Spezialität der konföderierten Reiterei<br />

ist, bleibt Griersons Unternehmen das<br />

erfolgreichste des ganzen Krieges.<br />

In der Zwischenzeit entschließt sich General<br />

Pemberton, den nur 10.000 Soldaten,<br />

die Grant mit nach Süden genommen hat,<br />

mit seiner gesamten Armee entgegen zu<br />

marschieren. Die Konföderierten verlassen<br />

ihre Stellungen und rücken auf Jackson, die<br />

Hauptstadt <strong>von</strong> Mississippi, vor. Doch im<br />

fernen Richmond reagiert Präsident Davis<br />

entsetzt. Er befiehlt die Rückkehr der Armee<br />

in ihre sicheren Stellungen. Weil Davis<br />

glaubt, dass Pemberton mit der Situation<br />

überfordert ist, schickt er General Joseph E.<br />

Johnston als neuen Befehlshaber im Mittleren<br />

Westen am 9. Mai nach Jackson. Hier findet<br />

der General nur etwa 15.000 schlecht bewaffnete<br />

und eingekleidete Soldaten und<br />

Milizen vor, die er eiligst zu einer neuen Armee<br />

aufbaut.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Erster Erfolg für Grant<br />

Grants Kriegsführung überrascht die Konföderierten.<br />

Nicht nur, dass er mit der Verlegung<br />

mehrerer Korps mittlerweile fast<br />

30.000 Soldaten <strong>von</strong> ihren eigenen Depots<br />

entfernt hat, er macht sich auch keine Mühe,<br />

neue Nachschublinien aufzubauen. Stattdessen<br />

greift er Johnston am 12. Mai nahe Jackson<br />

an und treibt ihn in die Stadt zurück.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

37


Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />

Pemberton, der sich der Stadt bereits auf wenige<br />

Kilometer genähert hat, zieht sich nun<br />

auf eine gut zu verteidigende Hügelstellung<br />

weiter im Westen, den Champions Hill, zurück.<br />

Hier greifen ihn die Unionstruppen am<br />

16. Mai an. Grants Soldaten erringen einen<br />

taktischen Erfolg. Nur das zögerliche Vorgehen<br />

des Politiker-Generals McClernand verhindert<br />

eine Katastrophe für die Südstaatler.<br />

Da McClernand sich jedoch selbst für diesen<br />

Sieg in der Presse feiern lässt, hat Grant genügend<br />

Gründe, den ungeliebten Rivalen<br />

seines Kommandos zu entheben.<br />

Die <strong>Belagerung</strong> beginnt<br />

Einen Tag später, am 17. Mai, erringen die<br />

Unionstruppen einen weiteren Erfolg am<br />

Black River. Pembertons angeschlagene Armee<br />

zieht sich in die Verteidigungsanlagen<br />

<strong>von</strong> Vicksburg zurück. Am 19. Mai trifft<br />

Grant vor der Stadt ein und befiehlt nach einem<br />

ersten heftigen Beschuss den sofortigen<br />

Sturm der Befestigungsanlagen. Grant will<br />

die demoralisierte Verfassung der Verteidiger<br />

ausnutzen. Doch die Konföderierten<br />

können diese Angriffe abwehren. Am<br />

22. Mai greifen alle drei Unionskorps ein<br />

KONFÖDERIERTE KAPITULATION: Am 4. Juli – dem amerikanischen Unabhängigkeitstag –<br />

übergibt General Pemberton Vicksburg an General Grant. Viele Einwohner der Stadt feiern<br />

deshalb den Nationalfeiertag lange Zeit nicht. Die blutige <strong>Belagerung</strong> der Mississippi-Festung<br />

ist zu Ende – der Krieg wird aber noch fast zwei weitere Jahre wüten.<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

ANGREIFER: Dieser Kavallerist trägt<br />

die blaue Uniform der Union sowie<br />

den Standard-Hut der Nordstaaten<br />

(„Hardee hat“ bzw. „Model 1858<br />

Dress Hat“). Er ist mit Säbel, Pistole<br />

und einem 3,4 Kilo schweren Gewehr<br />

(„Smith Carbine“) gut ausgerüstet.<br />

Im Hintergrund ist ein<br />

McClellan-Sattel zu sehen (benannt<br />

nach George B. McClellan).<br />

Zeichnung: Johnny Shumate<br />

weiteres Mal an.<br />

Diese Attacke wird<br />

durch das heftige<br />

Feuer der Flussflottille<br />

unterstützt,<br />

kann aber ebenfalls<br />

<strong>von</strong> den Verteidigern<br />

abgewehrt<br />

werden. 3.200 Unionssoldaten<br />

bleiben<br />

tot auf dem<br />

Schlachtfeld zurück.<br />

Es bleibt der<br />

Unionsarmee nichts anderes übrig, als eine<br />

regelrechte <strong>Belagerung</strong> zu beginnen.<br />

Jede Straße, die aus Vicksburg führt, ist<br />

durch ein eigenes Fort gesichert. Dazwischen<br />

befinden sich weitere Lünetten und<br />

Redouten, die durch mehrere Gräben miteinander<br />

verbunden sind. Auf der anderen<br />

Seite errichten Grants Soldaten Batterien, die<br />

mit modernen schweren Geschützen besetzt<br />

werden. Tag für Tag regnet es Granaten auf<br />

Vicksburg. Die Verteidiger graben bombensichere<br />

Bunker in die Hügel, die Bevölkerung<br />

meidet die Straßen.<br />

Pemberton hofft auf Entsatz<br />

durch Johnston. Doch der General<br />

hält seine Truppen für zu<br />

schwach und instruiert Pemberton,<br />

notfalls Vicksburg<br />

zu räumen, um seine Armee<br />

zu retten. Ganz andere Befehle<br />

erhält er aus Richmond:<br />

Davis befiehlt, die Stadt mit allen Mitteln zu<br />

halten. Hin und her gerissen entscheidet sich<br />

Pemberton, das Einfachste zu tun und auszuharren.<br />

So gut Vicksburg auch befestigt ist, einer<br />

langwierigen <strong>Belagerung</strong> kann die Stadt auf<br />

Dauer nicht standhalten. Mitte Juni gehen<br />

die Lebensmittelvorräte zuneige. Die Zeitungen,<br />

die fast täglich den Entsatz durch Johnstons<br />

Truppen voraus sagen, müssen auf Tapeten<br />

gedruckt werden.<br />

Tödlicher Sturm<br />

Doch selbst wenn Johnston dies wirklich gewollt<br />

hatte: Mittlerweile ist Grant viel zu<br />

stark, um sich noch vertreiben zu lassen. Seine<br />

Armee ist auf 77.000 Mann angewachsen.<br />

30.000 da<strong>von</strong> schickt er unter Sherman nach<br />

Osten, wo sie die kleine Entsatzarmee aus<br />

Jackson vertreiben können.<br />

Grants Soldaten haben in der Zwischenzeit<br />

ihre Gräben bis auf wenige Meter an die<br />

Forts der Konföderierten heran getrieben,<br />

können die starken Verteidigungsstellungen<br />

aber immer noch nicht einnehmen. Colonel<br />

Andrew Hickenlooper, einer <strong>von</strong> Grants Ingenieuren,<br />

fasst den Entschluss, einen Tunnel<br />

unter Fort Hill am Nordende der Stadt zu<br />

treiben und dieses in die Luft zu sprengen.<br />

Am 25. Juni ist die Mine fertig. Die Explosion<br />

<strong>von</strong> 1.000 Kilogramm Schwarzpulver zerreißt<br />

die konföderierte Stellung. Doch als die<br />

Unionsinfanterie zum Sturm ansetzt, erkennt<br />

sie voller Entsetzen, dass die Konföde-<br />

38


Doppelsieg für die Union<br />

rierten in Erwartung der Sprengung hinter<br />

dem Fort eine weitere Schanze angelegt haben,<br />

<strong>von</strong> der ihnen nun ein mörderisches<br />

Musketenfeuer entgegen schlägt. Unbarmherzig<br />

treibt Grant eine Angriffswelle auf die<br />

nächste nach vorn. Am Abend sind 34 Mann<br />

gefallen und 209 verwundet. Die Konföderierten<br />

halten ihre Linie.<br />

Kapitulation mit Bedingung<br />

Eine weitere Mine verpufft am 1. Juli mit der<br />

gleichen Wirkung. Allerdings verzichtet<br />

Grant auf den Sturm und lässt die Verteidiger<br />

durch Gewehrfeuer aus ihren Stellungen<br />

treiben.<br />

Inzwischen hat der Hunger den Widerstandswillen<br />

der Verteidiger gebrochen. Am<br />

1. Juli ruft Pemberton einen Kriegsrat mit seinen<br />

vier Divisionskommandeuren ein. Zwei<br />

sprechen sich für die Kapitulation aus. Zwei<br />

enthalten sich zunächst. Zwei <strong>Tage</strong> später,<br />

am 3. Juli, schickt Pemberton seinen Adjutanten<br />

zu Grant, um die Aufgabeverhandlungen<br />

einzuleiten. Grant fordert die bedingungslose<br />

Kapitulation. Doch nach zähen<br />

Verhandlungen können die Konföderierten<br />

ihren Belagerern eine Bedingung abringen.<br />

Die gesamte Besatzung wird, ohne Fahnen,<br />

Waffen und Gepäck, auf Ehrenwort entlassen.<br />

Die Offiziere dürfen ihre Degen und<br />

Pferde behalten. Am 4. Juli, dem amerikanischen<br />

Unabhängigkeitstag, räumt Pembertons<br />

Armee Vicksburg. Der<br />

große Sieg im Westen<br />

fällt mit einem glänzenden<br />

Erfolg im Osten<br />

zusammen: Am 3.<br />

Juli ist Robert E. Lees<br />

Nordvirginia-Armee bei<br />

Gettysburg geschlagen<br />

worden.<br />

Fünf <strong>Tage</strong> nach der Kapitulation<br />

<strong>von</strong> Vicksburg<br />

streckt auch die konföderierte Besatzung<br />

<strong>von</strong> Fort Hudson ihre Waffen. Die<br />

Union kontrolliert nun den gesamten Mississippi.<br />

Die Konföderierten Staaten <strong>von</strong><br />

Amerika sind in zwei Hälften geteilt.<br />

VERTEIDIGER: Der Reiter auf diesem Bild<br />

sitzt auf einem „Texas saddle“ und ist mit<br />

seiner grauen Jacke als Angehöriger der<br />

Konföderation zu erkennen. Er ist mit einer<br />

Pistole sowie einer Cook & Brother<br />

Muskete bewaffnet. Während des Krieges<br />

verwenden beide Seiten weit über einhundert<br />

verschiedene Typen <strong>von</strong> Pistolen, Musketen<br />

und Gewehren!<br />

Zeichnung: Johnny Shumate


Meinung<br />

Gettysburg 1863<br />

Die Wende im<br />

Sezessionskrieg?<br />

Von Alexander Querengässer<br />

Mit 50.000 Toten und Verwundeten<br />

war die Schlacht im pennsylvanischen<br />

Gettysburg (1.-3. Juli 1863)<br />

die blutigste im Amerikanischen Bürgerkrieg.<br />

Die zweite Invasion der Nordvirginia-Armee<br />

unter Robert E. Lee konnte durch die Standhaftigkeit<br />

der bisher meist glücklos agierenden<br />

Potomac-Armee der Union verhindert<br />

werden. Für viele Historiker stellt dieser Sieg<br />

der Nordstaaten zusammen mit der Kapitulation<br />

der wichtigen Mississippifestung<br />

Vicksburg (am 4. Juli 1863) vor den Truppen<br />

unter Ulysses S. Grant den Wendepunkt im<br />

Amerikanischen Bürgerkrieg dar.<br />

Doch was ist der Wendepunkt eines Krieges?<br />

Fest steht, dass Lees Armee durch den<br />

enormen Aderlass an gut ausgebildeten<br />

Offizieren und erfahrenen Soldaten ihr offensives<br />

Potential nach Gettysburg im Wesentlichen<br />

verloren hatte. Zwar konnte die<br />

Nordvirginia-Armee durch das neue Konskriptionsgesetz<br />

vom Februar 1864 wieder<br />

auf eine effektive Stärke <strong>von</strong> etwa 60.000<br />

Mann gebracht werden. Doch die neuen Rekruten<br />

besaßen nicht die Moral der Freiwilligen<br />

der ersten Kriegsjahre. Auch 1864 bestand<br />

der Großteil der Armee noch aus den<br />

Freiwilligen <strong>von</strong> 1861/62. Diese bildeten<br />

nicht nur das quantitative, sondern auch das<br />

qualitative Rückgrat der Regimenter, denn<br />

die neuen Wehrpflichtigen <strong>von</strong> 1864 neigten<br />

wesentlich eher zur Desertation. Alles in allem<br />

lässt sich sagen, dass die Armee im Frühjahr<br />

1864 insgesamt nicht mehr den Standard<br />

des Vorjahres besaß.<br />

Doch die schlechtere Qualität der Truppen<br />

war nicht allein Ausschlag gebend für<br />

den Verlauf der Ereignisse 1864. Zumindest<br />

in Virginia waren die Konföderierten 1864<br />

durchaus noch in der Lage, den Krieg in ihrem<br />

Sinne zu entscheiden, und das lag am<br />

neuen Oberbefehlshabers der Unionsstreitkräfte,<br />

Ulysses S. Grant.<br />

Nach seinen Erfolgen im Westen sah Präsident<br />

Abraham Lincoln in Grant den Mann,<br />

der Lee in die Knie zwingen könnte. „Dieser<br />

Mann kämpft“, sagte der Präsident einst<br />

über den General aus Ohio. Grant begann<br />

1864 einen aggressiven Feldzug gegen Lee.<br />

Obwohl die Südstaatler eine Reihe taktischer<br />

Erfolge erringen konnten, für die die Unionsarmeen<br />

einen hohen Blutzoll zu bezahlen<br />

hatten, ließ Grant nicht locker. Es war seine<br />

Sturheit, eine Niederlage nicht zu akzeptieren,<br />

der viele Historiker den Sieg zuschreiben.<br />

Doch die Wahrheit sieht anders aus. In<br />

dutzenden massierter Frontalangriffe auf die<br />

gut ausgebauten Defensivstellungen der<br />

Nordvirginia-Armee hatten die Nordstaatler<br />

bis zum Sommer 1864 allein in Virginia<br />

50.000 Mann verloren – in drei Monaten doppelt<br />

so viele wie in den drei <strong>Tage</strong>n <strong>von</strong> Gettysburg.<br />

Grants taktisch wenig glanzvolle<br />

Frontalattacken hatten der Potomac-Armee<br />

das Rückgrat gebrochen. Hastig ausgebildete<br />

Infanterieregimenter und Artilleriekompanien<br />

mussten die Lücken füllen. Im Juli<br />

hatte sich die Offensive der Union vor den<br />

konföderierten Schützengräben, die nun <strong>von</strong><br />

der Hauptstadt Richmond bis zu dem 40 Kilometer<br />

südlich gelegenen Eisenbahnknotenpunkt<br />

Petersburg reichten, festgefahren.<br />

Natürlich hatten auch Lees Divisionen gewaltig<br />

bluten müssen, gemessen an ihrer<br />

Ausgangsstärke sogar mehr, als ihre Gegner.<br />

„Sieg! Waterloo in den Schatten gestellt!.“<br />

Schlagzeile in der Nordstaaten-Zeitung „Philadelphia Inquirer“<br />

nach Meades Sieg über Lee bei Gettysburg am 3. Juli 1863<br />

Trotzdem konnte die konföderierte Regierung<br />

darauf hoffen, dass die langen<br />

„Schlachterlisten“, die Grant den heimischen<br />

Zeitungen schicken musste, zu einer enormen<br />

Kriegsmüdigkeit im Norden führen<br />

würden, und dass diese Kriegsmüdigkeit die<br />

Wahlen im November beeinflussen würde.<br />

Denn gegen Lincoln trat ein populärer Mann<br />

an. George Brinton McClellan hatte selbst in<br />

den Jahren 1861 und 1862 die Potomac-Armee<br />

kommandiert, bis er wegen seiner passiven<br />

Vorgehensweise <strong>von</strong> Lincoln abgesetzt<br />

wurde. McClellan war nicht nur bei seinen<br />

ehemaligen Soldaten beliebt, sondern sammelte<br />

auch mit dem Versprechen auf Frieden<br />

40


Was halten Sie <strong>von</strong> der Meinung Alexander Querengässers? Schreiben Sie uns!<br />

Clausewitz, Infanteriestr. 11a, 80797 München oder an redaktion@clausewitz-magazin.de<br />

TITANENKAMPF: Major General George Meade<br />

(links) steht bei Gettysburg dem konföderierten<br />

„Kriegsgott“ Robert E. Lee gegenüber. Die<br />

Schlacht gilt als die blutigste in der amerikanischen<br />

Geschichte – und ist sicher die bekannteste<br />

des Bürgerkrieges. Aber war sie auch eine Entscheidungsschlacht?<br />

Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Stimmen bei der Bevölkerung. Das einzige,<br />

was die Wahl für Lincoln und die Republikaner<br />

retten konnte, waren militärische Erfolge.<br />

Diese waren jedoch <strong>von</strong> Grant nicht zu<br />

erwarten. Zu großen Offensivschlägen war<br />

die Potomac-Armee im Sommer 1864 nicht<br />

mehr in der Lage. Dafür versuchte Lee den<br />

Druck auf seine Stellungen zu vermindern<br />

und entsandte Jubal Early mit dem II. Korps<br />

in das Shenandoah Valley. Early vertrieb die<br />

hier stationierten Unionstruppen und fiel in<br />

Maryland ein, wo er die Vororte Washingtons<br />

besetzte. Im US-Kongress brach eine Panik<br />

aus, Grant musste Truppen nach Norden<br />

schicken. Early konnte sich zwar letztlich<br />

nicht halten, stellte aber nach wie vor eine<br />

Bedrohung dar.<br />

Nach diesen enormen Rückschlägen<br />

richtete Grant seine Aufmerksamkeit hoffnungsvoll<br />

nach Westen. Auch <strong>von</strong> dort hatte<br />

er bisher wenig positive Neuigkeiten erreicht.<br />

Bereits im März war eine Offensive<br />

der Nordstaaten entlang des Red River nach<br />

Louisiana abgewiesen worden. Grant setzte<br />

jetzt all seine Hoffnungen in seinen Freund<br />

William Tecumseh Sherman. Dieser hatte<br />

drei Verbände, die Cumberland-, Tennesseeund<br />

Ohio-Armee, zusammengezogen, um<br />

Atlanta zu erobern. Die Stadt war sogar für<br />

damalige Verhältnisse nicht besonders groß,<br />

stellte aber einen strategisch bedeutenden<br />

Verkehrsknotenpunkt dar. Doch trotz seiner<br />

zahlenmäßigen Überlegenheit <strong>von</strong> zwei zu<br />

eins, hatte Sherman seinen konföderierten<br />

Gegner Joseph E. Johnston bis Ende Juni<br />

ebenfalls nicht stellen können. Johnston hatte<br />

sich jedem Umfassungsversuch der Nordstaatler<br />

geschickt entzogen. Seine Verluste<br />

waren wesentlich geringer als die Lees, allerdings<br />

hatte er bis Anfang Juli all seinen strategischen<br />

Spielraum preisgeben müssen und<br />

sich bis nach Atlanta zurückgezogen. In dieser<br />

kritischen Situation ersetzte Präsident<br />

Jefferson Davis, der nie ein großer Freund<br />

Johnstons gewesen war, den Befehlshaber<br />

der konföderierten Tennessee-Armee durch<br />

John Bell Hood.<br />

Hood war ein Gegner, wie ihn sich Sherman<br />

nicht besser wünschen konnte. Denn<br />

anstatt wie Johnston in gut gewählten defensiven<br />

Stellungen zu verharren, versuchte der<br />

General aus Kentucky mit schnellen Manövern<br />

und aggressiven Attacken, wie Lee sie<br />

1862 und 1863 umgesetzt hatte, Sherman aus<br />

Atlanta zu vertreiben. Doch seine Pläne endeten<br />

in verlustreichen Frontalattacken auf<br />

die Schützengräben der Unionsarmeen. Die<br />

Tennessee-Armee blutete aus, und als Sherman<br />

Anfang August Atlanta <strong>von</strong> allen Eisenbahnverbindungen<br />

abgeschnitten hatte,<br />

mussten die Konföderierten die Stadt räumen.<br />

Am 2. September marschierten die ersten<br />

Unionsregimenter durch ihre Straßen.<br />

Der Fall Atlantas trieb viele bereits kriegsmüde<br />

Wähler noch einmal in das Lager Lincolns.<br />

Was ist nun der Wendepunkt eines Krieges?<br />

Wie hier dargestellt, konnten die konföderierten<br />

Streitkräfte 1864 kein offensives<br />

Potential mehr entfalten. Gettysburg, Vicksburg<br />

und Chattanooga hatten enorme Verluste<br />

gefordert. Doch schon 1861 waren viele<br />

Politiker und Generale aus dem Süden<br />

überzeugt, dass es für die Erlangung der Unabhängigkeit<br />

ausreichen würde, die Angriffe<br />

der Nordstaatler einfach abzuwehren. Dazu<br />

waren die Nordvirginia- und Tennessee-<br />

Armee auch 1864 durchaus noch in der Lage.<br />

Auf der anderen Seite führten eine umsichtige<br />

Verteidigungsstrategie der Rebellen und<br />

eine wesentlich unklugere Aggressivität der<br />

Nordstaaten, besonders in Virginia, dazu,<br />

dass die Verluste der Unionstruppen stiegen.<br />

Die dadurch in der Bevölkerung geschaffene<br />

Kriegsmüdigkeit drohte die Wahl 1864 zugunsten<br />

einer Friedenspartei ausgehen zu<br />

lassen. Gettysburg hatte daran nichts geändert.<br />

Erst der Fall Atlantas kippte die Wählerstimmung<br />

zugunsten Lincolns, der nicht<br />

<strong>von</strong> seinem Kurs abweichen würde, den<br />

Krieg zum Erhalt der Union zu einem erfolgreichen<br />

Abschluss zu bringen.<br />

Definiert man einen „Wendepunkt“ als<br />

den Moment, nach dem eine Kriegspartei<br />

nicht mehr in der Lage sein wird, all ihre<br />

Kriegsziele zu erreichen, so trifft diese Definition<br />

für Gettysburg nicht zu. Der Süden<br />

war auch danach noch in der Lage, durch einen<br />

Abnutzungskrieg seine Unabhängigkeit<br />

zu erringen. Betrachtet man als Wendepunkt<br />

jedoch nur die Schlacht, die die strategische<br />

Initiative <strong>von</strong> einer Kriegspartei auf die andere<br />

übergehen lässt, so käme Gettysburg<br />

(zusammen mit der Niederlage der konföderierten<br />

Tennessee-Armee bei Chattanooga<br />

im November 1863) dafür in Frage, denn <strong>von</strong><br />

da an konnten die Streitkräfte der Konföderation<br />

kaum mehr selbstständig agieren,<br />

sondern nur noch reagieren. Doch das<br />

Schicksal der Rebellenstaaten wurde erst am<br />

2. August 1864 mit dem Fall Atlantas endgültig<br />

besiegelt.<br />

Alexander Querengässer, M.A., Jahrgang 1987, ist<br />

Militärhistoriker und Autor aus Dresden. Zu seinen<br />

Spezialgebieten gehört der Amerikanische Bürgerkrieg.<br />

2010 erschien sein Buch „Geschichte des First Regiment<br />

of Virginia Volunteer Infantry“.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

41


Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

Stalins gepanzerte Faust<br />

Mittlerer Kampfpanzer T-34/76<br />

Kurz nachdem die Deutschen in die Sowjetunion<br />

im Zuge der Operation Barbarossa<br />

eingefallen waren, traf sie ein heftiger<br />

Schock: Die Rote Armee besaß einen Panzer,<br />

der allen Wehrmachtspanzern überlegen<br />

war und über eine beispiellose Ausgewogenheit<br />

<strong>von</strong> Feuerkraft, Beweglichkeit und<br />

Zähigkeit verfügte. Obwohl die Rote Armee<br />

bezüglich Taktik und Ausbildungsstand<br />

noch einigen Aufholbedarf hatte, um die<br />

technischen Möglichkeiten des T-34 effektiv<br />

nutzen zu können, hatte man doch seine<br />

Lehren aus der Beobachtung des Scheiterns<br />

der statischen französischen Defensive gegenüber<br />

der deutschen Blitzkriegstaktik gezogen.<br />

Bis zur Stalingradoffensive im November<br />

1942 hatten die Rotarmisten gelernt,<br />

das Beste aus dem Potential des T-34 herauszuholen,<br />

indem sie ihn geschickt nutzten<br />

und so den deutschen Vormarsch stoppten.<br />

„Für eine sowjetische Ukraine!“<br />

Ein Propagandaslogan, der darauf hindeutet,<br />

dass dieser Panzer Teil der Herbstoffensive<br />

1943 war, die den Deutschen die Ukraine<br />

entwinden sollte.<br />

Guckloch<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Schnee und Schlamm stellten für andere Panzer<br />

größere Probleme dar, obwohl der T-34<br />

auch nicht völlig immun dagegen war, stecken<br />

zu bleiben. Doch die breiten Ketten des<br />

T-34 – hier gut zu erkennen – sorgten generell<br />

für eine bessere Gewichtsverteilung und Traktion<br />

in einem Gelände, das für die Deutschen<br />

schon nicht mehr passierbar war.<br />

Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />

Zusatztanks<br />

Ersatzkettenglieder<br />

Die Panzerkette musste bisweilen<br />

repariert werden und tendierte<br />

dazu, bei starken Lenkbewegungen<br />

abzuspringen.<br />

Antenne<br />

Nur Befehlsfahrzeuge waren mit Funkgeräten, die<br />

während des gesamten Krieges Mangelware<br />

waren, ausgestattet. Andere T-34-Besatzungen<br />

verwendeten Flaggen, um miteinander zu kommunizieren,<br />

was im Gefecht ein klarer Nachteil war.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Der amerikanische mittlere<br />

Kampfpanzer M3, General Lee<br />

Geschwindigkeit circa 41km/h<br />

Gute Feuerkraft und Panzerung, aber sein hohes<br />

Fahrzeugprofil und der genietete Rumpf machten ihn<br />

verletzlich. Die in einer Kasematte in der Fahrzeugwanne<br />

positionierte 75-Millimeter-Kanone hatte einen nur sehr<br />

geringen Seitenrichtbereich nach links.<br />

Der mittlere japanische<br />

Kampfpanzer Typ 97 Chi-Ha<br />

Geschwindigkeit circa 38km/h<br />

Entwickelt als Infanterieunterstützungsfahrzeug<br />

war er mit seiner dünnen Panzerung und der<br />

niedrigen Mündungsgeschwindigkeit seiner 57-<br />

Millimeter-Kanone in allen Bereichen den alliierten<br />

Panzern unterlegen.<br />

42


Periskop<br />

Die nächste Generation, der T-34/85<br />

griff zu Beginn des Jahres 1944 ins<br />

Kriegsgeschehen ein. Er verfügte über<br />

einige entscheidende Verbesserungen:<br />

Seine neue 85-Millimeter-Kanone verbesserte<br />

seine Durchschlagskraft gegen<br />

die stetig verstärkte Panzerung<br />

der deutschen Gegner. Auch der Dreimannturm<br />

des 85er-Modells, welcher<br />

Platz für Kommandanten, Lade- und<br />

Richtschützen bot, verbesserte Durchhaltevermögen<br />

und Leistungsfähigkeit<br />

im Kampf.<br />

Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />

7,63-Zentimeter-Kanone<br />

vom Typ F-34<br />

Zweimannturm<br />

Der Kommandant musste seine Aufmerksamkeit<br />

zwischen der Leitung der Besatzung<br />

sowie dem Richten und Abfeuern der Kanone<br />

aufteilen. Erst der T-34/85 schuf Raum für<br />

einen speziellen Richtschützen.<br />

7,62-mm-MG<br />

Schräge Panzerung<br />

Der Winkel, in dem die Panzerung angebracht war, sorgte<br />

dafür, dass frontal auftreffende Geschosse einen längeren<br />

Weg durch die Panzerung zurücklegen mussten. Somit war<br />

die Panzerwirkung höher, ohne aber zusätzliches Gewicht<br />

als Nachteil in Kauf nehmen zu müssen.<br />

Der italienische Carro Armato<br />

M13/40<br />

Geschwindigkeit circa 32km/h<br />

Gute Kanone und einigermaßen gepanzert, obwohl<br />

die Panzerung ungünstig positioniert war. Der<br />

M13/40 litt stets an seiner geringen Mobilität in<br />

Folge der Untermotorisierung durch einen unzuverlässigen<br />

Motor.<br />

Der deutsche Pz.Kpfw. III<br />

Ausf.J<br />

Geschwindigkeit circa 40km/h<br />

Einer der wichtigsten deutschen Panzertypen.<br />

Mit seinen Kampfwertsteigerungen bezüglich<br />

Panzerung und Geschütz konnte er sich gegen<br />

die meisten Widersacher behaupten. Doch im<br />

T-34/75 fand er seinen Meister.<br />

Clausewitz 1/2014 43


Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

Tokioter Leichtgewicht<br />

Japans Jäger A6M Zero<br />

Beim US-Verteidigungsministerium trafen ein gefürchteter Kurvenkämpfer, dass die<br />

1940 unwahrscheinlich klingende Berichte<br />

Amerikaner Konfrontationen mit ihr lieber<br />

aus China ein: Die Japaner hätten ein<br />

Flugzeug, das jedem amerikanischen Jäger<br />

überlegen sei. Einige Details sollten sich als<br />

Übertreibungen herausstellen. Doch die<br />

Mitsubishi A6M Typ 0 war tatsächlich das<br />

beste trägergestützte Jagdflugzeug, das die<br />

Welt bis dahin gesehen hatte. Mit seinem aerodynamischen<br />

aus dem Wege gingen, bis neue und bessere<br />

Taktiken erdacht worden waren. 1943 endete<br />

mit dem Eintreffen überlegener<br />

amerikanischer<br />

Flugzeugmuster wie der<br />

F4U Corsair und der<br />

F6F Hellcat auf dem<br />

Design war die Zero extrem pazifischen Kriegs-<br />

leicht und sehr wendig. Sie hatte eine Einsatzreichweite<br />

<strong>von</strong> 1.<strong>900</strong> bis 2.700 Kilometern.<br />

Das war annähernd das Doppelte vergleichbarer<br />

schauplatz die dortige<br />

Dominanz der<br />

Zero-Jäger.<br />

alliierter Jäger. Dank ihrer unschauplatz<br />

schlagbaren Wendigkeit war die Zero solch<br />

Eines der beiden 7,7-Millimeter-<br />

Maschinengewehre in der<br />

Triebwerksverkleidung.<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Pilotenkanzel mit verbesserter<br />

Sicht für den Flugzeugführer.<br />

950-PS-Sternmotor, verborgen<br />

unter einer aerodynamisch günstigen<br />

Verkleidung.<br />

Der Zero-Jäger konnte mehr als zwölf Stunden<br />

in der Luft bleiben. Das versetzte ihn in die Lage,<br />

weit entfernte Ziele zu erreichen, was ein<br />

entscheidender Vorteil der Japaner in den frühen<br />

Phasen des Krieges auf dem pazifischen<br />

Kriegsschauplatz war. Fotos: National Archives<br />

367-Liter--Zusatztank<br />

Der Zusatztank konnte auch durch<br />

eine 250-Kilogramm-Bombe für<br />

Kamikaze-Missionen ersetzt werden.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Die amerikanische Grumman F4F-3 Wildcat<br />

Reichweite circa 1.360 Kilometer<br />

Die Wildcat war der Zero hinsichtlich Geschwindigkeit,<br />

Steigrate, Reichweite und Wendigkeit unterlegen. Doch<br />

die F4F-3 hatte die Nase im Sturzflug vorn und konnte<br />

mehr einstecken und besser austeilen als die Zero. Sie<br />

war zunächst der härteste Konkurrent der Zero.<br />

Die amerikanische<br />

Curtiss P-40E Warhawk<br />

Reichweite circa 1.370 Kilometer<br />

Das Rückgrat der amerikanischen Jägerverbände<br />

Ende 1941 war der Zero in mancherlei Hinsicht<br />

unterlegen. Aber mit höherer Sturzflug- und Horizontalgeschwindigkeit<br />

sowie Feuerkraft behauptete<br />

sie sich häufig.<br />

44


Im Sommer 1942 entdeckten<br />

die Amerikaner eine abgeschossene<br />

Zero auf der Aleuteninsel<br />

Akutan (s. FLUG-<br />

ZEUG CLASSIC Jahrbuch<br />

2014, S.26). Reparaturteams<br />

setzten den Jäger instand,<br />

der dann intensiv erprobt<br />

wurde, um seine<br />

Schwächen auszuloten. Eine<br />

da<strong>von</strong> war, dass verschiedene<br />

Leistungsparameter bei hohen<br />

Geschwindigkeiten abfielen.<br />

Aus diesen Erkenntnissen<br />

wurden neue Taktiken<br />

und Maßgaben entwickelt,<br />

wie zum Beispiel sich niemals<br />

mit einer Zero bei niedrigen<br />

Geschwindigkeiten in eine<br />

Aufwärtsspirale einzulassen,<br />

auf die man bei der Pazifikflotte<br />

nur gewartet hatte. Die<br />

amerikanischen Piloten konnten<br />

schon recht bald <strong>von</strong> besseren<br />

Ergebnissen im Kampf<br />

gegen die Zeros berichten.<br />

Maximales Startgewicht <strong>von</strong> circa<br />

2.<strong>900</strong> Kilogramm<br />

Die Zero war viel leichter als andere Jäger,<br />

aber auch verwundbarer. Sie verfügte über<br />

keinerlei Panzerung für den Piloten und hatte<br />

keine selbst abdichtenden Treibstofftanks.<br />

Flugzeugkennung eines<br />

Asses<br />

Der legendäre Pilot Tetsuzo<br />

Iwamoto flog in dieser Maschine<br />

den Angriff auf Pearl<br />

Harbor. Er überlebte den Krieg<br />

mit über 80 Abschüssen, die er<br />

mit dem Zero-Jäger erzielte.<br />

20-Millimeter-Kanone<br />

In jedem Flügel befand sich eine<br />

20-Millimeter-Kanone.<br />

Lange Querruder<br />

In Verbindung mit einer niedrigen<br />

Strömungsabrissgeschwindigkeit<br />

ermöglichten sie der Zero einen<br />

sehr geringen Kurvenradius.<br />

Einziehbares Hauptfahrwerk<br />

Ein Novum bei japanischen Jägern.<br />

In dieser Serie bereits erschienen:<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Maschinengewehr (MG)42 (4/2013)<br />

Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />

Fairey Swordfish (6/2013)<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II magazine“ sowie der<br />

Weider History Group für die Zurverfügungstellung der Grafiken.<br />

Mehr Informationen unter www.HistoryNet.com.<br />

Die englische<br />

Hawker Hurricane Mk.IIB<br />

Reichweite circa 740 Kilometer<br />

Die Hurricane war zwar bei der Luftschlacht um<br />

England effektiv, doch mit ihrem schweren konventionellen<br />

Design war sie für die Zero über dem<br />

Pazifik keine echte Herausforderung. Die 7,7-<br />

Millimeter-Maschinengewehre der Mk.II waren aber<br />

auf kurze Entfernung tödliche Waffen.<br />

Die englische<br />

Fairey Fulmar Mk.II<br />

Reichweite circa 1.250 Kilometer<br />

Mit einem im hinteren Kabinenbereich positionierten<br />

Navigator war die Fulmar groß und ziemlich<br />

langsam und somit nicht für Auseinandersetzungen<br />

mit deutschen und italienischen Jägern über<br />

dem Mittelmeer oder mit Zeros über Ceylon<br />

geeignet.<br />

Clausewitz 1/2014 45


Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />

ZUVERSICHTLICH: Ein mittlerer Kampfpanzer<br />

vom Typ „Panther“ im Januar<br />

1945 auf dem Weg zum Bereitstellungsraum<br />

am Südflügel der Westfront.<br />

Foto: BArch, Bild 183-P0213-501<br />

Unternehmen „Nordwind“ 1945<br />

Hitlers letzte<br />

West-Offensive<br />

Jahreswechsel 1944/45: In Lothringen und vor allem im Elsass flammen heftige Kämpfe<br />

zwischen Deutschen und Alliierten auf. Einheiten <strong>von</strong> Wehrmacht und Waffen-SS treten<br />

mit massiven Kräften zum Großangriff an.<br />

Von Hagen Seehase<br />

46


VORBEREITUNG: Deutsche Soldaten<br />

bringen eine Panzerabwehrkanone in<br />

einem Dorf im Elsass in Stellung.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

BEFEHLSHABER: Generaloberst<br />

Johannes Blaskowitz (1883–1948),<br />

Oberbefehlshaber der Heeresgruppe G<br />

bis Ende Januar 1945.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Als kurz vor Mitternacht des 31. Dezember<br />

1944 deutsche Truppen aus<br />

ihren Bereitstellungsräumen zwischen<br />

Saargemünd (frz.: Sarreguemines) und<br />

Weißenburg (frz.: Wissembourg) hervorbrechen,<br />

ist das der Auftakt zum Unternehmen<br />

„Nordwind“, der letzten deutschen Großoffensive<br />

im Westen.<br />

Schon der Anfang verläuft aus deutscher<br />

Sicht wenig verheißungsvoll. Große Hoffnung<br />

setzen die Stäbe in die aus dem XIII.<br />

SS-Armeekorps bestehende „Sturmgruppe<br />

1“. Östlich Saargemünd tritt sie mit zwei Divisionen,<br />

darunter die 17. SS-Panzergrenadierdivision<br />

„Götz <strong>von</strong> Berlichingen“, zum<br />

Angriff an. Dieser läuft sich jedoch schon<br />

kurz darauf fest.<br />

Bereits am 3. Januar wird die Offensive in<br />

diesem Sektor beendet. Obwohl später Verstärkungen<br />

nachgeführt werden, etwa die<br />

schwere Panzerjägerabteilung 654 mit ihren<br />

gewaltigen „Jagdtigern“, bleibt die Front<br />

weitgehend statisch. Etwas anders sieht es<br />

weiter im Osten aus. Hier greifen die vier Infanteriedivisionen<br />

der „Sturmgruppe 2“ an.<br />

Ihnen gegenüber steht nur ein schwacher<br />

Aufklärerverband, die „Task Force Hudelson“.<br />

Weil dem Befehlshaber der amerikanischen<br />

7th Army Major General Alexander<br />

Patch der Bereich der Niedervogesen mit ihren<br />

tiefen Taleinschnitten für gegnerische<br />

Angriffsoperationen denkbar ungeeignet erschien<br />

und er gezwungen war, seine Frontlinie<br />

auszudünnen, bleibt zur Deckung des<br />

Abschnittes zwischen Bitsch (frz.: Bitche)<br />

und Weißenburg nur eine schwache Task<br />

Force. Diese meistert aber eine angesichts einer<br />

mehrfachen Überlegenheit des Gegners<br />

nahezu unmögliche Aufgabe recht gut. Aufhalten<br />

kann sie den deutschen Vormarsch allerdings<br />

nicht.<br />

Die 361. Volksgrenadierdivision, die in einen<br />

Bereich vordringt, aus dem sie sich erst<br />

einige Wochen zuvor zurückgezogen hat, erzielt<br />

beachtliche Geländegewinne.<br />

Der Kommandeur des VI. Corps, General<br />

Edward Brooks, zieht Reserven, wo immer<br />

es eben geht, aus der Frontlinie seines Korps<br />

und wirft sie in die Schlacht. Heftig umkämpft<br />

ist wochenlang das Dorf Philippsburg<br />

(frz.: Philippsbourg) an der Straße zwischen<br />

Niederbronn und Bitsch. Auf der deutschen<br />

Seite trifft Generaloberst Johannes<br />

Blaskowitz, der Kommandeur der Heeresgruppe<br />

G und damit der deutschen Angriffstruppen<br />

des Unternehmens „Nordwind“,<br />

folgende Entscheidung: Ausweitung des<br />

Clausewitz 1/2014<br />

47


Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />

KARTE<br />

Kämpfe im Elsass und in Lothringen (Jan/Febr. 1945)<br />

Die heftigen Kämpfe, die sich vom 31. Dezember 1944 bis zum 9. Februar 1945 hinziehen,<br />

werden hohe Verluste fordern und unersetzbare Ressourcen an Fahrzeugen, Munition<br />

und Treibstoff verbrauchen und letztlich den Zusammenbruch der deutschen Westfront<br />

im Frühjahr 1945 beschleunigen.<br />

Angriffs der „Sturmgruppe 2“ mit kurz zuvor<br />

eingetroffenen Verstärkungen.<br />

Die 6. SS-Gebirgsdivision „Nord“, für die<br />

winterlichen Verhältnisse in der wald- und<br />

bergreichen Region wohl am besten ausgerüstet,<br />

greift in der Nacht vom 2. auf den<br />

3. Januar den Ort Wingen an. Zwei Bataillone<br />

des SS-Gebirgsjägerregiments 12 nehmen<br />

nach heftigen Kämpfen den Ort ein. Der<br />

Kontakt zum Hauptquartier reißt nach dem<br />

Verlust <strong>von</strong> Funkwagen jedoch ab. Wütende<br />

Gegenangriffe der 45th Infantry Division<br />

können zwar abgewiesen werden, aber in<br />

der Nacht vom 7. zum 8. Januar ziehen sich<br />

die Überreste der deutschen Truppen – nur<br />

noch etwa 200 <strong>von</strong> ursprünglich 800 Mann –<br />

aus Wingen zurück. Fast ist „Nordwind“ damit<br />

gescheitert, doch der Einsatz der amerikanischen<br />

Reserven hat die Front andernorts<br />

gefährlich ausgedünnt.<br />

Himmlers Truppen greifen an<br />

Bei der zu dieser Zeit vom Reichsführer-SS<br />

Heinrich Himmler kommandierten Heeresgruppe<br />

Oberrhein wurde schon seit geraumer<br />

Zeit ein Angriff (Unternehmen „Sonnenwende“)<br />

aus dem Frontvorsprung <strong>von</strong><br />

Colmar nordwärts Richtung Straßburg vorbereitet.<br />

Der Vorstoß beginnt am 8. Januar<br />

und führt zu schweren Kämpfen mit der<br />

1. französischen Armee. Gleichzeitig soll ein<br />

Angriff über den Rhein hinweg gegen<br />

Gambsheim erfolgen, der aufgrund eines direkten<br />

Befehls aus dem Oberkommando der<br />

Wehrmacht (OKW) schon am frühen Morgen<br />

des 5. Januar <strong>von</strong> der 553. Volksgrenadierdivision<br />

ausgeführt wird.<br />

Doch das Unternehmen „Sonnenwende“<br />

bringt nicht viel ein. Französische Reserven<br />

können den Vorstoß aufhalten. Unter den<br />

französischen Verbänden befindet sich auch<br />

die „Brigade Alsace-Lorraine“, ein Verband<br />

der französischen Résistance, der selbständig<br />

operiert und unter dem (nominellen)<br />

Kommando des Schriftstellers André Mal-<br />

VOR DEM ANGRIFF: Ein M4A1 der US Army.<br />

Die Einführung der 76-mm-Panzerkanone<br />

gab den US-Panzern die nötige Durchschlagskraft,<br />

um die modernen deutschen<br />

Panzer erfolgreich bekämpfen zu können.<br />

Foto: NARA<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

48


Wütende Gegenangriffe<br />

reaux steht. Trotz der oft mangelhaften Ausbildung<br />

der Soldaten und ihrer aus britischen,<br />

französischen und deutschen Beutewaffen<br />

sowie neu zugeführtem amerikanischen<br />

Material bestehenden Ausrüstung<br />

schlägt sich der Verband beachtlich.<br />

Eine ähnlich „bunte“ Ausrüstung weisen<br />

auch die deutschen Verbände im Brückenkopf<br />

<strong>von</strong> Gambsheim auf: Die Artillerie besteht<br />

im Wesentlichen aus acht Batterien Festungsartillerie<br />

mit Beutegeschützen, die Panzerunterstützung<br />

aus der improvisierten<br />

Jagdpanzer-Abteilung <strong>von</strong> Lüttichau. Darunter<br />

befindet sich eine Kompanie mit<br />

Kampfpanzern IV. Hinzu kommen zwei<br />

Kompanien mit Panzerjägern „Nashorn“<br />

und drei Kompanien mit „Hetzer“-Jagdpanzern.<br />

Hauptmann Hannibal <strong>von</strong> Lüttichau<br />

gelingt es schließlich, Herrlisheim zu besetzen,<br />

um das heftige Kämpfe entbrennen.<br />

Heftige Gefechte<br />

General Brooks erkennt die Bedrohung, die<br />

<strong>von</strong> dem Brückenkopf bei Gambsheim ausgeht.<br />

Schließlich sind es nur ein paar Dutzend<br />

Kilometer nordwärts bis Hatten, um<br />

das seit dem Nachtangriff deutscher Einheiten<br />

am 8./9. Januar eine heftige Schlacht<br />

tobt. Entgegen den Vorstellungen <strong>von</strong> Blaskowitz<br />

hat Himmler eine Verlegung des Angriffsschwerpunktes<br />

in den Sektor östlich<br />

<strong>von</strong> Hagenau (frz.: Haguenau) durchgesetzt.<br />

MIT ERHOBENEN HÄNDEN: Deutsche Kindersoldaten<br />

ergeben sich den US-Truppen in<br />

einem Ort westlich <strong>von</strong> Hagenau im Elsass.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

ZERSTÖRT: Ein M10 Tank Destroyer. Er ist<br />

mit einer 76-mm-Kanone älterer Bauart in einem<br />

oben offenen Turm bestückt. Schnell<br />

und beweglich, ist seine Panzerung jedoch<br />

recht schwach. Dieser Panzer zeigt zwei Einschüsse<br />

an der Frontplatte. Foto: NARA<br />

Die Reserven der Heeresgruppe G sollen die<br />

Maginot-Linie durchbrechen, zum Brückenkopf<br />

Gambsheim vorstoßen und so amerikanische<br />

Kräfte einkesseln. General Brooks beordert<br />

eine gepanzerte Kampfgruppe der<br />

14th Armored Divsion zum Angriff auf den<br />

Brückenkopf. Die amerikanische Aufklärung<br />

hat aber die Stärke der deutschen Kräfte in<br />

Gambsheim und Herrlisheim vollkommen<br />

falsch eingeschätzt. Denn durch Fährverkehr<br />

können stetig Nachschub und Verstärkungen<br />

über den Rhein gebracht werden.<br />

Der US-Angriffsverband, zwei Task Forces<br />

mit insgesamt einem Panzerbataillon, einem<br />

Infanteriebataillon und einigen Batterien<br />

„Priest“-Panzerhaubitzen, ist viel zu<br />

HINTERGRUND<br />

Der Einsatz französischer Truppen im Elsass 1945<br />

Die 1ère Armée Française kämpft zusammen<br />

mit der Seventh US Army 1944–1945 im Elsass<br />

gegen die deutsche Wehrmacht bzw.<br />

Waffen-SS. Beide alliierten Armeen gehören<br />

zur 6th Army Group <strong>von</strong> Generalleutnant Devers.<br />

Durch die Zusammenlegung der beiden<br />

freifranzösischen Divisionen mit den Truppen<br />

der französischen Afrikaarmee – bis zur Landung<br />

der Alliierten in Nordafrika 1942 ist sie<br />

dem Vichy-Regime ergeben gewesen – ist eine<br />

neue französische Armee entstanden.<br />

In Korpsstärke nimmt sie am „Italienfeldzug“<br />

teil, dann beteiligt sie sich an der alliierten<br />

Landung in Südfrankreich. Dort wird die<br />

1ère Armée Française unter dem Befehl <strong>von</strong><br />

General Jean de Lattre de Tassigny gebildet.<br />

Die USA liefern Material für acht komplette Divisionen.<br />

Die 1ère Armée Française ist fast<br />

genauso ausgerüstet wie amerikanische Heeresverbände,<br />

nur überwiegen als Standardinfanteriegewehre<br />

das Springfield 1903 und<br />

das P17 anstatt des Garand M1.<br />

Im Herbst 1944 erkämpft sich die 1ère Armée<br />

Française über die Pforte <strong>von</strong> Belfort den<br />

Zugang zum Elsass, während weiter im Norden<br />

die 2. französische Panzerdivision mit<br />

amerikanischen Einheiten über die Zaberner<br />

Steige nach Straßburg vordringt.<br />

Die 2. freifranzösische Panzerdivision wird<br />

erst im Januar 1945 der 1ère Armée Francaise<br />

unterstellt. Da erreicht die 1ère Armée<br />

Française mit drei Panzerdivisionen und sechs<br />

Infanteriedivisionen (eine da<strong>von</strong> Gebirgsjäger)<br />

ihre höchste Kampfstärke. Der Mangel an kolonialerfahrenen<br />

Offizieren führt zu Disziplinproblemen<br />

bei den aus den nord- und zentralafrikanischen<br />

Kolonien Frankreichs stammenden<br />

Soldaten einiger Regimenter.<br />

Dies und die irrige Annahme, die Schwarzafrikaner<br />

seien den strengen Winterbedingungen<br />

nicht gewachsen, führen zu der Entscheidung<br />

der politischen Führung, Kolonialtruppen<br />

durch Einheiten des französischen Widerstands<br />

(FFI) zu ersetzen.<br />

Dieses Verfahren („blanchisement“) führt<br />

dazu, dass kampferfahrene Kolonialtruppen<br />

in die Etappe bzw. an ruhigere Frontabschnitte<br />

verlegt werden, dagegen bis 1945 circa<br />

137.000 FFI-Männer zur 1ère Armée Française<br />

versetzt werden.<br />

Die USA wollen diese neuformierten Verbände<br />

<strong>von</strong> oft geringem Kampfwert nicht ausrüsten.<br />

So kämpfen viele dieser Einheiten mit<br />

einem Sammelsurium aus amerikanischem,<br />

britischem, altem französischen und erbeutetem<br />

deutschen Material. Wirklich auszeichnen<br />

können sich nur die „Brigade Alsace-Lorraine“<br />

und das 49e Regiment d’Infanterie<br />

(ehemals „Corps Francs Pommiers“, ein Résistanceverband<br />

aus den Pyrenäen). Vom<br />

blanchisement nicht betroffen ist die besonders<br />

kampfstarke 2. Panzerdivision.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

49


Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />

Literaturtipps<br />

Georges Bernage: Bataille d’Alsace 1944–45,<br />

Bayeux 1992.<br />

Keith Bonn: When the Odds were Even: The Vosges<br />

Mountains Campaign, New York 1994.<br />

Richard Engler: The Final Crisis: Combat in<br />

Northern Alsace, January 1945, Bedford 1999.<br />

VERNICHTET: Dieser PzKpfw IV<br />

Ausf. J wurde durch einen amerikanischen<br />

Tank Destroyer zerstört.<br />

Vermutlich sind Munitionsvorräte<br />

und Kraftstofftanks<br />

in Brand geschossen worden,<br />

die folgende Detonation hat<br />

den Panzer zerrissen. Foto: NARA<br />

schwach. Die Amerikaner dringen am 8. Januar<br />

in Herrlisheim ein, müssen sich aber<br />

schon am 10. Januar zurückziehen. Brooks<br />

setzt daraufhin mit der gesamten 12th Armored<br />

Division zum Angriff an. Dieser beginnt<br />

am 16. Januar. In der Nacht zuvor sind jedoch<br />

unbemerkt große Teile der 10. SS-Panzerdivision<br />

mit Fähren über den Rhein gebracht<br />

worden. Die SS-Panzerabteilung 10<br />

soll mit 50 PzKpfw IV und 40 „Panthern“<br />

den Ausbruch aus dem Brückenkopf anführen.<br />

Beide Angriffsverbände stoßen bei Herrlisheim<br />

kurz vor Morgengrauen des 17. Januar<br />

aufeinander. In den chaotischen Kämpfen<br />

schlägt sich das 43rd Tank Battalion nach<br />

Herrlisheim durch, gerät aber in den Straßen<br />

unter heftiges Feuer deutscher Infanterie, die<br />

unter anderem mit Panzerfäusten ausgerüstet<br />

ist. Lieutenant Colonel Nicholas Novosel,<br />

Kommandeur des 43rd Tank Battalion, meldet<br />

zurück: „Things are hot.“ Dann reißt der<br />

Funkkontakt ab.<br />

Versuche, zum verlorenen Bataillon durchzubrechen,<br />

werden am folgenden Tag abgebrochen.<br />

Deutsche Panzerangriffe an den folgenden<br />

<strong>Tage</strong>n bringen aber keinen Erfolg. Im<br />

Gegenteil: Viele Panzer gehen verloren.<br />

General Brooks befiehlt schließlich am 20.<br />

Januar den Rückzug auf die „Moder-Linie“.<br />

Nachstoßende deutsche Verbände können<br />

zwar einzelne Brückenköpfe über die Moder<br />

errichten. Diese werden aber kurz darauf alle<br />

wieder beseitigt.<br />

Himmler gibt Kommando ab<br />

Die deutsche Offensive kommt am 26. Januar<br />

endgültig zum Stehen. Himmler gibt das<br />

Kommando der Heeresgruppe Oberrhein an<br />

SS-Oberstgruppenführer Paul Hausser ab.<br />

Die Heeresgruppen Oberrhein und G werden<br />

unter Haussers Kommando vereinigt.<br />

BERÜHMT: Denkmal für<br />

den amerikanischen<br />

„Kriegshelden“ und<br />

späteren Filmschauspieler<br />

Audie Murphy.<br />

Er kommt 1971<br />

bei einem Flugzeugabsturz<br />

ums<br />

Leben. Foto:<br />

picture-alliance/dpa<br />

Die 21. Panzer- und die 25. Panzergrenadierdivision<br />

werden an die Ostfront verlegt. Nun<br />

gehen die Alliierten zum Gegenangriff über.<br />

Himmlers Kommandoführung hat bei<br />

den deutschen Kräften im Frontvorsprung<br />

<strong>von</strong> Colmar außer einem operativen Chaos<br />

nicht viel hinterlassen.<br />

„Nordwind” ist gescheitert<br />

In der „Operation Cheerful“ treten ab dem<br />

20. Januar <strong>von</strong> Norden amerikanische und<br />

<strong>von</strong> Süden französische Kräfte der 1ère Armée<br />

<strong>von</strong> General Jean de Lattre de Tassigny<br />

an. Verbände der amerikanischen 3rd Infantry<br />

Division überschreiten kurz nördlich <strong>von</strong><br />

Colmar die Ill. Weil aber der einzige Flussübergang<br />

aus einer alten Holzbrücke besteht,<br />

die das Gewicht eines „Sherman“-Panzers<br />

nicht trägt, ist die Zahl der US-Panzer<br />

auf dem Ostufer der Ill nicht sehr groß.<br />

Die Infanterie trägt die Hauptlast der<br />

Kämpfe. Am 26. Januar kommt es zwischen<br />

Holtzwihr und Riedwihr zu heftigen Kämpfen.<br />

Von den ursprünglich 128 Männern einer<br />

US-Infanteriekompanie sind nur noch 19<br />

kampffähig. Es ist kalt, 10 Grad unter Null,<br />

die elsässische Rheinebene ist tief verschneit.<br />

Weit überlegene deutsche Kräfte bewegen<br />

sich auf die Amerikaner zu. Deren Kompanieführer,<br />

ein schmächtiger blutjunger 2nd<br />

Lieutenant, der die Kompanie erst am Vortag<br />

übernommen hat, beordert seine Männer<br />

nach hinten. Company B, 15th Infantry, ist<br />

zwar geschlagen, nicht aber 2nd Lieutenant<br />

Audie Murphy: Gerade erst aus dem Lazarett<br />

entlassen – er trägt noch Verbände – und<br />

bereits erneut durch Splitter verwundet,<br />

harrt Murphy aus. Erst feuert er mit seinem<br />

.30M1 Karabiner, dann hat er keine Munition<br />

mehr. Er klettert auf einen brennenden<br />

M10-Jagdpanzer, schwingt das Fla-MG herum<br />

und nimmt die vordringenden deutschen<br />

Truppen unter schweres Feuer.<br />

Schließlich gelingt es ihm, per Feldtelefon<br />

Kontakt mit der eigenen Artillerie aufzunehmen<br />

und deren Feuer auf den Gegner zu leiten.<br />

Für diesen Einsatz erhält Murphy die<br />

„Medal of Honour“ und wird damit zum<br />

höchstdekorierten US-Soldaten des Zweiten<br />

Weltkriegs.<br />

Während die Alliierten Colmar erobern,<br />

wird der deutsche Brückenkopf in zwei Teile<br />

zerteilt, Reste <strong>von</strong> vier deutschen Divisionen<br />

bleiben abgeschnitten in den Hochvogesen.<br />

Schließlich gibt das OKW den Befehl zur<br />

Evakuierung des Brückenkopfes, der am 9.<br />

Februar mit der Sprengung der Rheinbrücke<br />

<strong>von</strong> Chalampéw nicht mehr besteht.<br />

Hagen Seehase, Jg. 1965, ist Autor zahlreicher Artikel<br />

und Sachbücher über militärgeschichtliche Themen.<br />

50


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Das historische Dokument<br />

Vorstufe zum Ende des Krieges<br />

Teilkapitulation Nordwest<br />

4. Mai 1945: Generaladmiral <strong>von</strong> Friedeburg unterzeichnet bei Lüneburg die Kapitulation<br />

der deutschen Streitkräfte in Nordwesteuropa – und dies entgegen Hitlers politischem Testament,<br />

das jede Kapitulationsverhandlung untersagt.<br />

Von Peter Andreas Popp<br />

PROVISORISCHER ORT: Generaladmiral <strong>von</strong><br />

Friedeburg unterzeichnet im britischen<br />

Hauptquartier die Kapitulation der deutschen<br />

Streitkräfte in Holland, Nordwestdeutschland<br />

und Dänemark. Feldmarschall<br />

Montgomery schaut ihm dabei über die<br />

Schulter.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

HISTORISCHE STUNDE IN DER LÜNEBURGER HEIDE: Die „Teilkapitulation<br />

Nordwest“ mit den Unterschriften <strong>von</strong> Bernard Montgomery<br />

(links) und Hans-Georg <strong>von</strong> Friedeburg (rechts). Die vollständige Kapitulation<br />

Deutschlands folgt kurz drauf. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist<br />

mit einem Mythos behaftet, der bis<br />

heute wirkt: Die Wehrmacht habe alles<br />

erdenklich Mögliche getan, um den Zugriff<br />

der Roten Armee auf die deutsche Bevölkerung<br />

im Osten des Reiches zu verhindern.<br />

Zu dieser, inzwischen durch die historische<br />

Forschung eindeutig widerlegten,<br />

Sichtweise trug der Wortlaut der Teilkapitulation<br />

der Wehrmacht gegenüber den britischen<br />

Truppen vom 4. Mai 1945, 18.30 Uhr,<br />

bei. Sie trägt die Unterschrift Feldmarschall<br />

Montgomerys für die britische und die des<br />

Generaladmirals <strong>von</strong> Friedeburg für die<br />

deutsche Seite. Unterzeichnet wird in Lüneburg,<br />

Montgomerys damaligem Hauptquartier.<br />

Damit sind die Kampfhandlungen auf<br />

Literaturtipp<br />

John Zimmermann: Die deutsche militärische<br />

Kriegführung im Westen 1944/45, in: Das Deutsche<br />

Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 10/1,<br />

München 2008, 468ff. (zu den Kapitulationen)<br />

dem Gebiet der Niederlande, im Nordwesten<br />

Deutschlands einschließlich der Nordseeinseln,<br />

sowie in Schleswig-Holstein und<br />

in Dänemark ab dem 5. Mai 1945, 8 Uhr, beendet.<br />

Angst vor der Roten Armee<br />

Zu diesem Zeitpunkt ist Hitler bereits nicht<br />

mehr am Leben. Mit seinem unmittelbar vor<br />

dem Selbstmord verfassten politischen Testament<br />

vom 30. April 1945 hat der „Führer“<br />

die geringste Möglichkeit auch nur einer<br />

Teilkapitulation gänzlich ausgeschlossen.<br />

52


DAS OFFIZIELLE ENDE: Am 7. Mai unterzeichnet Generaloberst Alfred Jodl in Reims die bedingungslose<br />

Kapitulation Deutschlands. Rechts <strong>von</strong> ihm ist Generaladmiral <strong>von</strong> Friedeburg<br />

zu sehen, der nur wenige <strong>Tage</strong> zuvor die „Teilkapitulation Nordwest“ unterzeichnete.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Daran hält sich der <strong>von</strong> ihm als Reichspräsident<br />

bestimmte Großadmiral Dönitz, bis dato<br />

Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. In<br />

dessen Rundfunkansprache vom 1. Mai<br />

heißt es, der Krieg gegen die Westmächte solle<br />

weitergeführt werden, solange Briten und<br />

Amerikaner die „Rettung“ der „kämpfenden<br />

Truppe“ und „Hunderttausender <strong>von</strong> Familien<br />

des deutschen Ostraums vor der Versklavung<br />

und Vernichtung“ durch die Rote<br />

Armee behinderten.<br />

Das Kalkül der deutschen Seite geht dahin,<br />

mit Fortsetzung der Kriegshandlungen<br />

an der Westfront, die Westmächte <strong>von</strong> der<br />

Forderung nach einer Gesamtkapitulation<br />

„Für einen Mann wie Dönitz, dessen gesteigertes militärisches<br />

Ehrgefühl sich so leicht mit dem Glauben an die<br />

nationalsozialistische Ideologie vereinbaren ließ, wäre<br />

unvorstellbar gewesen, den Truppen im Westen zu befehlen,<br />

die Kämpfe einseitig und ohne förmliche Kapitulation<br />

einzustellen. Darum konnte der Krieg, selbst nach Hitlers<br />

Tod, nicht sofort beendet werden, sondern musste sich so<br />

lange hinziehen, bis Deutschlands Armeen vernichtet<br />

waren oder kurz davor standen, während sich die Zivilbevölkerung<br />

völlig demoralisiert in ihr Schicksal ergab.“<br />

Ian Kershaw, Historiker<br />

„Die militärische Lage ist hoffnungslos. Im gegenwärtigen<br />

Stadium muss es das Hauptziel der Regierung sein, möglichst<br />

viele deutsche Menschen vor der Vernichtung durch<br />

den Bolschewismus zu retten.“<br />

Walter Lüdde-Neurath, Adjutant <strong>von</strong> Karl Dönitz, protokollierte dies als Ergebnis<br />

der ersten Sitzung der letzten deutschen Reichsregierung am 2. Mai 1945 in<br />

Eutin/Holstein.<br />

ANGEKLAGT: Karl Dönitz während der Nürnberger<br />

Prozesse. Er war nach Hitlers Suizid<br />

das letzte Staatsoberhaupt des Deutschen<br />

Reiches.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

abzubringen. Folgerichtig wird <strong>von</strong> Friedeburg<br />

nach Lüneburg mit dem Mandat entsandt,<br />

lediglich einen Waffenstillstand auszuhandeln.<br />

Montgomery hingegen besteht<br />

auf der Teilkapitulation, verbunden mit der<br />

mündlichen Zusage, die aus dem Osten auf<br />

die Briten zuströmenden deutschen Soldaten<br />

als britische Kriegsgefangene zu behandeln.<br />

Die Frage nach der vor der Roten Armee<br />

flüchtenden deutschen Zivilbevölkerung<br />

steht für ihn nicht zur Diskussion.<br />

Faktisch ist damit das Leben jedes britischen<br />

Soldaten und mancher deutscher Soldaten<br />

gerettet. Doch der Regierung Dönitz bleibt<br />

gar nichts anderes als die Teilkapitulation übrig:<br />

Bereits seit dem 27. April brandet die sich<br />

auflösende Heeresgruppe Weichsel gen Westen.<br />

Bis zum 3./4. Mai hat sich der Großteil da<strong>von</strong><br />

bereits in das <strong>von</strong> Briten besetzte Gebiet<br />

westlich der Linie Wismar – Schwerin bzw.<br />

der Elbe absetzen können. Im westlichen<br />

Frontabschnitt verweigern deutsche Soldaten<br />

den Befehl zum Weiterkämpfen.<br />

Alliierter Zwist<br />

Die deutsche Teilkapitulation im Nordwesten<br />

hat nicht unerheblichen Einfluss auf das<br />

Gefüge der Alliierten. Für die Sowjets ist es<br />

Verrat, wenigstens die Vorstufe da<strong>von</strong>. Für<br />

die amerikanische Seite, repräsentiert durch<br />

General Dwight D. Eisenhower, kommt eine<br />

Teilkapitulation der deutschen Truppen im<br />

Westen nicht in Frage. So wird am 7. Mai<br />

1945 in Reims eine Gesamtkapitulation gegenüber<br />

den Westalliierten vollzogen, die<br />

am 8./9. Mai gegenüber den Sowjets in Berlin-Karlshorst<br />

bestätigt werden muss.<br />

Dank britischer Duldung kann die Regierung<br />

Dönitz geschäftsführend noch bis zum<br />

23. Mai 1945 in Flensburg agieren. Nicht<br />

minder ermöglichen die Modalitäten der<br />

Teilkapitulation zu Lüneburg der deutschen<br />

Marinegerichtsbarkeit, Urteile bis zu diesem<br />

Tag weiter zu verhängen – Todesurteile wegen<br />

Gehorsamsverweigerung inbegriffen.<br />

Dr. phil. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, Jg.<br />

1958, ist ständiger Mitarbeiter bei <strong>CLAUSEWITZ</strong> und<br />

seit 2005 tätig als Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte<br />

und Politische Bildung an der Offizierschule<br />

der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck. Zuvor war er langjähriger<br />

Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />

(MGFA), Potsdam.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

53


Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />

Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR<br />

„Sonderformationen“<br />

IM GELÄNDE: Ausbildung <strong>von</strong> Offiziersanwärtern<br />

an der Offiziershochschule<br />

der Grenztruppen der DDR in<br />

Suhl, Mitte der 1980er-Jahre.<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

1980er-Jahre: Die Grenzeinheiten in West und Ost sind bewaffnet und mit Ferngläsern<br />

ausgerüstet. Misstrauisch wird jede Bewegung auf der jeweils gegenüberliegenden Seite<br />

der innerdeutschen Grenze beobachtet.<br />

Von Carsten Walczok<br />

Dieses Szenario ist seit vielen Jahren bittere<br />

Realität im geteilten Deutschland<br />

des Kalten Krieges. Mit der bedingungslosen<br />

Kapitulation des Deutschen Reiches<br />

im Mai 1945 ging die Regierungsgewalt<br />

auf den alliierten Kontrollrat über. Schnell<br />

zeigte, sich, dass sich die Kooperation der<br />

Westalliierten mit der Sowjetunion problematisch<br />

gestaltete.<br />

Darüber hinaus gab es praktisch <strong>von</strong> Anfang<br />

an eine relativ konstante Wanderungsbewegung<br />

<strong>von</strong> Ost nach West. Aufgrund<br />

dieser anhaltenden Fluchtbewegung erwirkte<br />

die sowjetische Führung bereits 1946 die<br />

Sperrung der Zonengrenze durch eine entsprechende<br />

Kontrollratsdirektive.<br />

Die sowjetische Verwaltung ließ in ihrer<br />

Zone frühzeitig (Ende 1946) aus den Länderpolizei-Kadern<br />

eine „Grenzpolizei“, später<br />

„Deutsche Grenzpolizei“ (DGP), aufstellen.<br />

1949 war sie auf eine Stärke <strong>von</strong> 20.000 Mann<br />

angewachsen.<br />

Bis zum Jahr 1951 sind lediglich die Alliierten,<br />

der Zoll oder die jeweilige Länderpolizei<br />

an der Grenze auf westlicher Seite vertreten.<br />

Die Bundesrepublik beginnt nun, mit<br />

dem Bundesgrenzschutz eine eigene Polizei<br />

aufzubauen. Die bundesdeutsche Grenzpolizei<br />

umfasst zunächst rund 20.000 Mann und<br />

ist auch als Polizeitruppe zu sehen, die – im<br />

Gegensatz zur Polizei der Länder – direkt<br />

dem Bund untersteht. Das Bundesgrenzschutzgesetz<br />

(BGSG) vom 16. März 1951<br />

stellt in Verbindung mit dem Artikel 87 des<br />

Grundgesetzes und einem Polizeibrief der<br />

Länder die Rechtsgrundlage dar, nach dem<br />

der BGS aufgebaut und eingesetzt wird.<br />

Zu den Aufgaben des BGS zählen fortan:<br />

die Überwachung des ordnungsgemäßen<br />

Grenzverkehrs, die Verhinderung unerlaubter<br />

Grenzübertritte, die Überwachung der<br />

„grünen Grenze“, die Zurückweisung uner-<br />

54


des Kalten Krieges<br />

SPEZIALEINHEIT: Männer der Grenzschutzgruppe<br />

9 (GSG 9) mit ihrem Kommandeur<br />

Ulrich Wegener (re.), späte<br />

1970er-Jahre. Foto: picture-alliance/dpa<br />

wünschter Personen, die Verhinderung der<br />

Einfuhr unerwünschter Druckschriften und<br />

die Gewinnung <strong>von</strong> Informationen über die<br />

Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR.<br />

Die Bundesrepublik findet für diese neue<br />

Truppe sofort Aufgaben, die der BGS neben<br />

seinem Einsatz an der innerdeutschen Grenze<br />

zu erfüllen hat. Der Dienst in Bonn – der<br />

Hauptstadt der jungen Bundesrepublik –<br />

zum Schutz <strong>von</strong> Einrichtungen der Bundesregierung<br />

gehört nun ebenso zum ständigen<br />

Aufgabenfeld des<br />

BGS wie der Seegrenzschutz,<br />

den<br />

der BGS-See seit<br />

1954 übernimmt.<br />

Im Rahmen <strong>von</strong><br />

geschlossenen Einsätzen<br />

wird der<br />

Bundesgrenzschutz<br />

auch außerhalb der „Ostgrenze“ der Bundesrepublik<br />

eingesetzt. Bereits 1951 wird die<br />

junge Truppe im Rahmen des Unternehmens<br />

„Martha“ an der bundesdeutschen Westgrenze<br />

eingesetzt. Anfang der 1950er-Jahre<br />

gilt es, den blühenden Schmuggel im Großraum<br />

Aachen zu bekämpfen.<br />

Doch prägend wird für den BGS vor allem<br />

der Einsatz entlang der innerdeutschen<br />

Grenze. Der permanente Ausbau des Grenzsperrsystems<br />

durch die DDR-Führung und<br />

der an manchen Stellen unklare oder umstrittene<br />

Grenzverlauf führen immer wieder<br />

zu Spannungen und sogar zu Konfliktsituationen<br />

mit dem ostdeutschen Pendant.<br />

ANWERBUNG<br />

„Männersache“<br />

Rückseite (li.) eines Taschenkalenders mit Werbung<br />

für den Eintritt in die Grenztruppen der DDR.<br />

Eine Aufgabe des BGS war die Sicherung der Flughäfen.<br />

Auf dieser Abbildung ist ein Sonderwagen<br />

(SW 2) des GSK Nord vor einer Boeing zu sehen.<br />

Fotos: picture-alliance/ZB©; Bundespolizei<br />

Clausewitz 1/2014<br />

55


Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />

AUF KONTROLLFLUG: Ein Beobachtungshubschrauber<br />

vom Typ „Alouette“ des<br />

Bundesgrenzschutzes an der innerdeutschen<br />

Grenze zwischen Hessen und Thüringen,<br />

1989. Foto: ullstein bild – Wegemann<br />

Bei einer Reihe <strong>von</strong> Grenzzwischenfällen<br />

zeigt der Bundesgrenzschutz immer wieder<br />

seine Präsenz an der innerdeutschen Grenze,<br />

so auch am 22. Juni 1952 als es durch die Verschleppung<br />

<strong>von</strong> 43 Arbeitern des Kohlebergwerkes<br />

Offleben (südlich Helmstedt) durch<br />

die DDR zu Spannungen kommt, um nur ein<br />

Beispiel aus einer langen Liste <strong>von</strong> „Vorfällen“<br />

zu nennen.<br />

Hartes Auswahlverfahren<br />

Der BGS zeichnet sich <strong>von</strong> Anfang an durch<br />

seine Freiwilligkeit aus. Wer in dieser Truppe<br />

Aufnahme finden will, muss ein Auswahlverfahren<br />

durchlaufen, das kaum die<br />

Hälfte der Freiwilligen besteht. Doch bereits<br />

sehr früh muss der BGS auch einen Aderlass<br />

hinnehmen, denn für den Aufbau der Bundeswehr<br />

braucht man einen Grundstock an<br />

gut ausgebildeten Männern. Am 11. November<br />

1956 fasst das Bundeskabinett folgenden<br />

Beschluss: „Der BGS wird auf Grundlage der<br />

freiwilligen Entscheidung der Grenzjäger<br />

zur beschleunigten Aufstellung der Streitkräfte<br />

verwendet.“<br />

Doch dieser Personalverlust <strong>von</strong> über<br />

9.000 Mann wird schnell wieder „aufgefüllt“.<br />

Denn vor dem Hintergrund des Juni-Aufstandes<br />

in der DDR im Jahr 1953 und des Volksaufstandes<br />

in Ungarn 1956 will die Bundesrepublik<br />

ihre besondere Grenze <strong>von</strong> einer<br />

schlagkräftigen Truppe gesichert wissen.<br />

Zwar ist der BGS unzweifelhaft eine Polizeitruppe,<br />

doch sein Verbandscharakter, seine<br />

militärischen Dienstgrade (Leutnant,<br />

Hauptmann usw.) lassen diesen Umstand<br />

teilweise vergessen. Die Ausstattung der<br />

Truppe erinnert allerdings in manchen Bereichen<br />

wenig an eine Polizei. Die Tarnjacken,<br />

die Ausrüstung mit automatischen Waffen<br />

wie dem FN Gewehr (G1) und dem Maschinengewehr<br />

vom Typ MG3, erscheinen jedoch<br />

für den teilweise <strong>von</strong> Spannungen gezeichneten<br />

Dienst an der Grenze durchaus<br />

angebracht. Anders als die Bundeswehr hat<br />

man sich beim BGS noch für die alte Stahlhelmform<br />

der Wehrmacht entschieden.<br />

Die NVA bzw. die Grenztruppen der DDR<br />

ihrerseits tragen eine Weiterentwicklung des<br />

Wehrmachtshelms, der aber aufgrund des<br />

Kriegsverlaufes und der Auflösung der Wehrmacht<br />

1945 nicht mehr eingeführt wurde.<br />

Auch die Ausstattung der BGS-Truppe<br />

mit gepanzerten Fahrzeugen (Sonderwagen<br />

1 und Sonderwagen 2, kurz „SW“ genannt)<br />

ist keinesfalls als militärische Option zu sehen.<br />

Denn beide Typen müssen als Polizeifahrzeuge<br />

für besondere Anforderungen angesehen<br />

werden. Der SW 1 ist lediglich ein<br />

Literaturtipps<br />

Hans-Jürgen Schmidt: Wir tragen den Adler des<br />

Bundes am Rock – Chronik des Bundesgrenzschutzes<br />

1951–1971 und 1972–1992, Coburg<br />

1995.<br />

Volker Koop: Ausgegrenzt. Der Fall der DDR-<br />

Grenztruppen, Berlin 1993.<br />

Peter Joachim Lapp: Gefechtsdienst im Frieden.<br />

Das Grenzregime der DDR 1945–1990,<br />

Bonn 1999.<br />

ÜBER STOCK UND STEIN: Grenzstreife des<br />

BGS (vermutlich 1960er-Jahre). Zu erkennen<br />

ist das Gewehr G1 als Bewaffnung. Der<br />

Fahrer trägt eine Schutzbrille.<br />

Foto: Bundespolizei<br />

gepanzerter Transporter mit sieben Plätzen,<br />

der SW 2 dagegen verfügt nur über vier Plätze<br />

aber über eine Bewaffnung in Form einer<br />

20-mm-Bordkanone.<br />

Eine Besonderheit stellen der SW 3 („Saladin“)<br />

und der SW M8 dar: Ersterer ist <strong>von</strong><br />

1966 bis 1974 beim Bundesgrenzschutz im<br />

„Bundesgrenzschutz – Die vollmotorisierte<br />

Polizeitruppe”.<br />

Aus einer Werbebroschüre des BGS aus den 1950er-Jahren.<br />

Einsatz und verfügt über eine 76-mm- Kanone,<br />

ist also in der Lage, panzerbrechende<br />

Granaten zu verschießen. Der SW M8 dagegen<br />

ist ein amerikanischer Spähpanzer, der<br />

für BGS-Zwecke umgebaut, aber bereits 1963<br />

ausgesondert wurde.<br />

Der geschützte SW 4 ist das neueste Modell<br />

und wird auf einem Unimog-Fahrgestell<br />

ab 1984 als Ersatz für die veralteten Modelle<br />

SW 1 und SW 2 eingeführt.<br />

Mit den verschiedenen VW-Bus-Versionen<br />

verfügt der BGS über ein für polizeiliche<br />

Zwecke gut einsetzbares Fahrzeug, dessen<br />

Mangel an Geländefähigkeit gerade im<br />

grenznahen Raum die Fahrer immer wieder<br />

vor Herausforderungen gestellt hat – wie<br />

auch der Verfasser des vorliegenden Beitrages<br />

leidvoll erfahren musste.<br />

Die Einheiten des BGS sind in Kommandos<br />

(Grenzschutzkommandos Nord, Süd,<br />

Mitte, Küste, West) gegliedert. Jedem Kommando<br />

werden zwei Grenzschutzgruppen<br />

unterstellt. Später, in den 1980er-Jahren, werden<br />

diese in Abteilungen umbenannt. Als<br />

Besonderheiten unter den Kommandos ver-<br />

56


Unterschied zur Länderpolizei<br />

fügt das GSK Küste über den BGS-See zur<br />

Küstenüberwachung und das GSK West<br />

über die GSG 9.<br />

Luftraumüberwachung<br />

Lediglich die unter dem Eindruck der gescheiterten<br />

Geiselbefreiung <strong>von</strong> München im<br />

Jahr 1972 aufgestellte Grenzschutzgruppe 9<br />

behält ihren Namen bei. Bei ihrer Aufstellung<br />

existieren bereits acht Grenzschutzgruppen,<br />

im Zuge der fortgeführten Nummerierung<br />

bekommt diese Sondereinheit des<br />

Bundesgrenzschutzes die Nummer 9.<br />

Für die Luftraumüberwachung und auch<br />

für den Transport werden zusätzlich Fliegerstaffeln<br />

aufgestellt. Ausgestattet sind sie mit<br />

der „Alouette II“, als kleinstem Fluggerät,<br />

mit dem mittleren Hubschrauber „Bell UH-1“<br />

und dem „Puma“ als schwerem Transporthubschrauber.<br />

Der Grenzschutzeinzeldienst<br />

übernimmt als weitere Gliederung des BGS<br />

die Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen<br />

und an den See- und Flughäfen.<br />

Obwohl es sich um eine Polizeitruppe<br />

handelt, besitzen die Angehörigen des BGS<br />

den Kombattantenstatus. Das bedeutet, dass<br />

sie als Teil der bewaffneten Streitkräfte der<br />

Bundesrepublik auch im Krieg eingesetzt<br />

werden können. Dies unterscheidet den BGS<br />

deutlich <strong>von</strong> der Länderpolizei.<br />

Allerdings wird der BGS häufig <strong>von</strong> den<br />

Bundesländern zur Unterstützung angefordert<br />

und bei Großveranstaltungen eingesetzt.<br />

Er übernimmt also auch reguläre Polizeiarbeit.<br />

Zu nennen sind hier zum Beispiel Einsätze in<br />

Brokdorf, in Gorleben, in Frankfurt/Main<br />

(Startbahn West). Bei diesen Einsätzen ist der<br />

BGS der jeweiligen Landespolizei unterstellt<br />

VEREINT: Ein Verband <strong>von</strong> Booten des BGS-See wird <strong>von</strong> einem Hubschrauber der GS-Fliegerstaffel<br />

(GSK Küste) „begleitet“. Die Zusammenarbeit gerade <strong>von</strong> diesen Teilkräften war<br />

sehr wichtig für eine effektive Grenzsicherung in der Lübecker Bucht. Foto: Bundespolizei<br />

und agiert nicht selbstständig. Die Sicherung<br />

<strong>von</strong> Bundesorganen gehören während des<br />

Kalten Krieges zu weiteren Aufgaben des<br />

BGS. Auch zur Sicherung der deutschen Vertretungen<br />

im Ausland werden Angehörige<br />

des Bundesgrenzschutzes eingesetzt.<br />

Grenztruppen der DDR<br />

Die Regierung in Ost-Berlin besitzt mit der<br />

1946 und damit bereits drei Jahre vor Gründung<br />

der DDR ins Leben gerufenen Deutschen<br />

Grenzpolizei (DGP) frühzeitig ein Instrument,<br />

um ihre Grenze zum Westen zu sichern<br />

und zu überwachen.<br />

In den 1950er-Jahren beginnt die schrittweise<br />

Umstrukturierung der DGP durch eine<br />

Neugliederung in Grenzbrigaden und<br />

Grenzabteilungen. Mit der Einführung der<br />

Wehrpflicht in der DDR ab 1962 folgt die<br />

endgültige Umwandlung der DGP in eine<br />

militärische Formation. Vereinfachend gesagt<br />

sind aus den Grenzpolizisten nun<br />

Grenzsoldaten geworden. Schnell wächst die<br />

Grenztruppe <strong>von</strong> circa 20.000 auf bald 50.000<br />

Mann.<br />

Der Sitz des Kommandos der Grenztruppen<br />

befindet sich in den Jahren <strong>von</strong> 1961 bis<br />

1990 in Pätz bei Königs Wusterhausen. Als<br />

nächste untergeordnete Kommandostellen<br />

folgen das „Grenzkommando Nord“ in Stendal,<br />

das „Grenzkommando Mitte“ in Berlin-<br />

Karlshorst und das „Grenzkommando Süd“<br />

AUF PATROUILLE: Angehörige der DDR-<br />

Grenztruppen in der Nähe <strong>von</strong> Abbenrode<br />

(Harz).<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

Clausewitz 1/2014<br />

57


Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />

NACHGESTELLT: Angehörige <strong>von</strong> BGS und Grenztruppen der DDR stehen sich an der ehemaligen<br />

innerdeutschen Grenze gegenüber. Szene aus dem Bundespolizeimuseum in Lübeck.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

SCHIEßÜBUNG: Ausbildung an der Waffe im<br />

Grenzkommando Süd (Erfurt) der Grenztruppen<br />

der DDR, 1987. Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />

in Erfurt. Die Grenzkommandos bestehen jeweils<br />

aus sechs Grenzregimentern und zwei<br />

Ausbildungsregimentern. Diese Regimenter<br />

wiederum bestehen aus drei Grenzbataillonen<br />

zu jeweils vier Grenzkompanien.<br />

Aufgaben der Grenztruppen<br />

Folgende Aufgaben haben die Grenztruppen<br />

der DDR während des Kalten Krieges unter<br />

anderem zu erfüllen:<br />

• „Sicherung der territorialen Integrität der<br />

DDR<br />

• Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung<br />

illegaler Grenzdurchbrüche<br />

• Aufrechterhaltung und Durchsetzung der<br />

im Schutzstreifen an der Grenze zur Bundesrepublik<br />

und zu West-Berlin festgesetzten<br />

Ordnung<br />

• Schutz <strong>von</strong> Leib und Leben der Grenzbevölkerung<br />

und deren Eigentums sowie des<br />

Volkseigentums im Grenzabschnitt<br />

• enges Zusammenwirken mit den anderen<br />

bewaffneten Organen der DDR“.<br />

Die Grenztruppen sind grundsätzlich<br />

ähnlich ausgerüstet und uniformiert wie die<br />

NVA. Ausgestattet ist die Truppe mit der Kalaschnikow<br />

(AK-47) und als Dienstpistole<br />

mit der Makarow. Natürlich verfügen die<br />

Grenztruppen, die als Mot.-Schützen ausgerüstet<br />

sind, auch über schwerere Waffen.<br />

AUSZEICHNUNG<br />

Verdienstmedaille<br />

„Verdienstmedaille der Grenztruppen<br />

der DDR“, damals verliehen in den Stufen<br />

„Gold“, „Silber“ und „Bronze“ für<br />

besondere Verdienste bei der Sicherung<br />

der Landesgrenze.<br />

Foto: ullstein bild – Probst<br />

1971 werden im Zuge der Abrüstungsverhandlungen<br />

die 50.000 Männer der Grenztruppen<br />

aus der NVA ausgegliedert.<br />

Fahrzeuge und Hubschrauber<br />

Als Fahrzeuge nutzen die Grenztruppen die<br />

Fahrzeuge, die auch <strong>von</strong> den Streitkräften<br />

des Warschauer Vertrages eingesetzt werden:<br />

zum Beispiel den sowjetischen Lkw<br />

Ural-375 und den tschechischen Lkw Tatra.<br />

Aus DDR-Produktion kommen der Lkw<br />

W50 (IFA) und der kleine Allrad-Lkw der<br />

Marke Robur LO 1800 und 2500 hinzu. Als<br />

Pkw ist der sogenannte Grenztrabant<br />

(P601A) weit verbreitet. Der GAZ-69 aus<br />

sowjetischer Produktion findet häufig als Offizierswagen<br />

Verwendung.<br />

Auch die DDR setzt während der Zeit der<br />

deutschen Teilung Fliegerverbände an der<br />

Grenze ein. Der Mil Mi-24 Kampfhubschrauber<br />

ist seit seinem Auftauchen<br />

in den späten 1970er-<br />

Jahren zweifellos der kampfstärkste<br />

Hubschrauber auf<br />

beiden Seiten der Grenze.<br />

Aber auch andere Hubschrauber<br />

sowjetischer Herkunft,<br />

wie die Mil Mi-4 oder die Mil Mi-8,<br />

werden eingesetzt.<br />

Mit den Grenzaufklärern verfügen<br />

die Grenztruppen auch<br />

über Soldaten, die innerhalb der<br />

Grenztruppen eine besondere Stellung einnehmen.<br />

Diese Grenzaufklärer (kurz GAK genannt)<br />

sind die Soldaten, die westlich des Metallgitterzauns<br />

eingesetzt werden, also wirklich bis<br />

ganz an die Grenzlinie kommen. Ein Vertrauensbeweis,<br />

den die DDR-Oberen ihren normalen<br />

Grenzsoldaten nicht zubilligen wollen.<br />

Zur Durchführung der Aufgabe „feindwärts“<br />

dürfen nur dazu besonders bestätigte Grenzsoldaten<br />

herangezogen werden. Zu ihren<br />

Aufgaben zählen unter anderem:<br />

„Unsere Grenztruppen sichern die 1.400 km Staatsgrenze<br />

zur BRD, sie stehen an den 161 km Staatsgrenze<br />

zu Berlin (West) auf Friedenswacht, sie schützen die<br />

Hoheitsrechte der sozialistischen DDR entlang der<br />

310 km langen Grundlinie vor der Ostsee.“<br />

Aus einer Zeitschrift (DDR-Publikation) über die Grenztruppen der DDR.<br />

• die Durchsetzung der Hoheitsrechte der<br />

DDR bis zur Demarkationslinie<br />

• das Mithören <strong>von</strong> Gesprächen der Grenzüberwachungsorgane<br />

der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

• die Kontrolle der Grenzmarkierungen.<br />

Aufgrund der hohen Professionalität auf<br />

beiden Seiten der Grenze gelingt schließlich<br />

nach der Wende 1989 und der deutschen Wiedervereinigung<br />

die Übernahme <strong>von</strong> Angehörigen<br />

der Grenztruppen in den BGS, der seit<br />

2005 als gesamtdeutsche Bundespolizei die<br />

Aufgaben des ehemaligen BGS wahrnimmt.<br />

Dr. Carsten Walczok, Jg. 1962, Dienst im Bundesgrenzschutz,<br />

Geschichtsstudium, Tätigkeit als Archivar.<br />

Verschiedene Publikationen zur Technik-, Kriegs- und<br />

Regionalgeschichte.<br />

58


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Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />

Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet-Cong-Bunkern<br />

Der Krieg im<br />

Untergrund<br />

GEFÄHRLICHES UNTERFANGEN: Ein Infanterist der US Army<br />

wird während der Operation „Oregon“ (April 1967) in einen<br />

VC-Tunnel herab gelassen. Bereits im Januar geht man im Zuge<br />

der groß angelegten Search-and-Destroy-Operation „Cedar<br />

Falls“ gegen unterirdisch versteckte Waffen- und Vorratsdepots<br />

vor. Besonders im waldreichen Gebiet des „Eisernen<br />

Dreiecks“ befindet sich eine Hochburg des Viet Cong mit<br />

wichtigen Nachschubrouten. Foto: picture alliance/Everett Collection<br />

60


1964–1973: Die wichtigste Waffe auf kommunistischer Seite im Vietnam-Konflikt ist die<br />

Schaufel, mit der in Handarbeit Tunnel geschaffen werden. Durch sie wird die militärische<br />

Übermacht des Gegners stark abgeschwächt.<br />

Von Frederick Feulner<br />

Die Benutzung <strong>von</strong> unterirdischen Anlagen<br />

ist nicht neu in Südostasien. Die<br />

Japaner haben da<strong>von</strong> schon im Zweiten<br />

Weltkrieg Gebrauch gemacht. Die Vietnamesen<br />

hingegen verfeinern diese Technik<br />

nicht nur, sondern nutzen sie auch in bisher<br />

ungekanntem Ausmaß. Fast alle militärischen<br />

und zivilen Aktivitäten – außer dem<br />

Anbau <strong>von</strong> Lebensmitteln – können auch im<br />

Untergrund durchgeführt werden. Bereits in<br />

den 1940er-Jahren nutzt der Viet Minh Tunnelanlagen,<br />

um sich der französischen Luftaufklärung<br />

zu entziehen. In stark patrouillierter<br />

Umgebung können sich die Guerillas<br />

im Verborgenen auf Angriffe vorbereiten.<br />

Viele Tunnelsysteme bleiben selbst nach der<br />

Teilung Vietnams 1954 unentdeckt und werden<br />

durch den Viet Cong reaktiviert und erweitert.<br />

Das Erscheinen <strong>von</strong> schweren B-52-<br />

Bombern Mitte der 1960er-Jahre beschleunigt<br />

den Tunnelbau.<br />

Verteidigte Verstecke<br />

Vor einem Angriff müssen die Tunnelkomplexe<br />

erst gefunden werden. Hunde eignen<br />

sich gut zur Suche – doch meistens werden<br />

die Eingänge eher zufällig gefunden. Geschützt<br />

sind die Tunneleingänge durch eine<br />

äußere Verteidigungslinie aus gut getarnten,<br />

schultertiefen Stellungen, die miteinander<br />

verbunden sind. So können Scharfschützen<br />

auf Angreifer schießen und sich dann unentdeckt<br />

zurückziehen. Die langwierige, gefährliche<br />

und oftmals ergebnislose Suche<br />

nach unterirdischen Anlagen und Fallen<br />

frustriert die US-Soldaten. Und wenn ein<br />

Tunnelkomplex gefunden wird, bindet er<br />

Flugzeuge, Panzer und Spezialisten. Die<br />

Tunnel sind zwar nicht unzerstörbar, doch<br />

durch die zahlreichen Verteidigungssysteme<br />

kostet es große Anstrengungen, um den<br />

Kommunisten nachhaltig die Kontrolle über<br />

bestimmte Gebiete zu entreißen. Im Fall des<br />

berühmten Tunnelkomplexes im Distrikt<br />

<strong>von</strong> Cu Chi sind es ganze fünf Jahre!<br />

Tunnelleben<br />

Nicht jede Region ist gleichermaßen für den<br />

Bau <strong>von</strong> Tunneln geeignet. Bei der Wahl des<br />

Standortes kommt es auf den jeweiligen Untergrund<br />

an. Im Mekong-Delta und entlang<br />

der Küste ist der Bau wegen des hohen<br />

Grundwasserstandes schwierig, aber der trockene<br />

Lehmboden der höher gelegenen Gebiete<br />

ist für Bauzwecke optimal. Auch die<br />

Schluchten und Höhlen im Hochland eignen<br />

Clausewitz 1/2014<br />

BEDENKE!<br />

■ Sei wachsam<br />

■ Nutze das Wissen der einheimischen<br />

Scouts<br />

■ Gehe nicht auf den Pfaden und auch<br />

nicht auf Reisfelddeichen, solange Du<br />

es vermeiden kannst<br />

■ Untersuche den Dschungelbewuchs<br />

vorsichtig<br />

■ Pass auf, wo Du hintrittst<br />

■ Wechsle den Point Man häufig aus,<br />

wenn er müde wird<br />

■ Bleibe nicht mit mehreren Personen<br />

an einem Fleck<br />

■ Und wenn das alles nicht hilft und Du<br />

eine Falle ausgelöst hast, schreie<br />

„Deckung!“ und wirf Dich zu Boden<br />

sich gut. Die Tunnel werden normalerweise<br />

<strong>von</strong> den Truppen oder <strong>von</strong> der dienstverpflichteten<br />

lokalen Bevölkerung in Handarbeit<br />

errichtet. Letztere muss Arbeiter und<br />

Material wie Hartholz und Bambus als<br />

„Kriegssteuer“ liefern. Besonders reichhaltige<br />

Materialquellen sind verlassene US-Stellungen.<br />

Obgleich die G.I.s angehalten sind, nicht<br />

benötigtes Material mitzunehmen oder zu<br />

vernichten, finden selbst alte Munitionskisten,<br />

Batterien und Sandbleche im Viet Cong<br />

dankbare Wiederverwerter. Die Anlagen werden<br />

möglichst unter dem dichten Dach des<br />

Waldes errichtet – oder folgen den natürlichen<br />

Konturen des Geländes.<br />

Gebaut wird vorwiegend in der Regensaison,<br />

wenn der lehmige Boden feucht ist; in der<br />

Trockenzeit härtet der Boden dann steinhart<br />

aus. Der Aushub wird nachts in die Flüsse geschüttet,<br />

um keine Spuren <strong>von</strong> Bautätigkeiten<br />

zu hinterlassen. Küchenabluft leitet man<br />

durch mehrere lange Röhren zu verschiedenen<br />

Stellen im Dschungel, damit sie sich besser<br />

verteilt. Ein schwacher Luftaustausch mit<br />

der Oberfläche findet über senkrechte Bambusröhren<br />

statt. Was Licht, Feuer und Müllentsorgung<br />

betrifft, muss eine strenge Disziplin<br />

eingehalten werden. Das Leben in den<br />

unterirdischen Anlagen ist relativ akzeptabel<br />

– sieht man <strong>von</strong> fehlendem Sonnenlicht,<br />

Ratten, Fledermäusen, giftigen Skorpionen,<br />

Insekten und Schlangen ab. Zudem durchdringt<br />

die hohe Feuchtigkeit alle Kleidungsstücke<br />

und Nahrungsmittel. Wichtige Einrichtungen<br />

wie Krankenstationen, Kommandostellen<br />

oder Druckereien können bis zu<br />

zwölf Meter tief verborgen sein, gerade so<br />

groß gebaut wie nötig. Obgleich für MG-Stellungen<br />

auf 200 Meter freies Schussfeld geachtet<br />

wird, finden Kämpfe meistens im Bereich<br />

<strong>von</strong> 10–30 Metern statt. Sollten die Soldaten<br />

hinter ihren gut getarnten Schützenlöchern<br />

oder in Dörfern jedoch der materiellen Übermacht<br />

der Angreifer weichen müssen, können<br />

sie sich über die Tunnelsysteme zurückziehen.<br />

Für Verfolger beginnt dann eine gefährliche<br />

und zeitaufwendige Suche nach den<br />

versteckten Eingängen. In den Tunneln erwarten<br />

den Eindringling zahlreiche Gefahren:<br />

Falltüren, Sprengfallen oder mit Skorpionen<br />

gefüllte Kartons, die beim Auslösen eines Mechanismus<br />

in den Tunnel ausgeleert werden.<br />

Bambusspieße gegen G.I.s<br />

In Vietnam kommen auf der Seite des Viet<br />

Cong zahlreiche Fallen zum Einsatz. Die bekanntesten<br />

sind die sogenannten Punji-Fallen.<br />

Dabei werden Gruben ausgehoben und<br />

mit zahlreichen messerscharf angespitzten<br />

Bambusstäben bestückt. Anschließend wird<br />

alles sorgfältig abgedeckt. Beim Drauftreten<br />

können sich die Stäbe in den Fuß oder den<br />

Unterschenkel eines Soldaten bohren – die<br />

hohle Form der Stäbe fungiert zusätzlich als<br />

Blutrinne. Direkte Todesfälle durch solche<br />

Fallen sind selten – was auch durchaus so gewollt<br />

ist. Häufig sind zu den senkrecht aufragenden<br />

Bambusstöcken an den Seitenwänden<br />

noch schräg nach unten zeigende Stäbe<br />

NÜTZLICHES VOKABULAR: US-Soldaten erhalten<br />

das „Vietnamese Phrase Book“, das<br />

wichtige Redewendungen und Ausspracheregeln<br />

enthält. Die Abbildung zeigt eine Seite,<br />

die für den Tunnelkampf nützliche Befehle<br />

zeigt – falls die Soldaten in den dunklen<br />

Tunneln, zwischen Fallen und Beschuss<br />

überhaupt Gebrauch da<strong>von</strong> machen konnten.<br />

Abb.: Autor<br />

61


Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />

TUNNELKOMPLEX DES VC<br />

12<br />

1 4<br />

2<br />

6<br />

8<br />

11<br />

13<br />

3<br />

7<br />

5<br />

10<br />

Grafik: Autor<br />

1 oberirdischer Schützengraben/Laufgraben<br />

2 oberflächennaher „Tipi“-Bunker<br />

3 Fallgrube<br />

4 Bunker, in <strong>Tage</strong>bau errichtet und mit Holz und Erde<br />

abgedeckt<br />

5 Wasserversorgung (Brunnen)<br />

9<br />

6 Küchenbunker mit Dien-Bien-Phu-Ofen und<br />

Rauchverteilung im Dschungel<br />

7 siphonähnliche Wasserschleuse gegen Kampfgase<br />

oder als Falle<br />

8 Ruheräume und Unterkunft mit Bambusrohr zur Belüftung<br />

9 Kommandozentrale auf den unteren Ebenen<br />

10 Waffenlager<br />

11 Wachposten gegen Eindringlinge<br />

12 Eingang versteckt im Dorf<br />

13 alternativer Ausgang zum Fluss<br />

angebracht, die verhindern sollen, dass ein<br />

Fuß schnell wieder herausgezogen werden<br />

kann. Oftmals muss man den verletzten Fuß<br />

zeitaufwendig ausgraben, um keine schwereren<br />

Verletzungen zu riskieren. Zudem<br />

werden solche Fallen mit giftigen Pflanzenextrakten,<br />

mit Froschgift oder Fäkalien bestrichen.<br />

Was den kommunistischen Truppen im<br />

Vietnam-Konflikt an Flugzeugen, schweren<br />

Waffen und Technologie fehlt, machen sie<br />

durch Erfindungsreichtum wieder wett. Fallen<br />

sind eine preiswerte und effektive Methode,<br />

einem technisch überlegenen Feind<br />

empfindliche Stiche zuzufügen. Sobald ein<br />

Soldat verwundet wird, benötigt seine Rettung<br />

und die anschließende Versorgung weitere<br />

Kräfte, die andernorts nicht zum Einsatz<br />

kommen können. Ein Verletzter, der nicht<br />

mehr laufen kann, bindet mindestens zwei<br />

Kameraden, die ihn und seine Ausrüstung<br />

tragen müssen. Gerade im tropischen Klima<br />

führt eine solche Zusatzbelastung zu einer<br />

schnellen Reduzierung der Kampfkraft –<br />

<strong>von</strong> der Moral ganz zu schweigen.<br />

Eine besondere Form sind mechanische<br />

Klappfallen, die die verwundbaren Unterschenkel<br />

durchbohren können. Beim Auftreten<br />

klappen zwei mit Stacheln bewehrte Seitenteile<br />

um und graben sich seitlich in die<br />

Beine. Größere Versionen bestehen aus zwei<br />

rundum mit Stacheln versehenen Walzen,<br />

die über einer tiefen Grube aufgestellt sind.<br />

Hier kann das Opfer bis zum Kopf hineinrutschen<br />

– und wird dabei durch die Drehbewegung<br />

der Stacheln regelrecht durchlöchert.<br />

Auch die Gravitation wird als Antrieb genutzt.<br />

Holzgestelle, die mit langen Bambusstacheln<br />

besetzt sind, werden mit Seilen in<br />

den Bäumen befestigt. Sobald ein Mechanismus<br />

die Falle ausgelöst hat, fallen diese Gestelle,<br />

frei oder an einem Seil schwingend,<br />

hinunter und erschlagen die Opfer.<br />

„Non Gratum Anus Rodentum“<br />

(lateinisch für: Keinen Rattenarsch wert).<br />

Sarkastisches Motto der „Tunnelratten“, die im Laufe des Krieges zu einer<br />

Eliteeinheit mit eigenen Abzeichen und eigener Tradition werden.<br />

Explodierende Kokosnüsse<br />

Durch solche Fallen werden die Soldaten in<br />

ihrer Wachsamkeit zusätzlich <strong>von</strong> den häufigeren<br />

Bodenfallen (z.B. vierbeinige Krähenfüße<br />

aus Metall) abgelenkt. Die Hälfte aller<br />

Sprengfallen besteht aus chinesischen Chicom-Granaten,<br />

die an Wegesrändern, in der<br />

Nähe <strong>von</strong> VC-Befestigungsanlagen oder in<br />

Tunneln angebracht sind. Meistens wird der<br />

Sicherungsstift entfernt und die Granate in<br />

einer alten Konservendose (oftmals weggeworfene<br />

US-Vorräte) platziert. Bei Berührung<br />

der Stolperschnur fällt die Granate heraus<br />

und detoniert. Häufig werden aus Materialknappheit<br />

die Sprengstoffe aus alten<br />

amerikanischen Blindgängern, Artilleriegranaten<br />

und Fliegerbomben „recycelt“. Daraus<br />

werden unter anderem die DH-5- und DH-<br />

10-Minen gebaut, die den amerikanischen<br />

M-18 Claymore-Richtminen nachempfunden<br />

sind. Die Detonation wird durch Fernzündung<br />

oder Stolperdrähte ausgelöst. Eine<br />

Abart dieser Sprengladungen wird „Bouncing<br />

Betty“ genannt: Im Erdboden eingegraben,<br />

schauen nur drei Kontaktarme heraus,<br />

die bei Berührung einen Federmechanismus<br />

oder eine Treibladung auslösen, welche die<br />

62


VC-Tunnel direkt unter US-Basis<br />

LEBEN IM VERBORGENEN: Nicht nur im Süden gab es Tunnelsysteme.<br />

Die Bilder stammen aus dem Küstendorf Vinh Moc, 19 Kilometer<br />

nördlich der DMZ. Der harte Lehmboden ermöglicht großzügiger geschnittene<br />

Gänge. Das System erstreckt sich über 1,6 Kilometer und<br />

reicht bis zu 23 Meter in den Boden hinein. Es gibt Küchen, einen Versammlungssaal<br />

und sogar eine Schule. Über sechs Jahre lang lebt hier<br />

ein ganzes Dorf unterirdisch. Seit 1976 können die Tunnel <strong>von</strong> Touristen<br />

besucht werden. Das Bild links zeigt einen „Tipi“-Bunker, stabil<br />

aus Holz gebaut, in Oberflächennähe. Rechts eine Familie (Nachbildung)<br />

in ihrem bescheidenen Heim unter <strong>Tage</strong>. Fotos: Maria Boettcher<br />

Mine rund einenMeter in die Luft katapultieren.<br />

Hier entfaltet der Schrapnellsprengsatz<br />

seine tödlichste Wirkung. Andere improvisierte<br />

Sprengfallen sind mit Sprengstoff gefüllte<br />

Kokosnüsse oder sogenannte „Toe<br />

Popper“ – eingegrabene, in Bambusstücken<br />

befestigte Kleinmunition, die durch Auftreten<br />

ausgelöst wird. Zusätzlich verursachen<br />

solche Waffen oft gefährliche Infektionen der<br />

Wunden. Auch wenn sie einfach konstruiert<br />

sind, kommen 7.429 der rund 58.000 getöteten<br />

US-Soldaten durch Minen oder Fallen<br />

ums Leben. Ebenfalls sind 20 Prozent der<br />

Verletzungen solchen Fallen zuzuschreiben.<br />

Dass nicht mehr US-Soldaten auf diese<br />

Weise sterben, ist dem überragenden amerikanischen<br />

Luftrettungssystem zu verdanken.<br />

Wegen der Sprengfallen muss bei Patrouillen<br />

mit äußerster Vorsicht vorgegangen<br />

werden. Der „Point Man“ geht mehrere Meter<br />

voraus, danach folgen die restlichen Soldaten.<br />

Um Sprengfallen zu umgehen ist es<br />

wichtig, unvorhergesehene Wege zu nehmen<br />

und im Zickzack-Kurs abseits bekannter Pfade<br />

zu laufen. Da die einheimischen Bauern<br />

oftmals über verminte Gebiete Bescheid wissen,<br />

können Beobachtungen ihres Verhaltens<br />

(aber auch „Befragungen“) hilfreiche Aufschlüsse<br />

geben. Hinweise zu Fallen werden<br />

auch jedem Soldaten auf einer kleinen Taschenkarte<br />

mitgegeben.<br />

über 200 Kilometer an – und beherbergt drei<br />

wichtige Hauptquartiere. Nicht nur der Viet<br />

Cong hat hier große Truppenkontingente<br />

stationiert. Auch die amerikanische 25 th Infantry<br />

Division, sowie Teile der 18 th ARVN<br />

Division sind in der Stadt Cu Chi beheimatet<br />

– und damit, ohne es zu wissen, direkt über<br />

den VC-Tunneln! Die große Ausdehnung der<br />

Tunnelsysteme ermöglicht das unbemerkte<br />

Verlegen <strong>von</strong> größeren Einheiten unter die<br />

Erde. Raketen, Mörser und Sprengfallen können<br />

nahe an den Gegner gebracht werden,<br />

während nächtliche Sabotageteams Angriffe<br />

im Inneren der US-Basen durchführen. Erst<br />

als die US Army damit beginnt, den Boden<br />

der Basis zu betonieren, verringern sich die<br />

nächtlichen Feuerüberfälle in den Camps.<br />

Die normalen Gänge dieser Tunnel messen<br />

etwa 0,6 x 0,9 Meter – zu eng für viele<br />

Amerikaner. Größere Verbindungsgänge<br />

sind bis etwa 1 x 1 Meter groß, um Truppen<br />

schneller zu verlegen. Lagerstätten und<br />

Schlafquartiere sind nur unwesentlich geräumiger.<br />

Die Räumlichkeiten können sich<br />

Unterirdische Armee<br />

Der berühmte Tunnelkomplex <strong>von</strong> Cu Chi,<br />

circa 30 Kilometer nordwestlich <strong>von</strong> Saigon<br />

(heute Ho-Chi-Minh-Stadt), liegt in der landwirtschaftlich<br />

ertragreichen Provinz Binh<br />

Dong. Von Westen her kommend, führen<br />

wichtige Nachschubwege <strong>von</strong> NVA-Stützpunkten<br />

in Richtung Mekong-Delta. Das<br />

Tunnelsystem, das sich über ein rund 8 x 20<br />

Kilometer großes Gebiet erstreckt, wächst<br />

zwischen den späten 1940ern und dem<br />

Kriegsende 1975 auf eine Gesamtlänge <strong>von</strong><br />

UNSICHTBARE ARMEE: Zwei Viet-Cong-Kämpfer kauern in den niedrigen Tunneln <strong>von</strong> Cu<br />

Chi – unsichtbar für amerikanische Patrouillen und Aufklärungsflüge. Das „vom Erdboden<br />

verschwunden sein“ ermöglicht eine aggressive „Hit-and-Run-Taktik“. Foto: picture-alliance/dpa<br />

Clausewitz 1/2014<br />

63


Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />

ein sechs- bis siebenköpfiges „Tunnel Rat<br />

Team“ ein, 1969 sogar zwei Teams.<br />

Die „Tunnelratten“ – allesamt Freiwillige<br />

– rekrutieren sich häufig aus drahtigen<br />

Hispano-Amerikanern, die sich durch ihre<br />

kleine Statur den beengten Verhältnissen in<br />

den Tunneln anpassen können. Genauso<br />

wichtig wie die physische Kraft ist die mentale<br />

Stärke. Eingeschlossen in einem engen,<br />

feuchten Gang mit Viet Cong, Sprengfallen<br />

und giftigen Tieren entsteht bei vielen eine<br />

Panik. Sie verlieren die Nerven und quittieren<br />

den Dienst. Andere „Tunnelratten“ mögen<br />

hingegen die stundenlange Einsamkeit<br />

und die Gefahren, die der Job mit sich bringt.<br />

Tunnelkämpfer erhalten einen Gefahrenzuschlag<br />

<strong>von</strong> 50 US-Dollar im Monat.<br />

FALLENPARADE: Heute werden bei den Tunneln <strong>von</strong> Cu Chi (die auch besichtigt werden<br />

können) zahlreiche der Bambusfallen – <strong>von</strong> den Amerikanern „Booby Traps“ genannt – ausgestellt.<br />

Foto: picture alliance/Robert Harding World Imagery<br />

auf über vier Ebenen erstrecken. Bunker und<br />

Laufgänge sind oberflächennah, etwa zwei<br />

bis drei Meter unter der Erde, untergebracht,<br />

während wichtigere Kommandozentren, Lazarette,<br />

Werkstätten und ähnliches bis zu<br />

zehn Meter tief auf den unteren Ebenen liegen<br />

– sofern es der Grundwasserspiegel zulässt.<br />

Andere Systeme reichen teilweise bis<br />

23 Meter unter die Erde. Es gibt Berichte,<br />

dass sich unter der US-Basis <strong>von</strong> Da Nang<br />

ein Viet-Cong-Krankenhaus befand!<br />

die 25th Infantry Division die „Tunnels, Mines<br />

& Booby Traps School“, die in gesicherten<br />

Teilen der Tunnel ein Training anbietet.<br />

In den meisten Einheiten gibt es pro Kompanie<br />

eine „Tunnelratte“ aus den Mannschaftsrängen<br />

– Offizieren ist der Einsatz oft untersagt.<br />

Nach der Operation „Cedar Falls“ im<br />

Januar 1967 wird beschlossen, keine ungeschulten<br />

Männer mehr in die Tunnel zu schicken<br />

– zu groß ist die Verlustrate. Die 1 st Division<br />

(„The Big Red One“) setzt ab Juni 1967<br />

Mit Colt und Kampfmesser<br />

„Tunnelratten“ sind in der Regel nur leicht<br />

bewaffnet und können sich ihr Kampfgerät<br />

aussuchen. Bevorzugt werden Revolver wie<br />

der .38er Smith & Wesson, der auch mit einem<br />

Schalldämpfer ausgerüstet werden<br />

kann, was durch die zusätzliche Länge jedoch<br />

das Handling der Waffe in bestimmten<br />

Situationen erschwert. Die Standardpistole<br />

der US-Truppen, der siebenschüssige .45er<br />

M1911 Colt ist sehr unbeliebt: zu groß, zu<br />

unhandlich, zu laut. Manche Soldaten beschaffen<br />

sich den vollautomatischen, 30-<br />

schüssigen .30er M-2 Karabiner mit Klappstütze<br />

oder eine abgesägte Schrotflinte. Letztere<br />

hat zwar nicht so viel Durchschlagskraft,<br />

dafür trifft man ein Ziel aber mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit.<br />

Weitere wichtige Ausrüstungsgegenstände<br />

sind Taschenlampe und Messer. Mit dem<br />

Kampfmesser können Gegner lautlos getötet<br />

werden – aber noch wichtiger ist dessen Einsatz<br />

als Werkzeug zum Ausloten <strong>von</strong> Fallen.<br />

Alternative zum Einsatz <strong>von</strong> Schusswaffen<br />

ist das „Ausräuchern“ mit Rauchgranaten<br />

oder „Willi-Pete“-Granaten (weißer Phosphor),<br />

die sämtlichen Sauerstoff in den engen<br />

Gängen verbrennen und die Tunnel mit<br />

dichtem Qualm füllen. Ebenso werden die<br />

nach der Feuerzeugmarke „Ronson“ benannten<br />

Flammenwerfer benutzt. Mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> Gebläsen wird zudem Tränengas in die<br />

Tunnel eingeleitet. Der Viet Cong baut im<br />

Die Tunnelratten<br />

Während die Australier als Erste eigenes geschultes<br />

Personal und spezielle Techniken<br />

für den Tunnelkampf einsetzen, nutzt die US<br />

Army anfänglich Planierraupen und Sprengstoff,<br />

um den Tunneln Herr zu werden. Doch<br />

nach den Kämpfen um Cu Chi 1966 erkennen<br />

auch die Amerikaner, dass dringend eine<br />

neue militärische Fähigkeit gebraucht<br />

wird: der Tunnelkampf. Daraufhin etabliert<br />

SCHUTZ GEGEN DIE EIGENE WAFFE: Eine M17<br />

Schutzmaske, wie sie <strong>von</strong> „Tunnelratten“ zum<br />

Schutz vor CS-Gas verwendet wird. CS<br />

wird häufig mit Gebläsen in die Tunnelsysteme<br />

eingelassen oder mit Explosivladungen<br />

in den unterirdischen<br />

Gängen verteilt – dadurch werden<br />

die Anlagen für den Viet Cong zumindest<br />

vorübergehend unbrauchbar.<br />

Foto: Autor<br />

64


frühe helle Selb ts einkleideruniform <strong>von</strong> 1957<br />

mit freundlicher Genehmigung <strong>von</strong> Herrn Czarski vom<br />

Uniformenmuseum Nieder-Gemünden<br />

Gefreiter der Militärmusik 1965 nach Einführung der<br />

Schützenschnur<br />

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Emblem, Rock mit spitzen Schulterstücken und ohne<br />

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Privatsammlung<br />

Korrekte Darellung:<br />

weißes<br />

ts<br />

Sporthemd, Binder<br />

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<br />

silberfarben,<br />

wie folgt: „Der Dienstanzug,<br />

, eine graue Kammgarn<br />

Schirmmütze noch<br />

tuchbekleidung, bes e t aus ht der Dienstbluse (zwei<br />

mit Metallabzei-<br />

reihig mit geschwungen verlaufenden Knöpfen,<br />

eng in der<br />

chen (passend zu<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

allenen den t<br />

deckend),<br />

aus der Tuchhose (als Überfallhose oder lang zu<br />

<br />

-<br />

tragen), der bergmützenähnlichen Dienstmütz aus dem e,<br />

abzeichen und dem<br />

grauen Diensthemd und Langbinder.<br />

Je nach Dienst und<br />

geraden Eichenlaub<br />

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<br />

mit freundlicher<br />

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Genehmigung<br />

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der Infan erieschule<br />

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der Bundeswehr<br />

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<br />

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<br />

und im Felde.“<br />

Privatsammlung<br />

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<br />

werden.“<br />

mit freundlicher Genehmigung der<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

„Der Ausgehanzug<br />

unterscheidet sich <strong>von</strong> diesem durch<br />

<br />

<br />

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<br />

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<br />

me<br />

Tunnel-Trauma<br />

DSCHUNGELDESASTER: Handgranatenfallen<br />

wie diese werden sowohl im Dschungel<br />

als auch in Tunnelsystemen angebracht. Für<br />

die Amerikaner und ihre Verbündeten bedeuten<br />

sie eine permanente Gefahrenquelle.<br />

Das Foto zeigt eine Nachbildung.<br />

Nachbau und Foto: Autor<br />

EINFACH UND EFFEKTIV: Simple Bambusfallen<br />

wie diese fügen dem Opfer<br />

schmerzhafte Verletzungen zu, üben psychologischen<br />

Druck aus und zehren an<br />

den Kräften der US-Truppen. Zeichnung: Autor<br />

Gegenzug U-förmige, mit Wasser gefüllte<br />

Senken ein, die wie ein Siphon gegen chemische<br />

Kampfmittel wirken. Die „Tunnelratten“<br />

schützen sich mit ihren M17 ABC-<br />

Schutzmasken oder mit den später eingeführten<br />

leichten XM-28 Gasmasken, die<br />

Schutz gegen CS-Gas bieten. Zusätzlich führen<br />

die Soldaten CS in Pulverform mit, um<br />

durch Verstreuen oder Einsprengen ganze<br />

Tunnelkomplexe für mehrere Wochen unbenutzbar<br />

zu machen. Vorher werden jedoch<br />

die unterirdischen Räume auf militärisch<br />

verwertbares Material hin untersucht. Dokumente,<br />

Kartenmaterial und Namenslisten<br />

sind <strong>von</strong> besonderem Interesse. Um flachere<br />

Tunnelkomplexe abschließend zu zerstören,<br />

versiegelt man die Ausgänge und leitet Acetylen-Gas<br />

und Sauerstoff ein, um sie dann zu<br />

sprengen. Tiefere Schächte werden mit Hilfe<br />

<strong>von</strong> Wasserpumpen geflutet und somit unbrauchbar<br />

gemacht.<br />

Elektronische Kommunikationsmittel nehmen<br />

die „Tunnelraten“ selten mit, und noch<br />

seltener kommen sie zum Einsatz. Kommunikationsprobleme<br />

gibt es aber manchmal bei<br />

der Rückkehr der „Tunnelratten“. Verschwitzt<br />

und mit Lehm überzogen, können die eigenen<br />

Leute ihre Kameraden nicht immer sofort <strong>von</strong><br />

einem Viet Cong unterscheiden. Betritt ein Soldat<br />

einen neuen Tunnelabschnitt, gibt er präventiv<br />

drei Schüsse in diesen ab und lädt rasch<br />

seine Waffe nach, um in einem Feuergefecht<br />

immer die volle Anzahl an Munition zu haben.<br />

Oft führen die „Tunnelratten“ auch Splinte<br />

für Handgranaten mit, um Sprengfallen zu<br />

entschärfen. Insektenschutzmittel sind ein<br />

Muss und werden regelmäßig und umfangreich<br />

aufgetragen, um sich die zahlreichen Tiere<br />

in den Tunneln vom Leibe zu halten.<br />

Jede Brigade verfügt außerdem über ein<br />

Hundeteam, das zum Aufspüren der Tunneleingänge<br />

gute Dienste leistet. Jedoch können<br />

die Hunde nur selten dazu bewegt werden,<br />

in die Tunnel zu gehen. Zudem lösen sie häufig<br />

Sprengfallen aus – worauf die Hundeführer<br />

sich fortan weigern, ihre vierbeinigen Kameraden<br />

weiterhin in die Tunnel zu schicken.<br />

Dies führt letztendlich ab 1966 zur Aufstellung<br />

der menschlichen „Tunnelratten“.<br />

Tod oder Trauma<br />

Bei eigenen Verlusten werden starke Anstrengungen<br />

unternommen, um die Leichen<br />

der Kameraden zu bergen. Bedingt durch die<br />

Strategie, den Feind „ausbluten“ zulassen,<br />

ist die Kenntnis des „Body Count“ (das Zählen<br />

der getöteten Feind im Verhältnis zu den<br />

eigenen Verlusten) wichtig. Daher werden<br />

auch verwesende VC-Leichen aus den Tunneln<br />

geholt, um diese zu zählen.<br />

Die Tunnel <strong>von</strong> Cu Chi und anderen Orten<br />

machen den Guerillakrieg des Viet Cong und<br />

die Tet-Offensive <strong>von</strong> 1968 erst möglich.<br />

Nachdem der Viet Cong in den folgenden<br />

Kämpfen dezimiert wurde, erhält der gesamte<br />

Konflikt ab 1969 ein konventionelleres Antlitz<br />

– zum Teil mit Panzerunterstützung aus<br />

dem Norden. Nur wenige VC-Tunnelkämpfer<br />

überleben den Krieg. Jedoch haben die zurückkehrenden<br />

„Tunnelratten“ der USA,<br />

Australiens und Neuseelands häufig mit psychischen<br />

Problemen zu kämpfen, die die Einsätze<br />

in den engen, feuchten und mit gefährlichen<br />

Fallen bestückten Tunneln auslösen.<br />

Dr. Frederick Feulner, Jg. 1975, ist Research Fellow<br />

an der University of York, England. Seine Hauptinteressen<br />

auf militärgeschichtlichem Gebiet sind die Israelische<br />

Armee sowie der Vietnamkrieg.<br />

Lothar Schuster<br />

Das Ausstattungssoll der<br />

Heeresangehörigen der<br />

Bundeswehr <strong>von</strong><br />

1955 bis 2010<br />

Mitd<br />

diesem Buch möchte der Autor einen<br />

Beitrag zur Dokumentierung ng<br />

der Ausrü-<br />

stung<br />

der Heeresangehörigen ehörigen leisten.<br />

Klar gegliedert werden en alle Ausrüstungs-<br />

gegenstände<br />

und<br />

Uniformteile<br />

in<br />

ihrer<br />

Entwicklung <strong>von</strong> nd<br />

den Anfängen bis<br />

zur<br />

Gegenwart gezeigt.<br />

Über 1500 farbige Abbildungen<br />

376 Seiten + Daten-CD<br />

Best.-Nr. . 502/105<br />

59.95 €<br />

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28 | <br />

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| 29<br />

E<br />

Die Entwicklung der<br />

Dienst- und Ausgehuniform<br />

Clausewitz 1/2014<br />

65


EXTRA<br />

Neu am Kiosk | FLUGZEUG CLASSIC Extra<br />

Messerschmitt Bf 109<br />

Legendärer Jäger<br />

Mythos Bf 109: Vom Prototyp bis zur »Friedrich«: FLUGZEUG CLASSIC Extra lässt die<br />

Legende »109« wieder aufleben. Was machte diesen Jäger so außergewöhnlich?<br />

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Messerschmitt<br />

Im Detail: Das Innenleben in<br />

3D-Ansichten<br />

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Von der Bf 108 zur Bf 109<br />

Die Geburtsstunde<br />

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Bf 109<br />

Farben und Markierungen<br />

Tarnungen der Bf 109<br />

Teil 1: Vom Prototyp<br />

bis zur »Friedrich«<br />

Österreich M 11,50 Schweiz sFr. 19,00 BeNeLux M 11,70<br />

Bf 109 im Deutschen Museum<br />

Neun Seiten<br />

Detailfotos!<br />

Q 9,90<br />

Kaum ein anderes Flugzeug hat das Bild der ehemaligen<br />

deutschen Luftwaffe so sehr geprägt<br />

wie die Messerschmitt Bf 109. Mehr als 30.000<br />

Exemplare sind allein in Deutschland vom Band gelaufen<br />

und in unzähligen weiteren Ländern diente<br />

die »109« noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Was machte diesen Jäger so überaus erfolgreich?<br />

Was war sein Geheimnis?<br />

Die Extra-Ausgabe <strong>von</strong> FLUGZEUG CLASSIC begibt<br />

sich auf Spurensuche. Aus der Feder anerkannter<br />

Bf-109-Experten stammen die fundierten Texte,<br />

und zusammen mit modernen 3D- und akkuraten<br />

Profilzeichnungen vermittelt FLUGZEUG CLASSIC<br />

Extra ein höchst authentisches Bild der Jägerlegende.<br />

Anschaulich schildert das Magazin, wie die Messerschmitt<br />

Bf 109 einst am Reißbrett entstand und<br />

sich vom Prototypen allmählich zu einer effizienten<br />

Jagdmaschine entwickelt. Gespickt mit technischem<br />

Hintergrundwissen, zu dem vor allem umfassende<br />

Cockpit-Beschreibungen gehören, erfährt der Leser,<br />

wie sich die frühe »109« im Spanischen Bürgerkrieg<br />

schlug.<br />

FLUGZEUG CLASSIC Extra ist jedoch nicht nur<br />

ein Muss für jeden, der sich für den Luftkrieg interessiert,<br />

sondern auch eine äußerst wertvolle Hilfe für<br />

Modellbauer, die wert auf Authentizität und Exaktheit<br />

legen.<br />

Messerschmitt Bf 109 Geschichte des legendären Jagdflugzeugs!<br />

Jetzt bei Ihrem<br />

Zeitschriftenhändler<br />

BF 109<br />

»Friedrich«<br />

Flugzeug Classic Extra<br />

Messerschmitt Bf 109, Teil 1:<br />

Vom Prototyp bis zur »Friedrich«.<br />

96 S., ca. 200 Abbildungen.<br />

GeraMond Verlag GmbH.<br />

ISBN: 978-3-86245-406-8.<br />

Preis: 9,90 €<br />

Bezugsquelle: www.verlagshaus.24.de<br />

MESSERSCHMITT BF 109 F-2<br />

Aerodynamisch optimiert<br />

An der »Friedrich« war alles aufgeräumt, keine<br />

Ausbuchtung störte den Luftstrom so wie noch bei<br />

der »Emil«. Unter der Motorverkleidung arbeitete ein<br />

Daimler-Benz 601 E, durch den eine Motorkanone MG 151<br />

schoss. Die Rumpfbewaffnung bestand aus zwei MG 17.<br />

PLASTISCH: 3D-Zeichnungen<br />

lassen den Jäger beinahe<br />

wieder lebendig werden.<br />

Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />

MESSERSCHMITT BF 109 F-4/TROP<br />

Wüstentauglich<br />

70<br />

Für den Einsatz in Nordafrika erhielt<br />

die »Friedrich« einen Sandabscheider.<br />

Sie bewährte sich beim »Afrikakorps«<br />

außerordentlich. Doch<br />

als der DB-605-Motor<br />

verfügbar war, lief die<br />

F-Serie nach zirka<br />

2400 Maschinen aus.<br />

Illustrationen Asen Atanasov<br />

flugzeugclassic.de<br />

71<br />

66


BF 109<br />

»Friedrich«<br />

»FRIEDRICH« DIE GROSSE:<br />

War die Bf 109 F die beste<br />

Version der 109-Reihe?<br />

Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />

Ostfront 1941: Eine erbeutete sowjetische<br />

Polikarpow I-16 neben einer Bf 109 F<br />

des JG 54. Wenngleich äußerst agil, war<br />

die auch »Rata« genannte I-16 an<br />

Geschwindigkeit, Steigleistung und<br />

Bewaffnung der »Friedrich« weit unterlegen<br />

Foto Sammlung H. Ringlstetter<br />

Die Beste<br />

<strong>von</strong> allen?<br />

Noch bevor die Bf 109 »Emil« durch<br />

die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg so richtig<br />

ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit<br />

geriet, lagen schon Pläne für die Nachfolgerin<br />

in den Schubladen: die »Friedrich«.<br />

Nicht selten wird sie für die ausgewogenste<br />

aller »109«-Baureihen bezeichnet.<br />

Was ist an dieser Bewertung dran?<br />

D<br />

ie konstruktiven Arbeiten an der<br />

F-Version der Messerschmitt Bf 109<br />

begannen bereits im Sommer 1938, also<br />

noch ehe der Zweite Weltkrieg überhaupt<br />

ausbrach. Die »Friedrich« war die konsequente<br />

Weiterentwicklung der Bf 109 E und<br />

sollte diese schnellstens ablösen. Ursprünglich<br />

war der Serienstart bereits ab September<br />

1939 vorgesehen, mit steigender Produktion<br />

bis auf 180 Stück bis spätestens zum 1. April<br />

1940. Doch bei Kriegsausbruch war die »Emil«<br />

weiterhin der Standardjäger der Luftwaffe.<br />

Durch den vorrangigen Serienbau der<br />

Bf 109 E für die Front und aufgrund technischer<br />

Probleme verzögerte sich die Produk tion<br />

der neuen Serie allerdings deutlich, nämlich<br />

bis zum August 1940. Bei der Erprobung<br />

<strong>von</strong> einigen Vorserienmaschinen F-0 gingen<br />

vier Jäger innerhalb kurzer Zeit verloren. Der<br />

Grund dafür war das zu schwach ausgelegte<br />

Leitwerk – Willy Messerschmitt hatte auf<br />

Stützstreben für die Höhenflossen verzichtet.<br />

Der hintere Rumpfbereich musste deshalb<br />

durch Metallbänder verstärkt werden. Die<br />

meisten der 19 gebauten F-0 landeten bei Ausbildungseinheiten<br />

oder dienten zur Truppenerprobung.<br />

Gegenüber der Vorgängerbaureihe<br />

wies die F-Version darüber hinaus einige<br />

grundlegende Änderungen auf.<br />

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung D. Hermann<br />

Mit der Bf 109 V23, W.Nr. 5603, wurden die Änderungen für die F-Serie erprobt. Neben dem<br />

neuen DB 601 N hatte sie bereits das typische Erscheinungsbild der neuen F-Serie. Der kleine<br />

Ladereinlass allerdings wurde für die spätere Serie noch geändert<br />

Bf 109 F-0 (PH+BE) während der Werkserprobung bei Messerschmitt<br />

Als Triebwerk diente jetzt der neue Daimler<br />

Benz DB 601 N. Dieser wassergekühlte Zwölfzylinder-Reihenmotor<br />

mit einem Hubraum<br />

<strong>von</strong> 33,9 Litern hatte gegenüber dem Vorgänger<br />

DB 601 A eine höhere Verdichtung <strong>von</strong><br />

1:8,2 und eine gesteigerte Drehzahl auf 2600<br />

U/min. Außerdem benötigte der Motor jetzt<br />

C3-Kraftstoff mit 100 Oktan. Diesen Luxus<br />

konnte man sich 1941 noch leisten. Die Startleistung<br />

betrug dadurch 1175 PS. Und mit dem<br />

neuen Kraftpaket konstruierten Techniker das<br />

Rumpfvorderteil komplett neu, das in seinen<br />

Grundzügen der Bf/Me 109 bis zum Kriegsende<br />

ihr endgültiges Aussehen gab: Der vordere<br />

Rumpfbereich erhielt jetzt eine saubere,<br />

stromlinienförmige Verkleidung ohne Beulen,<br />

<strong>von</strong> der Luftschraubenabdeckung bis zum<br />

Cockpit. Die neue, dreiflügelige VDM-Luftschraube<br />

hatte eine vollautomatische, elektrische<br />

Verstellmechanik. Diese war mit dem<br />

Gashebel so gekuppelt, dass zu jedem Ladedruck<br />

die entsprechende Drehzahl geregelt<br />

werden konnte, bis zur Volldruckhöhe. Bei<br />

Versagen der Automatik oder in besonderen<br />

Flugsituationen (Sparflug) konnte auch die<br />

Handverstellung eingeschaltet werden.<br />

Die Tragfläche der neuen F-Serie entsprach<br />

in ihren Dimensionen zwar der alten. Doch<br />

bis auf die Anschlussmaße am Flügelträger<br />

54<br />

flugzeugclassic.de<br />

55<br />

BF 109<br />

»Friedrich«<br />

Messerschmitt Bf 109 F-4/trop – JG 27<br />

Bf 109 F-4/trop der 3./JG 27<br />

Der bereits werksseitig aufgetragene<br />

Tarnanstrich <strong>von</strong> Marseilles »Friedrich«<br />

bestand aus den RLM-Farben 78 und 79<br />

Zeichnung Herbert Ringlstetter<br />

Hauptmann Hans Joachim Marseille flog die Bf 109 F-4/trop, W.Nr. 8673, im September 1942<br />

bei der I./JG 27 in Nordafrika. Marseille gehörte zu den besten Jagdfliegern der Luftwaffe<br />

und stieg zum »Stern <strong>von</strong> Afrika« auf. Das Seitenruder seiner »Gelben 14« zieren neben<br />

136 Abschüssen auch die Auszeichnungen mit Schwertern zum Eichenlaub und Ritterkreuz<br />

des Eisernen Kreuzes<br />

Fotos (2) Herbert Ringlstetter<br />

DIE INNEREN WERTE: FLUGZEUG CLASSIC<br />

EXTRA gewährt spektakuläre Einblicke in das<br />

Innenleben der Bf 109. Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />

74<br />

flugzeugclassic.de<br />

75<br />

FARBE BEKENNEN: Profilzeichnungen<br />

illustrieren die verschiedenen<br />

Tarnschemata des Jägers<br />

– unentbehrlich für Modellbauer!<br />

Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />

BF 109<br />

Museumsflugzeug<br />

IM MITTELPUNKT: Eine beeindruckende<br />

Bildstrecke über die<br />

Bf 109 des Deutschen Museums<br />

rundet das Heft ab.<br />

Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />

90<br />

ERHALTENE EXEMPLARE DER »109«<br />

Die »Emil« des Deutschen Museums<br />

Das Deutsche Museum in München ist die größte<br />

naturwissenschaftlich-technische Sammlung der Welt.<br />

Seine Luftfahrtabteilung schmücken wahre Schätze.<br />

Darunter auch eine gut erhaltene Bf 109 der Baureihe »E«.<br />

Andreas Zeitler hat die Rarität bis ins letzte Detail abgelichtet<br />

flugzeugclassic.de<br />

Die Bf 109, Werknummer 790, wurde ursprünglich<br />

im Frühjahr 1939 <strong>von</strong> der Erla-Maschinenwerk GmbH<br />

in Leipzig-Mockau als E-1 gebaut und nach Spanien<br />

zur 2./J88 der»Legion Condor« geschickt. Nach dem<br />

Spanischen Bürgerkrieg übergab man sie den dortigen<br />

Luftstreitkräften, wo sie mit dem Kennzeichen »6-106«<br />

im Einsatz war, jedoch 1946 nach einer Bauchlandung<br />

repariert, aber aus dem aktiven Flugbetrieb zurückgezogen<br />

wurde<br />

Fotos Andreas Zeitler<br />

Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Museums München<br />

91<br />

Clausewitz 1/2014<br />

67


Spurensuche<br />

„Ordensburg Vogelsang“ in der Eifel<br />

Kaderschmiede<br />

der NSDAP<br />

Februar 1945: US-amerikanische Soldaten besetzen<br />

kampflos die „Ordensburg Vogelsang“. Die mächtige Anlage,<br />

in der <strong>von</strong> 1936 bis 1939 der NS-Führungsnachwuchs<br />

geschult wurde, ist zu diesem Zeitpunkt verlassen<br />

und teilweise zerstört. Seit 2006 ist das Areal wieder für<br />

die Öffentlichkeit zugänglich.<br />

Von Tammo Luther<br />

Die als nationalsozialistische Kaderschmiede<br />

errichtete „Ordensburg“ in<br />

der Eifel wird nach dem Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges zunächst <strong>von</strong> britischen<br />

Besatzungstruppen genutzt und – wie bereits<br />

zur Zeit des „Dritten Reiches“ – <strong>von</strong> der Öffentlichkeit<br />

abgeschottet. Einige Jahre später<br />

ziehen belgische Soldaten in die oberhalb der<br />

Urfttalsperre gelegene, ausgedehnte Anlage<br />

ein. Sie verlassen die Eifel schließlich im Jahr<br />

68


OSTFLÜGEL: Deutlich sichtbar<br />

überragt der das während des<br />

Krieges zum Teil zerstörte Gemeinschaftshaus<br />

flankierende<br />

Seitenturm die anderen Gebäudekomplexe.<br />

Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb<br />

IN SZENE GESETZT: Adolf<br />

Hitler schreitet die Reihen<br />

der angetretenen „Burgmannen“<br />

– so die Originalbildunterschrift<br />

– ab; hinter ihm<br />

folgt Reichsorganisationsleiter<br />

Robert Ley.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

DATEN<br />

„Ordensburg Vogelsang“<br />

1934 Baubeginn in Vogelsang<br />

1936 Beginn des Lehrbetriebes; Vorbereitung der<br />

2. Bauphase<br />

1939 Einstellung des Lehrbetriebes; Übergabe an die<br />

Wehrmacht<br />

1940 weitgehende Einstellung der Bauarbeiten<br />

1941 Nutzung durch „Adolf-Hitler-Schulen“<br />

1944 Alliierte Luftangriffe: Zerstörung der Turnhalle,<br />

zweier „Kameradschaftshäuser“, des Süd-Osttrakts<br />

des „Adlerhofes“ und des Ostflügels des<br />

Gemeinschaftshauses<br />

1945 Besetzung durch Truppen der US-Armee<br />

1946 Truppenübungsplatz des britischen Militärs<br />

1950 Übergabe an das belgische Militär<br />

1955 NATO-Truppenübungsplatz unter belgischer Hoheit<br />

2005 Rückgabe an die Bundesrepublik Deutschland<br />

2006 Vogelsang öffnet sich für Besucher<br />

1939–1945 nur als Entwurf auf dem Papier<br />

zustande.<br />

Verantwortlich für die Gestaltung der<br />

„Ordensburg Vogelsang“ ist in den Jahren<br />

1933/34 der Kölner Architekt Clemens Klotz<br />

(1886–1969), der kurz darauf auch das KdF-<br />

Seebad in Prora auf Rügen entwerfen sollte.<br />

2005. „Vogelsang“ ist eine <strong>von</strong> insgesamt drei<br />

sogenannten NS-Ordensburgen, die in den<br />

1930er-Jahren nach der Machtübernahme<br />

durch die Nationalsozialisten im Deutschen<br />

Reich errichtet wurden.<br />

Krieg verhindert Ausbau<br />

Wie in der Eifel haben auch im pommerschen<br />

Krössinsee (auch „Crössinsee“; heute<br />

in Polen) und in Sonthofen im Allgäu große<br />

Teile der zahlreichen, zum Teil repräsentativen<br />

Gebäude den Zweiten Weltkrieg und die<br />

vergangenen Jahrzehnte bis in die Gegenwart<br />

hinein überdauert.<br />

Ursprünglich sollten die Gebäudekomplexe<br />

der „NS-Ordensburgen“ nach den Vorstellungen<br />

der Parteiführung viel größer und<br />

monumentaler ausfallen, als bis Kriegsausbruch<br />

verwirklicht wurde. Doch eine Vielzahl<br />

der Bauten kam aufgrund des Krieges<br />

NS-Schulungsstätten<br />

Die Errichtung der „Ordensburg“ geht auf<br />

die Initiative des Reichsorganisationsleiters<br />

der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei<br />

(NSDAP), Robert Ley, zurück. Er<br />

war zugleich Führer der Deutschen Arbeitsfront<br />

(DAF) und ließ die drei genannten<br />

Schulungsstätten erbauen, um aus den „Junkern“<br />

den angehenden hauptamtlichen Mitarbeiterstab<br />

der NS-Partei rekrutieren zu<br />

können.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

69


Spurensuche | „Ordensburg Vogelsang“<br />

BESCHÄDIGT: Das Feuermal mit Fackelträgerrelief<br />

am ehemaligen „Sonnenwendplatz“<br />

mit zum Teil unkenntlich gemachter Inschrift<br />

und ohne Feuerschale.<br />

Foto: picture-alliance/Hans-Joachim Rech<br />

HALBKREISFÖRMIG: Blick auf die Spielebene der Feierstätte („Thingplatz“), im Hintergrund<br />

ist der unterhalb angelegte Sportplatz zu erkennen.<br />

Foto: picture-alliance/Jan Haas<br />

Am 15. März 1934 wird der erste Spatenstich<br />

auf dem Bergrücken „Erpenscheid“<br />

oberhalb des Urftstausees vorgenommen.<br />

Ursprünglich sollte der nahegelegene Hang<br />

„Vogelsang“ bei Gemünd als Bauplatz dienen,<br />

doch stellt sich dieser als zu klein für die<br />

zunächst als Schulungslager mit Baracken,<br />

später als weitläufige „Reichsschulungsburg<br />

Vogelsang“ geplante Anlage heraus. Der Name<br />

„Vogelsang“ wird trotz des Ortswechsels<br />

übernommen.<br />

Drei Monate nach Beginn der Bauarbeiten<br />

findet am 22. September 1934 die Grundsteinlegung<br />

im Rahmen einer feierlichen Zeremonie<br />

statt. Robert Ley sagte in seiner Rede,<br />

dass die Urkunde „nie gefunden werden“<br />

solle, „damit diese Burg ewig lebe“ –<br />

ein Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen<br />

sollte.<br />

Zentraler Appellplatz<br />

Als im Dezember 1934 das Richtfest der<br />

Hauptgebäude gefeiert wird, geht man fest<br />

da<strong>von</strong> aus, dass die Fertigstellung weiter Teile<br />

der Ordensburg bis zum Frühjahr 1935<br />

verwirklicht werden kann. Doch die Arbeiten<br />

ziehen sich länger hin, als angenommen.<br />

Robert Ley macht sich 1935 bei Besuchen vor<br />

Ort selbst ein Bild über die Fortschritte der<br />

Bauarbeiten.<br />

VERÄNDERT: Blick auf die Außenfront des<br />

Tor- und Wachgebäudes. Die Säulen in der<br />

Durchfahrt stammen nicht aus der Erbauungszeit<br />

und wurden später eingefügt.<br />

Foto: picture-alliance/Jan Haas<br />

Im Zentrum der schließlich 1936 eingeweihten<br />

Anlage stehen das dreiflügelige Gemeinschaftshaus<br />

mit seitlich angeschlossenem<br />

Turm, der „Adlerhof“, die „Wandelhalle“<br />

einschließlich des vorgelagerten Appellplatzes<br />

und der darunter abwärts am Hang errichteten,<br />

insgesamt zehn „Kameradschaftshäuser“.<br />

Letztere sind als Unterkünfte für<br />

Literaturtipps<br />

Franz Albert Heinen: NS-Ordensburgen – Vogelsang,<br />

Sonthofen, Crössinsee, Berlin 2011.<br />

Ruth Schmitz-Ehmke: Die ehemalige Ordensburg<br />

Vogelsang, (=Arbeitsheft der rheinischen<br />

Denkmalpflege 41), 3., veränderte und erweiterte<br />

Auflage, Worms 2008.<br />

ANGETRETEN: Hitler und Ley<br />

schreiten die Front der angetretenen<br />

„NS-Ordensjunker“ ab, Foto<br />

vom November 1936.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

70


Schulungsstätte der NS-Partei<br />

MENSCHENLEER: Blick <strong>von</strong> der Tribüne<br />

vor der Wandelhalle auf den Appellplatz,<br />

auf dem die Lehrgangsteilnehmer<br />

1936–1939 antreten mussten.<br />

Foto: picture-alliance/Horst Ossinger<br />

den Führungsnachwuchs der Partei gedacht.<br />

Die Dächer der Gebäude sind beschiefert,<br />

die Außenmauern bestehen aus Grauwacke-<br />

Bruchstein. Zudem wird auf viele sichtbare<br />

Holzelemente Wert gelegt.<br />

Erster Lehrgang 1936<br />

Eine Kantine („Burgschenke“), ein „Sonnenwendplatz“<br />

und eine „Thing- und Feierstätte“<br />

sowie ein Sportplatz einschließlich Turnund<br />

Schwimmhalle ergänzen die seit Mitte<br />

der 1930er-Jahre in verschiedenen Bauabschnitten<br />

laufend erweiterte Anlage.<br />

Als im Frühjahr 1936 die circa 500 „Junker“<br />

des ersten Lehrgangs auf Vogelsang einrücken,<br />

treffen sie auf einer Großbaustelle<br />

ein. Obwohl zahlreiche Gebäude und Gebäudetrakte<br />

noch nicht fertig gestellt sind,<br />

soll die Ordensburg endlich ihren Betrieb als<br />

eine der bedeutendsten „Schulungsstätten“<br />

der NS-Partei aufnehmen.<br />

Bei den Lehrgangsteilnehmern handelt es<br />

sich vorrangig um auf Vorschlag der Gauleitungen<br />

ausgewählte junge Männer, die den<br />

Führungsnachwuchs der Partei bilden sollten.<br />

Die Mehrzahl <strong>von</strong> ihnen sind Mit-Zwan-<br />

ziger. Zu den Voraussetzungen für eine Aufnahme<br />

zählen damals unter anderem Verdienste<br />

in der Parteiarbeit, körperliche Gesundheit,<br />

Arbeits- und Militärdienst sowie<br />

ein bis ins 18. Jahrhundert zurückreichender<br />

Abstammungsnachweis.<br />

Die Anlagen werden seit ihrer Einweihung<br />

im Jahr 1936 auch <strong>von</strong> Gliederungen<br />

der NSDAP und <strong>von</strong> der DAF als Tagungsorte<br />

genutzt, bieten sie doch den gewünschten<br />

architektonischen Rahmen und die nötige<br />

ENTWURF: Skizze des Architekten<br />

Clemens Klotz<br />

mit dem geplanten Monumentalbau<br />

„Haus des<br />

Wissens“, der mit seinem<br />

hohen „Palas“ die gesamte<br />

Burganlage oberhalb<br />

des Dreiflügel-Gemeinschaftshauses<br />

beherrschen<br />

sollte.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

IN DER BAUPHASE: Teile<br />

der Anlage während der<br />

Entstehungszeit.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

Clausewitz 1/2014<br />

71


Spurensuche<br />

GUT ERHALTEN: Das Muschelkalkrelief eines<br />

„Ordensritters“ des Bildhauers Willy<br />

Meller ist noch heute auf dem Ostturm im<br />

Bereich des Eingangshofes zu sehen.<br />

Foto: picture-alliance/Hans-Joachim Rech<br />

Infrastruktur für Veranstaltungen der Partei.<br />

Als Adolf Hitler der „Ordensburg Vogelsang“<br />

Ende April 1937 einen Besuch abstattet,<br />

schreitet er zwar die Front der auf dem<br />

Appellplatz angetretenen „Burgmannschaft“<br />

ab, doch sein Interesse gilt insbesondere<br />

den in Vogelsang zusammengekommenen<br />

Kreisleitern der NSDAP und ihrer Großveranstaltung.<br />

Während des Krieges<br />

Lediglich in den Jahren <strong>von</strong> 1936 bis 1939 finden<br />

in Vogelsang Schulungslehrgänge statt,<br />

denn der Kriegsbausbruch 1939 beendet diese<br />

Lehrgangstätigkeit.<br />

Während des Krieges wird die Anlage unter<br />

anderem <strong>von</strong> der Wehrmacht als Truppenquartier<br />

genutzt; seit 1941 werden hier<br />

dann einige Klassen <strong>von</strong> „Adolf-Hitler-<br />

Schulen“ ideologisch geschult und unterrichtet.<br />

1944 richten die Nationalsozialisten<br />

in Vogelsang ein Wehrertüchtigungslager<br />

KONTAKT<br />

vogelsang ip gemeinnützige GmbH<br />

Kulturkino vogelsang ip<br />

53937 Schleiden<br />

Tel.: +49 (0)24 44/91579-0<br />

Internationaler Platz vogelsang ip<br />

Öffnungszeiten:<br />

Besucherzentrum, täglich 10:00 bis 17:00 Uhr<br />

mit Gastronomie und täglichen offenen<br />

Führungen<br />

E-Mail: info@vogelsang-ip.de<br />

www.vogelsang-ip.de


Geplantes Dokumentationszentrum<br />

... Jahrhundert.<br />

IN BAU: Blick auf<br />

die Mitte der<br />

1930er-Jahre terrassenförmig<br />

angelegten<br />

„Kameradschaftshäuser“<br />

und<br />

die Feierstätte.<br />

Foto: ullstein bild –<br />

ullstein bild<br />

ein, in dem Hitler-Jungen militärisch ausgebildet<br />

werden. Ende 1944 führt ein alliierter<br />

Luftangriff zu zum Teil erheblichen Zerstörungen.<br />

Vor allem am Gemeinschaftshaus,<br />

das einen großen Hörsaal und einen Speisesaal<br />

beherbergte, entstehen große Schäden.<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

wird das Gelände der ehemaligen „NS-Ordensburg“<br />

<strong>von</strong> den Briten umgehend zum<br />

militärischen Sperrgebiet erklärt. Ein mehr<br />

als 40 Quadratkilometer großes Gebiet rund<br />

um die Anlage wird beschlagnahmt und gesichert.<br />

Im nahegelegenen Ort Wollseifen erhalten<br />

die Einwohner im August 1945 die<br />

Nachricht, dass sie ihr Dorf ab September<br />

1945 verlassen müssen. Es würde fortan Teil<br />

des Truppenübungsplatzes sein, so die Begründung.<br />

Im Jahr 1950 wird Vogelsang <strong>von</strong> den Briten<br />

an die belgische Armee übergeben. Die<br />

Belgier nutzen die Anlage als Teil des Truppenübungsplatzes<br />

„Camp Vogelsang“ mehr<br />

als fünf Jahrzehnte für militärische Zwecke.<br />

Dabei nehmen sie in geringerem Umfang<br />

auch bauliche Veränderungen vor, darunter<br />

die Errichtung eines neuen Kasernentraktes<br />

(„Kommandant Van Dooren“) aufbauend<br />

auf den Fundamenten des nie fertig gestellten<br />

Monumentalbaus „Haus des Wissens“<br />

sowie eines Kinos, in dem sich heute das provisorische<br />

Besucherzentrum befindet.<br />

Wenn man heute die Anlage besichtigen<br />

möchte, sollte man viel Zeit mitbringen.<br />

Schon die Anfahrt über die lange Zufahrtsstraße<br />

und der Fußweg vom Eingangshof<br />

mit Tor- und Wachgebäude sowie Westund<br />

Ostturm und den Reiterreliefs des Kölner<br />

Bildhauers Willy Meller hin zum Zentrum<br />

der Anlage nimmt einige Zeit in Anspruch.<br />

Hier sind neben dem Glockenturm und<br />

dem Gemeinschaftshaus vor allem die<br />

„Wandelhalle“ mit Tribüne und der ihr vorgelagerte<br />

Appellplatz gut erhalten. Von dort<br />

aus hat man einen guten Ausblick über die<br />

ehemaligen „Kameradschaftshäuser“, die in<br />

den Hang hineingebaut wurden, und die<br />

weiter unten gelegenen Teile der Anlage.<br />

Die Burgschenke, die wie andere Gebäudetrakte<br />

auch im Innern besichtigt werden<br />

kann, hat über die Jahrzehnte hinweg viel<br />

<strong>von</strong> ihrem ursprünglichen Charakter aus der<br />

Bauphase bewahrt.<br />

„Internationaler Platz Vogelsang”<br />

Bei einem Rundgang durch das Areal der<br />

ehemaligen „Ordensburg“ stößt man seitwärts<br />

der lagermäßig angeordneten „Kameradschaftshäuser“<br />

auch auf das Feuermal<br />

mit dem „Fackelträgerrelief“ <strong>von</strong> Willy Meller.<br />

Es war in den 1930er-Jahren Bestandteil<br />

des „Sonnenwendplatzes“, <strong>von</strong> dessen ursprünglicher<br />

Gestaltung auch aufgrund starken<br />

Baum- und Pflanzenbewuchses heute<br />

nur noch vergleichsweise wenig zu erkennen<br />

ist.<br />

Der freistehende Denkmalblock des Feuermals<br />

wies zur NS-Zeit die noch zum Teil<br />

lesbare, zum Teil unkenntlich gemachte Inschrift<br />

auf: „Ihr seid die Fackelträger der Nation.<br />

Ihr tragt das Licht des Geistes voran im<br />

Kampfe für Adolf Hitler“.<br />

Seit 2006 entsteht am historischen Ort der<br />

„NS-Ordensburg Vogelsang“, einem der<br />

bundesweit größten erhalten gebliebenen<br />

NS-Bauensembles, ein Informations-, Ausstellungs-<br />

und Dokumentationszentrum unter<br />

der Bezeichnung „vogelsang ip | Internationaler<br />

Platz im Nationalpark Eifel“, das gegenwärtig<br />

zum „Forum Vogelsang“<br />

weiterentwickelt wird.<br />

Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />

Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />

Von Wilhelmshaven nach Scapa Flow<br />

168 Seiten · ca. 180 Abb. · 22,3 x 26,5 cm<br />

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ISBN 978-3-7658-2031-1<br />

Zeitzeugenberichte aus der letzten<br />

Schlacht des Dritten Reichs<br />

512 Seiten · ca. 50 Abb. · 14,3 x 22,3 cm<br />

€ [A] 30,90<br />

sFr. 39,90 € 29,99<br />

ISBN 978-3-7658-2032-8<br />

Kriegstagebücher zwischen Adel und<br />

Arbeitsdienst<br />

288 Seiten · ca. 20 Abb. · 14,3 x 22,3 cm<br />

€ [A] 25,70<br />

sFr. 34,90 € 24,95<br />

ISBN 978-3-7658-1896-7<br />

Erlebnis Geschichte<br />

Auch als eBook erhältlich<br />

Clausewitz 1/2014


Feldherren<br />

74


König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus<br />

Der besiegte Sieger<br />

319–272 v. Chr.: Pyrrhus gehört zu den schillerndsten Gestalten des hellenistischen Zeitalters<br />

– sein Leben erinnert an einen Abenteuerroman ohne „Happyend“, und seine verlustreichen<br />

„Pyrrhussiege“ sind in die Umgangssprache eingegangen. Von Otto Schertler<br />

König Pyrrhus herrscht seit 295 v. Chr.<br />

als alleiniger König über die im Nordwesten<br />

Griechenlands gelegene Landschaft<br />

Epirus. Diese, <strong>von</strong> den Stämmen der<br />

Thesproter, Chaoner und Molosser bewohnte,<br />

Grenzregion gilt für die Griechen als halbbarbarisches<br />

Land, das erst im Lauf des vierten<br />

Jahrhunderts v. Chr. vollständig hellenisiert<br />

wird. Zu dieser Zeit bilden die dortigen<br />

Stämme unter der Führung der Molosser einen<br />

losen Bund, der <strong>von</strong> einem König geführt<br />

wird, dessen Dynastie sich vom mythischen<br />

Achilles ableitet und der auch der 319 v. Chr.<br />

geborene Pyrrhus angehört. Thronwirren<br />

zwingen die Anhänger des Pyrrhus, diesen,<br />

noch als Kleinkind durch eine abenteuerliche<br />

Flucht in das benachbarte Illyrien in Sicherheit<br />

zu bringen. Bereits 306 v. Chr. können<br />

ihn seine Gefolgsleute auf den Thron <strong>von</strong><br />

Epirus setzen – doch schon 302 v. Chr. wird<br />

er <strong>von</strong> Kassander, dem Herrscher des benachbarten<br />

Makedonien, vertrieben.<br />

Auf dem Weg zur Alleinherrschaft<br />

Diese frühen Jahre im Leben des Pyrrhus zeigen<br />

die damaligen Verhältnisse in der hellenistischen<br />

Welt recht deutlich. Das Leben der<br />

Könige ist <strong>von</strong> Verrat und ständigen Machtkämpfen<br />

geprägt, und in dieser Zeit kann<br />

ein fähiger und rücksichtsloser Mann über<br />

Nacht ein Königreich erwerben, es aber genau<br />

so schnell wieder verlieren. Nach seiner<br />

Flucht zieht es Pyrrhus zunächst zu dem ihm<br />

charakterlich sehr ähnlichen Demetrios I.<br />

Poliorketes, dem Sohn des Antigonos I. Monophthalmos.<br />

An dessen Seite kämpft er bei<br />

der Schlacht <strong>von</strong> Ipsos und trotz, oder besser<br />

gesagt genau wegen, dieser Niederlage lernt<br />

er eine grundlegende Taktik zum Einsatz<br />

<strong>von</strong> Elefanten, die er später gegen die Römer<br />

anwenden wird. Danach geht Pyrrhus an den<br />

Hof des ägyptischen Königs Ptolemäus I.,<br />

wo er sehr beliebt ist. Mit dessen Hilfe erlangt<br />

Pyrrhus erneut den Thron <strong>von</strong> Epirus,<br />

den er sich aber zunächst mit Neoptolemos II.,<br />

einem anderen Anwärter, teilen muss. Bis<br />

295 v. Chr. ist dieser ausgeschaltet, und Pyrrhus<br />

herrscht allein über Epirus. Er baut das<br />

bis dahin unbedeutende Ambrakia zu einer<br />

prächtigen Hauptstadt mit Akropolis, Königsburg,<br />

Theatern und Tempeln der Athene<br />

und Artemis aus. Daneben fördert er in seinem<br />

gesamten Reich den Bau <strong>von</strong> Städten<br />

und Festungsanlagen. Ein friedliches Herrscherleben<br />

ist allerdings nicht im Sinn des<br />

Pyrrhus, und er richtet im Jahr 294 v. Chr. zunächst<br />

seinen Blick auf das benachbarte Makedonien,<br />

das durch innere Wirren geschwächt<br />

ist. Hier kann er einige Gebiete erringen<br />

und kämpft dann gegen seinen<br />

ehemaligen Verbündeten Demetrios I. Poliorketes,<br />

den neuen Herrscher <strong>von</strong> Makedonien.<br />

Pyrrhus kann zwar Thessalien erobern,<br />

wird aber schließlich vom Nachfolger<br />

des Demetrios zurückgedrängt.<br />

EIN LEBEN FÜR DEN KRIEG: König<br />

Pyrrhus inszeniert sich als „neuer Alexander“<br />

– und wie sein Vorbild stürzt<br />

er sich in zahlreiche Schlachten. Das<br />

Bild zeigt Pyrrhus bei der Erstürmung<br />

der griechischen Stadt Eryx (Sizilien),<br />

an vorderster Front kämpfend. Der legendäre<br />

Hannibal soll in später für den<br />

besten Feldherren – neben Alexander –<br />

gehalten haben! Zeichnung: Johnny Shumate<br />

Der Traum vom Großreich<br />

Pyrrhus erkennt, dass er in Griechenland<br />

nicht mehr viel gewinnen kann und richtet<br />

daher seinen Blick nach Westen auf das griechische<br />

Süditalien und Sizilien. Offenbar<br />

träumt er <strong>von</strong> einem Reich, das sich <strong>von</strong><br />

Eine Name wie „Donnerhall“<br />

Pyrrhus gehört zu den populärsten Gestalten<br />

des Altertums und steht in einer<br />

Reihe mit Alexander, Hannibal und<br />

Caesar. Er ist ein erfahrener Feldherr<br />

und beschäftigt sich intensiv mit Themen<br />

wie Taktik und Strategie. Sein<br />

ereignisreiches Leben gäbe Stoff für<br />

mehrere Hollywood-Filme. Antike<br />

Porträt-Büste mit Helm.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Clausewitz 1/2014<br />

75


Feldherren<br />

Süditalien über Sizilien bis über die Küsten<br />

Nordafrikas erstrecken soll. Den Vorwand<br />

für sein Eingreifen bietet ein Hilferuf der<br />

Stadt Tarent, die sich der Bedrohung durch<br />

das expandierende Rom ausgesetzt sieht. Im<br />

Jahr 281 setzt Pyrrhus mit einem Heer <strong>von</strong><br />

25.000 Infanteristen, 3.000 Kavalleristen und<br />

20 Kriegselefanten nach Italien über und organisiert<br />

energisch die Verteidigung Tarents.<br />

Dann stellt er sich 280 v. Chr. dem heranziehenden<br />

römischen Heer entgegen und<br />

nimmt bei Heraclea die Schlacht an. Ihm gegenüber<br />

steht die seit dem 4. Jahrhundert v.<br />

Chr. reorganisierte römische Armee, die sich<br />

<strong>von</strong> der alten aus Griechenland stammenden<br />

Hoplitentaktik verabschiedet hat. Die neuartige<br />

Manipulartaktik, benannt nach der<br />

kleinsten als Manipel (etwa 120 Mann) bezeichneten<br />

taktischen Einheit, ist wesentlich<br />

flexibler als die starre griechische Phalanx.<br />

Die neue römische Schlachtordnung besteht<br />

aus drei Linien, die sich jeweils aus den gepanzerten<br />

und mit großen Schilden versehenen<br />

hastati, principes und triarii zusammensetzen.<br />

Vor diesen bewegt sich ein Schirm<br />

aus den leichtbewaffneten velites,<br />

die den Feind mit Wurfspeeren<br />

angreifen. Pyrrhus hingegen<br />

verfügt mit seiner kriegserfahrenen<br />

Phalanx makedonischen Typs über eine<br />

wesentlich anders geartete schwere Infanterie<br />

als die Römer. Diese versuchen,<br />

die Phalanx durch<br />

einen Hagel <strong>von</strong> Wurfgeschossen aufzubrechen<br />

und dann in die entstandenen Lücken<br />

einzudringen, wo sie als geübte Schwertkämpfer<br />

im Vorteil sind. In späteren ähnlichen<br />

Kämpfen erringen die Römer so ihre<br />

Vorteile, doch gegen Pyrrhus scheint diese<br />

Taktik noch nicht aufzugehen.<br />

AM ENDE SIEGREICH: Die Römische Armee ist bestens ausgebildet und verfügt über ein<br />

Rekrutierungspotenzial, das auch verlustreiche Niederlagen langfristig überstehen kann.<br />

Unser Bild zeigt einen Zenturio (an den roten Federn zu erkennen) mit Kettenrüstung, Scutum<br />

und Kurzschwert, einen Hastati mit Bronzehelm und weißen Federn, runder Brustplatte,<br />

Beinschiene, Scutum und Kurzschwert (ideal für den Nahkampf) sowie einen Rorarius mit<br />

Wurfspießen und Lederschild.<br />

Zeichnung: Johnny Shumate<br />

Blutige Siege gegen die Römer<br />

Bei Heraclea trennt ein Fluss die beiden Heere,<br />

und die Römer überqueren diesen und<br />

greifen an. Pyrrhus hat seine Elefanten in Reserve<br />

gehalten, und als die Schlacht hin und<br />

her wogt, setzen die Römer ihre Kavallerie<br />

76


Scheitern an der römischen Militärmaschinerie<br />

„Wenn ich noch in einer weiteren Schlacht gegen die<br />

Römer den Sieg da<strong>von</strong>trage, wird nicht ein einziger<br />

der Soldaten, die mit mir [nach Italien, Anm. d. Autors]<br />

übergesetzt sind, übrigbleiben.“<br />

ein, um Pyrrhus in den Rücken zu fallen.<br />

Dies ist die Stunde der Elefanten: Sie versetzen<br />

die römische Kavallerie in Panik und fallen<br />

dann der römischen Schlachtordnung in<br />

die Flanke. Damit ist der Sieg für Pyrrhus sicher,<br />

doch seine eigenen schweren Verluste<br />

<strong>von</strong> etwa 4.000 Mann machen ihn zu einem<br />

teuer erkauften „Pyrrhussieg“. Der Ruf <strong>von</strong><br />

Pyrrhus nach Diodorus Siculus<br />

König Pyrrhus erlebt damit einen gewaltigen<br />

Aufschwung, und zahlreiche italische<br />

Stämme und griechische Städte gehen zu<br />

ihm über. Er hofft auf einen Friedenschluss<br />

mit Rom und zieht bis vor die Stadt, die er<br />

aber nicht erobern kann. Im Jahr 279 v. Chr.<br />

trifft Pyrrhus mit seinem durch zahlreiche<br />

Verbündete vergrößerten Heer bei Asculum<br />

erneut auf die Römer. In einer gewaltigen<br />

zweitägigen Schlacht gelingt es ihm schließlich<br />

die Oberhand zu behalten - doch erneut<br />

mit dem Opfer größter eigener Verluste. Bei<br />

der Betrachtung der Umstände, unter denen<br />

Pyrrhus seine Siege erringt, sind die Parallelen<br />

zu dem nicht minder berühmten karthagischen<br />

Feldherrn Hannibal deutlich zu erkennen.<br />

Beide erkämpfen gegen Rom bedeutende<br />

militärische Siege, die für die Römer<br />

extrem verlustreich sind. Dennoch sind diese<br />

weit da<strong>von</strong> entfernt, sich geschlagen zu<br />

geben, und es gelingt ihnen, ihre Ausfälle<br />

auszugleichen, durch einen zähen Abnut-<br />

UNDURCHDRINGLICHER LANZENWALD: Gegen<br />

eine gut aufgestellte Phalanx (makedonischen<br />

Typs) kommen die römischen Legionäre<br />

zunächst nicht an. Bei Heraclea in Süditalien<br />

ist Pyrrhus damit siegreich – die flexibleren<br />

Römer können ihre Trümpfe auf dem Schlachtfeld<br />

noch nicht ausspielen. Die<br />

nach oben gerichteten<br />

Lanzen der hinteren<br />

Reihen wehren Wurfgeschosse<br />

ab. Abb.:<br />

akg-images/Peter Connolly<br />

FAKTEN<br />

Die Großmächte des Mittelmeerraumes zur Zeit des Pyrrhus<br />

Die Feldzüge Alexanders des Großen hatten<br />

die politische Lage im Mittelmeerraum grundsätzlich<br />

verändert. Nach seinem Tod teilen<br />

seine Generäle das Reich unter sich auf, wobei<br />

es unter ihnen und ihren Nachfolgern zu<br />

andauernden Kämpfen um territoriale Ansprüche<br />

kommt, die unter ständig wechselnden<br />

Koalitionen ausgefochten werden. Im Osten<br />

schälen sich schließlich drei Großmächte heraus:<br />

Das Ptolemäerreich in Ägypten und Zypern,<br />

das Reich der Seleukiden im Vorderen<br />

Orient und das Reich der Antigoniden in Makedonien.<br />

Im übrigen Griechenland entstehen<br />

unter Pyrrhus das kurzlebige Reich <strong>von</strong><br />

Epirus sowie die Bünde der Aitoler und Achäer,<br />

die zusammen mit Sparta in dem dortigen<br />

Kräftespiel konkurrieren. Im westlichen Mittelmeerraum<br />

stellen sich die Machtverhältnisse<br />

ganz anders dar. In Süditalien und Sizilien<br />

existieren zahlreiche griechische Stadtstaaten,<br />

die sich zwar untereinander bekämpfen,<br />

doch gegen äußere Feinde meist<br />

zusammenschließen. In Süditalien sind dies<br />

zunächst die dortigen italischen Stämme, wie<br />

Samniten und Lukaner, die aber selbst zunehmend<br />

unter den Druck des aufstrebenden<br />

Rom geraten. Dieses setzt sich auch gegen<br />

Latiner, Etrusker und Kelten durch und wird<br />

somit in Italien zur vorherrschenden Großmacht.<br />

Auf Sizilien sehen sich die Griechen<br />

der See- und Handelsmacht Karthago gegenüber.<br />

Diese beherrscht den Westen der Insel,<br />

weite Teile Nordafrikas und die Küstenregionen<br />

Südostspaniens, Korsikas und Sardiniens<br />

und soll bald nach dem Tod des Pyrrhus<br />

zum gefährlichsten Gegner Roms werden.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

77


Feldherren<br />

zungskrieg die Vorteile des Gegners zu neutralisieren<br />

und letztendlich so auch den<br />

Krieg zu gewinnen. Nachdem er erkennt,<br />

dass ein Sieg gegen Rom nicht in greifbarer<br />

Nähe liegt, versucht Pyrrhus eine politisch<br />

ausgewogene Lösung und einen Ausgleich<br />

mit Rom für sich und seine italisch-griechischen<br />

Verbündeten zu finden, während<br />

die unbeugsamen Römer sich mit nicht weniger<br />

als der Unterwerfung ihrer Gegner zufrieden<br />

geben wollen.<br />

Kriegszug nach Sizilien<br />

Die Friedensverhandlungen mit Rom führen<br />

zu keinem Ergebnis, und Pyrrhus ergreift<br />

schließlich die Gelegenheit und folgt 278 v.<br />

Chr. einem Hilferuf der sizilischen Griechen.<br />

Diese sehen sich nämlich einer bedrohlichen<br />

Allianz aus einheimischen Stämmen und<br />

den Karthagern gegenüber. Pyrrhus setzt mit<br />

seinem Heer <strong>von</strong> der Südspitze Italiens nach<br />

Sizilien über, und er wird dort begeistert<br />

empfangen. Auch hier treibt er seinen Feldzug<br />

mit der ihm üblichen Energie voran und<br />

erobert entlang der Südküste Siziliens Stadt<br />

um Stadt <strong>von</strong> den Karthagern zurück. Diesen<br />

bleibt schließlich nur noch das schwer<br />

befestigte Lilybaeum, das sie dank ihrer<br />

Überlegenheit zur See ungehindert mit Waffen,<br />

Soldaten und Lebensmitteln versorgen<br />

können.<br />

Um in den Besitz der Stadt zu gelangen,<br />

müsste Pyrrhus zwar eine langwierige <strong>Belagerung</strong><br />

in Kauf nehmen, doch bei einem Erfolg<br />

wären die Karthager wahrscheinlich für<br />

immer aus Sizilien vertrieben. Doch Pyrrhus<br />

bricht die mühsame <strong>Belagerung</strong> ab und<br />

plant stattdessen einen direkten Angriff auf<br />

die nordafrikanischen Territorien Karthagos.<br />

HINTERGRUND<br />

Die erste Bekanntschaft mit den grauen<br />

Kampfkolossen machen die Soldaten Alexanders<br />

des Großen bei ihren Kämpfen in<br />

Nordwestindien gegen den indischen König<br />

Porus. Sichtlich beeindruckt <strong>von</strong> deren<br />

Kampfkraft, setzen die nachfolgenden hellenistischen<br />

Herrscher alles daran, diese<br />

„Wunderwaffe“ ebenfalls in ihr Arsenal aufzunehmen.<br />

Bald finden sich indische und afrikanische<br />

Kriegselefanten im Mittelmeerraum<br />

bis zum zweiten Jahrhundert v. Chr. als<br />

Teil der dortigen Heere. Die Elefanten, die<br />

neben ihrem Mahout bald mit einem <strong>von</strong> zwei<br />

oder drei Mann besetzten Schlachtturm sowie<br />

gelegentlich auch einer Körperpanzerung<br />

versehen sind, haben vor allem gegenüber<br />

Truppen, die ihnen zum ersten Mal gegenüber<br />

stehen, eine beträchtliche Wirkung.<br />

Ebenso verhält es sich mit den Pferden der<br />

feindlichen Kavallerie, die beim Anblick der<br />

riesigen Tiere scheuen und nicht mehr zum<br />

Dafür fordert er <strong>von</strong> seinen Verbündeten eine<br />

Flotte, die diese jedoch nicht bereit sind<br />

aufzustellen. Gleichzeitig rufen die despotischen<br />

Allüren des Pyrrhus, die dieser gegenüber<br />

den auf Sizilien beheimateten Griechen<br />

an den Tag legt, zunehmenden Unwillen unter<br />

diesen hervor. Dies veranlasst ihn<br />

schließlich 276/275 v. Chr. zur Rückkehr<br />

nach Italien. Dort ist er sofort in Kämpfe mit<br />

abgefallenen Verbündeten verstrickt, und<br />

auch die Römer haben den Kampf noch nicht<br />

aufgegeben. Pyrrhus plagen inzwischen<br />

Nachschub- und Geldsorgen sowie die<br />

Kriegsmüdigkeit seiner Verbündeten. 275 v.<br />

Chr. trifft er bei Beneventum erneut auf ein<br />

römisches Heer, doch dieses Mal erleidet er<br />

eine knappe Niederlage.<br />

Schriftsteller und Duellant<br />

Pyrrhus ist durch und durch ein Krieger, der<br />

sich auch in den kurzen Ruhepausen zwischen<br />

seinen militärischen Abenteuern ausschließlich<br />

mit militärischen Belangen befasst.<br />

Neben seinen Memoiren verfasst er Abhandlungen<br />

über die Kriegskunst, die auch<br />

Vorgehen zu bewegen sind. Die Schlachtaufstellung<br />

der Kriegselefanten findet meist vor<br />

der schweren Infanterie oder an den Flanken<br />

bzw. der Reserve statt. Zwischen den Tieren<br />

steht zu deren Schutz leichte Infanterie, da<br />

die Elefanten trotz ihrer Größe relativ leicht,<br />

vor allem durch Geschosse, verwundbar<br />

sind. Verletzte Elefanten brechen jedoch<br />

schnell in Panik aus und sind nicht mehr beherrschbar,<br />

wobei sie auch die eigenen Truppen<br />

niedertrampeln. Zusätzlich entwickelt<br />

man schon bald eine effektive Abwehrtaktik<br />

gegen die Elefanten, zu der Feuer, das Anlegen<br />

<strong>von</strong> Gräben oder das Ausstreuen <strong>von</strong> eisernen<br />

„Krähenfüßen“ gehören. Diese Faktoren<br />

führen dazu, dass der, im Verhältnis zu<br />

deren aufwendiger Beschaffung, Training und<br />

Unterhalt, nicht sehr erfolgreiche Einsatz <strong>von</strong><br />

Kriegselefanten mit dem Untergang der hellenistischen<br />

Reiche im Mittelmeerraum aufhört.<br />

später noch <strong>von</strong> seinen römischen Feinden<br />

mit Bewunderung studiert werden. Leider ist<br />

<strong>von</strong> seinem schriftlichen Werk nichts erhalten<br />

geblieben. Daneben ist Pyrrhus der einzige<br />

hellenistische Herrscher, der die Römer in offener<br />

Feldschlacht besiegt. Persönlich außerordentlich<br />

mutig und ein exzellenter Kämpfer,<br />

führt er seine Truppen „immer <strong>von</strong> der<br />

Front“ aus. Bei der Erstürmung der Stadt<br />

„Wir sehen, dass Könige kein Problem damit haben,<br />

die Seite nach Gutdünken zu wechseln. Dadurch<br />

ahmen sie nur andere Könige nach, die ihre Lehrer in<br />

Treulosigkeit und Verrat sind und sie glauben machen,<br />

dass derjenige die meisten Vorteile besitzt, der die<br />

Gerechtigkeit am wenigsten achtet.“<br />

„Wunderwaffe“ Kriegselefant?<br />

Plutarch, Leben des Pyrrhus<br />

Eryx auf Sizilien erklimmt er persönlich als<br />

erster die Sturmleitern und bahnt seinen<br />

Männern einen Weg auf die Mauer. Er geht<br />

keiner Herausforderung zum Zweikampf<br />

aus dem Weg: Bei den Kämpfen nach seiner<br />

Rückkehr <strong>von</strong> Sizilien stellt er sich einem riesigen<br />

und gut gerüsteten feindlichen Krieger<br />

der Mamertiner, den er in kürzester Zeit bezwingt.<br />

Rasend vor Wut über den Tod seines<br />

Sohnes bei den Kämpfen um Sparta, greift<br />

Pyrrhus die ihn verfolgenden Spartaner an<br />

und tötet persönlich den gegnerischen Befehlshaber<br />

samt dessen Leibwache. Der militärische<br />

Ruf <strong>von</strong> Pyrrhus ist in der Antike sogar<br />

noch größer als der <strong>von</strong> Hannibal, und es<br />

gibt eine Legende, nach der Hannibal bei der<br />

Frage nach den größten Feldherren als ersten<br />

Alexander den Großen, dann Pyrrhus und<br />

schließlich erst sich selbst nannte.<br />

Tod im Straßenkampf<br />

Nach seinen Misserfolgen in Italien und Sizilien<br />

zieht sich Pyrrhus im Jahr 275 v. Chr.<br />

nach Epirus zurück und mischt sich bald darauf<br />

in die innergriechischen Machtkämpfe<br />

ein. Zunächst kann er sich gegen den makedonischen<br />

König Antigonos II. Gonatas<br />

durchsetzen und fast ganz Makedonien in<br />

seinen Besitz bringen. Dann folgt Pyrrhus im<br />

Jahr 272 v. Chr. einem Hilferuf aus Sparta,<br />

indem er zunächst vorgibt, einen der dortigen<br />

Thronanwärter zu unterstützen. Überraschenderweise<br />

greift er aber die Stadt Sparta<br />

direkt an – doch der energische Widerstand,<br />

bei dem auch einer seiner Söhne fällt, zwingt<br />

Pyrrhus schließlich zum Rückzug. Da bietet<br />

sich ihm erneut eine weitere Chance: Innere<br />

Zwistigkeiten erschüttern die Stadt Argos,<br />

und eine der beiden Parteien bittet Pyrrhus<br />

78


Tragisches Ende eines kämpfenden Königs<br />

FAKTEN<br />

Wichtige Schlachten<br />

301 v. Chr. Schlacht bei Ipsus (Kleinasien)<br />

280 v. Chr. Schlacht bei Heraclea (Süditalien)<br />

279 v. Chr. Schlacht bei Asculum (Süditalien)<br />

275 v. Chr. Schlacht bei Beneventum (Südtitalien)<br />

272 v. Chr. Angriff auf Sparta<br />

272 v. Chr. Kampf um Argos<br />

um seine Hilfe. Dieser marschiert mit seinem<br />

Heer nach Argos und schleust nachts seine<br />

keltischen Söldner in die Stadt ein, um die<br />

Tore zu öffnen. Da sich diese für die<br />

Schlachttürme der Kriegselefanten als zu<br />

niedrig erweisen, verliert Pyrrhus wertvolle<br />

Zeit und gleichzeitig das Überraschungsmoment.<br />

Es kommt zu einer nächtlichen Straßenschlacht,<br />

bei der die Truppen <strong>von</strong> Pyrrhus<br />

vollständig den Überblick verlieren. Am<br />

nächsten Tag setzen sich die Kämpfe fort. Es<br />

herrscht Chaos und dieses wird durch einen<br />

in Panik geratenen Elefanten noch verschlimmert.<br />

Ein <strong>von</strong> einem Dach geschleuderter<br />

Ziegel wirft König Pyrrhus schließlich<br />

vom Pferd, und er wird anschließend <strong>von</strong> einem<br />

feindlichen Kämpfer enthauptet. Mit<br />

seinem Tod finden auch seine weitreichenden<br />

Ambitionen ein Ende. Insgesamt gesehen<br />

hat Pyrrhus zwar Epirus kurzfristig<br />

in den Rang einer Großmacht<br />

erhoben, doch es fehlt ihm an Beständigkeit<br />

zur Ausnutzung seiner Erfolge.<br />

Stellt sich ihm ein zu hartnäckiger<br />

Widerstand in den Weg, wie bei der<br />

<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Lilybaeum, so zieht er<br />

sofort ein leichter erreichbares Ziel in<br />

Betracht. Sein Gegner Antigonos II.<br />

Gonatas vergleicht Pyrrhus mit einem<br />

Würfelspieler, dessen Würfe zwar<br />

glücklich sind, der diese aber nicht zu<br />

nutzen weiß. Bald nach dem Tod<br />

<strong>von</strong> Pyrrhus fällt Epirus wieder<br />

in die politische Bedeutungslosigkeit<br />

zurück, und es wird<br />

kurz nach 168 v. Chr. <strong>von</strong> den<br />

Römern erobert.<br />

Diese haben die Bedrohung durch<br />

Pyrrhus nie vergessen, und<br />

sie rächen sich mit einer weitgehenden<br />

Zerstörung des<br />

Landes, wobei ein Großteil<br />

der Bevölkerung in die<br />

Sklaverei gerät.<br />

BEEINDRUCKENDE<br />

STREITMACHT: Pyrrhus<br />

verfügt über eine höchst<br />

professionelle Armee, die<br />

den Römern einiges abverlangt.<br />

Das Bild zeigt einen<br />

Kriegselefanten mit indischem<br />

Mahout. Die Fußsoldaten<br />

im Vordergrund<br />

sind – <strong>von</strong> links nach<br />

rechts – ein Phalangit mit<br />

Sarissa (Stoßlanze) und<br />

Bronzeschild, ein Samnite<br />

mit Speer, Hoplon (Schild)<br />

und Italischem Helm mit<br />

Federn sowie ein keltischer<br />

Krieger aus Galatien<br />

mit Langschwert und flachem,<br />

ovalem Schild (Thureos).<br />

Zeichnung: Johnny Shumate<br />

Otto Schertler, Jg. 1962, studierte<br />

Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte<br />

an der Universität München.<br />

Er lebt und arbeitet als Autor und Übersetzer<br />

in München mit den Schwerpunkten Archäologie,<br />

Militärgeschichte und Geschichte.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

79


Museen & Militärakademien<br />

Royal Air Force Museum Laarbruch-Weeze<br />

Das Einzige seiner Art<br />

Am Standort des Flughafens Airport Weeze besteht seit 2007 ein RAF-Museum. Es ist<br />

das Einzige in Deutschland und gewährt tiefe Einblicke in die wechselvolle Geschichte<br />

des ehemaligen Militärstandortes.<br />

Von Bernd-Rüdiger Ahlbrecht<br />

In Laarbruch waren <strong>von</strong> 1954 bis 1999 fliegende<br />

Einheiten der „Royal Air Force<br />

Germany“, in der Anfangszeit auch Einheiten<br />

der „Royal Netherlands Air Force“<br />

(RNLAF), stationiert.<br />

Während der Zeit des Kalten Krieges beherbergte<br />

der Standort bis zu jeweils 4.000<br />

britische Soldaten und deren Angehörige<br />

(insgesamt circa 6.000) sowie etwa 400 deutsche<br />

Zivilbeschäftigte.<br />

Bereits im März 1945 waren in Durchführung<br />

der alliierten Operationen „Veritable“,<br />

„Grenade“ und „Varsity“ Kampfflugzeuge<br />

vom Typ „Spitfire“ und „Typhoon“ der RAF<br />

und der RCAF (Royal Canadian Air Force)<br />

für wenige Monate stationiert und flogen<br />

Luftunterstützung. Dieser Feldflugplatz war<br />

das erste britische Airfield auf deutschem<br />

Boden und trug die Bezeichnung B.100.<br />

Zahlreiche Kontakte zum benachbarten Weeze<br />

sowie nach Goch, Uedem und Kevelaer<br />

förderten schrittweise nach 1954 den engen<br />

Zusammenhalt zwischen Militär und Zivilbevölkerung.<br />

Dies dokumentierte sich unter anderem<br />

in der Verleihung des Ehrenrechts<br />

„Freedom of the Town“ an die britische Garnison<br />

am 13. Juli 1974 – erstmals außerhalb<br />

der Grenzen des britischen Königreichs und<br />

damit auch erstmalig in Deutschland.<br />

Der endgültige Abzug der Briten im Jahr<br />

1999 war ein schwerer Schlag für die regionale<br />

Wirtschaft und konnte auch durch eine<br />

Petition der Gemeinde an das britische Unterhaus<br />

nicht aufgehalten werden. Etwa 150<br />

Briten fanden aber hier nach Beendigung ihrer<br />

Dienstzeit ihren neuen Lebensmittelpunkt.<br />

Ihnen und dem Engagement historisch<br />

interessierter Bürger aus Weeze und seiner<br />

Umgebung ist es zu verdanken, dass 2006<br />

ein Verein gegründet wurde, der die Erinnerung<br />

an diesen Teil britisch-deutscher Geschichte<br />

bewahren möchte. In der ehemaligen<br />

anglikanischen Kirche des vollständig<br />

erhalten gebliebenen Militärstandortes fand<br />

die museale Sammlung ihr Domizil. Sie umfasst<br />

mehr als 2.000 Exponate. Mittlerweile<br />

steht auch das ehemalige Sparkassengebäu-<br />

KONTAKT<br />

Royal Air Force Museum<br />

Laarbruch-Weeze e. V.<br />

Flughafenring 6, D-47652 Weeze<br />

Tel.: 02837-8290<br />

www.laarbruch-museum.net<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mai bis September<br />

Mi bis So <strong>von</strong> 14:00–17:00 Uhr<br />

Gruppen nach Vereinbarung auch außerhalb<br />

dieser Öffnungszeiten<br />

Oktober bis April<br />

Fr, Sa, So <strong>von</strong> 14:00–17:00 Uhr<br />

NAHAUFNAHME:<br />

Blick in das Cockpit<br />

der im Inneren<br />

des RAF-Museums<br />

ausgestellten<br />

„Buccaneer“. In<br />

RAF Laarbruch waren<br />

zahlreiche verschiedene<br />

Flugzeugtypen<br />

stationiert.<br />

Foto: Steve Freienstein<br />

80


DREIGETEILT: Gesamtansicht des RAF-<br />

Museums, links das Zentralgebäude, in<br />

der Mitte das ehemalige Sparkassengebäude<br />

mit der Ausstellung zum RAF-Regiment,<br />

rechts das ehemalige Kino „astra“.<br />

Foto: Steve Freienstein<br />

BODEN-LUFT-RAKETE: „Rapier System“ des RAF-Regiments im ehemaligen Sparkassengebäude.<br />

Das Waffensystem wurde zur Flugplatzverteidigung eingesetzt. Foto: Steve Freienstein<br />

de – hier wird die Geschichte des RAF-Regiments<br />

der Airbase gezeigt – zur Verfügung.<br />

Als Großexponate werden Cockpitsektionen<br />

einer „Buccaneer“ und einer „Canberra“<br />

gezeigt. Startanlagen für Boden-Luft-Raketen<br />

„Bloodhound“ und „Rapier“ – beide<br />

dienten der bodengebundenen Luftverteidigung<br />

des Platzes – runden dieses Bild nahezu<br />

ab. Etwas „aus dem Rahmen“ fällt dabei<br />

eine russische 14,5-mm-Vierlings-Flak ZPU,<br />

die als Beutestück aus dem ersten Irakkrieg<br />

ebenfalls im Freigelände präsentiert wird.<br />

Das letztere Exponat weist auf den Einsatz<br />

britischer Jagdbomber aus Weeze in diesem<br />

Krieg hin. Zumindest in Originalaufnahmen<br />

wird im Film an diese Zeit wie auch<br />

an zahlreiche militärische Aktivitäten am<br />

Platz selbst erinnert.<br />

Der Museumsverein hofft, in absehbarer<br />

Zeit zumindest ein Exemplar der hier ehemals<br />

stationierten Luftfahrzeuge ausstellen<br />

zu können. Beginnend mit der Geschichte<br />

des britischen Feldflugplatzes im Jahr 1945<br />

und einer Dokumentation zur Errichtung<br />

des RAF-Fliegerhorstes ab dem Jahr 1953<br />

wird mit vielen einzelnen Exponaten die<br />

Entwicklung des Standortes Laarbruch, seine<br />

Belegung mit Geschwadern und Staffeln<br />

der RAF und das Leben innerhalb der Um-<br />

ÜBERSICHT<br />

RAF Laarbruch (1954–1999)<br />

Auf der britischen Airbase stationierte Flugzeugtypen (Auswahl):<br />

DETAILGETREU: Modell einer zweistrahligen„Canberra“<br />

der Royal Air Force in der<br />

Splitterbox.<br />

Foto: Steve Freienstein<br />

zäunung, aber auch die enge Verbindung zur<br />

Gemeinde Weeze und zur Stadt Goch dokumentiert.<br />

Eine erhebliche Anzahl der länger<br />

dienenden Angehörigen der britischen<br />

Streitkräfte lebte mit ihren Familien in diesen<br />

und weiteren umliegenden Orten.<br />

Mit Sonderausstellungen zu verschiedenen<br />

Themen, wie zum Beispiel „Briten, Bier<br />

und Barbecue“ oder „Love is in the air“ wurde<br />

vorrangig an eine Zeit erinnert, als die<br />

ehemaligen Besatzer längst zu Freunden geworden<br />

waren.<br />

Auch heute noch ist das Museum ein Ort<br />

des Wiedersehens und der Erinnerung an<br />

„alte Zeiten“, nicht nur der damals hier Tätigen,<br />

sondern auch schon für deren Kinder<br />

UNGEWÖHNLICH: Darstellung des Ausschusses<br />

eines Piloten mit dem Schleudersitz.<br />

Foto: Steve Freienstein<br />

und Enkel. Natürlich fehlt auch eine Dokumentation<br />

der Besuche der Mitglieder des<br />

britischen Königshauses, an der Spitze<br />

Queen Elizabeth, nicht.<br />

Der Standort Laarbruch war nahezu über<br />

alle Jahre hinweg „Heimat“ für Tiefangriffsund<br />

Aufklärungsflugzeuge, die das Geschehen<br />

auf, über und um den Platz herum dominierten.<br />

Extreme Tiefflüge zu jeder <strong>Tage</strong>sund<br />

Nachtzeit waren an der <strong>Tage</strong>sordnung.<br />

Heute bestimmen die Verkehrsflugzeuge<br />

<strong>von</strong> Ryanair, Air Berlin, Transavia und tailwind<br />

das Bild. Von hier aus wurden im Sommerflugplan<br />

2013 insgesamt 59 Ziele in Europa,<br />

Asien und Afrika angeflogen. Trotz<br />

dieses hohen Flugaufkommens hat sich im<br />

Vergleich zur Zeit der militärischen Nutzung<br />

die Belastung für die Bevölkerung deutlich<br />

reduziert.<br />

■ Canberra PR.3 / 7 / B(I)8 / T.4<br />

■ Meteor FR.9 / PR.10 / NF 11<br />

■ F-84E / RF-84F / RT-33 / T-6 (RNLAF)<br />

■ Javelin FAW.5<br />

■ Buccaneer S.2B<br />

■ Phantom FGR.2<br />

■ Hunter T.7B<br />

■ Jaguar GR.1A / T.2<br />

■ Tornado GR.1/GR.1A<br />

■ Harrier GR.7 / T.10<br />

Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht, Jg. 1944, Studium an<br />

der Militärakademie Dresden, Soziologie. Marineoffizier<br />

a.D., Promotion 1988 zum Dr. phil. (Geschichte).<br />

Zu den Themenschwerpunkten zählen deutsche Luftfahrt-<br />

und Marinegeschichte.<br />

Clausewitz 1/2014<br />

81


<strong>Vorschau</strong><br />

Nr. 17 | 1/2014 | Januar-Februar | 4.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

Fax +49 (0) 89.130699.700<br />

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Redaktion Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Markus Wunderlich (Redaktionsleiter)<br />

Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder,<br />

Dr. Peter Andreas Popp<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

Leserservice<br />

Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)<br />

Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.)<br />

leserservice@geramond.de<br />

Deutsch-Dänischer Krieg 1864<br />

150. Jahrestag der Entscheidung bei den Düppeler Schanzen<br />

18. April 1864: Preußische Truppen erstürmen die gut ausgebauten dänischen<br />

Stellungen bei Düppel nahe Sonderburg. Die Dänen erleiden eine empfindliche<br />

Niederlage im militärischen Konflikt um das alte Herzogtum Schleswig, das<br />

schließlich an Preußen fällt.<br />

Jom-Kippur-Krieg<br />

Überraschungsangriff auf Israel<br />

1973: Eine Attacke Ägyptens und<br />

Syriens endet für Israel beinahe in<br />

einem Desaster. Doch der kleine<br />

Staat kann schließlich zurückschlagen<br />

und seine Fehler vom Beginn des<br />

Krieges tilgen. Am Ende steht ein<br />

Friedensvertrag, bei dem beide<br />

Seiten ihr Gesicht wahren können.<br />

Gesamtanzeigenleitung<br />

Helmut Kramer<br />

Tel. +49 (0) 89.13 06 99.270<br />

helmut.kramer@verlagshaus.de<br />

Anzeigenleitung<br />

Helmut Gassner<br />

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helmut.gassner@verlagshaus.de<br />

Anzeigenverkauf und Disposition<br />

Johanna Eppert<br />

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johanna.eppert@verlagshaus.de<br />

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 21 vom 1.1.2014.<br />

Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Infanteriestraße 11a,<br />

80797 München<br />

www.geramond.de<br />

Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />

Herstellungsleitung Sandra Kho<br />

Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

SCHIFFClassic<br />

Fotos: picture-alliance/akg-images, picture-alliance/dpa, picture-alliance/akg-images<br />

Augustus<br />

Erster Kaiser Roms<br />

14 n. Chr.: Der Todestag Octavians (seit 27 v. Chr.<br />

„Augustus“) jährt sich 2014 zum zweitausendsten Mal.<br />

Der Großneffe Caesars besiegt bei Actium Marc Anton<br />

und Kleopatra, ist Oberbefehlshaber einer schlagkräftigen<br />

Berufsarmee und festigt durch strategische Expansionen<br />

das gewaltige Imperium Romanum.<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Dieppe 1942. Alliierter Fehlschlag in Nordfrankreich.<br />

„Panzerjäger“. Gefürchtete Jagdpanzer der Wehrmacht.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten<br />

Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

<strong>von</strong><br />

erscheint<br />

am 3. Februar 2014.<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausland zzgl. Versandkosten<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />

in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />

Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />

sowie direkt beim Verlag.<br />

ISSN 2193-1445<br />

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für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />

für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />

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Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />

aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />

Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />

Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung<br />

über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />

die militärhistorische und wissenschaftliche<br />

Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft<br />

kopiert und sie propagandistisch im Sinne <strong>von</strong><br />

§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />

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100%-Gesellschafterin der GeraMond Verlag GmbH ist<br />

die GeraNova Bruckmann Verlagshaus GmbH. Geschäftsführender<br />

Gesellschafter: Clemens Schüssler.<br />

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Die Geschichte der<br />

deutschen Großmacht.<br />

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Präzision in ihrer schönsten<br />

Form: Die Uhr für jeden,<br />

der unser Land liebt!<br />

Herren-Chronograph aus<br />

Stainless-Steel mit Uhrenglas<br />

aus Mineralglas und hochwertigem<br />

Edelstahlarmband<br />

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Zeitlich begrenztes Angebot: Antworten Sie bis zum 20. Januar 2014<br />

Ja, ich reserviere die Armbanduhr „Geliebtes Deutschland“!<br />

Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen:<br />

Vorname/Name<br />

Straße/Nummer<br />

PLZ/Ort<br />

Geburtsdatum<br />

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In einer edlen<br />

Geschenkbox mit<br />

Echtheits-Zertifikat<br />

Das Angebot ist limitiert – Reservieren Sie noch heute!<br />

Unterschrift<br />

Telefon für eventuelle Rückfragen<br />

Bitte gewünschte Zahlungsart ankreuzen():<br />

Ich zahle den Gesamtbetrag nach Erhalt der Rechnung<br />

Ich zahle in drei bequemen Monatsraten<br />

Ich zahle per Kreditkarte MasterCard VisaCard<br />

Kreditkarten-<br />

Nummer:<br />

Gültig bis:<br />

(MM/JJ)<br />

Bitte einsenden an: THE BRADFORD EXCHANGE<br />

Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark<br />

Österreich: Senderstr. 10 • A-6960 Wolfurt • Schweiz: Jöchlerweg 2 • CH-6340 Baar<br />

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Es gibt viele Gründe auf unser Land, unsere Kultur und<br />

unsere Sportler stolz zu sein. Zeigen Sie Ihren Stolz und<br />

tragen Sie eine ebenso patriotische wie maskuline und hochwertige<br />

Armbanduhr, die nun exklusiv bei The Bradford Exchange<br />

erscheint: der edle Chronograph „Geliebtes Deutschland“!<br />

Ein kostbares Meisterwerk der<br />

Uhrmacherkunst<br />

Das dunkle Zifferblatt zeigt den majestätischen Bundesadler, als<br />

Relief. Das Schwarz-Rot-Gold Deutschlands am 24-Stundenanzeiger,<br />

sowie die Randgravur „Einigkeit und Recht und<br />

Produkt-Nr.: 522-B1012.01<br />

Gesamtlänge: ca. 21 cm,<br />

Ø Uhrengehäuse: ca. 4 cm<br />

Produktpreis: € 149,85<br />

(zahlbar auch in 3 Monatsraten<br />

zu je € 49,95)<br />

zzgl. € 8,95 Versand<br />

Freiheit“ zeugen <strong>von</strong> der Liebe und der Verbundenheit zu unserem Land. Die exklusive<br />

Uhr wurde aus edlem Stainless-Steel gefertigt und läuft mit einem hochwertigen Seiko-<br />

Qualitätsuhrwerk sekundengenau.<br />

Exklusiv bei The Bradford Exchange<br />

Uhrenbetrieb durch eine Knopfzelle<br />

1,55 V vom Typ SR920SW<br />

oder vergleichbaren Modellen<br />

(nicht im Lieferumfang enthalten)<br />

Die edle Herren-Armbanduhr „Geliebtes Deutschland“ erscheint ausschließlich bei<br />

The Bradford Exchange und ist nicht im Handel erhältlich. Ein Echtheits-Zertifi kat belegt<br />

die Authentizität Ihres Exemplars. Zeigen Sie, dass Sie Ihr Land lieben: reservieren<br />

Sie den Chronographen „Geliebtes Deutschland“ am besten gleich heute!<br />

Internet: www.bradford.de<br />

Nennen Sie bei Online-Bestellung bitte Ihre Referenz-Nummer: 73152<br />

Telefon: 069/1729-7<strong>900</strong><br />

Die Worte „Einigkeit<br />

und Recht und Freiheit”<br />

graviert auf dem<br />

Gehäuserand<br />

©2013 The Bradford Exchange Ltd. • Joh.-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark

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