CLAUSEWITZ 900 Tage Blockade: Belagerung von Leningrad (Vorschau)
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Clausewitz<br />
1/2014 Januar | Februar € 5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Clausewitz<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Militärtechnik<br />
im Detail<br />
T-34/76<br />
<strong>900</strong> <strong>Tage</strong> <strong>Blockade</strong><br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Leningrad</strong><br />
Vietnam<br />
Krieg unter der Erde<br />
Vicksburg 1863<br />
Wendepunkt im<br />
US-Bürgerkrieg<br />
Pyrrhus I.<br />
Er lehrte Rom<br />
das Fürchten<br />
MILITÄR & TECHNIK<br />
An der Innerdeutschen Grenze<br />
Grenztruppen<br />
der DDR<br />
Bundesgrenzschutz<br />
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Legenden<br />
der Lüfte<br />
Jeden Monat<br />
neu am Kiosk!
Editorial<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
die fast <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernde <strong>Belagerung</strong><br />
der Millionenmetropole <strong>Leningrad</strong><br />
durch die Wehrmacht <strong>von</strong> 1941<br />
bis 1944 stellt zweifellos eines der<br />
dramatischsten Kapitel des Zweiten<br />
Weltkriegs dar.<br />
Die Stadt, die heute wieder ihren alten<br />
Namen Sankt Petersburg trägt,<br />
stand seit ihrer Einschließung im September<br />
1941 in einem brutalen Überlebenskampf,<br />
den unzählige<br />
Zivilisten und<br />
Soldaten nicht<br />
überstanden.<br />
<strong>Leningrad</strong> wurde<br />
zum millionenfachen<br />
Massengrab.<br />
Während der<br />
zweieinhalbjährigen<br />
<strong>Belagerung</strong> spielten sich erschütternde<br />
Szenen ab.<br />
In ihrem viel beachteten Buch „Blokada“<br />
schildert die Osteuropaexpertin<br />
und Journalistin Anna Reid das unfassbare<br />
Leid der Menschen – vor allem<br />
der Zivilbevölkerung – anhand <strong>von</strong> Zeitzeugenberichten.<br />
Selbst Fälle <strong>von</strong> Kannibalismus<br />
waren keine Seltenheit.<br />
Auch der Kinofilm „<strong>Leningrad</strong> – Die<br />
<strong>Blockade</strong>“ aus dem Jahr 2009 mit<br />
dem bekannten deutschen Schauspieler<br />
Armin Mueller-Stahl und die<br />
nach der Stadt an der Newa benannte<br />
Ballade des berühmten US-amerikanischen<br />
Sängers Billy Joel befassen<br />
sich mit diesem Kriegsschauplatz.<br />
Dennoch: In Deutschland fand dieses<br />
düstere Kapitel bisher eher wenig<br />
Beachtung – besonders im Vergleich<br />
zu „Stalingrad“ oder zur „Schlacht<br />
um Moskau“.<br />
In Russland dagegen ist die <strong>Belagerung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> auch 70 Jahre<br />
nach Ende der Kämpfe tief im kollektiven<br />
Gedächtnis verankert. Die enorme<br />
Leidensfähigkeit der Einwohner<br />
steht heute symbolhaft für den unerschütterlichen<br />
Widerstandswillen der<br />
russischen Bevölkerung während des<br />
Zweiten Weltkrieges.<br />
Eine erkenntnisreiche Lektüre<br />
wünscht Ihnen<br />
Dr. Tammo Luther<br />
Verantwortlicher Redakteur<br />
P.S.: Als besonderes Extra liegt<br />
diesem Heft das <strong>CLAUSEWITZ</strong>-<br />
Kalenderposter 2014 bei!<br />
NEUE SERIE<br />
6. Folge<br />
Krieger, Söldner & Soldaten<br />
Kommandos im Buschkrieg<br />
Die „Rhodesian Light Infantry“ schlägt schnell und aggressiv zu – dadurch<br />
kann sie den zahlenmäßig überlegenen Feind in Schach halten.<br />
Der <strong>von</strong> Weißen beherrschte Süden Rhodesiens<br />
erklärt sich 1965 als unabhängig.<br />
Er wird <strong>von</strong> Südafrika sowie Portugiesisch-Mosambik<br />
unterstützt im sich abzeichnenden<br />
Krieg gegen afrikanische Nationalisten.<br />
Letztere werden <strong>von</strong> Sambia und Tansania<br />
sowie den kommunistischen Mächten China<br />
und UdSSR unterstützt. Als besonders effektiv<br />
im Kampf gegen die – aus weißer Sicht – „Aufständischen“<br />
erweist sich die Rhodesian Light<br />
Infantry (RLI). Das Regiment wird bereits im Februar<br />
1961 gegründet und besteht zunächst<br />
ausschließlich aus Berufssoldaten. Erst ab<br />
1973 kommen auch Wehrpflichtige hinzu. Zudem<br />
spielen Ausländer eine so gewichtige Rolle,<br />
dass das Regiment oft mit der Fremdenlegion<br />
verglichen wird. Vor allem Südafrikaner,<br />
Briten und Vietnamveteranen dienen in der RLI.<br />
Für viele <strong>von</strong> ihnen ist der Kampf gegen den<br />
Kommunismus ein Grund beizutreten.<br />
Den Kern bilden kleine Einheiten aus jeweils<br />
zwölf Soldaten. Ein spezielles „Support Commando“<br />
verfügt über je eine Mörser-, Pionier-,<br />
Aufklärungs- und Panzerabwehreinheit.<br />
Das Training der Rekruten findet auf außergewöhnlich<br />
hohem Niveau statt und enthält u.a.<br />
eine Kletterausbildung, Überlebenstraining,<br />
Fährtenlesen und Nahkampf. Außerdem wird<br />
viel Wert auf eigenverantwortliches Handeln<br />
gelegt – eine wichtige Komponente im Buschkrieg,<br />
der weitab vom Hauptquartier und meist<br />
mit sehr kleinen Einheiten über einen langen<br />
Zeitraum stattfindet. Die Soldaten der RLI können<br />
in jedem Gelände kämpfen und sind den<br />
zahlenmäßig überlegenen Rebellen taktisch<br />
stets voraus. Das Kampfkonzept ist so ausgelegt,<br />
dass RLI-Einheiten den Gegner aktiv suchen<br />
und nicht warten, bis er zu ihnen kommt.<br />
Dazu legen die Infanteristen große Strecken zu<br />
Fuß zurück oder verwenden den Hubschrauber<br />
in den großen Weiten des afrikanischen<br />
Buschs. Berühmt ist die „Fireforce“-Taktik: RLI-<br />
Soldaten werden mit Helikoptern möglichst nah<br />
und überraschend an den Gegner herangebracht<br />
und vernichten diesen dann unerbittlich.<br />
Als 1980 die Republik <strong>von</strong> Simbabwe ausgerufen<br />
und Rhodesien zu existieren aufhört,<br />
wird das Regiment offiziell aufgelöst. Bis heute<br />
gilt die RLI als eine der effektivsten Militäreinheiten<br />
der Geschichte - und ist Vorbild für<br />
viele moderne Anti-Terror-Einheiten.<br />
BRUTALER BUSCHKRIEG:<br />
Dieser RLI-Angehörige ist mit<br />
einem FN FAL Sturmgewehr<br />
ausgerüstet und trägt einen<br />
Pilotenoverall, der sich auch im<br />
Infanterieeinsatz als bequem und<br />
robust erweist. Im Hintergrund ist<br />
ein Alouette Mk III Hubschrauber zu<br />
sehen, der den nur leicht bepackten<br />
Soldaten gerade abgesetzt hat.<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
FAKTEN<br />
Zeit: 1961–1980<br />
Spitzname: „The Saints“<br />
Uniform: Tarnuniform, oft ein Overall (ursprünglich<br />
für Piloten entworfen)<br />
Hauptwaffe: Belgisches FN FAL Sturmgewehr<br />
(verschiedene Varianten), englisches<br />
L1A1 SLR sowie das südafrikanische R1<br />
Kampftaktik: „Fire Force“ (aggressiver Angriff<br />
mit Luftunterstützung in mehreren Wellen),<br />
Kommandoeinsätze aller Art, Patrouillen-Gänge<br />
durch den Busch<br />
Einsatzgebiet: Rhodesien („Buschkrieg“) sowie<br />
in angrenzenden Staaten<br />
Der Krieg in Rhodesien im Film:<br />
Der flüsternde Tod (1976)<br />
Spiel der Geier (1979)<br />
Clausewitz 1/2014
Inhalt<br />
Clausewitz 1/2014<br />
Foto: ullstein bild – Hanns Hubmann<br />
Titelthema<br />
Tödliche <strong>Blockade</strong>. ..........................................................................................................................10<br />
Die <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944.<br />
Millionenfaches Massengrab. ................................................................................24<br />
Das Leid der Menschen in <strong>Leningrad</strong>.<br />
<strong>Belagerung</strong> statt „Blitzkrieg“. .................................................................................28<br />
<strong>Leningrad</strong> unter Artilleriebeschuss.<br />
Titelgeschichte<br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
Tödliche<br />
<strong>Blockade</strong><br />
September 1941: Der Heeresgruppe Nord gelingt mit Unterstützung des finnischen<br />
Verbündeten die beinahe vollständige Einkesselung <strong>Leningrad</strong>s. Auf Befehl Hitlers soll<br />
die Stadt nicht erobert, sondern belagert und „ausgehungert“ werden – eine Entscheidung<br />
mit grausamen Folgen vor allem für die Zivilbevölkerung. Von Lukas Grawe<br />
EINGEKESSELT:<br />
Mit der Einnahme <strong>von</strong> Schlüsselburg am Ladogasee<br />
östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ist der landseitige <strong>Belagerung</strong>sring<br />
der Wehrmacht um die ehemalige<br />
russische Hauptstadt geschlossen. Für zweieinhalb<br />
Jahre wird die Millionenstadt zum Schauplatz<br />
erbitterter Kämpfe zwischen Deutschen und Russen.<br />
10<br />
11<br />
Eine Stadt wird<br />
zur Festung: Als<br />
<strong>Leningrad</strong> 1941<br />
eingeschlossen<br />
wurde, begann für<br />
die Bevölkerung<br />
eine lange Zeit<br />
des Leidens.<br />
Foto: picturealliance/Mary<br />
Evans<br />
Picture Library/ALEXA<br />
Magazin<br />
Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .......................6<br />
Der Zeitzeuge<br />
Als Offizier in einer US-Raketenbasis .........................................32<br />
Warten auf den Nuklearschlag.<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
Entscheidungsschlacht am Mississippi ...............................34<br />
Kampf um Vicksburg 1863.<br />
Meinung<br />
Gettysburg 1863 .......................................................................................................................40<br />
Die Wende im Sezessionskrieg?<br />
Militärtechnik im Detail<br />
Mittlerer Kampfpanzer T-34/76 .............................................................42<br />
Stalins gepanzerte Faust.<br />
Japans A6M Zero Jäger .............................................................................................44<br />
Tokioter Leichtgewicht.<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
Hitlers letzte West-Offensive ..........................................................................46<br />
Das Unternehmen „Nordwind“ 1945.<br />
Titelfotos: ullstein bild - Roger Viollet; WEIDER History Group; picture-alliance/Everett Collection;<br />
Johnny Shumate; picture-alliance/United Archives/TopFoto; picture-alliance/ZB;<br />
picture-alliance; picture-alliance/ZB<br />
4
Foto: BArch, Bild 183-P0213-501<br />
*Da es sich bei der Schlacht um Vicksburg um einen komplexen<br />
Feldzug handelt, schwanken die Zahlenangaben in den<br />
Quellen und der Literatur (je nachdem, welcher Zeitpunkt<br />
als Bemessungsgrundlage dient). Die o.g. Zahlen sind deshalb<br />
nur Näherungswerte.<br />
Foto: picture alliance/Everett Collection<br />
Clausewitz 1/2014<br />
Clausewitz 1/2014<br />
Clausewitz 1/2014<br />
■<br />
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Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
KRIEG AM MISSISSIPPI: General<br />
Grant (im Vordergrund mit Stabsoffizieren)<br />
schickt eine Welle aus<br />
dem XIII., XV. und XVII. Korps gegen<br />
die konföderierte Festung<br />
Vicksburg. Im Hintergrund sind die<br />
Schiffe <strong>von</strong> Admiral David Dixon<br />
Porter zu erkennen, die den Angriff<br />
unterstützen. Abb.: picture alliance/Everett<br />
Collection<br />
Abb.: Autor<br />
Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />
Foto: picture-alliance/ZB<br />
Clausewitz 1/2014<br />
Clausewitz 1/2014<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Zeichnung: Johnny Shumate<br />
ANWERBUNG<br />
Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />
Fotos: picture-alliance/ZB©; Bundespolizei<br />
Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />
Militärtechnik im Detail<br />
NEUE SERIE<br />
Vicksburg 1863<br />
Entscheidungsschlacht am Mississippi<br />
1862/1863: Versuche der Union, das konföderierte Vicksburg<br />
zu erobern, scheitern. Mit einer groß angelegten <strong>Belagerung</strong><br />
will General Grant die strategisch wichtige Stadt<br />
am Ostufer des Mississippi endlich „knacken“.<br />
Von Alexander Querengässer<br />
S<br />
34<br />
eit dem Ausbruch des Amerikanischen<br />
Bürgerkrieges 1861 haben die konföderierten<br />
Streitkräfte ganz unterschiedliche<br />
Erfolge errungen. Während die Armeen<br />
im Osten bis in das Frühjahr 1863 eine Serie<br />
glanzvoller Siege erkämpft, müssen die<br />
Streitkräfte im Mittleren Westen mehrere Niederlagen<br />
hinnehmen. Der Grund hierfür liegt<br />
nicht nur in der unterschiedlichen Qualität<br />
der Truppen und ihrer Kommandeure, sondern<br />
auch in der geografischen Beschaffenheit<br />
des Kriegsschauplatzes.<br />
Im Osten fließen alle größeren Flüsse <strong>von</strong><br />
West nach Ost, also quer zur Vormarschroute<br />
der Potomac-Armee, und begünstigen so<br />
eine defensive Taktik der Südstaatler. Im<br />
Westen hingegen fließen gewaltige schiffbare<br />
Ströme <strong>von</strong> Nord nach Süd. Sie bilden große<br />
Heerstraßen, auf denen die materiell<br />
überlegene Unionsarmee nicht nur Männer<br />
und Nachschub verlegen, sondern mit gut<br />
bewaffneten Kriegsschiffen auch jede Verteidigungsstellung<br />
brechen kann.<br />
Eine uneinnehmbare Festung?<br />
Mit Hilfe dieser Kriegsflotte gelingt es der<br />
Union bereits 1862, den Mississippi bis nach<br />
Memphis unter ihre Kontrolle zu bringen,<br />
während General Ulysses S. Grant die beiden<br />
am Cumberland River gelegenen Forts Donelson<br />
und Henry einnehmen und so einen Feldzug<br />
ins Innere <strong>von</strong> Tennessee starten kann.<br />
Nachdem er in der Schlacht bei Shiloh, ebenfalls<br />
unter Mithilfe der Flotte, eine konföderierte<br />
Armee geschlagen hat, macht sich Grant<br />
an die Eroberung der wichtigsten konföderierten<br />
Festung am Mississippi: Vicksburg.<br />
Vicksburg liegt an der Kehrseite des damals<br />
noch sehr mäandernd durch die Südstaaten<br />
ziehenden Flusses. Das Mündungsgebiet<br />
rund um die Stadt New Orleans bis hinauf<br />
nach Baton Rouge ist im April 1862<br />
ebenfalls <strong>von</strong> den Unionsstreitkräften erobert<br />
worden. Vicksburg stellt somit eine der<br />
letzten sicheren Kommunikationslinien in<br />
die Trans-Mississippi Gebiete dar. Der Kommandeur<br />
der Unionsflotte, die New Orleans<br />
eingenommen hat, Admiral David Farragut,<br />
war mit seinen Schiffen bereits bis nach<br />
Vicksburg hinauf gedampft, hat dann aber<br />
feststellen müssen, dass das starke Abwehrfeuer<br />
der Konföderierten ein sicheres Passieren<br />
der Stadt unmöglich macht. Vicksburg<br />
selbst ist eine schwer einzunehmende Festung,<br />
umgeben <strong>von</strong> sumpfigem, nur mühselig<br />
zu durchquerendem Gelände. Die auf einer<br />
Hügelgruppe errichtete Stadt wird durch<br />
mehrere Erdschanzen mit modernen schweren<br />
Geschützen gesichert. Jeden Tag nutzen<br />
die Verteidiger, um diese Anlagen durch das<br />
Aufstellen spanischer Reiter, <strong>von</strong> Sturmp-<br />
HINTERGRUND Der Vicksburg-Feldzug<br />
Von Kriegsbeginn an versuchen die ternehmen einigen können. Im Juni<br />
ist die Lage in Vicksburg so an-<br />
Truppen der Union den Mississippi<br />
in ihre Hand zu bekommen und so gespannt, dass Präsident Davis in<br />
die rebellierenden Südstaaten in Erwartung einer baldigen Kapitulation<br />
der Nordvirginia-Armee die<br />
zwei Hälften zu teilen und nach und<br />
nach einzuschnüren.<br />
Freigabe für eine Invasion in Maryland<br />
gibt.<br />
Ihr Vormarsch wird durch Kompetenzschwierigkeiten<br />
konföderierter<br />
Generale zu beiden Seiten des lage in Gettysburg fällt dann jedoch<br />
Die Nachricht <strong>von</strong> Lees Nieder-<br />
Flusses erleichtert, die sich nicht mit Berichten über die Kapitulation<br />
auf ein gemeinsames Entsatzun-<br />
Vicksburgs zusammen.<br />
Konföderierte Besatzung Vicksburgs*<br />
Befehlshaber: Gen Lt. John Clifford Pemberton<br />
Truppenstärke: Circa 31.000 Mann.<br />
Zur Armierung <strong>von</strong> Vicksburg gehörten rund<br />
150 Geschütze verschiedenen Kalibers.<br />
Verluste: Circa 3.000 Mann (Tote und Verwundete).<br />
US Tennessee-Armee*<br />
Befehlshaber: Gen Maj. Ulysses Simpson Grant<br />
Truppenstärke: Im Herbst 1862 etwa 43.000 Mann, im Juni<br />
1863 etwa 75.000.<br />
Nach Grants Angaben wurden im Laufe der <strong>Belagerung</strong> 220 Geschütze<br />
eingesetzt.<br />
Verluste: Während des gesamten Feldzuges circa 10.000 Tote<br />
und Verwundete.<br />
S.34<br />
35<br />
Stalins gepanzerte Faust<br />
Mittlerer Kampfpanzer T-34/76<br />
urz nachdem die Deutschen in die Sow-<br />
im Zuge der Operation Barba-<br />
Kjetunion<br />
rossa eingefallen waren, traf sie ein heftiger<br />
Schock: Die Rote Armee besaß einen Panzer,<br />
der allen Wehrmachtspanzern überlegen<br />
war und über eine beispiellose Ausgewogenheit<br />
<strong>von</strong> Feuerkraft, Beweglichkeit und<br />
Zähigkeit verfügte. Obwohl die Rote Armee<br />
bezüglich Taktik und Ausbildungsstand<br />
noch einigen Aufholbedarf hatte, um die<br />
technischen Möglichkeiten des T-34 effektiv<br />
nutzen zu können, hatte man doch seine<br />
Lehren aus der Beobachtung des Scheiterns<br />
der statischen französischen Defensive gegenüber<br />
der deutschen Blitzkriegstaktik gezogen.<br />
Bis zur Stalingradoffensive im November<br />
1942 hatten die Rotarmisten gelernt,<br />
das Beste aus dem Potential des T-34 herauszuholen,<br />
indem sie ihn geschickt nutzten<br />
und so den deutschen Vormarsch stoppten.<br />
Schnee und Schlamm stellten für andere Panzer<br />
größere Probleme dar, obwohl der T-34<br />
auch nicht völlig immun dagegen war, stecken<br />
zu bleiben. Doch die breiten Ketten des<br />
T-34 – hier gut zu erkennen – sorgten generell<br />
für eine bessere Gewichtsverteilung und Traktion<br />
in einem Gelände, das für die Deutschen<br />
schon nicht mehr passierbar war.<br />
42<br />
„Für eine sowjetische Ukraine!“<br />
Ein Propagandaslogan, der darauf hindeutet,<br />
dass dieser Panzer Teil der Herbsto fensive<br />
1943 war, die den Deutschen die Ukraine<br />
entwinden so lte.<br />
Zusatztanks<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
Der amerikanische mittlere<br />
Kampfpanzer M3, General Lee<br />
Geschwindigkeit circa 41km/h<br />
Gute Feuerkraft und Panzerung, aber sein hohes<br />
Fahrzeugprofil und der genietete Rumpf machten ihn<br />
verletzlich. Die in einer Kasematte in der Fahrzeugwanne<br />
positionierte 75-Millimeter-Kanone hatte einen nur sehr<br />
geringen Seitenrichtbereich nach links.<br />
Ersatzkettenglieder<br />
Die Panzerkette musste bisweilen<br />
repariert werden und tendierte<br />
dazu, bei starken Lenkbewegungen<br />
abzuspringen.<br />
Guckloch<br />
Illustration: Jim Laurier<br />
Antenne<br />
Nur Befehlsfahrzeuge waren mit Funkgeräten, die<br />
während des gesamten Krieges Mangelware<br />
waren, ausgesta tet. Andere T-34-Besatzungen<br />
verwendeten Flaggen, um miteinander zu kommunizieren,<br />
was im Gefecht ein klarer Nachteil war.<br />
Der mittlere japanische<br />
Kampfpanzer Typ 97 Chi-Ha<br />
Geschwindigkeit circa 38km/h<br />
Entwickelt als Infanterieunterstützungsfahrzeug<br />
war er mit seiner dünnen Panzerung und der<br />
niedrigen Mündungsgeschwindigkeit seiner 57-<br />
Millimeter-Kanone in allen Bereichen den alliierten<br />
Panzern unterlegen.<br />
Periskop<br />
Die nächste Generation, der T-34/85<br />
griff zu Beginn des Jahres 1944 ins<br />
Kriegsgeschehen ein. Er verfügte über<br />
einige entscheidende Verbesserungen:<br />
Seine neue 85-Millimeter-Kanone verbesserte<br />
seine Durchschlagskraft gegen<br />
die stetig verstärkte Panzerung<br />
der deutschen Gegner. Auch der Dreimannturm<br />
des 85er-Modells, welcher<br />
Platz für Kommandanten, Lade- und<br />
Richtschützen bot, verbesserte Durchhaltevermögen<br />
und Leistungsfähigkeit<br />
im Kampf.<br />
7,63-Zentimeter-Kanone<br />
vom Typ F-34<br />
Zweimannturm<br />
Der Kommandant musste seine Aufmerksamkeit<br />
zwischen der Leitung der Besatzung<br />
sowie dem Richten und Abfeuern der Kanone<br />
aufteilen. Erst der T-34/85 schuf Raum für<br />
einen spezie len Richtschützen.<br />
7,62-mm-MG<br />
Schräge Panzerung<br />
Der Winkel, in dem die Panzerung angebracht war, sorgte<br />
dafür, dass frontal auftreffende Geschosse einen längeren<br />
Weg durch die Panzerung zurücklegen mussten. Somit war<br />
die Panzerwirkung höher, ohne aber zusätzliches Gewicht<br />
als Nachteil in Kauf nehmen zu müssen.<br />
S.42<br />
Der italienische Carro Armato<br />
Der deutsche Pz.Kpfw. III<br />
M13/40<br />
Ausf.J<br />
Geschwindigkeit circa 32km/h<br />
Geschwindigkeit circa 40km/h<br />
Gute Kanone und einigermaßen gepanzert, obwohl<br />
Einer der wichtigsten deutschen Panzertypen.<br />
die Panzerung ungünstig positioniert war. Der<br />
Mit seinen Kampfwertsteigerungen bezüglich<br />
M13/40 litt stets an seiner geringen Mobilität in<br />
Panzerung und Geschütz konnte er sich gegen<br />
Folge der Untermotorisierung durch einen unzuverlässigen<br />
Motor.<br />
T-34/75 fand er seinen Meister.<br />
die meisten Widersacher behaupten. Doch im<br />
Clausewitz 1/2014 43<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />
Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />
ZUVERSICHTLICH: Ein mittlerer Kampfpanzer<br />
vom Typ „Panther“ im Januar<br />
1945 auf dem Weg zum Bereitstellungsraum<br />
am Südflügel der Westfront.<br />
Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR<br />
„Sonderformationen“ des Kalten Krieges<br />
SPEZIALEINHEIT: Männer der Grenzschutzgruppe<br />
9 (GSG 9) mit ihrem Kommandeur<br />
Ulrich Wegener (re.), späte<br />
1970er-Jahre.<br />
VORBEREITUNG: Deutsche Soldaten<br />
bringen eine Panzerabwehrkanone in<br />
einem Dorf im Elsass in Stellung.<br />
BEFEHLSHABER: Generaloberst<br />
Johannes Blaskowitz (1883–1948),<br />
Oberbefehlshaber der Heeresgruppe G<br />
bis Ende Januar 1945.<br />
IM GELÄNDE: Ausbildung <strong>von</strong> Offiziersanwärtern<br />
an der Offiziershochschule<br />
der Grenztruppen der DDR in<br />
Suhl, Mitte der 1980er-Jahre.<br />
Unternehmen „Nordwind“ 1945<br />
Hitlers letzte<br />
West-Offensive<br />
Jahreswechsel 1944/45: In Lothringen und vor allem im Elsass flammen heftige Kämpfe<br />
zwischen Deutschen und Alliierten auf. Einheiten <strong>von</strong> Wehrmacht und Waffen-SS treten<br />
mit massiven Kräften zum Großangriff an.<br />
Von Hagen Seehase<br />
46<br />
A<br />
ls kurz vor Mitternacht des 31. Dezember<br />
1944 deutsche Truppen aus<br />
ihren Bereitstellungsräumen zwischen<br />
Saargemünd (frz.: Sarreguemines) und<br />
Weißenburg (frz.: Wissembourg) hervorbrechen,<br />
ist das der Auftakt zum Unternehmen<br />
„Nordwind“, der letzten deutschen Großoffensive<br />
im Westen.<br />
Schon der Anfang verläuft aus deutscher<br />
Sicht wenig verheißungsvoll. Große Hoffnung<br />
setzen die Stäbe in die aus dem XIII.<br />
SS-Armeekorps bestehende „Sturmgruppe<br />
1“. Östlich Saargemünd tritt sie mit zwei Divisionen,<br />
darunter die 17. SS-Panzergrenadierdivision<br />
„Götz <strong>von</strong> Berlichingen“, zum<br />
Angriff an. Dieser läuft sich jedoch schon<br />
kurz darauf fest.<br />
Bereits am 3. Januar wird die Offensive in<br />
diesem Sektor beendet. Obwohl später Verstärkungen<br />
nachgeführt werden, etwa die nahezu unmögliche Aufgabe recht gut. Aufhalten<br />
kann sie den deutschen Vormarsch al-<br />
schwere Panzerjägerabteilung 654 mit ihren<br />
gewaltigen „Jagdtigern“, bleibt die Front lerdings nicht.<br />
weitgehend statisch. Etwas anders sieht es Die 361. Volksgrenadierdivision, die in einen<br />
Bereich vordringt, aus dem sie sich erst<br />
weiter im Osten aus. Hier greifen die vier Infanteriedivisionen<br />
der „Sturmgruppe 2“ an. einige Wochen zuvor zurückgezogen hat, erzielt<br />
beachtliche Geländegewinne.<br />
Ihnen gegenüber steht nur ein schwacher<br />
Aufklärerverband, die „Task Force Hudelson“.<br />
Weil dem Befehlshaber der amerikani-<br />
Edward Brooks, zieht Reserven, wo immer<br />
Der Kommandeur des VI. Corps, General<br />
schen 7th Army Major General Alexander es eben geht, aus der Frontlinie seines Korps<br />
Patch der Bereich der Niedervogesen mit ihren<br />
tiefen Taleinschnitten für gegnerische kämpft ist wochenlang<br />
und wirft sie in die Schlacht. Heftig um-<br />
S.46<br />
das Dorf Philippsburg<br />
(frz.: Philippsbourg) an der Straße zwi-<br />
Angriffsoperationen denkbar ungeeignet erschien<br />
und er gezwungen war, seine Frontlinie<br />
auszudünnen, bleibt zur Deckung des schen Seite trifft Generaloberst Johannes<br />
schen Niederbronn und Bitsch. Auf der deut-<br />
Abschnittes zwischen Bitsch (frz.: Bitche) Blaskowitz, der Kommandeur der Heeresgruppe<br />
G und damit der deutschen Angriffs-<br />
und Weißenburg nur eine schwache Task<br />
Force. Diese meistert aber eine angesichts einer<br />
mehrfachen Überlegenheit des Gegners folgende Entscheidung: Ausweitung des<br />
truppen des Unternehmens „Nordwind“,<br />
47<br />
1980er-Jahre: Die Grenzeinheiten in West und Ost sind bewaffnet und mit Ferngläsern<br />
ausgerüstet. Misstrauisch wird jede Bewegung auf der jeweils gegenüberliegenden Seite<br />
der innerdeutschen Grenze beobachtet.<br />
Von Carsten Walczok<br />
D<br />
ieses Szenario ist seit vielen Jahren bittere<br />
Realität im geteilten Deutschland<br />
des Kalten Krieges. Mit der bedingungslosen<br />
Kapitulation des Deutschen Reiches<br />
im Mai 1945 ging die Regierungsgewalt<br />
auf den alliierten Kontrollrat über. Schnell<br />
zeigte, sich, dass sich die Kooperation der<br />
Westalliierten mit der Sowjetunion problematisch<br />
gestaltete.<br />
Darüber hinaus gab es praktisch <strong>von</strong> Anfang<br />
an eine relativ konstante Wanderungsbewegung<br />
<strong>von</strong> Ost nach West. Aufgrund<br />
dieser anhaltenden Fluchtbewegung erwirkte<br />
die sowjetische Führung bereits 1946 die<br />
54<br />
Sperrung der Zonengrenze durch eine entsprechende<br />
Kontrollratsdirektive.<br />
ist auch als Polizeitruppe zu sehen, die – im<br />
zei umfasst zunächst rund 20.000 Mann und<br />
Die sowjetische Verwaltung ließ in ihrer Gegensatz zur Polizei der Länder – direkt<br />
Zone frühzeitig (Ende 1946) aus den Länderpolizei-Kadern<br />
eine „Grenzpolizei“, später schutzgesetz (BGSG) vom 16. März 1951<br />
dem Bund untersteht. Das Bundesgrenz-<br />
„Deutsche Grenzpolizei“ (DGP), aufstellen. stellt in Verbindung mit dem Artikel 87 des<br />
1949 war sie auf eine Stärke <strong>von</strong> 20.000 Mann Grundgesetzes und einem Polizeibrief der<br />
angewachsen.<br />
Länder die Rechtsgrundlage dar, nach dem<br />
Bis zum Jahr 1951 sind lediglich die Alliierten,<br />
der Zoll oder die jeweilige Länderpo-<br />
Zu den Aufgaben des BGS zählen fortan:<br />
der BGS aufgebaut und eingesetzt wird.<br />
lizei an der Grenze auf westlicher Seite vertreten.<br />
Die Bundesrepublik beginnt nun, mit Grenzverkehrs, die Verhinderung unerlaub-<br />
die Überwachung des ordnungsgemäßen<br />
dem Bundesgrenzschutz eine eigene Polizei ter Grenzübertritte, die Überwachung der<br />
aufzubauen. Die bundesdeutsche Grenzpoli-<br />
„grünen Grenze“, die Zurückweisung uner-<br />
wünschter Personen, die Verhinderung der<br />
Einfuhr unerwünschter Druckschriften und<br />
die Gewinnung <strong>von</strong> Informationen über die<br />
Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR.<br />
Die Bundesrepublik findet für diese neue<br />
Truppe sofort Aufgaben, die der BGS neben<br />
seinem Einsatz an der innerdeutschen Grenze<br />
zu erfüllen hat. Der Dienst in Bonn – der<br />
Hauptstadt der jungen Bundesrepublik –<br />
zum Schutz <strong>von</strong> Einrichtungen der Bundesregierung<br />
gehört nun ebenso zum ständigen<br />
Aufgabenfeld des<br />
BGS wie der Seegrenzschutz,<br />
den<br />
der BGS-See seit<br />
1954 übernimmt.<br />
Im Rahmen <strong>von</strong><br />
geschlossenen Einsätzen<br />
wird der<br />
Bundesgrenzschutz<br />
auch außerhalb der „Ostgrenze“ der Bundesrepublik<br />
eingesetzt. Bereits 1951 wird die lem der Einsatz entlang der innerdeutschen<br />
Doch prägend wird für den BGS vor al-<br />
junge Truppe im Rahmen des Unternehmens Grenze. Der permanente Ausbau des Grenzsperrsystems<br />
durch die DDR-Führung und<br />
„Martha“ an der bundesdeutschen Westgrenze<br />
eingesetzt. Anfang der 1950er-Jahre der an manchen Stellen unklare oder umstrittene<br />
Grenzverlauf führen immer wieder<br />
gilt es, den blühenden Schmuggel im Großraum<br />
Aachen zu bekämpfen.<br />
zu Spannungen und sogar zu Konfliktsituationen<br />
mit dem ostdeutschen Pendant.<br />
„Männersache“<br />
S.54<br />
Rückseite (li.) eines Taschenkalenders mit Werbung<br />
für den Eintritt in die Grenztruppen der DDR.<br />
Eine Aufgabe des BGS war die Sicherung der Flughäfen.<br />
Auf dieser Abbildung ist ein Sonderwagen<br />
(SW 2) des GSK Nord vor einer Boeing zu sehen.<br />
55<br />
Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />
Feldherren<br />
Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet-Cong-Bunkern<br />
Der Krieg im<br />
Untergrund<br />
60<br />
GEFÄHRLICHES UNTERFANGEN: Ein Infanterist der US Army<br />
wird während der Operation „Oregon“ (April 1967) in einen<br />
VC-Tunnel herab gelassen. Bereits im Januar geht man im Zuge<br />
der groß angelegten Search-and-Destroy-Operation „Cedar<br />
Falls“ gegen unterirdisch versteckte Waffen- und Vorratsdepots<br />
vor. Besonders im waldreichen Gebiet des „Eisernen<br />
Dreiecks“ befindet sich eine Hochburg des Viet Cong mit<br />
wichtigen Nachschubrouten.<br />
1964–1973: Die wichtigste Waffe auf kommunistischer Seite im Vietnam-Konflikt ist die<br />
Schaufel, mit der in Handarbeit Tunnel geschaffen werden. Durch sie wird die militärische<br />
Übermacht des Gegners stark abgeschwächt.<br />
Von Frederick Feulner<br />
ie Benutzung <strong>von</strong> unterirdischen Anlagen<br />
ist nicht neu in Südostasien. Die <strong>von</strong> den Truppen oder <strong>von</strong> der dienstvertet<br />
wird, finden Kämpfe meistens im Bereich<br />
sich gut. Die Tunnel werden normalerweise lungen auf 200 Meter freies Schussfeld geach-<br />
DJapaner haben da<strong>von</strong> schon im Zweiten<br />
Weltkrieg Gebrauch gemacht. Die Vietbeit<br />
errichtet. Letztere muss Arbeiter und hinter ihren gut getarnten Schützenlöchern<br />
pflichteten lokalen Bevölkerung in Handar-<br />
<strong>von</strong> 10–30 Metern statt. Sollten die Soldaten<br />
namesen hingegen verfeinern diese Technik Material wie Hartholz und Bambus als oder in Dörfern jedoch der materiellen Übermacht<br />
der Angreifer weichen müssen, kön-<br />
nicht nur, sondern nutzen sie auch in bisher „Kriegssteuer“ liefern. Besonders reichhaltige<br />
ungekanntem Ausmaß. Fast alle militärischen<br />
und zivilen Aktivitäten – außer dem gen. Obgleich die G.I.s angehalten sind, nicht ziehen. Für Verfolger beginnt dann eine ge-<br />
Materialquellen sind verlassene US-Stellunnen<br />
sie sich über die Tunnelsysteme zurück-<br />
Anbau <strong>von</strong> Lebensmitteln – können auch im benötigtes Material mitzunehmen oder zu fährliche und zeitaufwendige Suche nach den<br />
Untergrund durchgeführt werden. Bereits in vernichten, finden selbst alte Munitionskisten,<br />
Batterien und Sandbleche im Viet Cong warten den Eindringling zahlreiche Gefahren:<br />
versteckten Eingängen. In den Tunneln er-<br />
den 1940er-Jahren nutzt der Viet Minh Tunnelanlagen,<br />
um sich der französischen Luftaufklärung<br />
zu entziehen. In stark patrouilden<br />
möglichst unter dem dichten Dach des gefüllte Kartons, die beim Auslösen eines Me-<br />
dankbare Wiederverwerter. Die Anlagen wer-<br />
Falltüren, Sprengfallen oder mit Skorpionen<br />
lierter Umgebung können sich die Guerillas Waldes errichtet – oder folgen den natürlichen<br />
Konturen des Geländes.<br />
chanismus in den Tunnel ausgeleert werden.<br />
im Verborgenen auf Angriffe vorbereiten.<br />
Viele Tunnelsysteme bleiben selbst nach der Gebaut wird vorwiegend in der Regensaison,<br />
wenn der lehmige Boden feucht ist; in der In Vietnam kommen auf der Seite des Viet<br />
Bambusspieße gegen G.I.s<br />
Teilung Vietnams 1954 unentdeckt und werden<br />
durch den Viet Cong reaktiviert und erweitert.<br />
Das Erscheinen <strong>von</strong> schweren B-52- aus. Der Aushub wird nachts in die Flüsse gekanntesten<br />
sind die sogenannten Punji-Fal-<br />
Trockenzeit härtet der Boden dann steinhart Cong zahlreiche Fallen zum Einsatz. Die be-<br />
Bombern Mitte der 1960er-Jahre beschleunigt schüttet, um keine Spuren <strong>von</strong> Bautätigkeiten len. Dabei werden Gruben ausgehoben und<br />
den Tunnelbau.<br />
zu hinterlassen. Küchenabluft leitet man mit zahlreichen messerscharf angespitzten<br />
durch mehrere lange Röhren zu verschiedenen<br />
Stellen im Dschungel, damit sie sich bes-<br />
alles sorgfältig abgedeckt. Beim Drauftreten<br />
Bambusstäben bestückt. Anschließend wird<br />
Verteidigte Verstecke<br />
Vor einem Angriff müssen die Tunnelkomplexe<br />
erst gefunden werden. Hunde eignen der Oberfläche findet über senkrechte Bam-<br />
Unterschenkel eines Soldaten bohren – die<br />
ser verteilt. Ein schwacher Luftaustausch mit können sich die Stäbe in den Fuß oder den<br />
sich gut zur Suche – doch meistens werden busröhren statt. Was Licht, Feuer und Müllentsorgung<br />
betrifft, muss eine strenge Dis-<br />
Blutrinne. Direkte Todesfälle durch solche<br />
hohle Form der Stäbe fungiert zusätzlich als<br />
die Eingänge eher zufällig gefunden. Geschützt<br />
sind die Tunneleingänge durch eine ziplin eingehalten werden. Das Leben in den Fallen sind selten – was auch durchaus so gewollt<br />
ist. Häufig sind zu den senkrecht auf-<br />
äußere Verteidigungslinie aus gut getarnten, unterirdischen Anlagen ist relativ akzeptabel<br />
– sieht man <strong>von</strong> fehlendem Sonnenlicht, ragenden Bambusstöcken an den Seitenwän-<br />
schultertiefen Stellungen, die miteinander<br />
verbunden sind. So können Scharfschützen Ratten, Fledermäusen, giftigen Skorpionen, den noch schräg nach unten zeigende Stäbe<br />
auf Angreifer schießen und sich dann unentdeckt<br />
zurückziehen. Die langwierige, gedringt<br />
die hohe Feuchtigkeit alle Kleidungs-<br />
Insekten und Schlangen ab. Zudem durchfährliche<br />
und oftmals ergebnislose Suche stücke und Nahrungsmittel. Wichtige Einrichtungen<br />
wie Krankenstationen, Komman-<br />
nach unterirdischen Anlagen und Fallen<br />
frustriert die US-Soldaten. Und wenn ein dostellen oder Druckereien können bis zu<br />
Tunnelkomplex gefunden wird, bindet er zwölf Meter tief verborgen sein, gerade so<br />
Flugzeuge, Panzer und Spezialisten. Die groß gebaut wie nötig. Obgleich für MG-Stel-<br />
Tunnel sind zwar nicht unzerstörbar, doch<br />
durch die zahlreichen Verteidigungssysteme<br />
BEDENKE!<br />
kostet es große Anstrengungen, um den<br />
Kommunisten nachhaltig die Kontrolle über ■ Sei wachsam<br />
■<br />
bestimmte Gebiete zu entreißen. Im Fall des Nutze das Wissen der einheimischen<br />
Scouts<br />
berühmten Tunnelkomplexes im Distrikt<br />
■ Gehe nicht auf den Pfaden und auch<br />
<strong>von</strong> Cu Chi sind es ganze fünf Jahre!<br />
nicht auf Reisfelddeichen, solange Du<br />
es vermeiden kannst<br />
Tunnelleben<br />
Untersuche den Dschungelbewuchs<br />
Nicht jede Region ist gleichermaßen für den vorsichtig<br />
S.60<br />
Bau <strong>von</strong> Tunneln geeignet. Bei der Wahl des Pass auf, wo Du hintrittst<br />
Standortes kommt es auf den jeweiligen Untergrund<br />
an. Im Mekong-Delta und entlang wenn er müde wird<br />
halten das „Vietnamese Phrase Book“, das<br />
Wechsle den Point Man häufig aus, NÜTZLICHES VOKABULAR: US-Soldaten er-<br />
der Küste ist der Bau wegen des hohen Bleibe nicht mit mehreren Personen wichtige Redewendungen und Ausspracheregeln<br />
enthält. Die Abbildung zeigt eine Sei-<br />
Grundwasserstandes schwierig, aber der trockene<br />
Lehmboden der höher gelegenen Ge-<br />
an einem Fleck<br />
Und wenn das alles nicht hilft und Du te, die für den Tunnelkampf nützliche Befehle<br />
zeigt – falls die Soldaten in den dunklen<br />
eine Falle ausgelöst hast, schreie<br />
biete ist für Bauzwecke optimal. Auch die<br />
„Deckung!“ und wirf Dich zu Boden Tunneln, zwischen Fallen und Beschuss<br />
Schluchten und Höhlen im Hochland eignen<br />
überhaupt Gebrauch da<strong>von</strong> machen konnten.<br />
61<br />
74<br />
König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus<br />
Der besiegte Sieger<br />
319–272 v. Chr.: Pyrrhus gehört zu den schillerndsten Gestalten des hellenistischen Zeitalters<br />
– sein Leben erinnert an einen Abenteuerroman ohne „Happyend“, und seine verlustreichen<br />
„Pyrrhussiege“ sind in die Umgangssprache eingegangen. Von Otto Schertler<br />
K<br />
önig Pyrrhus herrscht seit 295 v. Chr. nau so schnell wieder verlieren. Nach seiner langt Pyrrhus erneut den Thron <strong>von</strong> Epirus,<br />
als alleiniger König über die im Nordwesten<br />
Griechenlands gelegene Land-<br />
charakterlich sehr ähnlichen Demetrios I. einem anderen Anwärter, teilen muss. Bis<br />
Flucht zieht es Pyrrhus zunächst zu dem ihm den er sich aber zunächst mit Neoptolemos II.,<br />
schaft Epirus. Diese, <strong>von</strong> den Stämmen der Poliorketes, dem Sohn des Antigonos I. Monophthalmos.<br />
An dessen Seite kämpft er bei hus herrscht allein über Epirus. Er baut das<br />
295 v. Chr. ist dieser ausgeschaltet, und Pyrr-<br />
Thesproter, Chaoner und Molosser bewohnte,<br />
Grenzregion gilt für die Griechen als halbbarbarisches<br />
Land, das erst im Lauf des vier-<br />
gesagt genau wegen, dieser Niederlage lernt prächtigen Hauptstadt mit Akropolis, Kö-<br />
der Schlacht <strong>von</strong> Ipsos und trotz, oder besser bis dahin unbedeutende Ambrakia zu einer<br />
ten Jahrhunderts v. Chr. vollständig hellenisiert<br />
wird. Zu dieser Zeit bilden die dortigen <strong>von</strong> Elefanten, die er später gegen die Römer und Artemis aus. Daneben fördert er in sei-<br />
er eine grundlegende Taktik zum Einsatz nigsburg, Theatern und Tempeln der Athene<br />
Stämme unter der Führung der Molosser einen<br />
losen Bund, der <strong>von</strong> einem König geführt Hof des ägyptischen Königs Ptolemäus I., und Festungsanlagen. Ein friedliches Herr-<br />
anwenden wird. Danach geht Pyrrhus an den nem gesamten Reich den Bau <strong>von</strong> Städten<br />
wird, dessen Dynastie sich vom mythischen wo er sehr beliebt ist. Mit dessen Hilfe erscherleben<br />
ist allerdings nicht im Sinn des<br />
Achilles ableitet und der auch der 319 v. Chr.<br />
Pyrrhus, und er richtet im Jahr 294 v. Chr. zunächst<br />
seinen Blick auf das benachbarte Ma-<br />
geborene Pyrrhus angehört. Thronwirren<br />
zwingen die Anhänger des Pyrrhus, diesen,<br />
kedonien, das durch innere Wirren geschwächt<br />
ist. Hier kann er einige Gebiete er-<br />
noch als Kleinkind durch eine abenteuerliche<br />
Flucht in das benachbarte Illyrien in Sicherheit<br />
zu bringen. Bereits 306 v. Chr. können<br />
ehemaligen Verbündeten Demetrios I. Polringen<br />
und kämpft dann gegen seinen<br />
ihn seine Gefolgsleute auf den Thron <strong>von</strong><br />
iorketes, den neuen Herrscher <strong>von</strong> Makedonien.<br />
Pyrrhus kann zwar Thessalien er-<br />
Epirus setzen – doch schon 302 v. Chr. wird<br />
er <strong>von</strong> Kassander, dem Herrscher des benachbarten<br />
Makedonien, vertrieben.<br />
ger des Demetrios zurückgedrängt.<br />
obern, wird aber schließlich vom Nachfol-<br />
Auf dem Weg zur Alleinherrschaft<br />
Der Traum vom Großreich<br />
Diese frühen Jahre im Leben des Pyrrhus zeigen<br />
die damaligen Verhältnisse in der helle-<br />
nicht mehr viel gewinnen kann und richtet<br />
Pyrrhus erkennt, dass er in Griechenland<br />
nistischen Welt recht deutlich. Das Leben der<br />
daher seinen Blick nach Westen auf das griechische<br />
Süditalien und Sizilien. Offenbar<br />
Könige ist <strong>von</strong> Verrat und ständigen Machtkämpfen<br />
geprägt, und in dieser Zeit kann<br />
träumt er <strong>von</strong> einem Reich, das sich <strong>von</strong><br />
ein fähiger und rücksichtsloser Mann über<br />
Nacht ein Königreich erwerben, es aber ge-<br />
Eine Name wie „Donnerhall“<br />
EIN LEBEN FÜR DEN KRIEG: König<br />
Pyrrhus gehört zu den populärsten Gestalten<br />
des Altertums und steht in ei-<br />
Pyrrhus inszeniert sich als „neuer Alexander“<br />
– und wie sein Vorbild stürzt<br />
ner Reihe mit Alexander, Hannibal und<br />
S.74<br />
er sich in zahlreiche Schlachten. Das<br />
Caesar. Er ist ein erfahrener Feldherr<br />
Bild zeigt Pyrrhus bei der Erstürmung<br />
und beschäftigt sich intensiv mit Themen<br />
wie Taktik und Strategie. Sein<br />
der griechischen Stadt Eryx (Sizilien),<br />
ereignisreiches Leben gäbe Stoff für<br />
an vorderster Front kämpfend. Der legendäre<br />
Hannibal soll in später für den<br />
Porträt-Büste mit Helm.<br />
mehrere Hollywood-Filme. Antike<br />
besten Feldherren – neben Alexander –<br />
gehalten haben!<br />
75<br />
Das historische Dokument<br />
Teilkapitulation in Nordwestdeutschland 1945. ....52<br />
Vorstufe zum Ende des Zweiten Weltkrieges.<br />
Militär und Technik<br />
„Sonderformationen“ des Kalten Krieges ......................54<br />
Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR.<br />
Der Krieg im Untergrund .......................................................................................60<br />
Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet Cong-Bunkern.<br />
Neu am Kiosk<br />
Legendärer Jäger ....................................................................................................................66<br />
Messerschmitt Bf 109.<br />
Spurensuche<br />
Kaderschmiede der NSDAP .............................................................................68<br />
Die ehemalige „Ordensburg Vogelsang“ in der Eifel.<br />
Feldherren<br />
Der besiegte Sieger ..........................................................................................................74<br />
König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus.<br />
Museen & Militärakademien<br />
Das Einzige seiner Art ...................................................................................................80<br />
Das Royal Air Force-Museum Laarbruch-Weeze.<br />
<strong>Vorschau</strong>/Impressum ..........................................................................................................................82<br />
Titelbild: Schwere Artillerie nimmt <strong>Leningrad</strong> unter Beschuss, Oktober 1941.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
5
Magazin<br />
AUSSTELLUNGSTIPP<br />
1813 – Auf dem Schlachtfeld bei Leipzig<br />
Sonderausstellung des Deutschen Historischen Museums<br />
Die „Völkerschlacht bei Leipzig“ brachte<br />
am 19. Oktober 1813 nicht nur den Sieg<br />
der Verbündeten Österreich, Preußen,<br />
Russland und Schweden über Napoleon. Sie<br />
war mit weit über 500.000 Soldaten auch eine<br />
der größten und blutigsten Schlachten der<br />
europäischen Geschichte.<br />
Ihr 200. Jahrestag gibt Anlass, verschiedene<br />
Aspekte dieser bedeutenden Schlacht<br />
anhand des Gemäldes „Siegesmeldung nach<br />
der Schlacht bei Leipzig“ <strong>von</strong> Johann Peter<br />
Krafft im Rahmen einer Sonderausstellung<br />
zu beleuchten. Die Einzelszenen des Gemäldes<br />
werden dafür fotomechanisch vergrößert,<br />
hintereinander in den Ausstellungsraum<br />
gestellt und können dort wie ein begehbares<br />
Papiertheater vom Publikum<br />
„erwandert“ werden.<br />
Im Mittelpunkt<br />
der Ausstellung<br />
stehen das Ereignis<br />
und die abgebildeten<br />
Personen selbst: Wer<br />
waren die Protagonisten? Wer kämpfte gegen<br />
wen? Warum wird die militärische Auseinandersetzung<br />
„Völkerschlacht“ genannt? Wer<br />
waren die kämpfenden Soldaten und warum<br />
nahmen sie an der Schlacht teil? Welches<br />
Kriegsgerät fand Verwendung?<br />
Der historische Kontext rund um die Napoleonischen<br />
Kriege und die „Befreiungskriege“<br />
wird dabei ebenso beleuchtet wie die<br />
Erinnerungskultur, die sowohl patriotische als<br />
auch nationale Gefühle bediente. Ein Ausblick<br />
beschäftigt sich mit den unmittelbaren und<br />
langfristigen Folgen für Deutschland und<br />
Johann Peter Krafft: „Siegesmeldung nach der<br />
Schlacht bei Leipzig“, Wien, 1839.<br />
Kleine Paradetrommel mit Wappen und Zeichen<br />
Napoleons, Frankreich, 1804/1815.<br />
Foto: © Stiftung Deutsches Historisches Museum (2)<br />
Europa, die mit dem Wiener Kongress, der territorialen<br />
Neuordnung, den enttäuschten nationalen<br />
Hoffnungen und dem Zeitalter der<br />
Restauration umschrieben werden können.<br />
Die Sonderausstellung ist vom 22. August<br />
2013 bis 16. Februar 2014 zu sehen.<br />
Kontakt:<br />
Deutsches Historisches Museum<br />
Unter den Linden 2<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
www.dhm.de<br />
Militärhistorische Sammlung für das Potsdam Museum<br />
„Förderverein Militärmuseum Brandenburg-Preußen“ übergibt Objekte<br />
Mitte November 2013 wurden<br />
172 Uniformen und Uniformteile,<br />
2.015 Orden und Ehrenzeichen,<br />
zahlreiche Blank- und<br />
Langwaffen, Briefe und Fotos sowie<br />
eine umfangreiche militärhistorische<br />
Bibliothek als Schenkung<br />
dem Potsdam Museum<br />
übergeben – mehr als 5.000 Objekte<br />
und Zeitdokumente der Militärgeschichte.<br />
„Wir übergeben dem Potsdam<br />
Museum unsere Sammlung, die<br />
wir über mehrere Jahre mit dem<br />
großen ehrenamtlichen Engagement<br />
unserer Mitglieder zusammengetragen<br />
haben“, sagte Burkhart<br />
Franck, Vorsitzender des<br />
1999 gegründeten „Fördervereins<br />
Militärmuseum Brandenburg-<br />
Preußen“. Unter den Exponaten<br />
befinden sich zahlreiche zum Teil<br />
seltene Stücke, die vermutlich im<br />
Jahr 2014 in einer Sonderausstellung<br />
zum Thema „100 Jahre Erster<br />
Weltkrieg“ im Potsdam Museum<br />
zu sehen sein werden.<br />
Hannes Wittenberg, stellvertretender<br />
Direktor des Potsdam<br />
Museums, würdigte das Engagement<br />
des Fördervereins: „Mit dieser<br />
Schenkung können wir viele<br />
Lücken in unserer Militaria-<br />
Sammlung füllen, die durch<br />
Sammlungsverluste während des<br />
Zweiten Weltkrieges und in der<br />
Zeit der DDR entstanden sind.“<br />
Die Übergabe der Sammlung<br />
an das Museum hatten die Vereinsmitglieder<br />
beschlossen, weil<br />
die Gründung eines Militärmuseums<br />
trotz jahrelanger Bemühungen<br />
nicht erreicht werden<br />
konnte.<br />
6
Foto: Bucher Verlag<br />
NEUERSCHEINUNG<br />
Die Kaiserliche Marine im<br />
Ersten Weltkrieg<br />
Von Wilhelmshaven nach Scapa Flow<br />
Die einhundertjährige<br />
Wiederkehr des<br />
Kriegsausbruches des<br />
Ersten Weltkriegs rückt<br />
die Kaiserliche Marine<br />
und ihr Schicksal wieder<br />
in den Blickpunkt<br />
einer interessierten Öffentlichkeit.<br />
Dies insbesondere, weil ihr<br />
rasanter Aufbau angeblich den<br />
Kriegseintritt Englands 1914<br />
zwangsläufig herbeigeführt und<br />
1918 die Meuterei der Schiffsbesatzungen<br />
in Wilhelmshaven<br />
die Revolution in Deutschland<br />
ausgelöst habe. Und auch sonst<br />
ist es allgemeiner Konsens, dass<br />
die Kaiserliche Marine und besonders<br />
ihre Offiziere ihre<br />
Kriegsaufgaben mehr schlecht<br />
als recht erfüllt haben. Die angelsächsische<br />
Publizistik zeichnet<br />
dazu schon seit Längerem<br />
ein anderes, durchaus positiveres<br />
Bild und auch das vorliegende<br />
Buch möchte dem Leser<br />
durch eine nüchterne<br />
und vorurteilslose Betrachtung<br />
des Einsatzes<br />
der Seestreitkräfte<br />
des Kaiserreiches und<br />
ihrer Soldaten eine<br />
neue und abgewogene<br />
Sicht der Dinge ermöglichen.<br />
Informative Texte in insgesamt<br />
16 Kapiteln, dazu ein sehr<br />
umfangreicher Bildanteil, Gefechtskarten<br />
und besondere Exponate<br />
zu einzelnen Ereignissen<br />
und Personen unterstützen das<br />
Anliegen der Autoren in höchst<br />
anerkennenswerter Weise.<br />
Jörg-Michael Hormann / Eberhard<br />
Kliem: „Die Kaiserliche<br />
Marine im Ersten Weltkrieg.<br />
Von Wilhelmshaven nach Scapa<br />
Flow“, 161 Seiten, zahlreiche<br />
farbige und s/w Abb., Karten,<br />
Tabellen, Diagramme,<br />
Bucher Verlag, 2013,<br />
Preis: 29,99 EUR<br />
BUCHTIPP<br />
Die Luftbrücke nach Sarajevo<br />
Transportflieger der Luftwaffe und der Jugoslawienkrieg<br />
Während des Jugoslawienkrieges<br />
wirkten die deutschen<br />
Transportflieger <strong>von</strong> 1992<br />
bis 1996 an der internationalen<br />
Luftbrücke nach Sarajevo und bei<br />
den Abwürfen <strong>von</strong> Hilfsgütern<br />
über Ostbosnien mit. Es handelte<br />
sich um den ersten Einsatz der<br />
Luftwaffe unter konkreter Bedrohung<br />
in einem Kriegsgebiet.<br />
Generalmajor a.D. Hans-Werner<br />
Ahrens, Jahrgang 1948, war<br />
während der Luftbrücke nach Sarajevo<br />
Kommodore des Lufttransportgeschwaders<br />
62, Wunstorf.<br />
Ahrens vermittelt dem Leser<br />
in seinem lehrreichen Buch tiefe<br />
Einblicke in die Struktur und Kultur<br />
der Luftwaffe, die die eingeschlossene<br />
Bevölkerung trotz<br />
ständiger Bedrohung mit wichtigen<br />
Hilfsgütern versorgte. Dabei<br />
schildert er gleichermaßen anschaulich<br />
wie kritisch seine eigenen<br />
Erfahrungen als beteiligter<br />
Flugzeug- und Truppenführer.<br />
Seine vom Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamt der Bundeswehr<br />
herausgegebene Studie<br />
– eine hochinteressante „Mischung“<br />
aus der Analyse <strong>von</strong> Akten<br />
und Augenzeugenberichten –<br />
enthält darüber hinaus authentische<br />
Berichte anderer beteiligter<br />
Soldaten und Entscheidungsträger.<br />
Darin spiegeln sich die Ereignisse<br />
während des gefährlichen<br />
Auslandseinsatzes in den<br />
1990er-Jahren wider.<br />
Eine ausführliche Chronik sowie<br />
zahlreiche Karten und Grafiken<br />
runden die in jeder Hinsicht<br />
lesenswerte Darstellung ab.<br />
Hans-Werner<br />
Ahrens: Die<br />
Luftbrücke nach<br />
Sarajevo 1992<br />
bis 1996.<br />
Die Transportflieger<br />
der<br />
Luftwaffe und<br />
der Jugoslawienkrieg<br />
(=Neueste<br />
Militärgeschichte. Einsatz<br />
konkret Bd. 1), Freiburg i. Br.<br />
2012, 320 S., geb.,<br />
Preis: 34,- EUR,<br />
ISBN 978-3-7930-9695-5<br />
Foto: Bundeswehr/Dahmen<br />
Foto: Steffen Verlag<br />
BUCHTIPP<br />
Im Dienst der Volksmarine, Teil II<br />
Geschichte durch Geschichten anschaulich vermittelt<br />
Der Fregattenkapitän<br />
(Ing.) a.D. und ehemalige<br />
Pressechef der<br />
DDR-Volksmarine hat<br />
weitere 43 Berichte und<br />
Essays <strong>von</strong> ehemaligen<br />
NVA-Marinern zu einem<br />
ebenso unterhaltsamen<br />
wie informativen Werk<br />
zusammengeführt. Aus den vielen<br />
Facetten der Beiträge ergibt sich<br />
für den Leser ein Gesamtbild über<br />
die „andere Deutsche Marine“ –<br />
den soldatischen, nautischen und<br />
technischen Alltag. Aber auch der<br />
politischen Komponente gibt Dieter<br />
Flohr reichlich Raum. Einen besonderen<br />
Stellenwert nimmt hier<br />
der detailreiche Bericht <strong>von</strong> Vizeadmiral<br />
a.D. Hendrik Born ein. Als<br />
letzter Chef der Volksmarine schildert<br />
er minutiös und aus erster<br />
Hand den Prozess der<br />
Wiedervereinigung und<br />
die sukzessive Auflösung<br />
der DDR-Seestreitkräfte<br />
aus seiner unmittelbaren<br />
Nähe zu den<br />
damaligen Geschehnissen.<br />
Quer durch alle<br />
Dienstgrade, durch alle<br />
Verwendungsreihen und die verschiedenen<br />
Epochen legen Flohrs<br />
Protagonisten Zeugnis ab. Sie berichten<br />
authentisch und kritisch,<br />
zuweilen angereichert mit einer<br />
kräftigen Prise Humor. Ein spannendes<br />
Dokument der jüngsten<br />
Zeitgeschichte!<br />
Flohr, Dieter (Hrsg.): Im Dienst<br />
der Volksmarine II.<br />
Zeitzeugen berichten, 224 Seiten,<br />
16,95 EUR.<br />
Jahre ist es her, seit die „Befreiungshalle“<br />
oberhalb der Stadt Kehlheim in<br />
Niederbayern feierlich eröffnet wurde.<br />
Errichtet wurde der <strong>von</strong> König Ludwig I.<br />
<strong>von</strong> Bayern in Auftrag gegebene<br />
Prachtbau in Gedenken an die<br />
Schlachten gegen Napoleons Truppen<br />
während der „Befreiungskriege“ in<br />
den Jahren <strong>von</strong> 1813 bis 1815.<br />
Foto: picture-alliance/Artcolor<br />
Relikte des<br />
Krieges<br />
Großeinsatz zur Entschärfung<br />
<strong>von</strong> Fliegerbomben<br />
Experten des sächsischen<br />
Kampfmittelbeseitigungsdienstes<br />
haben in der ersten Novemberhälfte<br />
2013 elf Fliegerbomben<br />
entschärft. Es handelte sich um<br />
den bislang größten Einsatz zur<br />
Fliegerbombenentschärfung aus<br />
der Zeit des Zweiten Weltkriegs in<br />
Sachsen. Die Sprengkörper waren<br />
im April 1945 <strong>von</strong> Bombern eines<br />
Geschwaders der US Army Air<br />
Forces mitgeführt worden und<br />
sollten über dem bereits stark zerstörten<br />
Dresden abgeworfen werden.<br />
Ursprünglich war in dem<br />
Waldstück bei Rabenau Munition<br />
einer deutschen Panzerdivision<br />
vermutet worden, doch dann stießen<br />
die Experten auf die amerikanischen<br />
250-Kilo-Bomben.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
7
Clausewitz<br />
Magazin<br />
„Schwarze Listen“ der Militärdiktatur<br />
Geheimdokumente in Argentinien aufgetaucht<br />
In Argentinien sind bei Reinigungsarbeiten<br />
in einem Kellerraum<br />
Geheimakten aus der Zeit<br />
der Militärdiktatur der Jahre 1976<br />
bis 1983 gefunden worden. Unter<br />
General Jorge<br />
Videla und<br />
Admiral Emilio<br />
Massera,<br />
Mitglieder der<br />
<strong>von</strong> 1976 bis<br />
1983 in<br />
Argentinien<br />
regierenden<br />
Miliär-Junta.<br />
Foto: picturealliance/dpa<br />
den in einem Luftwaffen-Gebäude<br />
entdeckten Dokumenten befinden<br />
sich „schwarze Listen“ mit<br />
Namen <strong>von</strong> mehr als 300 Intellektuellen,<br />
Medienvertretern und<br />
Künstlern, teilte der argentinische<br />
Verteidigungsminister Augustin<br />
Rossi auf einer Pressekonferenz<br />
Anfang November 2013 in Buenos<br />
Aires mit.<br />
Die Personen wurden <strong>von</strong><br />
Funktionären des Militärregimes<br />
je nach angeblicher „Gefährlichkeit“<br />
in verschiedene Kategorien<br />
eingeteilt. In der Aufstellung der<br />
wegen ihrer Ansichten politisch<br />
Verfolgten erscheinen zum Beispiel<br />
die Namen renommierter<br />
Schauspieler wie Héctor Alterio,<br />
<strong>von</strong> Schriftstellern wie Julio Cortázar<br />
und <strong>von</strong> Musikern wie der<br />
Sängerin Mercedes Sosa.<br />
Verteidigungsminister Rossi<br />
betonte, dass die argentinische<br />
Justiz nun festlegen müsse, was<br />
mit dem brisanten Material<br />
geschehen soll. Die Unterlagen<br />
seien <strong>von</strong> großem historischen<br />
Wert und könnten zur Aufklärung<br />
der in der Diktatur begangenen<br />
Menschenrechtsverletzungen<br />
beitragen.<br />
Außerdem lasse der Fund hoffen,<br />
dass noch weitere Dokumente<br />
aus der Zeit der Militärdiktatur<br />
gefunden werden.<br />
In weiteren Mappen wurden<br />
nach Angaben <strong>von</strong> Minister Rossi<br />
insgesamt 280 Originalakten<br />
der seit ihrem Staatsstreich am 24.<br />
März 1976 bis zur Amtsübernahme<br />
durch die demokratische Regierung<br />
Raúl Alfonsins am 10. Dezember<br />
1983 in Argentinien herrschenden<br />
Militär-Junta entdeckt.<br />
ZEITSCHICHTEN<br />
Die Fotocollage des russischen Fotografen<br />
Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll<br />
visualisiert einen Brückenschlag zwischen<br />
Vergangenheit und Gegenwart her.<br />
www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Damals: Am 14. Juni 1940 fällt Paris in deutsche<br />
Hände. Der „Triumph im Westen“ wird<br />
mit Paraden auf der prächtigen Avenue des<br />
Champs-Élysées propagandistisch in Szene<br />
gesetzt. Die Kollage zeigt Wehrmachtssoldaten<br />
vor dem knapp 50 Meter hohen Triumphbogen<br />
(1806–1836 errichtet).<br />
Heute: Die Avenue des Champs-Élysées ist<br />
heute eine der teuersten Einkaufs- und Geschäftsstraßen<br />
der Welt. Die knapp 70 Meter<br />
breite Prachtstraße wird auch weiterhin für<br />
Paraden genutzt (so am französischen Nationalfeiertag).<br />
Unter dem Arc de Triomphe befindet<br />
sich das Grab des unbekannten Soldaten.<br />
www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
8
Rauchgenuss aus<br />
Amerika<br />
Pfeifentabak zur „Schlacht der<br />
Schlachten“<br />
Die Tabakspfeife gehörte lange Zeit<br />
zum Standardrepertoire des Soldaten.<br />
Dabei machte der Genuss nicht vor<br />
ideologischen Grenzen halt – sowohl<br />
General MacArthur als auch Stalin waren<br />
begeisterte Pfeifenraucher. In den<br />
USA ist unter dem „Brigadier Black“-Label<br />
ein Tabak zur Schlacht <strong>von</strong> Waterloo<br />
erschienen. Es handelt sich dabei um einen<br />
milden und einfach zu rauchenden<br />
Burley Blend, der ein süßliches Vanillearoma<br />
hat. Bei einem gemütlichen<br />
„Pfeifchen“ lässt sich besonders gut darüber<br />
debattieren, ob Waterloo nun eine<br />
Entscheidungsschlacht war oder nicht!<br />
Waterloo Pipe Tobacco, unter<br />
www.pipesandcibars.com zu beziehen.<br />
Bitte beachten Sie die Zollbestimmungen<br />
für Tabakimporte!<br />
ENGLISCHSPRACHIGES<br />
„The Killer Angels“<br />
Packender Roman über die Schlacht <strong>von</strong> Gettysburg<br />
Für „Nicht-Amerikaner“:<br />
Diese aktuelle britische Ausgabe<br />
enthält eine spezielle<br />
Einführung, die die Schlacht<br />
<strong>von</strong> Gettysburg im Rahmen<br />
des Bürgerkriegs verortet.<br />
Abb.: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Must talk to Lee in the morning. He’s tired.<br />
Never saw him that tired. And sick. But<br />
he’ll listen.“ Diese Gedanken schießen General<br />
James Longstreet – nach Robert E. Lee<br />
ranghöchster Offizier im konföderierten Heer<br />
– am Abend des zweiten Kampftages durch<br />
den Kopf. Natürlich können wir nicht wissen,<br />
was Longstreet wirklich dachte – und hier<br />
liegt der entscheidende Unterschied zu einem<br />
wissenschaftlichen Werk. Der Autor Michael<br />
Shaara verpackte die blutigen <strong>Tage</strong> <strong>von</strong> Gettysburg<br />
aus diesem Grund in einen extrem<br />
spannend zu lesenden Roman.<br />
Hauptakteure sind die Entscheidungsträger<br />
auf beiden Seiten, die ranghohen Offiziere<br />
der Konföderation und der Union. Der Leser<br />
erhält Einblick in die Motivation sowie Gedanken-<br />
und Gefühlswelt dieser Männer.<br />
Selbstverständlich immer in der Interpretation<br />
des Autors. Shaara hat es sich dabei aber<br />
nicht leicht gemacht: Er hat die Charaktere intensiv<br />
studiert, Briefe und andere Quellen ausgewertet.<br />
Ziel war es, den Leser virtuell an der<br />
Schlacht teilhaben und die Ereignisse so plastisch<br />
wie möglich vor dem geistigen Auge entstehen<br />
zu lassen. 1975 erhielt Shaara den Pulitzer-Preis.<br />
Einem großen Publikum bekannt<br />
wurde „The Killer Angels“ allerdings erst 1993<br />
im Zuge des Kinofilms „Gettysburg“, als dessen<br />
Grundlage es diente – leider zu spät für<br />
den bereits verstorbenen Autor. Bis heute gibt<br />
es keine deutsche Übersetzung dieses zeitlosen<br />
Kriegsromans.<br />
Briefe an die Redaktion<br />
Clausewitz<br />
Clausewitz<br />
6/2013 November | Dezember € 5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Zu „Das Imperial War Museum“ in<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013:<br />
Im Beitrag über das Imperial War Museum<br />
in o.g. Heft wird die Produktionszahl<br />
des T 34/85 mit 2.600 Stück angegeben.<br />
Da ist Ihnen sicher ein Lapsus unterlaufen,<br />
denn bei dieser Stückzahl hätten die<br />
Sowjetmarschälle nur müde gelächelt.<br />
Für 1944 wird der Produktionsausstoß<br />
ziemlich einheitlich mit 11.000 Stück angegeben,<br />
bis zum Kriegsende dürften es<br />
fast 30.000 gewesen sein.<br />
Bernd Hoffmann, per E-Mail<br />
Anm. d. Red.: Der Leser hat Recht – es<br />
hätte in der Bildunterschrift „26.000<br />
Exemplare“ heißen sollen (und nicht<br />
„2.600“). Wir bitten, diesen Druckfehler<br />
zu entschuldigen.<br />
Zum Beitrag „Tag der offenen Tür“ im<br />
Magazinteil <strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013:<br />
Seit einigen Monaten bin ich Bezieher der<br />
Zeitschrift <strong>CLAUSEWITZ</strong> und habe es auch<br />
noch nicht bereut. Die Themenzusammenstellung<br />
finde ich gut und die einzelnen<br />
Beiträge sehr infomativ.<br />
Besonders die Seiten „Magazin“ mit<br />
den aktuellen Informationen <strong>von</strong> „hier<br />
und da“ werden <strong>von</strong> mir regelgerecht<br />
verschlungen. Dabei ist mir bei der aktuellen<br />
Ausgabe und dem Beitrag „Tag der<br />
offenen Tür“ besonders aufgefallen. Noch<br />
viel besser wäre es gewesen, wenn man<br />
solche Information „heiß“<br />
bekommen hätte, so dass<br />
man noch reagieren bzw.<br />
hinfahren hätte können.<br />
Bitte verstehen sie mich<br />
nicht falsch, mir ist schon<br />
klar, dass man nachgängig<br />
über solch eine Veranstaltung<br />
leichter berichten<br />
kann, aber wenn man die<br />
Militär & Technik<br />
Flakpanzer „Gepard“<br />
und Shilka<br />
Germanien<br />
9n. Chr.<br />
Nebelwerfer<br />
Untergang<br />
des Varus<br />
Die deutsche<br />
„Stalinorgel“<br />
Oliver<br />
Cromwell<br />
Revolutionär<br />
oder<br />
Tyrann?<br />
MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />
Fairey<br />
Swordfish<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> bei solchen Highlights wie<br />
fahrende, alte deutsche Panzer als Tipp<br />
oder Tourenplaner benutzen könnte, wäre<br />
das schon ein echter Knaller. Oder haben<br />
Sie schon einmal einen Panzer III oder VI<br />
in Fahrt gesehen?<br />
Michael Korsus, per E-Mail<br />
Zum <strong>CLAUSEWITZ</strong>-Spezial „Rommel“:<br />
In der Rommel-Spezialausgabe ist Ihnen<br />
ein kleiner Fehler unterlaufen: Auf Seite<br />
94 hält James Mason keine Walther P38<br />
sondern eine Luger 08 (ebenfalls Kaliber<br />
9 mm Parabellum) in den Händen.<br />
Meine Fragen: Was war denn nun die<br />
Dienstwaffe Rommels und wann kann ich<br />
mit einer Spezialausgabe zur Ardennenoffensive<br />
'44-'45 rechnen, in der auch die<br />
Situation Luxemburgs behandelt wird?<br />
Sonst ist die Rommel-Ausgabe sehr interessant<br />
und gut gelungen und ich werde<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> weiter kaufen.<br />
Georges Feiereisen (Luxemburg),<br />
per E-Mail<br />
Monte<br />
Cassino<br />
Kampf in Italien 1944<br />
sdaf qgsdf<br />
adfads gsdfg asdf<br />
Goethe etwas modifiziert<br />
zitierend könnte man sagen:<br />
„Das Beste, was wir<br />
<strong>von</strong> der Militärgeschichte<br />
haben, ist der Enthusiasmus,<br />
den sie erregt“. Mit<br />
dem „Rommel-Spezial"<br />
unternimmt das „CLAUSE-<br />
WITZ-Magazin“ den<br />
durchaus gelungenen Versuch,<br />
die militärhistorische Rolle des GFM<br />
Rommel nach gegenwärtigem Erkenntnisstand<br />
zu objektivieren und aus der<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Dokumentationen, Büchern<br />
und Filmen positiv herauszuheben. Einen<br />
Korrekturhinweis zur Bildunterschrift Seite<br />
94 unten links: Der „Film-Rommel" J.<br />
Mason hat keine P 38 […] in der Hand.<br />
[…] Es ist eher unwahrscheinlich, dass<br />
Rommel im II. WK diese zuverlässige,<br />
aber schwere Infanteriepistole getragen<br />
hat. Die Amerikaner haben in zeitgenössischen<br />
Filmen ein Faible dafür, die Darsteller<br />
mit dieser etwas martialisch wirkenden<br />
Waffe auszustatten.<br />
Für weitere „Spezial-Vorhaben" besten<br />
Erfolg. Joachim Kaiser, per E-Mail<br />
Schreiben Sie an:<br />
redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />
Anm. d. Red.: <strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt allen<br />
Lesern, die uns auf die „falsche“ Pistole<br />
in Herrn Masons Hand aufmerksam<br />
gemacht haben. Rommel trug vermutlich<br />
eine Walther PPK (Kaliber 7,65 mm) als<br />
Dienstpistole.<br />
In eigener Sache:<br />
In der Ausgabe <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2013<br />
wurde versehentlich der Name des<br />
Autors des ausgewählten Beitrages aus<br />
„Der Erste Weltkrieg 1914–1918.<br />
Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches<br />
Jahrhundert“ (S. 54–59) nicht<br />
angegeben. Verfasser des vorgestellten<br />
Kapitels „Front“ ist Dr. Markus Pöhlmann.<br />
Wir bitten, dieses Versehen zu<br />
entschuldigen.<br />
Richtigstellung:<br />
In unserer <strong>CLAUSEWITZ</strong>-Ausgabe<br />
Nr. 1/2013 Januar/Februar wurde für die<br />
Seiten 50–56 einzig der Autor Jörg-M.<br />
Hormann als Urheber angegeben.<br />
Richtigerweise muss hier aber noch Herr<br />
Ullrich Märker genannt werden, <strong>von</strong> dem<br />
einige Textpassagen stammen.<br />
Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor,<br />
Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />
sinnwahrend zu kürzen.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
9
Titelgeschichte<br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
Tödliche<br />
<strong>Blockade</strong><br />
September 1941: Der Heeresgruppe Nord gelingt mit Unterstützung des finnischen<br />
Verbündeten die beinahe vollständige Einkesselung <strong>Leningrad</strong>s. Auf Befehl Hitlers soll<br />
die Stadt nicht erobert, sondern belagert und „ausgehungert“ werden – eine Entscheidung<br />
mit grausamen Folgen vor allem für die Zivilbevölkerung. Von Lukas Grawe<br />
10
EINGEKESSELT:<br />
Mit der Einnahme <strong>von</strong> Schlüsselburg am Ladogasee<br />
östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ist der landseitige <strong>Belagerung</strong>sring<br />
der Wehrmacht um die ehemalige<br />
russische Hauptstadt geschlossen. Für zweieinhalb<br />
Jahre wird die Millionenstadt zum Schauplatz<br />
erbitterter Kämpfe zwischen Deutschen und Russen.<br />
Foto: ullstein bild – Hanns Hubmann<br />
Clausewitz 1/2014<br />
11
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
IN REICHWEITE:<br />
Deutsche Artillerie (Eisenbahnartillerie) nimmt <strong>Leningrad</strong><br />
unter Feuer. Die <strong>Belagerung</strong> der Stadt dauert <strong>900</strong><br />
<strong>Tage</strong> und führt zu einem Massensterben.<br />
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
12
<strong>Leningrad</strong> unter Beschuss<br />
FAKTEN<br />
Strategische<br />
und taktische<br />
Zielsetzung<br />
Beteiligte<br />
Verbände<br />
Befehlshaber<br />
Totalverluste<br />
Deutsches Reich<br />
„Aushungern“ der Millionenstadt und Zerstörung<br />
<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong><br />
Ausschaltung des Flottenstützpunktes <strong>Leningrad</strong><br />
und der russischen Ostseeflotte<br />
Zusammentreffen mit den finnischen Truppen;<br />
anschließend Durchtrennung der Murmanbahn,<br />
um den russischen Nachschub zu unterbinden.<br />
Heeresgruppe Nord: Panzergruppe 4<br />
(bis 19. September 1941), 16. Armee, 18. Armee<br />
Wilhelm Ritter <strong>von</strong> Leeb (bis 16. Januar 1942),<br />
Georg <strong>von</strong> Küchler<br />
Unbekannt<br />
Clausewitz 1/2014<br />
13
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
ABWEHRBEREIT:<br />
Die eingekesselten Verteidiger der Stadt leisten<br />
den Belagerern erbitterten Widerstand. Die Einheiten<br />
der Roten Armee geben keinen Quadratmeter<br />
kampflos preis.<br />
Foto: picture-alliance/ZB/©dpa<br />
14
Entschlossene Verteidiger<br />
FAKTEN<br />
Strategische<br />
und taktische<br />
Zielsetzung<br />
Beteiligte<br />
Verbände<br />
Befehlshaber<br />
Totalverluste<br />
Sowjetunion<br />
Verteidigung des wichtigen Flottenstützpunktes<br />
<strong>Leningrad</strong><br />
Erhalt der Rüstungs- und Industrieanlagen<br />
Durchbruch durch die gegnerische <strong>Blockade</strong><br />
anschließend Zurückdrängung der Heeresgruppe Nord<br />
Wolchow-Front (4., 26., 52. und 59. Armee) und <strong>Leningrad</strong>er<br />
Front (<strong>von</strong> 1941–1944 insgesamt 16 Armeen)<br />
Kirill Merezkow (Wolchow), Michail Chosin (<strong>Leningrad</strong><br />
bis Juni 1942), Leonid Goworow (<strong>Leningrad</strong>)<br />
In und um <strong>Leningrad</strong> circa 2 Mio. Tote, Verwundete<br />
und Vermisste (darunter schätzungsweise 800.000<br />
Zivilisten)<br />
Clausewitz 1/2014<br />
15
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
BEOBACHTER: Generalmajor Walter Krüger (re.), dem seit Juli<br />
1941 die 1. Panzerdivision untersteht, verschafft sich an der<br />
Front einen Überblick über die Kampfhandlungen vor <strong>Leningrad</strong><br />
im September 1941.<br />
Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />
RICHTUNGSWEISEND: Ein <strong>von</strong> seinem<br />
Sockel heruntergehobenes Standbild Lenins<br />
weist den deutschen Truppen den Weg<br />
nach <strong>Leningrad</strong>, der alten Zarenresidenz<br />
Sankt Petersburg. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
Bereits in den ersten Weisungen für das<br />
Unternehmen „Barbarossa“ misst Hitler<br />
der Metropole <strong>Leningrad</strong> eine große<br />
Bedeutung bei. Die alte Hauptstadt der<br />
russischen Zaren ist nicht nur die Wiege der<br />
Revolution, sondern auch ein wichtiger Rüstungs-<br />
und Industriestandort. Mit dem in<br />
der <strong>Leningrad</strong>er Bucht gelegenen Flottenstützpunkt<br />
Kronstadt verfügt die sowjetische<br />
Flotte zudem über ihren wichtigsten<br />
Ostseehafen. Um den ganzen Ostseeraum<br />
beherrschen zu können, muss die strategisch<br />
wichtige Stadt eingenommen oder „ausgeschaltet“<br />
werden.<br />
Im Rahmen des deutschen Planes für den<br />
Angriff auf die Sowjetunion ist diese Aufgabe<br />
der Heeresgruppe (HGr.) Nord unter Generalfeldmarschall<br />
Wilhelm Ritter <strong>von</strong> Leeb<br />
zugedacht, die nach Eroberung des Baltikums<br />
und der Ostseehäfen auf <strong>Leningrad</strong><br />
vorstoßen soll. Dafür stehen ihr die Panzergruppe<br />
4 sowie die 16. und 18. Armee und<br />
somit 20 Infanterie-, drei Panzer- und drei<br />
motorisierte Infanteriedivisionen zur Verfügung.<br />
Nach Beginn des deutschen Angriffs am<br />
22. Juni 1941 stößt die Wehrmacht tief ins Innere<br />
der Sowjetunion vor. Der HGr. Nord gelingt<br />
bis August die Einnahme weiter Teile<br />
des Baltikums. Am 29. August erlässt Leeb<br />
den „Heeresgruppenbefehl Nr. 1 für die Einschließung<br />
der Stadt <strong>Leningrad</strong>“. Der Generalfeldmarschall<br />
hält einen sowjetischen Widerstand<br />
östlich des Flusses Wolchow für<br />
wahrscheinlich und glaubt an eine frühzeitige<br />
Aufgabe <strong>Leningrad</strong>s. Für den Angriff auf<br />
die Stadt ist zunächst die Panzergruppe 4<br />
unter Generaloberst Erich Hoepner vorgesehen,<br />
während die 18. Armee noch im <strong>von</strong> der<br />
Sowjetunion annektierten Estland gegen<br />
Verbände der Roten Armee vorgeht und anschließend<br />
auf die alte Garnisonsstadt Krasnoje<br />
Selo vorstoßen soll. Leeb kommt es zunächst<br />
darauf an, <strong>Leningrad</strong> weiträumig einzuschließen.<br />
Die sowjetischen Truppen und<br />
die Bevölkerung sollen systematisch ausgehungert<br />
und jegliche Selbsthilfe unterbunden<br />
werden. Die Furcht vor einem verlustreichen<br />
Häuserkampf spielt dabei zwar eine<br />
untergeordnete Rolle, fungiert jedoch vorrangig<br />
als Alibi.<br />
Vorstoß auf die Stadt<br />
In erster Linie ist die <strong>Blockade</strong> als Teil der nationalsozialistischen<br />
Vernichtungspolitik gedacht.<br />
Mehrmals betont Hitler, dass <strong>Leningrad</strong><br />
vollkommen zerstört und die Stadt<br />
dem Erdboden gleichgemacht werden soll.<br />
Zudem will weder die politische noch die<br />
militärische Führung die Versorgung der<br />
über zwei Millionen Einwohner übernehmen.<br />
Die „Aushungerungslösung“ kommt<br />
schließlich dem militärischen Vorhaben entgegen,<br />
da sie die Verteidiger schwächt und<br />
<strong>Leningrad</strong> als Rüstungszentrum ausschaltet.<br />
Alle Anlagen mit militärischem Wert sowie<br />
Versorgungs- und Energiebetriebe sollen<br />
folglich zerstört und die sowjetischen Truppen<br />
<strong>von</strong> jeglichem Nachschub abgeschnitten<br />
werden.<br />
Dass Leeb nach den vorangegangenen Erfolgen<br />
des Jahres 1941 die Lage insgesamt zu<br />
positiv beurteilt, erfährt die Panzergruppe 4<br />
bei ihrem Vorstoß auf die Stadt. Die sowjetischen<br />
Verteidiger wehren sich hartnäckig<br />
und erschweren den deutschen Truppen das<br />
Vorankommen. Die Panzergruppe muss sich<br />
16
Hartnäckiger Widerstand<br />
IM VISIER: Die Millionenstadt an der Newa ist als wichtiger<br />
Industriestandort und Flottenstützpunkt <strong>von</strong> großer Bedeutung<br />
für die russische Seite. Hitler befiehlt schließlich die <strong>Belagerung</strong><br />
der Stadt. Ein Großteil der Zivilbevölkerung stirbt während<br />
der <strong>Blockade</strong> an den Folgen des Hungers oder der Kälte.<br />
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
nach sowjetischen Gegenangriffen sogar zur<br />
Verteidigung rüsten und fällt somit für die<br />
geplante Einschließung <strong>Leningrad</strong>s aus. Um<br />
den Angriff am Leben zu erhalten, befiehlt<br />
Leeb daher dem XXXVIII. Armeekorps, die<br />
Einschnürung der Stadt ohne Panzerunterstützung<br />
vorzunehmen. Von Norden her riegelt<br />
der deutsche Verbündete Finnland die<br />
Stadt ab. In der deutschen Strategie spielt der<br />
Bündnispartner eine wichtige Rolle, sollen<br />
finnische Truppen doch das östliche Ufer des<br />
Ladogasees besetzen und sich anschließend<br />
mit den deutschen Soldaten vereinigen.<br />
Die finnischen Verbände beenden jedoch<br />
ihren Vormarsch, nachdem sie die im Winterkrieg<br />
<strong>von</strong> 1940 an die Sowjetunion verlorenen<br />
Gebiete zurückerobert haben. Man ist<br />
darum bemüht, die westlichen Alliierten<br />
nicht zu provozieren. Den sowjetischen Verteidigern<br />
kommt das finnische Handeln entgegen,<br />
erleichtert es doch die Situation im<br />
Kessel um ein Vielfaches.<br />
KARTE<br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>Leningrad</strong>s – (Militär. Lage im Dezember 1941)<br />
Der Kessel schließt sich<br />
Entgegen seiner früheren Ansicht wünscht<br />
Leeb nunmehr eine engere Abschnürung der<br />
Stadt, da das zögerliche Verhalten der Finnen<br />
den Verteidigern die Versorgung der<br />
Stadt über den Ladogasee gestattet und somit<br />
eine Aushungerung behindert. Eine engere<br />
Linie um die Stadt würde zudem Truppen<br />
freimachen, die die HGr. Nord an anderen<br />
Brennpunkten gut gebrauchen kann.<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
Clausewitz 1/2014<br />
17
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
GUT GERÜSTET: Ein Spähtrupp der<br />
Roten Armee in Schneeanzügen.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Am 7. September 1941 beginnt das<br />
XXXVIII. Armeekorps mit dem Angriff auf<br />
die vorgeschobenen sowjetischen Stellungen.<br />
Schon einen Tag später gelingen der<br />
Vorstoß zum Ladogasee und die Einnahme<br />
der strategisch wichtigen Stadt Schlüsselburg<br />
östlich <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>. Wenige <strong>Tage</strong> darauf<br />
erreichen erste deutsche Einheiten die<br />
Vororte der alten Zaren-Hauptstadt. Diese ist<br />
Aderlass der HGr. Nord<br />
Anfang und Mitte September kommt es innerhalb<br />
der deutschen Führung zu Diskussionen,<br />
wie der weitere Verlauf des Feldzuges<br />
ablaufen soll. Für den parallelen Vorstoß<br />
<strong>von</strong> drei Heeresgruppen fehlen mittlerweile<br />
die Kräfte.<br />
Während Hitler den Vorstoß der HGr.<br />
Nord und Süd bevorzugt, um die Sowjetunion<br />
<strong>von</strong> ihrem Nachschub abzuschnüren und<br />
die wichtigen Erdölvorkommen im Kaukasus<br />
in Besitz zu nehmen, favorisiert Generalstabschef<br />
Generaloberst Franz Halder den<br />
Vorstoß auf die Hauptstadt Moskau. Halder<br />
setzt sich durch, die HGr. Mitte benötigt nun<br />
alle Kräfte für den Sturm auf Stalins Hauptstadt.<br />
Der Norden der Sowjetunion wird daher<br />
zum Nebenkriegsschauplatz. Dies macht<br />
„Wenn heute jemand da wäre, um <strong>Leningrad</strong> zu<br />
entsetzen, dann würde ich den Befehl geben, es zu<br />
stürmen, und wir würden es erstürmen. (…) Aber<br />
das ist nicht notwendig. Die Stadt ist umklammert.“<br />
Hitler in seiner Rede vom 8. November 1941 im Löwenbräukeller in München<br />
IN DECKUNG: Ein deutscher Infanterist bahnt<br />
sich den Weg durch einen Schützengraben im<br />
Vorfeld <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>. Auch den Belagerern<br />
setzt die Witterung der Wintermonate hart<br />
zu. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
nun beinahe vollkommen eingeschlossen<br />
und nur noch auf dem Seeweg erreichbar.<br />
Allerdings misslingt die Einschließung der<br />
Kronstädter Bucht, da die schwere Festungsartillerie<br />
die sowjetischen Verteidiger tatkräftig<br />
unterstützt und der HGr. Nord die<br />
personellen Reserven ausgehen. Westlich <strong>Leningrad</strong>s<br />
bildet sich daher ein weiterer Kessel,<br />
der nach der Stadt Oranienbaum benannt<br />
wird und in den kommenden Monaten<br />
und Jahren eine ständige Gefahr für die<br />
deutschen Truppen darstellt.<br />
sich für die HGr. Nord sofort bemerkbar. Der<br />
Großverband muss die Panzergruppe 4 an<br />
die HGr. Mitte abgeben, sodass alle Angriffe<br />
auf <strong>Leningrad</strong> gestoppt werden.<br />
Zwar gelingt es Leebs HGr. vor Abgabe<br />
der Verbände noch, den Ring um <strong>Leningrad</strong><br />
zu verengen, doch eine anschließende größere<br />
Angriffsoperation ohne Panzerunterstützung<br />
wäre zum Scheitern verurteilt. Ende<br />
September 1941 haben sich die Angriffe auf<br />
die Stadt endgültig festgefahren. Zudem ist<br />
der <strong>Belagerung</strong>sring noch immer so weit <strong>von</strong><br />
der Stadt entfernt, dass an einen gezielten<br />
Artilleriebeschuss zur Zerstörung der Stadt<br />
nicht zu denken ist.<br />
18
<strong>Blockade</strong> der Stadt<br />
Der Generalfeldmarschall ist über die Herauslösung<br />
des Verbandes erbost, will er<br />
doch als Eroberer <strong>Leningrad</strong>s in die Geschichte<br />
eingehen. Nach Feindberichten seiner<br />
Einheiten ist die Lage dafür günstig: Sein<br />
XXXXI. Armeekorps meldet bereits Auflösungserscheinungen<br />
beim sowjetischen Gegner,<br />
denn die Bevölkerung verspüre keine<br />
große Lust, die Verteidigung fortzusetzen.<br />
Doch auch diese Lageeinschätzung, die sich<br />
in den kommenden Monaten als viel zu optimistisch<br />
herausstellt, hindert das Oberkommando<br />
der Wehrmacht (OKW) nicht an<br />
der Wegnahme der Panzergruppe 4.<br />
Dramatische Entsatzversuche<br />
Auf sowjetischer Seite hält man die Lage für<br />
außerordentlich bedrohlich. Sowohl die<br />
wichtigsten Rüstungsbetriebe als auch die<br />
Hafen- und Werftanlagen werden bereits zur<br />
Sprengung vorbereitet. Wiederholt fordert<br />
Stalin sogar die sowjetischen Verbände im<br />
Kessel zum Ausbruch auf: „Ziehen Sie acht<br />
oder zehn Divisionen zusammen und brechen<br />
Sie nach Osten aus. Das ist in jedem Fall<br />
notwendig, ob <strong>Leningrad</strong> gehalten werden<br />
kann oder nicht. Für uns ist die Armee wichtiger.<br />
Wir fordern <strong>von</strong> Ihnen geschlossenes<br />
Handeln.“<br />
Das Schicksal der Bevölkerung <strong>Leningrad</strong>s<br />
ist auch aus Stalins Sicht zweitrangig.<br />
FÜHRUNGSROLLE: Leonid A. Goworow (1897–1955)<br />
spielte eine führende Rolle während der Schlacht um<br />
Moskau im Winter 1941/42 und übernimmt 1942 das<br />
Kommando über die <strong>Leningrad</strong>er Front. 1944 wird er zum<br />
„Marschall der Sowjetunion“, 1945 zum „Held der Sowjetunion“<br />
ernannt. picture-alliance / Mary Evans/John Massey Stewart<br />
In jedem Fall soll der deutsche <strong>Belagerung</strong>sring<br />
gesprengt werden. Bereits am 22. September<br />
1941 unternehmen sowjetische Truppen<br />
Angriffe gegen den „Flaschenhals“, den<br />
deutschen Korridor östlich <strong>Leningrad</strong>s, der<br />
bis nach Schlüsselburg reicht. Die deutsche<br />
18. Armee, die das Kommando im Bereich<br />
<strong>Leningrad</strong> übernimmt, ist jedoch auf ein derartiges<br />
Vorgehen vorbereitet und weist den<br />
improvisierten Angriff unter hohen Verlusten<br />
zurück.<br />
Auch in der Folgezeit bleibt der „Flaschenhals“<br />
ein ständiger Unruheherd. Um<br />
künftige sowjetische Truppenverschiebungen<br />
in diesem Raum zu unterbinden, beginnt<br />
die deutsche 18. Armee am 16. Oktober<br />
den Angriff auf das wichtige Bahndrehkreuz<br />
Tichvin. Mit Hilfe eigens aus Frankreich herangeführter<br />
Verstärkungen, darunter die<br />
spanischen Freiwilligen der 250. Infanteriedivision<br />
(„Blaue Division“), soll den sowjetischen<br />
Truppen der Weg nach Osten abgeschnitten<br />
und eine Front am Fluss Wolchow<br />
errichtet werden. Das vermutete Ausweichen<br />
der sowjetischen Verbände tritt jedoch<br />
nicht ein, überall stoßen die deutschen Soldaten<br />
auf heftigen Widerstand. Bereits am<br />
25. Oktober bleibt der Angriff im Schlamm<br />
stecken. Während Hitler den Vorstoß beenden<br />
will, bittet Leeb um eine Verschiebung<br />
des Abbruchs.<br />
Vorstoß nach Tichwin<br />
Tatsächlich gelingt den deutschen Verbänden<br />
in erbitterten Kämpfen der weitere Vormarsch.<br />
Am 8. November 1941 erfolgt schließlich<br />
die Einnahme Tichwins. Da die meisten<br />
sowjetischen Nachschubwege über diese<br />
Stadt führen, ist mit ihrer Einnahme der Bela-<br />
IM BLICK: Soldaten der Wehrmacht beobachten<br />
mit Feldstecher und Grabenspiegel<br />
die Bewegungen des Gegners, um ihr MG<br />
neu auszurichten. Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Clausewitz 1/2014<br />
19
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
AUSGESCHALTET: Zwei <strong>von</strong> den Deutschen zerstörte russische Kampfpanzer im Frontabschnitt<br />
südlich des Ladogasees.<br />
Foto: ullstein bild - ullstein bild<br />
ZERSTÖRT: Zwischen Wracks schlängeln<br />
sich die Schützengräben. Foto: picture-alliance/dpa<br />
gerungsring um <strong>Leningrad</strong> de facto vollkommen<br />
geschlossen. In den folgenden Wochen<br />
bricht daher die sowjetische Versorgung der<br />
Stadt über den Ladogasee zusammen.<br />
Hochgesteckte Ziele<br />
Die HGr. Nord drängt nun auf eine Beseitigung<br />
des „Oranienbaumer Kessels“ und auf<br />
die Einnahme <strong>von</strong> Kronstadt, doch Hitler<br />
lehnt die wiederholten Gesuche ab. Für derartige<br />
Vorhaben will der „Führer“ erst weitere<br />
schwere Artillerie zusammenziehen und<br />
die Situation mit einem überlegenen Materialeinsatz<br />
„bereinigen“. Zu derartigen Plänen<br />
kommt es jedoch nicht mehr, da Anfang Dezember<br />
sowjetische Gegenangriffe zu einer<br />
Aufgabe Tichwins führen. Die deutschen<br />
Truppen haben der sowjetischen 54. Armee,<br />
die mit Hilfe herangeführter massiver Panzerkräfte<br />
in allen Belangen überlegen ist,<br />
nicht viel entgegenzusetzen. Eine vollständige<br />
Abschnürung <strong>Leningrad</strong>s sowie ein Zusammengehen<br />
mit finnischen Truppen<br />
scheint nunmehr unmöglich.<br />
Hatte sich Hitler im November noch äußerst<br />
optimistisch geäußert, betrachtet er im<br />
Dezember 1941 die <strong>Belagerung</strong> der Stadt de<br />
facto als beendet, da die sowjetischen Nachschublieferungen<br />
wieder über den Ladogasee<br />
in den Kessel gelangen. Zwischen diesem<br />
See und dem Ilmensee halten sich zum<br />
Ende des Jahres 1941 lediglich 13 deutsche<br />
Infanterie- und zwei Panzerdivisionen. Vor<br />
<strong>Leningrad</strong> befinden sich weitere neun Infanteriedivisionen,<br />
die eine Frontbreite <strong>von</strong> 130<br />
Kilometern abzudecken haben. Entgegen allen<br />
Hoffnungen ist das Ziel der HGr. Nord,<br />
HINTERGRUND<br />
Der 1939 zwischen dem Deutschen Reich<br />
und der Sowjetunion geschlossene Nichtangriffspakt<br />
schlägt Finnland, das bis 1918<br />
zum russischen Zarenreich gehört, der sowjetischen<br />
Interessenssphäre zu. Nachdem<br />
die UdSSR im Herbst 1939 auf Gebietsabtretungen<br />
besteht, die <strong>von</strong> Finnland abgelehnt<br />
werden, greifen sowjetische Truppen<br />
am 30. November 1939 auf breiter Front an,<br />
um das gesamte finnische Staatsgebiet zu<br />
besetzen.<br />
Die zahlenmäßig weit unterlegenen finnischen<br />
Verbände können das sowjetische Vordringen<br />
jedoch stoppen und fügen den Angreifern<br />
derart hohe Verluste zu, dass das<br />
Land im am 13. März 1940 geschlossenen<br />
Frieden <strong>von</strong> Moskau lediglich geringe Gebietsverluste<br />
im Vorfeld <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> hinnehmen<br />
muss.<br />
Als das Deutsche Reich am 22. Juni<br />
1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion<br />
beginnt, erklärt Finnland zunächst seine<br />
Neutralität. Erst als die UdSSR am 25. Juni<br />
<strong>Leningrad</strong> zu zerstören, zu diesem Zeitpunkt<br />
nicht annähernd erreicht. Der weite<br />
<strong>Belagerung</strong>sring macht einen wirksamen Artilleriebeschuss<br />
unmöglich und auch aus der<br />
Luft ist eine Zerstörung der Stadt aufgrund<br />
der wenigen vorhandenen Flugzeuge nicht<br />
zu erreichen. Wider Erwarten hält <strong>Leningrad</strong><br />
daher den Hungerwinter 1941/42 durch.<br />
Das deutsche Hauptziel für das Jahr 1942<br />
ist die Herstellung der Verbindung mit den<br />
Finnen, die man fälschlicherweise immer<br />
noch für kooperationswillig hält. Die „<strong>Leningrad</strong>-Frage“<br />
ist mittlerweile zum Angelpunkt<br />
der politischen Beziehungen zum Verbündeten<br />
geworden.<br />
Hitler will nach dem im Winter 1941/42<br />
gescheiterten Vorstoß auf Moskau seinen favorisierten<br />
Plan umsetzen, die Sowjetunion<br />
<strong>von</strong> den amerikanischen und britischen<br />
Nachschublieferungen abzuschneiden. Während<br />
die HGr. Süd in den Kaukasus vorstoßen<br />
und die Lieferungen über die Wolga unterbinden<br />
soll, ist die HGr. Nord, gemeinsam<br />
mit finnischen Truppen, für die Unterbre-<br />
Finnisch-Sowjetischer Krieg<br />
einige finnische Stützpunkte bombardiert,<br />
<strong>von</strong> denen deutsche Kampfflugzeuge gestartet<br />
sein sollen, beginnen die Finnen mit der<br />
aktiven Beteiligung am Feldzug.<br />
Im als „Fortsetzungskrieg“ deklarierten<br />
Krieg gelingt es finnischen Einheiten mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> deutschen Truppen anfangs, die im<br />
vorangegangenen „Winterkrieg“ an die Sowjetunion<br />
verlorenen Gebiete zurückzuerobern.<br />
Anschließend entwickelt sich ein drei<br />
Jahre andauernder Stellungskrieg, da die finnische<br />
Staatsführung den Vormarsch einstellt,<br />
um die Westalliierten nicht zu provozieren.<br />
Auch wiederholtes deutsches Drängen,<br />
vor allem zu stärkerer Beteiligung an<br />
den Angriffen auf <strong>Leningrad</strong>, ändert nichts<br />
an der finnischen Haltung.<br />
Die Sowjetunion startet erst 1944 eine<br />
große strategische Offensive, die Finnland<br />
zum Friedensvertrag verleitet. Als Folge dieses<br />
Waffenstillstandes verliert Finnland neben<br />
den zurückeroberten Gebieten auch<br />
weitere Landstriche.<br />
20
Sowjetische Gegenoffensiven<br />
chung der Murman-Bahn vorgesehen. Die<br />
Besetzung dieser wichtigen Nachschubachse<br />
soll im Anschluss an die Eroberung <strong>Leningrad</strong>s<br />
erfolgen.<br />
Ladoga-Schlacht<br />
Das zuerst unter dem Decknamen „Feuerzauber“,<br />
später als „Nordlicht“ bezeichnete<br />
Unternehmen stößt in der Generalität auf Bedenken,<br />
da man die HGr. nach zahlreichen<br />
Abstellungen für andere Verbände für zu<br />
schwach hält, um die Stadt an der Newa zu<br />
nehmen. Doch Hitler lässt sich nicht <strong>von</strong> seinen<br />
Plänen abbringen. Zuvor sollen die Unternehmen<br />
„Moorbrand“ bzw. „Bettelstab“<br />
die Wolchow-Front begradigen und den<br />
„Oranienbaumer Kessel“ beseitigen, um<br />
weitere Kräfte freizumachen.<br />
Doch das Unternehmen „Nordlicht“<br />
scheitert, bevor es überhaupt beginnt. Am<br />
27. August 1942 eröffnet die Rote Armee eine<br />
weitere Offensive gegen den exponierten<br />
deutschen „Flaschenhals“ bei Schlüsselburg,<br />
um die äußerst angespannte Nachschublage<br />
der alten Zarenhauptstadt zu verbessern.<br />
Die als „Erste Ladoga-Schlacht“ bezeichneten<br />
Kämpfe ziehen sich bis zum 2. Oktober<br />
hin und enden schließlich mit der deutschen<br />
Abwehr der sowjetischen Offensiven. Zwar<br />
ist es Einheiten der Roten Armee gelungen,<br />
aus östlicher Richtung einige Kilometer in<br />
den deutschen Korridor vorzustoßen, doch<br />
können die deutschen Verbände, die eigentlich<br />
für die Unternehmen „Moorbrand“ und<br />
„Bettelstab“ abgestellt sind, die Einbrüche<br />
begrenzen und die angreifenden sowjetischen<br />
Verbände schließlich einkesseln. Der<br />
sowjetische Angriff bricht unter hohen Verlusten<br />
zusammen, vereitelt aber die weitgesteckten<br />
deutschen Pläne für den Sommer<br />
1942. Nicht nur die kleineren Vorhaben, sondern<br />
auch das Unternehmen „Nordlicht“<br />
wird schließlich aufgegeben. Die Stadt <strong>Leningrad</strong><br />
kann auf diese Weise auch im zweiten<br />
Kriegswinter mit Lebensmitteln versorgt<br />
werden und entwickelt sich für die deutsche<br />
HGr. Nord zu einer „offenen Wunde“, die<br />
„Feststehender Entschluss des Führers ist es, Moskau<br />
und <strong>Leningrad</strong> dem Erdboden gleich zu machen, um<br />
zu verhindern, dass Menschen darin bleiben, die wir<br />
dann im Winter ernähren müssten.“<br />
Kriegstagebucheintrag <strong>von</strong> Generalstabschef Franz Halder vom 8. Juli 1941<br />
übermäßig viele Kräfte bindet. Zudem führt<br />
die Rolle als Nebenkriegsschauplatz dazu,<br />
dass die HGr. Nord immer mehr Kräfte an<br />
die HGr. Mitte und Süd abgeben muss. An<br />
eigenständige Offensiven ist nicht mehr zu<br />
denken.<br />
Im Januar 1943 unternehmen die sowjetischen<br />
Truppen einen neuen Versuch, den<br />
weitgehend intakten deutschen <strong>Blockade</strong>ring<br />
um die Stadt an der Newa zu sprengen.<br />
Erneut richtet sich der Angriff gegen den<br />
„Flaschenhals“, doch dieses Mal sind die Bedingungen<br />
deutlich günstiger als im Sommer<br />
1942. Zum einen sind die beteiligten<br />
Fronten „Wolchow“ und „<strong>Leningrad</strong>“ bedeutend<br />
verstärkt worden während die Stärke<br />
der HGr. Nord kontinuierlich abnimmt.<br />
Zum anderen begünstigt die Witterung das<br />
Vorankommen der schweren Panzer. Unter<br />
dem Decknamen „Iskra“ beginnt am 12. Ja-<br />
ABWEHR: Soldaten der sowjetischen Luftabwehr<br />
sichern mit ihren Flakgeschützen den Luftraum<br />
über <strong>Leningrad</strong>.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Clausewitz 1/2014<br />
21
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
nuar der Sturm der Roten Armee mit massiven<br />
Luftangriffen, denen die völlig unterbesetzte<br />
deutsche Luftflotte 1 nichts entgegen<br />
setzten kann. Zeitgleich greift die sowjetische<br />
Armee <strong>von</strong> Osten und aus dem <strong>Leningrad</strong>er<br />
Kessel im Westen den engen deutschen<br />
Korridor an. Obwohl die deutsche 18.<br />
Armee sämtliche Reserven in den Kampf<br />
wirft, gelingt den sowjetischen Truppen der<br />
Durchbruch.<br />
Paradoxe Situation<br />
Am 17. Januar räumen die Deutschen<br />
Schlüsselburg, sodass <strong>Leningrad</strong> nach 506<br />
<strong>Tage</strong>n wieder über eine Landverbindung<br />
verfügt, die die Versorgung wesentlich erleichtert.<br />
Obwohl der schmale Durchbruch<br />
in Reichweite der deutschen Artillerie liegt,<br />
die wiederholt das Feuer auf die Einbruchstelle<br />
eröffnet, gelingt es der Roten Armee in<br />
den folgenden Monaten, das Truppenaufgebot<br />
in <strong>Leningrad</strong> und im „Oranienbaumer<br />
Kessel“ wesentlich zu erhöhen. „Demgegenüber<br />
betrachtete man auf deutscher Seite die<br />
„Es liegt also durchaus in unserem Sinne, wenn <strong>Leningrad</strong><br />
noch einige Zeit Widerstand leistet. Wir können<br />
dann diese Millionenstadt Straße um Straße und<br />
Viertel um Viertel zerstören […]. Es entwickelt sich<br />
hier das schaurigste Stadtdrama, das die Geschichte<br />
jemals gesehen hat.“<br />
<strong>Tage</strong>bucheintrag <strong>von</strong> Joseph Goebbels vom 24. September 1941<br />
VON HÖCHSTER STELLE: Befehl Josef Stalins<br />
zur entschlossenen Fortführung des<br />
Kampfes zur „Zerschmetterung der deutschen<br />
Okkupanten“ auf einem sowjetischen<br />
Propagandaflugblatt in deutscher Sprache<br />
(Vorderseite). Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Heeresgruppe Nord als eine Art Verfügungsmasse,<br />
<strong>von</strong> der immer mehr Verbände abgezogen<br />
wurden. Inzwischen hatte sich die militärische<br />
Lage auf paradoxe Weise ins Gegenteil<br />
verkehrt. Nicht mehr die Belagerer<br />
bedrohten die Belagerten, sondern umgekehrt“,<br />
so der renommierte Militärhistoriker<br />
Karl-Heinz Frieser.<br />
Durch den „Flaschenhals“<br />
Die Gesamtstärke der HGr. Nord ist mittlerweile<br />
auf 360.000 kampfbereite Soldaten geschrumpft.<br />
Trotz des günstigen Kräfteverhältnisses<br />
hält sich die Rote Armee in der<br />
Folgezeit zurück. Ihr Fokus liegt auf der Befreiung<br />
der südlichen Landesteile, der Norden<br />
spielt auch aus sowjetischer Sicht eine<br />
eher untergeordnete Rolle.<br />
Im August 1943 gelingt der deutschen 18.<br />
Armee noch einmal die Abwehr einer sowjetischen<br />
Offensive, welche die schmale Einbruchstelle<br />
in den „Flaschenhals“ verbreitern<br />
soll. Obwohl die Rote Armee ständig<br />
neue Reserven heranführt, gelingt es dem<br />
XXVI. Armeekorps, die Stellung zu halten.<br />
Doch die Kräfte der HGr. Nord sind nahezu<br />
vollkommen aufgebraucht. Anfang 1944<br />
bittet der seit 1942 amtierende Oberbefehlshaber<br />
der HGr., Generalfeldmarschall Georg<br />
<strong>von</strong> Küchler, Hitler um die Erlaubnis zum<br />
UNTER BESCHUSS: Die Millionenstadt an der Newa<br />
ist als wichtiger Industriestandort und Flottenstützpunkt<br />
<strong>von</strong> großer Bedeutung für die russische Seite.<br />
Hitler befiehlt schließlich die <strong>Belagerung</strong> der<br />
Stadt. Ein Großteil der Zivilbevölkerung stirbt während<br />
der <strong>Blockade</strong> an den Folgen des Hungers oder<br />
der Kälte.<br />
Foto: picture-alliance/ZB/©dpa<br />
22
Rückzug der Wehrmacht<br />
KAMPFBEREIT: Eine Gruppe weiblicher Millizionäre<br />
in der Moskauer Allee. Auf russischer<br />
Seite werden auch Frauen und Arbeiter<br />
militärisch geschult und im Kampf gegen<br />
die deutschen <strong>Belagerung</strong>struppen eingesetzt.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Rückzug auf eine vorbereitete Verteidigungsstellung<br />
an der Grenze zum Baltikum.<br />
Doch der „Führer“ lehnt ab.<br />
Ende der <strong>Belagerung</strong><br />
Dass die deutschen Belagerer mittlerweile<br />
handlungsunfähig sind, beweist die neuerliche<br />
sowjetische Offensive vom 14. Januar<br />
1944. Allein um <strong>Leningrad</strong> und im „Oranienbaumer<br />
Kessel“ konzentriert die Rote Armee<br />
über 420.000 Soldaten, um die deutsche 18.<br />
Armee endgültig zu zerschlagen. Die sowjetischen<br />
Truppen kommen gegen die geschwächten<br />
deutschen Verbände leicht voran,<br />
sodass Küchler am 18. Januar den Rückzug<br />
anordnen muss. Einen Tag später müssen<br />
BEFEHLSHABER: Georg <strong>von</strong> Küchler (1881–1968), seit Januar 1942 Oberbefehlshaber der<br />
Heeresgruppe Nord, während einer Lagebesprechung mit einem hochrangigen Offizier der<br />
spanischen „Blauen Division“, die als 250. Infanteriedivision auf deutscher Seite gegen die<br />
Sowjetunion kämpft.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Literaturtipps<br />
Karl-Heinz Frieser: Das Ausweichen der Heeresgruppe<br />
Nord <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> ins Baltikum<br />
(=Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg,<br />
Bd. 8., Die Ostfront 1943/44).<br />
Jörg Ganzenmüller: Das belagerte <strong>Leningrad</strong><br />
1941–1944. Die Stadt in den Strategien <strong>von</strong><br />
Angreifern und Verteidigern, 2. Auflage, Paderborn<br />
2007.<br />
David M. Glantz: The Battle for <strong>Leningrad</strong>,<br />
1941–1944. Kansas 2002.<br />
auch die letzten deutschen Soldaten aus dem<br />
„Flaschenhals“ zurückgehen, um einer drohenden<br />
Umfassung zu entkommen. Schließlich<br />
kann die Rote Armee Ende Januar 1944<br />
die Bahnlinie nach Moskau wieder in Besitz<br />
nehmen. Damit ist die <strong>Belagerung</strong> <strong>Leningrad</strong>s<br />
nach über <strong>900</strong> <strong>Tage</strong>n nunmehr vollständig beendet.<br />
Die gesamte HGr. Nord muss unter<br />
dem sowjetischen Druck zurückweichen.<br />
Die zweieinhalb Jahre andauernde <strong>Belagerung</strong><br />
kostet die sowjetischen Verteidiger<br />
enorm hohe Verluste – auch und besonders<br />
unter der Zivilbevölkerung.<br />
Der deutschen HGr. Nord gelingt zwar<br />
über einen langen Zeitraum hinweg die Behauptung<br />
der <strong>Belagerung</strong>sfront, doch misslingt<br />
die geplante völlige Zerstörung bzw.<br />
„Ausschaltung“ <strong>Leningrad</strong>s. Im Gegenteil:<br />
Auch der als Nebenkriegsschauplatz betrachtete<br />
Norden Russlands erweist sich für<br />
die deutschen Angreifer als verlustreicher<br />
Frontabschnitt.<br />
Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus<br />
Münster.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
23
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
Das Leid der Menschen<br />
Millionenfaches<br />
Massengrab<br />
1941–1944: Während der <strong>Belagerung</strong> spielen sich in <strong>Leningrad</strong> grausame Szenen ab. Völlig<br />
entkräftete Einwohner sterben hunderttausendfach den Hunger- oder Kältetod. Für Angreifer<br />
und Verteidiger wird die Millionenstadt ebenfalls zum Massengrab. Von Tammo Luther<br />
24
Fast <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> lang belagern deutsche<br />
Truppen die Millionenstadt <strong>Leningrad</strong>,<br />
das alte Sankt Petersburg. Ziel ist es, die<br />
Menschen der Stadt „auszuhungern“, um<br />
das bedeutende Industriezentrum und den<br />
wichtigen Flottenstützpunkt dauerhaft auszuschalten.<br />
Durch den Beschuss der deutschen Artillerie<br />
und die Bombardierung durch Einheiten<br />
der Luftwaffe werden weite Teile der<br />
einst <strong>von</strong> prachtvoller Architektur geprägten<br />
ehemaligen russischen Hauptstadt in<br />
Schutt und Asche gelegt. Dennoch geben die<br />
sowjetischen Verteidiger nicht auf. <strong>Leningrad</strong><br />
wird schließlich zum Symbol für den<br />
„unbeugsamen russischen Widerstandswillen“<br />
im Zweiten Weltkrieg.<br />
Unter Beteiligung unzähliger Zivilisten<br />
lassen die Verteidiger provisorische, aber<br />
auch stark befestigte Abwehrstellungen in<br />
den Innen- und Außenbezirken der „Festung“<br />
<strong>Leningrad</strong> errichten. Die Parteiführung<br />
geht dabei hart gegen „Verweigerer“<br />
und angebliche „Volksfeinde“ vor. Die Zahl<br />
der Opfer, die während der <strong>Belagerung</strong> Le-<br />
AUSGEBOMBT: Bewohner der Stadt vor<br />
den Trümmern eines durch einen Luftangriff<br />
schwer beschädigten Straßenzuges<br />
in <strong>Leningrad</strong>. Unzählige Menschen werden<br />
während der <strong>Blockade</strong> infolge <strong>von</strong> Artillerie-<br />
und Bombentreffern obdachlos.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
ningrads an Hunger, Kälte, Krankheit oder<br />
infolge des Artilleriebeschusses und der<br />
Luftangriffe sterben, lässt sich nur schätzen.<br />
Vermutlich etwa 700.000 bis 800.000 Zivilisten<br />
der insgesamt etwa 2,5 Millionen Eingeschlossenen<br />
überleben die zweieinhalbjährige<br />
<strong>Blockade</strong> <strong>von</strong> September 1941 bis Januar<br />
1944 nicht. Hinzu kommen unzählige gefallene<br />
Soldaten auf beiden Seiten.<br />
Besonders die Verluste der Roten Armee<br />
sind sehr hoch. Hier wirken sich die <strong>von</strong> Josef<br />
Stalin während des „Großen Terrors“ angeordneten<br />
„Säuberungsaktionen“ bei den<br />
eigenen Offizieren nachteilig für die russische<br />
Seite aus. Denn aus Mangel an fähigen<br />
Militärs werden die schlecht geführten Verbände<br />
<strong>von</strong> den deutschen Truppen anfangs<br />
zum Teil regelrecht aufgerieben. Dies ist vor<br />
allem im Zuge der russischen Winteroffensive<br />
1942 der Fall. Eilig aufgestellte und vollkommen<br />
unzureichend geschulte „Volkswehren“<br />
und Arbeitermilizen zahlen ebenfalls<br />
einen extrem hohen „Blutzoll“.<br />
Aufgrund der katastrophalen Versorgungslage<br />
ist der Alltag der <strong>Leningrad</strong>er<br />
während der <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Mangelerscheinungen,<br />
Krankheiten und Seuchen geprägt.<br />
Um dem Hungertod zu entgehen,<br />
werden schließlich auch Haustiere wie Katzen<br />
und Hunde verzehrt. Vor allem Alte,<br />
Kranke und Kleinkinder sterben bereits in<br />
den ersten Monaten des Jahres 1942 hunderttausendfach.<br />
Schätzungen gehen <strong>von</strong> jeweils<br />
ZUSAMMENGEKAUERT: Deutsche Grenadiere<br />
harren im Schneesturm in ihrer Stellung<br />
vor <strong>Leningrad</strong> aus. Der extrem harte russische<br />
Winter setzt auch den Belagerern heftig<br />
zu und führt zu hohen Ausfallzahlen etwa<br />
durch Erfrierungen. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
100.000 Toten pro Monat aus. Bei den Bauern<br />
der Landbevölkerung aus dem Umland ist<br />
die „Todesrate“ besonders hoch, da sie keine<br />
„echten“ <strong>Leningrad</strong>er und somit bei den Lebensmittelzuteilungen<br />
besonders schlecht<br />
gestellt sind.<br />
Der strenge russische Winter trägt zusätzlich<br />
zur Verschärfung der Situation bei, denn<br />
MAHNMAL: Gedenkstätte<br />
zur Erinnerung an die <strong>Belagerung</strong><br />
<strong>Leningrad</strong>s 1941–<br />
1944 im heutigen Sankt<br />
Petersburg.<br />
Foto: picture-alliance/<br />
Arco Imgaes GmbH<br />
Clausewitz 1/2014<br />
25
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
IN FREMDER ERDE: Deutsche Soldatengräber an der <strong>Leningrad</strong>er<br />
Front. Auch auf deutscher Seite sind die Verluste während der fast<br />
<strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernden <strong>Belagerung</strong> hoch. Foto: ullstein bild - Nowosti<br />
ERSCHRECKEND: Unterernährte Kinder im belagerten <strong>Leningrad</strong><br />
werden ärztlich untersucht. Unzählige Kinder sterben einen qualvollen<br />
Hungertod.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
bei Minustemperaturen <strong>von</strong> 30 bis 40 Grad<br />
unter Null kommen viele der größtenteils erheblich<br />
geschwächten und medizinisch völlig<br />
unzureichend versorgten Menschen ums<br />
Leben.<br />
Kampf ums nackte Überleben<br />
Eine im Januar 1942 angeordnete Massenevakuierung<br />
auf „Eisstraßen“ in Lkw über<br />
den zugefrorenen Ladogasee soll eine gewisse<br />
Entlastung bringen und führt sogar zum<br />
gewünschten Erfolg, denn das „Soll“ wird<br />
mit etwas mehr als 500.000 Menschen übertroffen.<br />
Doch die Zahl derjenigen, die während<br />
der Evakuierungsaktion sterben, ist<br />
hoch. Hinzu kommt, dass viele <strong>Leningrad</strong>er<br />
trotz allen Elends die Stadt aus Angst, die beschwerliche<br />
und gefährliche Reise ins Ungewisse<br />
nicht zu überstehen, nicht verlassen<br />
wollen und für Unruhe sorgen.<br />
Der Kriegsalltag in <strong>Leningrad</strong> ist <strong>von</strong> dem<br />
Kampf ums nackte Überleben geprägt. Überall<br />
und immer wieder gleichen sich die Bilder:<br />
Entkräftete Menschen gehen zu Fuß<br />
durch die Straßen, um ihre knappen Rationen<br />
in den Ausgabestellen abzuholen oder<br />
um Wasser aus den Kanälen zu schöpfen.<br />
Ein unrühmliches Kapitel stellt die Bevorzugung<br />
der Parteifunktionäre und Militärelite<br />
bei der Zuteilung <strong>von</strong> Lebensmittelrationen<br />
dar. Die kommunistische Führung in<br />
Moskau ist im Bilde, doch lässt man die „Oberen“<br />
in <strong>Leningrad</strong> gewähren. Unterschlagungen<br />
und Diebstahl lassen sich auch durch Androhung<br />
schärfster Sanktionen nicht vollständig<br />
unterdrücken und verschärfen die<br />
äußerst angespannte Lage zusätzlich.<br />
„Fast alle Leute haben sich durch den Hunger,<br />
die <strong>Blockade</strong> und die ausweglose Lage bis zur<br />
Unkenntlichkeit verändert.“<br />
Die <strong>Leningrad</strong>erin Jelena Skrjabina in einem <strong>Tage</strong>bucheintrag vom Oktober 1941<br />
Literaturtipp<br />
Anna Reid: Blockada – Die <strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong><br />
1941–1944, Berlin 2011.<br />
Zwar können Lebensmitteltransporte<br />
über den zugefrorenen Ladogasee oder in<br />
den wärmeren Monaten per Schiff die dramatische<br />
Versorgungslage zeitweise zumindest<br />
leicht verbessern, doch aufhalten lässt<br />
sich die Hungertragödie dadurch nicht.<br />
Unvorstellbar grausame Szenen spielen<br />
sich ab: In den Außenbezirken prägen während<br />
der Wintermonate Leichenberge das<br />
Bild. An eine würdige Bestattung der Verstorbenen<br />
ist ohnehin nicht zu denken, aber<br />
selbst ein einfaches Massengrab lässt sich in<br />
dem völlig vereisten Boden nur schwer ausheben.<br />
Selbst in den belebten Straßen gehören<br />
die leblosen Körper <strong>von</strong> Menschen, die<br />
vor Schwäche und Auszehrung tot zusammengebrochen<br />
sind, zum täglichen Anblick<br />
der Stadtbewohner.<br />
Während der <strong>900</strong> <strong>Tage</strong> andauernden <strong>Blockade</strong><br />
der Stadt nimmt auch die Zahl der Soldatengräber<br />
der deutschen Angreifer beziehungsweise<br />
Belagerer deutlich zu. Eine genaue<br />
Zahl der Todesopfer auf deutscher<br />
SEITE AN SEITE: Angehörige eines Arbeiterbataillons<br />
werden notdürftig militärisch geschult.<br />
Besonders die eilig aufgestellte<br />
„Volkswehr“ hat hohe Verluste zu beklagen.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Seite ist nicht bekannt, doch für einen <strong>von</strong><br />
der deutschen Militärführung als „Nebenkriegsschauplatz“<br />
bezeichneten Frontabschnitt<br />
sind die Verluste erheblich.<br />
Ende der <strong>Blockade</strong><br />
Als die sowjetische Winteroffensive 1943/44<br />
schließlich Ende Januar 1944 das Ende der<br />
<strong>Belagerung</strong> bringt, wird kurz darauf in der<br />
Stadt das Museum „Die heldenhafte Verteidigung<br />
<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong>“ eröffnet. Doch nach<br />
dem militärischen Sieg über das „Dritte<br />
Reich“ im Mai 1945 wird es <strong>von</strong> der obersten<br />
Sowjetführung als „Störfaktor“ angesehen.<br />
Stalin lässt das Museum schließen. Die Erinnerung<br />
an das durch eine gegnerische <strong>Blockade</strong><br />
entstandene „millionenfache Massengrab“<br />
auf russischem Boden passt aus Sicht<br />
des Diktators nicht zum „Triumph“ seiner<br />
Roten Armee.<br />
Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />
Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />
26
Schlachten, Technik,<br />
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Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
<strong>Leningrad</strong> unter Artilleriebeschuss<br />
<strong>Belagerung</strong> statt<br />
Ende 1941: Die Verteidiger<br />
und Einwohner der<br />
Millionenstadt <strong>Leningrad</strong><br />
sollen ausgehungert und<br />
zermürbt werden.<br />
Während ihrer <strong>Belagerung</strong><br />
werden große Teile<br />
der Stadt durch Artilleriebeschuss<br />
in eine<br />
Trümmerwüste verwandelt.<br />
Von Thomas Anderson<br />
„Blitzkrieg“<br />
In <strong>Leningrad</strong>, dem alten St. Petersburg, arbeiten<br />
trotz der <strong>Belagerung</strong> kriegswichtige<br />
Industrien wie die Kirow-Werke weiter.<br />
Hier, mitten in der Stadt nahe der Newa-<br />
Bucht gelegen, werden schwere (Typ KW)<br />
und mittlere Panzer (Typ T 34) produziert.<br />
Die Kirow-Werke und weitere Rüstungsfirmen<br />
werden nun zum erklärten Ziel der<br />
deutschen Luftwaffe und Artillerie.<br />
Die Luftschläge sind sehr effektiv. Neben<br />
der Rüstungsindustrie sind auch Schiffe der<br />
„Baltischen Rotbanner Flotte“ Ziel der Angriffe.<br />
So wird zum Beispiel das russische<br />
Schlachtschiff Marat, das immer wieder gegnerische<br />
Ziele außerhalb des <strong>Belagerung</strong>sringes<br />
bekämpft, auf Grund gelegt. Trotzdem<br />
bleibt das Schiff einsatzbereit, die<br />
Schiffsartillerie soll den Feuerkampf den<br />
ganzen Krieg über weiterführen.<br />
Über die Jahreswende 1941/42 hinweg<br />
werden die deutschen Luftwaffeneinheiten<br />
aus strategischen Gründen ausgedünnt. Als<br />
Ausgleich werden zusätzliche Artillerieeinheiten<br />
zugeführt.<br />
Kanonen, Mörser und Haubitzen<br />
Die Geschütze der Artillerie können 1941 in<br />
drei Hauptgruppen unterteilt werden. Kanonen<br />
feuern als Flachfeuergeschütze in der<br />
unteren Winkelgruppe (bis 45°). Ihr Vorteil<br />
liegt in der verhältnismäßig großen Reichweite.<br />
Mörser feuern hingegen in der oberen<br />
Winkelgruppe (über 45°) und erreichen eher<br />
kurze Reichweiten. Ihre Stärke liegt in der<br />
stark gekrümmten Flugbahn, die eine Bekämpfung<br />
<strong>von</strong> Stellungen und Bunkern <strong>von</strong><br />
oben erlaubt.<br />
Haubitzen vereinen die Vorteile <strong>von</strong> Kanonen<br />
und Mörsern. Sie können in den unteren<br />
und – mit Einschränkungen – auch in den oberen<br />
Winkelgruppen feuern. In der Praxis werden<br />
auch diese eher im Flachfeuer verwendet.<br />
28
UNTER BESCHUSS: Schwere Artillerie nimmt aus sicherer Entfernung<br />
gegnerische Stellungen in <strong>Leningrad</strong> unter Beschuss.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
FESTGEFAHREN: Eine s-10-cm-Kanone 18. Obwohl <strong>von</strong> einem<br />
8-t-Zugkraftwagen (Sd.Kfz. 7) gezogen, scheint dieses Gespann<br />
festgefahren zu sein.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
<strong>Leningrad</strong> ist das Ziel der deutschen Heeresgruppe<br />
Nord, bestehend aus der 16. und<br />
18. Armee sowie der Panzergruppe 4. Diese<br />
Großformation umfasst über die zweieinhalb<br />
Jahre andauernde <strong>Belagerung</strong> bis zu<br />
30 Infanterie- und fünf Panzerdivisionen, die<br />
jeweils über ein Artillerie-Regiment verfügen.<br />
Die drei Abteilungen dieser Regimenter<br />
sind mit leichten und schweren Waffen ausgestattet.<br />
In der Regel sind die zwei leichten<br />
Abteilungen mit insgesamt 24 Geschützen<br />
vom Typ 10,5 cm le Fh 18 (10,5-cm-leichte<br />
Feldhaubitze 18) ausgestattet. Die schwere<br />
Abteilung umfasst acht 15 cm s Fh 18 (15 cm<br />
schwere Feldhaubitze 18) sowie vier 10-cms-Kanonen<br />
18 (10 cm schwere K 18).<br />
Sowohl leichte als auch schwere Feldhaubitzen<br />
verfügen über einen Wirkungsradius<br />
<strong>von</strong> circa zehn Kilometern jenseits der Hauptkampflinie.<br />
Was Reichweite und Wirkung im<br />
Ziel betrifft, sollen sich diese Waffen als nur<br />
bedingt geeignet für die Bekämpfung der belagerten<br />
Stadt erweisen. Mit 19 Kilometern<br />
schießt die 10 cm s K 18 deutlich weiter.<br />
Schwere Artillerie<br />
Auf Ebene der Heerestruppen sind schwerere<br />
Artilleriewaffen verfügbar, die zum Teil<br />
eine höhere Reichweite, vor allem aber aufgrund<br />
des stärkeren Kalibers eine bessere<br />
Wirkung im Ziel zeigen. In selbständigen<br />
Einheiten organisiert, werden diese nach<br />
Maßgabe des höheren Führers anderen<br />
Fronteinheiten an Brennpunkten unterstellt.<br />
Der Vollständigkeit halber soll angemerkt<br />
sein, dass ein Großteil der schweren Regimenter<br />
ebenfalls mit der 10 cm s K 18 und<br />
der 15 cm s Fh 18 ausgestattet sind. Zahlenmäßig<br />
bedeutsam ist auf deutscher Seite der<br />
21-cm-schwere-Mörser 18. Erst kurz vor<br />
Kriegsbeginn entwickelt und eingeführt,<br />
sind mehr als 20 Abteilungen damit ausgerüstet.<br />
Diese moderne Entwicklung ist mit<br />
einer maximalen Reichweite <strong>von</strong> circa 17 Kilometern<br />
sehr leistungsfähig. 1941 werden<br />
17-cm-Kanonen eingeführt (s 17 cm K 18 in<br />
Mörserlafette), die dieselbe Lafette wie der<br />
21-cm-Mörser 18 nutzen. Mit knapp 30 Kilometern<br />
Reichweite deckten diese Geschütze<br />
fast die gesamte Stadtfläche <strong>Leningrad</strong>s ab.<br />
An bodenbeweglichen Geschützen steht zudem<br />
die 24-cm-Kanone K3 zur Verfügung.<br />
Eine Abteilung wird damit ausgestattet und<br />
in den Kampf um <strong>Leningrad</strong> geworfen.<br />
Im Hinblick auf die Beweglichkeit ist<br />
nicht allein der Transport der schweren Waffen<br />
<strong>von</strong> Bedeutung. Die Truppe muss auch in<br />
der Lage sein, die Logistik nachzuführen:<br />
Das bedeutet in erster Linie die sichere Versorgung<br />
mit Unmengen an Munition.<br />
Auch die Artillerie ist den Gesetzmäßigkeiten<br />
des modernen Bewegungskrieges unter-<br />
EINSATZBEREIT: Eine komplette Batterie<br />
10,5 cm le Fh 18. Diese Geschütze<br />
sind motorisiert, die Zugkraftwagen<br />
sind im Hintergrund sichtbar.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
GROßES KALIBER: Dieses Bild zeigt einen 21-cm-Mörser 18 in Feuerstellung. Das Geschütz<br />
ist auf die Grundplatte abgesenkt. Erdanker dienen als zusätzliche Sicherung, um<br />
den Rückstoß aufzufangen.<br />
Foto: Sammlung Erdmann<br />
Clausewitz 1/2014<br />
29
Titelgeschichte | <strong>Leningrad</strong> 1941–1944<br />
als 20 dieser Geschütze vom Kaliber zwischen<br />
20,3 cm und 28 cm im Inventar, einige<br />
sollen an der Heeresgruppe Nord zum Einsatz<br />
kommen.<br />
KOLOSS: Die 28-cm-Kanone K5 ist als Eisenbahngeschütz recht beweglich – im Rahmen<br />
des vorhandenen Streckennetzes. Die Schussweite ist beträchtlich. Foto: Sammlung Anderson<br />
worfen. Einerseits profitiert sie <strong>von</strong> leistungsfähigeren<br />
Zugmaschinen, die auch den Transport<br />
größerer Geschütze erlauben. Was im<br />
Westen 1940 aufgrund eines gut ausgebauten<br />
Straßennetzes noch relativ problemlos möglich<br />
war, soll sich im Herbst/Winter 1941/42<br />
in Russland als äußerst schwierig erweisen.<br />
Im unwegsamen Norden kommt auch diese<br />
Technik an ihre Grenzen, da die Schlammperiode<br />
und der harte russische Winter jede Bewegung<br />
wie Stellungswechsel erheblich erschweren<br />
oder gar ganz verhindern.<br />
Zeigt die bereits Ende des 19. Jahrhunderts<br />
eingesetzte Eisenbahnartillerie einen<br />
Ausweg aus diesem Dilemma? Scheinbar<br />
sind diese riesigen Waffen <strong>von</strong> den genannten<br />
Einschränkungen nicht betroffen. Zwar<br />
ist der rasche Transport über weite Strecken<br />
dieser auf Spezialwaggons aufgebauten Marinegeschütze<br />
gesichert, doch müssen das<br />
Streckennetz und die Infrastruktur vorhanden<br />
sein. Eisenbahntruppen sorgen, falls nötig,<br />
für den Bau ganzer Schienentrassen. Die<br />
deutsche Wehrmacht verzeichnet 1941 mehr<br />
Einsatz <strong>von</strong> Beutewaffen<br />
Das Deutsche Reich setzt während des Krieges<br />
auf Beutewaffen jeder Art, auch wenn<br />
diese wie aus einer anderen Zeit zu sein<br />
scheinen. Aus ehemals tschechischen Beständen<br />
werden Bettungsgeschütze übernommen<br />
und eingeführt – eigentlich <strong>Belagerung</strong>skanonen<br />
<strong>von</strong> unterschiedlichem Kaliber.<br />
Dazu zählen sechs schwere 24-cm-<br />
Kanonen (s-24-cm-Kanone), die auch in die<br />
Kämpfe um <strong>Leningrad</strong> eingreifen sollen.<br />
Diese Geschütze wurden im Ersten Weltkrieg<br />
<strong>von</strong> der Firma Skoda für die k.u.k. Monarchie<br />
entwickelt. Der Straßentransport<br />
wurde – damals geradezu revolutionär –<br />
durch vierachsige Elektrofahrgestelle in vier<br />
Lasten sichergestellt. Der nötige elektrische<br />
Strom wurde durch Lok-ähnliche Generatorwagen<br />
erzeugt. Insgesamt war dies eine<br />
durchaus brauchbare Lösung.<br />
An der Ostfront müssen die Generatorwagen<br />
schnell durch Zugmaschinen (18 to)<br />
ersetzt werden. Der Aufbau der Feuerstellung<br />
gestaltet sich langwierig. Jeweils zwei<br />
Bettungen pro Kanonen müssen in das Erdreich<br />
eingelassen werden, worauf dann eine<br />
Drehscheibe folgt. Auf diese wird die Lafette<br />
montiert, das Rohr folgt zum Schluss.<br />
Dank der Drehscheibe ergibt sich ein Vollkreis-Richtfeld.<br />
Dies erlaubt die Bekämpfung<br />
<strong>von</strong> Zielen in verschiedenen Gebieten.<br />
Die Reichweite der Kanone beträgt knapp<br />
30 Kilometer.<br />
Der Nachteil dieser schweren Geschütze<br />
liegt in der eingeschränkten Beweglichkeit.<br />
Ihr Einsatz macht nur Sinn, solange der eigene<br />
Vormarsch stabil ist und die Feuerstellungen<br />
sicher vor Gegenangriffen sind. Sind in<br />
der Verzögerung oder Verteidigung Abbau<br />
und Transport nicht gewährleistet, gehen<br />
leicht ganze Batterien verloren.<br />
INFO<br />
Artilleriewaffen auf deutscher Seite (Auswahl)<br />
Modell Kaliber Transportgewicht Gewicht in Feuerstellung Reichweite max Besatzung Art d. Beweglichkeit<br />
10,5 cm le Fh 18 10,5 cm Besp. 2,8 t, mot 2 t 2 t 10.600 m 6 Bespannt oder motorisiert<br />
s 10 cm Kanone 18 10,5 cm 8,1 t bsp. (2 Lasten),<br />
6,4 t mot. (1 Last)<br />
5,2 t 19.075 m 8 Bespannt oder motorisiert,<br />
1 oder 2 Lasten<br />
15 cm s Fh 18 15 cm 8 t bsp. (2 Lasten),<br />
6,3 t mot. (1 Last)<br />
5,1 13.325 m 8 Bespannt oder motorisiert,<br />
1 oder 2 Lasten<br />
17-cm-Kanone 18 in Mörserlafette 17 cm k.A. 17,5 t 29.600 m k.A. motorisiert, 1 oder 2 Lasten<br />
21-cm-Mörser 18 21 cm k.A. 16,7 t 16.700 m k.A. motorisiert, 1 oder 2 Lasten<br />
24-cm-Kanone K3 24 cm 86 t 54 t 37.000 m k.A. motorisiert in 5 Lasten<br />
s-24-cm-Kanone 24 cm 143 t ca. 80 t 29.600 m 16 motorisiert in 4 Lasten<br />
28-cm-Eisenbahnkanone K5 28 cm 218 t 218 t 62.000 m,<br />
Standardgeschoss<br />
30<br />
Eisenbahngeschütz<br />
30
Enormer logistischer Aufwand<br />
21-cm-MÖRSER 18<br />
1 Geschützrohr Kaliber 21 cm<br />
2 Rohrwiege, fängt Rückstoß über<br />
Rohrbremse auf<br />
3 Ausgleicher stabilisieren<br />
Geschützrohr<br />
4 Vollgummibereifte Räder<br />
5 Rückholer bewegt Rohr in Grundposition<br />
6 Zieleinrichtung<br />
7 Oberlafette, fängt zusätzlichen<br />
Rückstoß auf<br />
8 Hintere Stützpalette<br />
9 Vordere Stützpalette, drehbar<br />
1<br />
5<br />
6<br />
MIT GROßEM AUFWAND: Die 24-cm-Kanone K3 ist eine recht moderne<br />
Entwicklung (1935 bis 1938). Die Beweglichkeit ist höher als<br />
bei der s-24-cm-Skoda-Kanone, Auf- und Abbau sowie der Transport<br />
sind jedoch kompliziert.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
2<br />
7<br />
3<br />
8<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
4<br />
9<br />
BLITZSCHNELL: Ein 21-cm-Mörser 19 feuert in der unteren Winkelgruppe.<br />
Im Vordergrund sind Blechdosen mit Treibladungsbeuteln<br />
sichtbar.<br />
Foto: Sammlung Erdmann<br />
Rückblickend betrachtet kann man die <strong>Belagerung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Leningrad</strong> als „Abgesang“ an<br />
die klassische schwere Artillerie bezeichnen.<br />
Komplizierte Stellungswechsel<br />
Die in jeder Hinsicht „schweren“ Geschütze<br />
mussten mit enormem Aufwand herangeschafft<br />
werden. Man kann sich die Mühen<br />
des Transports einer 24-cm-Kanone K3 in bodenlosem<br />
Schlamm oder tiefem Schnee<br />
leicht vorstellen. In diverse Lasten aufgeteilt,<br />
nicht selten jeweils <strong>von</strong> zwei schweren Zugmaschinen<br />
bewegt, musste in möglichst kurzer<br />
Zeit eine neue Feuerstellung erreicht<br />
werden. Bereits die Änderung der Grundrichtung<br />
bedeutete ein Problem und besonders<br />
jeder Stellungswechsel. Auf- und Abbau<br />
banden wertvolle Ressourcen an Zeit,<br />
Personal und Material.<br />
Die festen Feuerstellungen waren oft Ziel<br />
russischer Schiffsartillerie, <strong>von</strong> Luftschlägen<br />
oder gar <strong>von</strong> feindlichen Kommandounternehmen.<br />
Der Einsatz schwerer und schwerster<br />
Mörser machte aus militärischer Sicht allenfalls<br />
noch während der Stellungskriege<br />
im Ersten Weltkrieg Sinn. Während die deutschen<br />
Truppen der Welt im Jahr 1940 eine<br />
neue, bewegliche Art der Kriegführung gezeigt<br />
haben, fielen sie nun wieder in längst<br />
vergessen geglaubte Verhaltensmuster und<br />
Strategien zurück.<br />
Das Ausschalten <strong>von</strong> kriegswichtigen Industrien<br />
sollte seit Kriegsbeginn eigentlich<br />
im Aufgabereich der Luftwaffe liegen.<br />
Schließlich können Bomber und Schlachtflieger<br />
die Wirkung ihrer Waffen mit deutlich<br />
geringerem Aufwand zielgenau an den Gegner<br />
bringen.<br />
Eine bereits 1941 überdehnte Front, die<br />
großen Verluste <strong>von</strong> Görings Luftwaffe während<br />
der Luftschlacht um England und nicht<br />
zuletzt die beschränkten Ressourcen des<br />
Deutschen Reiches sowie der hartnäckige<br />
sowjetische Widerstand führten Anfang 1944<br />
schließlich zum endgültigen Scheitern der<br />
deutschen „<strong>Leningrad</strong>-Pläne“.<br />
SCHWERES GESCHÜTZ: Eine s-24-cm-Kanone. Es mussten zwei Bettungen tief in die Erde<br />
versenkt werden. Die ballistischen Leistungen waren gut, doch erweist sich das Geschütz<br />
für den modernen Bewegungskrieg nur als bedingt geeignet.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig<br />
und arbeitet für verschiedene Zeitschriften und Verlage<br />
im In- und Ausland. Außerdem unterstützt er namhafte<br />
Modellbau-Hersteller als Fachberater.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
31
Der Zeitzeuge<br />
Warten auf den Nuklearschlag<br />
Als Offizier in einer<br />
Raketenbasis<br />
1970er-Jahre: Wie vertreibt man sich die Zeit, wenn man 24-Stunden-Schichten tief unter<br />
der Erde verbringen muss? Jim Boensch gibt als junger Offizier zwei Antworten: Er bereitet<br />
sich auf seinen Master-Abschluss und einen Atomkrieg vor.<br />
Von Walter Kreuzer<br />
GROßE VERANTWORTUNG: Der junge Jim<br />
Boensch am Anfang seiner 20-jährigen Laufbahn<br />
bei der US Air Force, stolz in die Kamera<br />
blickend. Der Posten als „Herr über die<br />
Atombombe“ fordert eine besonders starke<br />
Psyche sowie das Ertragen <strong>von</strong> Monotonie<br />
und Langeweile.<br />
Foto: Autor<br />
Sommer 1971: Der Vietnamkrieg tobt,<br />
NATO und Warschauer Pakt stehen<br />
sich säbelrasselnd gegenüber. Über den<br />
Mittleren Westen der Vereinigten Staaten verstreut<br />
lagern 450 mit Atomsprengköpfen bestückte<br />
Interkontinentalraketen vom Typ Minuteman<br />
II in unterirdischen Silos. Über gesicherte<br />
Kabel sind jeweils zehn <strong>von</strong> ihnen<br />
mit einem Launch Control Center (LCC),<br />
dem Kommandostand, verbunden. Dort<br />
schieben junge Offiziere zehn Meter unter<br />
der Erde Dienst. Sie sind bereit, auf Befehl<br />
des Präsidenten die Schlüssel zu drehen<br />
und die Raketen Richtung Sowjetunion zu<br />
schicken.<br />
Jim Boensch ist einer dieser Männer.<br />
Mit knapp 22 Jahren meldet sich der Sohn<br />
eines Luftwaffenoffiziers 1968 zur Air<br />
Force, dient 20 Jahre – und geht 1988 als<br />
Major in Pension. Seither ist er in Rapid<br />
City/South Dakota Inhaber des auf geplatzte<br />
Schecks spezialisierten Inkassobüros<br />
Checkcel. Als „Volunteer“ führt<br />
der 67-Jährige zudem Touristen durch<br />
die Minuteman Missile National Historic<br />
Site. Dort erklärt er ihnen sowohl das<br />
ihm wohlbekannte LCC mit der Bezeichnung<br />
Delta-01 als auch das mit einer<br />
Übungsrakete bestückte Silo Delta-09.<br />
Dabei gibt er Auskunft auf Fragen, wie<br />
etwa der nach der Anzahl der Soldaten,<br />
die für den Abschuss einer Rakete benötigt<br />
wurden. Die Antwort: „Die Besatzungen <strong>von</strong><br />
zwei LCC oder drei Offiziere an Bord eines<br />
Flugzeugs des Strategic Air Command.“<br />
Nah am Atomkrieg?<br />
Der ehemalige Major gibt aber auch persönliche<br />
Eindrücke preis: „Wenn wir die Checkliste<br />
abgearbeitet hatten, gab es nichts mehr<br />
zu tun. Wir arbeiteten an unserem Master<br />
Degree – ich habe meinen an der University<br />
of Northern Colorado in Öffentlicher Verwaltung<br />
gemacht – und übten für die nächste<br />
Prüfung.“ Delta-01 ist zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits „acht harte Jahre lang im Einsatz<br />
und entsprechend heruntergekommen.<br />
Es war nicht so komfortabel, wie später. Wir<br />
hatten nur einen kleinen Toaster unten bei<br />
uns. Man konnte aber immer einen Kaffee<br />
oder ein Essen oben beim Koch bestellen.<br />
Nur nachts haben wir bis um vier Uhr früh<br />
darauf verzichtet.“<br />
An eine Schicht erinnert sich der 67-Jährige<br />
besonders gut: „Wir kamen 30 Minuten<br />
zu spät zur Ablösung runter. Es war klar,<br />
dass da etwas vorging, irgendetwas Kritisches.<br />
Es ging nicht um ein falsch in den<br />
Computer eingelegtes Band, wie sonst<br />
manchmal. Ich weiß bis heute nicht, was geschehen<br />
war. Das war das Aufregendste, was<br />
ich da unten erlebt habe.“<br />
Freiwillig zu den Raketen<br />
Als Jim Boensch zu seiner ersten Schicht das<br />
LCC betritt, ist er stolz: „Ich spürte die Verantwortung,<br />
die ich für das Land und die<br />
Welt trug. Und ich war stolz darauf, meinem<br />
Land mehr zu dienen, als es in meinem vorherigen<br />
Job als Public Affairs Officer möglich<br />
war. Ich wollte mein Land verteidigen.“ Mit<br />
einem Abschluss in Journalismus <strong>von</strong> der<br />
University of Memphis in der Tasche, war er<br />
zuvor sowohl auf der Clinton Sherman Air<br />
Force Base in Oklahoma als auch auf der Blytheville<br />
Air Force Base in Arkansas entsprechend<br />
verwendet worden. Er schreibt Reden<br />
für die Generäle und führt Besucher herum.<br />
„Ich wollte in den operativen Bereich und etwas<br />
mit Waffen zu tun haben, zumal sich der<br />
Vietnamkrieg abschwächte. Hinzu kommt,<br />
dass ich bei Stellenstreichungen auf der sicheren<br />
Seite sein wollte. Deshalb habe ich<br />
mich – als Einziger in meinem Jahrgang – zu<br />
den Raketen gemeldet“, verrät Boensch.<br />
Die Vorbereitung findet während eines<br />
dreimonatigen Kurses ab Mai 1971 auf der<br />
Vandenberg Air Force Base in Kalifornien<br />
32
BESONDERER ARBEITSPLATZ: Tief unter der Erde liegen die Schaltzentralen für das gewaltige Vernichtungspotenzial. Jim Boensch, heute<br />
67 Jahre alt, erinnert sich an seiner ehemaligen „Wirkungsstätte“ das besorgte Warten auf den Atomkrieg – was sich in zynischen Sprüchen<br />
wie an der Bunkertür ausdrückte.<br />
Fotos: Autor<br />
statt. Es folgen „weitere zwei oder drei Monate<br />
Training in Ellsworth bei Rapid City, um<br />
das Zertifikat für den Dienst im Launch Center<br />
zu erhalten.“<br />
Im Mittelpunkt stehen die Raketentechnik<br />
und die Bedienung: „Die nukleare Sicherheit<br />
hatte oberste Priorität. Es musste<br />
verhindert werden, dass eine Rakete aus Versehen<br />
gestartet wird.“ Entsprechend ausgeklügelt<br />
ist das System. „Es gab eine ganze<br />
Reihe <strong>von</strong> Backups für den Fall, dass der eine<br />
oder andere Kommunikationsweg ausfallen<br />
würde“, betont Boensch – und nennt verschiedene<br />
Telefon- und Funkverbindungen<br />
sowie den Fernschreiber als Beispiele. „Wir<br />
hatten aber nie ein Problem mit dem System.<br />
Nur die Glühbirnen mussten wir häufig<br />
wechseln. Später war das System ziemlich<br />
anfällig. In Russland war es ähnlich. Deshalb<br />
wurden die Systeme bei den START-Abkommen<br />
in den 1990er-Jahren auch abgebaut.<br />
Das Gefährlichste da unten war, dass du dir<br />
den Kopf gestoßen hast. Man hat sich so auf<br />
seine Aufgabe konzentriert, dass man nicht<br />
darauf geachtet hat, wohin man seinen Fuß<br />
setzt.“<br />
Keine Angst vor dem Weltkrieg<br />
Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen<br />
auf die Psyche der jungen Männer.<br />
Schließlich müssen sie auf Befehl ein Massenvernichtungsmittel<br />
abschießen, das mehrere<br />
hunderttausend Todesopfer fordern<br />
könnte. Die Sprengkraft der Minuteman II<br />
beträgt 300 Kilotonnen. Zum Vergleich: Hiroshima<br />
wurde mit 13 Kilotonnen in Schutt<br />
und Asche gelegt. „Wir hatten das immer im<br />
BEEINDRUCKEND UND BEDRÜCKEND: Die<br />
mit Technik aus dem Kalten Krieg vollgestopften<br />
Gänge und Räume erinnern heute<br />
eher an einen alten Science-Fiction-Film.<br />
Doch der Atomkrieg war eine reale Bedrohung<br />
– und vor diesem Hintergrund strahlen<br />
die Tunnel ein beklemmende Atmosphäre<br />
aus.<br />
Foto: Autor<br />
Hinterkopf. Alle Abläufe wurden mindestens<br />
einmal im Monat im Simulator geübt,<br />
weil es im LCC zu gefährlich gewesen wäre,<br />
einen Fehler zu machen. Wir waren bereit, in<br />
den Krieg zu ziehen – das war aber nicht unsere<br />
Entscheidung. Ich persönlich hatte keine<br />
schlaflosen Nächte oder schlechte Träume,<br />
weil wir so großen Schaden hätten anrichten<br />
können“, erinnert sich Jim Boensch.<br />
Seine Sorge: „Ich befürchtete, dass wir den<br />
Befehl des Präsidenten zu spät für eine Antwort<br />
auf einen Angriff bekommen könnten.<br />
Wirklich Angst vor dem Dritten Weltkrieg<br />
hatte ich aber nicht.“ Die Kommandokette<br />
vom Präsidenten zu den „Missiliers“ war<br />
kurz gehalten. Zwischen dem Oberbefehlshaber<br />
und dem LCC waren mit dem National<br />
Military Command Center sowie dem<br />
Strategic Air Command nur zwei Ebenen<br />
eingeschoben.<br />
Vier Jahre ist Jim Boensch als „Missilier“<br />
auf der Ellsworth Air Force Base stationiert,<br />
zunächst als Line Crew Member, dann als<br />
Ausbilder und schließlich als Evaluation Officer<br />
am Simulator. Noch weitere sieben Jahre<br />
hat er mit Raketen-Operationen zu tun,<br />
nun aber in einem Airborne Command Post<br />
des Strategic Air Command. Die Offiziere an<br />
Bord dieser fliegenden Kommandostände<br />
können in genau definierten Fällen, ebenso<br />
wie die „Missiliers“ in einem der LCC, die<br />
Minuteman abschießen.<br />
Diese Tätigkeit liegt für Jim Boensch weit<br />
zurück. Auch der Kalte Krieg ist längst Geschichte.<br />
Zu einem Kontakt zu einem russischen<br />
Soldaten, der im eigenen Land für die<br />
Atomraketen zuständig war, ist es in all diesen<br />
Jahren nicht gekommen. „Unglücklicherweise<br />
hatte ich nicht die Möglichkeit dazu“,<br />
bedauert Jim Boensch.<br />
Walter Kreuzer, Jg. 1963, ist Redakteur und Autor <strong>von</strong><br />
Reportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
33
Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />
Vicksburg 1863<br />
Entscheidungsschlacht<br />
1862/1863: Versuche der Union, das konföderierte Vicksburg<br />
zu erobern, scheitern. Mit einer groß angelegten <strong>Belagerung</strong><br />
will General Grant die strategisch wichtige Stadt<br />
am Ostufer des Mississippi endlich „knacken“.<br />
Von Alexander Querengässer<br />
Seit dem Ausbruch des Amerikanischen<br />
Bürgerkrieges 1861 haben die konföderierten<br />
Streitkräfte ganz unterschiedliche<br />
Erfolge errungen. Während die Armeen<br />
im Osten bis in das Frühjahr 1863 eine Serie<br />
glanzvoller Siege erkämpft, müssen die<br />
Streitkräfte im Mittleren Westen mehrere Niederlagen<br />
hinnehmen. Der Grund hierfür liegt<br />
nicht nur in der unterschiedlichen Qualität<br />
der Truppen und ihrer Kommandeure, sondern<br />
auch in der geografischen Beschaffenheit<br />
des Kriegsschauplatzes.<br />
Im Osten fließen alle größeren Flüsse <strong>von</strong><br />
West nach Ost, also quer zur Vormarschroute<br />
der Potomac-Armee, und begünstigen so<br />
eine defensive Taktik der Südstaatler. Im<br />
Westen hingegen fließen gewaltige schiffbare<br />
Ströme <strong>von</strong> Nord nach Süd. Sie bilden große<br />
Heerstraßen, auf denen die materiell<br />
überlegene Unionsarmee nicht nur Männer<br />
und Nachschub verlegen, sondern mit gut<br />
bewaffneten Kriegsschiffen auch jede Verteidigungsstellung<br />
brechen kann.<br />
Eine uneinnehmbare Festung?<br />
Mit Hilfe dieser Kriegsflotte gelingt es der<br />
Union bereits 1862, den Mississippi bis nach<br />
Memphis unter ihre Kontrolle zu bringen,<br />
während General Ulysses S. Grant die beiden<br />
am Cumberland River gelegenen Forts Donelson<br />
und Henry einnehmen und so einen Feldzug<br />
ins Innere <strong>von</strong> Tennessee starten kann.<br />
Nachdem er in der Schlacht bei Shiloh, ebenfalls<br />
unter Mithilfe der Flotte, eine konföderierte<br />
Armee geschlagen hat, macht sich Grant<br />
an die Eroberung der wichtigsten konföderierten<br />
Festung am Mississippi: Vicksburg.<br />
Vicksburg liegt an der Kehrseite des damals<br />
noch sehr mäandernd durch die Südstaaten<br />
ziehenden Flusses. Das Mündungsgebiet<br />
rund um die Stadt New Orleans bis hinauf<br />
nach Baton Rouge ist im April 1862<br />
ebenfalls <strong>von</strong> den Unionsstreitkräften erobert<br />
worden. Vicksburg stellt somit eine der<br />
letzten sicheren Kommunikationslinien in<br />
die Trans-Mississippi Gebiete dar. Der Kommandeur<br />
der Unionsflotte, die New Orleans<br />
eingenommen hat, Admiral David Farragut,<br />
war mit seinen Schiffen bereits bis nach<br />
Vicksburg hinauf gedampft, hat dann aber<br />
feststellen müssen, dass das starke Abwehrfeuer<br />
der Konföderierten ein sicheres Passieren<br />
der Stadt unmöglich macht. Vicksburg<br />
selbst ist eine schwer einzunehmende Festung,<br />
umgeben <strong>von</strong> sumpfigem, nur mühselig<br />
zu durchquerendem Gelände. Die auf einer<br />
Hügelgruppe errichtete Stadt wird durch<br />
mehrere Erdschanzen mit modernen schweren<br />
Geschützen gesichert. Jeden Tag nutzen<br />
die Verteidiger, um diese Anlagen durch das<br />
Aufstellen spanischer Reiter, <strong>von</strong> Sturmpfählen,<br />
HINTERGRUND<br />
*Da es sich bei der Schlacht um Vicksburg um einen komplexen<br />
Feldzug handelt, schwanken die Zahlenangaben in den<br />
Quellen und der Literatur (je nachdem, welcher Zeitpunkt<br />
als Bemessungsgrundlage dient). Die o.g. Zahlen sind deshalb<br />
nur Näherungswerte.<br />
Der Vicksburg-Feldzug<br />
Von Kriegsbeginn an versuchen die<br />
Truppen der Union den Mississippi<br />
in ihre Hand zu bekommen und so<br />
die rebellierenden Südstaaten in<br />
zwei Hälften zu teilen und nach und<br />
nach einzuschnüren.<br />
Ihr Vormarsch wird durch Kompetenzschwierigkeiten<br />
konföderierter<br />
Generale zu beiden Seiten des<br />
Flusses erleichtert, die sich nicht<br />
auf ein gemeinsames Entsatzunternehmen<br />
einigen können. Im Juni<br />
ist die Lage in Vicksburg so angespannt,<br />
dass Präsident Davis in<br />
Erwartung einer baldigen Kapitulation<br />
der Nordvirginia-Armee die<br />
Freigabe für eine Invasion in Maryland<br />
gibt.<br />
Die Nachricht <strong>von</strong> Lees Niederlage<br />
in Gettysburg fällt dann jedoch<br />
mit Berichten über die Kapitulation<br />
Vicksburgs zusammen.<br />
34
am Mississippi<br />
Konföderierte Besatzung Vicksburgs*<br />
Befehlshaber: Gen Lt. John Clifford Pemberton<br />
Truppenstärke: Circa 31.000 Mann.<br />
Zur Armierung <strong>von</strong> Vicksburg gehörten rund<br />
150 Geschütze verschiedenen Kalibers.<br />
Verluste: Circa 3.000 Mann (Tote und Verwundete).<br />
KRIEG AM MISSISSIPPI: General<br />
Grant (im Vordergrund mit Stabsoffizieren)<br />
schickt eine Welle aus<br />
dem XIII., XV. und XVII. Korps gegen<br />
die konföderierte Festung<br />
Vicksburg. Im Hintergrund sind die<br />
Schiffe <strong>von</strong> Admiral David Dixon<br />
Porter zu erkennen, die den Angriff<br />
unterstützen. Abb.: picture alliance/Everett<br />
Collection<br />
US Tennessee-Armee*<br />
Befehlshaber: Gen Maj. Ulysses Simpson Grant<br />
Truppenstärke: Im Herbst 1862 etwa 43.000 Mann, im Juni<br />
1863 etwa 75.000.<br />
Nach Grants Angaben wurden im Laufe der <strong>Belagerung</strong> 220 Geschütze<br />
eingesetzt.<br />
Verluste: Während des gesamten Feldzuges circa 10.000 Tote<br />
und Verwundete.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
35
Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />
WAFFENSTARREND: Vicksburg ist eine gut ausgebaute Verteidigungsstellung, an der sich<br />
die „Yankees” lange Zeit die Zähne ausbeißen. Im Bild eine Geschützbatterie der Südstaaten.<br />
Foto: picture alliance/newscom<br />
Verhauen sowie durch Gräben und Gruben<br />
zu verstärken. Zwar verfügt die Artillerie<br />
durch diese Hindernisse nicht über ein ideales<br />
Schussfeld, doch jede angreifende Infanterieformation<br />
wird durch sie schwer behindert.<br />
Und mit jedem Tag nimmt die Zahl dieser<br />
Hindernisse zu.<br />
Die Union schenkt den Konföderierten<br />
viel Zeit. Nach dem Sieg bei Shiloh benötigt<br />
es den ganzen Sommer, ehe die Tennessee-<br />
Armee im Oktober 1862 unter Grants Befehl<br />
auf Vicksburg angesetzt wird. Dann verliert<br />
Grant zwei weitere Monate durch interne<br />
Querelen mit dem Politiker-General John<br />
McClernand. McClernand ist ein Protegé<br />
Washingtons und erhofft sich ein eigenes,<br />
unabhängiges Kommando. Grant löst das<br />
Problem schließlich durch eine Reform der<br />
Tennessee-Armee. Er bildet vier Korps und<br />
unterstellt ein fünftes aus Reservetruppen<br />
seinem Rivalen.<br />
Auch in Vicksburg trifft im Oktober 1862<br />
ein neuer Kommandeur ein. John Pemberton<br />
ist ein fähiger Ingenieur, doch ihm fehlen etliche<br />
der Talente, die einen guten General ausmachen<br />
– besonders Selbstvertrauen. Im<br />
Sommer des Jahres hat er als Kommandeur<br />
des belagerten Charleston einige Rückschläge<br />
einstecken müssen. Die Aufträge des Generals<br />
sind präzise formuliert, er soll in erster Linie<br />
sein Departement sichern und, wenn die<br />
Gelegenheit günstig erscheint, versuchen,<br />
New Orleans zurück zu erobern. Da mehrere<br />
seiner untergebenen Generale ihn im Dienstalter<br />
übertreffen, wird Pemberton noch am 13.<br />
Oktober zum Lieutenant General befördert.<br />
Er strukturiert sein Departement neu und<br />
36<br />
kümmert sich vorrangig um den Ausbau der<br />
Verteidigungsanlagen in Port Hudson, einem<br />
weiteren strategisch wichtigen Punkt 200 Kilometer<br />
südlich der Stadt.<br />
Erfolgreiche Verteidiger<br />
Im späten Dezember 1862 startet Grant seine<br />
erste Offensive. Unter dem Kommando <strong>von</strong><br />
William T. Sherman marschiert das XV.<br />
Korps <strong>von</strong> Osten an die Stadt heran. Der Vormarsch<br />
wird am 26. Dezember bei Chickasaw<br />
Buff <strong>von</strong> den Konföderierten gestoppt.<br />
Diese haben mit nur zwei provisorischen Divisionen<br />
eine günstige, durch Sümpfe und<br />
Altwasserabschnitte gedeckte Stellung eingenommen.<br />
Obwohl Shermans Regimenter<br />
sich in dem undurchdringlichen Gelände<br />
kaum entfalten können, startet er eine Reihe<br />
Der Sieger:<br />
Ulysses Simpson Grant<br />
Grant wird 1822 als Sohn eines einfachen Gerbers in Ohio<br />
geboren. Auf Wunsch seiner Eltern besucht er die Militärakademie<br />
in West Point, wo er Talent, aber wenig Leidenschaft<br />
für den Soldatenstand zeigt. Später muss er sein<br />
Offizierspatent wegen seines Alkoholismus niederlegen.<br />
Im Bürgerkrieg tritt Grant als General der Ohio-Freiwilligen<br />
wieder ins Heer ein. Durch seine unkonventionelle,<br />
nicht an akademische Lehrbücher gebundene<br />
Kriegführung kann er zwischen 1862 und 1863 im Westen<br />
mehrere glanzvolle Siege erringen. 1864 macht Lincoln<br />
ihn zum Oberbefehlshaber aller US-Streitkräfte. Gestützt<br />
auf seinen Ruf als größter Kriegsheld, kann er zwischen<br />
1868 und 1876 zweimal das Amt des Präsidenten<br />
übernehmen. Grant stirbt 1885 an Kehlkopfkrebs.<br />
Foto: picture alliance/ZUMAPRESS<br />
<strong>von</strong> Attacken, die die Konföderierten ohne<br />
größere Mühe abwehren können. Sherman<br />
verliert bis zum 3. Januar über 1.200 Soldaten,<br />
die Konföderierten 200. Grants Offensive<br />
hat sich im Wesentlichen auf die Ausnutzung<br />
der parallel zum Fluss verlaufenden<br />
Mississippi Central Railroad gerichtet. Während<br />
Sherman bei Chickasaw Bluff gebunden<br />
ist, schwärmt die konföderierte Kavallerie<br />
aus, durchschneidet diese lebenswichtige<br />
Verbindungslinie und zerstört Grants wichtigstes<br />
Depot bei Holy Springs. Grant muss<br />
daraufhin seine erste Offensive abbrechen.<br />
Ein großes Problem für die Unionsarmeen<br />
besteht in der schlechten Qualität der<br />
ihnen vorliegenden Karten. Die sumpfigen<br />
Ufer des Mississippi mit seinen zahlreichen<br />
Nebenarmen sind bisher wenig erforscht.<br />
Trotzdem versucht Grant in der Folge, den<br />
Fluss verstärkt in seine Operationen mit einzubeziehen.<br />
Der neue Plan besteht darin, mit<br />
Hilfe eines Kanals eine der vielen Flussschleifen<br />
zu überbrücken. Somit könnten<br />
Admiral Porters Kanonenboote den Fluss<br />
außerhalb der Vicksburger Festungsartillerie<br />
passieren. Bereits im Sommer 1862 war ein<br />
solcher Kanal angelegt, aber nicht fertig gestellt<br />
worden. Jetzt im Winter erschweren<br />
Überschwemmungen das Projekt. Von den<br />
vier Kanälen, die die Unionspioniere durch<br />
das Sumpfland treiben, soll schließlich jener<br />
am Yazoo River die größte Bedeutung gewinnen.<br />
Der mit den Arbeiten beauftragte<br />
Ingenieuroffizier erleidet unter dem Planungsstress<br />
einen Nervenzusammenbruch.<br />
Kurz bevor die Unionssoldaten den Kanal<br />
fertig stellen können, macht eine hastig errichtete<br />
konföderierte Feldbefestigung den<br />
Plan zunichte.<br />
Im April 1863 sind schließlich alle Kanalbauprojekte<br />
gescheitert. Der politische
Präsident Davis greift ein<br />
Druck auf Grant steigt, und so fasst der Befehlshaber<br />
der Unionstruppen einen neuen<br />
kühnen Plan. Er beschließt, seine Basis nach<br />
Süden zu verlegen und sich <strong>von</strong> seinen Depots<br />
im Norden unabhängig zu machen. Dazu<br />
müssen seine Divisionen das Westufer<br />
des Mississippi, außerhalb der Reichweite<br />
der Festungskanonen, hinab marschieren.<br />
Porters Flussgeschwader soll ausreichend<br />
gepanzert werden, um die Batterien <strong>von</strong><br />
Vicksburg sicher passieren zu können und<br />
die Infanterie nach ihrem Marsch wieder auf<br />
das Ostufer übersetzen zu können. In der<br />
Nacht vom 16. zum 17. April liefern sich die<br />
Kanonenboote ein heftiges Gefecht mit der<br />
konföderierten Artillerie. Diese kann eines<br />
Der Verlierer:<br />
John Clifford Pemberton<br />
Pemberton ist eigentlich Nordstaatler. Er wird 1818 in Philadelphia<br />
geboren, besucht die Militärakademie <strong>von</strong> West Point und heiratet<br />
eine Frau aus Virginia. Diese Ehe ist der Grund, warum er sich<br />
1861 dazu entschließt, in den Dienst der Konföderierten<br />
Staaten zu treten. Pemberton ist eng mit Präsident Davis<br />
befreundet und wird weit über seine Kompetenzen zum<br />
Generalleutnant befördert und mit der Verteidigung <strong>von</strong><br />
Vicksburg betraut. Nach der Kapitulation betrachten<br />
viele Südstaatler Pemberton als „Yankee-Verräter“.<br />
Nach seinem offiziellen Austausch legt er seinen Generalsrang<br />
nieder und dient bis Kriegsende als Oberstleutnant<br />
in einem Artilleriebataillon.<br />
Pemberton stirbt 1881 in seinem Heimatstaat.<br />
Foto: picture alliance/newscom<br />
KARTE<br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Vicksburg 1863<br />
der Schiffe versenken, doch dem Rest <strong>von</strong><br />
Porters Flottille gelingt die gefährliche Passage.<br />
Am 30. April wird Grants Armee wieder<br />
auf das Ostufer des Mississippi übergesetzt.<br />
Unterdessen fesselt eine kleine Kavalleriebrigade<br />
der Union die Aufmerksamkeit<br />
Pembertons. Mit 1.700 Mann zieht Colonel<br />
Benjamin Grierson in einem zweiwöchigen<br />
Streifzug durch Mississippi, zerstört 80 Kilometer<br />
Bahngleise und mehrere Eisenbahndepots.<br />
Am 2. Mai erreicht die Brigade das<br />
<strong>von</strong> Unionstruppen gehaltene Baton Rouge.<br />
Obwohl diese Art des Kavallerieraids eigentlich<br />
eine Spezialität der konföderierten Reiterei<br />
ist, bleibt Griersons Unternehmen das<br />
erfolgreichste des ganzen Krieges.<br />
In der Zwischenzeit entschließt sich General<br />
Pemberton, den nur 10.000 Soldaten,<br />
die Grant mit nach Süden genommen hat,<br />
mit seiner gesamten Armee entgegen zu<br />
marschieren. Die Konföderierten verlassen<br />
ihre Stellungen und rücken auf Jackson, die<br />
Hauptstadt <strong>von</strong> Mississippi, vor. Doch im<br />
fernen Richmond reagiert Präsident Davis<br />
entsetzt. Er befiehlt die Rückkehr der Armee<br />
in ihre sicheren Stellungen. Weil Davis<br />
glaubt, dass Pemberton mit der Situation<br />
überfordert ist, schickt er General Joseph E.<br />
Johnston als neuen Befehlshaber im Mittleren<br />
Westen am 9. Mai nach Jackson. Hier findet<br />
der General nur etwa 15.000 schlecht bewaffnete<br />
und eingekleidete Soldaten und<br />
Milizen vor, die er eiligst zu einer neuen Armee<br />
aufbaut.<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
Erster Erfolg für Grant<br />
Grants Kriegsführung überrascht die Konföderierten.<br />
Nicht nur, dass er mit der Verlegung<br />
mehrerer Korps mittlerweile fast<br />
30.000 Soldaten <strong>von</strong> ihren eigenen Depots<br />
entfernt hat, er macht sich auch keine Mühe,<br />
neue Nachschublinien aufzubauen. Stattdessen<br />
greift er Johnston am 12. Mai nahe Jackson<br />
an und treibt ihn in die Stadt zurück.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
37
Schlachten der Weltgeschichte | Vicksburg 1863<br />
Pemberton, der sich der Stadt bereits auf wenige<br />
Kilometer genähert hat, zieht sich nun<br />
auf eine gut zu verteidigende Hügelstellung<br />
weiter im Westen, den Champions Hill, zurück.<br />
Hier greifen ihn die Unionstruppen am<br />
16. Mai an. Grants Soldaten erringen einen<br />
taktischen Erfolg. Nur das zögerliche Vorgehen<br />
des Politiker-Generals McClernand verhindert<br />
eine Katastrophe für die Südstaatler.<br />
Da McClernand sich jedoch selbst für diesen<br />
Sieg in der Presse feiern lässt, hat Grant genügend<br />
Gründe, den ungeliebten Rivalen<br />
seines Kommandos zu entheben.<br />
Die <strong>Belagerung</strong> beginnt<br />
Einen Tag später, am 17. Mai, erringen die<br />
Unionstruppen einen weiteren Erfolg am<br />
Black River. Pembertons angeschlagene Armee<br />
zieht sich in die Verteidigungsanlagen<br />
<strong>von</strong> Vicksburg zurück. Am 19. Mai trifft<br />
Grant vor der Stadt ein und befiehlt nach einem<br />
ersten heftigen Beschuss den sofortigen<br />
Sturm der Befestigungsanlagen. Grant will<br />
die demoralisierte Verfassung der Verteidiger<br />
ausnutzen. Doch die Konföderierten<br />
können diese Angriffe abwehren. Am<br />
22. Mai greifen alle drei Unionskorps ein<br />
KONFÖDERIERTE KAPITULATION: Am 4. Juli – dem amerikanischen Unabhängigkeitstag –<br />
übergibt General Pemberton Vicksburg an General Grant. Viele Einwohner der Stadt feiern<br />
deshalb den Nationalfeiertag lange Zeit nicht. Die blutige <strong>Belagerung</strong> der Mississippi-Festung<br />
ist zu Ende – der Krieg wird aber noch fast zwei weitere Jahre wüten.<br />
Abb.: picture alliance/akg<br />
ANGREIFER: Dieser Kavallerist trägt<br />
die blaue Uniform der Union sowie<br />
den Standard-Hut der Nordstaaten<br />
(„Hardee hat“ bzw. „Model 1858<br />
Dress Hat“). Er ist mit Säbel, Pistole<br />
und einem 3,4 Kilo schweren Gewehr<br />
(„Smith Carbine“) gut ausgerüstet.<br />
Im Hintergrund ist ein<br />
McClellan-Sattel zu sehen (benannt<br />
nach George B. McClellan).<br />
Zeichnung: Johnny Shumate<br />
weiteres Mal an.<br />
Diese Attacke wird<br />
durch das heftige<br />
Feuer der Flussflottille<br />
unterstützt,<br />
kann aber ebenfalls<br />
<strong>von</strong> den Verteidigern<br />
abgewehrt<br />
werden. 3.200 Unionssoldaten<br />
bleiben<br />
tot auf dem<br />
Schlachtfeld zurück.<br />
Es bleibt der<br />
Unionsarmee nichts anderes übrig, als eine<br />
regelrechte <strong>Belagerung</strong> zu beginnen.<br />
Jede Straße, die aus Vicksburg führt, ist<br />
durch ein eigenes Fort gesichert. Dazwischen<br />
befinden sich weitere Lünetten und<br />
Redouten, die durch mehrere Gräben miteinander<br />
verbunden sind. Auf der anderen<br />
Seite errichten Grants Soldaten Batterien, die<br />
mit modernen schweren Geschützen besetzt<br />
werden. Tag für Tag regnet es Granaten auf<br />
Vicksburg. Die Verteidiger graben bombensichere<br />
Bunker in die Hügel, die Bevölkerung<br />
meidet die Straßen.<br />
Pemberton hofft auf Entsatz<br />
durch Johnston. Doch der General<br />
hält seine Truppen für zu<br />
schwach und instruiert Pemberton,<br />
notfalls Vicksburg<br />
zu räumen, um seine Armee<br />
zu retten. Ganz andere Befehle<br />
erhält er aus Richmond:<br />
Davis befiehlt, die Stadt mit allen Mitteln zu<br />
halten. Hin und her gerissen entscheidet sich<br />
Pemberton, das Einfachste zu tun und auszuharren.<br />
So gut Vicksburg auch befestigt ist, einer<br />
langwierigen <strong>Belagerung</strong> kann die Stadt auf<br />
Dauer nicht standhalten. Mitte Juni gehen<br />
die Lebensmittelvorräte zuneige. Die Zeitungen,<br />
die fast täglich den Entsatz durch Johnstons<br />
Truppen voraus sagen, müssen auf Tapeten<br />
gedruckt werden.<br />
Tödlicher Sturm<br />
Doch selbst wenn Johnston dies wirklich gewollt<br />
hatte: Mittlerweile ist Grant viel zu<br />
stark, um sich noch vertreiben zu lassen. Seine<br />
Armee ist auf 77.000 Mann angewachsen.<br />
30.000 da<strong>von</strong> schickt er unter Sherman nach<br />
Osten, wo sie die kleine Entsatzarmee aus<br />
Jackson vertreiben können.<br />
Grants Soldaten haben in der Zwischenzeit<br />
ihre Gräben bis auf wenige Meter an die<br />
Forts der Konföderierten heran getrieben,<br />
können die starken Verteidigungsstellungen<br />
aber immer noch nicht einnehmen. Colonel<br />
Andrew Hickenlooper, einer <strong>von</strong> Grants Ingenieuren,<br />
fasst den Entschluss, einen Tunnel<br />
unter Fort Hill am Nordende der Stadt zu<br />
treiben und dieses in die Luft zu sprengen.<br />
Am 25. Juni ist die Mine fertig. Die Explosion<br />
<strong>von</strong> 1.000 Kilogramm Schwarzpulver zerreißt<br />
die konföderierte Stellung. Doch als die<br />
Unionsinfanterie zum Sturm ansetzt, erkennt<br />
sie voller Entsetzen, dass die Konföde-<br />
38
Doppelsieg für die Union<br />
rierten in Erwartung der Sprengung hinter<br />
dem Fort eine weitere Schanze angelegt haben,<br />
<strong>von</strong> der ihnen nun ein mörderisches<br />
Musketenfeuer entgegen schlägt. Unbarmherzig<br />
treibt Grant eine Angriffswelle auf die<br />
nächste nach vorn. Am Abend sind 34 Mann<br />
gefallen und 209 verwundet. Die Konföderierten<br />
halten ihre Linie.<br />
Kapitulation mit Bedingung<br />
Eine weitere Mine verpufft am 1. Juli mit der<br />
gleichen Wirkung. Allerdings verzichtet<br />
Grant auf den Sturm und lässt die Verteidiger<br />
durch Gewehrfeuer aus ihren Stellungen<br />
treiben.<br />
Inzwischen hat der Hunger den Widerstandswillen<br />
der Verteidiger gebrochen. Am<br />
1. Juli ruft Pemberton einen Kriegsrat mit seinen<br />
vier Divisionskommandeuren ein. Zwei<br />
sprechen sich für die Kapitulation aus. Zwei<br />
enthalten sich zunächst. Zwei <strong>Tage</strong> später,<br />
am 3. Juli, schickt Pemberton seinen Adjutanten<br />
zu Grant, um die Aufgabeverhandlungen<br />
einzuleiten. Grant fordert die bedingungslose<br />
Kapitulation. Doch nach zähen<br />
Verhandlungen können die Konföderierten<br />
ihren Belagerern eine Bedingung abringen.<br />
Die gesamte Besatzung wird, ohne Fahnen,<br />
Waffen und Gepäck, auf Ehrenwort entlassen.<br />
Die Offiziere dürfen ihre Degen und<br />
Pferde behalten. Am 4. Juli, dem amerikanischen<br />
Unabhängigkeitstag, räumt Pembertons<br />
Armee Vicksburg. Der<br />
große Sieg im Westen<br />
fällt mit einem glänzenden<br />
Erfolg im Osten<br />
zusammen: Am 3.<br />
Juli ist Robert E. Lees<br />
Nordvirginia-Armee bei<br />
Gettysburg geschlagen<br />
worden.<br />
Fünf <strong>Tage</strong> nach der Kapitulation<br />
<strong>von</strong> Vicksburg<br />
streckt auch die konföderierte Besatzung<br />
<strong>von</strong> Fort Hudson ihre Waffen. Die<br />
Union kontrolliert nun den gesamten Mississippi.<br />
Die Konföderierten Staaten <strong>von</strong><br />
Amerika sind in zwei Hälften geteilt.<br />
VERTEIDIGER: Der Reiter auf diesem Bild<br />
sitzt auf einem „Texas saddle“ und ist mit<br />
seiner grauen Jacke als Angehöriger der<br />
Konföderation zu erkennen. Er ist mit einer<br />
Pistole sowie einer Cook & Brother<br />
Muskete bewaffnet. Während des Krieges<br />
verwenden beide Seiten weit über einhundert<br />
verschiedene Typen <strong>von</strong> Pistolen, Musketen<br />
und Gewehren!<br />
Zeichnung: Johnny Shumate
Meinung<br />
Gettysburg 1863<br />
Die Wende im<br />
Sezessionskrieg?<br />
Von Alexander Querengässer<br />
Mit 50.000 Toten und Verwundeten<br />
war die Schlacht im pennsylvanischen<br />
Gettysburg (1.-3. Juli 1863)<br />
die blutigste im Amerikanischen Bürgerkrieg.<br />
Die zweite Invasion der Nordvirginia-Armee<br />
unter Robert E. Lee konnte durch die Standhaftigkeit<br />
der bisher meist glücklos agierenden<br />
Potomac-Armee der Union verhindert<br />
werden. Für viele Historiker stellt dieser Sieg<br />
der Nordstaaten zusammen mit der Kapitulation<br />
der wichtigen Mississippifestung<br />
Vicksburg (am 4. Juli 1863) vor den Truppen<br />
unter Ulysses S. Grant den Wendepunkt im<br />
Amerikanischen Bürgerkrieg dar.<br />
Doch was ist der Wendepunkt eines Krieges?<br />
Fest steht, dass Lees Armee durch den<br />
enormen Aderlass an gut ausgebildeten<br />
Offizieren und erfahrenen Soldaten ihr offensives<br />
Potential nach Gettysburg im Wesentlichen<br />
verloren hatte. Zwar konnte die<br />
Nordvirginia-Armee durch das neue Konskriptionsgesetz<br />
vom Februar 1864 wieder<br />
auf eine effektive Stärke <strong>von</strong> etwa 60.000<br />
Mann gebracht werden. Doch die neuen Rekruten<br />
besaßen nicht die Moral der Freiwilligen<br />
der ersten Kriegsjahre. Auch 1864 bestand<br />
der Großteil der Armee noch aus den<br />
Freiwilligen <strong>von</strong> 1861/62. Diese bildeten<br />
nicht nur das quantitative, sondern auch das<br />
qualitative Rückgrat der Regimenter, denn<br />
die neuen Wehrpflichtigen <strong>von</strong> 1864 neigten<br />
wesentlich eher zur Desertation. Alles in allem<br />
lässt sich sagen, dass die Armee im Frühjahr<br />
1864 insgesamt nicht mehr den Standard<br />
des Vorjahres besaß.<br />
Doch die schlechtere Qualität der Truppen<br />
war nicht allein Ausschlag gebend für<br />
den Verlauf der Ereignisse 1864. Zumindest<br />
in Virginia waren die Konföderierten 1864<br />
durchaus noch in der Lage, den Krieg in ihrem<br />
Sinne zu entscheiden, und das lag am<br />
neuen Oberbefehlshabers der Unionsstreitkräfte,<br />
Ulysses S. Grant.<br />
Nach seinen Erfolgen im Westen sah Präsident<br />
Abraham Lincoln in Grant den Mann,<br />
der Lee in die Knie zwingen könnte. „Dieser<br />
Mann kämpft“, sagte der Präsident einst<br />
über den General aus Ohio. Grant begann<br />
1864 einen aggressiven Feldzug gegen Lee.<br />
Obwohl die Südstaatler eine Reihe taktischer<br />
Erfolge erringen konnten, für die die Unionsarmeen<br />
einen hohen Blutzoll zu bezahlen<br />
hatten, ließ Grant nicht locker. Es war seine<br />
Sturheit, eine Niederlage nicht zu akzeptieren,<br />
der viele Historiker den Sieg zuschreiben.<br />
Doch die Wahrheit sieht anders aus. In<br />
dutzenden massierter Frontalangriffe auf die<br />
gut ausgebauten Defensivstellungen der<br />
Nordvirginia-Armee hatten die Nordstaatler<br />
bis zum Sommer 1864 allein in Virginia<br />
50.000 Mann verloren – in drei Monaten doppelt<br />
so viele wie in den drei <strong>Tage</strong>n <strong>von</strong> Gettysburg.<br />
Grants taktisch wenig glanzvolle<br />
Frontalattacken hatten der Potomac-Armee<br />
das Rückgrat gebrochen. Hastig ausgebildete<br />
Infanterieregimenter und Artilleriekompanien<br />
mussten die Lücken füllen. Im Juli<br />
hatte sich die Offensive der Union vor den<br />
konföderierten Schützengräben, die nun <strong>von</strong><br />
der Hauptstadt Richmond bis zu dem 40 Kilometer<br />
südlich gelegenen Eisenbahnknotenpunkt<br />
Petersburg reichten, festgefahren.<br />
Natürlich hatten auch Lees Divisionen gewaltig<br />
bluten müssen, gemessen an ihrer<br />
Ausgangsstärke sogar mehr, als ihre Gegner.<br />
„Sieg! Waterloo in den Schatten gestellt!.“<br />
Schlagzeile in der Nordstaaten-Zeitung „Philadelphia Inquirer“<br />
nach Meades Sieg über Lee bei Gettysburg am 3. Juli 1863<br />
Trotzdem konnte die konföderierte Regierung<br />
darauf hoffen, dass die langen<br />
„Schlachterlisten“, die Grant den heimischen<br />
Zeitungen schicken musste, zu einer enormen<br />
Kriegsmüdigkeit im Norden führen<br />
würden, und dass diese Kriegsmüdigkeit die<br />
Wahlen im November beeinflussen würde.<br />
Denn gegen Lincoln trat ein populärer Mann<br />
an. George Brinton McClellan hatte selbst in<br />
den Jahren 1861 und 1862 die Potomac-Armee<br />
kommandiert, bis er wegen seiner passiven<br />
Vorgehensweise <strong>von</strong> Lincoln abgesetzt<br />
wurde. McClellan war nicht nur bei seinen<br />
ehemaligen Soldaten beliebt, sondern sammelte<br />
auch mit dem Versprechen auf Frieden<br />
40
Was halten Sie <strong>von</strong> der Meinung Alexander Querengässers? Schreiben Sie uns!<br />
Clausewitz, Infanteriestr. 11a, 80797 München oder an redaktion@clausewitz-magazin.de<br />
TITANENKAMPF: Major General George Meade<br />
(links) steht bei Gettysburg dem konföderierten<br />
„Kriegsgott“ Robert E. Lee gegenüber. Die<br />
Schlacht gilt als die blutigste in der amerikanischen<br />
Geschichte – und ist sicher die bekannteste<br />
des Bürgerkrieges. Aber war sie auch eine Entscheidungsschlacht?<br />
Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Stimmen bei der Bevölkerung. Das einzige,<br />
was die Wahl für Lincoln und die Republikaner<br />
retten konnte, waren militärische Erfolge.<br />
Diese waren jedoch <strong>von</strong> Grant nicht zu<br />
erwarten. Zu großen Offensivschlägen war<br />
die Potomac-Armee im Sommer 1864 nicht<br />
mehr in der Lage. Dafür versuchte Lee den<br />
Druck auf seine Stellungen zu vermindern<br />
und entsandte Jubal Early mit dem II. Korps<br />
in das Shenandoah Valley. Early vertrieb die<br />
hier stationierten Unionstruppen und fiel in<br />
Maryland ein, wo er die Vororte Washingtons<br />
besetzte. Im US-Kongress brach eine Panik<br />
aus, Grant musste Truppen nach Norden<br />
schicken. Early konnte sich zwar letztlich<br />
nicht halten, stellte aber nach wie vor eine<br />
Bedrohung dar.<br />
Nach diesen enormen Rückschlägen<br />
richtete Grant seine Aufmerksamkeit hoffnungsvoll<br />
nach Westen. Auch <strong>von</strong> dort hatte<br />
er bisher wenig positive Neuigkeiten erreicht.<br />
Bereits im März war eine Offensive<br />
der Nordstaaten entlang des Red River nach<br />
Louisiana abgewiesen worden. Grant setzte<br />
jetzt all seine Hoffnungen in seinen Freund<br />
William Tecumseh Sherman. Dieser hatte<br />
drei Verbände, die Cumberland-, Tennesseeund<br />
Ohio-Armee, zusammengezogen, um<br />
Atlanta zu erobern. Die Stadt war sogar für<br />
damalige Verhältnisse nicht besonders groß,<br />
stellte aber einen strategisch bedeutenden<br />
Verkehrsknotenpunkt dar. Doch trotz seiner<br />
zahlenmäßigen Überlegenheit <strong>von</strong> zwei zu<br />
eins, hatte Sherman seinen konföderierten<br />
Gegner Joseph E. Johnston bis Ende Juni<br />
ebenfalls nicht stellen können. Johnston hatte<br />
sich jedem Umfassungsversuch der Nordstaatler<br />
geschickt entzogen. Seine Verluste<br />
waren wesentlich geringer als die Lees, allerdings<br />
hatte er bis Anfang Juli all seinen strategischen<br />
Spielraum preisgeben müssen und<br />
sich bis nach Atlanta zurückgezogen. In dieser<br />
kritischen Situation ersetzte Präsident<br />
Jefferson Davis, der nie ein großer Freund<br />
Johnstons gewesen war, den Befehlshaber<br />
der konföderierten Tennessee-Armee durch<br />
John Bell Hood.<br />
Hood war ein Gegner, wie ihn sich Sherman<br />
nicht besser wünschen konnte. Denn<br />
anstatt wie Johnston in gut gewählten defensiven<br />
Stellungen zu verharren, versuchte der<br />
General aus Kentucky mit schnellen Manövern<br />
und aggressiven Attacken, wie Lee sie<br />
1862 und 1863 umgesetzt hatte, Sherman aus<br />
Atlanta zu vertreiben. Doch seine Pläne endeten<br />
in verlustreichen Frontalattacken auf<br />
die Schützengräben der Unionsarmeen. Die<br />
Tennessee-Armee blutete aus, und als Sherman<br />
Anfang August Atlanta <strong>von</strong> allen Eisenbahnverbindungen<br />
abgeschnitten hatte,<br />
mussten die Konföderierten die Stadt räumen.<br />
Am 2. September marschierten die ersten<br />
Unionsregimenter durch ihre Straßen.<br />
Der Fall Atlantas trieb viele bereits kriegsmüde<br />
Wähler noch einmal in das Lager Lincolns.<br />
Was ist nun der Wendepunkt eines Krieges?<br />
Wie hier dargestellt, konnten die konföderierten<br />
Streitkräfte 1864 kein offensives<br />
Potential mehr entfalten. Gettysburg, Vicksburg<br />
und Chattanooga hatten enorme Verluste<br />
gefordert. Doch schon 1861 waren viele<br />
Politiker und Generale aus dem Süden<br />
überzeugt, dass es für die Erlangung der Unabhängigkeit<br />
ausreichen würde, die Angriffe<br />
der Nordstaatler einfach abzuwehren. Dazu<br />
waren die Nordvirginia- und Tennessee-<br />
Armee auch 1864 durchaus noch in der Lage.<br />
Auf der anderen Seite führten eine umsichtige<br />
Verteidigungsstrategie der Rebellen und<br />
eine wesentlich unklugere Aggressivität der<br />
Nordstaaten, besonders in Virginia, dazu,<br />
dass die Verluste der Unionstruppen stiegen.<br />
Die dadurch in der Bevölkerung geschaffene<br />
Kriegsmüdigkeit drohte die Wahl 1864 zugunsten<br />
einer Friedenspartei ausgehen zu<br />
lassen. Gettysburg hatte daran nichts geändert.<br />
Erst der Fall Atlantas kippte die Wählerstimmung<br />
zugunsten Lincolns, der nicht<br />
<strong>von</strong> seinem Kurs abweichen würde, den<br />
Krieg zum Erhalt der Union zu einem erfolgreichen<br />
Abschluss zu bringen.<br />
Definiert man einen „Wendepunkt“ als<br />
den Moment, nach dem eine Kriegspartei<br />
nicht mehr in der Lage sein wird, all ihre<br />
Kriegsziele zu erreichen, so trifft diese Definition<br />
für Gettysburg nicht zu. Der Süden<br />
war auch danach noch in der Lage, durch einen<br />
Abnutzungskrieg seine Unabhängigkeit<br />
zu erringen. Betrachtet man als Wendepunkt<br />
jedoch nur die Schlacht, die die strategische<br />
Initiative <strong>von</strong> einer Kriegspartei auf die andere<br />
übergehen lässt, so käme Gettysburg<br />
(zusammen mit der Niederlage der konföderierten<br />
Tennessee-Armee bei Chattanooga<br />
im November 1863) dafür in Frage, denn <strong>von</strong><br />
da an konnten die Streitkräfte der Konföderation<br />
kaum mehr selbstständig agieren,<br />
sondern nur noch reagieren. Doch das<br />
Schicksal der Rebellenstaaten wurde erst am<br />
2. August 1864 mit dem Fall Atlantas endgültig<br />
besiegelt.<br />
Alexander Querengässer, M.A., Jahrgang 1987, ist<br />
Militärhistoriker und Autor aus Dresden. Zu seinen<br />
Spezialgebieten gehört der Amerikanische Bürgerkrieg.<br />
2010 erschien sein Buch „Geschichte des First Regiment<br />
of Virginia Volunteer Infantry“.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
41
Militärtechnik im Detail<br />
NEUE SERIE<br />
Stalins gepanzerte Faust<br />
Mittlerer Kampfpanzer T-34/76<br />
Kurz nachdem die Deutschen in die Sowjetunion<br />
im Zuge der Operation Barbarossa<br />
eingefallen waren, traf sie ein heftiger<br />
Schock: Die Rote Armee besaß einen Panzer,<br />
der allen Wehrmachtspanzern überlegen<br />
war und über eine beispiellose Ausgewogenheit<br />
<strong>von</strong> Feuerkraft, Beweglichkeit und<br />
Zähigkeit verfügte. Obwohl die Rote Armee<br />
bezüglich Taktik und Ausbildungsstand<br />
noch einigen Aufholbedarf hatte, um die<br />
technischen Möglichkeiten des T-34 effektiv<br />
nutzen zu können, hatte man doch seine<br />
Lehren aus der Beobachtung des Scheiterns<br />
der statischen französischen Defensive gegenüber<br />
der deutschen Blitzkriegstaktik gezogen.<br />
Bis zur Stalingradoffensive im November<br />
1942 hatten die Rotarmisten gelernt,<br />
das Beste aus dem Potential des T-34 herauszuholen,<br />
indem sie ihn geschickt nutzten<br />
und so den deutschen Vormarsch stoppten.<br />
„Für eine sowjetische Ukraine!“<br />
Ein Propagandaslogan, der darauf hindeutet,<br />
dass dieser Panzer Teil der Herbstoffensive<br />
1943 war, die den Deutschen die Ukraine<br />
entwinden sollte.<br />
Guckloch<br />
Illustration: Jim Laurier<br />
Schnee und Schlamm stellten für andere Panzer<br />
größere Probleme dar, obwohl der T-34<br />
auch nicht völlig immun dagegen war, stecken<br />
zu bleiben. Doch die breiten Ketten des<br />
T-34 – hier gut zu erkennen – sorgten generell<br />
für eine bessere Gewichtsverteilung und Traktion<br />
in einem Gelände, das für die Deutschen<br />
schon nicht mehr passierbar war.<br />
Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />
Zusatztanks<br />
Ersatzkettenglieder<br />
Die Panzerkette musste bisweilen<br />
repariert werden und tendierte<br />
dazu, bei starken Lenkbewegungen<br />
abzuspringen.<br />
Antenne<br />
Nur Befehlsfahrzeuge waren mit Funkgeräten, die<br />
während des gesamten Krieges Mangelware<br />
waren, ausgestattet. Andere T-34-Besatzungen<br />
verwendeten Flaggen, um miteinander zu kommunizieren,<br />
was im Gefecht ein klarer Nachteil war.<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
Der amerikanische mittlere<br />
Kampfpanzer M3, General Lee<br />
Geschwindigkeit circa 41km/h<br />
Gute Feuerkraft und Panzerung, aber sein hohes<br />
Fahrzeugprofil und der genietete Rumpf machten ihn<br />
verletzlich. Die in einer Kasematte in der Fahrzeugwanne<br />
positionierte 75-Millimeter-Kanone hatte einen nur sehr<br />
geringen Seitenrichtbereich nach links.<br />
Der mittlere japanische<br />
Kampfpanzer Typ 97 Chi-Ha<br />
Geschwindigkeit circa 38km/h<br />
Entwickelt als Infanterieunterstützungsfahrzeug<br />
war er mit seiner dünnen Panzerung und der<br />
niedrigen Mündungsgeschwindigkeit seiner 57-<br />
Millimeter-Kanone in allen Bereichen den alliierten<br />
Panzern unterlegen.<br />
42
Periskop<br />
Die nächste Generation, der T-34/85<br />
griff zu Beginn des Jahres 1944 ins<br />
Kriegsgeschehen ein. Er verfügte über<br />
einige entscheidende Verbesserungen:<br />
Seine neue 85-Millimeter-Kanone verbesserte<br />
seine Durchschlagskraft gegen<br />
die stetig verstärkte Panzerung<br />
der deutschen Gegner. Auch der Dreimannturm<br />
des 85er-Modells, welcher<br />
Platz für Kommandanten, Lade- und<br />
Richtschützen bot, verbesserte Durchhaltevermögen<br />
und Leistungsfähigkeit<br />
im Kampf.<br />
Fotos: picture-alliance/united Archives/TopFoto<br />
7,63-Zentimeter-Kanone<br />
vom Typ F-34<br />
Zweimannturm<br />
Der Kommandant musste seine Aufmerksamkeit<br />
zwischen der Leitung der Besatzung<br />
sowie dem Richten und Abfeuern der Kanone<br />
aufteilen. Erst der T-34/85 schuf Raum für<br />
einen speziellen Richtschützen.<br />
7,62-mm-MG<br />
Schräge Panzerung<br />
Der Winkel, in dem die Panzerung angebracht war, sorgte<br />
dafür, dass frontal auftreffende Geschosse einen längeren<br />
Weg durch die Panzerung zurücklegen mussten. Somit war<br />
die Panzerwirkung höher, ohne aber zusätzliches Gewicht<br />
als Nachteil in Kauf nehmen zu müssen.<br />
Der italienische Carro Armato<br />
M13/40<br />
Geschwindigkeit circa 32km/h<br />
Gute Kanone und einigermaßen gepanzert, obwohl<br />
die Panzerung ungünstig positioniert war. Der<br />
M13/40 litt stets an seiner geringen Mobilität in<br />
Folge der Untermotorisierung durch einen unzuverlässigen<br />
Motor.<br />
Der deutsche Pz.Kpfw. III<br />
Ausf.J<br />
Geschwindigkeit circa 40km/h<br />
Einer der wichtigsten deutschen Panzertypen.<br />
Mit seinen Kampfwertsteigerungen bezüglich<br />
Panzerung und Geschütz konnte er sich gegen<br />
die meisten Widersacher behaupten. Doch im<br />
T-34/75 fand er seinen Meister.<br />
Clausewitz 1/2014 43
Militärtechnik im Detail<br />
NEUE SERIE<br />
Tokioter Leichtgewicht<br />
Japans Jäger A6M Zero<br />
Beim US-Verteidigungsministerium trafen ein gefürchteter Kurvenkämpfer, dass die<br />
1940 unwahrscheinlich klingende Berichte<br />
Amerikaner Konfrontationen mit ihr lieber<br />
aus China ein: Die Japaner hätten ein<br />
Flugzeug, das jedem amerikanischen Jäger<br />
überlegen sei. Einige Details sollten sich als<br />
Übertreibungen herausstellen. Doch die<br />
Mitsubishi A6M Typ 0 war tatsächlich das<br />
beste trägergestützte Jagdflugzeug, das die<br />
Welt bis dahin gesehen hatte. Mit seinem aerodynamischen<br />
aus dem Wege gingen, bis neue und bessere<br />
Taktiken erdacht worden waren. 1943 endete<br />
mit dem Eintreffen überlegener<br />
amerikanischer<br />
Flugzeugmuster wie der<br />
F4U Corsair und der<br />
F6F Hellcat auf dem<br />
Design war die Zero extrem pazifischen Kriegs-<br />
leicht und sehr wendig. Sie hatte eine Einsatzreichweite<br />
<strong>von</strong> 1.<strong>900</strong> bis 2.700 Kilometern.<br />
Das war annähernd das Doppelte vergleichbarer<br />
schauplatz die dortige<br />
Dominanz der<br />
Zero-Jäger.<br />
alliierter Jäger. Dank ihrer unschauplatz<br />
schlagbaren Wendigkeit war die Zero solch<br />
Eines der beiden 7,7-Millimeter-<br />
Maschinengewehre in der<br />
Triebwerksverkleidung.<br />
Illustration: Jim Laurier<br />
Pilotenkanzel mit verbesserter<br />
Sicht für den Flugzeugführer.<br />
950-PS-Sternmotor, verborgen<br />
unter einer aerodynamisch günstigen<br />
Verkleidung.<br />
Der Zero-Jäger konnte mehr als zwölf Stunden<br />
in der Luft bleiben. Das versetzte ihn in die Lage,<br />
weit entfernte Ziele zu erreichen, was ein<br />
entscheidender Vorteil der Japaner in den frühen<br />
Phasen des Krieges auf dem pazifischen<br />
Kriegsschauplatz war. Fotos: National Archives<br />
367-Liter--Zusatztank<br />
Der Zusatztank konnte auch durch<br />
eine 250-Kilogramm-Bombe für<br />
Kamikaze-Missionen ersetzt werden.<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
Die amerikanische Grumman F4F-3 Wildcat<br />
Reichweite circa 1.360 Kilometer<br />
Die Wildcat war der Zero hinsichtlich Geschwindigkeit,<br />
Steigrate, Reichweite und Wendigkeit unterlegen. Doch<br />
die F4F-3 hatte die Nase im Sturzflug vorn und konnte<br />
mehr einstecken und besser austeilen als die Zero. Sie<br />
war zunächst der härteste Konkurrent der Zero.<br />
Die amerikanische<br />
Curtiss P-40E Warhawk<br />
Reichweite circa 1.370 Kilometer<br />
Das Rückgrat der amerikanischen Jägerverbände<br />
Ende 1941 war der Zero in mancherlei Hinsicht<br />
unterlegen. Aber mit höherer Sturzflug- und Horizontalgeschwindigkeit<br />
sowie Feuerkraft behauptete<br />
sie sich häufig.<br />
44
Im Sommer 1942 entdeckten<br />
die Amerikaner eine abgeschossene<br />
Zero auf der Aleuteninsel<br />
Akutan (s. FLUG-<br />
ZEUG CLASSIC Jahrbuch<br />
2014, S.26). Reparaturteams<br />
setzten den Jäger instand,<br />
der dann intensiv erprobt<br />
wurde, um seine<br />
Schwächen auszuloten. Eine<br />
da<strong>von</strong> war, dass verschiedene<br />
Leistungsparameter bei hohen<br />
Geschwindigkeiten abfielen.<br />
Aus diesen Erkenntnissen<br />
wurden neue Taktiken<br />
und Maßgaben entwickelt,<br />
wie zum Beispiel sich niemals<br />
mit einer Zero bei niedrigen<br />
Geschwindigkeiten in eine<br />
Aufwärtsspirale einzulassen,<br />
auf die man bei der Pazifikflotte<br />
nur gewartet hatte. Die<br />
amerikanischen Piloten konnten<br />
schon recht bald <strong>von</strong> besseren<br />
Ergebnissen im Kampf<br />
gegen die Zeros berichten.<br />
Maximales Startgewicht <strong>von</strong> circa<br />
2.<strong>900</strong> Kilogramm<br />
Die Zero war viel leichter als andere Jäger,<br />
aber auch verwundbarer. Sie verfügte über<br />
keinerlei Panzerung für den Piloten und hatte<br />
keine selbst abdichtenden Treibstofftanks.<br />
Flugzeugkennung eines<br />
Asses<br />
Der legendäre Pilot Tetsuzo<br />
Iwamoto flog in dieser Maschine<br />
den Angriff auf Pearl<br />
Harbor. Er überlebte den Krieg<br />
mit über 80 Abschüssen, die er<br />
mit dem Zero-Jäger erzielte.<br />
20-Millimeter-Kanone<br />
In jedem Flügel befand sich eine<br />
20-Millimeter-Kanone.<br />
Lange Querruder<br />
In Verbindung mit einer niedrigen<br />
Strömungsabrissgeschwindigkeit<br />
ermöglichten sie der Zero einen<br />
sehr geringen Kurvenradius.<br />
Einziehbares Hauptfahrwerk<br />
Ein Novum bei japanischen Jägern.<br />
In dieser Serie bereits erschienen:<br />
Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />
Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />
Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />
Maschinengewehr (MG)42 (4/2013)<br />
Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />
Fairey Swordfish (6/2013)<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II magazine“ sowie der<br />
Weider History Group für die Zurverfügungstellung der Grafiken.<br />
Mehr Informationen unter www.HistoryNet.com.<br />
Die englische<br />
Hawker Hurricane Mk.IIB<br />
Reichweite circa 740 Kilometer<br />
Die Hurricane war zwar bei der Luftschlacht um<br />
England effektiv, doch mit ihrem schweren konventionellen<br />
Design war sie für die Zero über dem<br />
Pazifik keine echte Herausforderung. Die 7,7-<br />
Millimeter-Maschinengewehre der Mk.II waren aber<br />
auf kurze Entfernung tödliche Waffen.<br />
Die englische<br />
Fairey Fulmar Mk.II<br />
Reichweite circa 1.250 Kilometer<br />
Mit einem im hinteren Kabinenbereich positionierten<br />
Navigator war die Fulmar groß und ziemlich<br />
langsam und somit nicht für Auseinandersetzungen<br />
mit deutschen und italienischen Jägern über<br />
dem Mittelmeer oder mit Zeros über Ceylon<br />
geeignet.<br />
Clausewitz 1/2014 45
Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />
ZUVERSICHTLICH: Ein mittlerer Kampfpanzer<br />
vom Typ „Panther“ im Januar<br />
1945 auf dem Weg zum Bereitstellungsraum<br />
am Südflügel der Westfront.<br />
Foto: BArch, Bild 183-P0213-501<br />
Unternehmen „Nordwind“ 1945<br />
Hitlers letzte<br />
West-Offensive<br />
Jahreswechsel 1944/45: In Lothringen und vor allem im Elsass flammen heftige Kämpfe<br />
zwischen Deutschen und Alliierten auf. Einheiten <strong>von</strong> Wehrmacht und Waffen-SS treten<br />
mit massiven Kräften zum Großangriff an.<br />
Von Hagen Seehase<br />
46
VORBEREITUNG: Deutsche Soldaten<br />
bringen eine Panzerabwehrkanone in<br />
einem Dorf im Elsass in Stellung.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
BEFEHLSHABER: Generaloberst<br />
Johannes Blaskowitz (1883–1948),<br />
Oberbefehlshaber der Heeresgruppe G<br />
bis Ende Januar 1945.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Als kurz vor Mitternacht des 31. Dezember<br />
1944 deutsche Truppen aus<br />
ihren Bereitstellungsräumen zwischen<br />
Saargemünd (frz.: Sarreguemines) und<br />
Weißenburg (frz.: Wissembourg) hervorbrechen,<br />
ist das der Auftakt zum Unternehmen<br />
„Nordwind“, der letzten deutschen Großoffensive<br />
im Westen.<br />
Schon der Anfang verläuft aus deutscher<br />
Sicht wenig verheißungsvoll. Große Hoffnung<br />
setzen die Stäbe in die aus dem XIII.<br />
SS-Armeekorps bestehende „Sturmgruppe<br />
1“. Östlich Saargemünd tritt sie mit zwei Divisionen,<br />
darunter die 17. SS-Panzergrenadierdivision<br />
„Götz <strong>von</strong> Berlichingen“, zum<br />
Angriff an. Dieser läuft sich jedoch schon<br />
kurz darauf fest.<br />
Bereits am 3. Januar wird die Offensive in<br />
diesem Sektor beendet. Obwohl später Verstärkungen<br />
nachgeführt werden, etwa die<br />
schwere Panzerjägerabteilung 654 mit ihren<br />
gewaltigen „Jagdtigern“, bleibt die Front<br />
weitgehend statisch. Etwas anders sieht es<br />
weiter im Osten aus. Hier greifen die vier Infanteriedivisionen<br />
der „Sturmgruppe 2“ an.<br />
Ihnen gegenüber steht nur ein schwacher<br />
Aufklärerverband, die „Task Force Hudelson“.<br />
Weil dem Befehlshaber der amerikanischen<br />
7th Army Major General Alexander<br />
Patch der Bereich der Niedervogesen mit ihren<br />
tiefen Taleinschnitten für gegnerische<br />
Angriffsoperationen denkbar ungeeignet erschien<br />
und er gezwungen war, seine Frontlinie<br />
auszudünnen, bleibt zur Deckung des<br />
Abschnittes zwischen Bitsch (frz.: Bitche)<br />
und Weißenburg nur eine schwache Task<br />
Force. Diese meistert aber eine angesichts einer<br />
mehrfachen Überlegenheit des Gegners<br />
nahezu unmögliche Aufgabe recht gut. Aufhalten<br />
kann sie den deutschen Vormarsch allerdings<br />
nicht.<br />
Die 361. Volksgrenadierdivision, die in einen<br />
Bereich vordringt, aus dem sie sich erst<br />
einige Wochen zuvor zurückgezogen hat, erzielt<br />
beachtliche Geländegewinne.<br />
Der Kommandeur des VI. Corps, General<br />
Edward Brooks, zieht Reserven, wo immer<br />
es eben geht, aus der Frontlinie seines Korps<br />
und wirft sie in die Schlacht. Heftig umkämpft<br />
ist wochenlang das Dorf Philippsburg<br />
(frz.: Philippsbourg) an der Straße zwischen<br />
Niederbronn und Bitsch. Auf der deutschen<br />
Seite trifft Generaloberst Johannes<br />
Blaskowitz, der Kommandeur der Heeresgruppe<br />
G und damit der deutschen Angriffstruppen<br />
des Unternehmens „Nordwind“,<br />
folgende Entscheidung: Ausweitung des<br />
Clausewitz 1/2014<br />
47
Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />
KARTE<br />
Kämpfe im Elsass und in Lothringen (Jan/Febr. 1945)<br />
Die heftigen Kämpfe, die sich vom 31. Dezember 1944 bis zum 9. Februar 1945 hinziehen,<br />
werden hohe Verluste fordern und unersetzbare Ressourcen an Fahrzeugen, Munition<br />
und Treibstoff verbrauchen und letztlich den Zusammenbruch der deutschen Westfront<br />
im Frühjahr 1945 beschleunigen.<br />
Angriffs der „Sturmgruppe 2“ mit kurz zuvor<br />
eingetroffenen Verstärkungen.<br />
Die 6. SS-Gebirgsdivision „Nord“, für die<br />
winterlichen Verhältnisse in der wald- und<br />
bergreichen Region wohl am besten ausgerüstet,<br />
greift in der Nacht vom 2. auf den<br />
3. Januar den Ort Wingen an. Zwei Bataillone<br />
des SS-Gebirgsjägerregiments 12 nehmen<br />
nach heftigen Kämpfen den Ort ein. Der<br />
Kontakt zum Hauptquartier reißt nach dem<br />
Verlust <strong>von</strong> Funkwagen jedoch ab. Wütende<br />
Gegenangriffe der 45th Infantry Division<br />
können zwar abgewiesen werden, aber in<br />
der Nacht vom 7. zum 8. Januar ziehen sich<br />
die Überreste der deutschen Truppen – nur<br />
noch etwa 200 <strong>von</strong> ursprünglich 800 Mann –<br />
aus Wingen zurück. Fast ist „Nordwind“ damit<br />
gescheitert, doch der Einsatz der amerikanischen<br />
Reserven hat die Front andernorts<br />
gefährlich ausgedünnt.<br />
Himmlers Truppen greifen an<br />
Bei der zu dieser Zeit vom Reichsführer-SS<br />
Heinrich Himmler kommandierten Heeresgruppe<br />
Oberrhein wurde schon seit geraumer<br />
Zeit ein Angriff (Unternehmen „Sonnenwende“)<br />
aus dem Frontvorsprung <strong>von</strong><br />
Colmar nordwärts Richtung Straßburg vorbereitet.<br />
Der Vorstoß beginnt am 8. Januar<br />
und führt zu schweren Kämpfen mit der<br />
1. französischen Armee. Gleichzeitig soll ein<br />
Angriff über den Rhein hinweg gegen<br />
Gambsheim erfolgen, der aufgrund eines direkten<br />
Befehls aus dem Oberkommando der<br />
Wehrmacht (OKW) schon am frühen Morgen<br />
des 5. Januar <strong>von</strong> der 553. Volksgrenadierdivision<br />
ausgeführt wird.<br />
Doch das Unternehmen „Sonnenwende“<br />
bringt nicht viel ein. Französische Reserven<br />
können den Vorstoß aufhalten. Unter den<br />
französischen Verbänden befindet sich auch<br />
die „Brigade Alsace-Lorraine“, ein Verband<br />
der französischen Résistance, der selbständig<br />
operiert und unter dem (nominellen)<br />
Kommando des Schriftstellers André Mal-<br />
VOR DEM ANGRIFF: Ein M4A1 der US Army.<br />
Die Einführung der 76-mm-Panzerkanone<br />
gab den US-Panzern die nötige Durchschlagskraft,<br />
um die modernen deutschen<br />
Panzer erfolgreich bekämpfen zu können.<br />
Foto: NARA<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
48
Wütende Gegenangriffe<br />
reaux steht. Trotz der oft mangelhaften Ausbildung<br />
der Soldaten und ihrer aus britischen,<br />
französischen und deutschen Beutewaffen<br />
sowie neu zugeführtem amerikanischen<br />
Material bestehenden Ausrüstung<br />
schlägt sich der Verband beachtlich.<br />
Eine ähnlich „bunte“ Ausrüstung weisen<br />
auch die deutschen Verbände im Brückenkopf<br />
<strong>von</strong> Gambsheim auf: Die Artillerie besteht<br />
im Wesentlichen aus acht Batterien Festungsartillerie<br />
mit Beutegeschützen, die Panzerunterstützung<br />
aus der improvisierten<br />
Jagdpanzer-Abteilung <strong>von</strong> Lüttichau. Darunter<br />
befindet sich eine Kompanie mit<br />
Kampfpanzern IV. Hinzu kommen zwei<br />
Kompanien mit Panzerjägern „Nashorn“<br />
und drei Kompanien mit „Hetzer“-Jagdpanzern.<br />
Hauptmann Hannibal <strong>von</strong> Lüttichau<br />
gelingt es schließlich, Herrlisheim zu besetzen,<br />
um das heftige Kämpfe entbrennen.<br />
Heftige Gefechte<br />
General Brooks erkennt die Bedrohung, die<br />
<strong>von</strong> dem Brückenkopf bei Gambsheim ausgeht.<br />
Schließlich sind es nur ein paar Dutzend<br />
Kilometer nordwärts bis Hatten, um<br />
das seit dem Nachtangriff deutscher Einheiten<br />
am 8./9. Januar eine heftige Schlacht<br />
tobt. Entgegen den Vorstellungen <strong>von</strong> Blaskowitz<br />
hat Himmler eine Verlegung des Angriffsschwerpunktes<br />
in den Sektor östlich<br />
<strong>von</strong> Hagenau (frz.: Haguenau) durchgesetzt.<br />
MIT ERHOBENEN HÄNDEN: Deutsche Kindersoldaten<br />
ergeben sich den US-Truppen in<br />
einem Ort westlich <strong>von</strong> Hagenau im Elsass.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
ZERSTÖRT: Ein M10 Tank Destroyer. Er ist<br />
mit einer 76-mm-Kanone älterer Bauart in einem<br />
oben offenen Turm bestückt. Schnell<br />
und beweglich, ist seine Panzerung jedoch<br />
recht schwach. Dieser Panzer zeigt zwei Einschüsse<br />
an der Frontplatte. Foto: NARA<br />
Die Reserven der Heeresgruppe G sollen die<br />
Maginot-Linie durchbrechen, zum Brückenkopf<br />
Gambsheim vorstoßen und so amerikanische<br />
Kräfte einkesseln. General Brooks beordert<br />
eine gepanzerte Kampfgruppe der<br />
14th Armored Divsion zum Angriff auf den<br />
Brückenkopf. Die amerikanische Aufklärung<br />
hat aber die Stärke der deutschen Kräfte in<br />
Gambsheim und Herrlisheim vollkommen<br />
falsch eingeschätzt. Denn durch Fährverkehr<br />
können stetig Nachschub und Verstärkungen<br />
über den Rhein gebracht werden.<br />
Der US-Angriffsverband, zwei Task Forces<br />
mit insgesamt einem Panzerbataillon, einem<br />
Infanteriebataillon und einigen Batterien<br />
„Priest“-Panzerhaubitzen, ist viel zu<br />
HINTERGRUND<br />
Der Einsatz französischer Truppen im Elsass 1945<br />
Die 1ère Armée Française kämpft zusammen<br />
mit der Seventh US Army 1944–1945 im Elsass<br />
gegen die deutsche Wehrmacht bzw.<br />
Waffen-SS. Beide alliierten Armeen gehören<br />
zur 6th Army Group <strong>von</strong> Generalleutnant Devers.<br />
Durch die Zusammenlegung der beiden<br />
freifranzösischen Divisionen mit den Truppen<br />
der französischen Afrikaarmee – bis zur Landung<br />
der Alliierten in Nordafrika 1942 ist sie<br />
dem Vichy-Regime ergeben gewesen – ist eine<br />
neue französische Armee entstanden.<br />
In Korpsstärke nimmt sie am „Italienfeldzug“<br />
teil, dann beteiligt sie sich an der alliierten<br />
Landung in Südfrankreich. Dort wird die<br />
1ère Armée Française unter dem Befehl <strong>von</strong><br />
General Jean de Lattre de Tassigny gebildet.<br />
Die USA liefern Material für acht komplette Divisionen.<br />
Die 1ère Armée Française ist fast<br />
genauso ausgerüstet wie amerikanische Heeresverbände,<br />
nur überwiegen als Standardinfanteriegewehre<br />
das Springfield 1903 und<br />
das P17 anstatt des Garand M1.<br />
Im Herbst 1944 erkämpft sich die 1ère Armée<br />
Française über die Pforte <strong>von</strong> Belfort den<br />
Zugang zum Elsass, während weiter im Norden<br />
die 2. französische Panzerdivision mit<br />
amerikanischen Einheiten über die Zaberner<br />
Steige nach Straßburg vordringt.<br />
Die 2. freifranzösische Panzerdivision wird<br />
erst im Januar 1945 der 1ère Armée Francaise<br />
unterstellt. Da erreicht die 1ère Armée<br />
Française mit drei Panzerdivisionen und sechs<br />
Infanteriedivisionen (eine da<strong>von</strong> Gebirgsjäger)<br />
ihre höchste Kampfstärke. Der Mangel an kolonialerfahrenen<br />
Offizieren führt zu Disziplinproblemen<br />
bei den aus den nord- und zentralafrikanischen<br />
Kolonien Frankreichs stammenden<br />
Soldaten einiger Regimenter.<br />
Dies und die irrige Annahme, die Schwarzafrikaner<br />
seien den strengen Winterbedingungen<br />
nicht gewachsen, führen zu der Entscheidung<br />
der politischen Führung, Kolonialtruppen<br />
durch Einheiten des französischen Widerstands<br />
(FFI) zu ersetzen.<br />
Dieses Verfahren („blanchisement“) führt<br />
dazu, dass kampferfahrene Kolonialtruppen<br />
in die Etappe bzw. an ruhigere Frontabschnitte<br />
verlegt werden, dagegen bis 1945 circa<br />
137.000 FFI-Männer zur 1ère Armée Française<br />
versetzt werden.<br />
Die USA wollen diese neuformierten Verbände<br />
<strong>von</strong> oft geringem Kampfwert nicht ausrüsten.<br />
So kämpfen viele dieser Einheiten mit<br />
einem Sammelsurium aus amerikanischem,<br />
britischem, altem französischen und erbeutetem<br />
deutschen Material. Wirklich auszeichnen<br />
können sich nur die „Brigade Alsace-Lorraine“<br />
und das 49e Regiment d’Infanterie<br />
(ehemals „Corps Francs Pommiers“, ein Résistanceverband<br />
aus den Pyrenäen). Vom<br />
blanchisement nicht betroffen ist die besonders<br />
kampfstarke 2. Panzerdivision.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
49
Schlachten der Weltgeschichte | Unternehmen „Nordwind”<br />
Literaturtipps<br />
Georges Bernage: Bataille d’Alsace 1944–45,<br />
Bayeux 1992.<br />
Keith Bonn: When the Odds were Even: The Vosges<br />
Mountains Campaign, New York 1994.<br />
Richard Engler: The Final Crisis: Combat in<br />
Northern Alsace, January 1945, Bedford 1999.<br />
VERNICHTET: Dieser PzKpfw IV<br />
Ausf. J wurde durch einen amerikanischen<br />
Tank Destroyer zerstört.<br />
Vermutlich sind Munitionsvorräte<br />
und Kraftstofftanks<br />
in Brand geschossen worden,<br />
die folgende Detonation hat<br />
den Panzer zerrissen. Foto: NARA<br />
schwach. Die Amerikaner dringen am 8. Januar<br />
in Herrlisheim ein, müssen sich aber<br />
schon am 10. Januar zurückziehen. Brooks<br />
setzt daraufhin mit der gesamten 12th Armored<br />
Division zum Angriff an. Dieser beginnt<br />
am 16. Januar. In der Nacht zuvor sind jedoch<br />
unbemerkt große Teile der 10. SS-Panzerdivision<br />
mit Fähren über den Rhein gebracht<br />
worden. Die SS-Panzerabteilung 10<br />
soll mit 50 PzKpfw IV und 40 „Panthern“<br />
den Ausbruch aus dem Brückenkopf anführen.<br />
Beide Angriffsverbände stoßen bei Herrlisheim<br />
kurz vor Morgengrauen des 17. Januar<br />
aufeinander. In den chaotischen Kämpfen<br />
schlägt sich das 43rd Tank Battalion nach<br />
Herrlisheim durch, gerät aber in den Straßen<br />
unter heftiges Feuer deutscher Infanterie, die<br />
unter anderem mit Panzerfäusten ausgerüstet<br />
ist. Lieutenant Colonel Nicholas Novosel,<br />
Kommandeur des 43rd Tank Battalion, meldet<br />
zurück: „Things are hot.“ Dann reißt der<br />
Funkkontakt ab.<br />
Versuche, zum verlorenen Bataillon durchzubrechen,<br />
werden am folgenden Tag abgebrochen.<br />
Deutsche Panzerangriffe an den folgenden<br />
<strong>Tage</strong>n bringen aber keinen Erfolg. Im<br />
Gegenteil: Viele Panzer gehen verloren.<br />
General Brooks befiehlt schließlich am 20.<br />
Januar den Rückzug auf die „Moder-Linie“.<br />
Nachstoßende deutsche Verbände können<br />
zwar einzelne Brückenköpfe über die Moder<br />
errichten. Diese werden aber kurz darauf alle<br />
wieder beseitigt.<br />
Himmler gibt Kommando ab<br />
Die deutsche Offensive kommt am 26. Januar<br />
endgültig zum Stehen. Himmler gibt das<br />
Kommando der Heeresgruppe Oberrhein an<br />
SS-Oberstgruppenführer Paul Hausser ab.<br />
Die Heeresgruppen Oberrhein und G werden<br />
unter Haussers Kommando vereinigt.<br />
BERÜHMT: Denkmal für<br />
den amerikanischen<br />
„Kriegshelden“ und<br />
späteren Filmschauspieler<br />
Audie Murphy.<br />
Er kommt 1971<br />
bei einem Flugzeugabsturz<br />
ums<br />
Leben. Foto:<br />
picture-alliance/dpa<br />
Die 21. Panzer- und die 25. Panzergrenadierdivision<br />
werden an die Ostfront verlegt. Nun<br />
gehen die Alliierten zum Gegenangriff über.<br />
Himmlers Kommandoführung hat bei<br />
den deutschen Kräften im Frontvorsprung<br />
<strong>von</strong> Colmar außer einem operativen Chaos<br />
nicht viel hinterlassen.<br />
„Nordwind” ist gescheitert<br />
In der „Operation Cheerful“ treten ab dem<br />
20. Januar <strong>von</strong> Norden amerikanische und<br />
<strong>von</strong> Süden französische Kräfte der 1ère Armée<br />
<strong>von</strong> General Jean de Lattre de Tassigny<br />
an. Verbände der amerikanischen 3rd Infantry<br />
Division überschreiten kurz nördlich <strong>von</strong><br />
Colmar die Ill. Weil aber der einzige Flussübergang<br />
aus einer alten Holzbrücke besteht,<br />
die das Gewicht eines „Sherman“-Panzers<br />
nicht trägt, ist die Zahl der US-Panzer<br />
auf dem Ostufer der Ill nicht sehr groß.<br />
Die Infanterie trägt die Hauptlast der<br />
Kämpfe. Am 26. Januar kommt es zwischen<br />
Holtzwihr und Riedwihr zu heftigen Kämpfen.<br />
Von den ursprünglich 128 Männern einer<br />
US-Infanteriekompanie sind nur noch 19<br />
kampffähig. Es ist kalt, 10 Grad unter Null,<br />
die elsässische Rheinebene ist tief verschneit.<br />
Weit überlegene deutsche Kräfte bewegen<br />
sich auf die Amerikaner zu. Deren Kompanieführer,<br />
ein schmächtiger blutjunger 2nd<br />
Lieutenant, der die Kompanie erst am Vortag<br />
übernommen hat, beordert seine Männer<br />
nach hinten. Company B, 15th Infantry, ist<br />
zwar geschlagen, nicht aber 2nd Lieutenant<br />
Audie Murphy: Gerade erst aus dem Lazarett<br />
entlassen – er trägt noch Verbände – und<br />
bereits erneut durch Splitter verwundet,<br />
harrt Murphy aus. Erst feuert er mit seinem<br />
.30M1 Karabiner, dann hat er keine Munition<br />
mehr. Er klettert auf einen brennenden<br />
M10-Jagdpanzer, schwingt das Fla-MG herum<br />
und nimmt die vordringenden deutschen<br />
Truppen unter schweres Feuer.<br />
Schließlich gelingt es ihm, per Feldtelefon<br />
Kontakt mit der eigenen Artillerie aufzunehmen<br />
und deren Feuer auf den Gegner zu leiten.<br />
Für diesen Einsatz erhält Murphy die<br />
„Medal of Honour“ und wird damit zum<br />
höchstdekorierten US-Soldaten des Zweiten<br />
Weltkriegs.<br />
Während die Alliierten Colmar erobern,<br />
wird der deutsche Brückenkopf in zwei Teile<br />
zerteilt, Reste <strong>von</strong> vier deutschen Divisionen<br />
bleiben abgeschnitten in den Hochvogesen.<br />
Schließlich gibt das OKW den Befehl zur<br />
Evakuierung des Brückenkopfes, der am 9.<br />
Februar mit der Sprengung der Rheinbrücke<br />
<strong>von</strong> Chalampéw nicht mehr besteht.<br />
Hagen Seehase, Jg. 1965, ist Autor zahlreicher Artikel<br />
und Sachbücher über militärgeschichtliche Themen.<br />
50
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Das historische Dokument<br />
Vorstufe zum Ende des Krieges<br />
Teilkapitulation Nordwest<br />
4. Mai 1945: Generaladmiral <strong>von</strong> Friedeburg unterzeichnet bei Lüneburg die Kapitulation<br />
der deutschen Streitkräfte in Nordwesteuropa – und dies entgegen Hitlers politischem Testament,<br />
das jede Kapitulationsverhandlung untersagt.<br />
Von Peter Andreas Popp<br />
PROVISORISCHER ORT: Generaladmiral <strong>von</strong><br />
Friedeburg unterzeichnet im britischen<br />
Hauptquartier die Kapitulation der deutschen<br />
Streitkräfte in Holland, Nordwestdeutschland<br />
und Dänemark. Feldmarschall<br />
Montgomery schaut ihm dabei über die<br />
Schulter.<br />
Foto: picture alliance/akg<br />
HISTORISCHE STUNDE IN DER LÜNEBURGER HEIDE: Die „Teilkapitulation<br />
Nordwest“ mit den Unterschriften <strong>von</strong> Bernard Montgomery<br />
(links) und Hans-Georg <strong>von</strong> Friedeburg (rechts). Die vollständige Kapitulation<br />
Deutschlands folgt kurz drauf. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
Das Ende des Zweiten Weltkrieges ist<br />
mit einem Mythos behaftet, der bis<br />
heute wirkt: Die Wehrmacht habe alles<br />
erdenklich Mögliche getan, um den Zugriff<br />
der Roten Armee auf die deutsche Bevölkerung<br />
im Osten des Reiches zu verhindern.<br />
Zu dieser, inzwischen durch die historische<br />
Forschung eindeutig widerlegten,<br />
Sichtweise trug der Wortlaut der Teilkapitulation<br />
der Wehrmacht gegenüber den britischen<br />
Truppen vom 4. Mai 1945, 18.30 Uhr,<br />
bei. Sie trägt die Unterschrift Feldmarschall<br />
Montgomerys für die britische und die des<br />
Generaladmirals <strong>von</strong> Friedeburg für die<br />
deutsche Seite. Unterzeichnet wird in Lüneburg,<br />
Montgomerys damaligem Hauptquartier.<br />
Damit sind die Kampfhandlungen auf<br />
Literaturtipp<br />
John Zimmermann: Die deutsche militärische<br />
Kriegführung im Westen 1944/45, in: Das Deutsche<br />
Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 10/1,<br />
München 2008, 468ff. (zu den Kapitulationen)<br />
dem Gebiet der Niederlande, im Nordwesten<br />
Deutschlands einschließlich der Nordseeinseln,<br />
sowie in Schleswig-Holstein und<br />
in Dänemark ab dem 5. Mai 1945, 8 Uhr, beendet.<br />
Angst vor der Roten Armee<br />
Zu diesem Zeitpunkt ist Hitler bereits nicht<br />
mehr am Leben. Mit seinem unmittelbar vor<br />
dem Selbstmord verfassten politischen Testament<br />
vom 30. April 1945 hat der „Führer“<br />
die geringste Möglichkeit auch nur einer<br />
Teilkapitulation gänzlich ausgeschlossen.<br />
52
DAS OFFIZIELLE ENDE: Am 7. Mai unterzeichnet Generaloberst Alfred Jodl in Reims die bedingungslose<br />
Kapitulation Deutschlands. Rechts <strong>von</strong> ihm ist Generaladmiral <strong>von</strong> Friedeburg<br />
zu sehen, der nur wenige <strong>Tage</strong> zuvor die „Teilkapitulation Nordwest“ unterzeichnete.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
Daran hält sich der <strong>von</strong> ihm als Reichspräsident<br />
bestimmte Großadmiral Dönitz, bis dato<br />
Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. In<br />
dessen Rundfunkansprache vom 1. Mai<br />
heißt es, der Krieg gegen die Westmächte solle<br />
weitergeführt werden, solange Briten und<br />
Amerikaner die „Rettung“ der „kämpfenden<br />
Truppe“ und „Hunderttausender <strong>von</strong> Familien<br />
des deutschen Ostraums vor der Versklavung<br />
und Vernichtung“ durch die Rote<br />
Armee behinderten.<br />
Das Kalkül der deutschen Seite geht dahin,<br />
mit Fortsetzung der Kriegshandlungen<br />
an der Westfront, die Westmächte <strong>von</strong> der<br />
Forderung nach einer Gesamtkapitulation<br />
„Für einen Mann wie Dönitz, dessen gesteigertes militärisches<br />
Ehrgefühl sich so leicht mit dem Glauben an die<br />
nationalsozialistische Ideologie vereinbaren ließ, wäre<br />
unvorstellbar gewesen, den Truppen im Westen zu befehlen,<br />
die Kämpfe einseitig und ohne förmliche Kapitulation<br />
einzustellen. Darum konnte der Krieg, selbst nach Hitlers<br />
Tod, nicht sofort beendet werden, sondern musste sich so<br />
lange hinziehen, bis Deutschlands Armeen vernichtet<br />
waren oder kurz davor standen, während sich die Zivilbevölkerung<br />
völlig demoralisiert in ihr Schicksal ergab.“<br />
Ian Kershaw, Historiker<br />
„Die militärische Lage ist hoffnungslos. Im gegenwärtigen<br />
Stadium muss es das Hauptziel der Regierung sein, möglichst<br />
viele deutsche Menschen vor der Vernichtung durch<br />
den Bolschewismus zu retten.“<br />
Walter Lüdde-Neurath, Adjutant <strong>von</strong> Karl Dönitz, protokollierte dies als Ergebnis<br />
der ersten Sitzung der letzten deutschen Reichsregierung am 2. Mai 1945 in<br />
Eutin/Holstein.<br />
ANGEKLAGT: Karl Dönitz während der Nürnberger<br />
Prozesse. Er war nach Hitlers Suizid<br />
das letzte Staatsoberhaupt des Deutschen<br />
Reiches.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
abzubringen. Folgerichtig wird <strong>von</strong> Friedeburg<br />
nach Lüneburg mit dem Mandat entsandt,<br />
lediglich einen Waffenstillstand auszuhandeln.<br />
Montgomery hingegen besteht<br />
auf der Teilkapitulation, verbunden mit der<br />
mündlichen Zusage, die aus dem Osten auf<br />
die Briten zuströmenden deutschen Soldaten<br />
als britische Kriegsgefangene zu behandeln.<br />
Die Frage nach der vor der Roten Armee<br />
flüchtenden deutschen Zivilbevölkerung<br />
steht für ihn nicht zur Diskussion.<br />
Faktisch ist damit das Leben jedes britischen<br />
Soldaten und mancher deutscher Soldaten<br />
gerettet. Doch der Regierung Dönitz bleibt<br />
gar nichts anderes als die Teilkapitulation übrig:<br />
Bereits seit dem 27. April brandet die sich<br />
auflösende Heeresgruppe Weichsel gen Westen.<br />
Bis zum 3./4. Mai hat sich der Großteil da<strong>von</strong><br />
bereits in das <strong>von</strong> Briten besetzte Gebiet<br />
westlich der Linie Wismar – Schwerin bzw.<br />
der Elbe absetzen können. Im westlichen<br />
Frontabschnitt verweigern deutsche Soldaten<br />
den Befehl zum Weiterkämpfen.<br />
Alliierter Zwist<br />
Die deutsche Teilkapitulation im Nordwesten<br />
hat nicht unerheblichen Einfluss auf das<br />
Gefüge der Alliierten. Für die Sowjets ist es<br />
Verrat, wenigstens die Vorstufe da<strong>von</strong>. Für<br />
die amerikanische Seite, repräsentiert durch<br />
General Dwight D. Eisenhower, kommt eine<br />
Teilkapitulation der deutschen Truppen im<br />
Westen nicht in Frage. So wird am 7. Mai<br />
1945 in Reims eine Gesamtkapitulation gegenüber<br />
den Westalliierten vollzogen, die<br />
am 8./9. Mai gegenüber den Sowjets in Berlin-Karlshorst<br />
bestätigt werden muss.<br />
Dank britischer Duldung kann die Regierung<br />
Dönitz geschäftsführend noch bis zum<br />
23. Mai 1945 in Flensburg agieren. Nicht<br />
minder ermöglichen die Modalitäten der<br />
Teilkapitulation zu Lüneburg der deutschen<br />
Marinegerichtsbarkeit, Urteile bis zu diesem<br />
Tag weiter zu verhängen – Todesurteile wegen<br />
Gehorsamsverweigerung inbegriffen.<br />
Dr. phil. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, Jg.<br />
1958, ist ständiger Mitarbeiter bei <strong>CLAUSEWITZ</strong> und<br />
seit 2005 tätig als Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte<br />
und Politische Bildung an der Offizierschule<br />
der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck. Zuvor war er langjähriger<br />
Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />
(MGFA), Potsdam.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
53
Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />
Bundesgrenzschutz und Grenztruppen der DDR<br />
„Sonderformationen“<br />
IM GELÄNDE: Ausbildung <strong>von</strong> Offiziersanwärtern<br />
an der Offiziershochschule<br />
der Grenztruppen der DDR in<br />
Suhl, Mitte der 1980er-Jahre.<br />
Foto: picture-alliance/ZB<br />
1980er-Jahre: Die Grenzeinheiten in West und Ost sind bewaffnet und mit Ferngläsern<br />
ausgerüstet. Misstrauisch wird jede Bewegung auf der jeweils gegenüberliegenden Seite<br />
der innerdeutschen Grenze beobachtet.<br />
Von Carsten Walczok<br />
Dieses Szenario ist seit vielen Jahren bittere<br />
Realität im geteilten Deutschland<br />
des Kalten Krieges. Mit der bedingungslosen<br />
Kapitulation des Deutschen Reiches<br />
im Mai 1945 ging die Regierungsgewalt<br />
auf den alliierten Kontrollrat über. Schnell<br />
zeigte, sich, dass sich die Kooperation der<br />
Westalliierten mit der Sowjetunion problematisch<br />
gestaltete.<br />
Darüber hinaus gab es praktisch <strong>von</strong> Anfang<br />
an eine relativ konstante Wanderungsbewegung<br />
<strong>von</strong> Ost nach West. Aufgrund<br />
dieser anhaltenden Fluchtbewegung erwirkte<br />
die sowjetische Führung bereits 1946 die<br />
Sperrung der Zonengrenze durch eine entsprechende<br />
Kontrollratsdirektive.<br />
Die sowjetische Verwaltung ließ in ihrer<br />
Zone frühzeitig (Ende 1946) aus den Länderpolizei-Kadern<br />
eine „Grenzpolizei“, später<br />
„Deutsche Grenzpolizei“ (DGP), aufstellen.<br />
1949 war sie auf eine Stärke <strong>von</strong> 20.000 Mann<br />
angewachsen.<br />
Bis zum Jahr 1951 sind lediglich die Alliierten,<br />
der Zoll oder die jeweilige Länderpolizei<br />
an der Grenze auf westlicher Seite vertreten.<br />
Die Bundesrepublik beginnt nun, mit<br />
dem Bundesgrenzschutz eine eigene Polizei<br />
aufzubauen. Die bundesdeutsche Grenzpolizei<br />
umfasst zunächst rund 20.000 Mann und<br />
ist auch als Polizeitruppe zu sehen, die – im<br />
Gegensatz zur Polizei der Länder – direkt<br />
dem Bund untersteht. Das Bundesgrenzschutzgesetz<br />
(BGSG) vom 16. März 1951<br />
stellt in Verbindung mit dem Artikel 87 des<br />
Grundgesetzes und einem Polizeibrief der<br />
Länder die Rechtsgrundlage dar, nach dem<br />
der BGS aufgebaut und eingesetzt wird.<br />
Zu den Aufgaben des BGS zählen fortan:<br />
die Überwachung des ordnungsgemäßen<br />
Grenzverkehrs, die Verhinderung unerlaubter<br />
Grenzübertritte, die Überwachung der<br />
„grünen Grenze“, die Zurückweisung uner-<br />
54
des Kalten Krieges<br />
SPEZIALEINHEIT: Männer der Grenzschutzgruppe<br />
9 (GSG 9) mit ihrem Kommandeur<br />
Ulrich Wegener (re.), späte<br />
1970er-Jahre. Foto: picture-alliance/dpa<br />
wünschter Personen, die Verhinderung der<br />
Einfuhr unerwünschter Druckschriften und<br />
die Gewinnung <strong>von</strong> Informationen über die<br />
Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR.<br />
Die Bundesrepublik findet für diese neue<br />
Truppe sofort Aufgaben, die der BGS neben<br />
seinem Einsatz an der innerdeutschen Grenze<br />
zu erfüllen hat. Der Dienst in Bonn – der<br />
Hauptstadt der jungen Bundesrepublik –<br />
zum Schutz <strong>von</strong> Einrichtungen der Bundesregierung<br />
gehört nun ebenso zum ständigen<br />
Aufgabenfeld des<br />
BGS wie der Seegrenzschutz,<br />
den<br />
der BGS-See seit<br />
1954 übernimmt.<br />
Im Rahmen <strong>von</strong><br />
geschlossenen Einsätzen<br />
wird der<br />
Bundesgrenzschutz<br />
auch außerhalb der „Ostgrenze“ der Bundesrepublik<br />
eingesetzt. Bereits 1951 wird die<br />
junge Truppe im Rahmen des Unternehmens<br />
„Martha“ an der bundesdeutschen Westgrenze<br />
eingesetzt. Anfang der 1950er-Jahre<br />
gilt es, den blühenden Schmuggel im Großraum<br />
Aachen zu bekämpfen.<br />
Doch prägend wird für den BGS vor allem<br />
der Einsatz entlang der innerdeutschen<br />
Grenze. Der permanente Ausbau des Grenzsperrsystems<br />
durch die DDR-Führung und<br />
der an manchen Stellen unklare oder umstrittene<br />
Grenzverlauf führen immer wieder<br />
zu Spannungen und sogar zu Konfliktsituationen<br />
mit dem ostdeutschen Pendant.<br />
ANWERBUNG<br />
„Männersache“<br />
Rückseite (li.) eines Taschenkalenders mit Werbung<br />
für den Eintritt in die Grenztruppen der DDR.<br />
Eine Aufgabe des BGS war die Sicherung der Flughäfen.<br />
Auf dieser Abbildung ist ein Sonderwagen<br />
(SW 2) des GSK Nord vor einer Boeing zu sehen.<br />
Fotos: picture-alliance/ZB©; Bundespolizei<br />
Clausewitz 1/2014<br />
55
Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />
AUF KONTROLLFLUG: Ein Beobachtungshubschrauber<br />
vom Typ „Alouette“ des<br />
Bundesgrenzschutzes an der innerdeutschen<br />
Grenze zwischen Hessen und Thüringen,<br />
1989. Foto: ullstein bild – Wegemann<br />
Bei einer Reihe <strong>von</strong> Grenzzwischenfällen<br />
zeigt der Bundesgrenzschutz immer wieder<br />
seine Präsenz an der innerdeutschen Grenze,<br />
so auch am 22. Juni 1952 als es durch die Verschleppung<br />
<strong>von</strong> 43 Arbeitern des Kohlebergwerkes<br />
Offleben (südlich Helmstedt) durch<br />
die DDR zu Spannungen kommt, um nur ein<br />
Beispiel aus einer langen Liste <strong>von</strong> „Vorfällen“<br />
zu nennen.<br />
Hartes Auswahlverfahren<br />
Der BGS zeichnet sich <strong>von</strong> Anfang an durch<br />
seine Freiwilligkeit aus. Wer in dieser Truppe<br />
Aufnahme finden will, muss ein Auswahlverfahren<br />
durchlaufen, das kaum die<br />
Hälfte der Freiwilligen besteht. Doch bereits<br />
sehr früh muss der BGS auch einen Aderlass<br />
hinnehmen, denn für den Aufbau der Bundeswehr<br />
braucht man einen Grundstock an<br />
gut ausgebildeten Männern. Am 11. November<br />
1956 fasst das Bundeskabinett folgenden<br />
Beschluss: „Der BGS wird auf Grundlage der<br />
freiwilligen Entscheidung der Grenzjäger<br />
zur beschleunigten Aufstellung der Streitkräfte<br />
verwendet.“<br />
Doch dieser Personalverlust <strong>von</strong> über<br />
9.000 Mann wird schnell wieder „aufgefüllt“.<br />
Denn vor dem Hintergrund des Juni-Aufstandes<br />
in der DDR im Jahr 1953 und des Volksaufstandes<br />
in Ungarn 1956 will die Bundesrepublik<br />
ihre besondere Grenze <strong>von</strong> einer<br />
schlagkräftigen Truppe gesichert wissen.<br />
Zwar ist der BGS unzweifelhaft eine Polizeitruppe,<br />
doch sein Verbandscharakter, seine<br />
militärischen Dienstgrade (Leutnant,<br />
Hauptmann usw.) lassen diesen Umstand<br />
teilweise vergessen. Die Ausstattung der<br />
Truppe erinnert allerdings in manchen Bereichen<br />
wenig an eine Polizei. Die Tarnjacken,<br />
die Ausrüstung mit automatischen Waffen<br />
wie dem FN Gewehr (G1) und dem Maschinengewehr<br />
vom Typ MG3, erscheinen jedoch<br />
für den teilweise <strong>von</strong> Spannungen gezeichneten<br />
Dienst an der Grenze durchaus<br />
angebracht. Anders als die Bundeswehr hat<br />
man sich beim BGS noch für die alte Stahlhelmform<br />
der Wehrmacht entschieden.<br />
Die NVA bzw. die Grenztruppen der DDR<br />
ihrerseits tragen eine Weiterentwicklung des<br />
Wehrmachtshelms, der aber aufgrund des<br />
Kriegsverlaufes und der Auflösung der Wehrmacht<br />
1945 nicht mehr eingeführt wurde.<br />
Auch die Ausstattung der BGS-Truppe<br />
mit gepanzerten Fahrzeugen (Sonderwagen<br />
1 und Sonderwagen 2, kurz „SW“ genannt)<br />
ist keinesfalls als militärische Option zu sehen.<br />
Denn beide Typen müssen als Polizeifahrzeuge<br />
für besondere Anforderungen angesehen<br />
werden. Der SW 1 ist lediglich ein<br />
Literaturtipps<br />
Hans-Jürgen Schmidt: Wir tragen den Adler des<br />
Bundes am Rock – Chronik des Bundesgrenzschutzes<br />
1951–1971 und 1972–1992, Coburg<br />
1995.<br />
Volker Koop: Ausgegrenzt. Der Fall der DDR-<br />
Grenztruppen, Berlin 1993.<br />
Peter Joachim Lapp: Gefechtsdienst im Frieden.<br />
Das Grenzregime der DDR 1945–1990,<br />
Bonn 1999.<br />
ÜBER STOCK UND STEIN: Grenzstreife des<br />
BGS (vermutlich 1960er-Jahre). Zu erkennen<br />
ist das Gewehr G1 als Bewaffnung. Der<br />
Fahrer trägt eine Schutzbrille.<br />
Foto: Bundespolizei<br />
gepanzerter Transporter mit sieben Plätzen,<br />
der SW 2 dagegen verfügt nur über vier Plätze<br />
aber über eine Bewaffnung in Form einer<br />
20-mm-Bordkanone.<br />
Eine Besonderheit stellen der SW 3 („Saladin“)<br />
und der SW M8 dar: Ersterer ist <strong>von</strong><br />
1966 bis 1974 beim Bundesgrenzschutz im<br />
„Bundesgrenzschutz – Die vollmotorisierte<br />
Polizeitruppe”.<br />
Aus einer Werbebroschüre des BGS aus den 1950er-Jahren.<br />
Einsatz und verfügt über eine 76-mm- Kanone,<br />
ist also in der Lage, panzerbrechende<br />
Granaten zu verschießen. Der SW M8 dagegen<br />
ist ein amerikanischer Spähpanzer, der<br />
für BGS-Zwecke umgebaut, aber bereits 1963<br />
ausgesondert wurde.<br />
Der geschützte SW 4 ist das neueste Modell<br />
und wird auf einem Unimog-Fahrgestell<br />
ab 1984 als Ersatz für die veralteten Modelle<br />
SW 1 und SW 2 eingeführt.<br />
Mit den verschiedenen VW-Bus-Versionen<br />
verfügt der BGS über ein für polizeiliche<br />
Zwecke gut einsetzbares Fahrzeug, dessen<br />
Mangel an Geländefähigkeit gerade im<br />
grenznahen Raum die Fahrer immer wieder<br />
vor Herausforderungen gestellt hat – wie<br />
auch der Verfasser des vorliegenden Beitrages<br />
leidvoll erfahren musste.<br />
Die Einheiten des BGS sind in Kommandos<br />
(Grenzschutzkommandos Nord, Süd,<br />
Mitte, Küste, West) gegliedert. Jedem Kommando<br />
werden zwei Grenzschutzgruppen<br />
unterstellt. Später, in den 1980er-Jahren, werden<br />
diese in Abteilungen umbenannt. Als<br />
Besonderheiten unter den Kommandos ver-<br />
56
Unterschied zur Länderpolizei<br />
fügt das GSK Küste über den BGS-See zur<br />
Küstenüberwachung und das GSK West<br />
über die GSG 9.<br />
Luftraumüberwachung<br />
Lediglich die unter dem Eindruck der gescheiterten<br />
Geiselbefreiung <strong>von</strong> München im<br />
Jahr 1972 aufgestellte Grenzschutzgruppe 9<br />
behält ihren Namen bei. Bei ihrer Aufstellung<br />
existieren bereits acht Grenzschutzgruppen,<br />
im Zuge der fortgeführten Nummerierung<br />
bekommt diese Sondereinheit des<br />
Bundesgrenzschutzes die Nummer 9.<br />
Für die Luftraumüberwachung und auch<br />
für den Transport werden zusätzlich Fliegerstaffeln<br />
aufgestellt. Ausgestattet sind sie mit<br />
der „Alouette II“, als kleinstem Fluggerät,<br />
mit dem mittleren Hubschrauber „Bell UH-1“<br />
und dem „Puma“ als schwerem Transporthubschrauber.<br />
Der Grenzschutzeinzeldienst<br />
übernimmt als weitere Gliederung des BGS<br />
die Passkontrolle an den Grenzübergangsstellen<br />
und an den See- und Flughäfen.<br />
Obwohl es sich um eine Polizeitruppe<br />
handelt, besitzen die Angehörigen des BGS<br />
den Kombattantenstatus. Das bedeutet, dass<br />
sie als Teil der bewaffneten Streitkräfte der<br />
Bundesrepublik auch im Krieg eingesetzt<br />
werden können. Dies unterscheidet den BGS<br />
deutlich <strong>von</strong> der Länderpolizei.<br />
Allerdings wird der BGS häufig <strong>von</strong> den<br />
Bundesländern zur Unterstützung angefordert<br />
und bei Großveranstaltungen eingesetzt.<br />
Er übernimmt also auch reguläre Polizeiarbeit.<br />
Zu nennen sind hier zum Beispiel Einsätze in<br />
Brokdorf, in Gorleben, in Frankfurt/Main<br />
(Startbahn West). Bei diesen Einsätzen ist der<br />
BGS der jeweiligen Landespolizei unterstellt<br />
VEREINT: Ein Verband <strong>von</strong> Booten des BGS-See wird <strong>von</strong> einem Hubschrauber der GS-Fliegerstaffel<br />
(GSK Küste) „begleitet“. Die Zusammenarbeit gerade <strong>von</strong> diesen Teilkräften war<br />
sehr wichtig für eine effektive Grenzsicherung in der Lübecker Bucht. Foto: Bundespolizei<br />
und agiert nicht selbstständig. Die Sicherung<br />
<strong>von</strong> Bundesorganen gehören während des<br />
Kalten Krieges zu weiteren Aufgaben des<br />
BGS. Auch zur Sicherung der deutschen Vertretungen<br />
im Ausland werden Angehörige<br />
des Bundesgrenzschutzes eingesetzt.<br />
Grenztruppen der DDR<br />
Die Regierung in Ost-Berlin besitzt mit der<br />
1946 und damit bereits drei Jahre vor Gründung<br />
der DDR ins Leben gerufenen Deutschen<br />
Grenzpolizei (DGP) frühzeitig ein Instrument,<br />
um ihre Grenze zum Westen zu sichern<br />
und zu überwachen.<br />
In den 1950er-Jahren beginnt die schrittweise<br />
Umstrukturierung der DGP durch eine<br />
Neugliederung in Grenzbrigaden und<br />
Grenzabteilungen. Mit der Einführung der<br />
Wehrpflicht in der DDR ab 1962 folgt die<br />
endgültige Umwandlung der DGP in eine<br />
militärische Formation. Vereinfachend gesagt<br />
sind aus den Grenzpolizisten nun<br />
Grenzsoldaten geworden. Schnell wächst die<br />
Grenztruppe <strong>von</strong> circa 20.000 auf bald 50.000<br />
Mann.<br />
Der Sitz des Kommandos der Grenztruppen<br />
befindet sich in den Jahren <strong>von</strong> 1961 bis<br />
1990 in Pätz bei Königs Wusterhausen. Als<br />
nächste untergeordnete Kommandostellen<br />
folgen das „Grenzkommando Nord“ in Stendal,<br />
das „Grenzkommando Mitte“ in Berlin-<br />
Karlshorst und das „Grenzkommando Süd“<br />
AUF PATROUILLE: Angehörige der DDR-<br />
Grenztruppen in der Nähe <strong>von</strong> Abbenrode<br />
(Harz).<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
Clausewitz 1/2014<br />
57
Militär und Technik | Grenzeinheiten<br />
NACHGESTELLT: Angehörige <strong>von</strong> BGS und Grenztruppen der DDR stehen sich an der ehemaligen<br />
innerdeutschen Grenze gegenüber. Szene aus dem Bundespolizeimuseum in Lübeck.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
SCHIEßÜBUNG: Ausbildung an der Waffe im<br />
Grenzkommando Süd (Erfurt) der Grenztruppen<br />
der DDR, 1987. Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />
in Erfurt. Die Grenzkommandos bestehen jeweils<br />
aus sechs Grenzregimentern und zwei<br />
Ausbildungsregimentern. Diese Regimenter<br />
wiederum bestehen aus drei Grenzbataillonen<br />
zu jeweils vier Grenzkompanien.<br />
Aufgaben der Grenztruppen<br />
Folgende Aufgaben haben die Grenztruppen<br />
der DDR während des Kalten Krieges unter<br />
anderem zu erfüllen:<br />
• „Sicherung der territorialen Integrität der<br />
DDR<br />
• Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung<br />
illegaler Grenzdurchbrüche<br />
• Aufrechterhaltung und Durchsetzung der<br />
im Schutzstreifen an der Grenze zur Bundesrepublik<br />
und zu West-Berlin festgesetzten<br />
Ordnung<br />
• Schutz <strong>von</strong> Leib und Leben der Grenzbevölkerung<br />
und deren Eigentums sowie des<br />
Volkseigentums im Grenzabschnitt<br />
• enges Zusammenwirken mit den anderen<br />
bewaffneten Organen der DDR“.<br />
Die Grenztruppen sind grundsätzlich<br />
ähnlich ausgerüstet und uniformiert wie die<br />
NVA. Ausgestattet ist die Truppe mit der Kalaschnikow<br />
(AK-47) und als Dienstpistole<br />
mit der Makarow. Natürlich verfügen die<br />
Grenztruppen, die als Mot.-Schützen ausgerüstet<br />
sind, auch über schwerere Waffen.<br />
AUSZEICHNUNG<br />
Verdienstmedaille<br />
„Verdienstmedaille der Grenztruppen<br />
der DDR“, damals verliehen in den Stufen<br />
„Gold“, „Silber“ und „Bronze“ für<br />
besondere Verdienste bei der Sicherung<br />
der Landesgrenze.<br />
Foto: ullstein bild – Probst<br />
1971 werden im Zuge der Abrüstungsverhandlungen<br />
die 50.000 Männer der Grenztruppen<br />
aus der NVA ausgegliedert.<br />
Fahrzeuge und Hubschrauber<br />
Als Fahrzeuge nutzen die Grenztruppen die<br />
Fahrzeuge, die auch <strong>von</strong> den Streitkräften<br />
des Warschauer Vertrages eingesetzt werden:<br />
zum Beispiel den sowjetischen Lkw<br />
Ural-375 und den tschechischen Lkw Tatra.<br />
Aus DDR-Produktion kommen der Lkw<br />
W50 (IFA) und der kleine Allrad-Lkw der<br />
Marke Robur LO 1800 und 2500 hinzu. Als<br />
Pkw ist der sogenannte Grenztrabant<br />
(P601A) weit verbreitet. Der GAZ-69 aus<br />
sowjetischer Produktion findet häufig als Offizierswagen<br />
Verwendung.<br />
Auch die DDR setzt während der Zeit der<br />
deutschen Teilung Fliegerverbände an der<br />
Grenze ein. Der Mil Mi-24 Kampfhubschrauber<br />
ist seit seinem Auftauchen<br />
in den späten 1970er-<br />
Jahren zweifellos der kampfstärkste<br />
Hubschrauber auf<br />
beiden Seiten der Grenze.<br />
Aber auch andere Hubschrauber<br />
sowjetischer Herkunft,<br />
wie die Mil Mi-4 oder die Mil Mi-8,<br />
werden eingesetzt.<br />
Mit den Grenzaufklärern verfügen<br />
die Grenztruppen auch<br />
über Soldaten, die innerhalb der<br />
Grenztruppen eine besondere Stellung einnehmen.<br />
Diese Grenzaufklärer (kurz GAK genannt)<br />
sind die Soldaten, die westlich des Metallgitterzauns<br />
eingesetzt werden, also wirklich bis<br />
ganz an die Grenzlinie kommen. Ein Vertrauensbeweis,<br />
den die DDR-Oberen ihren normalen<br />
Grenzsoldaten nicht zubilligen wollen.<br />
Zur Durchführung der Aufgabe „feindwärts“<br />
dürfen nur dazu besonders bestätigte Grenzsoldaten<br />
herangezogen werden. Zu ihren<br />
Aufgaben zählen unter anderem:<br />
„Unsere Grenztruppen sichern die 1.400 km Staatsgrenze<br />
zur BRD, sie stehen an den 161 km Staatsgrenze<br />
zu Berlin (West) auf Friedenswacht, sie schützen die<br />
Hoheitsrechte der sozialistischen DDR entlang der<br />
310 km langen Grundlinie vor der Ostsee.“<br />
Aus einer Zeitschrift (DDR-Publikation) über die Grenztruppen der DDR.<br />
• die Durchsetzung der Hoheitsrechte der<br />
DDR bis zur Demarkationslinie<br />
• das Mithören <strong>von</strong> Gesprächen der Grenzüberwachungsorgane<br />
der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
• die Kontrolle der Grenzmarkierungen.<br />
Aufgrund der hohen Professionalität auf<br />
beiden Seiten der Grenze gelingt schließlich<br />
nach der Wende 1989 und der deutschen Wiedervereinigung<br />
die Übernahme <strong>von</strong> Angehörigen<br />
der Grenztruppen in den BGS, der seit<br />
2005 als gesamtdeutsche Bundespolizei die<br />
Aufgaben des ehemaligen BGS wahrnimmt.<br />
Dr. Carsten Walczok, Jg. 1962, Dienst im Bundesgrenzschutz,<br />
Geschichtsstudium, Tätigkeit als Archivar.<br />
Verschiedene Publikationen zur Technik-, Kriegs- und<br />
Regionalgeschichte.<br />
58
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Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />
Von Punji-Sticks, „Tunnelratten“ und Viet-Cong-Bunkern<br />
Der Krieg im<br />
Untergrund<br />
GEFÄHRLICHES UNTERFANGEN: Ein Infanterist der US Army<br />
wird während der Operation „Oregon“ (April 1967) in einen<br />
VC-Tunnel herab gelassen. Bereits im Januar geht man im Zuge<br />
der groß angelegten Search-and-Destroy-Operation „Cedar<br />
Falls“ gegen unterirdisch versteckte Waffen- und Vorratsdepots<br />
vor. Besonders im waldreichen Gebiet des „Eisernen<br />
Dreiecks“ befindet sich eine Hochburg des Viet Cong mit<br />
wichtigen Nachschubrouten. Foto: picture alliance/Everett Collection<br />
60
1964–1973: Die wichtigste Waffe auf kommunistischer Seite im Vietnam-Konflikt ist die<br />
Schaufel, mit der in Handarbeit Tunnel geschaffen werden. Durch sie wird die militärische<br />
Übermacht des Gegners stark abgeschwächt.<br />
Von Frederick Feulner<br />
Die Benutzung <strong>von</strong> unterirdischen Anlagen<br />
ist nicht neu in Südostasien. Die<br />
Japaner haben da<strong>von</strong> schon im Zweiten<br />
Weltkrieg Gebrauch gemacht. Die Vietnamesen<br />
hingegen verfeinern diese Technik<br />
nicht nur, sondern nutzen sie auch in bisher<br />
ungekanntem Ausmaß. Fast alle militärischen<br />
und zivilen Aktivitäten – außer dem<br />
Anbau <strong>von</strong> Lebensmitteln – können auch im<br />
Untergrund durchgeführt werden. Bereits in<br />
den 1940er-Jahren nutzt der Viet Minh Tunnelanlagen,<br />
um sich der französischen Luftaufklärung<br />
zu entziehen. In stark patrouillierter<br />
Umgebung können sich die Guerillas<br />
im Verborgenen auf Angriffe vorbereiten.<br />
Viele Tunnelsysteme bleiben selbst nach der<br />
Teilung Vietnams 1954 unentdeckt und werden<br />
durch den Viet Cong reaktiviert und erweitert.<br />
Das Erscheinen <strong>von</strong> schweren B-52-<br />
Bombern Mitte der 1960er-Jahre beschleunigt<br />
den Tunnelbau.<br />
Verteidigte Verstecke<br />
Vor einem Angriff müssen die Tunnelkomplexe<br />
erst gefunden werden. Hunde eignen<br />
sich gut zur Suche – doch meistens werden<br />
die Eingänge eher zufällig gefunden. Geschützt<br />
sind die Tunneleingänge durch eine<br />
äußere Verteidigungslinie aus gut getarnten,<br />
schultertiefen Stellungen, die miteinander<br />
verbunden sind. So können Scharfschützen<br />
auf Angreifer schießen und sich dann unentdeckt<br />
zurückziehen. Die langwierige, gefährliche<br />
und oftmals ergebnislose Suche<br />
nach unterirdischen Anlagen und Fallen<br />
frustriert die US-Soldaten. Und wenn ein<br />
Tunnelkomplex gefunden wird, bindet er<br />
Flugzeuge, Panzer und Spezialisten. Die<br />
Tunnel sind zwar nicht unzerstörbar, doch<br />
durch die zahlreichen Verteidigungssysteme<br />
kostet es große Anstrengungen, um den<br />
Kommunisten nachhaltig die Kontrolle über<br />
bestimmte Gebiete zu entreißen. Im Fall des<br />
berühmten Tunnelkomplexes im Distrikt<br />
<strong>von</strong> Cu Chi sind es ganze fünf Jahre!<br />
Tunnelleben<br />
Nicht jede Region ist gleichermaßen für den<br />
Bau <strong>von</strong> Tunneln geeignet. Bei der Wahl des<br />
Standortes kommt es auf den jeweiligen Untergrund<br />
an. Im Mekong-Delta und entlang<br />
der Küste ist der Bau wegen des hohen<br />
Grundwasserstandes schwierig, aber der trockene<br />
Lehmboden der höher gelegenen Gebiete<br />
ist für Bauzwecke optimal. Auch die<br />
Schluchten und Höhlen im Hochland eignen<br />
Clausewitz 1/2014<br />
BEDENKE!<br />
■ Sei wachsam<br />
■ Nutze das Wissen der einheimischen<br />
Scouts<br />
■ Gehe nicht auf den Pfaden und auch<br />
nicht auf Reisfelddeichen, solange Du<br />
es vermeiden kannst<br />
■ Untersuche den Dschungelbewuchs<br />
vorsichtig<br />
■ Pass auf, wo Du hintrittst<br />
■ Wechsle den Point Man häufig aus,<br />
wenn er müde wird<br />
■ Bleibe nicht mit mehreren Personen<br />
an einem Fleck<br />
■ Und wenn das alles nicht hilft und Du<br />
eine Falle ausgelöst hast, schreie<br />
„Deckung!“ und wirf Dich zu Boden<br />
sich gut. Die Tunnel werden normalerweise<br />
<strong>von</strong> den Truppen oder <strong>von</strong> der dienstverpflichteten<br />
lokalen Bevölkerung in Handarbeit<br />
errichtet. Letztere muss Arbeiter und<br />
Material wie Hartholz und Bambus als<br />
„Kriegssteuer“ liefern. Besonders reichhaltige<br />
Materialquellen sind verlassene US-Stellungen.<br />
Obgleich die G.I.s angehalten sind, nicht<br />
benötigtes Material mitzunehmen oder zu<br />
vernichten, finden selbst alte Munitionskisten,<br />
Batterien und Sandbleche im Viet Cong<br />
dankbare Wiederverwerter. Die Anlagen werden<br />
möglichst unter dem dichten Dach des<br />
Waldes errichtet – oder folgen den natürlichen<br />
Konturen des Geländes.<br />
Gebaut wird vorwiegend in der Regensaison,<br />
wenn der lehmige Boden feucht ist; in der<br />
Trockenzeit härtet der Boden dann steinhart<br />
aus. Der Aushub wird nachts in die Flüsse geschüttet,<br />
um keine Spuren <strong>von</strong> Bautätigkeiten<br />
zu hinterlassen. Küchenabluft leitet man<br />
durch mehrere lange Röhren zu verschiedenen<br />
Stellen im Dschungel, damit sie sich besser<br />
verteilt. Ein schwacher Luftaustausch mit<br />
der Oberfläche findet über senkrechte Bambusröhren<br />
statt. Was Licht, Feuer und Müllentsorgung<br />
betrifft, muss eine strenge Disziplin<br />
eingehalten werden. Das Leben in den<br />
unterirdischen Anlagen ist relativ akzeptabel<br />
– sieht man <strong>von</strong> fehlendem Sonnenlicht,<br />
Ratten, Fledermäusen, giftigen Skorpionen,<br />
Insekten und Schlangen ab. Zudem durchdringt<br />
die hohe Feuchtigkeit alle Kleidungsstücke<br />
und Nahrungsmittel. Wichtige Einrichtungen<br />
wie Krankenstationen, Kommandostellen<br />
oder Druckereien können bis zu<br />
zwölf Meter tief verborgen sein, gerade so<br />
groß gebaut wie nötig. Obgleich für MG-Stellungen<br />
auf 200 Meter freies Schussfeld geachtet<br />
wird, finden Kämpfe meistens im Bereich<br />
<strong>von</strong> 10–30 Metern statt. Sollten die Soldaten<br />
hinter ihren gut getarnten Schützenlöchern<br />
oder in Dörfern jedoch der materiellen Übermacht<br />
der Angreifer weichen müssen, können<br />
sie sich über die Tunnelsysteme zurückziehen.<br />
Für Verfolger beginnt dann eine gefährliche<br />
und zeitaufwendige Suche nach den<br />
versteckten Eingängen. In den Tunneln erwarten<br />
den Eindringling zahlreiche Gefahren:<br />
Falltüren, Sprengfallen oder mit Skorpionen<br />
gefüllte Kartons, die beim Auslösen eines Mechanismus<br />
in den Tunnel ausgeleert werden.<br />
Bambusspieße gegen G.I.s<br />
In Vietnam kommen auf der Seite des Viet<br />
Cong zahlreiche Fallen zum Einsatz. Die bekanntesten<br />
sind die sogenannten Punji-Fallen.<br />
Dabei werden Gruben ausgehoben und<br />
mit zahlreichen messerscharf angespitzten<br />
Bambusstäben bestückt. Anschließend wird<br />
alles sorgfältig abgedeckt. Beim Drauftreten<br />
können sich die Stäbe in den Fuß oder den<br />
Unterschenkel eines Soldaten bohren – die<br />
hohle Form der Stäbe fungiert zusätzlich als<br />
Blutrinne. Direkte Todesfälle durch solche<br />
Fallen sind selten – was auch durchaus so gewollt<br />
ist. Häufig sind zu den senkrecht aufragenden<br />
Bambusstöcken an den Seitenwänden<br />
noch schräg nach unten zeigende Stäbe<br />
NÜTZLICHES VOKABULAR: US-Soldaten erhalten<br />
das „Vietnamese Phrase Book“, das<br />
wichtige Redewendungen und Ausspracheregeln<br />
enthält. Die Abbildung zeigt eine Seite,<br />
die für den Tunnelkampf nützliche Befehle<br />
zeigt – falls die Soldaten in den dunklen<br />
Tunneln, zwischen Fallen und Beschuss<br />
überhaupt Gebrauch da<strong>von</strong> machen konnten.<br />
Abb.: Autor<br />
61
Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />
TUNNELKOMPLEX DES VC<br />
12<br />
1 4<br />
2<br />
6<br />
8<br />
11<br />
13<br />
3<br />
7<br />
5<br />
10<br />
Grafik: Autor<br />
1 oberirdischer Schützengraben/Laufgraben<br />
2 oberflächennaher „Tipi“-Bunker<br />
3 Fallgrube<br />
4 Bunker, in <strong>Tage</strong>bau errichtet und mit Holz und Erde<br />
abgedeckt<br />
5 Wasserversorgung (Brunnen)<br />
9<br />
6 Küchenbunker mit Dien-Bien-Phu-Ofen und<br />
Rauchverteilung im Dschungel<br />
7 siphonähnliche Wasserschleuse gegen Kampfgase<br />
oder als Falle<br />
8 Ruheräume und Unterkunft mit Bambusrohr zur Belüftung<br />
9 Kommandozentrale auf den unteren Ebenen<br />
10 Waffenlager<br />
11 Wachposten gegen Eindringlinge<br />
12 Eingang versteckt im Dorf<br />
13 alternativer Ausgang zum Fluss<br />
angebracht, die verhindern sollen, dass ein<br />
Fuß schnell wieder herausgezogen werden<br />
kann. Oftmals muss man den verletzten Fuß<br />
zeitaufwendig ausgraben, um keine schwereren<br />
Verletzungen zu riskieren. Zudem<br />
werden solche Fallen mit giftigen Pflanzenextrakten,<br />
mit Froschgift oder Fäkalien bestrichen.<br />
Was den kommunistischen Truppen im<br />
Vietnam-Konflikt an Flugzeugen, schweren<br />
Waffen und Technologie fehlt, machen sie<br />
durch Erfindungsreichtum wieder wett. Fallen<br />
sind eine preiswerte und effektive Methode,<br />
einem technisch überlegenen Feind<br />
empfindliche Stiche zuzufügen. Sobald ein<br />
Soldat verwundet wird, benötigt seine Rettung<br />
und die anschließende Versorgung weitere<br />
Kräfte, die andernorts nicht zum Einsatz<br />
kommen können. Ein Verletzter, der nicht<br />
mehr laufen kann, bindet mindestens zwei<br />
Kameraden, die ihn und seine Ausrüstung<br />
tragen müssen. Gerade im tropischen Klima<br />
führt eine solche Zusatzbelastung zu einer<br />
schnellen Reduzierung der Kampfkraft –<br />
<strong>von</strong> der Moral ganz zu schweigen.<br />
Eine besondere Form sind mechanische<br />
Klappfallen, die die verwundbaren Unterschenkel<br />
durchbohren können. Beim Auftreten<br />
klappen zwei mit Stacheln bewehrte Seitenteile<br />
um und graben sich seitlich in die<br />
Beine. Größere Versionen bestehen aus zwei<br />
rundum mit Stacheln versehenen Walzen,<br />
die über einer tiefen Grube aufgestellt sind.<br />
Hier kann das Opfer bis zum Kopf hineinrutschen<br />
– und wird dabei durch die Drehbewegung<br />
der Stacheln regelrecht durchlöchert.<br />
Auch die Gravitation wird als Antrieb genutzt.<br />
Holzgestelle, die mit langen Bambusstacheln<br />
besetzt sind, werden mit Seilen in<br />
den Bäumen befestigt. Sobald ein Mechanismus<br />
die Falle ausgelöst hat, fallen diese Gestelle,<br />
frei oder an einem Seil schwingend,<br />
hinunter und erschlagen die Opfer.<br />
„Non Gratum Anus Rodentum“<br />
(lateinisch für: Keinen Rattenarsch wert).<br />
Sarkastisches Motto der „Tunnelratten“, die im Laufe des Krieges zu einer<br />
Eliteeinheit mit eigenen Abzeichen und eigener Tradition werden.<br />
Explodierende Kokosnüsse<br />
Durch solche Fallen werden die Soldaten in<br />
ihrer Wachsamkeit zusätzlich <strong>von</strong> den häufigeren<br />
Bodenfallen (z.B. vierbeinige Krähenfüße<br />
aus Metall) abgelenkt. Die Hälfte aller<br />
Sprengfallen besteht aus chinesischen Chicom-Granaten,<br />
die an Wegesrändern, in der<br />
Nähe <strong>von</strong> VC-Befestigungsanlagen oder in<br />
Tunneln angebracht sind. Meistens wird der<br />
Sicherungsstift entfernt und die Granate in<br />
einer alten Konservendose (oftmals weggeworfene<br />
US-Vorräte) platziert. Bei Berührung<br />
der Stolperschnur fällt die Granate heraus<br />
und detoniert. Häufig werden aus Materialknappheit<br />
die Sprengstoffe aus alten<br />
amerikanischen Blindgängern, Artilleriegranaten<br />
und Fliegerbomben „recycelt“. Daraus<br />
werden unter anderem die DH-5- und DH-<br />
10-Minen gebaut, die den amerikanischen<br />
M-18 Claymore-Richtminen nachempfunden<br />
sind. Die Detonation wird durch Fernzündung<br />
oder Stolperdrähte ausgelöst. Eine<br />
Abart dieser Sprengladungen wird „Bouncing<br />
Betty“ genannt: Im Erdboden eingegraben,<br />
schauen nur drei Kontaktarme heraus,<br />
die bei Berührung einen Federmechanismus<br />
oder eine Treibladung auslösen, welche die<br />
62
VC-Tunnel direkt unter US-Basis<br />
LEBEN IM VERBORGENEN: Nicht nur im Süden gab es Tunnelsysteme.<br />
Die Bilder stammen aus dem Küstendorf Vinh Moc, 19 Kilometer<br />
nördlich der DMZ. Der harte Lehmboden ermöglicht großzügiger geschnittene<br />
Gänge. Das System erstreckt sich über 1,6 Kilometer und<br />
reicht bis zu 23 Meter in den Boden hinein. Es gibt Küchen, einen Versammlungssaal<br />
und sogar eine Schule. Über sechs Jahre lang lebt hier<br />
ein ganzes Dorf unterirdisch. Seit 1976 können die Tunnel <strong>von</strong> Touristen<br />
besucht werden. Das Bild links zeigt einen „Tipi“-Bunker, stabil<br />
aus Holz gebaut, in Oberflächennähe. Rechts eine Familie (Nachbildung)<br />
in ihrem bescheidenen Heim unter <strong>Tage</strong>. Fotos: Maria Boettcher<br />
Mine rund einenMeter in die Luft katapultieren.<br />
Hier entfaltet der Schrapnellsprengsatz<br />
seine tödlichste Wirkung. Andere improvisierte<br />
Sprengfallen sind mit Sprengstoff gefüllte<br />
Kokosnüsse oder sogenannte „Toe<br />
Popper“ – eingegrabene, in Bambusstücken<br />
befestigte Kleinmunition, die durch Auftreten<br />
ausgelöst wird. Zusätzlich verursachen<br />
solche Waffen oft gefährliche Infektionen der<br />
Wunden. Auch wenn sie einfach konstruiert<br />
sind, kommen 7.429 der rund 58.000 getöteten<br />
US-Soldaten durch Minen oder Fallen<br />
ums Leben. Ebenfalls sind 20 Prozent der<br />
Verletzungen solchen Fallen zuzuschreiben.<br />
Dass nicht mehr US-Soldaten auf diese<br />
Weise sterben, ist dem überragenden amerikanischen<br />
Luftrettungssystem zu verdanken.<br />
Wegen der Sprengfallen muss bei Patrouillen<br />
mit äußerster Vorsicht vorgegangen<br />
werden. Der „Point Man“ geht mehrere Meter<br />
voraus, danach folgen die restlichen Soldaten.<br />
Um Sprengfallen zu umgehen ist es<br />
wichtig, unvorhergesehene Wege zu nehmen<br />
und im Zickzack-Kurs abseits bekannter Pfade<br />
zu laufen. Da die einheimischen Bauern<br />
oftmals über verminte Gebiete Bescheid wissen,<br />
können Beobachtungen ihres Verhaltens<br />
(aber auch „Befragungen“) hilfreiche Aufschlüsse<br />
geben. Hinweise zu Fallen werden<br />
auch jedem Soldaten auf einer kleinen Taschenkarte<br />
mitgegeben.<br />
über 200 Kilometer an – und beherbergt drei<br />
wichtige Hauptquartiere. Nicht nur der Viet<br />
Cong hat hier große Truppenkontingente<br />
stationiert. Auch die amerikanische 25 th Infantry<br />
Division, sowie Teile der 18 th ARVN<br />
Division sind in der Stadt Cu Chi beheimatet<br />
– und damit, ohne es zu wissen, direkt über<br />
den VC-Tunneln! Die große Ausdehnung der<br />
Tunnelsysteme ermöglicht das unbemerkte<br />
Verlegen <strong>von</strong> größeren Einheiten unter die<br />
Erde. Raketen, Mörser und Sprengfallen können<br />
nahe an den Gegner gebracht werden,<br />
während nächtliche Sabotageteams Angriffe<br />
im Inneren der US-Basen durchführen. Erst<br />
als die US Army damit beginnt, den Boden<br />
der Basis zu betonieren, verringern sich die<br />
nächtlichen Feuerüberfälle in den Camps.<br />
Die normalen Gänge dieser Tunnel messen<br />
etwa 0,6 x 0,9 Meter – zu eng für viele<br />
Amerikaner. Größere Verbindungsgänge<br />
sind bis etwa 1 x 1 Meter groß, um Truppen<br />
schneller zu verlegen. Lagerstätten und<br />
Schlafquartiere sind nur unwesentlich geräumiger.<br />
Die Räumlichkeiten können sich<br />
Unterirdische Armee<br />
Der berühmte Tunnelkomplex <strong>von</strong> Cu Chi,<br />
circa 30 Kilometer nordwestlich <strong>von</strong> Saigon<br />
(heute Ho-Chi-Minh-Stadt), liegt in der landwirtschaftlich<br />
ertragreichen Provinz Binh<br />
Dong. Von Westen her kommend, führen<br />
wichtige Nachschubwege <strong>von</strong> NVA-Stützpunkten<br />
in Richtung Mekong-Delta. Das<br />
Tunnelsystem, das sich über ein rund 8 x 20<br />
Kilometer großes Gebiet erstreckt, wächst<br />
zwischen den späten 1940ern und dem<br />
Kriegsende 1975 auf eine Gesamtlänge <strong>von</strong><br />
UNSICHTBARE ARMEE: Zwei Viet-Cong-Kämpfer kauern in den niedrigen Tunneln <strong>von</strong> Cu<br />
Chi – unsichtbar für amerikanische Patrouillen und Aufklärungsflüge. Das „vom Erdboden<br />
verschwunden sein“ ermöglicht eine aggressive „Hit-and-Run-Taktik“. Foto: picture-alliance/dpa<br />
Clausewitz 1/2014<br />
63
Militär und Technik | VC-Tunnel & Fallen<br />
ein sechs- bis siebenköpfiges „Tunnel Rat<br />
Team“ ein, 1969 sogar zwei Teams.<br />
Die „Tunnelratten“ – allesamt Freiwillige<br />
– rekrutieren sich häufig aus drahtigen<br />
Hispano-Amerikanern, die sich durch ihre<br />
kleine Statur den beengten Verhältnissen in<br />
den Tunneln anpassen können. Genauso<br />
wichtig wie die physische Kraft ist die mentale<br />
Stärke. Eingeschlossen in einem engen,<br />
feuchten Gang mit Viet Cong, Sprengfallen<br />
und giftigen Tieren entsteht bei vielen eine<br />
Panik. Sie verlieren die Nerven und quittieren<br />
den Dienst. Andere „Tunnelratten“ mögen<br />
hingegen die stundenlange Einsamkeit<br />
und die Gefahren, die der Job mit sich bringt.<br />
Tunnelkämpfer erhalten einen Gefahrenzuschlag<br />
<strong>von</strong> 50 US-Dollar im Monat.<br />
FALLENPARADE: Heute werden bei den Tunneln <strong>von</strong> Cu Chi (die auch besichtigt werden<br />
können) zahlreiche der Bambusfallen – <strong>von</strong> den Amerikanern „Booby Traps“ genannt – ausgestellt.<br />
Foto: picture alliance/Robert Harding World Imagery<br />
auf über vier Ebenen erstrecken. Bunker und<br />
Laufgänge sind oberflächennah, etwa zwei<br />
bis drei Meter unter der Erde, untergebracht,<br />
während wichtigere Kommandozentren, Lazarette,<br />
Werkstätten und ähnliches bis zu<br />
zehn Meter tief auf den unteren Ebenen liegen<br />
– sofern es der Grundwasserspiegel zulässt.<br />
Andere Systeme reichen teilweise bis<br />
23 Meter unter die Erde. Es gibt Berichte,<br />
dass sich unter der US-Basis <strong>von</strong> Da Nang<br />
ein Viet-Cong-Krankenhaus befand!<br />
die 25th Infantry Division die „Tunnels, Mines<br />
& Booby Traps School“, die in gesicherten<br />
Teilen der Tunnel ein Training anbietet.<br />
In den meisten Einheiten gibt es pro Kompanie<br />
eine „Tunnelratte“ aus den Mannschaftsrängen<br />
– Offizieren ist der Einsatz oft untersagt.<br />
Nach der Operation „Cedar Falls“ im<br />
Januar 1967 wird beschlossen, keine ungeschulten<br />
Männer mehr in die Tunnel zu schicken<br />
– zu groß ist die Verlustrate. Die 1 st Division<br />
(„The Big Red One“) setzt ab Juni 1967<br />
Mit Colt und Kampfmesser<br />
„Tunnelratten“ sind in der Regel nur leicht<br />
bewaffnet und können sich ihr Kampfgerät<br />
aussuchen. Bevorzugt werden Revolver wie<br />
der .38er Smith & Wesson, der auch mit einem<br />
Schalldämpfer ausgerüstet werden<br />
kann, was durch die zusätzliche Länge jedoch<br />
das Handling der Waffe in bestimmten<br />
Situationen erschwert. Die Standardpistole<br />
der US-Truppen, der siebenschüssige .45er<br />
M1911 Colt ist sehr unbeliebt: zu groß, zu<br />
unhandlich, zu laut. Manche Soldaten beschaffen<br />
sich den vollautomatischen, 30-<br />
schüssigen .30er M-2 Karabiner mit Klappstütze<br />
oder eine abgesägte Schrotflinte. Letztere<br />
hat zwar nicht so viel Durchschlagskraft,<br />
dafür trifft man ein Ziel aber mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit.<br />
Weitere wichtige Ausrüstungsgegenstände<br />
sind Taschenlampe und Messer. Mit dem<br />
Kampfmesser können Gegner lautlos getötet<br />
werden – aber noch wichtiger ist dessen Einsatz<br />
als Werkzeug zum Ausloten <strong>von</strong> Fallen.<br />
Alternative zum Einsatz <strong>von</strong> Schusswaffen<br />
ist das „Ausräuchern“ mit Rauchgranaten<br />
oder „Willi-Pete“-Granaten (weißer Phosphor),<br />
die sämtlichen Sauerstoff in den engen<br />
Gängen verbrennen und die Tunnel mit<br />
dichtem Qualm füllen. Ebenso werden die<br />
nach der Feuerzeugmarke „Ronson“ benannten<br />
Flammenwerfer benutzt. Mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> Gebläsen wird zudem Tränengas in die<br />
Tunnel eingeleitet. Der Viet Cong baut im<br />
Die Tunnelratten<br />
Während die Australier als Erste eigenes geschultes<br />
Personal und spezielle Techniken<br />
für den Tunnelkampf einsetzen, nutzt die US<br />
Army anfänglich Planierraupen und Sprengstoff,<br />
um den Tunneln Herr zu werden. Doch<br />
nach den Kämpfen um Cu Chi 1966 erkennen<br />
auch die Amerikaner, dass dringend eine<br />
neue militärische Fähigkeit gebraucht<br />
wird: der Tunnelkampf. Daraufhin etabliert<br />
SCHUTZ GEGEN DIE EIGENE WAFFE: Eine M17<br />
Schutzmaske, wie sie <strong>von</strong> „Tunnelratten“ zum<br />
Schutz vor CS-Gas verwendet wird. CS<br />
wird häufig mit Gebläsen in die Tunnelsysteme<br />
eingelassen oder mit Explosivladungen<br />
in den unterirdischen<br />
Gängen verteilt – dadurch werden<br />
die Anlagen für den Viet Cong zumindest<br />
vorübergehend unbrauchbar.<br />
Foto: Autor<br />
64
frühe helle Selb ts einkleideruniform <strong>von</strong> 1957<br />
mit freundlicher Genehmigung <strong>von</strong> Herrn Czarski vom<br />
Uniformenmuseum Nieder-Gemünden<br />
Gefreiter der Militärmusik 1965 nach Einführung der<br />
Schützenschnur<br />
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Emblem, Rock mit spitzen Schulterstücken und ohne<br />
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-<br />
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Privatsammlung<br />
Korrekte Darellung:<br />
weißes<br />
ts<br />
Sporthemd, Binder<br />
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silberfarben,<br />
wie folgt: „Der Dienstanzug,<br />
, eine graue Kammgarn<br />
Schirmmütze noch<br />
tuchbekleidung, bes e t aus ht der Dienstbluse (zwei<br />
mit Metallabzei-<br />
reihig mit geschwungen verlaufenden Knöpfen,<br />
eng in der<br />
chen (passend zu<br />
<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
<br />
allenen den t<br />
deckend),<br />
aus der Tuchhose (als Überfallhose oder lang zu<br />
<br />
-<br />
tragen), der bergmützenähnlichen Dienstmütz aus dem e,<br />
abzeichen und dem<br />
grauen Diensthemd und Langbinder.<br />
Je nach Dienst und<br />
geraden Eichenlaub<br />
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mit freundlicher<br />
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Genehmigung<br />
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der Infan erieschule<br />
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der Bundeswehr<br />
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und im Felde.“<br />
Privatsammlung<br />
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werden.“<br />
mit freundlicher Genehmigung der<br />
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„Der Ausgehanzug<br />
unterscheidet sich <strong>von</strong> diesem durch<br />
<br />
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<br />
me<br />
Tunnel-Trauma<br />
DSCHUNGELDESASTER: Handgranatenfallen<br />
wie diese werden sowohl im Dschungel<br />
als auch in Tunnelsystemen angebracht. Für<br />
die Amerikaner und ihre Verbündeten bedeuten<br />
sie eine permanente Gefahrenquelle.<br />
Das Foto zeigt eine Nachbildung.<br />
Nachbau und Foto: Autor<br />
EINFACH UND EFFEKTIV: Simple Bambusfallen<br />
wie diese fügen dem Opfer<br />
schmerzhafte Verletzungen zu, üben psychologischen<br />
Druck aus und zehren an<br />
den Kräften der US-Truppen. Zeichnung: Autor<br />
Gegenzug U-förmige, mit Wasser gefüllte<br />
Senken ein, die wie ein Siphon gegen chemische<br />
Kampfmittel wirken. Die „Tunnelratten“<br />
schützen sich mit ihren M17 ABC-<br />
Schutzmasken oder mit den später eingeführten<br />
leichten XM-28 Gasmasken, die<br />
Schutz gegen CS-Gas bieten. Zusätzlich führen<br />
die Soldaten CS in Pulverform mit, um<br />
durch Verstreuen oder Einsprengen ganze<br />
Tunnelkomplexe für mehrere Wochen unbenutzbar<br />
zu machen. Vorher werden jedoch<br />
die unterirdischen Räume auf militärisch<br />
verwertbares Material hin untersucht. Dokumente,<br />
Kartenmaterial und Namenslisten<br />
sind <strong>von</strong> besonderem Interesse. Um flachere<br />
Tunnelkomplexe abschließend zu zerstören,<br />
versiegelt man die Ausgänge und leitet Acetylen-Gas<br />
und Sauerstoff ein, um sie dann zu<br />
sprengen. Tiefere Schächte werden mit Hilfe<br />
<strong>von</strong> Wasserpumpen geflutet und somit unbrauchbar<br />
gemacht.<br />
Elektronische Kommunikationsmittel nehmen<br />
die „Tunnelraten“ selten mit, und noch<br />
seltener kommen sie zum Einsatz. Kommunikationsprobleme<br />
gibt es aber manchmal bei<br />
der Rückkehr der „Tunnelratten“. Verschwitzt<br />
und mit Lehm überzogen, können die eigenen<br />
Leute ihre Kameraden nicht immer sofort <strong>von</strong><br />
einem Viet Cong unterscheiden. Betritt ein Soldat<br />
einen neuen Tunnelabschnitt, gibt er präventiv<br />
drei Schüsse in diesen ab und lädt rasch<br />
seine Waffe nach, um in einem Feuergefecht<br />
immer die volle Anzahl an Munition zu haben.<br />
Oft führen die „Tunnelratten“ auch Splinte<br />
für Handgranaten mit, um Sprengfallen zu<br />
entschärfen. Insektenschutzmittel sind ein<br />
Muss und werden regelmäßig und umfangreich<br />
aufgetragen, um sich die zahlreichen Tiere<br />
in den Tunneln vom Leibe zu halten.<br />
Jede Brigade verfügt außerdem über ein<br />
Hundeteam, das zum Aufspüren der Tunneleingänge<br />
gute Dienste leistet. Jedoch können<br />
die Hunde nur selten dazu bewegt werden,<br />
in die Tunnel zu gehen. Zudem lösen sie häufig<br />
Sprengfallen aus – worauf die Hundeführer<br />
sich fortan weigern, ihre vierbeinigen Kameraden<br />
weiterhin in die Tunnel zu schicken.<br />
Dies führt letztendlich ab 1966 zur Aufstellung<br />
der menschlichen „Tunnelratten“.<br />
Tod oder Trauma<br />
Bei eigenen Verlusten werden starke Anstrengungen<br />
unternommen, um die Leichen<br />
der Kameraden zu bergen. Bedingt durch die<br />
Strategie, den Feind „ausbluten“ zulassen,<br />
ist die Kenntnis des „Body Count“ (das Zählen<br />
der getöteten Feind im Verhältnis zu den<br />
eigenen Verlusten) wichtig. Daher werden<br />
auch verwesende VC-Leichen aus den Tunneln<br />
geholt, um diese zu zählen.<br />
Die Tunnel <strong>von</strong> Cu Chi und anderen Orten<br />
machen den Guerillakrieg des Viet Cong und<br />
die Tet-Offensive <strong>von</strong> 1968 erst möglich.<br />
Nachdem der Viet Cong in den folgenden<br />
Kämpfen dezimiert wurde, erhält der gesamte<br />
Konflikt ab 1969 ein konventionelleres Antlitz<br />
– zum Teil mit Panzerunterstützung aus<br />
dem Norden. Nur wenige VC-Tunnelkämpfer<br />
überleben den Krieg. Jedoch haben die zurückkehrenden<br />
„Tunnelratten“ der USA,<br />
Australiens und Neuseelands häufig mit psychischen<br />
Problemen zu kämpfen, die die Einsätze<br />
in den engen, feuchten und mit gefährlichen<br />
Fallen bestückten Tunneln auslösen.<br />
Dr. Frederick Feulner, Jg. 1975, ist Research Fellow<br />
an der University of York, England. Seine Hauptinteressen<br />
auf militärgeschichtlichem Gebiet sind die Israelische<br />
Armee sowie der Vietnamkrieg.<br />
Lothar Schuster<br />
Das Ausstattungssoll der<br />
Heeresangehörigen der<br />
Bundeswehr <strong>von</strong><br />
1955 bis 2010<br />
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Beitrag zur Dokumentierung ng<br />
der Ausrü-<br />
stung<br />
der Heeresangehörigen ehörigen leisten.<br />
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gegenstände<br />
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| 29<br />
E<br />
Die Entwicklung der<br />
Dienst- und Ausgehuniform<br />
Clausewitz 1/2014<br />
65
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Mythos Bf 109: Vom Prototyp bis zur »Friedrich«: FLUGZEUG CLASSIC Extra lässt die<br />
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die »109« noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />
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Anschaulich schildert das Magazin, wie die Messerschmitt<br />
Bf 109 einst am Reißbrett entstand und<br />
sich vom Prototypen allmählich zu einer effizienten<br />
Jagdmaschine entwickelt. Gespickt mit technischem<br />
Hintergrundwissen, zu dem vor allem umfassende<br />
Cockpit-Beschreibungen gehören, erfährt der Leser,<br />
wie sich die frühe »109« im Spanischen Bürgerkrieg<br />
schlug.<br />
FLUGZEUG CLASSIC Extra ist jedoch nicht nur<br />
ein Muss für jeden, der sich für den Luftkrieg interessiert,<br />
sondern auch eine äußerst wertvolle Hilfe für<br />
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Aerodynamisch optimiert<br />
An der »Friedrich« war alles aufgeräumt, keine<br />
Ausbuchtung störte den Luftstrom so wie noch bei<br />
der »Emil«. Unter der Motorverkleidung arbeitete ein<br />
Daimler-Benz 601 E, durch den eine Motorkanone MG 151<br />
schoss. Die Rumpfbewaffnung bestand aus zwei MG 17.<br />
PLASTISCH: 3D-Zeichnungen<br />
lassen den Jäger beinahe<br />
wieder lebendig werden.<br />
Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />
MESSERSCHMITT BF 109 F-4/TROP<br />
Wüstentauglich<br />
70<br />
Für den Einsatz in Nordafrika erhielt<br />
die »Friedrich« einen Sandabscheider.<br />
Sie bewährte sich beim »Afrikakorps«<br />
außerordentlich. Doch<br />
als der DB-605-Motor<br />
verfügbar war, lief die<br />
F-Serie nach zirka<br />
2400 Maschinen aus.<br />
Illustrationen Asen Atanasov<br />
flugzeugclassic.de<br />
71<br />
66
BF 109<br />
»Friedrich«<br />
»FRIEDRICH« DIE GROSSE:<br />
War die Bf 109 F die beste<br />
Version der 109-Reihe?<br />
Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />
Ostfront 1941: Eine erbeutete sowjetische<br />
Polikarpow I-16 neben einer Bf 109 F<br />
des JG 54. Wenngleich äußerst agil, war<br />
die auch »Rata« genannte I-16 an<br />
Geschwindigkeit, Steigleistung und<br />
Bewaffnung der »Friedrich« weit unterlegen<br />
Foto Sammlung H. Ringlstetter<br />
Die Beste<br />
<strong>von</strong> allen?<br />
Noch bevor die Bf 109 »Emil« durch<br />
die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg so richtig<br />
ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit<br />
geriet, lagen schon Pläne für die Nachfolgerin<br />
in den Schubladen: die »Friedrich«.<br />
Nicht selten wird sie für die ausgewogenste<br />
aller »109«-Baureihen bezeichnet.<br />
Was ist an dieser Bewertung dran?<br />
D<br />
ie konstruktiven Arbeiten an der<br />
F-Version der Messerschmitt Bf 109<br />
begannen bereits im Sommer 1938, also<br />
noch ehe der Zweite Weltkrieg überhaupt<br />
ausbrach. Die »Friedrich« war die konsequente<br />
Weiterentwicklung der Bf 109 E und<br />
sollte diese schnellstens ablösen. Ursprünglich<br />
war der Serienstart bereits ab September<br />
1939 vorgesehen, mit steigender Produktion<br />
bis auf 180 Stück bis spätestens zum 1. April<br />
1940. Doch bei Kriegsausbruch war die »Emil«<br />
weiterhin der Standardjäger der Luftwaffe.<br />
Durch den vorrangigen Serienbau der<br />
Bf 109 E für die Front und aufgrund technischer<br />
Probleme verzögerte sich die Produk tion<br />
der neuen Serie allerdings deutlich, nämlich<br />
bis zum August 1940. Bei der Erprobung<br />
<strong>von</strong> einigen Vorserienmaschinen F-0 gingen<br />
vier Jäger innerhalb kurzer Zeit verloren. Der<br />
Grund dafür war das zu schwach ausgelegte<br />
Leitwerk – Willy Messerschmitt hatte auf<br />
Stützstreben für die Höhenflossen verzichtet.<br />
Der hintere Rumpfbereich musste deshalb<br />
durch Metallbänder verstärkt werden. Die<br />
meisten der 19 gebauten F-0 landeten bei Ausbildungseinheiten<br />
oder dienten zur Truppenerprobung.<br />
Gegenüber der Vorgängerbaureihe<br />
wies die F-Version darüber hinaus einige<br />
grundlegende Änderungen auf.<br />
Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung D. Hermann<br />
Mit der Bf 109 V23, W.Nr. 5603, wurden die Änderungen für die F-Serie erprobt. Neben dem<br />
neuen DB 601 N hatte sie bereits das typische Erscheinungsbild der neuen F-Serie. Der kleine<br />
Ladereinlass allerdings wurde für die spätere Serie noch geändert<br />
Bf 109 F-0 (PH+BE) während der Werkserprobung bei Messerschmitt<br />
Als Triebwerk diente jetzt der neue Daimler<br />
Benz DB 601 N. Dieser wassergekühlte Zwölfzylinder-Reihenmotor<br />
mit einem Hubraum<br />
<strong>von</strong> 33,9 Litern hatte gegenüber dem Vorgänger<br />
DB 601 A eine höhere Verdichtung <strong>von</strong><br />
1:8,2 und eine gesteigerte Drehzahl auf 2600<br />
U/min. Außerdem benötigte der Motor jetzt<br />
C3-Kraftstoff mit 100 Oktan. Diesen Luxus<br />
konnte man sich 1941 noch leisten. Die Startleistung<br />
betrug dadurch 1175 PS. Und mit dem<br />
neuen Kraftpaket konstruierten Techniker das<br />
Rumpfvorderteil komplett neu, das in seinen<br />
Grundzügen der Bf/Me 109 bis zum Kriegsende<br />
ihr endgültiges Aussehen gab: Der vordere<br />
Rumpfbereich erhielt jetzt eine saubere,<br />
stromlinienförmige Verkleidung ohne Beulen,<br />
<strong>von</strong> der Luftschraubenabdeckung bis zum<br />
Cockpit. Die neue, dreiflügelige VDM-Luftschraube<br />
hatte eine vollautomatische, elektrische<br />
Verstellmechanik. Diese war mit dem<br />
Gashebel so gekuppelt, dass zu jedem Ladedruck<br />
die entsprechende Drehzahl geregelt<br />
werden konnte, bis zur Volldruckhöhe. Bei<br />
Versagen der Automatik oder in besonderen<br />
Flugsituationen (Sparflug) konnte auch die<br />
Handverstellung eingeschaltet werden.<br />
Die Tragfläche der neuen F-Serie entsprach<br />
in ihren Dimensionen zwar der alten. Doch<br />
bis auf die Anschlussmaße am Flügelträger<br />
54<br />
flugzeugclassic.de<br />
55<br />
BF 109<br />
»Friedrich«<br />
Messerschmitt Bf 109 F-4/trop – JG 27<br />
Bf 109 F-4/trop der 3./JG 27<br />
Der bereits werksseitig aufgetragene<br />
Tarnanstrich <strong>von</strong> Marseilles »Friedrich«<br />
bestand aus den RLM-Farben 78 und 79<br />
Zeichnung Herbert Ringlstetter<br />
Hauptmann Hans Joachim Marseille flog die Bf 109 F-4/trop, W.Nr. 8673, im September 1942<br />
bei der I./JG 27 in Nordafrika. Marseille gehörte zu den besten Jagdfliegern der Luftwaffe<br />
und stieg zum »Stern <strong>von</strong> Afrika« auf. Das Seitenruder seiner »Gelben 14« zieren neben<br />
136 Abschüssen auch die Auszeichnungen mit Schwertern zum Eichenlaub und Ritterkreuz<br />
des Eisernen Kreuzes<br />
Fotos (2) Herbert Ringlstetter<br />
DIE INNEREN WERTE: FLUGZEUG CLASSIC<br />
EXTRA gewährt spektakuläre Einblicke in das<br />
Innenleben der Bf 109. Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />
74<br />
flugzeugclassic.de<br />
75<br />
FARBE BEKENNEN: Profilzeichnungen<br />
illustrieren die verschiedenen<br />
Tarnschemata des Jägers<br />
– unentbehrlich für Modellbauer!<br />
Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />
BF 109<br />
Museumsflugzeug<br />
IM MITTELPUNKT: Eine beeindruckende<br />
Bildstrecke über die<br />
Bf 109 des Deutschen Museums<br />
rundet das Heft ab.<br />
Foto: Archiv FLUGZEUG CLASSIC<br />
90<br />
ERHALTENE EXEMPLARE DER »109«<br />
Die »Emil« des Deutschen Museums<br />
Das Deutsche Museum in München ist die größte<br />
naturwissenschaftlich-technische Sammlung der Welt.<br />
Seine Luftfahrtabteilung schmücken wahre Schätze.<br />
Darunter auch eine gut erhaltene Bf 109 der Baureihe »E«.<br />
Andreas Zeitler hat die Rarität bis ins letzte Detail abgelichtet<br />
flugzeugclassic.de<br />
Die Bf 109, Werknummer 790, wurde ursprünglich<br />
im Frühjahr 1939 <strong>von</strong> der Erla-Maschinenwerk GmbH<br />
in Leipzig-Mockau als E-1 gebaut und nach Spanien<br />
zur 2./J88 der»Legion Condor« geschickt. Nach dem<br />
Spanischen Bürgerkrieg übergab man sie den dortigen<br />
Luftstreitkräften, wo sie mit dem Kennzeichen »6-106«<br />
im Einsatz war, jedoch 1946 nach einer Bauchlandung<br />
repariert, aber aus dem aktiven Flugbetrieb zurückgezogen<br />
wurde<br />
Fotos Andreas Zeitler<br />
Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Museums München<br />
91<br />
Clausewitz 1/2014<br />
67
Spurensuche<br />
„Ordensburg Vogelsang“ in der Eifel<br />
Kaderschmiede<br />
der NSDAP<br />
Februar 1945: US-amerikanische Soldaten besetzen<br />
kampflos die „Ordensburg Vogelsang“. Die mächtige Anlage,<br />
in der <strong>von</strong> 1936 bis 1939 der NS-Führungsnachwuchs<br />
geschult wurde, ist zu diesem Zeitpunkt verlassen<br />
und teilweise zerstört. Seit 2006 ist das Areal wieder für<br />
die Öffentlichkeit zugänglich.<br />
Von Tammo Luther<br />
Die als nationalsozialistische Kaderschmiede<br />
errichtete „Ordensburg“ in<br />
der Eifel wird nach dem Ende des<br />
Zweiten Weltkrieges zunächst <strong>von</strong> britischen<br />
Besatzungstruppen genutzt und – wie bereits<br />
zur Zeit des „Dritten Reiches“ – <strong>von</strong> der Öffentlichkeit<br />
abgeschottet. Einige Jahre später<br />
ziehen belgische Soldaten in die oberhalb der<br />
Urfttalsperre gelegene, ausgedehnte Anlage<br />
ein. Sie verlassen die Eifel schließlich im Jahr<br />
68
OSTFLÜGEL: Deutlich sichtbar<br />
überragt der das während des<br />
Krieges zum Teil zerstörte Gemeinschaftshaus<br />
flankierende<br />
Seitenturm die anderen Gebäudekomplexe.<br />
Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb<br />
IN SZENE GESETZT: Adolf<br />
Hitler schreitet die Reihen<br />
der angetretenen „Burgmannen“<br />
– so die Originalbildunterschrift<br />
– ab; hinter ihm<br />
folgt Reichsorganisationsleiter<br />
Robert Ley.<br />
Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />
DATEN<br />
„Ordensburg Vogelsang“<br />
1934 Baubeginn in Vogelsang<br />
1936 Beginn des Lehrbetriebes; Vorbereitung der<br />
2. Bauphase<br />
1939 Einstellung des Lehrbetriebes; Übergabe an die<br />
Wehrmacht<br />
1940 weitgehende Einstellung der Bauarbeiten<br />
1941 Nutzung durch „Adolf-Hitler-Schulen“<br />
1944 Alliierte Luftangriffe: Zerstörung der Turnhalle,<br />
zweier „Kameradschaftshäuser“, des Süd-Osttrakts<br />
des „Adlerhofes“ und des Ostflügels des<br />
Gemeinschaftshauses<br />
1945 Besetzung durch Truppen der US-Armee<br />
1946 Truppenübungsplatz des britischen Militärs<br />
1950 Übergabe an das belgische Militär<br />
1955 NATO-Truppenübungsplatz unter belgischer Hoheit<br />
2005 Rückgabe an die Bundesrepublik Deutschland<br />
2006 Vogelsang öffnet sich für Besucher<br />
1939–1945 nur als Entwurf auf dem Papier<br />
zustande.<br />
Verantwortlich für die Gestaltung der<br />
„Ordensburg Vogelsang“ ist in den Jahren<br />
1933/34 der Kölner Architekt Clemens Klotz<br />
(1886–1969), der kurz darauf auch das KdF-<br />
Seebad in Prora auf Rügen entwerfen sollte.<br />
2005. „Vogelsang“ ist eine <strong>von</strong> insgesamt drei<br />
sogenannten NS-Ordensburgen, die in den<br />
1930er-Jahren nach der Machtübernahme<br />
durch die Nationalsozialisten im Deutschen<br />
Reich errichtet wurden.<br />
Krieg verhindert Ausbau<br />
Wie in der Eifel haben auch im pommerschen<br />
Krössinsee (auch „Crössinsee“; heute<br />
in Polen) und in Sonthofen im Allgäu große<br />
Teile der zahlreichen, zum Teil repräsentativen<br />
Gebäude den Zweiten Weltkrieg und die<br />
vergangenen Jahrzehnte bis in die Gegenwart<br />
hinein überdauert.<br />
Ursprünglich sollten die Gebäudekomplexe<br />
der „NS-Ordensburgen“ nach den Vorstellungen<br />
der Parteiführung viel größer und<br />
monumentaler ausfallen, als bis Kriegsausbruch<br />
verwirklicht wurde. Doch eine Vielzahl<br />
der Bauten kam aufgrund des Krieges<br />
NS-Schulungsstätten<br />
Die Errichtung der „Ordensburg“ geht auf<br />
die Initiative des Reichsorganisationsleiters<br />
der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei<br />
(NSDAP), Robert Ley, zurück. Er<br />
war zugleich Führer der Deutschen Arbeitsfront<br />
(DAF) und ließ die drei genannten<br />
Schulungsstätten erbauen, um aus den „Junkern“<br />
den angehenden hauptamtlichen Mitarbeiterstab<br />
der NS-Partei rekrutieren zu<br />
können.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
69
Spurensuche | „Ordensburg Vogelsang“<br />
BESCHÄDIGT: Das Feuermal mit Fackelträgerrelief<br />
am ehemaligen „Sonnenwendplatz“<br />
mit zum Teil unkenntlich gemachter Inschrift<br />
und ohne Feuerschale.<br />
Foto: picture-alliance/Hans-Joachim Rech<br />
HALBKREISFÖRMIG: Blick auf die Spielebene der Feierstätte („Thingplatz“), im Hintergrund<br />
ist der unterhalb angelegte Sportplatz zu erkennen.<br />
Foto: picture-alliance/Jan Haas<br />
Am 15. März 1934 wird der erste Spatenstich<br />
auf dem Bergrücken „Erpenscheid“<br />
oberhalb des Urftstausees vorgenommen.<br />
Ursprünglich sollte der nahegelegene Hang<br />
„Vogelsang“ bei Gemünd als Bauplatz dienen,<br />
doch stellt sich dieser als zu klein für die<br />
zunächst als Schulungslager mit Baracken,<br />
später als weitläufige „Reichsschulungsburg<br />
Vogelsang“ geplante Anlage heraus. Der Name<br />
„Vogelsang“ wird trotz des Ortswechsels<br />
übernommen.<br />
Drei Monate nach Beginn der Bauarbeiten<br />
findet am 22. September 1934 die Grundsteinlegung<br />
im Rahmen einer feierlichen Zeremonie<br />
statt. Robert Ley sagte in seiner Rede,<br />
dass die Urkunde „nie gefunden werden“<br />
solle, „damit diese Burg ewig lebe“ –<br />
ein Wunsch, der nicht in Erfüllung gehen<br />
sollte.<br />
Zentraler Appellplatz<br />
Als im Dezember 1934 das Richtfest der<br />
Hauptgebäude gefeiert wird, geht man fest<br />
da<strong>von</strong> aus, dass die Fertigstellung weiter Teile<br />
der Ordensburg bis zum Frühjahr 1935<br />
verwirklicht werden kann. Doch die Arbeiten<br />
ziehen sich länger hin, als angenommen.<br />
Robert Ley macht sich 1935 bei Besuchen vor<br />
Ort selbst ein Bild über die Fortschritte der<br />
Bauarbeiten.<br />
VERÄNDERT: Blick auf die Außenfront des<br />
Tor- und Wachgebäudes. Die Säulen in der<br />
Durchfahrt stammen nicht aus der Erbauungszeit<br />
und wurden später eingefügt.<br />
Foto: picture-alliance/Jan Haas<br />
Im Zentrum der schließlich 1936 eingeweihten<br />
Anlage stehen das dreiflügelige Gemeinschaftshaus<br />
mit seitlich angeschlossenem<br />
Turm, der „Adlerhof“, die „Wandelhalle“<br />
einschließlich des vorgelagerten Appellplatzes<br />
und der darunter abwärts am Hang errichteten,<br />
insgesamt zehn „Kameradschaftshäuser“.<br />
Letztere sind als Unterkünfte für<br />
Literaturtipps<br />
Franz Albert Heinen: NS-Ordensburgen – Vogelsang,<br />
Sonthofen, Crössinsee, Berlin 2011.<br />
Ruth Schmitz-Ehmke: Die ehemalige Ordensburg<br />
Vogelsang, (=Arbeitsheft der rheinischen<br />
Denkmalpflege 41), 3., veränderte und erweiterte<br />
Auflage, Worms 2008.<br />
ANGETRETEN: Hitler und Ley<br />
schreiten die Front der angetretenen<br />
„NS-Ordensjunker“ ab, Foto<br />
vom November 1936.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
70
Schulungsstätte der NS-Partei<br />
MENSCHENLEER: Blick <strong>von</strong> der Tribüne<br />
vor der Wandelhalle auf den Appellplatz,<br />
auf dem die Lehrgangsteilnehmer<br />
1936–1939 antreten mussten.<br />
Foto: picture-alliance/Horst Ossinger<br />
den Führungsnachwuchs der Partei gedacht.<br />
Die Dächer der Gebäude sind beschiefert,<br />
die Außenmauern bestehen aus Grauwacke-<br />
Bruchstein. Zudem wird auf viele sichtbare<br />
Holzelemente Wert gelegt.<br />
Erster Lehrgang 1936<br />
Eine Kantine („Burgschenke“), ein „Sonnenwendplatz“<br />
und eine „Thing- und Feierstätte“<br />
sowie ein Sportplatz einschließlich Turnund<br />
Schwimmhalle ergänzen die seit Mitte<br />
der 1930er-Jahre in verschiedenen Bauabschnitten<br />
laufend erweiterte Anlage.<br />
Als im Frühjahr 1936 die circa 500 „Junker“<br />
des ersten Lehrgangs auf Vogelsang einrücken,<br />
treffen sie auf einer Großbaustelle<br />
ein. Obwohl zahlreiche Gebäude und Gebäudetrakte<br />
noch nicht fertig gestellt sind,<br />
soll die Ordensburg endlich ihren Betrieb als<br />
eine der bedeutendsten „Schulungsstätten“<br />
der NS-Partei aufnehmen.<br />
Bei den Lehrgangsteilnehmern handelt es<br />
sich vorrangig um auf Vorschlag der Gauleitungen<br />
ausgewählte junge Männer, die den<br />
Führungsnachwuchs der Partei bilden sollten.<br />
Die Mehrzahl <strong>von</strong> ihnen sind Mit-Zwan-<br />
ziger. Zu den Voraussetzungen für eine Aufnahme<br />
zählen damals unter anderem Verdienste<br />
in der Parteiarbeit, körperliche Gesundheit,<br />
Arbeits- und Militärdienst sowie<br />
ein bis ins 18. Jahrhundert zurückreichender<br />
Abstammungsnachweis.<br />
Die Anlagen werden seit ihrer Einweihung<br />
im Jahr 1936 auch <strong>von</strong> Gliederungen<br />
der NSDAP und <strong>von</strong> der DAF als Tagungsorte<br />
genutzt, bieten sie doch den gewünschten<br />
architektonischen Rahmen und die nötige<br />
ENTWURF: Skizze des Architekten<br />
Clemens Klotz<br />
mit dem geplanten Monumentalbau<br />
„Haus des<br />
Wissens“, der mit seinem<br />
hohen „Palas“ die gesamte<br />
Burganlage oberhalb<br />
des Dreiflügel-Gemeinschaftshauses<br />
beherrschen<br />
sollte.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
IN DER BAUPHASE: Teile<br />
der Anlage während der<br />
Entstehungszeit.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
Clausewitz 1/2014<br />
71
Spurensuche<br />
GUT ERHALTEN: Das Muschelkalkrelief eines<br />
„Ordensritters“ des Bildhauers Willy<br />
Meller ist noch heute auf dem Ostturm im<br />
Bereich des Eingangshofes zu sehen.<br />
Foto: picture-alliance/Hans-Joachim Rech<br />
Infrastruktur für Veranstaltungen der Partei.<br />
Als Adolf Hitler der „Ordensburg Vogelsang“<br />
Ende April 1937 einen Besuch abstattet,<br />
schreitet er zwar die Front der auf dem<br />
Appellplatz angetretenen „Burgmannschaft“<br />
ab, doch sein Interesse gilt insbesondere<br />
den in Vogelsang zusammengekommenen<br />
Kreisleitern der NSDAP und ihrer Großveranstaltung.<br />
Während des Krieges<br />
Lediglich in den Jahren <strong>von</strong> 1936 bis 1939 finden<br />
in Vogelsang Schulungslehrgänge statt,<br />
denn der Kriegsbausbruch 1939 beendet diese<br />
Lehrgangstätigkeit.<br />
Während des Krieges wird die Anlage unter<br />
anderem <strong>von</strong> der Wehrmacht als Truppenquartier<br />
genutzt; seit 1941 werden hier<br />
dann einige Klassen <strong>von</strong> „Adolf-Hitler-<br />
Schulen“ ideologisch geschult und unterrichtet.<br />
1944 richten die Nationalsozialisten<br />
in Vogelsang ein Wehrertüchtigungslager<br />
KONTAKT<br />
vogelsang ip gemeinnützige GmbH<br />
Kulturkino vogelsang ip<br />
53937 Schleiden<br />
Tel.: +49 (0)24 44/91579-0<br />
Internationaler Platz vogelsang ip<br />
Öffnungszeiten:<br />
Besucherzentrum, täglich 10:00 bis 17:00 Uhr<br />
mit Gastronomie und täglichen offenen<br />
Führungen<br />
E-Mail: info@vogelsang-ip.de<br />
www.vogelsang-ip.de
Geplantes Dokumentationszentrum<br />
... Jahrhundert.<br />
IN BAU: Blick auf<br />
die Mitte der<br />
1930er-Jahre terrassenförmig<br />
angelegten<br />
„Kameradschaftshäuser“<br />
und<br />
die Feierstätte.<br />
Foto: ullstein bild –<br />
ullstein bild<br />
ein, in dem Hitler-Jungen militärisch ausgebildet<br />
werden. Ende 1944 führt ein alliierter<br />
Luftangriff zu zum Teil erheblichen Zerstörungen.<br />
Vor allem am Gemeinschaftshaus,<br />
das einen großen Hörsaal und einen Speisesaal<br />
beherbergte, entstehen große Schäden.<br />
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
wird das Gelände der ehemaligen „NS-Ordensburg“<br />
<strong>von</strong> den Briten umgehend zum<br />
militärischen Sperrgebiet erklärt. Ein mehr<br />
als 40 Quadratkilometer großes Gebiet rund<br />
um die Anlage wird beschlagnahmt und gesichert.<br />
Im nahegelegenen Ort Wollseifen erhalten<br />
die Einwohner im August 1945 die<br />
Nachricht, dass sie ihr Dorf ab September<br />
1945 verlassen müssen. Es würde fortan Teil<br />
des Truppenübungsplatzes sein, so die Begründung.<br />
Im Jahr 1950 wird Vogelsang <strong>von</strong> den Briten<br />
an die belgische Armee übergeben. Die<br />
Belgier nutzen die Anlage als Teil des Truppenübungsplatzes<br />
„Camp Vogelsang“ mehr<br />
als fünf Jahrzehnte für militärische Zwecke.<br />
Dabei nehmen sie in geringerem Umfang<br />
auch bauliche Veränderungen vor, darunter<br />
die Errichtung eines neuen Kasernentraktes<br />
(„Kommandant Van Dooren“) aufbauend<br />
auf den Fundamenten des nie fertig gestellten<br />
Monumentalbaus „Haus des Wissens“<br />
sowie eines Kinos, in dem sich heute das provisorische<br />
Besucherzentrum befindet.<br />
Wenn man heute die Anlage besichtigen<br />
möchte, sollte man viel Zeit mitbringen.<br />
Schon die Anfahrt über die lange Zufahrtsstraße<br />
und der Fußweg vom Eingangshof<br />
mit Tor- und Wachgebäude sowie Westund<br />
Ostturm und den Reiterreliefs des Kölner<br />
Bildhauers Willy Meller hin zum Zentrum<br />
der Anlage nimmt einige Zeit in Anspruch.<br />
Hier sind neben dem Glockenturm und<br />
dem Gemeinschaftshaus vor allem die<br />
„Wandelhalle“ mit Tribüne und der ihr vorgelagerte<br />
Appellplatz gut erhalten. Von dort<br />
aus hat man einen guten Ausblick über die<br />
ehemaligen „Kameradschaftshäuser“, die in<br />
den Hang hineingebaut wurden, und die<br />
weiter unten gelegenen Teile der Anlage.<br />
Die Burgschenke, die wie andere Gebäudetrakte<br />
auch im Innern besichtigt werden<br />
kann, hat über die Jahrzehnte hinweg viel<br />
<strong>von</strong> ihrem ursprünglichen Charakter aus der<br />
Bauphase bewahrt.<br />
„Internationaler Platz Vogelsang”<br />
Bei einem Rundgang durch das Areal der<br />
ehemaligen „Ordensburg“ stößt man seitwärts<br />
der lagermäßig angeordneten „Kameradschaftshäuser“<br />
auch auf das Feuermal<br />
mit dem „Fackelträgerrelief“ <strong>von</strong> Willy Meller.<br />
Es war in den 1930er-Jahren Bestandteil<br />
des „Sonnenwendplatzes“, <strong>von</strong> dessen ursprünglicher<br />
Gestaltung auch aufgrund starken<br />
Baum- und Pflanzenbewuchses heute<br />
nur noch vergleichsweise wenig zu erkennen<br />
ist.<br />
Der freistehende Denkmalblock des Feuermals<br />
wies zur NS-Zeit die noch zum Teil<br />
lesbare, zum Teil unkenntlich gemachte Inschrift<br />
auf: „Ihr seid die Fackelträger der Nation.<br />
Ihr tragt das Licht des Geistes voran im<br />
Kampfe für Adolf Hitler“.<br />
Seit 2006 entsteht am historischen Ort der<br />
„NS-Ordensburg Vogelsang“, einem der<br />
bundesweit größten erhalten gebliebenen<br />
NS-Bauensembles, ein Informations-, Ausstellungs-<br />
und Dokumentationszentrum unter<br />
der Bezeichnung „vogelsang ip | Internationaler<br />
Platz im Nationalpark Eifel“, das gegenwärtig<br />
zum „Forum Vogelsang“<br />
weiterentwickelt wird.<br />
Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>von</strong> <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />
Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />
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Clausewitz 1/2014
Feldherren<br />
74
König Pyrrhus <strong>von</strong> Epirus<br />
Der besiegte Sieger<br />
319–272 v. Chr.: Pyrrhus gehört zu den schillerndsten Gestalten des hellenistischen Zeitalters<br />
– sein Leben erinnert an einen Abenteuerroman ohne „Happyend“, und seine verlustreichen<br />
„Pyrrhussiege“ sind in die Umgangssprache eingegangen. Von Otto Schertler<br />
König Pyrrhus herrscht seit 295 v. Chr.<br />
als alleiniger König über die im Nordwesten<br />
Griechenlands gelegene Landschaft<br />
Epirus. Diese, <strong>von</strong> den Stämmen der<br />
Thesproter, Chaoner und Molosser bewohnte,<br />
Grenzregion gilt für die Griechen als halbbarbarisches<br />
Land, das erst im Lauf des vierten<br />
Jahrhunderts v. Chr. vollständig hellenisiert<br />
wird. Zu dieser Zeit bilden die dortigen<br />
Stämme unter der Führung der Molosser einen<br />
losen Bund, der <strong>von</strong> einem König geführt<br />
wird, dessen Dynastie sich vom mythischen<br />
Achilles ableitet und der auch der 319 v. Chr.<br />
geborene Pyrrhus angehört. Thronwirren<br />
zwingen die Anhänger des Pyrrhus, diesen,<br />
noch als Kleinkind durch eine abenteuerliche<br />
Flucht in das benachbarte Illyrien in Sicherheit<br />
zu bringen. Bereits 306 v. Chr. können<br />
ihn seine Gefolgsleute auf den Thron <strong>von</strong><br />
Epirus setzen – doch schon 302 v. Chr. wird<br />
er <strong>von</strong> Kassander, dem Herrscher des benachbarten<br />
Makedonien, vertrieben.<br />
Auf dem Weg zur Alleinherrschaft<br />
Diese frühen Jahre im Leben des Pyrrhus zeigen<br />
die damaligen Verhältnisse in der hellenistischen<br />
Welt recht deutlich. Das Leben der<br />
Könige ist <strong>von</strong> Verrat und ständigen Machtkämpfen<br />
geprägt, und in dieser Zeit kann<br />
ein fähiger und rücksichtsloser Mann über<br />
Nacht ein Königreich erwerben, es aber genau<br />
so schnell wieder verlieren. Nach seiner<br />
Flucht zieht es Pyrrhus zunächst zu dem ihm<br />
charakterlich sehr ähnlichen Demetrios I.<br />
Poliorketes, dem Sohn des Antigonos I. Monophthalmos.<br />
An dessen Seite kämpft er bei<br />
der Schlacht <strong>von</strong> Ipsos und trotz, oder besser<br />
gesagt genau wegen, dieser Niederlage lernt<br />
er eine grundlegende Taktik zum Einsatz<br />
<strong>von</strong> Elefanten, die er später gegen die Römer<br />
anwenden wird. Danach geht Pyrrhus an den<br />
Hof des ägyptischen Königs Ptolemäus I.,<br />
wo er sehr beliebt ist. Mit dessen Hilfe erlangt<br />
Pyrrhus erneut den Thron <strong>von</strong> Epirus,<br />
den er sich aber zunächst mit Neoptolemos II.,<br />
einem anderen Anwärter, teilen muss. Bis<br />
295 v. Chr. ist dieser ausgeschaltet, und Pyrrhus<br />
herrscht allein über Epirus. Er baut das<br />
bis dahin unbedeutende Ambrakia zu einer<br />
prächtigen Hauptstadt mit Akropolis, Königsburg,<br />
Theatern und Tempeln der Athene<br />
und Artemis aus. Daneben fördert er in seinem<br />
gesamten Reich den Bau <strong>von</strong> Städten<br />
und Festungsanlagen. Ein friedliches Herrscherleben<br />
ist allerdings nicht im Sinn des<br />
Pyrrhus, und er richtet im Jahr 294 v. Chr. zunächst<br />
seinen Blick auf das benachbarte Makedonien,<br />
das durch innere Wirren geschwächt<br />
ist. Hier kann er einige Gebiete erringen<br />
und kämpft dann gegen seinen<br />
ehemaligen Verbündeten Demetrios I. Poliorketes,<br />
den neuen Herrscher <strong>von</strong> Makedonien.<br />
Pyrrhus kann zwar Thessalien erobern,<br />
wird aber schließlich vom Nachfolger<br />
des Demetrios zurückgedrängt.<br />
EIN LEBEN FÜR DEN KRIEG: König<br />
Pyrrhus inszeniert sich als „neuer Alexander“<br />
– und wie sein Vorbild stürzt<br />
er sich in zahlreiche Schlachten. Das<br />
Bild zeigt Pyrrhus bei der Erstürmung<br />
der griechischen Stadt Eryx (Sizilien),<br />
an vorderster Front kämpfend. Der legendäre<br />
Hannibal soll in später für den<br />
besten Feldherren – neben Alexander –<br />
gehalten haben! Zeichnung: Johnny Shumate<br />
Der Traum vom Großreich<br />
Pyrrhus erkennt, dass er in Griechenland<br />
nicht mehr viel gewinnen kann und richtet<br />
daher seinen Blick nach Westen auf das griechische<br />
Süditalien und Sizilien. Offenbar<br />
träumt er <strong>von</strong> einem Reich, das sich <strong>von</strong><br />
Eine Name wie „Donnerhall“<br />
Pyrrhus gehört zu den populärsten Gestalten<br />
des Altertums und steht in einer<br />
Reihe mit Alexander, Hannibal und<br />
Caesar. Er ist ein erfahrener Feldherr<br />
und beschäftigt sich intensiv mit Themen<br />
wie Taktik und Strategie. Sein<br />
ereignisreiches Leben gäbe Stoff für<br />
mehrere Hollywood-Filme. Antike<br />
Porträt-Büste mit Helm.<br />
Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />
Clausewitz 1/2014<br />
75
Feldherren<br />
Süditalien über Sizilien bis über die Küsten<br />
Nordafrikas erstrecken soll. Den Vorwand<br />
für sein Eingreifen bietet ein Hilferuf der<br />
Stadt Tarent, die sich der Bedrohung durch<br />
das expandierende Rom ausgesetzt sieht. Im<br />
Jahr 281 setzt Pyrrhus mit einem Heer <strong>von</strong><br />
25.000 Infanteristen, 3.000 Kavalleristen und<br />
20 Kriegselefanten nach Italien über und organisiert<br />
energisch die Verteidigung Tarents.<br />
Dann stellt er sich 280 v. Chr. dem heranziehenden<br />
römischen Heer entgegen und<br />
nimmt bei Heraclea die Schlacht an. Ihm gegenüber<br />
steht die seit dem 4. Jahrhundert v.<br />
Chr. reorganisierte römische Armee, die sich<br />
<strong>von</strong> der alten aus Griechenland stammenden<br />
Hoplitentaktik verabschiedet hat. Die neuartige<br />
Manipulartaktik, benannt nach der<br />
kleinsten als Manipel (etwa 120 Mann) bezeichneten<br />
taktischen Einheit, ist wesentlich<br />
flexibler als die starre griechische Phalanx.<br />
Die neue römische Schlachtordnung besteht<br />
aus drei Linien, die sich jeweils aus den gepanzerten<br />
und mit großen Schilden versehenen<br />
hastati, principes und triarii zusammensetzen.<br />
Vor diesen bewegt sich ein Schirm<br />
aus den leichtbewaffneten velites,<br />
die den Feind mit Wurfspeeren<br />
angreifen. Pyrrhus hingegen<br />
verfügt mit seiner kriegserfahrenen<br />
Phalanx makedonischen Typs über eine<br />
wesentlich anders geartete schwere Infanterie<br />
als die Römer. Diese versuchen,<br />
die Phalanx durch<br />
einen Hagel <strong>von</strong> Wurfgeschossen aufzubrechen<br />
und dann in die entstandenen Lücken<br />
einzudringen, wo sie als geübte Schwertkämpfer<br />
im Vorteil sind. In späteren ähnlichen<br />
Kämpfen erringen die Römer so ihre<br />
Vorteile, doch gegen Pyrrhus scheint diese<br />
Taktik noch nicht aufzugehen.<br />
AM ENDE SIEGREICH: Die Römische Armee ist bestens ausgebildet und verfügt über ein<br />
Rekrutierungspotenzial, das auch verlustreiche Niederlagen langfristig überstehen kann.<br />
Unser Bild zeigt einen Zenturio (an den roten Federn zu erkennen) mit Kettenrüstung, Scutum<br />
und Kurzschwert, einen Hastati mit Bronzehelm und weißen Federn, runder Brustplatte,<br />
Beinschiene, Scutum und Kurzschwert (ideal für den Nahkampf) sowie einen Rorarius mit<br />
Wurfspießen und Lederschild.<br />
Zeichnung: Johnny Shumate<br />
Blutige Siege gegen die Römer<br />
Bei Heraclea trennt ein Fluss die beiden Heere,<br />
und die Römer überqueren diesen und<br />
greifen an. Pyrrhus hat seine Elefanten in Reserve<br />
gehalten, und als die Schlacht hin und<br />
her wogt, setzen die Römer ihre Kavallerie<br />
76
Scheitern an der römischen Militärmaschinerie<br />
„Wenn ich noch in einer weiteren Schlacht gegen die<br />
Römer den Sieg da<strong>von</strong>trage, wird nicht ein einziger<br />
der Soldaten, die mit mir [nach Italien, Anm. d. Autors]<br />
übergesetzt sind, übrigbleiben.“<br />
ein, um Pyrrhus in den Rücken zu fallen.<br />
Dies ist die Stunde der Elefanten: Sie versetzen<br />
die römische Kavallerie in Panik und fallen<br />
dann der römischen Schlachtordnung in<br />
die Flanke. Damit ist der Sieg für Pyrrhus sicher,<br />
doch seine eigenen schweren Verluste<br />
<strong>von</strong> etwa 4.000 Mann machen ihn zu einem<br />
teuer erkauften „Pyrrhussieg“. Der Ruf <strong>von</strong><br />
Pyrrhus nach Diodorus Siculus<br />
König Pyrrhus erlebt damit einen gewaltigen<br />
Aufschwung, und zahlreiche italische<br />
Stämme und griechische Städte gehen zu<br />
ihm über. Er hofft auf einen Friedenschluss<br />
mit Rom und zieht bis vor die Stadt, die er<br />
aber nicht erobern kann. Im Jahr 279 v. Chr.<br />
trifft Pyrrhus mit seinem durch zahlreiche<br />
Verbündete vergrößerten Heer bei Asculum<br />
erneut auf die Römer. In einer gewaltigen<br />
zweitägigen Schlacht gelingt es ihm schließlich<br />
die Oberhand zu behalten - doch erneut<br />
mit dem Opfer größter eigener Verluste. Bei<br />
der Betrachtung der Umstände, unter denen<br />
Pyrrhus seine Siege erringt, sind die Parallelen<br />
zu dem nicht minder berühmten karthagischen<br />
Feldherrn Hannibal deutlich zu erkennen.<br />
Beide erkämpfen gegen Rom bedeutende<br />
militärische Siege, die für die Römer<br />
extrem verlustreich sind. Dennoch sind diese<br />
weit da<strong>von</strong> entfernt, sich geschlagen zu<br />
geben, und es gelingt ihnen, ihre Ausfälle<br />
auszugleichen, durch einen zähen Abnut-<br />
UNDURCHDRINGLICHER LANZENWALD: Gegen<br />
eine gut aufgestellte Phalanx (makedonischen<br />
Typs) kommen die römischen Legionäre<br />
zunächst nicht an. Bei Heraclea in Süditalien<br />
ist Pyrrhus damit siegreich – die flexibleren<br />
Römer können ihre Trümpfe auf dem Schlachtfeld<br />
noch nicht ausspielen. Die<br />
nach oben gerichteten<br />
Lanzen der hinteren<br />
Reihen wehren Wurfgeschosse<br />
ab. Abb.:<br />
akg-images/Peter Connolly<br />
FAKTEN<br />
Die Großmächte des Mittelmeerraumes zur Zeit des Pyrrhus<br />
Die Feldzüge Alexanders des Großen hatten<br />
die politische Lage im Mittelmeerraum grundsätzlich<br />
verändert. Nach seinem Tod teilen<br />
seine Generäle das Reich unter sich auf, wobei<br />
es unter ihnen und ihren Nachfolgern zu<br />
andauernden Kämpfen um territoriale Ansprüche<br />
kommt, die unter ständig wechselnden<br />
Koalitionen ausgefochten werden. Im Osten<br />
schälen sich schließlich drei Großmächte heraus:<br />
Das Ptolemäerreich in Ägypten und Zypern,<br />
das Reich der Seleukiden im Vorderen<br />
Orient und das Reich der Antigoniden in Makedonien.<br />
Im übrigen Griechenland entstehen<br />
unter Pyrrhus das kurzlebige Reich <strong>von</strong><br />
Epirus sowie die Bünde der Aitoler und Achäer,<br />
die zusammen mit Sparta in dem dortigen<br />
Kräftespiel konkurrieren. Im westlichen Mittelmeerraum<br />
stellen sich die Machtverhältnisse<br />
ganz anders dar. In Süditalien und Sizilien<br />
existieren zahlreiche griechische Stadtstaaten,<br />
die sich zwar untereinander bekämpfen,<br />
doch gegen äußere Feinde meist<br />
zusammenschließen. In Süditalien sind dies<br />
zunächst die dortigen italischen Stämme, wie<br />
Samniten und Lukaner, die aber selbst zunehmend<br />
unter den Druck des aufstrebenden<br />
Rom geraten. Dieses setzt sich auch gegen<br />
Latiner, Etrusker und Kelten durch und wird<br />
somit in Italien zur vorherrschenden Großmacht.<br />
Auf Sizilien sehen sich die Griechen<br />
der See- und Handelsmacht Karthago gegenüber.<br />
Diese beherrscht den Westen der Insel,<br />
weite Teile Nordafrikas und die Küstenregionen<br />
Südostspaniens, Korsikas und Sardiniens<br />
und soll bald nach dem Tod des Pyrrhus<br />
zum gefährlichsten Gegner Roms werden.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
77
Feldherren<br />
zungskrieg die Vorteile des Gegners zu neutralisieren<br />
und letztendlich so auch den<br />
Krieg zu gewinnen. Nachdem er erkennt,<br />
dass ein Sieg gegen Rom nicht in greifbarer<br />
Nähe liegt, versucht Pyrrhus eine politisch<br />
ausgewogene Lösung und einen Ausgleich<br />
mit Rom für sich und seine italisch-griechischen<br />
Verbündeten zu finden, während<br />
die unbeugsamen Römer sich mit nicht weniger<br />
als der Unterwerfung ihrer Gegner zufrieden<br />
geben wollen.<br />
Kriegszug nach Sizilien<br />
Die Friedensverhandlungen mit Rom führen<br />
zu keinem Ergebnis, und Pyrrhus ergreift<br />
schließlich die Gelegenheit und folgt 278 v.<br />
Chr. einem Hilferuf der sizilischen Griechen.<br />
Diese sehen sich nämlich einer bedrohlichen<br />
Allianz aus einheimischen Stämmen und<br />
den Karthagern gegenüber. Pyrrhus setzt mit<br />
seinem Heer <strong>von</strong> der Südspitze Italiens nach<br />
Sizilien über, und er wird dort begeistert<br />
empfangen. Auch hier treibt er seinen Feldzug<br />
mit der ihm üblichen Energie voran und<br />
erobert entlang der Südküste Siziliens Stadt<br />
um Stadt <strong>von</strong> den Karthagern zurück. Diesen<br />
bleibt schließlich nur noch das schwer<br />
befestigte Lilybaeum, das sie dank ihrer<br />
Überlegenheit zur See ungehindert mit Waffen,<br />
Soldaten und Lebensmitteln versorgen<br />
können.<br />
Um in den Besitz der Stadt zu gelangen,<br />
müsste Pyrrhus zwar eine langwierige <strong>Belagerung</strong><br />
in Kauf nehmen, doch bei einem Erfolg<br />
wären die Karthager wahrscheinlich für<br />
immer aus Sizilien vertrieben. Doch Pyrrhus<br />
bricht die mühsame <strong>Belagerung</strong> ab und<br />
plant stattdessen einen direkten Angriff auf<br />
die nordafrikanischen Territorien Karthagos.<br />
HINTERGRUND<br />
Die erste Bekanntschaft mit den grauen<br />
Kampfkolossen machen die Soldaten Alexanders<br />
des Großen bei ihren Kämpfen in<br />
Nordwestindien gegen den indischen König<br />
Porus. Sichtlich beeindruckt <strong>von</strong> deren<br />
Kampfkraft, setzen die nachfolgenden hellenistischen<br />
Herrscher alles daran, diese<br />
„Wunderwaffe“ ebenfalls in ihr Arsenal aufzunehmen.<br />
Bald finden sich indische und afrikanische<br />
Kriegselefanten im Mittelmeerraum<br />
bis zum zweiten Jahrhundert v. Chr. als<br />
Teil der dortigen Heere. Die Elefanten, die<br />
neben ihrem Mahout bald mit einem <strong>von</strong> zwei<br />
oder drei Mann besetzten Schlachtturm sowie<br />
gelegentlich auch einer Körperpanzerung<br />
versehen sind, haben vor allem gegenüber<br />
Truppen, die ihnen zum ersten Mal gegenüber<br />
stehen, eine beträchtliche Wirkung.<br />
Ebenso verhält es sich mit den Pferden der<br />
feindlichen Kavallerie, die beim Anblick der<br />
riesigen Tiere scheuen und nicht mehr zum<br />
Dafür fordert er <strong>von</strong> seinen Verbündeten eine<br />
Flotte, die diese jedoch nicht bereit sind<br />
aufzustellen. Gleichzeitig rufen die despotischen<br />
Allüren des Pyrrhus, die dieser gegenüber<br />
den auf Sizilien beheimateten Griechen<br />
an den Tag legt, zunehmenden Unwillen unter<br />
diesen hervor. Dies veranlasst ihn<br />
schließlich 276/275 v. Chr. zur Rückkehr<br />
nach Italien. Dort ist er sofort in Kämpfe mit<br />
abgefallenen Verbündeten verstrickt, und<br />
auch die Römer haben den Kampf noch nicht<br />
aufgegeben. Pyrrhus plagen inzwischen<br />
Nachschub- und Geldsorgen sowie die<br />
Kriegsmüdigkeit seiner Verbündeten. 275 v.<br />
Chr. trifft er bei Beneventum erneut auf ein<br />
römisches Heer, doch dieses Mal erleidet er<br />
eine knappe Niederlage.<br />
Schriftsteller und Duellant<br />
Pyrrhus ist durch und durch ein Krieger, der<br />
sich auch in den kurzen Ruhepausen zwischen<br />
seinen militärischen Abenteuern ausschließlich<br />
mit militärischen Belangen befasst.<br />
Neben seinen Memoiren verfasst er Abhandlungen<br />
über die Kriegskunst, die auch<br />
Vorgehen zu bewegen sind. Die Schlachtaufstellung<br />
der Kriegselefanten findet meist vor<br />
der schweren Infanterie oder an den Flanken<br />
bzw. der Reserve statt. Zwischen den Tieren<br />
steht zu deren Schutz leichte Infanterie, da<br />
die Elefanten trotz ihrer Größe relativ leicht,<br />
vor allem durch Geschosse, verwundbar<br />
sind. Verletzte Elefanten brechen jedoch<br />
schnell in Panik aus und sind nicht mehr beherrschbar,<br />
wobei sie auch die eigenen Truppen<br />
niedertrampeln. Zusätzlich entwickelt<br />
man schon bald eine effektive Abwehrtaktik<br />
gegen die Elefanten, zu der Feuer, das Anlegen<br />
<strong>von</strong> Gräben oder das Ausstreuen <strong>von</strong> eisernen<br />
„Krähenfüßen“ gehören. Diese Faktoren<br />
führen dazu, dass der, im Verhältnis zu<br />
deren aufwendiger Beschaffung, Training und<br />
Unterhalt, nicht sehr erfolgreiche Einsatz <strong>von</strong><br />
Kriegselefanten mit dem Untergang der hellenistischen<br />
Reiche im Mittelmeerraum aufhört.<br />
später noch <strong>von</strong> seinen römischen Feinden<br />
mit Bewunderung studiert werden. Leider ist<br />
<strong>von</strong> seinem schriftlichen Werk nichts erhalten<br />
geblieben. Daneben ist Pyrrhus der einzige<br />
hellenistische Herrscher, der die Römer in offener<br />
Feldschlacht besiegt. Persönlich außerordentlich<br />
mutig und ein exzellenter Kämpfer,<br />
führt er seine Truppen „immer <strong>von</strong> der<br />
Front“ aus. Bei der Erstürmung der Stadt<br />
„Wir sehen, dass Könige kein Problem damit haben,<br />
die Seite nach Gutdünken zu wechseln. Dadurch<br />
ahmen sie nur andere Könige nach, die ihre Lehrer in<br />
Treulosigkeit und Verrat sind und sie glauben machen,<br />
dass derjenige die meisten Vorteile besitzt, der die<br />
Gerechtigkeit am wenigsten achtet.“<br />
„Wunderwaffe“ Kriegselefant?<br />
Plutarch, Leben des Pyrrhus<br />
Eryx auf Sizilien erklimmt er persönlich als<br />
erster die Sturmleitern und bahnt seinen<br />
Männern einen Weg auf die Mauer. Er geht<br />
keiner Herausforderung zum Zweikampf<br />
aus dem Weg: Bei den Kämpfen nach seiner<br />
Rückkehr <strong>von</strong> Sizilien stellt er sich einem riesigen<br />
und gut gerüsteten feindlichen Krieger<br />
der Mamertiner, den er in kürzester Zeit bezwingt.<br />
Rasend vor Wut über den Tod seines<br />
Sohnes bei den Kämpfen um Sparta, greift<br />
Pyrrhus die ihn verfolgenden Spartaner an<br />
und tötet persönlich den gegnerischen Befehlshaber<br />
samt dessen Leibwache. Der militärische<br />
Ruf <strong>von</strong> Pyrrhus ist in der Antike sogar<br />
noch größer als der <strong>von</strong> Hannibal, und es<br />
gibt eine Legende, nach der Hannibal bei der<br />
Frage nach den größten Feldherren als ersten<br />
Alexander den Großen, dann Pyrrhus und<br />
schließlich erst sich selbst nannte.<br />
Tod im Straßenkampf<br />
Nach seinen Misserfolgen in Italien und Sizilien<br />
zieht sich Pyrrhus im Jahr 275 v. Chr.<br />
nach Epirus zurück und mischt sich bald darauf<br />
in die innergriechischen Machtkämpfe<br />
ein. Zunächst kann er sich gegen den makedonischen<br />
König Antigonos II. Gonatas<br />
durchsetzen und fast ganz Makedonien in<br />
seinen Besitz bringen. Dann folgt Pyrrhus im<br />
Jahr 272 v. Chr. einem Hilferuf aus Sparta,<br />
indem er zunächst vorgibt, einen der dortigen<br />
Thronanwärter zu unterstützen. Überraschenderweise<br />
greift er aber die Stadt Sparta<br />
direkt an – doch der energische Widerstand,<br />
bei dem auch einer seiner Söhne fällt, zwingt<br />
Pyrrhus schließlich zum Rückzug. Da bietet<br />
sich ihm erneut eine weitere Chance: Innere<br />
Zwistigkeiten erschüttern die Stadt Argos,<br />
und eine der beiden Parteien bittet Pyrrhus<br />
78
Tragisches Ende eines kämpfenden Königs<br />
FAKTEN<br />
Wichtige Schlachten<br />
301 v. Chr. Schlacht bei Ipsus (Kleinasien)<br />
280 v. Chr. Schlacht bei Heraclea (Süditalien)<br />
279 v. Chr. Schlacht bei Asculum (Süditalien)<br />
275 v. Chr. Schlacht bei Beneventum (Südtitalien)<br />
272 v. Chr. Angriff auf Sparta<br />
272 v. Chr. Kampf um Argos<br />
um seine Hilfe. Dieser marschiert mit seinem<br />
Heer nach Argos und schleust nachts seine<br />
keltischen Söldner in die Stadt ein, um die<br />
Tore zu öffnen. Da sich diese für die<br />
Schlachttürme der Kriegselefanten als zu<br />
niedrig erweisen, verliert Pyrrhus wertvolle<br />
Zeit und gleichzeitig das Überraschungsmoment.<br />
Es kommt zu einer nächtlichen Straßenschlacht,<br />
bei der die Truppen <strong>von</strong> Pyrrhus<br />
vollständig den Überblick verlieren. Am<br />
nächsten Tag setzen sich die Kämpfe fort. Es<br />
herrscht Chaos und dieses wird durch einen<br />
in Panik geratenen Elefanten noch verschlimmert.<br />
Ein <strong>von</strong> einem Dach geschleuderter<br />
Ziegel wirft König Pyrrhus schließlich<br />
vom Pferd, und er wird anschließend <strong>von</strong> einem<br />
feindlichen Kämpfer enthauptet. Mit<br />
seinem Tod finden auch seine weitreichenden<br />
Ambitionen ein Ende. Insgesamt gesehen<br />
hat Pyrrhus zwar Epirus kurzfristig<br />
in den Rang einer Großmacht<br />
erhoben, doch es fehlt ihm an Beständigkeit<br />
zur Ausnutzung seiner Erfolge.<br />
Stellt sich ihm ein zu hartnäckiger<br />
Widerstand in den Weg, wie bei der<br />
<strong>Belagerung</strong> <strong>von</strong> Lilybaeum, so zieht er<br />
sofort ein leichter erreichbares Ziel in<br />
Betracht. Sein Gegner Antigonos II.<br />
Gonatas vergleicht Pyrrhus mit einem<br />
Würfelspieler, dessen Würfe zwar<br />
glücklich sind, der diese aber nicht zu<br />
nutzen weiß. Bald nach dem Tod<br />
<strong>von</strong> Pyrrhus fällt Epirus wieder<br />
in die politische Bedeutungslosigkeit<br />
zurück, und es wird<br />
kurz nach 168 v. Chr. <strong>von</strong> den<br />
Römern erobert.<br />
Diese haben die Bedrohung durch<br />
Pyrrhus nie vergessen, und<br />
sie rächen sich mit einer weitgehenden<br />
Zerstörung des<br />
Landes, wobei ein Großteil<br />
der Bevölkerung in die<br />
Sklaverei gerät.<br />
BEEINDRUCKENDE<br />
STREITMACHT: Pyrrhus<br />
verfügt über eine höchst<br />
professionelle Armee, die<br />
den Römern einiges abverlangt.<br />
Das Bild zeigt einen<br />
Kriegselefanten mit indischem<br />
Mahout. Die Fußsoldaten<br />
im Vordergrund<br />
sind – <strong>von</strong> links nach<br />
rechts – ein Phalangit mit<br />
Sarissa (Stoßlanze) und<br />
Bronzeschild, ein Samnite<br />
mit Speer, Hoplon (Schild)<br />
und Italischem Helm mit<br />
Federn sowie ein keltischer<br />
Krieger aus Galatien<br />
mit Langschwert und flachem,<br />
ovalem Schild (Thureos).<br />
Zeichnung: Johnny Shumate<br />
Otto Schertler, Jg. 1962, studierte<br />
Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte<br />
an der Universität München.<br />
Er lebt und arbeitet als Autor und Übersetzer<br />
in München mit den Schwerpunkten Archäologie,<br />
Militärgeschichte und Geschichte.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
79
Museen & Militärakademien<br />
Royal Air Force Museum Laarbruch-Weeze<br />
Das Einzige seiner Art<br />
Am Standort des Flughafens Airport Weeze besteht seit 2007 ein RAF-Museum. Es ist<br />
das Einzige in Deutschland und gewährt tiefe Einblicke in die wechselvolle Geschichte<br />
des ehemaligen Militärstandortes.<br />
Von Bernd-Rüdiger Ahlbrecht<br />
In Laarbruch waren <strong>von</strong> 1954 bis 1999 fliegende<br />
Einheiten der „Royal Air Force<br />
Germany“, in der Anfangszeit auch Einheiten<br />
der „Royal Netherlands Air Force“<br />
(RNLAF), stationiert.<br />
Während der Zeit des Kalten Krieges beherbergte<br />
der Standort bis zu jeweils 4.000<br />
britische Soldaten und deren Angehörige<br />
(insgesamt circa 6.000) sowie etwa 400 deutsche<br />
Zivilbeschäftigte.<br />
Bereits im März 1945 waren in Durchführung<br />
der alliierten Operationen „Veritable“,<br />
„Grenade“ und „Varsity“ Kampfflugzeuge<br />
vom Typ „Spitfire“ und „Typhoon“ der RAF<br />
und der RCAF (Royal Canadian Air Force)<br />
für wenige Monate stationiert und flogen<br />
Luftunterstützung. Dieser Feldflugplatz war<br />
das erste britische Airfield auf deutschem<br />
Boden und trug die Bezeichnung B.100.<br />
Zahlreiche Kontakte zum benachbarten Weeze<br />
sowie nach Goch, Uedem und Kevelaer<br />
förderten schrittweise nach 1954 den engen<br />
Zusammenhalt zwischen Militär und Zivilbevölkerung.<br />
Dies dokumentierte sich unter anderem<br />
in der Verleihung des Ehrenrechts<br />
„Freedom of the Town“ an die britische Garnison<br />
am 13. Juli 1974 – erstmals außerhalb<br />
der Grenzen des britischen Königreichs und<br />
damit auch erstmalig in Deutschland.<br />
Der endgültige Abzug der Briten im Jahr<br />
1999 war ein schwerer Schlag für die regionale<br />
Wirtschaft und konnte auch durch eine<br />
Petition der Gemeinde an das britische Unterhaus<br />
nicht aufgehalten werden. Etwa 150<br />
Briten fanden aber hier nach Beendigung ihrer<br />
Dienstzeit ihren neuen Lebensmittelpunkt.<br />
Ihnen und dem Engagement historisch<br />
interessierter Bürger aus Weeze und seiner<br />
Umgebung ist es zu verdanken, dass 2006<br />
ein Verein gegründet wurde, der die Erinnerung<br />
an diesen Teil britisch-deutscher Geschichte<br />
bewahren möchte. In der ehemaligen<br />
anglikanischen Kirche des vollständig<br />
erhalten gebliebenen Militärstandortes fand<br />
die museale Sammlung ihr Domizil. Sie umfasst<br />
mehr als 2.000 Exponate. Mittlerweile<br />
steht auch das ehemalige Sparkassengebäu-<br />
KONTAKT<br />
Royal Air Force Museum<br />
Laarbruch-Weeze e. V.<br />
Flughafenring 6, D-47652 Weeze<br />
Tel.: 02837-8290<br />
www.laarbruch-museum.net<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mai bis September<br />
Mi bis So <strong>von</strong> 14:00–17:00 Uhr<br />
Gruppen nach Vereinbarung auch außerhalb<br />
dieser Öffnungszeiten<br />
Oktober bis April<br />
Fr, Sa, So <strong>von</strong> 14:00–17:00 Uhr<br />
NAHAUFNAHME:<br />
Blick in das Cockpit<br />
der im Inneren<br />
des RAF-Museums<br />
ausgestellten<br />
„Buccaneer“. In<br />
RAF Laarbruch waren<br />
zahlreiche verschiedene<br />
Flugzeugtypen<br />
stationiert.<br />
Foto: Steve Freienstein<br />
80
DREIGETEILT: Gesamtansicht des RAF-<br />
Museums, links das Zentralgebäude, in<br />
der Mitte das ehemalige Sparkassengebäude<br />
mit der Ausstellung zum RAF-Regiment,<br />
rechts das ehemalige Kino „astra“.<br />
Foto: Steve Freienstein<br />
BODEN-LUFT-RAKETE: „Rapier System“ des RAF-Regiments im ehemaligen Sparkassengebäude.<br />
Das Waffensystem wurde zur Flugplatzverteidigung eingesetzt. Foto: Steve Freienstein<br />
de – hier wird die Geschichte des RAF-Regiments<br />
der Airbase gezeigt – zur Verfügung.<br />
Als Großexponate werden Cockpitsektionen<br />
einer „Buccaneer“ und einer „Canberra“<br />
gezeigt. Startanlagen für Boden-Luft-Raketen<br />
„Bloodhound“ und „Rapier“ – beide<br />
dienten der bodengebundenen Luftverteidigung<br />
des Platzes – runden dieses Bild nahezu<br />
ab. Etwas „aus dem Rahmen“ fällt dabei<br />
eine russische 14,5-mm-Vierlings-Flak ZPU,<br />
die als Beutestück aus dem ersten Irakkrieg<br />
ebenfalls im Freigelände präsentiert wird.<br />
Das letztere Exponat weist auf den Einsatz<br />
britischer Jagdbomber aus Weeze in diesem<br />
Krieg hin. Zumindest in Originalaufnahmen<br />
wird im Film an diese Zeit wie auch<br />
an zahlreiche militärische Aktivitäten am<br />
Platz selbst erinnert.<br />
Der Museumsverein hofft, in absehbarer<br />
Zeit zumindest ein Exemplar der hier ehemals<br />
stationierten Luftfahrzeuge ausstellen<br />
zu können. Beginnend mit der Geschichte<br />
des britischen Feldflugplatzes im Jahr 1945<br />
und einer Dokumentation zur Errichtung<br />
des RAF-Fliegerhorstes ab dem Jahr 1953<br />
wird mit vielen einzelnen Exponaten die<br />
Entwicklung des Standortes Laarbruch, seine<br />
Belegung mit Geschwadern und Staffeln<br />
der RAF und das Leben innerhalb der Um-<br />
ÜBERSICHT<br />
RAF Laarbruch (1954–1999)<br />
Auf der britischen Airbase stationierte Flugzeugtypen (Auswahl):<br />
DETAILGETREU: Modell einer zweistrahligen„Canberra“<br />
der Royal Air Force in der<br />
Splitterbox.<br />
Foto: Steve Freienstein<br />
zäunung, aber auch die enge Verbindung zur<br />
Gemeinde Weeze und zur Stadt Goch dokumentiert.<br />
Eine erhebliche Anzahl der länger<br />
dienenden Angehörigen der britischen<br />
Streitkräfte lebte mit ihren Familien in diesen<br />
und weiteren umliegenden Orten.<br />
Mit Sonderausstellungen zu verschiedenen<br />
Themen, wie zum Beispiel „Briten, Bier<br />
und Barbecue“ oder „Love is in the air“ wurde<br />
vorrangig an eine Zeit erinnert, als die<br />
ehemaligen Besatzer längst zu Freunden geworden<br />
waren.<br />
Auch heute noch ist das Museum ein Ort<br />
des Wiedersehens und der Erinnerung an<br />
„alte Zeiten“, nicht nur der damals hier Tätigen,<br />
sondern auch schon für deren Kinder<br />
UNGEWÖHNLICH: Darstellung des Ausschusses<br />
eines Piloten mit dem Schleudersitz.<br />
Foto: Steve Freienstein<br />
und Enkel. Natürlich fehlt auch eine Dokumentation<br />
der Besuche der Mitglieder des<br />
britischen Königshauses, an der Spitze<br />
Queen Elizabeth, nicht.<br />
Der Standort Laarbruch war nahezu über<br />
alle Jahre hinweg „Heimat“ für Tiefangriffsund<br />
Aufklärungsflugzeuge, die das Geschehen<br />
auf, über und um den Platz herum dominierten.<br />
Extreme Tiefflüge zu jeder <strong>Tage</strong>sund<br />
Nachtzeit waren an der <strong>Tage</strong>sordnung.<br />
Heute bestimmen die Verkehrsflugzeuge<br />
<strong>von</strong> Ryanair, Air Berlin, Transavia und tailwind<br />
das Bild. Von hier aus wurden im Sommerflugplan<br />
2013 insgesamt 59 Ziele in Europa,<br />
Asien und Afrika angeflogen. Trotz<br />
dieses hohen Flugaufkommens hat sich im<br />
Vergleich zur Zeit der militärischen Nutzung<br />
die Belastung für die Bevölkerung deutlich<br />
reduziert.<br />
■ Canberra PR.3 / 7 / B(I)8 / T.4<br />
■ Meteor FR.9 / PR.10 / NF 11<br />
■ F-84E / RF-84F / RT-33 / T-6 (RNLAF)<br />
■ Javelin FAW.5<br />
■ Buccaneer S.2B<br />
■ Phantom FGR.2<br />
■ Hunter T.7B<br />
■ Jaguar GR.1A / T.2<br />
■ Tornado GR.1/GR.1A<br />
■ Harrier GR.7 / T.10<br />
Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht, Jg. 1944, Studium an<br />
der Militärakademie Dresden, Soziologie. Marineoffizier<br />
a.D., Promotion 1988 zum Dr. phil. (Geschichte).<br />
Zu den Themenschwerpunkten zählen deutsche Luftfahrt-<br />
und Marinegeschichte.<br />
Clausewitz 1/2014<br />
81
<strong>Vorschau</strong><br />
Nr. 17 | 1/2014 | Januar-Februar | 4.Jahrgang<br />
Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />
Redaktionsanschrift<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />
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Deutsch-Dänischer Krieg 1864<br />
150. Jahrestag der Entscheidung bei den Düppeler Schanzen<br />
18. April 1864: Preußische Truppen erstürmen die gut ausgebauten dänischen<br />
Stellungen bei Düppel nahe Sonderburg. Die Dänen erleiden eine empfindliche<br />
Niederlage im militärischen Konflikt um das alte Herzogtum Schleswig, das<br />
schließlich an Preußen fällt.<br />
Jom-Kippur-Krieg<br />
Überraschungsangriff auf Israel<br />
1973: Eine Attacke Ägyptens und<br />
Syriens endet für Israel beinahe in<br />
einem Desaster. Doch der kleine<br />
Staat kann schließlich zurückschlagen<br />
und seine Fehler vom Beginn des<br />
Krieges tilgen. Am Ende steht ein<br />
Friedensvertrag, bei dem beide<br />
Seiten ihr Gesicht wahren können.<br />
Gesamtanzeigenleitung<br />
Helmut Kramer<br />
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Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 21 vom 1.1.2014.<br />
Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />
Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />
Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />
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www.geramond.de<br />
Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />
Herstellungsleitung Sandra Kho<br />
Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />
Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />
Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />
Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />
Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />
SCHIFFClassic<br />
Fotos: picture-alliance/akg-images, picture-alliance/dpa, picture-alliance/akg-images<br />
Augustus<br />
Erster Kaiser Roms<br />
14 n. Chr.: Der Todestag Octavians (seit 27 v. Chr.<br />
„Augustus“) jährt sich 2014 zum zweitausendsten Mal.<br />
Der Großneffe Caesars besiegt bei Actium Marc Anton<br />
und Kleopatra, ist Oberbefehlshaber einer schlagkräftigen<br />
Berufsarmee und festigt durch strategische Expansionen<br />
das gewaltige Imperium Romanum.<br />
Außerdem im nächsten Heft:<br />
Dieppe 1942. Alliierter Fehlschlag in Nordfrankreich.<br />
„Panzerjäger“. Gefürchtete Jagdpanzer der Wehrmacht.<br />
Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten<br />
Geschichte, Militär und Technik.<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />
begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />
doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />
Ihr verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Dr. Tammo Luther<br />
Die nächste Ausgabe<br />
<strong>von</strong><br />
erscheint<br />
am 3. Februar 2014.<br />
Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />
€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />
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im Ausland zzgl. Versandkosten<br />
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ISSN 2193-1445<br />
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für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />
für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />
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Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />
aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />
Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />
Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung<br />
über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />
die militärhistorische und wissenschaftliche<br />
Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft<br />
kopiert und sie propagandistisch im Sinne <strong>von</strong><br />
§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />
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100%-Gesellschafterin der GeraMond Verlag GmbH ist<br />
die GeraNova Bruckmann Verlagshaus GmbH. Geschäftsführender<br />
Gesellschafter: Clemens Schüssler.<br />
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Die Geschichte der<br />
deutschen Großmacht.<br />
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für nur € 9,90!<br />
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Exklusive Schmuckwelten<br />
Werte, die erhalten bleiben<br />
Präzision in ihrer schönsten<br />
Form: Die Uhr für jeden,<br />
der unser Land liebt!<br />
Herren-Chronograph aus<br />
Stainless-Steel mit Uhrenglas<br />
aus Mineralglas und hochwertigem<br />
Edelstahlarmband<br />
Auch eine exklusive<br />
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Weihnachtsfest<br />
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PERSÖNLICHE REFERENZ-NUMMER: 73152<br />
Mit 120-TAGE-Rückgabe-Garantie<br />
Zeitlich begrenztes Angebot: Antworten Sie bis zum 20. Januar 2014<br />
Ja, ich reserviere die Armbanduhr „Geliebtes Deutschland“!<br />
Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen:<br />
Vorname/Name<br />
Straße/Nummer<br />
PLZ/Ort<br />
Geburtsdatum<br />
<br />
In einer edlen<br />
Geschenkbox mit<br />
Echtheits-Zertifikat<br />
Das Angebot ist limitiert – Reservieren Sie noch heute!<br />
Unterschrift<br />
Telefon für eventuelle Rückfragen<br />
Bitte gewünschte Zahlungsart ankreuzen():<br />
Ich zahle den Gesamtbetrag nach Erhalt der Rechnung<br />
Ich zahle in drei bequemen Monatsraten<br />
Ich zahle per Kreditkarte MasterCard VisaCard<br />
Kreditkarten-<br />
Nummer:<br />
Gültig bis:<br />
(MM/JJ)<br />
Bitte einsenden an: THE BRADFORD EXCHANGE<br />
Johann-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark<br />
Österreich: Senderstr. 10 • A-6960 Wolfurt • Schweiz: Jöchlerweg 2 • CH-6340 Baar<br />
<br />
Es gibt viele Gründe auf unser Land, unsere Kultur und<br />
unsere Sportler stolz zu sein. Zeigen Sie Ihren Stolz und<br />
tragen Sie eine ebenso patriotische wie maskuline und hochwertige<br />
Armbanduhr, die nun exklusiv bei The Bradford Exchange<br />
erscheint: der edle Chronograph „Geliebtes Deutschland“!<br />
Ein kostbares Meisterwerk der<br />
Uhrmacherkunst<br />
Das dunkle Zifferblatt zeigt den majestätischen Bundesadler, als<br />
Relief. Das Schwarz-Rot-Gold Deutschlands am 24-Stundenanzeiger,<br />
sowie die Randgravur „Einigkeit und Recht und<br />
Produkt-Nr.: 522-B1012.01<br />
Gesamtlänge: ca. 21 cm,<br />
Ø Uhrengehäuse: ca. 4 cm<br />
Produktpreis: € 149,85<br />
(zahlbar auch in 3 Monatsraten<br />
zu je € 49,95)<br />
zzgl. € 8,95 Versand<br />
Freiheit“ zeugen <strong>von</strong> der Liebe und der Verbundenheit zu unserem Land. Die exklusive<br />
Uhr wurde aus edlem Stainless-Steel gefertigt und läuft mit einem hochwertigen Seiko-<br />
Qualitätsuhrwerk sekundengenau.<br />
Exklusiv bei The Bradford Exchange<br />
Uhrenbetrieb durch eine Knopfzelle<br />
1,55 V vom Typ SR920SW<br />
oder vergleichbaren Modellen<br />
(nicht im Lieferumfang enthalten)<br />
Die edle Herren-Armbanduhr „Geliebtes Deutschland“ erscheint ausschließlich bei<br />
The Bradford Exchange und ist nicht im Handel erhältlich. Ein Echtheits-Zertifi kat belegt<br />
die Authentizität Ihres Exemplars. Zeigen Sie, dass Sie Ihr Land lieben: reservieren<br />
Sie den Chronographen „Geliebtes Deutschland“ am besten gleich heute!<br />
Internet: www.bradford.de<br />
Nennen Sie bei Online-Bestellung bitte Ihre Referenz-Nummer: 73152<br />
Telefon: 069/1729-7<strong>900</strong><br />
Die Worte „Einigkeit<br />
und Recht und Freiheit”<br />
graviert auf dem<br />
Gehäuserand<br />
©2013 The Bradford Exchange Ltd. • Joh.-Friedrich-Böttger-Str. 1-3 • 63317 Rödermark