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CLAUSEWITZ Wie Günther Prien Scapa Flow bezwang (Vorschau)

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5/2014 September | Oktober €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Peenemünde: Was von<br />

der „V2-Schmiede“<br />

übrig blieb<br />

1939: U 47 versenkt HMS ROYAL OAK<br />

<strong>Wie</strong> <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> <strong>bezwang</strong><br />

Zweiter Golfkrieg<br />

1990: Kampf um die<br />

Freiheit oder ums Öl?<br />

Schrecken der Briten:<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, erfolgreicher<br />

Kommandant von U 47<br />

Weißenburg 1870<br />

Der blutige Auftakt zu<br />

Preußens Triumph<br />

Winston Churchill<br />

Hitlers härtester Feind<br />

MILITÄR & TECHNIK<br />

Militärlager im<br />

Feindesland:<br />

So schützten<br />

sich Roms<br />

Legionen


Legenden<br />

der Lüfte<br />

Jetzt am<br />

Kiosk!<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

vor 75 Jahren gelang <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und<br />

seinen Männern von U 47 in der Bucht<br />

von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einer der spektakulärsten<br />

militärischen „Coups“ der Marinegeschichte.<br />

<strong>Prien</strong>s U-Boot-Angriff traf<br />

die Seemacht England bis ins Mark:<br />

Nach der Versenkung des Schlachtschiffs<br />

„Royal Oak“ im Hauptstützpunkt<br />

der Royal Navy stand ganz Großbritannien<br />

regelrecht unter Schock.<br />

Der in Straßburg<br />

geborene<br />

Regisseur und<br />

Dramaturg Joachim<br />

Bartsch<br />

war sich sicher,<br />

dass die waghalsige<br />

Operation<br />

von <strong>Günther</strong><br />

<strong>Prien</strong> und<br />

seiner Besatzung<br />

von U 47 Stoff für ein spannendes<br />

Drehbuch liefert. Bei seinem im Jahr<br />

1958 uraufgeführten Kinofilm „U 47 –<br />

Kapitänleutnant <strong>Prien</strong>“ – führte der<br />

Österreicher Harald Reinl Regie. In<br />

dem viel beachteten Film spielt der<br />

Schauspieler Dieter Eppler den U-Boot-<br />

Kommandanten <strong>Prien</strong> als Soldat zwischen<br />

Auftrag und Gewissenskonflikt,<br />

während Joachim Fuchsberger den<br />

Oberleutnant zur See Birkeneck gibt.<br />

Darüber hinaus sind zahllose Buchveröffentlichungen<br />

zu <strong>Prien</strong>, U 47 und dem<br />

U-Boot-Angriff auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> erschienen.<br />

Und dennoch: Bis heute bleiben<br />

wichtige Fragen unbeantwortet. Welches<br />

Kriegsschiff fiel neben der „Royal<br />

Oak“ den Torpedos von <strong>Prien</strong> zum Opfer?<br />

Warum machte die britische Admiralität<br />

ein so großes Geheimnis aus<br />

den Ereignissen jener Schicksalsnacht<br />

im Oktober 1939?<br />

In unserer Titelgeschichte erfahren Sie<br />

alles über die Hintergründe, den Verlauf<br />

und die Folgen der waghalsigen<br />

Operation von U 47, dem wohl bekanntesten<br />

U-Boot des Zweiten Weltkriegs.<br />

Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

PS: Ab sofort gibt es<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> für alle<br />

Abonnenten auch kostenlos<br />

digital (derzeit<br />

nur auf iOS). Mehr dazu<br />

auf S. 7<br />

10. Folge<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Für Allah und den Propheten<br />

Die frühe Eroberungsphase des Islam im 7. und 8. Jahrhundert wird oft mit<br />

der Vorstellung von säbelschwingenden Reitern verbunden. Tatsächlich bilden<br />

zu jener Zeit die Fußkrieger das Rückgrat der arabischen Armeen.<br />

FAKTEN<br />

Zeit: 7./8. Jahrhundert<br />

Uniform: Kettenhemd, Schuppen- oder<br />

Lamellenpanzer, konischer Eisenhelm,<br />

Schwert, Rundschild, Turban, weite Hose<br />

(sirwal), lange Tunika, Übergewand (jubba)<br />

Hauptwaffe: Lanze oder Bogen<br />

Kampftaktik: Geschlossene Formation aus<br />

Lanzenkämpfern und Bogenschützen<br />

Wichtige Schlachten: Yarmuk 636, Siffin<br />

657, Poitiers 732<br />

Arabische Soldaten im Film: Mohammed –<br />

der Gesandte Gottes (1976)<br />

Die zunächst überwiegend aus Arabern<br />

und, etwas später, auch nordafrikanischen<br />

Berbern gebildeten frühislamischen<br />

Heere bestehen hauptsächlich aus mit Lanzen<br />

oder Bogen bewaffneten Fußkriegern. Die<br />

von der arabischen Stammesaristokratie gebildete<br />

Kavallerie stellt wegen des hohen Wertes<br />

der Pferde nur einen relativ geringen Anteil<br />

der Kämpfer dar. Dromedare dienen<br />

lediglich als Lasttiere und Transportmittel und<br />

spielen im Kampf keine Rolle mehr. In Bezug<br />

auf die Bewaffnung orientieren sich die Araber<br />

am Vorbild der vorherrschenden spätrömischbyzantinischen<br />

und der iranisch-sassanidischen<br />

Kultur. Qualitativ hochwertige Helme,<br />

Kettenhemden, Schuppen- beziehungsweise<br />

Lamellenpanzer und Schwerter stammen häufig<br />

aus dem Handel mit Byzanz, dem Iran sowie<br />

Indien. In der Regel bleibt diese kostbare<br />

Ausrüstung den Wohlhabenden vorbehalten.<br />

Ansonsten dienen unterschiedlich große<br />

Rundschilde aus Holz oder Leder dem Körperschutz.<br />

Die Bewaffnung wird durch Lanzen,<br />

Wurfspeere, Reflexbögen und meist relativ<br />

kurze, gerade, an einem Schultergurt getragene<br />

Schwerter gebildet. Der oft mit den Arabern<br />

assoziierte Säbel ist eine Waffe der türkischen<br />

Steppenvölker, und er erfährt erst ab<br />

dem 10. Jahrhundert in der islamischen Welt<br />

eine größere Verbreitung. Die allgemeine Verbesserung<br />

der Rüstung und Bewaffnung ändert<br />

sich schnell im Verlauf der siegreichen<br />

Feldzüge, durch die Unmengen von Beute,<br />

darunter natürlich auch Waffen und<br />

Pferde, in die Hände der Araber fallen.<br />

Die Kampftaktik der arabischen Eroberungsheere<br />

basiert auf einer<br />

festen, aus mit lanzenbewehrter Infanterie<br />

gebildeten Schlachtordnung,<br />

die als Ankerpunkt für den<br />

massiven Einsatz von Bogenschützen<br />

dient. Die oft nur leicht gepanzerte<br />

Kavallerie nimmt meist hinter<br />

der Infanterie oder an den Seiten<br />

Aufstellung, um von dort aus Flanken-<br />

oder Umgehungsangriffe auf einen bereits<br />

geschwächten Feind durchzuführen. In<br />

dieser frühen Phase kommt es vor großen<br />

Schlachten auch noch zu Duellen feindlicher<br />

Elitekämpfer. Mit der Eroberung des Iran und<br />

des westlichen Zentralasiens werden auch<br />

verstärkt schwere iranisch-türkische Panzerreiter<br />

sowie berittene Bogenschützen Teil der<br />

islamischen Heere, wodurch sich seit dem<br />

9. Jahrhundert deren Schwerpunkt auf die Kavallerie<br />

zu verlagern beginnt.<br />

IM KAMPF FÜR EIN ISLAMISCHES IMPERIUM:<br />

Dieser arabische Krieger des 7. Jahrhunderts<br />

ist Angehöriger der umayyadischen<br />

Infanterie (Garde-Einheit).<br />

Unter seinem Turban trägt er einen<br />

Helm, unter dem farbenprächtigen<br />

Gewand eine Kettenrüstung.<br />

Die bevorzugte Kampfposition<br />

dieses gut ausgerüsteten<br />

Soldaten<br />

befindet sich inmitten<br />

eines Schildwalls.<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

Clausewitz 5/2014


Inhalt<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

Titelthema<br />

<strong>Prien</strong>s „Paukenschlag“. ...........................................................................................................10<br />

Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />

Titelgeschichte<br />

Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

<strong>Prien</strong>s<br />

„Paukenschlag“<br />

14. Oktober 1939: Mit der<br />

Versenkung des Schlachtschiffs HMS<br />

ROYAL OAK gelingt Kapitänleutnant<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung<br />

von U 47 ein spektakulärer „Coup“<br />

gegen Englands Seemacht. Der<br />

Schock bei der Royal Navy und in<br />

ganz Großbritannien sitzt tief.<br />

Von Jörg-M. Hormann<br />

Verschollen im Atlantik. ......................................................................................................24<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>: Kommandant von U 47.<br />

Tödliche Torpedos. .............................................................................................................................28<br />

U 47 und die U-Bootwaffe 1939/40.<br />

RISKANTE OPERATION: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> an Bord von U 47. Das Boot läuft<br />

am 8. Oktober 1939 von Kiel zu einer streng geheimen Mission aus.<br />

IN GEHEIMER MISSION:<br />

Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47, wird<br />

vom Befehlshaber der Unterseeboote, Konteradmiral Karl Dönitz,<br />

zu Kriegsbeginn mit einer besonders riskanten Operation<br />

betraut. Das Ziel des geplanten U-Boot-Angriffs heißt: <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> – Hauptflottenstützpunkt der Royal Navy, Foto 1940/41.<br />

10<br />

11<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und die Besatzung<br />

von U 47 laufen im Oktober 1939<br />

zu einer riskanten Geheimmission<br />

gegen die Royal Navy aus.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher. .....................6<br />

Der Zeitzeuge<br />

Das historische Dokument. ..............................................................................32<br />

„Totenschein“ für den Deutschen Orden: Der Friede<br />

von Thorn 1411.<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

„Mit vereinten Kräften!“ ............................................................................................34<br />

Die Schlacht bei Weißenburg 1870 – Blutiger Auftakt<br />

im Krieg von 1870/71.<br />

Operation „Wüstensturm“. ..................................................................................38<br />

Kriegsgewitter am Persischen Golf 1990/91.<br />

Militärtechnik im Detail<br />

Das deutsche Kettenkraftrad HK 101. ..................................50<br />

Die kompakte „Zugmaschine“ der Wehrmacht.<br />

Militär und Technik<br />

Von der See an die Küste. ...................................................................................52<br />

Entwicklung und Aufgaben der Landungsboote<br />

von Bundes- und Volksmarine.<br />

4


Abb.: ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein<br />

Foto: Sammlung Mehl<br />

Foto: picture-alliance/Eventpress Hoensch<br />

Foto: Sammlung Kliem<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

*alle Angaben nach Gerhard Koop/Siegfried Breyer: Die Schiffe, Fahrzeuge<br />

und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute, Bonn 1996.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Morgen ohne besondere Beobach-<br />

Foto: Sammlung Kliem<br />

Abb.: Sammlung Mehl<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Clausewitz 5/2014<br />

Foto: picture alliance/AP Images<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />

Teuer erkaufter Sieg<br />

„Mit vereinten Kräften!“<br />

4. August 1870: Die Schlacht bei Weißenburg bildet den Auftakt im Deutsch-Französischen<br />

Krieg von 1870/71 und wird zu einer harten Bewährungsprobe für die erstmals<br />

gemeinsam kämpfenden deutschen Soldaten.<br />

Von Christian Bunnenberg<br />

ls die Soldaten des Königs-Grenadier- das Zentrum der französischen Stellungen mand. Es regnet schon die ganze Nacht.<br />

Regiments Nr. 7 am Vormittag des einbrechen und den Gegner dort werfen. Übermüdet und in durchnässten Uniformen<br />

4. August 1870 unweit der Stadt Weißenburg<br />

die französische Grenze überschrei-<br />

„mit fliegenden Fahnen und lautem Trom-<br />

gegen Frankreich vor. Was sie dort erwartet,<br />

Später wird es heißen, dass der Angriff rücken die preußischen Soldaten um 4:00 Uhr<br />

ten, stehen ihnen die Anstrengungen der letzten<br />

Tage bereits in die erschöpften Gesichter nigsgrenadiere“ aus Preußen zahlen bei die-<br />

Seit der Kriegserklärung des französimelschall“<br />

ausgeführt worden sei. Die „Kö-<br />

wissen weder sie noch ihre Kommandeure.<br />

geschrieben. Nur wenige hundert Meter sem Unternehmen den höchsten Blutzoll. schen Kaisers Napoleon III. an Preußen am<br />

westlich von ihnen liefern sich mehrere bayerische<br />

Bataillone seit Stunden ein erbittertes Nachmittag 329 Mann in der Schlacht bei für die norddeutschen Truppen ausgeführt.<br />

Aus ihren Reihen werden noch bis zum 19. Juli 1870 wird der Mobilmachungsplan<br />

Feuergefecht mit den Verteidigern der kleinen<br />

Grenzstadt. Und ebenso lange sehnen<br />

zu den sogenannten „Schutz- und Trutz-<br />

Weißenburg fallen.<br />

Auch die vier süddeutschen Staaten stehen<br />

diese Bayern eine Entlastung durch die preußischen<br />

Einheiten herbei. Deren Komman-<br />

Wenige Stunden zuvor: Kurz nach Mitter-<br />

die französische Grenze.<br />

Truppenaufmarsch<br />

bündnissen“ und entsenden ihre Soldaten an<br />

dierender General, Hugo von Kirchbach, gibt nacht, gegen 2:00 Uhr, brechen die preußischen<br />

Grenadiere das Biwak ab. In kleinen deutschen Truppen vor allem die Eisenbahn,<br />

In drei Armeen aufgegliedert nutzen die<br />

unmittelbar nach dem Eintreffen auf dem<br />

Schlachtfeld den Befehl für den Sturm auf die Gruppen stehen sie um die wenigen Feuer um in ihre Versammlungsräume zu gelangen.<br />

Ein besonderer Militärfahrplan ermög-<br />

Anhöhen im Süden Weißenburgs. Die Preußen<br />

sollen den Geisberg hinaufstürmen, in Abmarsch. Erholsam geschlafen hat nielicht<br />

es, innerhalb relativ kurzer Zeit mit 900<br />

zusammen und warten auf den Befehl zum<br />

ERFOLGREICH: Die preußisch-deutschen<br />

Truppen zwingen die Franzosen in<br />

der Grenzschlacht bei Weißenburg am<br />

4. August 1870 zum Rückzug.<br />

A<br />

34<br />

Zugfahrten rund 460.000 Mann<br />

sowie Waffen, Material und Pferde<br />

an die Grenzregion zu Frank-<br />

Weißenburg“ (Kronprinz<br />

BERÜHMT: „Der Held von<br />

reich zu transportieren. Dies Friedrich Wilhelm), Farblithographie<br />

von Carl Offterdinger.<br />

stellt eine lang vorbereitete logistische<br />

Meisterleistung dar.<br />

Schließlich stehen Anfang<br />

August 1870 die 1. Armee bei<br />

Saarlouis, die 2. Armee bei Böcklingen<br />

und Saarbrücken und die<br />

3. Armee bei Landau und erwarten<br />

den französischen Angriff.<br />

Doch dieser bleibt bis auf einen<br />

halbherzig gegen Saarbrücken<br />

geführten Vorstoß aus.<br />

Aus den Beobachtungen berittener<br />

Fernpatrouillen schließen<br />

die deutschen Kommandeure,<br />

dass sich ein Teil der französischen<br />

Verbände im Elsass<br />

aufhalten muss. Am Abend des<br />

3. August 1870 erhält die 3. deutsche<br />

Armee den Befehl, selbstständig<br />

den Grenzfluss Lauter in<br />

der Nähe von Weißenburg zu<br />

überschreiten und die Franzosen<br />

aus dem Elsass zurückzudrängen.<br />

Unter dem Kommando des<br />

Kronprinzen Friedrich Wilhelm<br />

von Preußen bereitet sich der<br />

gesamtdeutsche Heeresverband<br />

auf den Einmarsch nach Frankreich<br />

vor. In den frühen Morgenstunden<br />

des 4. August 1870<br />

marschieren drei Kolonnen auf<br />

Weißenburg zu. Das II. bayerische Korps nige Mühlen und kleinere Fabrikanlagen.<br />

nimmt den direkten Weg durch die südpfälzische<br />

Ortschaft Schweigen Richtung Weiten<br />

„Weißenburger Linien“ – ehemalige Fes-<br />

Die Gleise verlaufen entlang der sogenannßenburg<br />

mit dem Ziel, die französische tungsanlagen, die allerdings seit der französischen<br />

Revolution 1789 nicht mehr instand<br />

Stadt zu besetzen.<br />

gehalten wurden. Südlich der Lauter steigt<br />

Überraschte Franzosen<br />

das Gelände zum Geisberg hin ebenfalls<br />

Das V. preußische Korps folgt der Straße von wieder stark an. Ebendort, unweit des<br />

Schweighofen nach Altenstadt, während das gleichnamigen Schlosses, entdecken die<br />

XI. preußische Korps zunächst weiter westlich<br />

die Lauter durchwatet und sich dann selregens aus der Ferne ein größeres Heerla-<br />

bayerischen Soldaten trotz des leichten Nie-<br />

durch den Niederwald annähert. Die Verbände<br />

aus Baden und Württemberg stehen später werden die Bayern von einigen weniger<br />

der Franzosen. Nur wenige Minuten<br />

in der Nähe von Lauterburg, das I. bayerische<br />

Korps folgt mit einem Tagesmarsch Ab-<br />

nordafrikanischen Kolonien, die in den<br />

gen Turkos, leichten Infanteristen aus den<br />

stand. Angesichts der Gefahr eines größeren Weinberghügeln zwischen Schweigen und<br />

Gefechtes oder einer Schlacht ergeht vor Weißenburg lagern, beschossen. Meldereiter<br />

dem Abmarsch noch der mündliche Befehl, galoppieren zurück und melden, dass die<br />

dass sich die Kolonnen bei Bedarf unterstützen<br />

sollen.<br />

umliegenden Gehöfte von den Franzosen<br />

Stadt besetzt, die Tore verschlossen und die<br />

Um 8:00 Uhr erreichen die ersten Soldaten<br />

der bayerischen Vorhut die französische Diese Schüsse alarmieren auch die fran-<br />

zur Verteidigung eingerichtet seien.<br />

Grenze hinter Schweigen. Im Tal unter ihnen<br />

liegt Weißenburg. Die ehemalige Fesren<br />

Kommandeur, General Charles Abel<br />

zösischen Einheiten auf dem Geisberg. Detungsstadt<br />

umschließen Wall und Graben, Douay, ist von dem plötzlichen Auftauchen<br />

mitten hindurch fließt die Lauter. Südöstlich des Feindes völlig überrascht. Da die französischen<br />

Aufklärungseinheiten am der Stadt befinden sich der Kopfbahnhof, ei-<br />

frühen<br />

tungen zurückgekehrt waren, kann<br />

Douay die gegnerischen Soldaten<br />

nur schwer einschätzen. Er lässt die<br />

französischen Einheiten in Bereitschaft<br />

versetzen und schickt zwei<br />

weitere Bataillone Turkos und eine<br />

Batterie der Artillerie hinunter zur<br />

Stadt und an die Weißenburger Linien.<br />

Der General agiert zunächst<br />

vorsichtig und zurückhaltend. In<br />

Weißenburg und rund um den Geisberg<br />

stehen ihm nur etwa 5.000 Soldaten<br />

zur Verfügung. Im Gegensatz<br />

zu dem deutschen Aufmarsch<br />

kämpfen die Franzosen seit<br />

Kriegsbeginn mit verschiedenen<br />

Problemen. Während die<br />

Deutschen ihre Verbände<br />

möglichst geschlossen mit der<br />

Ausrüstung aus den Kasernen an<br />

die Grenze verlegen, gibt es in<br />

Frankreich 1870 keinen vorbereiteten<br />

Plan für den Aufmarsch.<br />

Berufssoldaten und Reservisten<br />

reisen in kleinen Einheiten in unausgelasteten<br />

Zügen durch das<br />

Land, während Waffen, Munition,<br />

Material und Verpflegung aus den<br />

Depots herangeschafft werden. Das<br />

alles zu koordinieren, stellt die französische<br />

Armee vor eine fast unlösbare<br />

Aufgabe. Und so fehlen General<br />

Douay am Morgen des 4. August<br />

1870 nicht nur Männer in den ihm<br />

zugeteilten Verbänden, sondern auch Verpflegung,<br />

Munition und sogar Karten.<br />

Übermächtige Angreifer<br />

Daher kann er zunächst nur abwartend beobachten,<br />

wie um 8:30 Uhr unter dem Schutz<br />

von eigenem Artilleriefeuer eine lange<br />

Schützenkette bayerischer Infanteristen auf<br />

Weißenburg zumarschiert. Dort haben die<br />

Verteidiger mittlerweile die alten Wälle besetzt<br />

und eröffnen ebenso wie die vor der<br />

Stadt eintreffenden Turkos das Feuer auf die<br />

Bayern. Weil die französischen Chassepotgewehre<br />

den deutschen Zündnadelgewehren<br />

in der Reichweite weit überlegen sind, können<br />

sich die wenigen französischen Kräfte<br />

erfolgreich gegen die Übermacht der Angreifer<br />

behaupten. Diesen geben die nachrückenden<br />

Einheiten allerdings die Gelegenheit,<br />

ihre starken Ausfälle auszugleichen.<br />

S.34<br />

Immer mehr Soldaten können ins Gefecht<br />

geworfen werden. Die bayerischen Angriffe<br />

auf die Tore der Stadt brechen wiederholt im<br />

dichten Abwehrfeuer der Verteidiger zusammen.<br />

Auch die Artillerie kann zunächst<br />

kaum etwas gegen die durchweichten Wälle<br />

der Stadt ausrichten.<br />

35<br />

1990: Der irakische Diktator Saddam Hussein wagt mit der<br />

Eroberung Kuweits einen riskanten Zug. Hält die arabische<br />

Welt zu ihm? <strong>Wie</strong> reagiert Israel? Und vor allem: Lassen ihn<br />

die USA gewähren?<br />

Von Peter Andreas Popp<br />

38<br />

D<br />

ie Augen der Welt sind auf das sich<br />

wiedervereinigende Deutschland gerichtet,<br />

als am 2. August 1990 irakische<br />

Truppen in Kuweit einfallen. Ihr Ziel besteht<br />

in der Vernichtung der staatlichen Existenz<br />

Kuweits, um das Land als 19. Provinz in den<br />

Irak einzugliedern. Saddam Hussein, brutaler<br />

Diktator des Irak seit 1979, glaubt dafür<br />

freie Hand zu haben: Sein Land ist seit dem<br />

Krieg mit dem Iran (Erster Golfkrieg von<br />

1980 bis 1988) beim Nachbarn tief verschuldet.<br />

Kuweit weigert sich, diese Schulden zu<br />

erlassen. Zudem prägen Grenzstreitigkeiten<br />

das beiderseitige Verhältnis. Saddam greift<br />

zu einer Methodik, die im 20. Jahrhundert bereits<br />

mehrfach mit unterschiedlichem Erfolg se drei Kriege in der Golfregion „fein säuberlich“<br />

voneinander getrennt betrachtet wer-<br />

praktiziert worden war: Durch Hitler-<br />

Deutschland und durch Japan in den 1930er- den? Auf der taktisch-operativen Ebene mag<br />

Jahren, durch China gegenüber Indien 1962 dies angehen, auf der politisch-strategischen<br />

im Kaschmir-Konflikt.<br />

Ebene hingegen nicht. <strong>Wie</strong> bereits erwähnt,<br />

Saddam Hussein sollte sich täuschen: endet der Zweite Golfkrieg mit einer Niederlage<br />

Saddams, aber nicht mit dessem Ende.<br />

Dieser Zweite Golfkrieg geht am 28. Februar<br />

1991 ganz anders zu Ende als erwartet, und Die Vereinten Nationen haben gegen den<br />

der Irak sollte danach nicht mehr derselbe Aggressor den Sieg davongetragen, wobei<br />

sein. Saddam regierte nach diesem Krieg die USA als Treuhänder agieren: Sie schmieden<br />

eine Allianz von 34 Staaten für die Ope-<br />

zwar noch weiter, aber seine totalitär orientierte<br />

Herrschaft endet bekanntlich mit dem ration „Desert Storm“ (Wüstensturm) zur<br />

Dritten Golfkrieg im Frühjahr 2003.<br />

Befreiung Kuweits.<br />

Und damit ist bereits ein methodisches Das ist nach der Epoche des Kalten Krieges<br />

etwas Neues: So wie Problem angerissen: Inwieweit können die-<br />

Hitler-Deutschland<br />

S.38<br />

DIE NACHT WIRD ZUM TAG: Dieses Bild wird in den Medien<br />

oft präsentiert, um die alliierte Luftherrschaft zu belegen.<br />

Es zeigt irakisches Flugabwehrfeuer und explodierende<br />

alliierte Bomben in Bagdad in den frühen Morgenstunden<br />

des 18. Januar 1991.<br />

39<br />

Militär und Technik | Landungsboote<br />

AN DER KÜSTE: Ein Landungsboot der<br />

„Robbe“-Klasse der Volksmarine. Gut zu<br />

erkennen sind die Flugabwehrgeschütze<br />

der Bordbewaffnung.<br />

Landungsboote von Bundes- und Volksmarine<br />

Von der See an die Küste<br />

1950er-Jahre: Beim Aufbau der Bundesmarine spielen Landungsboote eine wichtige Rolle.<br />

Auch in den Seestreitkräften der NVA werden sie seit 1960 eingeführt, um im Ernstfall<br />

an Küstenabschnitten des Gegners landen zu können.<br />

Von Eberhard Kliem<br />

U<br />

nerwartet schnell muss sich die 1949 lichkeit besonders auszunutzen und durch sich kaum mit einer Kriegführung dieser Art<br />

gegründete Bundesrepublik Deutschland<br />

mit der Frage eines eigenen milischen<br />

Front Kräfte zu binden und Unsicher-<br />

und Dänemark im Jahr 1940 waren durch<br />

(…) Landungen weit im Rücken der russi-<br />

beschäftigt. Die Landungen in Norwegen<br />

tärischen Beitrages an der Verteidigung Westeuropas<br />

beschäftigen. Dies zumindest erwarschriftfen<br />

durchgeführt worden. Und die geplante<br />

heit zu erzeugen“, so die Himmeroder Denk-<br />

Einlaufen und Absetzen der Truppen in Häten<br />

die ehemaligen Kriegsgegner USA und Es ist durchaus überraschend, dass in Invasion an der englischen Küste (Operation<br />

Großbritannien. Im Kloster Himmerod in der den westdeutschen Überlegungen ein relativ „Seelöwe“) wurde schließlich wieder fallengelassen.<br />

Auch der Bau und Einsatz von<br />

Eifel versammeln sich auf Einladung von umfangreiches amphibisches Element eingeplant<br />

ist. Die Kriegsmarine dagegen hatte mehreren Hundert Marinefährprahmen<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer im August<br />

1950 hochrangige Militärs, um erste Überlegungen<br />

und Gedanken zu entwickeln. Es entsteht<br />

die „Himmeroder Denkschrift“, in der FÜHRUNGSSCHIFF: Das Landungsboot<br />

L 750 KROKODIL der Bundesma-<br />

auch eine zukünftige deutsche Marine konzeptionell<br />

geplant wird. Auf dieser Grundlarine<br />

verfügt nach einem Umbau über<br />

einen besonderen Sanitätsbereich und<br />

ge werden in weiteren Denkschriften entsprechende<br />

Einzelheiten entwickelt. Mit der<br />

ein Hubschrauberlandedeck.<br />

Gründung der Bundeswehr am 12. November<br />

1955 wissen die verantwortlichen Marineoffiziere,<br />

dass sie eine Randmeermarine aufbauen<br />

müssen, deren Hauptaufgaben in der<br />

Ostsee und der Nordsee liegen werden.<br />

Von Beginn an sehen die planenden Offiziere<br />

einen Bestand von 36 Landungsfahrzeugen<br />

vor. Diese haben die Aufgabe, durch<br />

„Landungen die russische Flankenempfind-<br />

52<br />

MEHRZWECKLANDUNGSBOOT:<br />

Das in den 1960er-Jahren gebaute<br />

L 793 FELCHEN („Butt“-Klasse) der<br />

Bundesmarine.<br />

kriegsbereich nur schleppend weiterentwickelt.<br />

Dies ist aber nötig, denn schon vor<br />

Aufstellung des vorgesetzten Führungskommandos<br />

sind im fernen Charleston in den<br />

USA am 5. September 1958 vier ehemalige<br />

amerikanische Landungsboote LSM (Landing<br />

Ship, Medium) als „Eidechse“-Klasse<br />

(MFP) in der zweiten Hälfte des Weltkrieges Doch trotz „Rückenwind“ aus den Vereinigten<br />

Staaten läuft der organisatorische Rocket) als „Otter“-Klasse in Dienst gestellt<br />

und zwei LSMR (Landing Ship, Medium,<br />

1939–1945 hatte nicht dazu geführt, Einsatzund<br />

Führungsgrundsätze der amphibischen Aufbau der amphibischen Streitkräfte der worden. Im Dezember 1958 laufen sie in Wilhelmshaven<br />

ein und werden als 2. Lan-<br />

Kriegführung zu entwickeln.<br />

Bundesmarine unkoordiniert, improvisiert<br />

und meist ohne vorausschauende Planung dungsgeschwader geführt.<br />

Erste Überlegungen<br />

ab: Am 1. November 1958 wird zwar in Wilhelmshaven<br />

das „Kommando der Amphibi-<br />

Übungen und Manöver<br />

Dass die bundesdeutsche Marine einen anderen<br />

Weg beschritten hat, geht vermutlich schen Streitkräfte“ aufgestellt. Ihm unterstellt<br />

werden jedoch gleichzeitig die U-Bootorganisation<br />

und Verlegungen in andere<br />

Die folgenden Jahre sind geprägt von Um-<br />

auf US-amerikanische Initiative zurück. Die<br />

US-Marine hatte insbesondere im Kampf lehrgruppe (ULG), die sich um den Aufbau Standorte, aber auch von eifriger Manövertätigkeit<br />

mit dem Ziel, eindeutige Führungs-<br />

gegen Japan die amphibische Kriegführung der zukünftigen deutschen Unterseebootflotte<br />

kümmern muss, außerdem ein Küstenund<br />

Einsatzgrundlagen zu erlangen.<br />

zu einer den Krieg entscheidenden Bedeutung<br />

entwickelt. Auch die alliierte Invasion umschlagbataillon, ein Seebataillon und andere<br />

artverwandte Einheiten.<br />

kriegführung innerhalb der Einsatzkonzep-<br />

Langsam gewinnt die amphibische See-<br />

in Frankreich im Juni 1944 wäre ohne einen<br />

entsprechenden Beitrag der USA undenkbar<br />

gewesen.<br />

ser für die Bundesmarine neuartige Seeordneten<br />

NATO-Kommandobehörden an<br />

Es verwundert somit nicht, dass sich dietion<br />

der Bundesmarine und auch der überge-<br />

TECHNISCHE DATEN „Butt”-Klasse<br />

NEUE KONS-<br />

Typ<br />

„Butt“-Klasse*<br />

TRUKTION:<br />

Länge<br />

40,0 m<br />

S.52<br />

Seiten- und<br />

Breite<br />

8,81 m<br />

Aufriss eines<br />

Tiefgang<br />

2,10 m<br />

Landungsbootes<br />

Verdrängung<br />

k.A.<br />

der in den 1960er-<br />

Beladung sechs mil. Fahrzeuge od. drei Leopard-Panzer<br />

Jahren in Hamburg<br />

Bewaffnung 2 x 20 mm, Minenbeladung (bis zu 50 Ex.)<br />

(Howaldtswerke)<br />

Besatzung 15–21<br />

gebauten „Butt“-<br />

Klasse.<br />

53<br />

Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />

Alexander Newski gegen den Deutschen Orden<br />

Vernichtungsschlacht<br />

auf dem Eis<br />

1242: Auf dem zugefrorenen Peipussee trifft der Deutsche Orden auf Kämpfer der Stadt<br />

Nowgorod. <strong>CLAUSEWITZ</strong> präsentiert Bewaffnung und Ausrüstung der beiden Armeen.<br />

eit dem 10. Jahrhundert versuchen Missionare,<br />

das Christentum auch an der ten ausgreift.<br />

Goldene Horde – mongolische Reiterscha-<br />

wodurch deren Machtbereich weit nach Oslen,<br />

aus dem Süden und Osten stürmt die<br />

südlichen Ostseeküste zu verbreiten. Im Auch die skandinavischen Königreiche ren – heran.<br />

frühen 13. Jahrhundert werden die Ritter des Dänemark und Schweden unternehmen in In ihrer Angst berufen die Nowgoroder<br />

Deutschen Ordens vom Kaiser und dem den 1230er-Jahren militärische Vorstöße an Alexander Newski zurück, der sich zunächst<br />

Papst mit der Besiedlung des Pruzzenlandes die livländisch-lettische Küste, werden aber den Heeren des Ordens entgegenstellt. Am<br />

im Kulmer Land beauftragt. Innerhalb kürzester<br />

Zeit festigen die Brüder ihre Herrschaft gewählten Fürsten der Handelsmetropole zur entscheidenden Schlacht. Das Heer des<br />

1240 durch Alexander Jaroslawitsch, dem 5. April 1242 kommt es auf dem Peipussee<br />

mit einer Kette von Burgen und errichten einen<br />

schnell aufblühenden Staat.<br />

Doch im selben Jahr vertreiben die Kaufleu-<br />

Hermann I. von Dorpat besteht aus kaum<br />

Nowgorod an der Newa, schwer geschlagen. Ordens unter dem Befehl des Fürstbischofs<br />

Eine zweite christliche Hochburg stellt te den erfolgreichen Heerführer, der nun den mehr als 1.800 Bewaffneten, worunter sich<br />

das 1201 errichtete Bistum von Riga dar. Mit Beinamen „Newski“ angenommen hat. Kurz noch viele ehemalige Schwertbrüder, dänische<br />

Ritter und Truppen des Rigaer Bischofs<br />

dem wenig später gegründeten Schwertbrüderorden<br />

verfügt auch der Bischof über ei-<br />

Deutschritter die Stadt Pskov beim Peipus-<br />

befinden. Alexander verfügt über 3.000 bis<br />

darauf besetzt eine kleine Armee der<br />

nen militärischen Arm. Doch nachdem die see. Für die orthodoxen Nowgoroder zeichnen<br />

sich jetzt zwei Gefahren ab. Aus dem Druschina, seiner eigenen schwer bewaffne-<br />

4.000 Mann der Nowgoroder Miliz und der<br />

Schwertbrüder 1237 in der Schlacht bei<br />

Schaulen aufgerieben werden, schließen sich Westen nähern sich ihnen Heere, die den römisch-katholischen<br />

Glauben verbreiten wolnem<br />

Angriff der Ordensstreitmacht in Keilten<br />

Leibgarde. Die Schlacht beginnt mit ei-<br />

die Reste des Ordens den Deutschrittern an,<br />

formation auf das russische Fußvolk, welches<br />

sich nahe der Insel Rabenstein postiert<br />

hat. Die Wucht der Attacke drängt die<br />

Nowgoroder vom zugefrorenen See auf die<br />

Insel zurück. Die Pferde der Ritter haben<br />

Probleme, die steilen Hänge zu erklimmen.<br />

In diesem Moment umgeht Alexanders Reiterei<br />

die Ordensarmee und greift sie in der<br />

Flanke und von hinten an. Die Nowgoroder<br />

Armee umzingelt ihren Feind und macht ihn<br />

nieder. Nur wenige Ordensritter können entkommen.<br />

Dass die schweren Reiter wie in<br />

Sergej Eisensteins Film „Alexander Newski“<br />

(1938) auf dem Eis des Sees eingebrochen<br />

sein sollen, wird heute als Mythos betrachtet.<br />

Noch im selben Jahr schließen der Orden<br />

und Nowgorod ein Friedensabkommen,<br />

welches die Narwa zum Grenzfluss zwischen<br />

beiden bestimmt. Der weiteren Ostexpansion<br />

des Ordens ist damit dauerhaft ein<br />

Riegel vorgeschoben. <strong>CLAUSEWITZ</strong> rekonstruiert<br />

auf den folgenden Seiten detailliert<br />

die Kontrahenten, die bei der Schlacht auf<br />

dem Peipussee aufeinanderprallen…<br />

GUT GERÜSTET: Nur ein geringer Teil des deutschen Fußvolkes ist so gut bewaffnet<br />

wie dieser Speerträger. Neben dem schweren Kettenhemd trägt er einen Helm mit Maskenvisier,<br />

der zu dieser Zeit zunehmend vom Topfhelm verdrängt wird. Außerdem verfügt dieser<br />

Texte und historische Recherche zu den<br />

Fußsoldat über ein Falchion, ein einschneidiges Schwert, das (vermutlich) besonders von Zeichnungen: Alexander Querengässer<br />

der Infanterie verwendet wird.<br />

Zeichnungen: Sascha Lunyakov<br />

S<br />

58<br />

IMPOSANT: Die Form<br />

des Helms dieses Ritters<br />

geht auf Abbildungen aus der<br />

sogenannten Kreuzfahrerbibel<br />

zurück, die vermutlich um<br />

1245 in Frankreich entstand.<br />

Die aufwendige Helmzier<br />

wurde im Kampf wahrscheinlich<br />

nicht getragen.<br />

S.58<br />

59<br />

Spurensuche<br />

Feldherren<br />

BIOGRAPHISCHE DATEN Winston Churchill (1874–1965)<br />

Heeresversuchsanstalt Peenemünde<br />

Zentrum der<br />

Raketenforschung<br />

3. Oktober 1942: Die Flüssigkeitsgroßrakete mit der<br />

Bezeichnung „Aggregat 4“ verlässt den Prüfstand VII<br />

der Heeresversuchsanstalt und stößt in den<br />

Weltraum vor. Mit dem Beginn des Raketenzeitalters<br />

erreicht der Krieg eine<br />

neue Dimension.<br />

Von Tammo Luther<br />

1874: Churchill wird am 30. November in Woodstock<br />

(England) geboren<br />

1916: Abgeordneter<br />

1915: Frontoffizier<br />

1881–1892: Besuch verschiedener Internate 1917–1918: Munitionsminister<br />

1893–1895: Kadett in Sandhurst<br />

1918–1921: Kriegs- und Luftfahrtminister<br />

1895–1899: Leutnant im 4. Husarenregiment, 1924: Wechsel zu den Konservativen<br />

nimmt an Feldzügen in Kuba, Indien und im Sudan<br />

teil<br />

1929–1939: Kein politisches Amt<br />

1924–1929: Schatzkanzler<br />

1899–1900: Kriegsberichterstatter im Burenkrieg 1939: 1. Lord der Admiralität<br />

1900: Wird als Konservativer Mitglied des Unterhauses<br />

Premier- und Verteidigungsminister<br />

1940–1945: Parteiführer der Konservativen und<br />

1904: Übertritt zur Liberalen Partei<br />

1945–1951: Oppositionsführer<br />

1908–1910: Handelsminister<br />

1951–1955: Premierminister<br />

1910–1911: Innenminister<br />

1953: Nobelpreis für Literatur<br />

1911–1915: 1. Lord der Admiralität<br />

(24.<br />

1965: Churchill stirbt in London<br />

Januar)<br />

AUF DEM FREIGELÄNDE: Modell einer V1 des<br />

Historisch-Technischen Museums Peenemünde,<br />

im Hintergrund das Kraftwerk der ehemaligen<br />

Versuchs- und Erprobungsanstalten.<br />

SYMBOLHAFT: Der britische<br />

Premierminister Churchill verbreitet<br />

im Kriegsjahr 1943 lächelnd<br />

Optimismus mit dem<br />

„Victory“-Zeichen.<br />

M<br />

it der später als „Vergeltungswaffe 2“<br />

(V2) bezeichneten Fernrakete steht<br />

dem „Dritten Reich“ ab der Serienfertigung<br />

im Sommer 1944 eine Waffe zur<br />

Verfügung, für die es zu dieser Zeit keine<br />

wirksame Abwehrmöglichkeit gibt. Insgesamt<br />

mehr als 3.000 V2-Raketen werden bis<br />

Ende März 1945 auf Ziele in England, Belgien,<br />

Holland und Frankreich abgefeuert. Ihre<br />

tödliche Wirkung fordert Tausende von<br />

Opfern unter der Zivilbevölkerung der betroffenen<br />

Länder.<br />

Zehn Jahre zuvor: Mitte der 1930er-Jahre Errichtung von Unterkünften für die Bauarbeiter<br />

der Forschungsstelle von Heer und<br />

ist das Fischerdorf Peenemünde im Nordwesten<br />

der Ostsee-Insel Usedom eine 450- Luftwaffe.<br />

Seelen-Gemeinde und besteht aus weniger Der erste Spatenstich für die künftige<br />

als 100 Häusern und einer Dorfschule. Heeresversuchsanstalt und die Erprobungsstelle<br />

der Luftwaffe Peenemünde wird im<br />

Mit der Idylle der weitgehend unberührten<br />

Naturlandschaft ist es seit 1936 vorbei. August 1936 gesetzt.<br />

Die Umgestaltung der moor- und grundwasserreichen<br />

Gegend in ein militärisches Sperr-<br />

Suche nach einem passenden Areal für die ge-<br />

Dem Baubeginn ging eine mehrmonatige<br />

gebiet beginnt. Am Anfang steht die Erschließung<br />

des unwegsamen Terrains durch von Raketeningenieur Wernher von Braun,<br />

plante Anlage voraus. Nach einem Hinweis<br />

den Bau von Straßen und Gleisen sowie der dessen Vater passionierter Jäger war und der<br />

seinem Sohn einst von der Abgeschiedenheit Reichsarbeitsdienstes (RAD), an<br />

des Peenemünder Hakens erzählt hatte, entschieden<br />

sich die zuständigen Militärs stalt in Peenemünde. Nach 1939<br />

der Errichtung der Versuchsan-<br />

schließlich für den Standort auf Usedom. kommt eine wachsende Zahl<br />

Die Heeresversuchanstalt im brandenburgischen<br />

Kummersdorf hatte sich für die und Häftlinge aus den Konzen-<br />

ausländischer Zwangsarbeiter<br />

intensive Fernraketenforschung und -erprobung<br />

als ungeeignet erwiesen.<br />

Die Bewohner Peenemüntrationslagern<br />

hinzu.<br />

Seit Sommer 1936 bis zum Ausbruch des des mussten unterdessen ihr Dorf verlassen.<br />

Zwar wird ihnen eine Entschädigung<br />

Krieges im September 1939 arbeiten etwa<br />

10.000 Arbeiter, darunter ein Großteil Angehörige<br />

der Organisation Todt (OT) und des Alteingesessenen<br />

zuteil, doch der Abschied fällt gerade den<br />

schwer.<br />

S.64<br />

ABGEHOBEN: Start einer A4-Rakete (V2)<br />

auf dem Versuchsgelände<br />

Peenemünde, vermutlich 1943.<br />

Winston Churchill<br />

Mit eisernem Willen<br />

8. Mai 1945: Winston Churchill ist am Ziel. Als erbitterter Widersacher Hitlers und des NS-<br />

Staates trägt der für seinen starken Willen und besonderen Ehrgeiz bekannte britische<br />

Premierminister großen Anteil am alliierten Sieg über das „Dritte Reich“. Von Stefan Krüger<br />

IN SOWJETISCHER BEGLEITUNG: Churchill<br />

nutzt eine Pause während der Potsdamer<br />

Konferenz im Sommer 1945 für einen Abstecher<br />

in die Ruine der zerstörten Neuen<br />

Reichskanzlei in der Berliner Voßstraße.<br />

S.76<br />

64<br />

65<br />

76<br />

Bildstrecke<br />

Entscheidungsschlacht<br />

auf dem Peipussee. ...........................................................................................................58<br />

Alexander Newski gegen den Deutschen Orden 1242.<br />

Spurensuche<br />

Zentrum der Raketenforschung. ..........................................................64<br />

Die Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom.<br />

Titelfotos: ullstein bild – Heinrich Hoffmann; ullstein bild – Süddeutsche Zeitung<br />

Photo/Scherl; picture alliance/Mary Evans Picture Library ; picture-alliance/akg-images;<br />

ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein; picture alliance/Everett Collection;<br />

picture-alliance/Arco Images GmbH<br />

Militär und Technik<br />

Das römische Militärlager. .................................................................................70<br />

Antikes Meisterwerk der Technik und Logistik.<br />

Feldherren<br />

Mit eisernem Willen. .......................................................................................................76<br />

Der britische Premier- und Kriegsminister Winston Churchill:<br />

sein Aufstieg und sein erbitterter Kampf gegen Hitler<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ........................................................................................................................82<br />

Titelbild: U-Boot-Kommandant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> auf dem Turm von U 47, mit dem er in die<br />

Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> eindrang, erschienen in „Berliner Illustrirte Zeitung“ 44/1939.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

5


Magazin<br />

AUSSTELLUNGSTIPP<br />

„Sommer Vierzehn“<br />

Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zeigt<br />

eine einzigartige Rauminszenierung mit Panoramaprojektion<br />

Soldaten mit Gasmasken<br />

in einem Schützengraben,<br />

um 1916.<br />

Foto: Museen der Stadt<br />

Nürnberg, Dokumentationszentrum<br />

Reichsparteitagsgelände<br />

Dem Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100<br />

Jahren widmet das Dokumentationszentrum<br />

Reichsparteitagsgelände vom<br />

29. Juni bis zum 11. November 2014 eine ungewöhnliche<br />

Sonderschau unter dem Titel:<br />

„Sommer Vierzehn – Die Geburt des Schreckens<br />

der Moderne”.<br />

Die aufwendig gestaltete Rauminszenierung<br />

mit Panoramaprojektion soll den Betrachter<br />

an die Schrecken des industriellen Maschinenkriegs<br />

erinnern.<br />

Der Kontrast zu der im Rohbau verbliebenen<br />

Halle des NS-Baus „Kongresshalle“ könnte<br />

größer nicht sein, wähnt man sich doch parallel<br />

in einem der beliebten Strandcafés der<br />

Gegenwart: Liegestühle in weißem Sand und<br />

ein paar Strandkörbe, ein hölzerner Laufsteg.<br />

Allerdings begeben sich die Besucher in ein<br />

ebenso einladendes wie bedrohliches Szenario.<br />

Jenseits des Stegs verwandelt sich ein Getreidefeld<br />

in ein Schlachtfeld: niedergetretener<br />

Weizen, hastig aufgestellte Maschinengewehre,<br />

aufgewühlte Erde bestückt mit Kriegsschrott.<br />

Mit Schaudern wendet sich der Betrachter<br />

ab, in Sorge darüber, was in der von<br />

den Kämpfen geschundenen Erde noch alles<br />

zu erwarten ist.<br />

Wellen branden an den sommerlichen<br />

Strand, ein Kind spielt im Vordergrund.<br />

Schnell vergisst man bei dem Blick auf ein fast<br />

40 Meter breites filmisches Meerespanorama<br />

die über den Köpfen schwebenden Granaten<br />

und das von der Decke hängende, 36 Meter<br />

lange Rohr einer Fernkanone. Plötzlich fallen<br />

Schüsse. Sie reißen die Besucher aus der Vision<br />

der sommerlichen Idylle. Diese Mischung<br />

zwischen Zuversicht und Irritation, Schönheit<br />

und Schrecken kennzeichnet die ganze Inszenierung<br />

und das folgende Filmerlebnis. „Die<br />

Geburt des Schreckens der Moderne" läuft als<br />

mehrteiliges Drama ab. Die 30-minütige<br />

Rauminszenierung soll daran erinnern, dass<br />

die zunächst in sommerlicher Unbeschwertheit<br />

schnell verhallenden Schüsse von Sarajevo<br />

im Juni 1914 ein risikoreiches diplomatisches<br />

Ränkespiel in einem militärisch hochgerüsteten<br />

Europa auslösten.<br />

Dem hoffnungsvollen Aufbruch in einen<br />

schnell und siegreich beendeten Krieg folgte<br />

die rasche Ernüchterung im industriell geprägten<br />

Krieg der Maschinen mit Millionen<br />

von Opfern.<br />

Hinweis:<br />

Die 30-minütige Inszenierung beginnt Mo.–Fr.<br />

zwischen 10 und 17 Uhr, Sa. & So. zwischen 11<br />

und 17 Uhr jeweils zur vollen Stunde. Gruppen<br />

ab 15 Personen werden unter Tel. 0911/231 56 66<br />

um Anmeldung gebeten.<br />

Nähere Informationen:<br />

www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum<br />

Foto: Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Stefan Meyer<br />

ENGLISCHSPRACHIGES<br />

„Escape to the Legion“<br />

Grundausbildung der Fremdenlegion im TV<br />

Was passiert, wenn man eine<br />

Handvoll Männer in die Sahara<br />

zur „Grundausbildung“ der<br />

Fremdenlegion schickt? Der Survival-Experte<br />

und Ex-SAS-Reservist<br />

Bear Grylls will es im Jahr 2005 wissen<br />

und begleitet die Gruppe in ein<br />

Wüstenfort, in dem drei ehemalige<br />

Fremdenlegionäre als Ausbilder<br />

warten. Die „Rekruten“ werden<br />

physisch und psychisch stark beansprucht<br />

und an die Grenzen ihrer<br />

Leistungsfähigkeit<br />

gebracht. Natürlich<br />

können drei<br />

Ex-Legionäre in einem<br />

TV-Camp nicht eine völlig realistische<br />

Fremdenlegionsausbildung<br />

bieten. Aber auch die Grundausbildung<br />

„light“ hat es in sich!<br />

Nicht alle halten bis zum Ende<br />

durch. Die vierteilige Reihe bietet<br />

gute Unterhaltung und vermittelt<br />

zumindest eine Ahnung vom Ablauf<br />

einer Grundausbildung. Das<br />

Niveau der Produktion liegt über<br />

dem deutscher „Reality-Shows“.<br />

Besonders interessant sind die eingeschnittenen<br />

Interviews mit Veteranen<br />

der Legion, die Einblicke in<br />

das Funktionieren der Einheit, die<br />

Mentalität und die Eigendynamik<br />

Populär: Der englische Abenteurer<br />

Edward „Bear“ Grylls (1974<br />

geboren, im Bild bei einer PR-Aktion<br />

2014) ist auch hierzulande<br />

durch verschiedene TV-Serien bekannt.<br />

2005 verschlägt es ihn in<br />

die Wüste Nordafrikas in ein Trainingscamp<br />

der Fremdenlegion.<br />

Foto: picture-alliance/empics<br />

innerhalb einer Gruppe unter Belastung<br />

geben. „Escape to the Legion“<br />

ist eine kurzweilige Einstimmung<br />

auf das nächste CLAUSE-<br />

WITZ Spezial „Fremdenlegion“.<br />

Alle Teile sind in einem großen Videoportal<br />

im Internet vorhanden<br />

(Stand Juli 2014).<br />

6


Foto: picture-alliance/dpa©dpa Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

BUNDESWEHR<br />

„Multitool der Marine“<br />

Seebataillon der Deutschen Marine aufgestellt<br />

Soldaten des neu aufgestellten Seebataillons mit ihrer Ausrüstung.<br />

In Eckernförde (Schleswig-Holstein) wurde<br />

am 1. April 2014 nach 1959 und 1988<br />

das mittlerweile dritte Seebataillon der<br />

Bundeswehr aufgestellt. Der bis zu 800<br />

Männer und Frauen umfassende Verband<br />

besteht aus vier Einsatzkompanien: Bordeinsatzkompanie,<br />

Küsteneinsatzkompanie,<br />

Aufklärungskompanie und Minentaucherkompanie.<br />

Hinzu kommt der Bereich Stab,<br />

Ausbildung, Weiterentwicklung und eine<br />

Unterstützungskompanie.<br />

Insbesondere bei internationalen Einsätzen<br />

zur Krisenbewältigung, Konfliktverhütung<br />

und Friedenssicherung befinden sich Einheiten<br />

der Deutschen Marine weltweit im Einsatz.<br />

Dabei gehört die Sicherung von Seewegen<br />

ebenso zu den Aufgaben wie etwa der<br />

Schutz von Schiffen und Häfen sowie Hilfs-,<br />

Rettungs- und Evakuierungseinsätze. Hinzu<br />

kommen die Bekämpfung von Kampfmitteln<br />

unter Wasser und an Land und der Schutz gegen<br />

terroristische Angriffe. Oft sind die Einsätze<br />

so speziell, dass sie künftig<br />

nur von dem Seebataillon durchgeführt<br />

werden können.<br />

Soldaten der Marineinfanterie<br />

werden gesondert geschult und<br />

unterstützen zivile Schiffe bei<br />

der Abwehr von Piratenangriffen.<br />

Genauso können sie zur Sicherung<br />

von Hafenanlagen eingesetzt<br />

werden. Minentaucher übernehmen<br />

vor allem die Aufgaben der<br />

Kampfmittelabwehr. Hingegen<br />

sammeln die Aufklärungskräfte<br />

wichtige Informationen im Einsatzland<br />

und werten diese aus.<br />

Da sich der neu aufgestellte Verband aus<br />

unterschiedlichen Bestandteilen zusammensetzt,<br />

sind „tailored missions“ (dt.: maßgeschneiderte<br />

Einsätze) möglich. Aufgrund der<br />

vielen Fähigkeiten und der Vielseitigkeit der<br />

Aufträge des Verbandes trägt er den Spitznamen<br />

„Multitool der Marine“.<br />

Fregattenkapitän Arne Krüger (re.) bei einer Zeremonie<br />

in Eckernförde. Er übernimmt das Kommando über das<br />

neue Seebataillon.<br />

„Mögen die Federn der Diplomaten<br />

nicht wieder verderben,<br />

was das Volk mit großen<br />

Anstrengungen errungen!“<br />

Gebhard Leberecht von Blücher, genannt<br />

„Marschall Vorwärts“, nach der Schlacht von<br />

Waterloo (Belle-Alliance) 1815<br />

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www.clausewitz-magazin.de/epaper<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll<br />

visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und<br />

Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Soldaten der Roten Armee ziehen 1941<br />

durch eine Straße Moskaus, ausgerüstet mit<br />

Panzerbüchsen (zu den russischen Panzerbüchsen<br />

gehören z.B. die PTRD oder Simonow PTRS-41).<br />

Die Waffen mit relativ hoher Durchschlagskraft<br />

und Reichweite werden auch gegen Bunker,<br />

MG-Stellungen und ähnliche Ziele eingesetzt.<br />

Heute: Das im Mittelalter gegründete Moskau ist<br />

eine gigantische Millionenmetropole des 21.<br />

Jahrhunderts und Hauptstadt der Russischen<br />

Föderation. Moskau, das auch als „Drittes Rom“<br />

und „Heldenstadt“ (nach dem Zweiten Weltkrieg)<br />

bezeichnet wird, ist das wirtschaftliche, kulturelle<br />

sowie politische Zentrum Russlands.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Clausewitz 5/2014<br />

7


Clausewitz<br />

Magazin<br />

MUSEUMSTIPP<br />

Burg und Festung Regenstein<br />

In Fels gehauene Wehranlage als Freilichtmuseum<br />

70<br />

Jahre ist es her, dass Claus Graf<br />

Schenk von Stauffenberg in der Nacht<br />

vom 20. auf den 21. Juli 1944 im Hof<br />

des Berliner Bendlerblocks hingerichtet<br />

wurde. Einen Tag zuvor war ein von<br />

Stauffenberg und seinem Adjutanten<br />

Werner von Haeften durchgeführtes Attentat<br />

auf Adolf Hitler in dessen Führerhauptquartier<br />

„Wolfsschanze“ in Ostpreußen<br />

misslungen. Stauffenberg wurde<br />

36 Jahre alt, von Haeften starb im<br />

Alter von 35 Jahren.<br />

Die markanten Reste der erstmals 1169 erwähnten<br />

Burganlage befinden sich auf einem weithin<br />

sichtbaren Felssporn unweit der Stadt Blankenburg<br />

im Harz. Die aus dem Sandstein herausgearbeitete<br />

Architektur mit ihren heute noch erhaltenen<br />

mehr als 30 Felsräumen und Gräben, die größtenteils<br />

besichtigt werden können, gilt als Besonderheit.<br />

Im Mittelalter verfügte die Anlage über zahlreiche<br />

Gebäude, vier Toranlagen und sieben Türme.<br />

Archäologisch nachgewiesen sind Warmluftheizungen<br />

an mehreren Stellen und eine etwa 20 Meter<br />

tiefe Zisterne. Die ältesten Funde stammen aus<br />

dem frühen 11. Jahrhundert. Der Regenstein war<br />

vom 12. bis 15. Jahrhundert Herrschaftsmittelpunkt<br />

der gleichnamigen Grafschaft.<br />

Im 15. Jahrhundert ist der Regenstein zugunsten<br />

Blankenburgs und Derenburgs aufgegeben worden.<br />

Nach fast zweihundertjährigem Verfall und Abbruch<br />

besetzten im späten 17. Jahrhundert Truppen<br />

Kurbrandenburgs infolge eines Territorialstreites<br />

Panis militaris – Das römische Militärbrot<br />

Blick auf den inneren Teil des „Regensteins“<br />

bei Blankenburg im Harz.<br />

Foto: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv<br />

die alte Residenz. In relativ kurzer Bauzeit wurde eine<br />

Bergfestung mit fünf Hauptbastionen und mehreren<br />

Gebäuden, darunter Magazin- und Zeughäuser<br />

und Wirtschaftshäuser, errichtet sowie ein fast<br />

200 Meter tiefer Brunnen und mehrere Toranlagen<br />

angelegt.<br />

Unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm<br />

I. wurde die Festung weiter ausgebaut. Nach<br />

der Beendigung einer französischen Besatzung<br />

während des Siebenjährigen Krieges sind die Festungsgebäude<br />

1758 zerstört worden. Die gemauerten<br />

Bastionen und Erdwerke sowie die mächtige<br />

Toranlage sind jedoch noch gut sichtbar.<br />

Heute ist die ausgedehnte Anlage als Freilichtmuseum<br />

gestaltet und zugänglich.<br />

Öffnungszeiten:<br />

April bis Oktober: täglich von 10 bis 18 Uhr<br />

November bis März: mittwochs bis sonntags<br />

10 bis 16 Uhr<br />

Bei schlechtem Wetter bleibt die Anlage<br />

geschlossen.<br />

Die Legionäre sind zahlreichen Strapazen<br />

ausgesetzt. Dazu gehören marschieren,<br />

kämpfen und die Arbeit mit Spitzhacke und<br />

Spaten (vgl. den Artikel zum römischen Militärlager).<br />

Ein grundlegender „Treibstoff“<br />

für die hart arbeitenden Soldaten ist das berühmte<br />

Legionärsbrot. Wer eine kulinarische<br />

Zeitreise in die Antike antreten<br />

möchte, kann dies<br />

nun tun:<br />

Die Hefe mit warmem<br />

Wasser und 1 EL Honig ansetzen<br />

und etwa eine Viertelstunde<br />

gehen lassen. Danach<br />

Mehl, 1 EL Salz und Dinkel<br />

zur Hefe geben und ordentlich<br />

vermischen. Den so entstandenen<br />

Teig abermals gute 15 Minuten ziehen<br />

lassen. Jetzt den Teig gut kneten und daraus<br />

einen (möglichst dünnen!) Brotfladen<br />

formen. Den Fladen ein weiteres Mal 15 Minuten<br />

gehen lassen und dann im Ofen bei 230<br />

Grad zehn Minuten backen. Bei ausgeschaltetem<br />

Ofen das Brot nachbräunen lassen.<br />

Militärbackofen: In den befestigten<br />

Lagern müssen<br />

viele Legionäre satt gemacht<br />

werden, die großen<br />

Öfen können daher eine<br />

entsprechende Menge an<br />

Brot produzieren. Der<br />

Durchmesser eines Militärbrotes<br />

ist zudem größer als<br />

die zivile Version (bis knapp<br />

über 30 cm Durchmesser).<br />

Zutatenliste<br />

- 2 Hefewürfel<br />

- Honi g<br />

- Sal z<br />

- 500 g Di nkel<br />

(gemahl en) - al -<br />

ternativ geht<br />

auch Wei zen<br />

- 500 g Roggenmehl<br />

Abenteuerlustige können das Brot auch<br />

auf einer offenen Feuerstelle zubereiten. Auf<br />

Ziegelsteinen wird ein kräftiges Holzkohlefeuer<br />

entfacht. Wenn die Steine heiß sind,<br />

Glut und Asche entfernen, den Brotfladen<br />

auflegen und mit einer flachen Tonschüssel<br />

bedecken (aufpassen, dass die Asche nicht<br />

mit dem Teig in Berührung kommt). Anschließend<br />

die Glut und die Asche über die<br />

Schüssel häufen. Bei dieser Methode ist natürlich<br />

ein wenig Übung notwendig. Die<br />

simple Mahlzeit ist gesund, nahrhaft und –<br />

für das Militär besonders wichtig – transportabel.<br />

Genauere Einblicke sind zu finden<br />

in: Marcus Junkelmann: Panis militaris. Die Ernährung<br />

des römischen Soldaten oder der<br />

Grundstoff der Macht. Mainz 2006.<br />

Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Bildnachweis: picture alliance / Mary Evans Picture Library<br />

8


4/2014 JULI | AUGUST €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />

BUCHTIPP<br />

Rastatter Frieden 1714<br />

Packende Publikation zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges<br />

Vor 300 Jahren beendete der Rastatter Frieden<br />

(mit den Verträgen von Utrecht und Baden)<br />

einen Konflikt, der mehr als eine Dekade<br />

andauerte: Von 1701–1714 wütete der Spanische<br />

Erbfolgekrieg als innereuropäischer<br />

Machtkampf. Hiram Kümper hat im vorliegenden<br />

Buch die Geschichte dieses frühneuzeitlichen<br />

Großkonfliktes verständlich dargestellt.<br />

Er liefert allerdings keine detaillierten<br />

Schlachtenbeschreibungen auf taktisch-operativer<br />

Ebene, es geht vielmehr um die Einbettung<br />

des Vertragswerkes in das damalige Umfeld<br />

und seinen Rang als Stabilisator – Kümper<br />

betrachtet den Krieg nicht isoliert, sondern als<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Zu „Napoléon III. als Mörder“ in<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> 3/2014:<br />

Der vom Hinrichtungskommando<br />

erschossene Erzherzog Maximilian<br />

Joseph Maria von Österreich wurde<br />

als Sohn von Erzherzog Franz<br />

Karl, dem jüngeren Sohn von Kaiser<br />

Franz I., und Prinzessin Sophie<br />

von Bayern in <strong>Wie</strong>n geboren. Er<br />

war der jüngere Bruder von Kaiser<br />

Franz Joseph aus dem Haus Habsburg.<br />

Während der Mexikanischen Interventionskriege<br />

wurde er von<br />

1864 bis 1867 auf Betreiben Kaiser<br />

Napoléons III. von Frankreich<br />

als Kaiser von Mexiko inthronisiert.<br />

Der französische Kaiser Napoléon<br />

III. wollte in Mexiko ein militärisch<br />

und wirtschaftlich an Frankreich<br />

angelehntes Reich begründen. Seit<br />

1861 hatte er dort bereits mit<br />

Truppen interveniert, weil Mexiko<br />

(unter seinem Präsidenten Benito<br />

Juárez) sowohl den spanischen<br />

Gesandten wie auch den päpstlichen<br />

Legaten des Landes verwiesen<br />

hatte. Benito Juárez hatte die<br />

Zahlungen der 82 Mio. US-Dollar<br />

Schulden, die von den Europäern<br />

gefordert wurden, für zwei Jahre<br />

eingestellt.<br />

Vor der Erschießung versicherte<br />

Maximilian den Soldaten, dass sie<br />

nur ihre Pflicht täten, steckte ihnen<br />

Goldmünzen zu und ersuchte sie<br />

darum, genau zu zielen und sein<br />

Gesicht zu schonen, damit seine<br />

Mutter seinen Leichnam identifizieren<br />

könne. Der einbalsamierte<br />

Leichnam Maximilians wurde auf<br />

Clausewitz 5/2014<br />

der Novara durch<br />

Vizeadmiral Wilhelm<br />

von Tegetthoff<br />

nach Triest<br />

gebracht. Von dort<br />

wurde er im Galatrauerwagen<br />

des<br />

Hofes nach <strong>Wie</strong>n<br />

„Kontinuum innerhalb<br />

einer Staatengeschichte<br />

Europas“. Das opulent<br />

aufgemachte Buch besticht<br />

neben den spannenden<br />

Texten durch<br />

zahlreiche Bilder, Kupferstiche,<br />

Stammtafeln<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Clausewitz<br />

Vabanquespiel Schlieffenplan:<br />

Tscherkassy 1944<br />

Ausbruch aus Marne 1914<br />

dem Kessel<br />

Spartas Ruhm<br />

480 v. Chr.: Schlacht<br />

bei den Thermopylen<br />

Spurensuche<br />

in<br />

Wilhelmshaven<br />

Seit 150 Jahren<br />

Marinehafen<br />

Fieseler Fi 103 V1<br />

Hitlers „Wunderwaffe“<br />

überführt, wo er am 18. Januar<br />

1868 in der Kapuzinergruft beigesetzt<br />

wurde.<br />

Édouard Manet malte „Die Erschießung<br />

Kaiser Maximilians von<br />

Mexiko“ als eine Art Berichterstatter<br />

mehrmals (1867 bis 1869). In<br />

der ersten Fassung (Museum Boston)<br />

hat das Erschießungskommando<br />

noch mexikanische Uniformen<br />

an, in der Mannheimer<br />

Fassung, die die Serie abschließt,<br />

wird von Gardisten in französischer<br />

Uniform geschossen.<br />

Thomas Pelzl, per E-Mail<br />

Zu „Militärtechnik im Detail“ in<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> 4/2014:<br />

Im Heft 4/2014 <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

schreiben Sie im Artikel über das<br />

Kleinst-U-Boot „Seehund" (Seiten<br />

40/41), dass dieses zwar über einen<br />

Propellerschutz, aber nicht<br />

über ein Tiefenruder verfügte.<br />

Das ist aber falsch, der „Seehund“<br />

verfügte über ein Hecktiefenruder,<br />

Kleinst-U-Boot „Seehund“: Gefährliche Verzweiflungswaffe<br />

Schreiben Sie an:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

Vielschichtig: Der Spanische<br />

Erbfolgekrieg ist ein<br />

höchst komplexer Großkonflikt.<br />

Abb.: BadnerBuch-Verlag<br />

und Karten. Zudem gibt es das Vertragswerk<br />

im französischen Original und einer deutschen<br />

Übersetzung. Eine lehrreiche Lektüre über eine<br />

fesselnde Phase europäischer Geschichte.<br />

Hiram Kümper: Rastatter Frieden. Rastatt 1714.<br />

Der Janustempel wird geschlossen. Rastatt 2014.<br />

dieses ist auch auf Ihrer<br />

Abbildung zu erkennen.<br />

Spätere Baulose<br />

hatten ein Kastenruder<br />

und ein verbessertes<br />

Tiefenruder.<br />

Wolfgang Krüger, per E-<br />

Mail<br />

Zum Magazinteil von <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

4/2014:<br />

<strong>Wie</strong> immer ist es erstaunlich, wie<br />

viele interessante Beiträge Sie<br />

schaffen.<br />

Dass sich Ungenauigkeiten einschleichen,<br />

ist da einfach möglich.<br />

Die Endhöhe der Siegessäule ist<br />

erst 1938/39 bei der Umsetzung<br />

vom Platz vor dem Reichstag auf<br />

den „Großen Stern“ entstanden.<br />

Hinzugefügt wurde dabei eine vierte<br />

„Trommel", deren Einzelhöhe<br />

mir leider nicht bekannt ist. Albert<br />

Speer musste m. E. die Proportionen<br />

etwas verändern.<br />

M. Frenzel, per E-Mail<br />

In eigener Sache<br />

In Ausgabe 4/2014 wird auf S. 56<br />

„Rowlands Gill“ fälschlicherweise<br />

als bürgerlicher Name von Chris<br />

Ryan angegeben. Es handelt sich<br />

dabei aber um dessen Geburtsstadt<br />

im Nordosten Englands.<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />

behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />

Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />

Fundiert recherchiert,<br />

packend erzählt!<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

Jetzt am<br />

Kiosk!


Titelgeschichte<br />

Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

<strong>Prien</strong>s<br />

„Paukenschlag“<br />

10


14. Oktober 1939: Mit der<br />

Versenkung des Schlachtschiffs HMS<br />

ROYAL OAK gelingt Kapitänleutnant<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung<br />

von U 47 ein spektakulärer „Coup“<br />

gegen Englands Seemacht. Der<br />

Schock bei der Royal Navy und in<br />

ganz Großbritannien sitzt tief.<br />

Von Jörg-M. Hormann<br />

RISKANTE OPERATION: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> an Bord von U 47. Das Boot läuft<br />

am 8. Oktober 1939 von Kiel zu einer streng geheimen Mission aus.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

IN GEHEIMER MISSION:<br />

Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47, wird<br />

vom Befehlshaber der Unterseeboote, Konteradmiral Karl Dönitz,<br />

zu Kriegsbeginn mit einer besonders riskanten Operation<br />

betraut. Das Ziel des geplanten U-Boot-Angriffs heißt: <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> – Hauptflottenstützpunkt der Royal Navy, Foto 1940/41.<br />

Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

Clausewitz 5/2014<br />

11


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

TÖDLICHE WAFFE:<br />

Drei „Aale“ sind am 14. Oktober 1939 gegen 1:00 Uhr von<br />

U 47 verschossen, doch nur einer detoniert. Der vierte Torpedo<br />

steckt im Rohr fest. In dieser gefährlichen Situation<br />

wird ein neuer Anlauf gefahren, im Rekordtempo von knapp<br />

20 Minuten sind zwei Rohre nachgeladen, der Rohrläufer<br />

wird gängig gemacht. Der tödliche Fächer für die ROYAL<br />

OAK wird auf den Weg geschickt. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

12


Waghalsiges Unternehmen<br />

FAKTEN<br />

Deutsches Reich<br />

U-Bootwaffe der Kriegsmarine<br />

Nach dem deutsch-britischen Flottenabkommen<br />

vom 18. Juni 1935 werden dem Deutschen<br />

Reich Seestreitkräfte zugebilligt, deren<br />

Stärke in einem bestimmten Verhältnis<br />

zur Royal Navy und den Flotten des Empire<br />

steht. Bei den U-Booten gesteht man<br />

Deutschland 45 Prozent zu und lässt die<br />

Möglichkeit offen, auf 100 Prozent zu gehen.<br />

Deutschlands Kriegsmarine ist bei<br />

Kriegsbeginn 1939 mit 57 U-Booten, auf<br />

sechs Flottillen verteilt, ausgerüstet.<br />

U 47 gehört zu den 22 atlantikfähigen<br />

U-Booten der Kriegsmarine, die ab September<br />

1939 für Fernunternehmungen eingesetzt<br />

werden können. U-Boote des Typs VII B<br />

entstehen seit der 2. Hälfte der 1930er-Jahre<br />

bis 1940 bei der Germaniawerft in Kiel.<br />

Mit U-Booten vom Typ VII B werden während<br />

des Zweiten Weltkriegs bedeutende<br />

Versenkungserfolge erzielt. Ihren Anfang<br />

nimmt die vom Gegner gefürchtete „Erfolgsserie“<br />

dieses Bootstyps mit dem Überraschungsangriff<br />

von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

13


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

BITTERES ENDE:<br />

Nach der Torpedierung durch U 47 am frühen Morgen des<br />

14. Oktober 1939 kentert das Schlachtschiff HMS ROYAL OAK<br />

und nimmt 833 Mann mit in ihr nasses Grab. <strong>Prien</strong>s Überraschungsangriff<br />

auf den Flottenstützpunkt <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> zählt zu den<br />

schwärzesten Momenten in der Geschichte der Royal Navy. Auf<br />

der zeitgenössischen Illustration einer Zeitschrift kentert die<br />

ROYAL OAK allerdings zur falschen Seite. Abb.: ullstein bild – ullstein bild<br />

14


Schlag gegen die Royal Navy<br />

FAKTEN<br />

Großbritannien<br />

Marinestützpunkt <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> der Royal Navy<br />

Eingerahmt von felsigen Inseln bietet die Bucht<br />

von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> im Norden Großbritanniens den<br />

dort liegenden Schiffen seit Jahrhunderten natürlichen<br />

Schutz. Im deutschen Marinebewusstsein<br />

manifestiert sich der traditionsreiche Liegeplatz<br />

der „Grand Fleet“ im Jahr 1919 als Internierungs-<br />

und Selbstversenkungsplatz der<br />

Kaiserlichen Hochseeflotte.<br />

Fortan ist <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> ein besonderer Ort<br />

nicht nur in der britischen, sondern auch in der<br />

deutschen Marinegeschichte. Nach dem überraschenden<br />

Eindringen von U 47 in den durch eine<br />

Vielzahl von Minen-, Netz- und Blockschiffsperren<br />

stark gesicherten Hauptflottenstützpunkt<br />

der Royal Navy im Oktober 1939 sollte diese<br />

Aussage in noch viel stärkerem Maße zutreffen.<br />

<strong>Prien</strong>s mit größter Präzision vorbereiteter,<br />

frühzeitiger „Paukenschlag“ bedeutet einen<br />

schweren Schlag für die Royal Navy und ist im<br />

ersten Kriegsjahr ein Schock für ganz Großbritannien.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

15


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

KOLOSS AUS STAHL: Voll ausgerüstet liegt<br />

die Wasserverdrängung von HMS ROYAL OAK<br />

bei 35.000 Tonnen. Das Schlachtschiff ist<br />

rund 189 Meter lang und fast 32 Meter breit,<br />

1.198 Mann Besatzung sind an Bord.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

16


Über das Kriegsgeschehen vom 14. Oktober<br />

1939 bei den Orkney-Inseln an<br />

der schottischen Nordküste diskutieren<br />

Fachleute bis heute zum Teil sehr kontrovers,<br />

denn einige Fragen sind auch nach 75<br />

Jahren immer noch nicht beantwortet.<br />

Fest steht jedoch: Zu Beginn des Zweiten<br />

Weltkrieges sollen beim U-Boot-Einsatz der<br />

Kriegsmarine in erster Linie Erfolge gegen<br />

feindliche Kriegsschiffe erzielt werden, da<br />

der uneingeschränkte Einsatz von U-Booten<br />

gegen die Handelsschifffahrt aus politischem<br />

Kalkül von Hitler nicht gewollt ist.<br />

Der „Führer“ hofft auf ein – allerdings illusorisches<br />

– Einlenken der Engländer und<br />

will den US-Amerikanern keinen Anlass bieten<br />

– ähnlich wie im Fall der 1915 torpedierten<br />

„Lusitania“ – in den Krieg einzutreten.<br />

Gewagte Operationsplanung<br />

Daher richtet sich der U-Boot-Einsatz zunächst<br />

nur gegen Kriegsschiffe. Über seine<br />

Operationsplanungen eines U-Boot-Angriffs<br />

gegen den britischen Hauptmarinestützpunkt<br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> berichtet später der damalige<br />

Konteradmiral und Befehlshaber der<br />

Unterseeboote (B.d.U.) Karl Dönitz: „Seit<br />

Kriegsbeginn trug ich mich immer wieder<br />

mit dem Gedanken, eine U-Boot-Operation<br />

gegen <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> anzusetzen. Die Erinnerung<br />

an das Scheitern der beiden derartigen<br />

Unternehmungen des Kapitänleutnants von<br />

Hennig und des Oberleutnants zur See<br />

Emsmann im Ersten Weltkrieg sowie ihre<br />

GESTOCHEN SCHARF: Luftbild eines Luftwaffenaufklärers. An der Schiffsperre zwischen der<br />

Insel Lamb Holm und der Hauptinsel Mainland dringt U 47 auf nördlichem Kurs nach <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> ein und kommt auf der südlichen Route aus dem „Mauseloch“ wieder heraus.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

großen seemännischen und navigatorischen<br />

Schwierigkeiten ließen mich jedoch davon<br />

Abstand nehmen.“ Die Schwierigkeiten einer<br />

solchen Operation liegen vor allem in<br />

den außergewöhnlichen Stromverhältnissen<br />

kommt, nur sieben Seemeilen in der Stunde<br />

beträgt und das nur für beschränkte Zeit,<br />

wird jedes Boot unter Wasser zum „Spielball“<br />

der Strömung. Weiterhin muss davon<br />

ausgegangen werden, dass die Eingänge zur<br />

„Als die ,Royal Oak’ im August 1939 in<br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einlief, fiel mir auf, dass die<br />

Sperrmaßnahmen anscheinend nicht so sicher<br />

waren wie im Ersten Weltkrieg.“<br />

Captain R. F. Nichols, RN, Erster Offizier der HMS ROYAL OAK,<br />

in seinem Augenzeugenbericht aus dem Jahr 1968<br />

B.d.U.: Der Befehlshaber der Unterseeboote<br />

Admiral Karl Dönitz (1891–1980) spricht zu<br />

einer U-Boot-Besatzung der Kriegsmarine.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

um die Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> herum. Zum<br />

Beispiel erreicht die Strömung im Pentland<br />

Firth eine Stärke von zehn Seemeilen in der<br />

Stunde. Da die höchste Unterwassergeschwindigkeit<br />

eines U-Bootes vom Typ VII B,<br />

das für das riskante Unternehmen in Frage<br />

wichtigsten Flottenbasis der Royal Navy,<br />

durch Netz-, Minen- und Balkensperren sowie<br />

durch Blockschiffe unter weitgehender<br />

Bewachung gesperrt sind. Die in diesen Dingen<br />

erfahrene englische Admiralität und der<br />

Flottenchef der Heimatflotte („Home Fleet“)<br />

Clausewitz 5/2014<br />

17


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

GEFÜRCHTET: <strong>Prien</strong>s U 47, hier mit an Deck<br />

angetretener Besatzung, erzielt bis zum Frühjahr<br />

1941 zahlreiche Versenkungserfolge.<br />

Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst<br />

KARTE<br />

Der Weg von U 47 in die Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

13./14.10.1939<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

werden alles unternehmen – besonders vor<br />

dem Hintergrund der deutschen Eindringversuche<br />

von 1914 und 1918 – den Liegeplatz<br />

der englischen Flotte zu sichern.<br />

Wichtige Luftaufklärung<br />

Karl Dönitz bemerkte weiter zu dem Vorhaben:<br />

„Eine solche Operation schien also das<br />

kühnste aller kühnen Eindring-Unternehmen<br />

zu sein. Ich entsinne mich, dass ich, diese<br />

Frage prüfend, eines Tages wieder einmal<br />

vor der <strong>Scapa</strong>-Karte saß. Da fiel mein Blick<br />

auf den operativen Admiralstabsoffizier<br />

meines Stabes, den Kapitänleutnant Victor<br />

Oehrn, einem Mann von einer außergewöhnlichen<br />

Konzentriertheit im Wesen und<br />

Denken. Oehrn sagte zu mir aus der Überzeugungskraft<br />

seiner festen Art heraus: ‚Ich<br />

glaube, es wird sich doch eine Möglichkeit<br />

des Eindringens finden lassen.’ Dieser Ausspruch<br />

meines urteilsfähigen Admiralstabsoffiziers<br />

war für mich der letzte Anstoß, die<br />

Frage <strong>Scapa</strong> nun mit aller Gründlichkeit anzupacken.“<br />

Schon mit Beginn der Feindseligkeiten<br />

1939 werden von der Seekriegsleitung alle<br />

greifbaren Informationen über <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

zusammengetragen und in einer Ausarbeitung<br />

dem B.d.U. vorgelegt. In ihr sind alle<br />

vermuteten Sperren in den verschiedenen<br />

Eingängen zur <strong>Scapa</strong>-Bucht beschrieben. Am<br />

11. September 1939 liefert die Luftaufklärung<br />

der 2. Luftflotte als wertvolle Ergänzung<br />

noch Luftaufnahmen, die die schweren und<br />

leichten Seestreitkräfte in der <strong>Scapa</strong>-Bucht<br />

zeigen. Ferner gibt der Kommandant von<br />

U 16, Kapitänleutnant Horst Wellner, der bei<br />

den Orkneys operiert, wertvolle Informationen<br />

über die dortige Bewachung, die Befeue-<br />

18


Riskante Operation<br />

rung und die Stromverhältnisse. Er hält ein<br />

Eindringen nach <strong>Scapa</strong> durch den Hoxa<br />

Sund (auch: Sound) bei zufällig offener Sperre<br />

für möglich.<br />

Doch das reicht dem B.d.U. für seine Entscheidung<br />

nicht aus. Er lässt nochmals alle<br />

Sperren und Zugänge zur <strong>Scapa</strong>-Bucht von<br />

den Aufklärern der Luftwaffe fotografieren.<br />

Am 26. September hat er die ersehnten Luftbildaufnahmen<br />

auf dem Tisch. Dönitz entdeckt<br />

die Lücke, nach der er gesucht hat. Der<br />

Holm Sund ist ausschließlich durch zwei<br />

quer im Fahrwasser des Kirk Sundes liegende,<br />

anscheinend versenkte Dampfer, und ein<br />

an der Nordseite liegendes Schiff gesperrt.<br />

Südlich derselben klafft bis zum Lamb<br />

Holm in sieben Meter Tiefe eine Lücke von<br />

etwa 17 Metern Breite bis zum flachen Wasser.<br />

Auch nördlich der versenkten Sperrdampfer<br />

existiert eine kleine Lücke.<br />

ANGETRETEN: Gemeinsam mit Generalleutnant<br />

Kurt Renner schreitet <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />

eine Ehrenformation des Heeres ab.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Die Wahl fällt auf <strong>Prien</strong><br />

Karl Dönitz äußert sich zu seinem Entschluss:<br />

„…hier hielt ich ein Eindringen<br />

nachts über Wasser bei Stauwasser ohne<br />

Weiteres für möglich. Die Hauptschwierigkeit<br />

lag auf navigatorischem Gebiet. Ich entschloss<br />

mich, den Versuch des Eindringens<br />

machen zu lassen. Meine Wahl fiel auf Kapitänleutnant<br />

<strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47.<br />

Er hatte nach meiner Ansicht die für die Unternehmung<br />

erforderlichen soldatischen Eigenschaften<br />

und seemännischen Fähigkeiten.<br />

Ich gab ihm die Unterlagen für den Plan<br />

und stellte ihm frei, den Auftrag anzunehmen<br />

oder abzulehnen. Seine Entscheidung<br />

wollte ich nicht vor Ablauf von 48 Stunden<br />

WEIT VERBREITET: Deckel des Taktikspiels<br />

„Mit ,<strong>Prien</strong>’ gegen England“ aus dem<br />

Jahr 1940/41, das während der Zeit des<br />

„Dritten Reiches“ Einzug in unzählige deutsche<br />

Haushalte gefunden hat.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

Clausewitz 5/2014<br />

19


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

haben. <strong>Prien</strong> nahm nach gründlichem Studium<br />

der Operationsunterlagen und reiflicher<br />

Überlegung an.“<br />

Jetzt erst informiert der Befehlshaber der<br />

Unterseeboote den Oberbefehlshaber der<br />

Kriegsmarine Großadmiral Erich Raeder in<br />

Berlin durch eine persönliche und allein<br />

mündliche Meldung. Größte Geheimhaltung<br />

ist oberstes Gebot für die äußerst riskante<br />

Operation.<br />

Ruhe vor dem Sturm<br />

Für blasenfreie Torpedolaufbahnen werden<br />

G7e-Torpedos an Bord genommen. Ihr batteriegespeister<br />

Elektroantrieb zeigt über Wasser<br />

keine Blasenspur wie bei den pressluftbetriebenen<br />

Torpedos. Am 8. Oktober 1939<br />

läuft <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> mit U 47 und 40 Mann<br />

Besatzung aus Kiel aus, fährt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal<br />

(heute: Nord-Ostsee-Kanal)<br />

und steht am 12. Oktober östlich der Orkney<br />

Islands.<br />

Um seinen Männern vor dem Angriff etwas<br />

Ruhe zu verschaffen, lässt Kapitänleutnant<br />

<strong>Prien</strong> sein Boot tagsüber auf den Grund<br />

der Nordsee herabsinken. In diesen Stunden<br />

wird vom Motorenpersonal ein kleinerer<br />

Schaden an einem der Dieselmotoren repariert.<br />

Nach dem Auftauchen am Abend läuft<br />

U 47 auf die Küsten zu, um seinen Schiffsort<br />

HINTERGRUND<br />

U-Boot-Krieg 1939<br />

Die britische Kriegserklärung an das Deutsche<br />

Reich am 3. September 1939 überrascht<br />

die deutsche Kriegsmarine in ihren<br />

Aufrüstungsplanungen. Hitlers Zusage gegenüber<br />

der Marine, keinen Krieg mit England<br />

vor Mitte der 1940er-Jahre zu beginnen,<br />

ist vom Tisch. Nun macht sich Bestürzung<br />

bei der Kriegsmarineführung breit.<br />

Nicht einmal die durch das Flottenabkommen<br />

von 1935 zugestandenen Schiffsmengen<br />

der verschiedenen Kriegsschiff-Klassen<br />

stehen zur Verfügung. Sie müssen erst noch<br />

gebaut werden. Die U-Boot-Waffe fährt mit<br />

57 U-Booten, von denen nur 22 atlantikfähig<br />

zu bestimmen. Diese Orientierung liest sich<br />

im Kriegstagebuch von U 47, verfasst vom<br />

Kommandanten, wie folgt: „…auf die Küste<br />

zugelaufen. Von 22.00 bis 22.30 Uhr sind die<br />

Engländer so freundlich, mir die gesamte<br />

Küstenbefeuerung einzuschalten, sodass ich<br />

genauesten Schiffsort bekomme.<br />

Gespenstische Atmosphäre<br />

Obwohl seit Auslaufen aus Weg I keine Besteckmöglichkeit<br />

mehr bestand, so dass nur<br />

Koppelung und Lotung gefahren wurde,<br />

stimmte der Schiffsort auf 1,8 Seemeilen genau.“<br />

sind, in den Krieg. „…aber von diesen Booten<br />

würden jeweils nur durchschnittlich fünf<br />

bis sieben U-Boote am Feind sein können.<br />

Die harte Wirklichkeit bewies später, dass<br />

diese Zahl sogar einmal auf nur zwei U-Boote<br />

herabsank“, erklärte Karl Dönitz später in<br />

seinen Erinnerungen.<br />

Bei Beginn der Feindseligkeiten sind die<br />

U-Boot-Kommandanten bei Angriffen auf die<br />

Handelsschifffahrt durch eine Reihe von besonderen<br />

Befehlen in ihrem Handeln eingeschränkt.<br />

Erst durch die Aufhebung dieser<br />

Befehle, Zug um Zug, ergibt sich später der<br />

uneingeschränkte U-Boot-Krieg<br />

Nochmals geht es um 04:37 Uhr für gut<br />

zwölf Stunden auf Grund in 90 Metern Tiefe<br />

mit Ruhe im Boot. Nach dem Wecken und<br />

Frühstück beginnen um 17:00 Uhr die Angriffsvorbereitungen<br />

– dies bedeutet: Torpedos<br />

in Schnellladestellung vor die Rohre I<br />

und II platzieren und das Anbringen von<br />

Sprengkörpern bei den relevanten Stellen für<br />

den Fall einer Sprengung. Chronisten berichten<br />

von hervorragender Stimmung bei der<br />

Besatzung, und nach einem warmen Abendessen<br />

steigt die Spannung im Boot. Aufgetaucht<br />

beginnt der Marsch zum Holm Sund<br />

ab 19:15 Uhr. Nach kurzem Wegtauchen vor<br />

IM HAFEN: Ende Oktober 1939 wird<br />

U 47 nach dem Einsatz in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

in die Germaniawerft in Kiel verholt.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

20


DER „STIER“ VON SCAPA FLOW: Noch<br />

während der Rückfahrt in der Nordsee malt<br />

Oberleutnant Engelbert Endraß, 1. Wachoffizier<br />

auf U 47, den „schnaubenden Stier“ mit<br />

Ölfarbe an die Turmseiten. Das Maling wird<br />

nach der Versenkung des Bootes zum Wappen<br />

der 7. U-Boot-Flottille.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

einem Dampfer taucht U 47 um 23:31 Uhr<br />

wieder auf und fährt mit einlaufendem<br />

Strom in den Holm Sund hinein.<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> beschreibt seine Eindrücke:<br />

„Die Sicht ist ganz übel. Unter Land ist<br />

alles dunkel, hoch am Himmel ist das flackernde<br />

Nordlicht, sodass die Bucht, die von<br />

ziemlich hohen Bergen umgeben ist, direkt<br />

von oben beleuchtet wird. Gespenstisch wie<br />

Theaterkulissen stehen die Sperrschiffe in<br />

den Sunden.“<br />

Beim Näherkommen ist der im Skerry<br />

Sund versenkte Dampfer sehr gut zu sehen<br />

Clausewitz 5/2014<br />

In der Höhle des Löwen<br />

und <strong>Prien</strong> glaubt schon im Kirk Sund zu stehen<br />

und darauf zu zulaufen. Obersteuermann<br />

Wilhelm Spahr stellt anhand seiner<br />

Kopplung ein zu frühes Andrehen fest. Doch<br />

auch <strong>Prien</strong> erkennt seinen Fehler, und mit<br />

hartem Andrehen nach Steuerbord ist U 47<br />

wenige Augenblicke später im Kirk Sund.<br />

Dann geht alles sehr schnell. Dazu <strong>Prien</strong> im<br />

Kriegstagebuch: „Es bewährt sich jetzt, dass<br />

ich die Karte vorher auswendig gelernt habe,<br />

denn die Durchfahrt geht mit unglaublicher<br />

Geschwindigkeit vor sich. Ich hatte mich inzwischen<br />

entschlossen, im Norden die Sperrschiffe<br />

zu passieren. Mit 270 Grad wird der<br />

Zweimastschoner, der mit Kurs 315 Grad vor<br />

der eigentlichen Sperre liegt, auf 15 Meter<br />

Abstand passiert. Im nächsten Augenblick<br />

wird das Boot vom Strom erfasst und nach<br />

Steuerbord gedreht. Gleichzeitig wird die im<br />

Winkel von 45 Grad nach vorn zeigende Ankerkette<br />

des nördlichen Sperrschiffes erkannt.<br />

Mit Backbord-Maschine stopp, Steuerbord-Maschine<br />

langsam voraus und hart<br />

Backbord Ruder dreht das Boot zunächst<br />

sehr langsam, berührt Grund. Die vorgefluteten<br />

Tauchbunker und Zellen werden ausgeblasen,<br />

das Boot dreht weiter. Das Heck<br />

berührt noch die Ankerkette, Boot ist frei,<br />

wird nach Backbord herumgerissen und<br />

lässt sich nur mit harten, schnellen Maßnahmen<br />

wieder auf Kurs bringen, aber wir sind<br />

in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>!“<br />

Torpedos jagen los<br />

Es ist 00:27 Uhr am 14. Oktober 1939 und widerlich<br />

hell, wie die Brückenbesatzung später<br />

berichtet. Die ganze Bucht ist fabelhaft zu<br />

übersehen. Südlich Cava liegen keine Schiffe.<br />

Bald ist das Bewachungsschiff beim Hoxa<br />

Sund zu sehen. In den nächsten Sekunden<br />

müsste U 47 für die Bewacher zur Zielscheibe<br />

werden. Also macht <strong>Prien</strong> kehrt und wendet<br />

sich der Küste von Mainland zu, an der<br />

entlang er nach Norden läuft. Es ist zwar<br />

„Seit Kriegsbeginn trug ich mich immer wieder<br />

mit dem Gedanken, eine U-Boot-Operation gegen<br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> anzusetzen…ihre großen seemännischen<br />

und navigatorischen Schwierigkeiten<br />

ließen mich jedoch davon Abstand nehmen.“<br />

Großadmiral Karl Dönitz in seinen Lebenserinnerungen<br />

„10 Jahre und 20 Tage“ aus dem Jahr 1958.<br />

stockdunkel, aber das flimmernde Nordlicht<br />

lässt die Brückenbesatzung zwei hintereinander<br />

liegende Schlachtschiffe und weiter<br />

unter Land Zerstörer vor Anker eindeutig erkennen.<br />

Der Angriff wird im Kriegstagebuch<br />

wie folgt geschildert: „…Angriff auf die bei-<br />

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21


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

BEJUBELT: Auf der Fahrt ins Berliner Hotel kann sich die Wagenkolonne kaum einen Weg bahnen. Alle wollen die „U-Boot-Helden“ von<br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> sehen.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

den Dicken. Abstand 3.000 Meter. Eingestellte<br />

Tiefe 7,5 Meter. Aufschlagzündung. Ein<br />

Schuss auf den nördlichen, zwei Schuss auf<br />

den südlich liegenden losgemacht. Es detoniert<br />

nach gut dreieinhalb Minuten ein Torpedo<br />

an dem nördlich liegenden Schlachtschiff.<br />

Von den anderen beiden ist nichts zu<br />

sehen! Kehrt! Heckschuss…“<br />

Auch dieser bleibt ohne Wirkung. Irgendetwas<br />

stimmt mit den Torpedos nicht. Da bei<br />

den angegriffenen Schlachtschiffen keinerlei<br />

Reaktion zu bemerken ist, werden in fieberhafter<br />

Eile im Bugraum zwei Rohre nachgeladen<br />

und der Rohrläufer gängig gemacht.<br />

Gegen 1:22 Uhr wird nach neuem Anlauf der<br />

Dreierfächer aus den Bugrohren losgemacht.<br />

Nach knapp drei Minuten Laufzeit schlagen<br />

die Aale auf dem nähergelegenen Schlachtschiff<br />

ein. Es ist die HMS ROYAL OAK, die<br />

innerhalb weniger Minuten kentert und 833<br />

Mann in den Tod reißt.<br />

<strong>Prien</strong> beschreibt das Geschehen mit seinen<br />

„Brückenblick“: „…Da rollt, knallt,<br />

bumst und grummelt es gewaltig. Zunächst<br />

Wassersäulen, dann Feuersäulen, Brocken<br />

fliegen durch die Luft. Jetzt wird es im Hafen<br />

lebendig, Zerstörer haben Lichter, aus allen<br />

Ecken wird gemorst, an Land, etwa 200<br />

Meter von mir ab, brausen Autos über die<br />

„Der große Erfolg dieser Unternehmung, meisterlich<br />

geplant von Dönitz und von <strong>Prien</strong> brillant ausgeführt,<br />

strahlte auf die ganze U-Boot-Waffe zurück.“<br />

Alexandre Korganoff, französischer Militärhistoriker, 1969<br />

Straßen. Es ist ein Schlachtschiff versenkt,<br />

ein weiteres beschädigt und drei Aale hat der<br />

Teufel geholt. Alle Rohre sind leer geschossen.<br />

Ich entschließe mich zum Auslaufen…“<br />

Es sind keine weiteren Ziele in Sicht und<br />

das Nachladen der Rohre mit den noch weiteren<br />

vorhandenen fünf Torpedos an Bord<br />

würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen,<br />

denn jetzt ist in der Bucht von Sapa <strong>Flow</strong> der<br />

Teufel los. <strong>Prien</strong> muss zusehen, dass er mit<br />

seinem U-Boot an den Sperrschiffen vorbei<br />

wieder heil aus der Bucht kommt. Diesmal<br />

wählt er die südliche Lücke bei den Sperrschiffen<br />

im Holm Sund. Sie wird mit großer<br />

seemännischer Leistung und ein wenig Glück<br />

im wahrsten Sinn des Wortes durchkämpft.<br />

STOLZERFÜLLT: Der „frischgebackene“ Ritterkreuzträger <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> (Mitte) an Deck<br />

seines Unterseebootes U 47.<br />

Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

Versenkung bestätigt<br />

Am 14. Oktober um 11:00 Uhr melden englische<br />

Stellen und die BBC, dass das Schlachtschiff<br />

ROYAL OAK vermutlich durch ein<br />

U-Boot versenkt worden sei – ohne die Erwähnung<br />

eines zweiten torpedierten Schiffes.<br />

Drei Tage später am 17. Oktober läuft<br />

U 47 in Wilhelmshaven ein. Nach <strong>Prien</strong>s<br />

22


Schock für die Briten<br />

FREUDESTRAHLEND: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nach seinem<br />

„Coup“. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

BEIM „FÜHRER“: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> wird am 18. Oktober 1939 von Adolf Hitler in der Berliner<br />

Reichskanzlei empfangen, links im Bild Großadmiral Erich Raeder. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

HINTERGRUND<br />

Als Kommandant Seiner Majestät Unterseeboot<br />

U 18 gelingt es Kapitänleutnant Heinz<br />

von Hennig getaucht im Heckwasser eines<br />

Frachtdampfers durch die Hauptzufahrt im<br />

Hoxa Sund nach <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> vorzudringen.<br />

Weil die Briten aber an diesem 22. November<br />

1914 den Stützpunkt geräumt haben,<br />

findet U 18 kein lohnendes Ziel vor. Beim<br />

Rückzug aus der Bucht wird das Boot von<br />

einem Minensucher entdeckt und<br />

mehrmals gerammt. Daraufhin gibt<br />

Hennig den Befehl, das Boot zu versenken<br />

und gerät mit seiner Besatzung<br />

in Kriegsgefangenschaft.<br />

Der zweite Eindringversuch<br />

zählt zum Marinekapitel des letzten<br />

„Ehreneinsatzes“ der Hochseeflotte<br />

im Oktober 1918, der<br />

zur Matrosenrevolte in Kiel und<br />

Wilhelmshaven führt. Während<br />

die Hochseeflotte gar nicht<br />

mehr ausläuft, sind einige<br />

U-Boote mit freiwilligen<br />

Offiziersbesatzungen<br />

auf besonders wichtige<br />

Wahrnehmung und seiner fünf Mann starken<br />

Brückenbesatzung, die das Geschehen<br />

beobachten konnte, haben sie die ROYAL<br />

OAK versenkt und ein zweites Schlachtschiff,<br />

vermutlich die REPULSE, am Vorschiff<br />

beschädigt. Um dieses zweite Schiff<br />

werden sich später Legenden ranken. Bis<br />

heute hat sich die britische Admiralität zu<br />

diesem Schiff nicht konkret geäußert. Von<br />

den Schlachtschiffen HMS REPULSE, HMS<br />

HOOD, dem Flottenflaggschiff der Skagerrakschlacht<br />

1916 HMS IRON DUKE bis zu<br />

dem Flugzeugmutterschiff HMS PEGASUS<br />

spannt sich der Bogen der Vermutungsmöglichkeiten.<br />

Weitere U-Boot-Aktionen<br />

Aus der Sicht des Befehlshabers der Unterseeboote<br />

ergeben sich aus <strong>Prien</strong>s Einzelangriff<br />

eine ganze Reihe von Aktionen mit entsprechenden<br />

Konsequenzen für die Royal<br />

Navy. Es ist nach dem Erfolg von U 47 klar,<br />

Deutsche U-Boote in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

strategische Ziele angesetzt und schon unterwegs.<br />

Das wichtigste Ziel – den Hafen der<br />

britischen Grand Fleet – wird Oberleutnant<br />

zur See Hans-Joachim Emsmann zugewiesen.<br />

Emsmann erhält den Befehl: „...möglichst<br />

in der Nacht vom 28./29., sonst<br />

29./30.10., die englische Linienschiffsflotte<br />

in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> unter vollem Bootseinsatz anzugreifen,<br />

um den Feind vor der Entscheidungsschlacht<br />

zu schwächen.“<br />

Dieses Vorhaben misslingt,<br />

SMS UB 116 wird durch<br />

eine per Fernzündung ausgelöste<br />

Minensperre vernichtet und<br />

sinkt. Alle Besatzungsmitglieder<br />

finden den Tod.<br />

GESCHEITERT: Ein letzter Versuch<br />

mit einer freiwilligen Offiziersbesatzung<br />

in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einzudringen<br />

kostete Oberleutnant zur<br />

See Hans-Joachim Emsmann und seine<br />

Männer von SMS UB 116 im Oktober<br />

1918 das Leben.<br />

Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst<br />

dass die Engländer alle möglichen „Schlupflöcher“<br />

gründlich untersuchen und diese<br />

Lücken schließen würden. Während dieser<br />

Zeit würde die Admiralität <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> räumen<br />

und der Heimatflotte einen anderen<br />

Liegeplatz zuweisen. Karl Dönitz nahm an,<br />

dass das Loch Ewe, der Firth of Forth und<br />

der Firth of Clyde hierfür in Frage kommen<br />

könnten. Infolgedessen werden entsprechende<br />

U-Boot-Unternehmungen dorthin<br />

angesetzt. Die U-Boote sind dieses Mal vorwiegend<br />

mit Minen ausgerüstet, weil bei<br />

diesen Ausweichplätzen zur Zeit des Eindringens<br />

der U-Boote nicht mit Sicherheit<br />

mit dem Vorhandensein der Flotte gerechnet<br />

werden kann. Die vor dem Loch Ewe von<br />

U 31 unter Kapitänleutnant Johannes Habekost<br />

geworfenen Minen beschädigen das<br />

Schlachtschiff HMS NELSON so schwer,<br />

dass es mehrere Monate lang nicht mehr einsatzfähig<br />

ist. Ebenso läuft der Kreuzer HMS<br />

BELFAST im Firth of Forth auf eine Mine, die<br />

ihm den Kiel bricht. Die Sperre war durch<br />

U 21 und Kommandant Fritz Frauenheim<br />

gelegt worden. Übrigens: Einen Tag nach<br />

<strong>Prien</strong>s Eindringen in den Stützpunkt <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> trifft das Blockschiff ein, das genau die<br />

Lücke im Holm Sund schließen soll, durch<br />

die U 47 wenige Stunden vorher geschlüpft<br />

ist und der Royal Navy eine ihrer schwärzesten<br />

Stunden bereitet hat.<br />

Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher<br />

Redakteur von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor<br />

mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-,<br />

Marine- und Militärgeschichte mit über 40 Buchveröffentlichungen.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

23


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>: Idol einer ganzen Generation<br />

Verschollen im<br />

Atlantik<br />

AUF EINEN BLICK: Die komplette<br />

Besatzung von U 47, geschart<br />

um ihren Kommandanten, im<br />

Kieler Hafen, Ende Oktober 1939.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

24


Oktober 1939: Mit dem Eindringen nach <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />

gelingt <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung von U 47 eine seemännische<br />

„Meisterleistung“. Von der NS-Propaganda wird er<br />

als „Kriegsheld“ gefeiert. Doch sein kometenhafter Aufstieg<br />

findet ein abruptes Ende. Von Jörg-M. Hormann<br />

Beurteilungsberichte zu militärischen<br />

Persönlichkeiten gehören eher zu den<br />

seltenen Dokumenten, die über mehr<br />

als sieben Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart<br />

hinein „überdauern“.<br />

Im Fall des Dokumentes „Laufender Beurteilungsbericht<br />

über den Kapitänleutnant<br />

<strong>Prien</strong> bei Wechsel des Flottillenchefs“ ist dies<br />

gelungen. Er befindet sich heute in Privatbesitz.<br />

Am 8. Januar 1940 schreibt Korvettenkapitän<br />

Ernst Sobe (1904–1942), Chef der 7. U-<br />

Boot-Flottille „Wegener“, die Beurteilungen<br />

der Kommandanten seiner Flottillen-Boote.<br />

Ziel ist es, dem Nachfolger im Kommando,<br />

Korvettenkapitän Hans-Rudolf Rösing<br />

(1905–2004), einen Überblick über die „Qualität“<br />

seiner ihm neu unterstellten U-Boot-<br />

Kommandanten zu verschaffen.<br />

Positive Beurteilung<br />

Im Beurteilungsbericht über <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />

schreibt Ernst Sobe: „Kapitänleutnant <strong>Prien</strong><br />

ist seit dem 17. Dezember 1938 als Kommandant<br />

U 47 in der U-Flottille ,Wegener’ kommandiert.<br />

Gut begabter, sehr berufsbegeisterter<br />

Offizier, der durch seine Frische und<br />

seine stets unbekümmerte Fröhlichkeit besonders<br />

sympathisch wirkt. Abgeschlossener,<br />

ausgeglichener und fester Charakter.<br />

Vorbildlich in seiner Dienstauffassung,<br />

Pflichttreue und seinem Verantwortungsbewusstsein.<br />

Im Dienst nicht kleinzukriegen,<br />

körperlich sehr zähe und mit guten Nerven.<br />

Hat sich von Anfang an ohne jede Schwierigkeit<br />

in seine Kommandantenstellung hineingefunden.<br />

Tadelloser Seemann mit sehr gutem<br />

taktischen Blick und Instinkt. Ein<br />

Kommandant, der durch sein Können,<br />

seine klare und bestimmte,<br />

aber auch temperamentvolle<br />

Führung seine Leute vom<br />

ersten Tage ab hinter sich<br />

hatte. An seine Kriegsaufgaben<br />

ist <strong>Prien</strong> von<br />

Anfang an mit seiner<br />

gewohnten Frische herangegangen.<br />

Die vorbildliche<br />

innere Haltung<br />

bei der Durchführung<br />

der Unternehmung<br />

in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> stellt dem<br />

Wagemut, dem Angriffs-<br />

geist und der Einsatzfreudigkeit dieses Kommandanten<br />

ein einzigartiges Zeugnis aus. Eine<br />

starke Führerpersönlichkeit, von der die<br />

Kriegsmarine noch viel zu erwarten hat. Ein<br />

U-Bootskommandant von bester und vollkommenster<br />

Prägung.“ Mit dieser Beurteilung<br />

können sich Admiral Wilhelm Marschall<br />

(1886–1976) – seinerzeit Flottenchef –<br />

und der Befehlshaber der Unterseeboote,<br />

Konteradmiral Karl Dönitz, nur einverstanden<br />

erklären. Beide haben den Beurteilungsbericht<br />

gegengezeichnet.<br />

Wechsel zur U-Bootwaffe<br />

Am 16. Januar 1908 als ältester Sohn eines<br />

Richters in Osterfeld in Thüringen geboren,<br />

wächst <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> mit zwei weiteren Geschwistern<br />

auf.<br />

Im Alter von 15 Jahren bricht er seine<br />

Schulausbildung ab und geht zur Handelsmarine.<br />

In acht harten, aber auch lehrreichen<br />

Dienstjahren erwirbt er sich herausragende<br />

seemännische Kompetenz, die er mit dem<br />

Kapitänspatent A6 auf Großer Fahrt als 24-<br />

Jähriger krönt.<br />

Anfang 1933 öffnet sich die Reichsmarine<br />

der Handelsmarine, um Personalengpässe<br />

zu bewältigen. <strong>Prien</strong> tritt nun als Freiwilliger<br />

in die Reichsmarine ein und erfährt<br />

seine Ausbildung auf dem Leichten Kreuzer<br />

„Königsberg“. Im Oktober 1935 wird er als<br />

Leutnant zur See zur U-Bootwaffe überstellt.<br />

Vor der Indienststellung von U 47 im<br />

Dezember 1938 fährt <strong>Prien</strong> als Erster Wachoffizier<br />

auf U 26 unter Kapitänleutnant<br />

Werner Hartmann.<br />

Nach dem „Coup“ von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> läuft<br />

U 47 am 17. Oktober 1939 um 11:00 Uhr<br />

unbeschadet in Wilhelmshaven ein.<br />

Mit „großem Bahnhof“ auf der<br />

Pier der III. Einfahrt wird die<br />

SELTEN BENUTZT:<br />

Als U-Boot-Kommandant<br />

auf Feindfahrt hatte<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nur wenige<br />

Gelegenheiten, seine<br />

dunkelblaue Messejacke<br />

zum Großen Gesellschaftsanzug<br />

zu tragen.<br />

Foto: hermann historica.com<br />

EHEPAAR: Ingeborg und <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> vor<br />

der Eingangstür ihres Kieler Hauses Ende<br />

Oktober 1939. Nach ihrer damals einjährigen<br />

Tochter Birgit wird am 6. April 1940<br />

Tochter Dagmar zur Welt kommen.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

Besatzung des Bootes von Großadmiral Erich<br />

Raeder, dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine,<br />

sowie vom Befehlshaber der Unterseeboote<br />

Dönitz begrüßt. Die beiden Befehlshaber<br />

gehen an Bord und mit Handschlag<br />

wird dem „Stier von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>“ gratuliert.<br />

Allen Männern der Besatzung überreicht<br />

Karl Dönitz das Eiserne Kreuz II. Klasse und<br />

denen, die diese Klasse bereits tragen, wird<br />

die I. Klasse auf der linken Brustseite angesteckt.<br />

Bei dieser Gelegenheit gibt Raeder die<br />

bereits vorgenommene Beförderung von Karl<br />

Dönitz zum Konteradmiral bekannt.<br />

Triumphfahrt durch Berlin<br />

24 Stunden später landet die „Grenzmark“,<br />

eine viermotorige Focke-Wulf Fw 200 „Condor“,<br />

auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin.<br />

Adolf Hitler hat seine „Führermaschine“<br />

geschickt, um die Besatzung von Wilhelmshaven<br />

über Kiel nach Berlin zum Empfang<br />

holen zu lassen. Der folgende Autokorso<br />

durch die Berliner Innenstadt zur Neuen<br />

Reichskanzlei wird zu einer reinen Triumphfahrt<br />

für <strong>Prien</strong> und seine Männer. Die Berliner<br />

wollen ihre neuen „Helden“ sehen und<br />

der „Führer“ auch. Als ersten U-Boot-Kommandanten<br />

des Zweiten Weltkrieges zeichnet<br />

Hitler <strong>Prien</strong> mit dem „Ritterkreuz des Eisernen<br />

Kreuzes“ aus.<br />

Der symbolische Wert der Versenkung<br />

des Schlachtschiffs ROYAL OAK auf dem als<br />

sicher angesehenen Liegeplatz der britischen<br />

Clausewitz 5/2014<br />

25


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

BEIM EMPFANG: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit der Besatzung (zum Teil<br />

mit Ehefrauen) von U 47 im Berliner „Wintergarten“ am 19. Oktober 1939. Kapitänleutnant<br />

<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> (re.) im Gespräch mit Goebbels, links von ihm seine Frau Ingeborg<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

ÜBERLEBT: Werner Lüddecke verlässt wegen<br />

einer Erkrankung Anfang 1941 U 47. Er<br />

entkommt dadurch dem tödlichen Schicksal<br />

der Besatzung. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Flotte und dem seestrategisch wichtigsten<br />

britischen Hafen ist enorm. Diese äußerst riskante<br />

Operation von U 47 wird daher von<br />

der NS-Propaganda dankbar aufgegriffen,<br />

<strong>Prien</strong> wird zum idealtypischen „Kriegs- und<br />

Volkshelden“ stilisiert.<br />

Von besonderer Bedeutung ist der internationale<br />

Presseempfang, den Otto Dietrich<br />

(1897–1952), Reichspressechef und Staatssekretär<br />

im Reichsministerium für Volksaufklärung<br />

und Propaganda, am Vormittag des<br />

19. Oktober 1939 veranstaltet. Dietrich ist gelehriger<br />

Schüler seines Chefs, Reichspropagandaminister<br />

Joseph Goebbels, der am<br />

Abend im Berliner Wintergarten seinen<br />

Empfang gibt – dieses Mal mit Ehefrauen<br />

und begleitendem Musikkonzert. Am<br />

23. Oktober ist die Besatzung schließlich mit<br />

ihrem Boot in Kiel zurück. Es folgen die dreifachen<br />

„Hurras“ aller Besatzungen von den<br />

Schiffen der Kriegsmarine, die in Kiel liegen<br />

und an denen U 47 entlangfährt.<br />

<strong>Prien</strong> als Propaganda-Held<br />

Bei den Reden auf den Empfängen wird die<br />

Aktualität mit dem Selbstversenkungstag<br />

der Kaiserlichen Hochseeflotte in <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> am 21. Juni 1919 gern in Bezug gesetzt.<br />

So zum Beispiel durch Admiral Ludwig von<br />

Reuter (1869–1943), Kommandierender Admiral<br />

der internierten Flotte und Befehlsgeber<br />

der Selbstversenkung, in seiner Äußerung<br />

zu <strong>Prien</strong>: „Ihre Tat hat für mich eine<br />

ganz besondere Bedeutung. Sie haben eine<br />

der größten Schuftereien der Seekriegsgeschichte,<br />

die dem Reich aufgezwungene<br />

Überführung seiner Schiffe – nicht, wie zugesagt,<br />

in neutrale Häfen, sondern nach <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> – ein Wortbruch, wie er schändlicher<br />

nicht gedacht werden kann, blutig gerächt.<br />

Zudem noch an einem Schiff, der ,Royal<br />

Oak’, das sich am schändlichsten gegenüber<br />

den deutschen Besatzungen benommen hat.<br />

Jede Untat rächt sich auf Erden. Meine Freude<br />

ist so groß wie ihr Erfolg.“<br />

Ein Nebeneffekt der gewaltigen Propagandawelle<br />

um <strong>Prien</strong> und U 47 ist der Zustrom<br />

junger Männer zu den U-Booten. Neu<br />

in Dienst gestellte Boote erhalten Besatzungen<br />

aus Freiwilligen. In Kiel sind die Männer<br />

von U 47 zunächst wieder unter Kameraden.<br />

Nach einer Werftliegezeit geht der Krieg für<br />

Boot und Besatzung weiter. Acht Feindfahrten<br />

absolviert U 47 in den folgenden Monaten<br />

unter <strong>Prien</strong>, erst von Kiel und dann vom<br />

U-Boot-Stützpunkt Lorient in Frankreich<br />

aus. Am 20. Oktober 1940 wird <strong>Günther</strong><br />

<strong>Prien</strong> mit dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz“<br />

ausgezeichnet. Er versenkt rund 30<br />

Schiffe mit einer Gesamttonnage von mehr<br />

als 200.000 BRT, ehe das Boot vom Typ VII B<br />

ein bis heute nicht geklärtes Schicksal ereilt.<br />

Tragisches Ende<br />

Seit dem 7. März 1941 gilt <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>s<br />

U 47 im Nordatlantik als verschollen. Viele<br />

Jahre lang gehen Historiker davon aus, dass<br />

der englische Zerstörer HMS WOLVERINE<br />

das Boot beim Angriff auf den Konvoi OB-<br />

293 mit Wasserbomben zerstört hat. Neuere<br />

Forschungen haben jedoch ergeben, dass es<br />

„Eine starke Führerpersönlichkeit, von der die<br />

Kriegsmarine noch viel zu erwarten hat.“<br />

Korvettenkapitän Ernst Sobe in seiner Beurteilung über <strong>Prien</strong> aus dem Jahr 1940<br />

sich hierbei um das Unterseeboot „U A“ gehandelt<br />

haben muss, das seiner vollständigen<br />

Vernichtung am Ende schwer beschädigt<br />

entging.<br />

Über die Gründe für das spurlose Verschwinden<br />

von U 47 kann weiterhin nur spekuliert<br />

werden: Die Vermutungen reichen<br />

von einem Minenkontakt über eine Tauchpanne<br />

bis hin zur Vernichtung durch einen<br />

eigenen Torpedo, der durch einen Steuerungsdefekt<br />

zum Kreisläufer wurde. Ende<br />

Mai 1941 verkündet der Wehrmachtbericht<br />

schließlich, dass U 47 von seiner letzten<br />

Feindfahrt nicht zurückgekehrt ist.<br />

26


Schlachten,<br />

Technik, Feldherren<br />

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Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

U 47 und die U-Bootwaffe 1939/40<br />

Tödliche Torpedos<br />

Herbst 1939: Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges erringt die U-Bootwaffe der<br />

Kriegsmarine große Versenkungserfolge. Neben leistungsstarken U-Booten ist eine<br />

eingespielte Besatzung eine unabdingbare Voraussetzung.<br />

Von Jörg-M. Hormann<br />

Wendigkeit und Zuverlässigkeit seines<br />

U-Bootes vom Typ VII B sind<br />

für Kapitänleutnant <strong>Prien</strong> der Garant<br />

seines Operationserfolges von <strong>Scapa</strong>-<br />

<strong>Flow</strong> – zusammen mit einer hervorragend<br />

eingefahrenen Besatzung.<br />

Besonders das Zurücklaufen nach dem<br />

erfolgreichen Angriff durch den Kirk Sund<br />

an dem südlichen Blockschiff vorbei und<br />

zwischen ihm und der Insel Lamb Holm hindurch<br />

stellt unter seemännischen Gesichtspunkten<br />

eine besondere Herausforderung<br />

dar. Dies macht ein Blick in das Kriegstagebuch<br />

von U 47 ganz deutlich: „…Mit zweimal<br />

„Halbe Fahrt Voraus“ auf Auslaufkurs<br />

gegangen. Zunächst ist bis Skaildaquoy<br />

Point alles einfach. Danach geht es wieder<br />

los. Der Wasserstand ist gefallen bei einlaufendem<br />

Strom. Mit „Langsamer Fahrt“ und<br />

„Kleiner Fahrt“ versuche ich rauszukommen.<br />

Ich muss im Süden durch die Enge wegen<br />

der Wassertiefe. Es geht die Wirbelei<br />

wieder los. Mit Kurs 58 Grad und „Langsamer<br />

Fahrt“ – gleich zehn Seemeilen stehe ich<br />

auf der Stelle. Mit „Halber Fahrt“ am südlichen<br />

Sperrschiff vorbeigequält. Der Rudergänger<br />

arbeitet vorzüglich. Mit zweimal<br />

„Halber Fahrt“ und zuletzt mit „Großer<br />

Fahrt“ und „Alle Kraft Voraus“ frei von der<br />

Schiffssperre…“<br />

VORBEREITUNG: Soldaten der Kriegsmarine beim Einfetten eines Torpedos an Deck eines<br />

U-Bootes vor dem nächsten Einsatz.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Rückgrat der U-Bootwaffe<br />

Mit weit über 600 gebauten und von der<br />

Kriegsmarine in Dienst gestellten Einheiten<br />

bilden die U-Boote vom Typ VII das Rückgrat<br />

der deutschen U-Bootwaffe im Zweiten<br />

Weltkrieg. Entwickelt wird die Baureihe<br />

maßgeblich von Friedrich Schürer und Fritz<br />

Bröking. Sie basiert auf den im Ersten Weltkrieg<br />

nicht mehr realisierten mittelgroßen<br />

Typen UF und UG sowie auf den bereits gesammelten<br />

Erfahrungen mit den Bootstypen<br />

I A und II. Bereits 1933 beginnt die Entwicklung<br />

der neuen hochseefähigen Bootsklasse.<br />

Im Frühjahr 1935 werden schließlich die<br />

Bauaufträge für die Boote der ersten Serie<br />

vom Typ VII A erteilt. Das herausstechende<br />

28


BAUWERFT: Auf der Friedrich Krupp Germaniawerft in Kiel wird U 47 vom 1. April 1937 bis zum 17. Dezember 1938 gebaut. Hier läuft ein<br />

Boot vom Typ VII B zur Reparatur in den Werfthafen ein.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Merkmal dieser ersten Serie ist das am<br />

Rumpfende über der Wasserlinie gut sichtbare<br />

Hecktorpedorohr. Außerhalb des<br />

Druckkörpers platziert, bedeutet das erhebliche<br />

Nachteile beim Nachladen. Dies ist nur<br />

mit hohem Aufwand im aufgetauchten Zustand<br />

möglich. Da die Antriebsbatterien moderner<br />

elektrischer Torpedos regelmäßig<br />

aufgeladen werden müssen, kommen für<br />

das Hecktorpedorohr beim Typ VII A nur<br />

pressluftbetriebene G7a-Torpedos infrage.<br />

Bei den Einheiten des Typs VII handelt es<br />

sich um Einhüllen-Hochseeboote mit außen<br />

gelegenen Tauchzellen und Haupttauch-Regelzellen<br />

im Innern des Druckkörpers.<br />

Die Akkumulatoren sind<br />

in getrennten Abteilungen untergebracht,<br />

um bei einer Beschädigung<br />

oder einem Treffer<br />

nicht komplett auszufallen.<br />

Charakteristisches<br />

Merkmal des Typs sind<br />

die außen liegenden Satteltanks<br />

für den Brennstoff<br />

in den seitlichen<br />

Rumpfausbuchtungen.<br />

Die Ausgewogenheit ihrer<br />

Konstruktion machen<br />

die VII-A-Boote zu einer<br />

wirksamen Waffe. Ihre Vorteile sind die hohe<br />

Manövrierfähigkeit, eine kleine Silhouette<br />

sowie der relativ geringe Bauaufwand.<br />

Viele Versenkungserfolge<br />

Mit der VII-B-Serie wird an die bewährten<br />

Vorgänger angeknüpft. Bei der Germaniawerft<br />

in Kiel entstehen zwischen 1938 und<br />

1940 die Boote U 45 bis U 55 sowie U 99 bis<br />

U 102. Der Bremer Vulkan liefert U 73 bis<br />

U 76 in der zweiten Jahreshälfte 1940 ab. Später<br />

entstehen U 83 bis U 87 bei den Flender-<br />

Werken in Lübeck. Die VII-B-Einheiten sind<br />

zwei Meter länger und einen halben Meter<br />

breiter als die der A-Baureihe. Die<br />

Verdrängung nimmt – vor allem<br />

durch größere Treibstofftanks<br />

bedingt – um rund 100 Tonnen<br />

ERINNERUNG: Das Schiffswappen<br />

des im Oktober<br />

1939 von U 47 versenkten<br />

Schlachtschiffes<br />

HMS ROYAL OAK wird<br />

von den Symbolen Krone<br />

und Eichenlaub dominiert.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

zu. Durch ein Plus von 40 Tonnen Brennstoff<br />

kann die Reichweite um etwa 25 Prozent gesteigert<br />

werden. Es kommen nun Dieselmotoren<br />

mit einer erheblich gesteigerten Gesamtleistung<br />

zum Einsatz. Das Hecktorpedorohr<br />

wird in den Druckkörper verlegt.<br />

Dies wiederum macht eine Tandemruderanlage<br />

notwendig.<br />

Mit U-Booten vom Typ VII B werden bedeutende<br />

Erfolge erzielt, die mit der Versenkung<br />

der ROYAL OAK durch U 47 ihren Anfang<br />

nehmen. U 48 gilt sogar als das erfolgreichste<br />

U-Boot des Zweiten Weltkriegs.<br />

Seine Besatzung versenkt auf zwölf Feindfahrten<br />

mehr als 50 Schiffe mit einer Gesamttonnage<br />

von über 300.000 BRT. Erfolgreichster<br />

U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine<br />

ist Korvettenkapitän Otto Kretschmer, der<br />

mit U 99 auf acht Feindfahrten insgesamt 38<br />

Schiffe mit fast 245.000 BRT als Versenkungserfolge<br />

verbuchen kann.<br />

Eingespielte Besatzung<br />

Doch was nützt das beste U-Boot, wenn die<br />

Besatzung nicht als Räderwerk funktioniert.<br />

Die Männer von U 47 sind seit der Indienststellung<br />

des U-Bootes am 17. Dezember 1938<br />

ohne größeren Personalwechsel zusammen<br />

und entsprechend eingespielt. Die Besat-<br />

Clausewitz 5/2014<br />

29


Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />

TYP VII<br />

RÜCKGRAT: Ein U-Boot vom Typ VII C. Gegenüber dem Typ VII B<br />

von U 47 wurden seit 1940 einige Modifizierungen durchgeführt.<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

8<br />

6<br />

Der Typ VII ist das meistgebaute und eingesetzte U-Boot des<br />

Zweiten Weltkriegs.<br />

Abb.: Archiv Jörg-M. Hormann<br />

7<br />

5<br />

9<br />

15<br />

14<br />

1 Bugtorpedowaffe<br />

2 Bugraum für Mannschaften<br />

3 Offiziersmesse, Kommandantenraum,<br />

Horch- und Funkraum<br />

4 Akkuräume<br />

5 Brücke<br />

6 Angriffssehrohr<br />

7 Luftzielsehrohr<br />

4<br />

3<br />

8 2-cm-Flak<br />

9 8,8-cm-Kanone<br />

10 Unteroffiziersraum und Kombüse<br />

11 Dieselraum<br />

12 E-Maschine<br />

13 Hecktorpedowaffe<br />

14 Tiefenruder<br />

15 Seitenruder (nach W. Frank,<br />

die Wölfe und der Admiral)<br />

2<br />

1<br />

zung hat auch schon eine Feindfahrt vom<br />

19. August bis zum 15. September 1939 hinter<br />

sich und ist mit drei Abschusserfolgen<br />

von zusammen 8.270 Bruttoregistertonnen<br />

(BRT) „belohnt“ worden. Das Vertrauen der<br />

Besatzung in die Fähigkeit ihres Kommandanten<br />

ist mit dem Kampfgeschehen gewachsen<br />

und das von <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> in seine<br />

Männer ebenso. Nach dem erfolgreichen<br />

Torpedoangriff auf die ROYAL OAK notiert<br />

<strong>Prien</strong> in das Kriegstagebuch von U 47: „Bei<br />

der Unternehmung hat sich die Besatzung<br />

ganz ausgezeichnet bewährt. Am 13. Oktober<br />

morgens wurde im Schmieröl Wasser (7-<br />

8%) festgestellt. In fieberhafter Arbeit hat alles<br />

zugepackt, das Öl auszuwechseln, bzw.<br />

zu entwässern und die Leck-Stelle zu isolieren.<br />

Das Torpedopersonal hat mit bemerkenswerter<br />

Geschwindigkeit die Rohre<br />

nachgeladen. Das Boot war so in Form, dass<br />

ich es mir leisten konnte, in <strong>Scapa</strong> Ladung<br />

einzuschalten und Luft aufzupumpen.“<br />

Demnach „kurvte“ U 47 zeitweise mit dröhnendem<br />

Diesellärm über Wasser im sichersten<br />

Kriegshafen der britischen Flotte herum.<br />

Überraschte Briten<br />

Eine weitere Kriegstagebuch-Eintragung<br />

vom 17. Oktober ist bezeichnend für die<br />

mangelnde Achtsamkeit der Engländer in<br />

den ersten Kriegswochen: „Um 04.04 Uhr<br />

Weg I passiert. Von 04.04 bis 04.47 Uhr den<br />

Bewachungsfischdampfer Nr. 808 gejagt, dabei<br />

achtmal Erkennungssignal ohne Antwort<br />

abgegeben. Erst bei einer Entfernung von<br />

fünf bis sechs Hektometer und dem Gebrauch<br />

des Handscheinwerfers reagiert dieser<br />

Vogel! Bei solchen Bewachern kann sich<br />

ein solcher Vorgang wie meine Unternehmung<br />

auch bei uns ereignen.“<br />

Während sich <strong>Prien</strong> und U 47 davonschleichen,<br />

beginnen die Abwehrreaktionen<br />

und die Rettungsarbeiten in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> eher<br />

zurückhaltend. Die aufgeschreckten Briten<br />

vermuten einen deutschen Luftangriff, denn<br />

es sind in der Totenstille – nach dem „Verschwinden“<br />

der ROYAL OAK – deutlich Motorengeräusche<br />

zu hören. Alle Scheinwerferfinger<br />

„geistern“ hektisch am Himmel herum.<br />

Niemand kommt auf die Idee, die<br />

Ursache des Motorengeräusches auf der<br />

Wasserfläche von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> zu suchen. Der<br />

Gedanke an einen U-Boot-Angriff wird sich<br />

erst langsam durchsetzen, man kann oder<br />

besser will eine solche Ungeheuerlichkeit<br />

nicht wahrhaben. Der Angriff gerade auf<br />

<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> und der Verlust der ROYAL<br />

GEFÜRCHTET: U 47 unter Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nach<br />

der Rückkehr von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>. Die Anfangserfolge der deutschen<br />

U-Bootwaffe sind beträchtlich und besonders für die Royal<br />

Navy ein Grund zur Sorge.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

30


Schwerer Verlust<br />

OAK mit dem überwiegenden Teil ihrer Besatzung<br />

stellt einen der ersten großen<br />

„Kriegsschocks“ für die Royal Navy und die<br />

britische Öffentlichkeit dar.<br />

Über den Angriff und die Rettungsaktion<br />

der im Wasser treibenden Überlebenden des<br />

britischen Schlachtschiffs berichtet Captain<br />

R. F. Nichols, Erster Offizier der ROYAL<br />

OAK, im Jahr 1969: „…an diesem Abend<br />

blendeten wir das Schiff wie gewöhnlich ab<br />

und waren alarmbereit für Luftangriffe. Gegen<br />

22.30 Uhr legte ich mich hin und wurde<br />

vier Minuten nach 01.00 Uhr durch eine heftige<br />

Erschütterung im Schiff geweckt. Ich<br />

warf mir einen Mantel über und ging an<br />

Deck, aber niemand konnte mir sagen, was<br />

geschehen war. Ich gab „Daisy II“ [ein Fischdampfer,<br />

der als Postschiff im Einsatz war]<br />

Befehl, Dampf aufzumachen und den Besatzungen<br />

des Verkehrsbootes und der Barkasse<br />

[die beide an der Backspier lagen] Anweisung,<br />

in die Boote zu gehen. (…) Genau<br />

13 Minuten nach der ersten Explosion erfolgten<br />

drei fürchterlich heftige Stöße achteraus<br />

von uns an Steuerbordseite. Jede Explosion<br />

schüttelte das Schiff stark, alle Lichter gingen<br />

aus und das Schiff nahm sofort Schlagseite von<br />

etwa 35 Grad an. Mir war klar, was diesmal geschehen<br />

war und was jetzt weiter passieren<br />

würde. Aber wie um Himmels Willen war ein<br />

U-Boot durch die Sperren gekommen?“<br />

Fatale Situation<br />

Neben den Explosionsschäden durch die<br />

Torpedos von U 47 und den folgenden Kontaktzündungen<br />

der Pulverladungen in den<br />

Munitionskammern der Mittelartillerie führt<br />

eine weitere fatale Situation zum schnellen<br />

Kentern der ROYAL OAK. Eine große Zahl<br />

der Bullaugen ist geöffnet und mit abgeschirmten<br />

Ventilatoren versehen. Die Bullaugen<br />

auf der Steuerbordseite sind jetzt unter<br />

Wasser und können gegen den Wasserdruck<br />

nicht mehr geschlossen werden. Durch den<br />

kompletten Stromausfall ist es unmöglich,<br />

weitere Beiboote auszubringen und die ganze<br />

Hoffnung der im kalten Wasser um ihr<br />

Leben kämpfenden Besatzungsmitglieder<br />

des Schlachtschiffs sind die DAISY II und die<br />

schon schwimmenden Beiboote, die Captain<br />

Nichols bemannen ließ.<br />

Wenige Minuten nach den Treffern des<br />

zweiten Torpedofächers von U 47 kentert die<br />

ROYAL OAK und sinkt. Es ist circa 1:30 Uhr<br />

am 14. Oktober 1939. Nichols berichtet über<br />

seine eigene Rettung nach dem Untergang:<br />

„(…) Etwa anderthalb Stunden später wurden<br />

wir, die wir uns bis dahin an ein Rettungsfloß<br />

geklammert hatten, von einem der<br />

„Pegasus“-Boote aufgenommen (...)“<br />

Die britische Admiralität hat sich bis heute<br />

nicht offiziell zur zweiten schweren<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

WEITERENTWICKELT: Der Typ VII B ist gegenüber<br />

dem Typ VII A technisch verbessert.<br />

Bauwerft: Friedrich Krupp,<br />

Germaniawerft, Kiel<br />

Bauauftrag: vom 21. November 1936<br />

Baunummer: 583<br />

Kiellegung: 1. April 1937<br />

Stapellauf: 29. Oktober 1938<br />

In Dienst: 17. Dezember 1938<br />

Flottille: 7. U-Flottille „Wegener“<br />

Verdrängung:<br />

über Wasser 753 ts<br />

getaucht 857 ts<br />

Abmessungen:<br />

Gesamtlänge 66,5 m<br />

Druckkörperlänge 49,4 m<br />

Gesamtbreite 6,2 m<br />

Druckkörperbreite 4,7 m<br />

Höhe 9,4 m<br />

Tiefgang 4,7 m<br />

Antrieb:<br />

über Wasser (Dieselmotor) 2 x 1.400 PS MAN-Diesel<br />

getaucht (Elektromotor) 2 x 375 PS Elektro-Motor<br />

Schiffseinheit – hinter der ROYAL OAK liegend<br />

– geäußert. Dieses Schiff haben die fünf<br />

Männer der Brückenwache von U 47 eindeutig<br />

als ein Schlachtschiff, vermutlich HMS<br />

REPULSE, angesehen. Auf keinen Fall ist es<br />

das Seeflugzeugmutterschiff HMS PEGA-<br />

SUS mit Handelsschiffsilhouette und wesentlich<br />

kürzer als die Schlachtschiffe. Fünf<br />

Augenpaare mit geschultem Blick können<br />

sich angesichts so unterschiedlicher Schiffs-<br />

IN GEDENKEN: Errichtet für die 833<br />

Besatzungsmitglieder der ROYAL OAK, die<br />

am 14. Oktober 1939 in den Tod gerissen<br />

wurden.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

U 47 (Serie U 45–U 55), Typ VII B<br />

Geschwindigkeit:<br />

über Wasser (Dieselmotor) 17,2 kn<br />

getaucht (Elektromotor) 8,0 kn<br />

Fahrstrecke:<br />

über Wasser (Dieselmotor) 8.850 Sm bei 10 kn<br />

6.500 Sm bei 12 kn<br />

getaucht (Elektromotor) 72 Sm bei 4 kn<br />

Brennstoffvorrat:<br />

108 t<br />

Tauchtiefe:<br />

Gebrauch<br />

120 m<br />

Gefecht kurzzeitig<br />

200 m<br />

rechnerische Zerstörung 300 m<br />

Bewaffnung:<br />

Torpedorohre:<br />

im Bug<br />

4 x Ø 53,3 cm<br />

im Heck<br />

1 x Ø 53,3 cm<br />

Torpedos:<br />

in den Rohren 5<br />

Reserve 9<br />

Minen (alternativ) 15<br />

Geschütze für Seeziele 1 x 8,8 cm L/45<br />

Besatzung:<br />

40 Mann<br />

gebaute Stückzahl VII B: 20<br />

risse unter Nordlichtflimmern nicht irren.<br />

Dass die Boote von der PEGASUS weit mehr<br />

als eine Stunde benötigen, um bei den Überlebenden<br />

zu sein, spricht entschieden gegen<br />

einen Liegeplatz in der Nähe der ROYAL<br />

OAK. Die REPULSE liegt nachgewiesenermaßen<br />

zur Angriffszeit nicht in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />

Die IRON DUKE hingegen schon. Das<br />

Flaggschiff von Admiral Jellicoe in der Skagerrakschlacht<br />

des Jahres 1916 ist zwar seit<br />

1932 in der Klassifizierung herabgesetzt, befindet<br />

sich aber weiterhin als Artillerieschulschiff<br />

und als Poststation der Flotte in <strong>Scapa</strong><br />

<strong>Flow</strong> im Einsatz. Auch wenn alle englischen<br />

Stellen behaupten, dass kein zweites Schiff<br />

torpediert wurde, hat der erste zündende<br />

Torpedo von U 47 nicht die ROYAL OAK sondern<br />

vermutlich das dahinter liegende<br />

Schlachtschiff getroffen – offensichtlich so<br />

wirkungsvoll, dass es wenige Tage später am<br />

17. Oktober 1939 nach einem eher harmlosen<br />

Bombenangriff ohne direkten Treffer bei Lyness<br />

auf Grund gesetzt werden musste.<br />

Schlag gegen die Royal Navy<br />

Die bei Bekanntwerden dieses weiteren Verlustes<br />

zu erwartenden deutschen Propagandameldungen,<br />

auch noch das ehemalige<br />

Flaggschiff der „Grand Fleet“ aus der Skagerrakschlacht<br />

schwer getroffen zu haben,<br />

wollte die britische Admiralität 1939 unbedingt<br />

verhindern. Der Verlust von HMS<br />

ROYAL OAK und die Tatsache einer erfolgreichen<br />

deutschen U-Boot-Operation inmitten<br />

ihres Hauptflottenstützpunktes ist für<br />

die Briten schlimm genug.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

31


Das historische Dokument<br />

Der Friede von Thorn 1411<br />

„Totenschein“<br />

für den<br />

Deutschen Orden<br />

1410: Das Heer des Deutschen Ordens reitet bei Tannenberg einer militärischen Katastrophe<br />

entgegen. Die polnisch-litauischen Sieger läuten daraufhin mit dem Frieden von<br />

Thorn den langsamen Untergang des Ordensimperiums ein.<br />

Von Stefan Krüger<br />

Majestätisch ragt der imposante Backsteinbau<br />

am Ufer der Nogat in der<br />

fruchtbaren Ebene Westpreußens<br />

auf. Noch heute beherrscht die Marienburg<br />

diese malerische Region, zumindest in optischer<br />

Hinsicht. Politisch dient sie bis 1455 als<br />

Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens,<br />

ehe Hochmeister Ludwig von Erlichshausen<br />

die Burg verkaufen muss, um seine Söldner<br />

zu bezahlen. Es ist der vorläufige Höhepunkt<br />

einer Phase des Niedergangs, der mit der<br />

Schlacht von Tannenberg 1410 beginnt.<br />

Beinahe 100 Jahre zuvor, nämlich 1309, ernennt<br />

der Orden die Marienburg zum neuen<br />

Hauptsitz. Im späteren Herzogtum Preußen<br />

hat der Orden bereits im 13. Jahrhundert Fuß<br />

gefasst. Er folgt damit ironischerweise einem<br />

Hilferuf der Polen, die sich von den heidnischen<br />

Litauern hart bedrängt fühlen. Hochmeister<br />

Hermann von Salza, der von 1210<br />

bis 1239 die Gemeinschaft leitet, kommt dies<br />

sehr entgegen. Hat er doch schon zuvor in<br />

Siebenbürgen erfolglos versucht, einen unabhängigen<br />

Ordensstaat zu gründen. Mit<br />

GNADENLOSES GEMETZEL: Diese Kampfszene von Richard Hook rekonstruiert einen Ausschnitt<br />

der verhängnisvollen Schlacht von Tannenberg am 15. Juli 1410. Polnisch-litauische<br />

Krieger greifen den linken Flügel des Deutschen Ordens an.<br />

Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Tannenberg 1410/Richard Hook<br />

dem Fall der letzten Kreuzfahrerstützpunkte<br />

im Nahen Osten fokussieren sich die deutschen<br />

Ritter schließlich völlig auf Osteuropa,<br />

und sie vergrößern den neuen Staat rasch.<br />

Entscheidend ist 1308 der Erwerb Pommerellens.<br />

Dieser wertvolle Landstrich stärkt<br />

zwar den Ordensstaat, stürzt diesen jedoch in<br />

einen dauerhaften Konflikt mit dem polnischen<br />

Königreich, das ebenfalls Anspruch auf<br />

diese Region erhebt.<br />

Preußisches „Wirtschaftswunder“<br />

Zunächst geht es für die Deutschritter jedoch<br />

spürbar aufwärts. Denn sie erweisen sich als<br />

tüchtige Verwalter, die den Landesausbau zügig<br />

und erfolgreich vorantreiben. Auch militärisch<br />

dominieren die Ritter. So verschieben<br />

sie die Ostgrenze im Zuge mehrerer Feldzüge<br />

gegen Litauen bis nach Kaunas, das sie 1362<br />

erobern, allerdings nicht halten können. Dem<br />

Ordensstaat kommt hierbei sein Status als<br />

geistliche Institution zur Hilfe. Denn nach<br />

dem Ende der Kreuzzüge strömen zahlreiche<br />

europäische Ritter ins Preußenland, um ihr<br />

Prestige zu stärken, indem sie die heidnischen<br />

Litauer bekämpfen. Diese „Litauenreisen“ genannten<br />

Kleinstfeldzüge kulminieren häufig<br />

in wüsten Raubzügen, bei denen die Ritter in<br />

Ortschaften einfallen, Männer erschlagen und<br />

Frauen, Kinder und sonstiges „Raubgut“ als<br />

Beute abführen. Den asketischen Ordensrittern<br />

ist das vergleichsweise ausschweifende<br />

Leben der weltlichen Ritter sicherlich ein<br />

Dorn im Auge. Auf der anderen Seite fügen<br />

sie den Litauern erheblichen Schaden zu.<br />

1382 erleidet der geistliche Staat jedoch<br />

einen schweren Rückschlag, der den baldigen<br />

Niedergang ankündigt: Der litauische<br />

Großfürst Jogaila vermählt sich mit der<br />

32


VERNICHTENDER VERTRAG:<br />

Der Friede von Thorn zwischen<br />

dem Deutschen Orden<br />

und Polen-Litauen leitet den<br />

Untergang des anachronistischen<br />

Ritterstaates ein. Das<br />

Vertragswerk stürzt den<br />

Ritterorden in eine finanzielle<br />

Krise. Die Abbildung zeigt<br />

die Ordensausfertigung<br />

der Urkunde (mit Siegeln<br />

versehene Handschrift auf<br />

Pergament).<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Tochter des polnischen Königs und nimmt<br />

für sich und sein Volk den katholischen<br />

Glauben an. Darüber hinaus bilden Polen<br />

und Litauen nun einen gemeinsamen Staat.<br />

Damit verliert der Orden im Grunde seine<br />

Legitimation, denn nun gibt es an seinen<br />

Grenzen keine heidnischen Feinde mehr.<br />

Nur der verschämt anmutende Hinweis des<br />

Hochmeisters, dass die Litauer den neuen<br />

Glauben lediglich sehr oberflächlich praktizieren,<br />

hilft dem Orden, seinen Status zu<br />

wahren. Die jährlichen „Litauenreisen“ aber<br />

finden damit ihr Ende.<br />

Fatales Fiasko<br />

1409 bricht in Schamaiten, das der Orden erst<br />

1398 Litauen hat abringen können, eine Rebellion<br />

aus, wobei Polen-Litauen auf Seiten<br />

der Aufständischen interveniert. Von der militärischen<br />

Dominanz der Deutschritter ist<br />

indes nicht mehr viel übrig. Längst haben<br />

die Litauer technisch und organisatorisch<br />

den Anschluss an Europa gefunden. Somit<br />

steht den Deutschen in der entscheidenden<br />

Schlacht von Tannenberg am 15. Juli 1410 ein<br />

qualitativ ebenbürtiger Gegner gegenüber.<br />

Zudem führt Polen-Litauen 39.000 Mann in<br />

die Schlacht, während der Orden nur 27.000<br />

Streiter aufbieten kann. Die Deutschritter erleiden<br />

eine vernichtende Niederlage. Besonders<br />

schwer wiegt der Verlust nahezu der gesamten<br />

Führungselite inklusive des Hochmeisters<br />

Ulrich von Jungingen.<br />

Nach einer mehrtägigen Pause stoßen die<br />

Verbündeten nach und erobern einige Städte<br />

und Burgen im Preußenland. Die Marienburg<br />

mit der reichen Ordenskasse jedoch<br />

können sie nicht mehr einnehmen. Da die<br />

Deutschritter zudem Hilfe von außerhalb erwarten,<br />

kommt es am 1. Februar 1411 zum<br />

Frieden von Thorn.<br />

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob<br />

der Orden mit einem blauen Auge davon<br />

kommt. Lediglich Schamaiten, Zakrzew und<br />

„Wozu verbleibet ihr in den Wäldern und verberget<br />

euch, um dem Kampfe zu entfliehen … ?“<br />

Mit diesen Worten forderte Hochmeister Ulrich von Jungingen den polnischen<br />

König bei Tannenberg 1410 zur Schlacht heraus<br />

Dobrin muss er abtreten. Darüber hinaus<br />

verpflichtet er sich jedoch, 100.000 Schock<br />

böhmische Groschen als Kriegsentschädigung<br />

zu zahlen. Dies entspricht 22,2 Tonnen<br />

Silber – eine gewaltige Summe!<br />

Der neue Hochmeister Heinrich von<br />

Plauen ist deshalb gezwungen, die Steuern<br />

drastisch zu erhöhen, was große Unzufriedenheit<br />

hervorruft. Zwar gewähren die Polen<br />

eine viermalige Ratenzahlung zu je<br />

25.000 Schock, doch können die Deutschen<br />

die Zahlungstermine nicht einhalten. Der<br />

Hochmeister strebt deshalb 1413 einen weiteren<br />

Waffengang an. Seine Mitbrüder stürzen<br />

ihn jedoch und wählen 1414 Michael<br />

Küchmeister zu ihrem neuen Herrn. Der polnische<br />

König ist nun allerdings entschlossen,<br />

die ausstehenden Raten mit Gewalt einzutreiben<br />

und fällt verheerend in Preußen ein.<br />

Lediglich ihre Burgen können die Deutschritter<br />

halten, ehe man am 7. Oktober 1414 einen<br />

Waffenstillstand vereinbart.<br />

Der Ordensstaat erholt sich von diesen<br />

Schlägen nicht mehr. Nicht zuletzt, weil seine<br />

Macht auch im Inneren bröckelt, da die<br />

Landstände und die Städte als Gegenleistung<br />

für die Steuern mehr Rechte fordern.<br />

1455 verpfändet der Hochmeister die Marienburg<br />

an unbezahlte Söldner, die sie wiederum<br />

ausgerechnet dem polnischen König<br />

verkaufen. Der Ordensstaat selbst wandelt<br />

sich schließlich 1525 in ein weltliches Herzogtum<br />

um, das fortan zu Polen gehört.<br />

Auf den ersten Blick erscheint es, als ob<br />

der Friede von Thorn den Untergang des<br />

Deutschritterstaates verursacht hat. Wahr<br />

ist aber auch, dass dieser ein anachronistisches<br />

Gebilde darstellt, das seine Kraft aus<br />

dem Kreuzzugs- und Missionierungseifer<br />

schöpft. Doch dieses Schwert wird am Ende<br />

des 14. Jahrhunderts stumpf. Zugleich ist es<br />

den Hochmeistern nicht möglich, auf das<br />

Mittel der Hochzeit zurückzugreifen, um<br />

Bündnisse zu schließen, während Polen<br />

und Litauen genau dies tun. Mit dem Frieden<br />

von Thorn hat die Geschichte somit<br />

kein Todesurteil gefällt, sondern lediglich<br />

den Totenschein ausgestellt.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

33


Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />

Teuer erkaufter Sieg<br />

„Mit vereinten Kräften!“<br />

4. August 1870: Die Schlacht bei Weißenburg bildet den Auftakt im Deutsch-Französischen<br />

Krieg von 1870/71 und wird zu einer harten Bewährungsprobe für die erstmals<br />

gemeinsam kämpfenden deutschen Soldaten.<br />

Von Christian Bunnenberg<br />

Als die Soldaten des Königs-Grenadier-<br />

Regiments Nr. 7 am Vormittag des<br />

4. August 1870 unweit der Stadt Weißenburg<br />

die französische Grenze überschreiten,<br />

stehen ihnen die Anstrengungen der letzten<br />

Tage bereits in die erschöpften Gesichter<br />

geschrieben. Nur wenige hundert Meter<br />

westlich von ihnen liefern sich mehrere bayerische<br />

Bataillone seit Stunden ein erbittertes<br />

Feuergefecht mit den Verteidigern der kleinen<br />

Grenzstadt. Und ebenso lange sehnen<br />

diese Bayern eine Entlastung durch die preußischen<br />

Einheiten herbei. Deren Kommandierender<br />

General, Hugo von Kirchbach, gibt<br />

unmittelbar nach dem Eintreffen auf dem<br />

Schlachtfeld den Befehl für den Sturm auf die<br />

Anhöhen im Süden Weißenburgs. Die Preußen<br />

sollen den Geisberg hinaufstürmen, in<br />

das Zentrum der französischen Stellungen<br />

einbrechen und den Gegner dort werfen.<br />

Später wird es heißen, dass der Angriff<br />

„mit fliegenden Fahnen und lautem Trommelschall“<br />

ausgeführt worden sei. Die „Königsgrenadiere“<br />

aus Preußen zahlen bei diesem<br />

Unternehmen den höchsten Blutzoll.<br />

Aus ihren Reihen werden noch bis zum<br />

Nachmittag 329 Mann in der Schlacht bei<br />

Weißenburg fallen.<br />

Truppenaufmarsch<br />

Wenige Stunden zuvor: Kurz nach Mitternacht,<br />

gegen 2:00 Uhr, brechen die preußischen<br />

Grenadiere das Biwak ab. In kleinen<br />

Gruppen stehen sie um die wenigen Feuer<br />

zusammen und warten auf den Befehl zum<br />

Abmarsch. Erholsam geschlafen hat niemand.<br />

Es regnet schon die ganze Nacht.<br />

Übermüdet und in durchnässten Uniformen<br />

rücken die preußischen Soldaten um 4:00 Uhr<br />

gegen Frankreich vor. Was sie dort erwartet,<br />

wissen weder sie noch ihre Kommandeure.<br />

Seit der Kriegserklärung des französischen<br />

Kaisers Napoleon III. an Preußen am<br />

19. Juli 1870 wird der Mobilmachungsplan<br />

für die norddeutschen Truppen ausgeführt.<br />

Auch die vier süddeutschen Staaten stehen<br />

zu den sogenannten „Schutz- und Trutzbündnissen“<br />

und entsenden ihre Soldaten an<br />

die französische Grenze.<br />

In drei Armeen aufgegliedert nutzen die<br />

deutschen Truppen vor allem die Eisenbahn,<br />

um in ihre Versammlungsräume zu gelangen.<br />

Ein besonderer Militärfahrplan ermöglicht<br />

es, innerhalb relativ kurzer Zeit mit 900<br />

ERFOLGREICH: Die preußisch-deutschen<br />

Truppen zwingen die Franzosen in<br />

der Grenzschlacht bei Weißenburg am<br />

4. August 1870 zum Rückzug.<br />

Abb.: ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein<br />

34


Zugfahrten rund 460.000 Mann<br />

sowie Waffen, Material und Pferde<br />

an die Grenzregion zu Frankreich<br />

zu transportieren. Dies<br />

stellt eine lang vorbereitete logistische<br />

Meisterleistung dar.<br />

Schließlich stehen Anfang<br />

August 1870 die 1. Armee bei<br />

Saarlouis, die 2. Armee bei Böcklingen<br />

und Saarbrücken und die<br />

3. Armee bei Landau und erwarten<br />

den französischen Angriff.<br />

Doch dieser bleibt bis auf einen<br />

halbherzig gegen Saarbrücken<br />

geführten Vorstoß aus.<br />

Aus den Beobachtungen berittener<br />

Fernpatrouillen schließen<br />

die deutschen Kommandeure,<br />

dass sich ein Teil der französischen<br />

Verbände im Elsass<br />

aufhalten muss. Am Abend des<br />

3. August 1870 erhält die 3. deutsche<br />

Armee den Befehl, selbstständig<br />

den Grenzfluss Lauter in<br />

der Nähe von Weißenburg zu<br />

überschreiten und die Franzosen<br />

aus dem Elsass zurückzudrängen.<br />

Unter dem Kommando des<br />

Kronprinzen Friedrich Wilhelm<br />

von Preußen bereitet sich der<br />

gesamtdeutsche Heeresverband<br />

auf den Einmarsch nach Frankreich<br />

vor. In den frühen Morgenstunden<br />

des 4. August 1870<br />

marschieren drei Kolonnen auf<br />

Weißenburg zu. Das II. bayerische Korps<br />

nimmt den direkten Weg durch die südpfälzische<br />

Ortschaft Schweigen Richtung Weißenburg<br />

mit dem Ziel, die französische<br />

Stadt zu besetzen.<br />

BERÜHMT: „Der Held von<br />

Weißenburg“ (Kronprinz<br />

Friedrich Wilhelm), Farblithographie<br />

von Carl Offterdinger.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Überraschte Franzosen<br />

Das V. preußische Korps folgt der Straße von<br />

Schweighofen nach Altenstadt, während das<br />

XI. preußische Korps zunächst weiter westlich<br />

die Lauter durchwatet und sich dann<br />

durch den Niederwald annähert. Die Verbände<br />

aus Baden und Württemberg stehen<br />

in der Nähe von Lauterburg, das I. bayerische<br />

Korps folgt mit einem Tagesmarsch Abstand.<br />

Angesichts der Gefahr eines größeren<br />

Gefechtes oder einer Schlacht ergeht vor<br />

dem Abmarsch noch der mündliche Befehl,<br />

dass sich die Kolonnen bei Bedarf unterstützen<br />

sollen.<br />

Um 8:00 Uhr erreichen die ersten Soldaten<br />

der bayerischen Vorhut die französische<br />

Grenze hinter Schweigen. Im Tal unter ihnen<br />

liegt Weißenburg. Die ehemalige Festungsstadt<br />

umschließen Wall und Graben,<br />

mitten hindurch fließt die Lauter. Südöstlich<br />

der Stadt befinden sich der Kopfbahnhof, einige<br />

Mühlen und kleinere Fabrikanlagen.<br />

Die Gleise verlaufen entlang der sogenannten<br />

„Weißenburger Linien“ – ehemalige Festungsanlagen,<br />

die allerdings seit der französischen<br />

Revolution 1789 nicht mehr instand<br />

gehalten wurden. Südlich der Lauter steigt<br />

das Gelände zum Geisberg hin ebenfalls<br />

wieder stark an. Ebendort, unweit des<br />

gleichnamigen Schlosses, entdecken die<br />

bayerischen Soldaten trotz des leichten Nieselregens<br />

aus der Ferne ein größeres Heerlager<br />

der Franzosen. Nur wenige Minuten<br />

später werden die Bayern von einigen wenigen<br />

Turkos, leichten Infanteristen aus den<br />

nordafrikanischen Kolonien, die in den<br />

Weinberghügeln zwischen Schweigen und<br />

Weißenburg lagern, beschossen. Meldereiter<br />

galoppieren zurück und melden, dass die<br />

Stadt besetzt, die Tore verschlossen und die<br />

umliegenden Gehöfte von den Franzosen<br />

zur Verteidigung eingerichtet seien.<br />

Diese Schüsse alarmieren auch die französischen<br />

Einheiten auf dem Geisberg. Deren<br />

Kommandeur, General Charles Abel<br />

Douay, ist von dem plötzlichen Auftauchen<br />

des Feindes völlig überrascht. Da die französischen<br />

Aufklärungseinheiten am frühen<br />

Morgen ohne besondere Beobachtungen<br />

zurückgekehrt waren, kann<br />

Douay die gegnerischen Soldaten<br />

nur schwer einschätzen. Er lässt die<br />

französischen Einheiten in Bereitschaft<br />

versetzen und schickt zwei<br />

weitere Bataillone Turkos und eine<br />

Batterie der Artillerie hinunter zur<br />

Stadt und an die Weißenburger Linien.<br />

Der General agiert zunächst<br />

vorsichtig und zurückhaltend. In<br />

Weißenburg und rund um den Geisberg<br />

stehen ihm nur etwa 5.000 Soldaten<br />

zur Verfügung. Im Gegensatz<br />

zu dem deutschen Aufmarsch<br />

kämpfen die Franzosen seit<br />

Kriegsbeginn mit verschiedenen<br />

Problemen. Während die<br />

Deutschen ihre Verbände<br />

möglichst geschlossen mit der<br />

Ausrüstung aus den Kasernen an<br />

die Grenze verlegen, gibt es in<br />

Frankreich 1870 keinen vorbereiteten<br />

Plan für den Aufmarsch.<br />

Berufssoldaten und Reservisten<br />

reisen in kleinen Einheiten in unausgelasteten<br />

Zügen durch das<br />

Land, während Waffen, Munition,<br />

Material und Verpflegung aus den<br />

Depots herangeschafft werden. Das<br />

alles zu koordinieren, stellt die französische<br />

Armee vor eine fast unlösbare<br />

Aufgabe. Und so fehlen General<br />

Douay am Morgen des 4. August<br />

1870 nicht nur Männer in den ihm<br />

zugeteilten Verbänden, sondern auch Verpflegung,<br />

Munition und sogar Karten.<br />

Übermächtige Angreifer<br />

Daher kann er zunächst nur abwartend beobachten,<br />

wie um 8:30 Uhr unter dem Schutz<br />

von eigenem Artilleriefeuer eine lange<br />

Schützenkette bayerischer Infanteristen auf<br />

Weißenburg zumarschiert. Dort haben die<br />

Verteidiger mittlerweile die alten Wälle besetzt<br />

und eröffnen ebenso wie die vor der<br />

Stadt eintreffenden Turkos das Feuer auf die<br />

Bayern. Weil die französischen Chassepotgewehre<br />

den deutschen Zündnadelgewehren<br />

in der Reichweite weit überlegen sind, können<br />

sich die wenigen französischen Kräfte<br />

erfolgreich gegen die Übermacht der Angreifer<br />

behaupten. Diesen geben die nachrückenden<br />

Einheiten allerdings die Gelegenheit,<br />

ihre starken Ausfälle auszugleichen.<br />

Immer mehr Soldaten können ins Gefecht<br />

geworfen werden. Die bayerischen Angriffe<br />

auf die Tore der Stadt brechen wiederholt im<br />

dichten Abwehrfeuer der Verteidiger zusammen.<br />

Auch die Artillerie kann zunächst<br />

kaum etwas gegen die durchweichten Wälle<br />

der Stadt ausrichten.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

35


Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />

Um 9:30 Uhr erreicht der preußische<br />

Kronprinz Friedrich Wilhelm die Anhöhe<br />

vor Schweigen und übernimmt die Führung.<br />

Fast gleichzeitig überqueren das V. und XI.<br />

Korps die Lauter und schwenken auf Weißenburg<br />

ein. Die Kommandeure lassen die<br />

Artillerie vorziehen und eröffnen das Feuer<br />

auf die französischen Stellungen am Geisberg.<br />

Dort wird schnell deutlich, dass die Kanonen<br />

der Franzosen nicht so weit reichen<br />

und die preußischen Artilleristen weitgehend<br />

ungestört agieren können.<br />

Tod des Generals Douay<br />

Um die bayerischen Kräfte vor Weißenburg<br />

einerseits zu entlasten und gleichzeitig den<br />

Angriff zu bündeln, gehen preußische Infanteristen<br />

entlang der Bahnlinie auf die<br />

Stadt zu.<br />

Dieses Unternehmen stockt aber auf der<br />

Höhe des Bahnhofs, wo die Turkos ebenfalls<br />

energisch Widerstand leisten.<br />

Mittlerweile ist auch General Douay über<br />

die ungefähren Ausmaße des Angriffs informiert.<br />

Ein junger französischer Offizier hatte<br />

sich alleine Richtung Altenstadt und Niederwald<br />

gewagt und war nur mit großem<br />

Glück wieder zurück zum Geisberg gelangt.<br />

Nach der erneuten Beurteilung der Lage reitet<br />

Douay die französischen Stellungen auf<br />

den Höhen südlich von Weißenburg ab und<br />

gibt Befehle zur Verteidigung. Unmittelbar<br />

„Treu dem Allianzvertrage, für welchen ich mein<br />

Königliches Wort verpfändet, werde ich mit meinem<br />

mächtigen Bundesgenossen für die Ehre<br />

Deutschlands und damit für die Ehre Bayerns<br />

einstehen, wenn es die Pflicht gebietet.“<br />

Ludwig II., König von Bayern, 1870<br />

OHNE FORTUNE: Marschall Patrice de Mac<br />

Mahon (1808–1893) muss sich bei Weißenburg<br />

und kurz darauf bei Wörth im Unterelsass<br />

(6. August 1870) dem Gegner geschlagen<br />

geben. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

nachdem er sich entschließt, die Grenzstadt<br />

aufzugeben und die dort kämpfenden Einheiten<br />

zurückzunehmen, fügt ihm ein Granatsplitter<br />

eine schwere Verwundung zu.<br />

Französische Offiziere bringen den General<br />

noch bis in das Gehöft Schafbusch, wo<br />

Douay kurz darauf stirbt. An seine Stelle tritt<br />

als Rangältester General Pellé. Der führt allerdings<br />

das Gefecht vor den Toren Weißenburgs<br />

und erhält die Todesnachricht zusammen<br />

mit dem letzten Befehl Douays. Obwohl<br />

sich die Franzosen nur schwer vom Feind lösen<br />

können, weichen die ersten Einheiten<br />

aus und werden von den Verbänden am<br />

Geisberg aufgenommen.<br />

Währenddessen versuchen die bayerischen<br />

Soldaten weiterhin, sich Zugang zu<br />

Weißenburg zu verschaffen. Durch das Ausweichen<br />

von Teilen der vor Weißenburg<br />

kämpfenden Franzosen und den entlastenden<br />

Angriff der Preußen auf den Bahnhof<br />

können die Bayern nun bis an die Stadttore<br />

vordringen. Auch ihre Artillerie wirkt immer<br />

effektiver gegen die Befestigungsanlagen.<br />

Trotzdem verwickeln die Turkos sowohl die<br />

Bayern als auch die Preußen in blutige Nahkämpfe.<br />

Im Bahnhof ringen die Soldaten um<br />

jeden Meter. Erst gegen 14:00 Uhr gelingt es<br />

den Bayern, in die Stadt einzudringen und<br />

die Übergabe zu erzwingen. Die verbliebenen<br />

Franzosen geben sich schon nach kurzen<br />

Verhandlungen, erschöpft, ohne Munition<br />

und unter dem Druck der Bevölkerung, geschlagen.<br />

Entscheidende Phase<br />

Auf den Hängen südlich von Weißenburg ist<br />

in der Zwischenzeit die Schlacht in ihre letzte<br />

Phase getreten. Französische Einheiten behaupten<br />

ihre Stellungen gegen die aus Norden<br />

und Westen anstürmenden Preußen.<br />

Schwerpunkte der Verteidigung bilden das<br />

Gehöft Schafbusch und das Schloss Geisberg.<br />

Die Eroberung beider Gebäudegruppen<br />

bezahlen die Deutschen mit erheblichen<br />

Verlusten.<br />

VORWÄRTS: Soldaten des V. preußischen<br />

Korps rücken bei Weißenburg im Elsass gegen<br />

die französischen Truppen vor.<br />

Abb.: ullstein bild – ullstein bild<br />

36


Blutiger Auftakt im Krieg 1870/71<br />

Angesichts der drohenden Niederlage<br />

und der immer noch nachrückenden gegnerischen<br />

Verbände weichen die Franzosen<br />

aus. Da morgens kein Befehl zur Auflösung<br />

der Biwakplätze gegeben worden war, müssen<br />

sie einen Großteil ihrer Ausrüstung bei<br />

Weißenburg zurücklassen. Das gilt allerdings<br />

nicht für die Artillerie, die rechtzeitig<br />

aus dem Gefecht zurückgenommen und bereits<br />

in Sicherheit gebracht wurde. Zur Verfolgung<br />

der französischen Soldaten kommt<br />

es am 4. August 1870 nicht. Die preußische<br />

Kavallerie reitet in den Marschkolonnen hinter<br />

den Infanteristen und erreicht das<br />

Schlachtfeld nicht mehr rechtzeitig. Lediglich<br />

das schlesische Dragonerregiment Nr. 4<br />

hält bis Sulz die Fühlung zum Gegner. Dadurch<br />

gelingt es den Franzosen, sich weitgehend<br />

einer Gefangennahme oder Zerschlagung<br />

durch die Deutschen zu entziehen.<br />

An den Toren und Wällen Weißenburgs,<br />

in den Hopfen- und Weinhängen vor der<br />

Stadt, auf dem Schlachtfeld am Geisberg und<br />

rund um den Bahnhof hinterlässt das mehrstündige<br />

Gefecht an diesem 4. August 1870<br />

ein entsetzliches Bild und gibt den Überlebenden<br />

eine Ahnung davon, was sie in den<br />

kommenden Schlachten dieses Krieges erwarten<br />

wird. Hunderte Tote, zum Teil grausam<br />

verstümmelt, von Granaten zerfetzt auf<br />

blutgetränktem Boden, erschossene Pferde,<br />

beschädigte Munitionswagen, weggeworfene<br />

Waffen, Kleidungsstücke, Helme. Dazwischen<br />

kleine Gruppen von Gefangenen, bewacht<br />

von deutschen Soldaten.<br />

KARTE<br />

Schlacht bei Weißenburg 1870<br />

Teuer erkaufter Sieg<br />

Immer mehr zeichnet sich ab, dass der<br />

„deutsche“ Sieg von Weißenburg teuer erkauft<br />

war. Um eine französische Division<br />

aus ihren Stellungen zu vertreiben, die<br />

höchstens zirka 5.000 Gewehre in die<br />

Schlacht führen konnte, mussten fast 30.000<br />

Soldaten der 3. deutschen Armee auf das<br />

Schlachtfeld geführt werden. 20.000 von ihnen<br />

standen letztlich im Gefecht. Während<br />

die Verluste der Franzosen auf mehr als 1.000<br />

Tote und Verwundete sowie eine ähnliche<br />

Anzahl an Gefangenen geschätzt werden,<br />

haben die Deutschen den Verlust von etwa<br />

1.460 Mann durch Tod oder Verwundung zu<br />

beklagen.<br />

Am späten Nachmittag sucht der preußische<br />

Kronprinz das Gehöft Schafbusch auf<br />

und lässt sich den Leichnam des gefallenen<br />

Literaturtipp<br />

Carl Bleibtreu: Schlacht bei Weißenburg am 4.<br />

August 1870, (Reprint der Ausgabe von 1903),<br />

Bad Langensalza 2009.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Generals Douay zeigen. In einem später von<br />

Anton von Werner angefertigten Historiengemälde<br />

sieht man Friedrich Wilhelm mit<br />

der Mütze in der Hand zusammen mit preußischen<br />

Offizieren vor dem provisorisch aufgebahrten<br />

Toten stehen. Dieses Bild wird<br />

maßgeblich die Erinnerung an die „Schlacht<br />

bei Weißenburg“ prägen, eine Schlacht, in<br />

der sich bereits das Grundmuster des<br />

Deutsch-Französischen Krieges abzeichnete:<br />

Starke deutsche Verbände kämpften gegen<br />

einen ebenfalls tapferen Gegner, dessen logistische<br />

und strategische Ausgangsposition<br />

zumindest in den Grenzschlachten in Elsass<br />

und Lothringen eine ungleich schlechtere<br />

war. Noch den ganzen Tag über sind die<br />

Straßen um Weißenburg und am Geisberg<br />

von durchziehendem Militär verstopft. Weiterhin<br />

erreichen Verbände der 3. deutschen<br />

Armee das Schlachtfeld. Gegen Abend des 4.<br />

August 1870 wird Biwak befohlen und die<br />

erschöpften Soldaten fallen neben den noch<br />

nicht geborgenen Toten auf dem Geisberg in<br />

einen kurzen Schlaf. Zwei Tage später werden<br />

sie, keine 20 Kilometer entfernt, in Wörth<br />

erneut auf die Franzosen treffen. Diese<br />

Schlacht sollte noch um ein Vielfaches blutiger<br />

werden.<br />

Christian Bunnenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Historischen Institut der Universität Duisburg-<br />

Essen, forscht u.a. zur Geschichts- und Erinnerungskultur<br />

der „Einigungskriege“.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

37


Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />

1990: Der irakische Diktator Saddam Hussein wagt mit der<br />

Eroberung Kuweits einen riskanten Zug. Hält die arabische<br />

Welt zu ihm? <strong>Wie</strong> reagiert Israel? Und vor allem: Lassen ihn<br />

die USA gewähren?<br />

Von Peter Andreas Popp<br />

38


Die Augen der Welt sind auf das sich<br />

wiedervereinigende Deutschland gerichtet,<br />

als am 2. August 1990 irakische<br />

Truppen in Kuweit einfallen. Ihr Ziel besteht<br />

in der Vernichtung der staatlichen Existenz<br />

Kuweits, um das Land als 19. Provinz in den<br />

Irak einzugliedern. Saddam Hussein, brutaler<br />

Diktator des Irak seit 1979, glaubt dafür<br />

freie Hand zu haben: Sein Land ist seit dem<br />

Krieg mit dem Iran (Erster Golfkrieg von<br />

1980 bis 1988) beim Nachbarn tief verschuldet.<br />

Kuweit weigert sich, diese Schulden zu<br />

erlassen. Zudem prägen Grenzstreitigkeiten<br />

das beiderseitige Verhältnis. Saddam greift<br />

zu einer Methodik, die im 20. Jahrhundert bereits<br />

mehrfach mit unterschiedlichem Erfolg<br />

praktiziert worden war: Durch Hitler-<br />

Deutschland und durch Japan in den 1930er-<br />

Jahren, durch China gegenüber Indien 1962<br />

im Kaschmir-Konflikt.<br />

Saddam Hussein sollte sich täuschen:<br />

Dieser Zweite Golfkrieg geht am 28. Februar<br />

1991 ganz anders zu Ende als erwartet, und<br />

der Irak sollte danach nicht mehr derselbe<br />

sein. Saddam regierte nach diesem Krieg<br />

zwar noch weiter, aber seine totalitär orientierte<br />

Herrschaft endet bekanntlich mit dem<br />

Dritten Golfkrieg im Frühjahr 2003.<br />

Und damit ist bereits ein methodisches<br />

Problem angerissen: Inwieweit können diese<br />

drei Kriege in der Golfregion „fein säuberlich“<br />

voneinander getrennt betrachtet werden?<br />

Auf der taktisch-operativen Ebene mag<br />

dies angehen, auf der politisch-strategischen<br />

Ebene hingegen nicht. <strong>Wie</strong> bereits erwähnt,<br />

endet der Zweite Golfkrieg mit einer Niederlage<br />

Saddams, aber nicht mit dessem Ende.<br />

Die Vereinten Nationen haben gegen den<br />

Aggressor den Sieg davongetragen, wobei<br />

die USA als Treuhänder agieren: Sie schmieden<br />

eine Allianz von 34 Staaten für die Operation<br />

„Desert Storm“ (Wüstensturm) zur<br />

Befreiung Kuweits.<br />

Das ist nach der Epoche des Kalten Krieges<br />

etwas Neues: So wie Hitler-Deutschland<br />

DIE NACHT WIRD ZUM TAG: Dieses Bild wird in den Medien<br />

oft präsentiert, um die alliierte Luftherrschaft zu belegen.<br />

Es zeigt irakisches Flugabwehrfeuer und explodierende<br />

alliierte Bomben in Bagdad in den frühen Morgenstunden<br />

des 18. Januar 1991.<br />

Foto: picture alliance/AP Images<br />

Clausewitz 5/2014<br />

39


Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />

BRENNENDE WÜSTE: Der Zweite Golfkrieg wird vor<br />

allem mit lodernden Ölquellen (im Bild) assoziiert. Er ist<br />

aber auch ein „Weltkrieg im Kleinformat“, der als postindustriell-elektronischer<br />

Krieg der Zukunft und medial<br />

global ausgefochten wird. Foto: picture-alliance/empics<br />

Herstellung des Zustandes von vor dem<br />

2. August 1990. Dies geschah nicht in machtpolitischem<br />

Alleingang der USA, sondern in<br />

Kooperation mit der Weltgemeinschaft. Der<br />

Ausgang des Krieges hingegen war durch<br />

„klassisch militärisches Verhalten“ geprägt.<br />

So verlegten die USA über eine halbe Millionen<br />

Soldaten an den Golf, unterstützt von<br />

Großbritannien mit etwa 50.000 Soldaten.<br />

Widersprüchlich ist der Zweite Golfkrieg<br />

aus folgenden Gründen:<br />

(1)Geplant als Vernichtungsfeldzug und<br />

ausgefochten nach den traditionellen<br />

Prinzipien der Militärtheorie: Trotz Auftragserfüllung<br />

ist ein langfristig befriedigender<br />

Ausgang nicht gegeben.<br />

(2)Ein „High-Tech-Krieg par excellence“ mit<br />

erheblichen Defiziten im Bereich „umfassende<br />

Beurteilung anderer wichtiger Parameter,<br />

wie Feindpsyche oder ökologisches<br />

Umfeld“.<br />

(3)Eine auf halbem Wege stecken bleibende<br />

„Bestrafungsaktion“: Saddam ist auch danach<br />

zur Aggression noch fähig.<br />

(4)„Desert Storm“ erzwingt die anfänglich<br />

nicht vorgesehene Operation „Provide<br />

Comfort“, die Rettung der in den Nordirak<br />

geflüchteten Kurden ab Frühjahr<br />

1991 vor deren physischer Vernichtung<br />

durch Saddam.<br />

Fortsetzung auf Seite 45<br />

und seine Verbündeten 1945 durch die damals<br />

gerade gegründeten Vereinten Nationen<br />

besiegt worden waren, so ergeht es jetzt<br />

Saddam – freilich mit dem Unterschied, dass<br />

seine Herrschaft eben nicht wie die Hitlers<br />

endet. Ein Vierter Golfkrieg steht bislang<br />

aus, wenngleich diese Region, die derzeit etwas<br />

mehr als die Hälfte der Welterdölvorräte<br />

birgt, alles andere als befriedet ist.<br />

Zwingende Zusammenhänge?<br />

Die Ordnung, die von den USA seit 1990/91<br />

im Nahen Osten und insbesondere in der<br />

Golfregion angestrebt wird, ist nicht stabil!<br />

Hier sei nur als Frage angerissen, ob aus dem<br />

Zweiten Golfkrieg zwingend der Dritte Golfkrieg<br />

entstehen musste? In rückschauender<br />

Perspektive spricht vieles dafür: Saddam<br />

hat, wenigstens gedanklich, nach 1991 keinen<br />

Abstand davon genommen, „seinen“<br />

Irak als vorherrschende Großmacht in der<br />

Golfregion zu (re-)etablieren, um ihn dann<br />

als Führungsmacht in der arabischen Welt<br />

aufzubauen. Die USA – 1990/91 noch mit<br />

dem Mandat der Vereinten Nationen handelnd<br />

– erreichen 2003 genau das, was ihnen<br />

1990/91 noch verwehrt geblieben war, und<br />

was sie möglicherweise damals noch nicht<br />

direkt angestrebt haben: den Sturz Saddams<br />

und seines Regimes durch Krieg. Im Frühjahr<br />

2003 handeln die USA nicht einmal<br />

mehr als Treuhänder der Vereinten Nationen.<br />

Vielmehr beseitigen sie die Herrschaft<br />

des Tyrannen mittels einer „Koalition der<br />

Willigen“, selbstermächtigt durch die Formel<br />

„War on Terrorism“.<br />

Konträrer Krieg<br />

Nach Auffassung des Schweizer Militärwissenschaftlers<br />

Gustav Däniker stellt der Zweite<br />

Golfkrieg einen „Anachronismus“ dar, da<br />

er „Wesenselemente aus zwei Epochen“ aufweise.<br />

Er belegt ein „neues strategisches<br />

Denken“ jenseits der bisherigen Handlungsmuster<br />

des Kalten Krieges. Es ging um die<br />

Befreiung Kuweits und die völkerrechtliche<br />

ANGST VOR GIFTGAS: Mit Schutzmasken<br />

ausgerüstete französische Soldaten in der<br />

Nähe der irakischen Grenze.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

40


Leseprobe<br />

ep<br />

be<br />

e<br />

Holen<br />

Sie sich jetzt die aktuelle l e Ausgabe am Kiosk!<br />

Für nur € 2,– (statt t € 3,50)!


Leseprob<br />

e<br />

Lieber -Leser,<br />

geht es Ihnen auch so: Renovieren, etwas selbst bauen und schaffen<br />

macht einfach Spaß! Lassen Sie sich von dieser Leseprobe der aktuellen<br />

SELBER MACHEN inspirieren!<br />

Und wenn Sie’s nun genau wissen wollen: <strong>Wie</strong> gestaltet man einen<br />

Treppen-Unterbau? <strong>Wie</strong> schafft man Ordnung in der Werkstatt?<br />

Dann nutzen Sie einfach den Gutschein auf der folgenden Seite!<br />

Damit erhalten Sie diese Ausgabe von SELBER MACHEN für nur<br />

€ 2,– statt € 3,50 an Ihrem Zeitschriftenkiosk.<br />

Ulrich Weiß<br />

Chefredakteur<br />

Viel Erfolg beim Heimwerken wünscht Ihnen Ihr<br />

Stauraum<br />

BAUEN um<br />

Neuer<br />

Platz<br />

im<br />

Winkel<br />

Unter den Stufen entsteht für<br />

kleines Geld großer Stauraum.<br />

D<br />

ass der Raum unter Treppen kostbar ist,<br />

wissen vor allem Bewohner von Häuausgenutzt<br />

sern ohne Keller. Richtig<br />

und herausgeputzt wird er jedoch selten. Stattdessen<br />

mutiert der Boden dort meist zur ungedie<br />

nur schlecht zu errei-<br />

liebten Abstellfläche,<br />

chen ist aber dafür umso besser einzusehen.<br />

Nicht<br />

ohne Grund, denn Möbel gibt es für diese<br />

Flächen nicht passend zu kaufen.<br />

Dabei kann man auch sc<br />

hräge Sachen einfach<br />

und günstig selbst bauen. So zieht eine neue<br />

Ordnung mit viel Stauraum unter der Treppe<br />

ein, die – aus Spanplatten konstruiert – kein<br />

Konto<br />

in Schieflage bring<br />

t. Ungewohnt aber<br />

kinderleicht ist die Ermittlung des Steigwin-<br />

kels der Treppe, der auf einige Bauteile übertragen<br />

werden muss. <strong>Wie</strong> es geht, zeigen wir auf<br />

den folgenden Seiten.<br />

Teil 1:<br />

UNTERBAU<br />

TREPPE<br />

vorher<br />

In jeder Ausgabe<br />

100 Seiten<br />

Bauen<br />

no<br />

gestalten<br />

ten<br />

renovieren<br />

er<br />

n<br />

Stauraum<br />

Richtig verbunden<br />

Die Schmalseiten abwinkeln<br />

Die vier senkrechten Teile erhalten auf ihrer Oberseite einen<br />

Schnitt, welcher der Steigung der Treppee entspricht<br />

Im Inneren des Ecks passen keine Einbauten<br />

n mehr<br />

hinein.<br />

Die Lösung: eine Klappe.<br />

Die<br />

drei Schub laden<br />

elemente<br />

werden dank Rollen und Sitzbezügen zu fahrbaren Hockern.<br />

2014<br />

11<br />

10<br />

Praktische Stauraum-<br />

Lösungen – einfach<br />

nachzubauen!<br />

Alles, was Sie brauchen, um<br />

jeden Winkel optimal zu<br />

nutzen: mit übersichtlicher<br />

Bauskizze, Materialliste,<br />

detaillierter Schritt-für-Schritt-<br />

Anleitung inklusive Fotos und<br />

vielen Tipps und Tricks.<br />

Den Steigungswinkel el ermitteln<br />

S chleifpapi<br />

er,<br />

Holzleim, Umleimer.<br />

Baustoffe<br />

Die jeweiligen Holzbretter (hier sind es<br />

Spanplatten)<br />

für die (vier) Senkrechten,<br />

die Einlegeböden (mit Blenden) und für<br />

die Deckenplatte.<br />

Um zu wissen, wie stark die Oberseiten der Bretter angeschrägt werden müssen, wird der<br />

Steigungswinkel<br />

der Treppe ermittelt – mit Lot oder Wasserwaage ist das leicht gemacht.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Eine<br />

dünne Sperrholzplatt te<br />

senkrecht<br />

auf<br />

Mit<br />

dem Bleistift<br />

anschließend am Rand der<br />

Mit dem Geodreieck<br />

kann auf dem<br />

die Treppenwange setzen,<br />

sodass eine Ecke auf Wange entlangfahren (auf der Rückseitee des Sperrholzbrett der<br />

Steigungswinkel<br />

abgelesen<br />

der<br />

Wa<br />

nkante zum Liegen kommt. Brettes)<br />

und den Str ch aufs Sperrholz setzen. werden.<br />

Er liegt<br />

hier bei circa 45 Grad.<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Mit<br />

dem Lot: Brettkantee parallel zur<br />

Der<br />

Steigungswinkel<br />

ist hier der W nkel<br />

Zum Übertrage<br />

n aller Maße von oben nach<br />

Trepp penwange halten. Das Lot genau über der zwischen der schmalen, rechten Seite des Brettes<br />

unten immer mit<br />

dem Lot arbeiten.<br />

Zum<br />

Brettt<br />

ecke befestigen. Linie am Lot ziehen. und der gezogenen Linie.<br />

Anzeichnen kommt<br />

Malerkrepp auf die Flächen.<br />

1 2<br />

3<br />

Umleimer mer aufkleben und<br />

schneiden<br />

1<br />

kel-Arretierung<br />

schlittens<br />

kann die<br />

ppt<br />

werden.<br />

as Bügeleisen nicht zu schnell über den Umleimer,<br />

damit der Schmelzkleber genug Zeit hat, sich<br />

en.<br />

Das Schneiden der Kanten sorgt bei Anfängern oft für Ärger – ein Kantentrimmer hilft.<br />

er<br />

muss in seiner Breite so<br />

n, dass er beidseitig übersteht.<br />

4 5<br />

berstand<br />

trennt das Cuttermes-<br />

Brettt<br />

auf den Umleimer stellen.<br />

6 7<br />

net<br />

sind Kantentrimmer,<br />

die beim<br />

Umleimer<br />

weiter<br />

andrücken.<br />

Um 45 Gradhaben wir die<br />

Maschine gekippt. Das entspricht<br />

dem Steigungswinkel<br />

der Treppe.<br />

2<br />

Mit<br />

dem Anschlagwinkelwird<br />

die Führungsschiene der Säge auf<br />

dem Bauteil ausgerichtet.<br />

Bei mittleree r Temperatu r wird<br />

der Kunst-<br />

stoff<br />

umleimer<br />

aufgeklebt. Eisen langsam führen.<br />

Das Cutterm<br />

esser in einer gleichmäß gen<br />

Bewegung un<br />

d parallel zum Brett führen.<br />

Mit feinem S chleifpapier (mind. 180er)<br />

werden die Kanten abschließend gebrochen.<br />

3<br />

4<br />

Die Oberseite des Brettes<br />

ist nun<br />

im selben Winkel wie die Treppen-<br />

s teigung angeschrägt.<br />

De r aufgedrückte Holzklotz<br />

sorgt<br />

ans<br />

gut zu wissen<br />

Kantentrimmer<br />

Die Kanten von Kunststoff-Umleimern<br />

können mit (sauberen!) en!) Stechbeiteln,<br />

Cuttermessern termessern oder<br />

am besten mit<br />

Kantentrimmern (Foto)<br />

abgeschnittenen<br />

werden. Ihre<br />

zwei<br />

Vorteile: Sie führen<br />

die Klinge im richtigen Winkel und<br />

drücken dabei<br />

den Umleimer<br />

ans<br />

Holz.<br />

(Das<br />

Gegenbeispiel<br />

sehen Sie zur<br />

Veranschaulichung in Foto 5).<br />

Im<br />

Gegensatz dazu sollten Echtholz-Um-<br />

leimer nur mit einer<br />

Flachfeile<br />

gebrochen werden (wegen der<br />

Maserung im Umleimer).<br />

12<br />

2014 13


Lesep<br />

prob<br />

e<br />

l<br />

Maßschneider<br />

Werkzeugtest<br />

TECHNIK erkzeugtest<br />

Großer<br />

PRAXIS-<br />

TEST<br />

H<br />

TECHNIK Werkzeugtest<br />

est<br />

Sieger mit<br />

besten Noten<br />

Abschlussnote 1,4 – damit fährt die Stihl HSE61 den<br />

Sieg in einem starken Testfeld ein, gefolgt von der<br />

Bosch AHS55-26, einem 3500-Gramm-Leichtgewicht.<br />

Anbieter<br />

Black & Decker<br />

Bosch<br />

Metabo<br />

Modell<br />

GT6060<br />

AHS55-26<br />

48 Plus<br />

HS8755<br />

99,95 €<br />

169 ,999<br />

€<br />

189,21 €<br />

Ausstattungsmerkmale<br />

Ab messungen: Länge x Höhe x Breitee [cm]<br />

100 x 20 x 20<br />

108<br />

x 23 x 25<br />

0<br />

97 x 24 x 22<br />

Gewicht<br />

[k<br />

g]<br />

3,2<br />

3,5<br />

4,1<br />

Kabe ellänge [cm]/-farbe<br />

Direktanschluss<br />

/-<br />

28 / Schwarz<br />

rz<br />

30 / Schwarz<br />

Leistun<br />

g (Angabe)<br />

[W]<br />

600<br />

600<br />

560<br />

Sch nittlänge [cm]<br />

60<br />

55<br />

55<br />

Schneiden:<br />

Anzahl/Öffnun<br />

g/Tiefe [mm]<br />

18 / 26 / 17<br />

16 / 26 / 21<br />

5<br />

15 / 24 / 19<br />

Me sserstärke unten + oben [mm]<br />

2,0 + 1, 8<br />

1, 8 + 1,8<br />

1,8 + 2,22<br />

Schwertbreite [mm]<br />

75<br />

vorne 60; hinten 75<br />

75<br />

Stihl<br />

HSE61<br />

229,- €<br />

118 x 20 x 25<br />

4,1<br />

32 / Schwarz<br />

500<br />

60<br />

19 / 21 / 17<br />

2,1 + 1, 9<br />

vorne 55; hinten 70<br />

Wolf<br />

HSE55V<br />

174,99 €<br />

98 x 26 x 15<br />

3,75<br />

24 / Schwarz<br />

500<br />

55<br />

17 / 24 /15<br />

2,0 + 2,0<br />

70<br />

Praxistest Schneiden<br />

Sch<br />

neiden frischer Austriebe<br />

+++<br />

+++<br />

Schneiden mehrj<br />

jähriger<br />

Triebe<br />

++<br />

+++<br />

Blo<br />

ckier-, Klemmneigung<br />

gering<br />

gering<br />

Note<br />

Praxistest<br />

Schneiden (45%)<br />

Gut (2,1)<br />

Sehr<br />

gut (1,3)<br />

71<br />

+++<br />

+++<br />

gering<br />

S ehr gut (1,3)<br />

+++<br />

+++<br />

gering<br />

Sehr gut (1,3)<br />

+++<br />

++<br />

gering<br />

Gut (2,1)<br />

70<br />

Werkzeuge und<br />

Maschinen im Test<br />

Wir haben in dieser Ausgabe sechs<br />

Heckenscheren für Sie getestet:<br />

Lesen Sie, welche besonders<br />

leistungsstark, praktisch in der<br />

Handhabung und geräuscharm ist.<br />

Handhabung<br />

G<br />

ebrauchshinweise<br />

++<br />

+<br />

Erstmontage<br />

+++<br />

+++<br />

Han dgriff<br />

mit Ein-/Aus-Schalte r<br />

++<br />

+++<br />

Bügelgriff<br />

mit Sicherheitsschalte r<br />

o<br />

+++<br />

Ma növrieren beim Schneiden, Schneiden im Überkopfbereic h<br />

+<br />

++<br />

Sch<br />

hnitt<br />

tführun<br />

g vertikal<br />

und horizonta<br />

al<br />

++<br />

+++<br />

Ausbalancier en<br />

o<br />

++<br />

Reinigung<br />

+<br />

++<br />

Messerschutz<br />

o<br />

++<br />

Note<br />

Handhabung (40%)<br />

Befriedigend (3,0)<br />

Gut (1,9)<br />

selber machen 7 | 2014<br />

+<br />

+++<br />

++<br />

+<br />

++<br />

++<br />

+<br />

++<br />

++<br />

end (2,5)<br />

Gut (2,4)<br />

Technik und Sicherheit<br />

(Laborprüfung)<br />

Hubzahl<br />

[min-1]<br />

1740<br />

3080<br />

2960<br />

Geräusch:<br />

Schalldruckpegel<br />

am Ohr ohne Last [dB(A)]<br />

95<br />

95<br />

86<br />

Wir ksamkeit und Bedienung der Zugentlastungseinrichtun g<br />

+<br />

+<br />

+<br />

Elektrische Sicherheit<br />

Ok<br />

Ok<br />

Ok<br />

Sto<br />

ppostion der Messer<br />

zufällig<br />

zufällig (sichtbarer<br />

Messernachlauf )<br />

zufällig<br />

Selbsttäti<br />

ges Abschalten nach Blockierun<br />

g<br />

nein<br />

ja<br />

nein<br />

Note<br />

Technik und Sicherheit (15%)<br />

Ausreichend (4,0)<br />

Bef riedigend (3,4)<br />

en d (3,3)<br />

Befriedigend (3,2)<br />

+++<br />

+<br />

+++<br />

+++<br />

+++<br />

+++<br />

+++<br />

++<br />

+++<br />

+<br />

+++<br />

+++<br />

+++<br />

++<br />

++<br />

++<br />

++<br />

++<br />

Sehr gut (1,3)<br />

Gut (2,1)<br />

3510<br />

1780<br />

95<br />

92<br />

++<br />

++<br />

Ok<br />

Ok<br />

verdeckt *<br />

verdeckt *<br />

nein<br />

nein<br />

Befriedigend (2,5)<br />

Befriedigend (3,0)<br />

Gesamtnote<br />

Befriedigend (2,8)<br />

Gut (1,9) Befriedigend e<br />

d (2,5) Gut<br />

(2,1) Sehr<br />

gut<br />

(1,4)<br />

Gut<br />

(2,3)<br />

* Schnei<br />

iden maximal<br />

geöff<br />

fnet<br />

72<br />

2014 73<br />

Alles im (Zu-)Griff!<br />

Mit diesem Aufbewahrungssystem<br />

schaffen Sie Ordnung in Ihrer Werkstatt.<br />

GUTSCHEIN<br />

TECHNIK<br />

46<br />

Innovationspreis<br />

Ordnungshüter<br />

So<br />

haben wir<br />

getestet<br />

!<br />

Das Benotungssyste<br />

m<br />

Die wichtigsten Kriter<br />

en bei der<br />

Beurteilung der Gerätee waren der Praxis-<br />

test Schneiden und die Handhabung –<br />

zunächst wurden die „klassischen“ Hölzer<br />

wie Buche und Weide geschnitten.<br />

Da<br />

lagen alle noch dicht beieinander. Bei den<br />

Anforderungen an die Handhabung lagen<br />

Schnitt<br />

t Buchenhecke<br />

Schnitt Weidenholz<br />

Geräuschentwicklung<br />

digkeit<br />

Elektrische<br />

Sicherheit<br />

die Testteilnehmer<br />

dann weiter ausein-<br />

Ds a<br />

Schneiden der Buchenhecke ist eine<br />

Neben Heckenschnittt<br />

wurde auch geprüft<br />

Das Geräusch einer Heckenschere ist<br />

zahlmessgerät<br />

wurde<br />

M it einem Hochspannungstestgerät<br />

ander, entscheidend waren hier die<br />

der<br />

größeren Herausforderungen. Die<br />

wie die Testgerätee Hölzer schneiden.<br />

subjektiv weniger laut, doch die<br />

Messerzähne pro<br />

wird<br />

die Isolationsfest<br />

gkeit der per<br />

Praxisanforderungen wie das Ausbalancie-<br />

fr schen Austriebe schaffen alle Gerätee<br />

Weidenstöcke mit hren dichten Fasern sind<br />

Messungen in der Akustikhalle zeigen<br />

n. Eine hohe Hubzahl<br />

Netzstrom betriebenen Geräte<br />

geprüft.<br />

ren und das Handling beim Schneiden.<br />

mühelos.<br />

Mehrjähr<br />

ge Triebe lassen sich<br />

e in bestens<br />

geeignetes Material.<br />

Schalldruckpegel<br />

ähnlich denen von<br />

das<br />

Schneiden von<br />

Diesen Abschnitt<br />

absolvieren alle ohne<br />

am besten mit den Gerätenvon Bosch,<br />

Bohrhämmern (Schallschutz tragen!),<br />

m“ Gehölz.<br />

Beanstandungen.<br />

Metabo und Stihl<br />

schneiden.<br />

Ausnahme:<br />

Metabo.<br />

Das<br />

modulare<br />

Aufbewahrungs- zu fairen<br />

und Werkzeug-system<br />

Blucave<br />

sorgt für Übersi<br />

cht – und das Preisen.<br />

Wenn alles seinen fe<br />

e sten Platz hat, dann findet man es leicht<br />

wieder. Diesen Grundsatz setzt die niederländische Firma Baabgestimmtes<br />

Wtavi Wa ia mit Blucave perfekt<br />

um: Ein aufeinander<br />

WAblage-<br />

und Werkze<br />

ugsystem, das in Modulbauweise funktio-<br />

<strong>Wie</strong>rt. Wn<br />

Ob Lampe, Ladestation<br />

oder 6er-Steinbohrer – alles hat<br />

seinen festen, passgenauen Platz.<br />

Wer mit Blucave<br />

Ordnung schaffen will, be-<br />

ginnt mit Koffern (je<br />

34 Euro)<br />

und<br />

der Wandschiene mit vier Halterungen<br />

(29 Euro).<br />

Je nach Bedarf können Stück für<br />

Stück weitere Module und Geräte<br />

folgen.<br />

Zurzeit umfasst das System<br />

unter anderem sechs kabel-<br />

und zwei<br />

akkubetriebene Tools (Akkubohrer,<br />

Schwingschleifer,<br />

etc.). Dabei handelt e<br />

sich um Aufsätze,<br />

die jeweils auf einen stromgebenden Controller<br />

(Akk<br />

Netz) gesteckt werden.<br />

Die Zubehörliste reicht vom Wandregal (99 Euro) bis<br />

zur Schublade (5 Euro).<br />

Erhältlich bei www.blucave-shop.de oder www.westfalia.de<br />

Regal mit<br />

inneren n Werten<br />

Höhenverstellbar<br />

s Bord verfügt über vier integrierte Schubladen, in die alle Zubeh<br />

s des Systems passen (z.<br />

B. für Bohrer,<br />

Stichsägenblätter,<br />

etc.).A<br />

der Regalunterseite nehmen Halterungen diverse Systemwerkzeuge,<br />

- steckdosen und -leuchten<br />

auf (Foto r.).<br />

INNOVA<br />

TION DES MONATS<br />

BATA<br />

A<br />

VIA BLUCAVE<br />

WERKSTA<br />

ATT- -SYSTEM<br />

Modulbauweise<br />

Ob Arbeitsleuchte (Foto)<br />

oder Akkubohrer:<br />

Alle<br />

Zubehörteile und Werkz<br />

uge des Systems<br />

n perfekt<br />

in die Auf-<br />

ngseinheiten.<br />

Strom und Licht<br />

dul liefert<br />

cht:<br />

Die<br />

kdose ist an<br />

are<br />

6-Meter-<br />

koppelt.<br />

Im<br />

n steckt eine<br />

leuchte,<br />

r dem Bord<br />

den kann.<br />

2014<br />

Wandschiene<br />

Die Wandschienen nehmen in<br />

ihren Halterungen die Koffer<br />

f Durch eine abschließbare<br />

e auf der Schiene kann<br />

Koffer-Reihe vor<br />

u btem Zugriff schützen.<br />

Koffer fer mit<br />

Durchblick<br />

Die Koffer bild<br />

Sie können du<br />

unterteilt werd<br />

Systemschubl<br />

Blucave-Reihe<br />

ihren spezifisc<br />

untergebracht<br />

parenten Deck<br />

einem Blick de<br />

✁<br />

Die kriterien<br />

Revolutionäre Idee<br />

Eine Innovation ist erst einmal<br />

„nur“ eine Neuheit. Benutzen<br />

wir dieses Wort in der Redaktion,<br />

meinen wir: nicht nur<br />

neu, sondern ein einzigartiger<br />

Ansatz – eine unerwartete<br />

Idee, die revolutionär sein<br />

kann oder mit bekannten<br />

Techniken etwas völlig Neues<br />

schafft – und diese Produkte<br />

werden von der Redaktion<br />

als „Innovation des Monats“<br />

ausgezeichnet.<br />

Jetzt für nur<br />

€ 2,–<br />

* Ihre nächstgelegene Verkaufsstelle von SELBER MACHEN<br />

finden<br />

Sie schnell<br />

und einfach unter<br />

www.mykiosk.com!<br />

Einfach ausschneiden und<br />

bei<br />

Ihrem händler* bis spätestens 13. August<br />

2014 einlösen!<br />

Zeitschriften-


Leseprob<br />

e<br />

Biefkasten<br />

BAUEN Biefkasten<br />

Gut geschützt<br />

vor den We<br />

tter-<br />

einflüssen sind<br />

nicht nur die<br />

Briefe. Im oberen<br />

Fach lassen sich<br />

Zeitungen und<br />

Zeit schriften gut<br />

unterbringen,<br />

ohne dass ihre<br />

Umschlag blätter<br />

zerreissen. Auch<br />

Päckchen finden<br />

dort trockenen<br />

Unterschlupf.<br />

Post ist da!<br />

Da wird sich Ihr Zusteller freuen:<br />

Der neue<br />

Briefkasten bietet viel<br />

Platz und zusätz -<br />

lich ein Fach für Zeitungen und Päckchen.<br />

Der Hingucker für jede Haustür.<br />

D<br />

er Briefkasten ist – ähnlich wie das Gartentor, eine<br />

Art Aushängeschild für ein Haus.<br />

Umso erstaunlicher,<br />

dass die meisten Hausbesitzer deutschland-<br />

weit auf die eher einfallslosen Postkästen<br />

in Edelstahl-<br />

Optik zurückgreifen. In jedem Baumarkt stehen anschei-<br />

Unsere kleine Briefkastensäule unterscheidet sich da<br />

nend immer nur dieselben zehn Modelle.<br />

wohltuend vom Einheitslook. Dass Sie damit erfreulichegarantieren.<br />

re Post erhalten, können wir leider<br />

nicht<br />

Aber zumindest<br />

das: Der Bau aus wasserfest verleimtem<br />

Sperrholz und Aluminium-Leisten ist ganz einfach.<br />

Biefkasten<br />

Große<br />

Klappe –<br />

viel<br />

dahinter<br />

ste<br />

mtes Sperrholz,<br />

kelpr<br />

ofile (Maße<br />

siehe<br />

uf der<br />

folgenden<br />

re,<br />

Briefkastenschloss<br />

ffe<br />

serfester Holzleim,<br />

zgrund, Wetterschutz-<br />

Die Alu-Leisten<br />

zusägen<br />

Die Leisten dienen als Eckverbinder und schützen dabei die Schnittkanten aller<br />

vier Außenbretter – dabei verpassen sie der Holzkonstruktion die feine Note.<br />

3<br />

Als Baumaterial dienen<br />

wasserfest verleimtes Sperr -<br />

holz und 20 x 20-mm<br />

Aluminium-Winkelprofile<br />

mutter<br />

des Schlosses wird<br />

die Bohrung geführt und mit<br />

enstück verschraubt.<br />

Um<br />

hen zu verhindern, wird die<br />

e mit einem Schraubendreher<br />

PROFI-tippp<br />

Messing macht’s<br />

Das Schloss eines<br />

Briefkastens ens ist<br />

im<br />

-<br />

mer der Witterung terung ausgesetzt, darum<br />

sollten Sie hier<br />

nicht<br />

an der Qualität<br />

sparen. Einfache Möbelschlösser<br />

sind<br />

schon für drei bis<br />

vier<br />

Euro erhältlich.<br />

Doch die werden nach spätestens<br />

ens<br />

einem Winter lädiert<br />

sein und nicht<br />

mehr richtig funktionieren. en<br />

Achten Sie darauf,<br />

ein Schloss<br />

aus<br />

Messing mit<br />

verchromter Oberflächee<br />

einzusetzen – das hält<br />

lange vor.<br />

Hammer, Körner, Ahle,<br />

chraubendreher,<br />

Maulschlüssel, Senker,<br />

, Schlüsselfeile, Pinsel,<br />

2014<br />

1<br />

2<br />

Die Stirnseite eines großen Vierkantholzes dient als<br />

Eine Mittellinie in nur eine der Innenseiten<br />

Führung beim Zuschneiden der Alu-Leisten. Die Säge<br />

anzeichnen. Für den Parallelstrich den Bleistift<br />

entlang der Schnittfläche führen, dann wir<br />

d’s gerade. auf den (führenden) Mittelfinger drücken.<br />

4<br />

31<br />

Die Öffnung fn<br />

für den Briefeinwurf ei<br />

und der<br />

Kastendeckel<br />

1<br />

30<br />

ch<br />

für die Briefeinwurf-Klapp<br />

e<br />

orstnerbohrer<br />

(30 mm) seitlich<br />

Unterkante<br />

e gebohrt<br />

t.<br />

Originelle Ideen für Ihr<br />

Zuhause, für's Haus …<br />

Dieser Briefkasten bietet nicht<br />

nur viel Platz für Briefe und<br />

Päckchen, sondern ist auch eine<br />

Zierde für Ihr Haus.<br />

Senku ng,<br />

den<br />

S chrau-<br />

ben e<br />

ntsprechend.<br />

Deren<br />

Köpfe dürfen<br />

keinesfalls<br />

über-<br />

stehen,<br />

sonst liegen<br />

die Außenbretter<br />

nach her<br />

nicht sauber<br />

im Winkel.<br />

5<br />

7<br />

Die Lage<br />

des Schlosses<br />

in Bezug auf die Oberkante<br />

hängt von der jeweiligen Bauform des Schlosses ab.<br />

Min destens<br />

ein Dr ttel<br />

des Riegels sollte überstehen.<br />

6<br />

8<br />

Ein 18er-Forstnerbohre r setz<br />

zt das Loch zur Aufnahme<br />

des Schlosses (kann abweichen, je nach Schlosswahl). Achten<br />

Sie auf einen exakt mitt gen Sitz<br />

zwischen den Seiten.<br />

2<br />

ägt überstehende Teile an den<br />

hrung ab, damit dort<br />

sauberee<br />

en entstehen.<br />

Danach: schleifen. 3<br />

4 5<br />

markiert<br />

mit zwei Einschnitten<br />

Mit<br />

der Ras<br />

pel wird<br />

anschließend der Raum<br />

Ausschnitts.<br />

Lieber nachsägen zwischen den<br />

feinen Schnitten abgetragen.<br />

zu tief<br />

zu sägen.<br />

Je breiter die Raspel, desto<br />

einfacher gelingt es.<br />

6<br />

Das Dach<br />

wird<br />

mit Holzleim (umlaufend an<br />

der<br />

Kante) und Schrauben aus einer größeren<br />

und einer kleineren Platte<br />

zusammengesetzt.<br />

32<br />

2014 33<br />

✁<br />

Selbermachen Media GmbH, Neumann-Reichardt-Straße 27-33, 22041<br />

Hamburg<br />

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ert.<br />

Händlerstempel<br />

... und für den<br />

Garten!<br />

Nicht nur das Selbermachen<br />

macht Spaß:<br />

An diesen Gartenspielen<br />

hat danach<br />

die ganze Familie<br />

Freude!<br />

k<br />

Balanceakt<br />

An Seilen<br />

Es muss<br />

nicht<br />

immer<br />

Fußball oder<br />

Frisbee sein!<br />

Diese kurzweiligen<br />

Outdoor-Spiele verlangen en Köpfchen und Fingerspitzengefühl.<br />

Sie sind kinderleicht zu bauen und begeistern auch die Großen.<br />

E<br />

ntweder<br />

sind unsere beiden Spielkonstruktionen in ihre<br />

entspannen wir im Garten<br />

oder wir arbeiten in ihm. Aber<br />

warum<br />

wird das eigene Grün so selten zum<br />

Platz für unterhaltsame und<br />

spannende<br />

Spiele? Der Garten als Spielplatz:<br />

Damit<br />

meinen wir an dieser Stelle keine Flächen für die<br />

sportlichen Varianten mit Fuß-<br />

oder Federball,<br />

sondernn die mit Köpfchen und Fingerspitzenge-<br />

fühl.<br />

Ein kleiner Platz unter dem starken Ast ei-<br />

nes Baumes genügt, um Raum für unsere hier ge-<br />

zeigten Konstruktionen zu bieten.<br />

Die sind nicht nur schnell und kinderleicht<br />

ge-<br />

baut, sie machen – und das ist ja entscheidend –<br />

extrem viel<br />

Spaß. Und das gilt nicht nur für<br />

jede<br />

Altersklasse!<br />

Das erste Spiel: Beim ‘schwebenden<br />

Teller’<br />

kämpfen die Spieler gegeneinander<br />

und gegen<br />

die Erdanziehungskraft.<br />

Es gilt, die<br />

im Mittel-<br />

punkt aufgehängte<br />

Platte im Gleichgewicht<br />

zu<br />

halten – oder das Gegenteil herbeizuführen.<br />

Unseree<br />

zweite Spiel-Idee, das Kugel-Labyrinth<br />

mit den Lochfallen, kennen viele sicherlich<br />

als<br />

Indoor-Variante. Unsere Version<br />

in XXL ist<br />

schwebend aufgehängt und kommt<br />

dement-<br />

sprechnd ohne hakeliges Gestänge aus (Bauan-<br />

leitung ab Seite 80).<br />

Egal für<br />

was Sie sich entscheiden:<br />

außerge-<br />

wöhnlicher Spielspaß im Garten ist<br />

garantiert.<br />

em Mittelpunkt<br />

aufgehangen. Das<br />

erfordert Sorgfalt<br />

beim Messen.<br />

SCHWEBE-<br />

TELLER<br />

P hysik zum Anfassen biete<br />

die schwebende Platte.<br />

Das Hebelprinzip, das Gleichgewicht der Kräfte<br />

und die<br />

Erdanziehungskraft spielen in jeder Spiel-Variante<br />

mit.<br />

Weitere Themen in dieser Ausgabe:<br />

Neuer Glanz für Fassaden und Fenster, Welche Farbe eignet sich<br />

für welche Wand, Basiswissen Holz- und Zinken-Verbindungen<br />

und vieles mehr!<br />

77


Gefährliches Machtgefüge am Golf<br />

FAKTEN<br />

Die Gegner<br />

Irak: Wehrpflichtigenarmee von zirka einer<br />

Millionen Soldaten (150.000 Soldaten<br />

der Republikanischen Garde), Verluste: etwa<br />

30.000 Gefallene<br />

Antiirakische Koalition: etwa 900.000 Soldaten<br />

auf dem Höhepunkt des Krieges (davon<br />

539.000 USA, 45.000 Großbritannien),<br />

Verluste: rund 500 Gefallene<br />

(5)Der Sieg löst entgegen der Meinung militärischer<br />

Traditionalisten eben nicht alle<br />

Probleme: „die Allianz war bereits ab<br />

Sommer 1991 wieder gezwungen, Streitkräfte<br />

für eine unter Umständen notwendige<br />

neue Intervention bereitzustellen.“<br />

Kalter Krieg und schwarzes Gold<br />

Also ein Pyrrhussieg und ein Beweis für die<br />

Gültigkeit der These „den Krieg gewonnen,<br />

aber den Frieden verloren“? Die Antwort darauf<br />

fällt zwiespältig aus, gerade im Wissen<br />

darum, dass es noch einen Dritten Golfkrieg<br />

geben sollte!<br />

Für Saddam ist der Angriff auf Kuweit jedenfalls<br />

zwingend notwendig. Das Land ist<br />

erschöpft durch den achtjährigen Krieg gegen<br />

den Iran, den Saddam nur hatte gewinnen<br />

können, weil in der letzten Phase des<br />

Ost-West-Konflikts weder die westliche<br />

noch die östliche Seite daran interessiert war,<br />

dass der schiitisch geprägte Iran im Zeichen<br />

der „islamischen Revolution“ zur beherrschenden<br />

Macht in der Golfregion aufsteigt.<br />

Der Iran kann als staatliche und kulturelle<br />

Einheit auf eine Jahrtausende zählende<br />

Geschichte zurückblicken. Anders hingegen<br />

seine Nachbarn: Sowohl der Irak als auch<br />

Kuweit verkörpern Staatsneubildungen<br />

sein, seit 1979 an der Macht, schien der Irak<br />

zum Warschauer Pakt zu gehören.<br />

Eine Veränderung trat, wie gesagt, zögerlich<br />

ab dem Zeitpunkt ein, als zwischen dem<br />

angreifenden Irak und dem Iran ein achtjähriger<br />

Waffengang, der Erste Golfkrieg, anhob<br />

(22. September 1980). Durch die Unterstützung<br />

sowohl von Ost wie West und insbeüber<br />

Stammesgrenzen hinweg, die von den<br />

Siegern des Ersten Weltkrieges geschaffen<br />

worden waren, als es 1920 in Sèvres galt, das<br />

Osmanische Reich als Verlierer des Ersten<br />

Weltkrieges aufzulösen. Die staatliche Architektur<br />

der Golfregion entsprach britischer<br />

Herrschaftsambition. Es ging um den<br />

Schmierstoff der modernen Welt: um Erdöl.<br />

Die USA wurden in der Golfregion samt<br />

der arabischen Halbinsel erst während des<br />

Zweiten Weltkrieges vorstellig. Sie setzten<br />

nicht auf die massive Stationierung von Soldaten,<br />

sondern primär auf die Kooperation<br />

mit dem saudischen Königshaus, um sowohl<br />

ihren Alliierten, Großbritannien, vor kolonialpolitischen<br />

Eskapaden zu bewahren als<br />

auch für billiges Erdöl zu sorgen. Mit dem<br />

aufkommenden Kalten Krieg wurde für die<br />

USA zunehmend der Iran interessant, ja unersetzlich.<br />

Der Sturz des Schah-Regimes<br />

(1977) und die darauffolgende Etablierung<br />

eines schiitisch geprägten Gottesstaates<br />

schienen abrupt der massiven amerikanischen<br />

Einflussnahme in der Golfregion ein<br />

Ende zu bereiten. Ähnlich war es den Briten<br />

mit dem Irak seit Juli 1958 ergangen. Mit der<br />

Herrschaft der Baath-Partei wandte sich der<br />

Irak zunehmend vom Westen ab und driftete<br />

ins sowjetische Lager. Unter Saddam Hus-<br />

DAS ENDE: Für diese irakischen Soldaten<br />

ist der Kampf vorbei. Sie wurden am<br />

zweiten Tag der Bodenoffensive gefangen<br />

genommen.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

VERBRANNTE ERDE: Irakische<br />

Truppen zerstören bei Ihrem Rückzug<br />

Ölquellen. Ein amerikanisches M998<br />

HMMWV fährt durch die gespenstische<br />

Wüstenlandschaft.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Clausewitz 5/2014<br />

45


Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />

Größenwahnsinniger Tyrann<br />

Saddam Hussein<br />

Gehört Saddam Hussein (1937–2006) in<br />

dieselbe Kategorie wie Hitler, Stalin oder<br />

Mao Tse-tung? Die Meinungen darüber<br />

gehen auseinander. Von der Zahl der Menschenopfer<br />

her betrachtet haben die drei<br />

ungleich mehr Blut an den Fingern kleben<br />

als Saddam Hussein. Aber: Saddam ging<br />

bei ihnen in die Schule des politischen<br />

Verbrechens. Sein Herrschaftsapparat<br />

orientiert sich an den terroristischen Herrschaftsgebilden<br />

dieser drei Massenmörder,<br />

unter besonderer Berücksichtigung lokaler<br />

Gegebenheiten. Gestützt auf (1) seinen<br />

Familienclan und auf die Loyalität bestimmter<br />

Stämme unter den Vorzeichen des<br />

sunnitischen Islam, (2) ergänzt durch die<br />

Hilfe der Baath-Partei als monopolistische<br />

Massenpartei mit Deutungshoheit, also<br />

mittels Propaganda und Führerkult, und<br />

abgesichert (3) durch ein Regime miteinander<br />

konkurrierender Geheimdienste, errichtet<br />

der Diktator auf dem Gebiet eines<br />

künstlich von den Siegern des Ersten<br />

Weltkrieges geschaffenen Staates Strukturen,<br />

die eben diesem Staat namens Irak die<br />

Existenz sichern und ihn schließlich doch<br />

zerstören.<br />

Saddam ist kein Islamist, sondern ein<br />

brutaler weltlicher Herrscher, der den Faktor<br />

des sunnitischen Islam gegen die Schiiten<br />

und gegen die Kurden ganz gezielt einsetzt.<br />

Seine Herrschaft gewährt kein<br />

Pardon, selbst gegenüber abtrünnigen<br />

Familienmitgliedern nicht! Als<br />

„Wohltäter auf Zeit“ wirkt er, insofern<br />

er die Alphabetisierung der<br />

Bevölkerung, die Emanzipation der<br />

Frau, die Industrialisierung des<br />

Landes vorantreibt. Davon profitieren<br />

nicht zuletzt die Christen im Irak. Sie<br />

sind als Instrumente von Saddams<br />

Herrschaft geduldet. Ganz anders die<br />

Juden. Sie werden vertrieben, weil sich<br />

so Saddams Irak am besten als Führungsmacht<br />

der arabischen Welt zu<br />

inszenieren glaubt. Der Diktator setzt<br />

gegen die Kurden wie auch gegen den<br />

Iran gezielt C-Waffen ein. Hätte er es im<br />

Zweiten Golfkrieg auch gegen Israel<br />

getan („nur“ Raketen trafen damals<br />

israelisches Territorium), Israel hätte<br />

nicht gezögert, die Staudämme am<br />

Oberlauf von Euphrat und Tigris zu<br />

sprengen.<br />

Saddams Ambitionen zielen<br />

auch auf den Besitz von Atomwaffen.<br />

Das nach dem Zweiten Golfkrieg<br />

einsetzende anglo-amerikanische<br />

Kontrollregime auf Grundlage von<br />

UN-Beschlüssen vereitelt dies. Erst der<br />

völkerrechtlich äußerst umstrittene Dritte<br />

Golfkrieg (2003), den die USA auf der<br />

Grundlage gefälschter „Beweise“ für die<br />

Existenz von Massenvernichtungswaffen<br />

beginnen, bringt Saddams Herrschaft zu<br />

Fall. Am 30. Dezember 2006 wird er durch<br />

ein irakisches Tribunal verurteilt und anschließend<br />

hingerichtet. <strong>Wie</strong> und ob der Irak<br />

ohne ihn überlebt, bleibt abzuwarten.<br />

DER PATE VON BAGDAD: Während einer<br />

Parade posiert Saddam mit einem<br />

Gewehr vor seinen Truppen. Das Bild<br />

entstand Ende 2000, der verlorene<br />

Zweite Golfkrieg bringt den seit 1979<br />

regierenden Diktator (noch) nicht um<br />

seinen Posten. Foto: picture-alliance/dpa<br />

sondere durch deren Schweigen, als der Irak<br />

gegen den Iran wie auch gegen Teile der eigenen<br />

Bevölkerung C-Waffen einsetzte, fühlte<br />

sich Saddam in der Anschauung bestärkt,<br />

nicht nur im Innern, sondern auch gegenüber<br />

der Nachbarschaft agieren zu können,<br />

wie er wolle.<br />

Anspruchsvolle Aufgabe<br />

Dem Diktator entgeht dabei völlig, dass sich<br />

mit dem sowjetischen Reformer Gorbatschow<br />

auch die Weltpolitik zu wandeln beginnt.<br />

Diese neue Sowjetunion, die der deutschen<br />

Einheit keine Steine in den Weg legt,<br />

ist nicht bereit, dem weltlich orientierten irakischen<br />

Regime einen machtpolitischen<br />

Blanko-Scheck auszustellen. Saddam realisiert<br />

offensichtlich auch nicht, dass mittlerweile<br />

in die Palästina-Frage Bewegung gekommen<br />

ist. Die Israelis und die gemäßigten<br />

Kräfte auf palästinensischer Seite gehen aufeinander<br />

zu. Hinzu kommt, dass ein machtpolitisch<br />

ambitionierter, noch dazu weltlich<br />

orientierter Irak auch nicht im Interesse der<br />

Saudis und der Golfstaaten liegt.<br />

Als Saddam den Angriff auf den Nachbarn<br />

Kuweit befielt, dokumentiert er zwar<br />

machtpolitische Ambitionen, legt zugleich<br />

aber auch Zeugnis ab für eine gigantische<br />

Fehleinschätzung der Lage. Tatsache ist aber<br />

auch, dass der amerikanische Kongress die<br />

Entsendung von Soldaten am 12. Januar 1991<br />

nur mit knapper Mehrheit billigt (Senat: 52<br />

pro, 47 contra; Repräsentantenhaus: 250 pro,<br />

183 contra). Das heißt, die amerikanische öffentliche<br />

Meinung ist alles andere als kriegslüstern.<br />

Zu tief sitzt noch der Schock des Vietnam-Krieges.<br />

Zur effizienten Abwehr der<br />

irakischen Aggression ergeben sich daher<br />

aus amerikanischer Sicht mehrere Herausforderungen:<br />

(1)Den Krieg durch den Einsatz modernster<br />

Technik unbedingt kurz zu halten,<br />

(2)den Waffengang der Öffentlichkeit glaubhaft<br />

als „klinisch einwandfreie Operation“,<br />

durchzuführen durch Präzisionswaffen,<br />

darzustellen,<br />

(3)nach dem Motto „winning the hearts and<br />

minds“ Journalisten in das Kampfgeschehen<br />

„einzubetten“, auf dass der Krieg an<br />

der Heimatfront und auf internationaler<br />

Ebene publizistisch gewinnbar ist,<br />

(4)die machtpolitische Interessenlage der<br />

USA multilateral, also zusammen mit und<br />

bewusst eingehend auf alte und neue Verbündete,<br />

umzusetzen.<br />

1990 ist die US-Administration unter Präsident<br />

Georg Bush sen. noch davon überzeugt, dass<br />

sich nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes<br />

eine neue internationale Ordnung auf der Basis<br />

eines gemeinsamen Menschenrechtsverständnisses<br />

abzeichnen würde. Gut zehn Jahre<br />

später – unter der Präsidentschaft des Sohnes<br />

– sollte dies nicht mehr der Fall sein.<br />

Kurz und schmerzvoll<br />

Der Zweite Golfkrieg dauert in der Tat nicht<br />

lange, nämlich vom 2. August 1990 (Angriff<br />

des Iraks auf Kuweit) bis zum 28. Februar<br />

(Verkündung des Waffenstillstandes seitens<br />

der USA) beziehungsweise 3. März 1991<br />

(Unterzeichnung des Waffenstillstandabkommens).<br />

Dieser Zeitraum ist seinerseits<br />

abgrenzbar in drei Perioden:<br />

(1)Vom irakischen Angriff bis zur Annexion<br />

Kuweits (2.–8. August 1990).<br />

(2)Vom Eintreffen der ersten amerikanischen<br />

Soldaten in Saudi-Arabien bis zum Abschluss<br />

der Operation „Desert Shield“,<br />

dem Aufmarsch der Koalitionskräfte<br />

(9. August 1990–16. Januar 1991).<br />

46


Beginn der Bodenoffensive<br />

ZUM NAHKAMPF BEREIT: Britische Soldaten mit aufgepflanztem<br />

Bajonett während einer Übung in der saudischen Wüste im<br />

Januar 1991. Die Briten stellen nach den Amerikanern das<br />

größte Kontingent der alliierten Streitmacht. Anders als im<br />

Dritten Golfkrieg engagiert sich 1991 aber auch Frankreich<br />

(inkl. der Fremdenlegion).<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

(3) Der Operation „Desert Storm“, dem Angriff<br />

der Koalition, der Befreiung Kuweits<br />

und der Zerschlagung der irakischen<br />

Streitkräfte in Kuweit und dem südlichen<br />

Irak: Insgesamt 46 Kriegstage (17. Januar-<br />

3. März 1991), wovon lediglich fünf Tage<br />

(24.–28. Februar 1991) der Bodenoffensive<br />

vorbehalten bleiben.<br />

Siegreicher Soldat<br />

General H. Norman Schwarzkopf<br />

Bis zum Beginn der Bodenoffensive am<br />

24. Februar 1991 haben die Alliierten ab dem<br />

17. Januar rund 110.000 Luftangriffe auf den<br />

Irak und seine Stellungen in Kuwait geflogen<br />

und eine Last von 85.000 Tonnen an<br />

großteils präzisionsgesteuerten Bomben abgeworfen.<br />

Stealth-Tarnkappenbomber und<br />

elektronische Kampfführung zum Ausschal-<br />

BÄRBEIßIG UND HEMDSÄRMELIG: General<br />

Schwarzkopf während einer Pressekonferenz<br />

im Königreich Saudi-Arabien am 10. Februar<br />

1991. Der Amerikaner<br />

mit deutschen<br />

Wurzeln wollte die<br />

irakische Armee<br />

bereits 1991 völlig<br />

aufreiben.<br />

Foto: picturealliance/dpa<br />

Die Bezeichnung „Haudegen“ gibt nur grob wieder, was die<br />

amerikanische Öffentlichkeit an General H. Norman Schwarzkopf<br />

(1934–2012) so liebte, und was viel besser ausgedrückt<br />

ist mit dem Spitznamen „Stormin’ Norman“: Der<br />

Generalssohn mit bulliger Erscheinung, grimmigem Blick und<br />

deutschstämmigen Wurzeln kommandiert die Koalitionstruppen<br />

im Zweiten Golfkrieg. Operation „Desert Storm“ macht<br />

das Vietnam-Trauma vergessen, und so zählt Schwarzkopf<br />

neben Patton und Eisenhower zu den populärsten amerikanischen<br />

Generalen des 20. Jahrhunderts. Zweifellos weiß sich<br />

„Stormin’ Norman“ gekonnt zu inszenieren. Hohe Intelligenz<br />

und künstlerische Sensibilität zeichnen ihn aus. Er, der<br />

Hochdekorierte, lehnt eine politische Karriere stets ab. Das<br />

hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er immer<br />

militärisch statt politisch denkt. Schwarzkopf ist kein Mann<br />

für Cocktail-Partys und nicht zu haben für politische Kompromisse.<br />

Ist er also zu geradlinig? Darüber kommen in zeitlicher<br />

Distanz zum Zweiten Golfkrieg zunehmend<br />

Zweifel auf. Schwarzkopfs Memoiren stehen in eigenartigem<br />

Kontrast zur Studie von Michael R. Gordon und<br />

Bernard E. Trainor „The Generals’ War: The Inside<br />

Story of the Conflict in the Gulf”, erschienen<br />

1995. Ungeachtet der dortigen Entzauberung<br />

eines hochdekorierten Truppenführers: Zu<br />

gern hätte Schwarzkopf im Frühjahr 1991<br />

die irakischen Truppen völlig zerschlagen.<br />

Die Politik von Präsident George Bush<br />

sen. ließ es nicht zu. Militärisch wäre es<br />

durchaus möglich gewesen. Mehr als<br />

zehn Jahre später sollte Schwarzkopfs<br />

Wunsch in Erfüllung gehen – freilich zu<br />

einem anderen politischen Preis und<br />

nicht unter seiner militärischen Verantwortung.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

47


Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />

HIGHTECH-KRIEG: Als die antiirakische Allianz<br />

am 17. Januar 1991 mit dem Bombardement des<br />

Irak beginnt, ist dies der bis dahin größte Luftangriff<br />

der Geschichte. Flugzeugträger wie die hier<br />

gezeigte USS THEODORE ROOSEVELT (siehe Grafik<br />

unten) spielen dabei eine zentrale Rolle.<br />

Die gezeigte F-14 Tomcat (Foto) stammt von der<br />

ROOSEVELT. Foto: picture alliance/Everett Collection<br />

GRAFIK<br />

So funktioniert ein US-Träger<br />

Abb.: picture-alliance/dpa Grafik<br />

ten der irakischen Luftabwehr kommen effizient<br />

zum Einsatz. Dennoch sind sogenannte<br />

„Kollateralschäden“ unvermeidbar.<br />

Die Bodenoffensive ist untrennbar verbunden<br />

mit dem Namen von General Norman<br />

Schwarzkopf, der mit dem Spitznamen<br />

„Stormin’ Norman“ gewissermaßen das<br />

amerikanische Gegenstück zum preußischen<br />

„Marschall Vorwärts“ Blücher darstellt. Sie<br />

beginnt am 24. Februar 1991 um 4:00 Uhr.<br />

Marines dringen tief in irakisches Territorium<br />

ein und erringen erhebliche Erfolge gegenüber<br />

den demoralisierten irakischen Soldaten:<br />

29 irakische Divisionen sind zerschlagen,<br />

etwa 3.008 Kampfpanzer außer Gefecht,<br />

1.879 der 2.870 gepanzerten Fahrzeuge und<br />

2.140 der 3.100 Artilleriegeschütze zerstört.<br />

63.000 irakische Soldaten gehen in Kriegsgefangenschaft.<br />

Saddams republikanische Garden<br />

bleiben indessen intakt! Der Rückzug<br />

der Irakis aus Kuweit ab dem 26. Februar geschieht<br />

nach der Devise „verbrannte Erde“,<br />

was wiederum zur stundenlangen Bombardierung<br />

des irakischen Trosses auf der damit<br />

zum „Highway of Death“ umbenannten Verbindungstrasse<br />

zwischen Bagdad und Kuweit-City<br />

durch die Luftstreitkräfte der Allianz<br />

führt. 100 Stunden nach Beginn der Boden-invasion<br />

ist der Kuweit befreit.<br />

Bitter enttäuschte Hoffnungen<br />

Die USA scheinen mit dem Zweiten Golfkrieg<br />

das „Trauma Vietnam“ endgültig überwunden<br />

zu haben. Propagandistisch verlor<br />

der Irak den Krieg bereits gleich zu Beginn.<br />

Stichwortartig seien als Beleg dafür nur ge-<br />

48


Das Ende als Anfang eines neuen Krieges<br />

Literaturtipps<br />

Anmerkung: Eine militärhistorisch-kritische Darstellung des Golfkrieges<br />

steht bislang wegen der weithin noch unzugänglichen Militärakten<br />

aus. Die archivalische Sperrfrist in den USA und in GB<br />

beträgt 30 Jahre. Gleichwohl sind hervorzuheben die Leistungen<br />

des investigativen Journalismus (z.B. Atkinson oder Pollack).<br />

Titel aus unterschiedlicher US-amerikanischer Perspektive:<br />

Rick Atkinson: The untold story of the persian gulf war, Boston 1993.<br />

Norman Schwarzkopf: Man muss kein Held sein.<br />

Die Autobiographie, München 1993.<br />

U. S. News & World Report: Triumph without Victory. New York 1992.<br />

Deutschsprachige Literatur aus militärgeschichtlicher/militärpolitischer<br />

Perspektive:<br />

Gustav Däniker: Wende Golfkrieg. Vom Wesen und Gebrauch künftiger<br />

Streitkräfte, Frankfurt/M. 1992.<br />

Wolfgang Wolf: Der Golfkrieg. Eine erste militärpolitische und militärische<br />

Auswertung, Bonn 1992.<br />

Hartmut Zehrer (Hg.): Der Golfkonflikt. Dokumentation, Analyse<br />

und Bewertung aus militärischer Sicht, Herford u.a. 1992.<br />

nannt: die als Geiseln genommenen Ausländer<br />

in Kuweit, die Zerstörung des kuweitischen<br />

Gesundheitswesens mit Brachialgewalt,<br />

das spätere Anzünden der kuweitischen Ölfelder<br />

und die unverhohlenen Drohungen, Israel<br />

durch den Einsatz von C-Waffen, legitimiert<br />

durch die Bezeichnung „Heiliger Krieg“, zu<br />

vernichten. Eine Solidarisierung der islamischen<br />

Welt mit dem Aggressor Irak tritt nicht<br />

ein, wiewohl die palästinensische Bevölkerung<br />

im Westjordanland Sympathie mit Saddam<br />

zeigt und sich eben dadurch erhebliche<br />

Chancen für eine eigene, von Israel wirklich<br />

anerkannte Staatlichkeit verbaut.<br />

Dass die Bodenoffensive, unter dem militärischen<br />

Kommando von General Schwarzkopf<br />

durchgeführt nach dem „Cannae-Prinzip“,<br />

nur fünf Tage dauert und den Machtapparat<br />

des Irak im Kern nicht zerstört, ist nur<br />

dem Umstand geschuldet, dass das UN-Mandat<br />

ebendieses nicht vorsieht und die Allianz<br />

langsam markante Risse zeigt. Insbesondere<br />

die Anwesenheit der „Ungläubigen“ auf saudischem<br />

Boden erweist sich im Nachhinein als<br />

Inkubationszeit für den islamischen Terrorismus<br />

im Zeichen von al-Qaida. Das Regime<br />

des Irak ist gleich nach dem Ende der Operation<br />

„Desert Storm“ in der Lage, sich zu regenerieren.<br />

Den Kurden im Norden und den<br />

Schiiten im Süden droht nun der blanke Terror.<br />

Und so geht das Kalkül nicht auf, Saddam<br />

und seine Clique würden von Innen gestürzt<br />

werden können, und der Zweite Golfkrieg<br />

diene dafür als Initialzündung.<br />

Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, ist<br />

Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und ständiger<br />

Mitarbeiter von <strong>CLAUSEWITZ</strong>.<br />

Clausewitz 5/2014


Militärtechnik im Detail<br />

Kompakte Zugmaschine<br />

Das deutsche Kettenkraftrad<br />

HK 101<br />

Gebaut wurde die kleinste deutsche Zugmaschine<br />

besonders mit Blick auf deren Luftverlastbarkeit<br />

– dabei dachte man aber nicht an Fallschirmeinsätze<br />

–, deshalb waren deren Abmessungen<br />

so angelegt, dass man sie in Lastensegler<br />

und Ju-52-Transportmaschinen „quetschen“<br />

konnte. Ein „Kettenkrad“, wie es die Landser<br />

nannten, war in der Lage, Material oder zwei Soldaten<br />

(neben dem Fahrer) und Anhänger oder Geschütze<br />

zu transportieren, Kabel zu verlegen oder<br />

sogar als Waffenträger zu fungieren. In der Endphase<br />

des Krieges half es durch seine Schleppdienste<br />

vor Düsenflugzeugen wie der Messerschmitt<br />

262 und der Arado 234, auf den Rollbahnen<br />

der Luftwaffe Treibstoff zu sparen.<br />

Doch das eigentliche Lieblingselement dieses<br />

kleinen Wühlers war wohl der Dreck. „Wir haben<br />

das Kettenkrad geliebt“, sagt Afrikakorps-Veteran<br />

Heinrich Erichsen, dessen Kriegsgefangenschaft<br />

ihn in die USA geführt hatte, wo er schließlich<br />

amerikanischer Bürger wurde. „Im Frühjahr war<br />

Tunesien ein einziger morastiger Sumpf. Wir nutzten<br />

das Kettenkrad, um unsere Panzerabwehrkanonen<br />

(Pak) in Stellung zu ziehen“, sagt der heute<br />

in Houston, Texas ansässige Veteran. „Am Abend<br />

fuhr dann einer von uns ins Hauptlager, um Verpflegung<br />

zu besorgen. Die sehnsüchtig erwartete<br />

Kost kam dann meist auch noch heiß bei uns an“.<br />

Entgegengesetzt zur Fahrtrichtung<br />

Passagiere schauten nach hinten und waren Staub<br />

und Schlamm ausgesetzt. Das hier abgebildete<br />

Kettenkrad trägt die Markierungen der berühmten<br />

21. Panzerdivision des Afrikakorps.<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Mechanischer Muskelprotz<br />

Der Nutzlast von circa 310 Kilogramm, was bereits<br />

den Fahrer mit einschloss, stand eine Zugkraft von<br />

circa drei Tonnen auf Asphalt und circa 500 Kilogramm<br />

im Gelände gegenüber.<br />

Auf Basis des Kettenkrades (ein Laufrollenpaar mehr<br />

und Wegfall der Lenkradgabel etc.) wurde sogar ein<br />

ferngelenkter Ladungsleger („Springer“) entwickelt,<br />

der eine 330-Kilogramm-Sprengladung unter Panzerschutz<br />

an sein Ziel beförderte.<br />

Auf diesem Bild lässt<br />

das Gefährt sein wichtigstes<br />

„Talent“ erkennen.<br />

Sein wannenförmiger<br />

Rumpf, der hochgelegene<br />

Auspuff sowie<br />

die gut 20 Zentimeter<br />

Bodenfreiheit erlaubten<br />

es dem Kettenkrad,<br />

sich durch flache<br />

Gewässer oder gut<br />

40 Zentimeter tiefen<br />

Schlamm zu kämpfen.<br />

Foto: Thomas Anderson<br />

<strong>Wie</strong> bei den „schweren Jungs“<br />

Das vollbeladen circa 1.560 Kilogramm<br />

schwere ungepanzerte Kettenkrad, das drei Meter lang und<br />

einen Meter breit war, nutzte die gleiche Schachtellaufwerksanordnung<br />

wie man sie bei schweren deutschen gepanzerten<br />

Gefechtsfahrzeugen (z. B. „Panther“ und „Tiger“) vorfand.<br />

50


„Gangart“<br />

Als Antrieb diente dem Kettenkrad ein wassergekühlter<br />

Vierzylindermotor, wie er beim Opel Olympia verwendet<br />

wurde. Das Getriebe bot drei Vorwärtsgänge und einen<br />

Rückwärtsgang, zusätzlich gab es ein Vorgelege für den<br />

Gelände- und den Straßeneinsatz. Daher standen dem<br />

Fahrer sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge zur<br />

Verfügung. Die beiden Produktionsfirmen NSU in<br />

Neckarsulm und Stoewer in Stettin haben weit über<br />

8.000 Einheiten produziert.<br />

Kombinierte Lenkung<br />

Bei kleinen Lenkausschlägen unter acht<br />

Grad wurde das Kettenkrad mit Hilfe der<br />

Parallelogrammgabel und des Vorderrades<br />

gelenkt. Größere Lenkausschläge<br />

setzten eine Lenkbremse in Aktion, die<br />

die kurveninnere Kette abbremste.<br />

Ein gewandter und geländeerprobter<br />

Fahrer konnte<br />

Gefälle von 24 Grad<br />

Neigung auf sandigem<br />

oder sogar 60 Grad Neigung<br />

auf festem trockenem<br />

Untergrund bewältigen.<br />

Die beiden 21-Liter-<br />

Treibstofftanks des<br />

Kettenkraftrads verliehen<br />

ihm eine Reichweite von<br />

circa 250 Kilometern.<br />

Die Höchstgeschwindigkeit<br />

lag bei 70 km/h.<br />

Foto: Thomas Anderson<br />

DIE MITBEWERBER:<br />

Das amerikanische M29 Weasel<br />

Gewicht: 2.375 Kilogramm<br />

Höchstgeschwindigkeit: circa 55 km/h<br />

Produktionszahl: 15.124 Stück<br />

Häufig für den Transport von<br />

Mannschaften und Material eingesetzt.<br />

Der britische Universal Carrier<br />

Gewicht: 3.400 Kilogramm<br />

Höchstgeschwindigkeit: circa 48 km/h<br />

Produktionszahl: 113.000 Stück<br />

Häufig irrtümlich als „Bren gun carrier“<br />

bezeichnet. Dieses Fahrzeug ist das<br />

meistproduzierte gepanzerte Kampffahrzeug<br />

aller Zeiten.<br />

Die gepanzerte sowjetische T-20<br />

Zugmaschine<br />

Gewicht: 3.170 Kilogramm<br />

Höchstgeschwindigkeit: circa 50 km/h<br />

Produktionszahl: 23.000 Stück<br />

Zog Feldgeschütze, Munitionsanhänger<br />

und transportierte Mannschaften.<br />

Die französische Renault UE<br />

Chenillette (Schlepper)<br />

Gewicht: 2.600 Kilogramm<br />

Höchstgeschwindigkeit: circa 30 km/h<br />

Produktionszahl: 5.300 Stück<br />

Nach der Eroberung Frankreichs<br />

nutzten die Deutschen die leichten<br />

gepanzerten Schlepper häufig als<br />

Selbstfahrlafetten für ihre 3,7-Zentimeter-Pak.<br />

Der deutsche<br />

Raupenschlepper Ost<br />

Gewicht: 2.700 Kilogramm<br />

Höchstgeschwindigkeit: circa 29 km/h<br />

Produktionszahl: 23.000 Stück<br />

Gebaut vornehmlich für die Ostfront.<br />

Bisweilen mit einer 7,5- oder sogar<br />

8,8-Zentimeter-Pak versehen.<br />

Produktion: 101 Stück<br />

Zur Not auch ohne Rad<br />

Die Vorderradgabel und das<br />

Vorderrad ließ sich sogar<br />

entfernen. Selbst dann noch<br />

konnte das Kettenkrad – bei<br />

niedriger Geschwindigkeit – allein<br />

mit Hilfe seiner 40-gliedrigen Ketten<br />

gefahren und gelenkt werden.<br />

In dieser Serie bereits erschienen:<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013)<br />

Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />

Fairey Swordfish (6/2013)<br />

Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014)<br />

Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014)<br />

Heinkel He 111 (2/2014)<br />

Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014)<br />

Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014)<br />

Demnächst:<br />

Schwerer Bomber „Lancaster“ aus<br />

Großbritannien (6/2014)<br />

Clausewitz 5/2014<br />

51


Militär und Technik | Landungsboote<br />

AN DER KÜSTE: Ein Landungsboot der<br />

„Robbe“-Klasse der Volksmarine. Gut zu<br />

erkennen sind die Flugabwehrgeschütze<br />

der Bordbewaffnung. Foto: Sammlung Mehl<br />

Landungsboote von Bundes- und Volksmarine<br />

Von der See an<br />

1950er-Jahre: Beim Aufbau der Bundesmarine spielen Landungsboote eine wichtige Rolle.<br />

Auch in den Seestreitkräften der NVA werden sie seit 1960 eingeführt, um im Ernstfall<br />

an Küstenabschnitten des Gegners landen zu können.<br />

Von Eberhard Kliem<br />

Unerwartet schnell muss sich die 1949<br />

gegründete Bundesrepublik Deutschland<br />

mit der Frage eines eigenen militärischen<br />

Beitrages an der Verteidigung Westeuropas<br />

beschäftigen. Dies zumindest erwarten<br />

die ehemaligen Kriegsgegner USA und<br />

Großbritannien. Im Kloster Himmerod in der<br />

Eifel versammeln sich auf Einladung von<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer im August<br />

1950 hochrangige Militärs, um erste Überlegungen<br />

und Gedanken zu entwickeln. Es entsteht<br />

die „Himmeroder Denkschrift“, in der<br />

auch eine zukünftige deutsche Marine konzeptionell<br />

geplant wird. Auf dieser Grundlage<br />

werden in weiteren Denkschriften entsprechende<br />

Einzelheiten entwickelt. Mit der<br />

Gründung der Bundeswehr am 12. November<br />

1955 wissen die verantwortlichen Marineoffiziere,<br />

dass sie eine Randmeermarine aufbauen<br />

müssen, deren Hauptaufgaben in der<br />

Ostsee und der Nordsee liegen werden.<br />

Von Beginn an sehen die planenden Offiziere<br />

einen Bestand von 36 Landungsfahrzeugen<br />

vor. Diese haben die Aufgabe, durch<br />

„Landungen die russische Flankenempfind-<br />

lichkeit besonders auszunutzen und durch<br />

(…) Landungen weit im Rücken der russischen<br />

Front Kräfte zu binden und Unsicherheit<br />

zu erzeugen“, so die Himmeroder Denkschrift.<br />

Es ist durchaus überraschend, dass in<br />

den westdeutschen Überlegungen ein relativ<br />

umfangreiches amphibisches Element eingeplant<br />

ist. Die Kriegsmarine dagegen hatte<br />

FÜHRUNGSSCHIFF: Das Landungsboot<br />

L 750 KROKODIL der Bundesmarine<br />

verfügt nach einem Umbau über<br />

einen besonderen Sanitätsbereich und<br />

ein Hubschrauberlandedeck.<br />

Foto: Sammlung Kliem<br />

sich kaum mit einer Kriegführung dieser Art<br />

beschäftigt. Die Landungen in Norwegen<br />

und Dänemark im Jahr 1940 waren durch<br />

Einlaufen und Absetzen der Truppen in Häfen<br />

durchgeführt worden. Und die geplante<br />

Invasion an der englischen Küste (Operation<br />

„Seelöwe“) wurde schließlich wieder fallengelassen.<br />

Auch der Bau und Einsatz von<br />

mehreren Hundert Marinefährprahmen<br />

52


MEHRZWECKLANDUNGSBOOT:<br />

Das in den 1960er-Jahren gebaute<br />

L 793 FELCHEN („Butt“-Klasse) der<br />

Bundesmarine. Foto: Sammlung Kliem<br />

die Küste<br />

(MFP) in der zweiten Hälfte des Weltkrieges<br />

1939–1945 hatte nicht dazu geführt, Einsatzund<br />

Führungsgrundsätze der amphibischen<br />

Kriegführung zu entwickeln.<br />

Erste Überlegungen<br />

Dass die bundesdeutsche Marine einen anderen<br />

Weg beschritten hat, geht vermutlich<br />

auf US-amerikanische Initiative zurück. Die<br />

US-Marine hatte insbesondere im Kampf<br />

gegen Japan die amphibische Kriegführung<br />

zu einer den Krieg entscheidenden Bedeutung<br />

entwickelt. Auch die alliierte Invasion<br />

in Frankreich im Juni 1944 wäre ohne einen<br />

entsprechenden Beitrag der USA undenkbar<br />

gewesen.<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

„Butt”-Klasse<br />

Typ<br />

„Butt“-Klasse*<br />

Länge<br />

40,0 m<br />

Breite<br />

8,81 m<br />

Tiefgang<br />

2,10 m<br />

Verdrängung<br />

k.A.<br />

Beladung sechs mil. Fahrzeuge od. drei Leopard-Panzer<br />

Bewaffnung 2 x 20 mm, Minenbeladung (bis zu 50 Ex.)<br />

Besatzung 15–21<br />

*alle Angaben nach Gerhard Koop/Siegfried Breyer: Die Schiffe, Fahrzeuge<br />

und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute, Bonn 1996.<br />

Doch trotz „Rückenwind“ aus den Vereinigten<br />

Staaten läuft der organisatorische<br />

Aufbau der amphibischen Streitkräfte der<br />

Bundesmarine unkoordiniert, improvisiert<br />

und meist ohne vorausschauende Planung<br />

ab: Am 1. November 1958 wird zwar in Wilhelmshaven<br />

das „Kommando der Amphibischen<br />

Streitkräfte“ aufgestellt. Ihm unterstellt<br />

werden jedoch gleichzeitig die U-Bootlehrgruppe<br />

(ULG), die sich um den Aufbau<br />

der zukünftigen deutschen Unterseebootflotte<br />

kümmern muss, außerdem ein Küstenumschlagbataillon,<br />

ein Seebataillon und andere<br />

artverwandte Einheiten.<br />

Es verwundert somit nicht, dass sich dieser<br />

für die Bundesmarine neuartige Seekriegsbereich<br />

nur schleppend weiterentwickelt.<br />

Dies ist aber nötig, denn schon vor<br />

Aufstellung des vorgesetzten Führungskommandos<br />

sind im fernen Charleston in den<br />

USA am 5. September 1958 vier ehemalige<br />

amerikanische Landungsboote LSM (Landing<br />

Ship, Medium) als „Eidechse“-Klasse<br />

und zwei LSMR (Landing Ship, Medium,<br />

Rocket) als „Otter“-Klasse in Dienst gestellt<br />

worden. Im Dezember 1958 laufen sie in Wilhelmshaven<br />

ein und werden als 2. Landungsgeschwader<br />

geführt.<br />

Übungen und Manöver<br />

Die folgenden Jahre sind geprägt von Umorganisation<br />

und Verlegungen in andere<br />

Standorte, aber auch von eifriger Manövertätigkeit<br />

mit dem Ziel, eindeutige Führungsund<br />

Einsatzgrundlagen zu erlangen.<br />

Langsam gewinnt die amphibische Seekriegführung<br />

innerhalb der Einsatzkonzeption<br />

der Bundesmarine und auch der übergeordneten<br />

NATO-Kommandobehörden an<br />

NEUE KONS-<br />

TRUKTION:<br />

Seiten- und<br />

Aufriss eines<br />

Landungsbootes<br />

der in den 1960er-<br />

Jahren in Hamburg<br />

(Howaldtswerke)<br />

gebauten „Butt“-<br />

Klasse.<br />

Abb.: Sammlung Mehl<br />

Clausewitz 5/2014<br />

53


Militär und Technik | Landungsboote<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

Landungsboote der Volksmarine<br />

Typ „Labo“-Klasse* „Robbe“-Klasse*<br />

Länge 41,1 m 64 m<br />

Breite 6,9 m 11,6 m<br />

Tiefgang 1,1 m 2,4 m<br />

Verdrängung 232 t 707 t<br />

Zuladung 2 x Panzer plus aufges. Infanterie 11 x Panzer o. vergleichb. mil. Stückgut<br />

plus aufges. Infanterie<br />

Bewaffnung 4 x 25 mm 2 x 57 mm<br />

4 x 25 mm<br />

Minenbeladung mögl.<br />

Besatzung 15 32<br />

*alle Angaben nach Hans Mehl/Knut Schäfer: Die andere deutsche Marine, Berlin 1992.<br />

EIGENE ENTWICKLUNG: Seiten- und<br />

Aufriss der in Wolgast gebauten „Labo“-<br />

Klasse („Projekt 46“) der Volksmarine.<br />

Abb.: Sammlung Mehl<br />

EIGENE ENTWICKLUNG: Ein Landungsboot<br />

der „Labo“-Klasse der Volksmarine. Markant<br />

ist der pontonartige Bootskörper.<br />

Foto: Sammlung Mehl<br />

(80 t)“ angesprochen. In späteren, allerdings<br />

nicht verwirklichten Plänen aus den frühen<br />

1960er-Jahren ist sogar von 36 bis 48 Landungsbooten<br />

die Rede.<br />

Weiterentwicklungen<br />

In der Folge erhält das „Institut für Schiffbautechnik“<br />

(ISW) in Wolgast den Auftrag,<br />

ein solches Boot zu entwickeln. Es entsteht<br />

das „Projekt 46“, dessen Nullboot (46.0) im<br />

Herbst 1960 fertig gestellt wird. Nach einer<br />

fast zweijährigen praktischen Erprobung beginnt<br />

schließlich der Bau von elf weiteren<br />

Booten mit geringfügigen Abweichungen und<br />

Verbesserungen. Im allgemeinen Sprachgebrauch<br />

wird das Projekt 46 als Typ „Labo“<br />

(Landungsboot) bezeichnet. Es ist so ausgelegt,<br />

dass es zwei Panzer „T-34“ oder „Stalin“<br />

mit aufgesessener Infanterie an Strandabschnitte<br />

bringen kann. Im Aufgabenkatalog<br />

der VM wird festgelegt, dass ihre<br />

Landungsbootkomponente ab 1964 in der<br />

Lage sein muss, ein verstärktes Mot.-Schützen-Bataillon<br />

an einen „nicht eingerichteten<br />

Strand“ (gemeint ist ein Strandabschnitt des<br />

Gegners) im Gebiet der Ostseeausgänge an-<br />

Bedeutung. Hinderlich für eine kontinuierliche<br />

Weiterentwicklung ist aber das Fehlen<br />

von zugeordneten Heerestruppen, die – vergleichbar<br />

dem U.S. Marine Corps – darauf<br />

geschult sind, mit Landungsbooten an<br />

Strandabschnitten abgesetzt zu werden.<br />

Währenddessen schreitet in der DDR der<br />

Aufbau der Nationalen Volksarmee (NVA)<br />

weiter voran. Auf der Basis verschiedener<br />

Grundsatzdokumente des Ministers für Nationale<br />

Verteidigung und des Chefs der Verwaltung<br />

der Volkspolizei See wird aus der<br />

seit 1949 bestehenden Seepolizei die Volksmarine<br />

(VM) aufgebaut. In den ersten Planungen<br />

ist von einer Landungsbootkomponente<br />

nicht die Rede. Erst in einem schriftlich<br />

fixierten „Plan für den Aufbau der Seestreitkräfte<br />

der DDR für das Jahr 1956–1960“ vom<br />

8. Juni 1955 wird der Bau „einer Abteilung<br />

Landungsboote mit zwölf Landungsbooten<br />

UMBAU: Ein ehemaliges Landungsboot vom Typ LCM 8/521 der Bundesmarine wird in der<br />

Volkswerft Stralsund umgerüstet, Aufnahme aus dem Jahr 1995.Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />

54


Amphibische Verbände<br />

zulanden. Ein solcher Einsatz wird auch in<br />

den offiziellen Anforderungen von Seiten<br />

des Vereinten Oberkommandos der Warschauer<br />

Vertragsstaaten von der Volksmarine<br />

gefordert. Eine spezielle Marineinfanterie<br />

besitzt auch sie nicht, deshalb wird das in<br />

Rostock stationierte Mot.-Schützenregiment<br />

28 für diese Aufgabe ausgebildet und vorgesehen.<br />

Erst in den 1980er-Jahren wird diese<br />

Einheit als Küstenverteidigungsregiment 18<br />

auch direkt der VM unterstellt.<br />

Großes Potenzial<br />

Unmittelbar im Anschluss an die Auslieferung<br />

der zwölf „Labos“ erhält wiederum die<br />

Peene-Werft in Wolgast den Auftrag zur<br />

Konstruktion und zum Bau von insgesamt<br />

sechs „Mittleren Landungsschiffen“ des<br />

„Projekts 47“ – später als Typ „Robbe“<br />

bezeichnet.<br />

Diese Landungsboote sind wesentlich<br />

größer und können in zwei Decks insgesamt<br />

„In den Seekriegsflotten haben die Kommandeure<br />

und Stäbe ihre praktischen Fähigkeiten<br />

bei der Planung und Durchführung des Anlandens<br />

von Landungstruppen (...) zu vervollkommnen.“<br />

Aus der Direktive 0069 des Oberkommandos des Warschauer Paktes<br />

elf Panzer oder Schützenpanzer mit Infanterie<br />

und weiterem Material transportieren. In<br />

einer Zweitfunktion können sie auch zu Minenlegern<br />

umgerüstet werden.<br />

Die Landungsboote der Volksmarine werden<br />

im Laufe der Zeit wechselnden Flottillen<br />

zugeordnet. Letztlich bilden sie in der 1. Flottille<br />

in Peenemünde eine sogenannte Landungsbootbrigade.<br />

In den Jahren von 1970<br />

bis 1975 stehen insgesamt zwölf Landungsboote<br />

der „Labo“-Klasse und sechs Landungsschiffe<br />

der „Robbe“-Klasse in Diensten<br />

der Volksmarine. Zusammen mit den<br />

umfangreichen Landungsbootkomponenten<br />

der sowjetischen und polnischen Seekriegsflotten<br />

ist dies ein ernst zu nehmender militärischer<br />

Faktor.<br />

Auch in der Bundesmarine schreitet die<br />

Weiterentwicklung der amphibischen Streitkräfte<br />

weiter voran. Die „US-Veteranen“ des<br />

Pazifikkrieges sind in die Jahre gekommen<br />

und müssen ersetzt werden. Es wird ein Plan<br />

entwickelt, der eine Konzentration auf nur<br />

drei Schiffstypen vorsieht und zudem<br />

WEITERENTWICKLUNG: Seiten- und Aufriss eines Landungsschiffs<br />

der zwischen 1974 und 1980 auf der<br />

Peene-Werft in Wolgast gebauten Hoyerswerda-Klasse<br />

(NATO-Codename: „Frosch I“-Klasse) der Volksmarine.<br />

Abb.: Breyer/Lapp: Die Volksmarine der DDR.<br />

IN FORMATION: Landungsschiffe der<br />

„Frosch“-Klasse im Rahmen eines Manövers<br />

der Seestreitkräfte der DDR.<br />

Foto: Sammlung Mehl<br />

Clausewitz 5/2014<br />

55


Militär und Technik | Landungsboote<br />

GEMEINSAME ÜBUNG: Landungsboote der<br />

„Frosch“-Klasse beim Anlanden von sowjetischen<br />

Schwimmpanzern. Foto: Sammlung Mehl<br />

vorschlägt, die amphibischen Verbände in<br />

die Ostsee zu verlegen. Dort entsteht Anfang<br />

der 1960er-Jahre der neue Marinehafen Olpenitz<br />

bei Kappeln, der eine hervorragende<br />

Basis für den Einsatz der Landungsstreitkräfte<br />

in den Gewässern der dänischen und<br />

deutschen Ostseezugänge darstellt. Hier ist<br />

an eine Schwerpunktbildung und Verstärkung<br />

von Heereseinheiten, aber auch an<br />

Evakuierungsaktionen gedacht, die mithilfe<br />

der Landungsboote bewerkstelligt werden<br />

sollen. Auch die Abwehr von Angriffen auf<br />

vorerst unverteidigte Inseln in den Ostseezugängen<br />

soll mit Unterstützung amphibischer<br />

Verbände erreicht werden.<br />

Gegner, sodass die Güter über den offenen<br />

Strand umgeschlagen werden müssen. Dies<br />

soll nun die Hauptaufgabe der amphibischen<br />

Verbände der Marine werden. Folgerichtig<br />

wird zum 1. Oktober 1969 die „Amphibische<br />

Gruppe“ in „Amphibische Transportgruppe“<br />

umbenannt. Erneut muss umgedacht und<br />

umgeplant werden, um den neuen Einsatzanforderung<br />

gerecht zu werden.<br />

„Wohl kein Verband der Bundesmarine hat in der relativ<br />

kurzen Zeit seiner Existenz so viele und grundlegende<br />

Änderungen über sich ergehen lassen müssen.“<br />

Adolf Graef: Die Geschichte der Amphibischen Verbände der Marine von1958–1992<br />

Neue Anforderungen<br />

Doch diese Pläne zerschlagen sich aus verschiedenen<br />

Gründen. Immerhin wird aber<br />

ein neuer Typ von Landungsbooten in Auftrag<br />

gegeben: das Mehrzwecklandungsboot<br />

(MZL) der Klasse 520 („Butt“-Klasse). Es ist<br />

eine deutsche Konstruktion, lehnt sich aber<br />

an die amerikanischen LCU (Landing Craft,<br />

Utility) an. Seit 1965 werden in schneller Fol-<br />

ge 22 MZL gebaut und dem 1. Landungsgeschwader<br />

in Wilhelmshaven – später verlegt<br />

nach Borkum – zugeführt.<br />

Die neuen Fahrzeuge bewähren sich bei<br />

vielen Einsätzen und Manövern. Insgesamt<br />

aber bleiben die Aufgaben der amphibischen<br />

Streitkräfte auch aus der Sicht des vorgesetzten<br />

Flottenkommandos undeutlich und letztlich<br />

zweitrangig. Zudem gibt es auch im Führungsstab<br />

der Marine (FÜM) in Bonn divergierende<br />

Pläne und Vorstellungen zum<br />

Einsatz dieser Verbände. Dort geht man von<br />

dem Gedanken aus, dass im Verteidigungsfall<br />

die Zivilbevölkerung, aber auch alle militärischen<br />

Verbände in hohem Maße abhängig<br />

vom Nachschub aus Übersee sein werden.<br />

Dabei rechnet man mit der Zerstörung<br />

der bestehenden Hafenanlagen durch den<br />

In der Volksmarine der DDR sind die Landungsfahrzeuge<br />

derweil zu einem integralen<br />

Bestandteil der Seekriegführung der Vereinigten<br />

Flotten der Warschauer-Pakt-Staaten<br />

geworden. Es gibt Überlegungen, für<br />

geplante Landungen an feindlich kontrollierten<br />

Stränden einen Einheitstyp zu schaffen,<br />

der die Standardisierungsprobleme bei<br />

derartigen Operationen mindern könnte. Die<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

Landungsboote der „Frosch”-Klasse<br />

Typ<br />

„Frosch“-Klasse*<br />

Länge<br />

90,7 m<br />

Breite<br />

11,1 m<br />

Tiefgang<br />

3,4 m<br />

Verdrängung<br />

1.744 t<br />

Beladung<br />

bis zu elf Fahrzeuge/Panzer<br />

Stückgut, ausgerüstete Infanterie<br />

Bewaffnung 4 x 57 mm, 4 x 30 mm, 2 x 122 mm Raketenwerfer (40 Rohre)<br />

Minenbeladung<br />

Besatzung 18<br />

*alle Angaben nach Hans Mehl/Knut Schäfer: Die andere deutsche Marine, Berlin 1992.<br />

VOLLE FAHRT VORAUS: Ein Landungsschiff der „Frosch“-Klasse<br />

der Volksmarine im Manövereinsatz. Foto: Sammlung Mehl<br />

56


Höherer Gefechtswert<br />

Wahl fällt schließlich auf die polnische „Polnocny“-Klasse.<br />

Trotzdem erteilt die militärische<br />

Führung der Volksmarine Anfang der<br />

1970er-Jahre (wiederum der Peene-Werft in<br />

Wolgast) den Auftrag zur Entwicklung eines<br />

„Mittleren Landungsschiffes“, das die verschlissenen<br />

Landungsschiffe der „Robbe“-<br />

Klasse ersetzen soll. Es entsteht das „Projekt<br />

108“, auch als „Frosch“-Klasse bezeichnet.<br />

Das erste Schiff (108.01), die „Hoyerswerda“,<br />

wird am 12. Dezember 1976 in Dienst gestellt.<br />

Bis zum Juni 1979 folgen weitere elf<br />

Einheiten. Die Volksmarine erhält damit ein<br />

Landungsschiff mit einem erheblich höheren<br />

Gefechtswert als die alte „Robbe“-Klasse.<br />

Die zwölf Einheiten der „Frosch“-Klasse<br />

stellen bis zur Auflösung der Volksmarine<br />

ein zuverlässiges und modernes amphibisches<br />

Potenzial dar. Im Zuge der Abrüstung<br />

und der sich verändernden Militärplanungen<br />

gegen Ende der 1980er-Jahre ändern<br />

sich die Einsatzvorstellungen für die Landungsschiffe.<br />

Grundlegender Wandel<br />

Anlandungen an Stränden des Gegners sind<br />

nicht mehr vorgesehen. Die Führung der<br />

Volksmarine plant den Umbau von vier<br />

Schiffen zu Minenlegern und drei Schiffen<br />

zu Aufklärungseinheiten. Doch die politische<br />

Entwicklung ist schneller: Mit der deutschen<br />

<strong>Wie</strong>dervereinigung am 3. Oktober<br />

1990 werden alle zwölf Landungsschiffe außer<br />

Dienst gestellt.<br />

Literaturtipp<br />

Friedrich Elchlepp, Walter Jablonsky (u.a.)<br />

Volksmarine der DDR. Deutsche Seestreitkräfte<br />

im Kalten Krieg, Hamburg (u.a.) 1999.<br />

MIT GEÖFFNETER BUGKLAPPE: Ein Landungsschiff<br />

der Volksmarine beim Beladen<br />

mit einem Schützenpanzerwagen.<br />

Foto: Sammlung Mehl<br />

Für die amphibische Komponente der<br />

Bundesmarine hingegen wird der stete<br />

Wechsel hinsichtlich ihrer operativen Aufgaben<br />

fast zur einzigen Konstante. Die umfangreichen<br />

Veränderungen innerhalb der<br />

Bundeswehr, die die Wehrstrukturreform<br />

der Jahre 1972/73 festlegt, sehen die Auflösung<br />

der Umschlagkomponente der Bundeswehr<br />

vor. Damit ist die Existenz der „Amphibischen<br />

Transportgruppe“ der Marine<br />

und der ihr zugeordneten Einheiten gefährdet.<br />

<strong>Wie</strong>derum sucht man nach einer neuen<br />

Aufgabe, insbesondere für die 22 MZL – und<br />

entschließt sich für einen radikalen Neuansatz.<br />

Das 1. Landungsgeschwader mit entsprechendem<br />

Stab und einer verkleinerten<br />

vorgesetzten Führungskomponente wird<br />

1977 in die Ostsee nach Kiel-Stickenhörn<br />

(Plüschowhafen) verlegt und in „Landungsbootgruppe“<br />

umbenannt. Neben den traditionellen<br />

Transport- und Verlegeaufgaben<br />

von Heereseinheiten über See werden die<br />

Landungsboote integral in die Verteidigungsaufgaben<br />

der Marine im Ostseebereich<br />

eingebunden. Durch Einbau von Minenschienen<br />

sind die MZL auch mit Minenlegeaufgaben<br />

betraut.<br />

Ab 1978 beginnt nach der Verlegung ein<br />

neuer Abschnitt in der Geschichte der amphibischen<br />

Einheiten der Bundesmarine. Intensiv<br />

werden die neuen Einsatzaufgaben<br />

zusammen mit den NATO-Verbündeten geübt.<br />

Doch beeinflusst die politische Situation<br />

die weitere Entwicklung. Im Rahmen der<br />

KSZE-Verhandlungen zur Reduzierung der<br />

Streitkräfte in Europa fasst man eine Verkleinerung<br />

der Bundesmarine ins Auge. Mit der<br />

sich abzeichnenden <strong>Wie</strong>dervereinigung verändern<br />

sich zudem die Einsatzaufgaben der<br />

Marine dramatisch. Amphibische Kräfte<br />

werden in der bisher gedachten Form nicht<br />

mehr benötigt. Am 30. September 1992 werden<br />

die „Amphibische Transportgruppe“<br />

und das Landungsbootgeschwader aufgelöst,<br />

fünf Mehrzwecklandungsboote für<br />

Transportaufgaben bleiben in einer eingeschränkten<br />

Verfügbarkeit. Drei MZL werden<br />

bis 2003 außer Dienst gestellt, während die<br />

letzten zwei ihrer Klasse – LACHS und<br />

SCHLEI – bei den Spezialstreitkräften der<br />

Marine Verwendung finden.<br />

Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D.,<br />

zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />

drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen<br />

Marinemuseums in Wilhelmshaven.<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

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* ab Ausgabe 01/2011


Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />

Alexander Newski gegen den Deutschen Orden<br />

Vernichtungsschlacht<br />

auf dem Eis<br />

1242: Auf dem zugefrorenen Peipussee trifft der Deutsche Orden auf Kämpfer der Stadt<br />

Nowgorod. <strong>CLAUSEWITZ</strong> präsentiert Bewaffnung und Ausrüstung der beiden Armeen.<br />

Seit dem 10. Jahrhundert versuchen Missionare,<br />

das Christentum auch an der<br />

südlichen Ostseeküste zu verbreiten. Im<br />

frühen 13. Jahrhundert werden die Ritter des<br />

Deutschen Ordens vom Kaiser und dem<br />

Papst mit der Besiedlung des Pruzzenlandes<br />

im Kulmer Land beauftragt. Innerhalb kürzester<br />

Zeit festigen die Brüder ihre Herrschaft<br />

mit einer Kette von Burgen und errichten einen<br />

schnell aufblühenden Staat.<br />

Eine zweite christliche Hochburg stellt<br />

das 1201 errichtete Bistum von Riga dar. Mit<br />

dem wenig später gegründeten Schwertbrüderorden<br />

verfügt auch der Bischof über einen<br />

militärischen Arm. Doch nachdem die<br />

Schwertbrüder 1237 in der Schlacht bei<br />

Schaulen aufgerieben werden, schließen sich<br />

die Reste des Ordens den Deutschrittern an,<br />

GUT GERÜSTET: Nur ein geringer Teil des deutschen Fußvolkes ist so gut bewaffnet<br />

wie dieser Speerträger. Neben dem schweren Kettenhemd trägt er einen Helm mit Maskenvisier,<br />

der zu dieser Zeit zunehmend vom Topfhelm verdrängt wird. Außerdem verfügt dieser<br />

Fußsoldat über ein Falchion, ein einschneidiges Schwert, das (vermutlich) besonders von<br />

der Infanterie verwendet wird.<br />

wodurch deren Machtbereich weit nach Osten<br />

ausgreift.<br />

Auch die skandinavischen Königreiche<br />

Dänemark und Schweden unternehmen in<br />

den 1230er-Jahren militärische Vorstöße an<br />

die livländisch-lettische Küste, werden aber<br />

1240 durch Alexander Jaroslawitsch, dem<br />

gewählten Fürsten der Handelsmetropole<br />

Nowgorod an der Newa, schwer geschlagen.<br />

Doch im selben Jahr vertreiben die Kaufleute<br />

den erfolgreichen Heerführer, der nun den<br />

Beinamen „Newski“ angenommen hat. Kurz<br />

darauf besetzt eine kleine Armee der<br />

Deutschritter die Stadt Pskov beim Peipussee.<br />

Für die orthodoxen Nowgoroder zeichnen<br />

sich jetzt zwei Gefahren ab. Aus dem<br />

Westen nähern sich ihnen Heere, die den römisch-katholischen<br />

Glauben verbreiten wollen,<br />

aus dem Süden und Osten stürmt die<br />

Goldene Horde – mongolische Reiterscharen<br />

– heran.<br />

In ihrer Angst berufen die Nowgoroder<br />

Alexander Newski zurück, der sich zunächst<br />

den Heeren des Ordens entgegenstellt. Am<br />

5. April 1242 kommt es auf dem Peipussee<br />

zur entscheidenden Schlacht. Das Heer des<br />

Ordens unter dem Befehl des Fürstbischofs<br />

Hermann I. von Dorpat besteht aus kaum<br />

mehr als 1.800 Bewaffneten, worunter sich<br />

noch viele ehemalige Schwertbrüder, dänische<br />

Ritter und Truppen des Rigaer Bischofs<br />

befinden. Alexander verfügt über 3.000 bis<br />

4.000 Mann der Nowgoroder Miliz und der<br />

Druschina, seiner eigenen schwer bewaffneten<br />

Leibgarde. Die Schlacht beginnt mit einem<br />

Angriff der Ordensstreitmacht in Keilformation<br />

auf das russische Fußvolk, welches<br />

sich nahe der Insel Rabenstein postiert<br />

hat. Die Wucht der Attacke drängt die<br />

Nowgoroder vom zugefrorenen See auf die<br />

Insel zurück. Die Pferde der Ritter haben<br />

Probleme, die steilen Hänge zu erklimmen.<br />

In diesem Moment umgeht Alexanders Reiterei<br />

die Ordensarmee und greift sie in der<br />

Flanke und von hinten an. Die Nowgoroder<br />

Armee umzingelt ihren Feind und macht ihn<br />

nieder. Nur wenige Ordensritter können entkommen.<br />

Dass die schweren Reiter wie in<br />

Sergej Eisensteins Film „Alexander Newski“<br />

(1938) auf dem Eis des Sees eingebrochen<br />

sein sollen, wird heute als Mythos betrachtet.<br />

Noch im selben Jahr schließen der Orden<br />

und Nowgorod ein Friedensabkommen,<br />

welches die Narwa zum Grenzfluss zwischen<br />

beiden bestimmt. Der weiteren Ostexpansion<br />

des Ordens ist damit dauerhaft ein<br />

Riegel vorgeschoben. <strong>CLAUSEWITZ</strong> rekonstruiert<br />

auf den folgenden Seiten detailliert<br />

die Kontrahenten, die bei der Schlacht auf<br />

dem Peipussee aufeinanderprallen…<br />

Texte und historische Recherche zu den<br />

Zeichnungen: Alexander Querengässer<br />

Zeichnungen: Sascha Lunyakov<br />

58


IMPOSANT: Die Form<br />

des Helms dieses Ritters<br />

geht auf Abbildungen aus der<br />

sogenannten Kreuzfahrerbibel<br />

zurück, die vermutlich um<br />

1245 in Frankreich entstand.<br />

Die aufwendige Helmzier<br />

wurde im Kampf wahrscheinlich<br />

nicht getragen.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

59


Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />

FARBENPRÄCHTIG: Hermann von<br />

Dorpats Heer setzt sich zu einem erheblichen<br />

Teil aus Kriegern zusammen, die<br />

nicht dem Deutschen Orden unterstehen,<br />

wie dieser Reiter aus Dorpat<br />

(Derpt). Er verfügt bereits über einen<br />

Topfhelm, und sein Pferd ist durch eine<br />

gesteppte Decke geschützt.<br />

PERFEKTE PANZERUNG:<br />

Der Hochmeister des Deutschen<br />

Ordens, Gerhard von Malberg, residiert<br />

1242 noch im Heiligen Land.<br />

Zu dieser Zeit streiten sich die<br />

Brüder darüber, ob der Orden sich<br />

auf einen eigenen Staat oder Palästina<br />

konzentrieren soll. Gerhard<br />

trägt hier über dem Kettenhemd<br />

noch einen Plattenrock aus Metallplatten,<br />

der ihm zusätzlichen<br />

Schutz verleiht. Die Pferdeschutzdecke<br />

aus Kettengeflecht stellt zur<br />

Mitte des 13. Jahrhunderts ebenfalls<br />

eine Neuheit dar.<br />

60


Ordenskrieger<br />

IM NAMEN DES KREUZES:<br />

Bekannt werden die „Brüder der<br />

Ritterschaft Christi von Livland“ unter<br />

dem Namen „Schwertbrüderorden“.<br />

Der Name bezieht sich auf ihren<br />

weißen Waffenrock mit dem roten<br />

Schwertkreuz.<br />

UNTERBESETZT: Zum Schutz des Bistums von Oliva vor heidnischen<br />

Stämmen wird 1228 auf Initiative des polnischen Herzogs Konrad von Masowien<br />

der Orden der „Brüder des Ritter-Dienstes Christi in Preußen“, kurz auch<br />

als „Brüder von Dobrin“ bekannt, gegründet. Konrad hat den Orden vor allem<br />

deswegen ins Leben gerufen, weil ihm die Deutschritter keine Hilfe im Kampf<br />

gegen die Pruzzen leisten wollen. Doch nur eine Handvoll Ritter aus dem<br />

Reich zieht sich den weißen Mantel mit dem roten Schwert und Stern über.<br />

Nie können die Brüder mehr als 35 Ritter und etwa 165 Bewaffnete ins Feld<br />

führen. 1235 schließen sich die meisten Dobriner dem deutschen Orden an,<br />

die übrigen fallen wenig später im Kampf.<br />

IMPROVISATIONSTALENT:<br />

Dieser Kreuzritter hat sich für den<br />

glatten Untergrund eine Steighilfe<br />

unter die Schuhe geschnallt.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

61


Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />

SKANDINAVISCHES<br />

VERMÄCHTNIS: Die<br />

schwere Druschina-Reiterei<br />

entwickelt sich aus<br />

den Nachkommen wikingischer<br />

Einwanderer, die<br />

sich im Nowgoroder Raum<br />

angesiedelt haben. Daher<br />

zeigt sich in ihrer Ausrüstung<br />

ein starker nordischer<br />

Einfluss.<br />

KOSTENGÜNSTIG: Da<br />

Schwerter auch im Mittelalter<br />

noch teure Waffen darstellen,<br />

ist das Fußvolk beider Seiten<br />

mehrheitlich mit Lanzen und<br />

Äxten bewaffnet, wie dieser<br />

gut ausgerüstete Krieger der<br />

Nowgoroder Milizen. Statt eines<br />

teuren Kettenhemds trägt<br />

er einen sogenannten Gambeson,<br />

eine textile Rüstung aus<br />

mehreren Lagen Stoff (oder<br />

teilweise auch Leder).<br />

AUSRÜSTUNGS-MIX: Wenige Soldaten der<br />

Nowgoroder Miliz werden so schwer bewaffnet<br />

gewesen sein wie dieser Krieger, dessen Rüstung<br />

asiatische, westliche und nordische Einflüsse zeigt.<br />

62


Newskis Kämpfer<br />

EXOTISCHE OPTIK:<br />

Auch in Alexanders Armee<br />

macht die Reiterei<br />

nur einen kleinen Teil der<br />

Gesamtstreitkräfte aus. Die Bewaffnung<br />

seiner Druschina-Leibgarde lässt deutliche<br />

orientalische Einflüsse erkennen, angefangen<br />

von der Gestaltung der Rüstungen<br />

bis hin zur Nutzung von<br />

Reflexbögen. Die Hufeisen<br />

der Pferde besitzen eine<br />

Art „Spikes“, die im<br />

Winter einen besseren<br />

Halt auf dem glatten Boden<br />

geben.<br />

NICHT FÜR DEN KAMPF: Alexander Newski trägt auf dieser Abbildung<br />

eine prachtvolle Zeremonienrüstung. Maskenhelme sind während<br />

des Mittelalters in Russland nicht unbekannt. Sie gehen sowohl auf nordische<br />

als auch, wie in diesem Fall, auf asiatische Einflüsse zurück. Auch<br />

der Schuppenpanzer ist unter den reichen Bevölkerungsschichten noch<br />

stärker verbreitet als in Westeuropa.<br />

TÖDLICHE DISTANZWAFFEN: Über die Ausstattung<br />

der Nowgoroder Milizen ist wenig bekannt. Da Quellen<br />

jedoch immer davon berichten, dass der Ansturm der<br />

Kreuzritter durch einen Pfeilhagel aufgehalten wird, ist<br />

davon auszugehen, dass sich auch Bogen- und Armbrustschützen<br />

im russischen Zentrum befinden.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

63


Spurensuche<br />

Heeresversuchsanstalt Peenemünde<br />

Zentrum der<br />

Raketenforschung<br />

AUF DEM FREIGELÄNDE: Modell einer V1 des<br />

Historisch-Technischen Museums Peenemünde,<br />

im Hintergrund das Kraftwerk der ehemaligen<br />

Versuchs- und Erprobungsanstalten.<br />

Foto: picture-alliance/Eventpress Hoensch<br />

Mit der später als „Vergeltungswaffe 2“<br />

(V2) bezeichneten Fernrakete steht<br />

dem „Dritten Reich“ ab der Serienfertigung<br />

im Sommer 1944 eine Waffe zur<br />

Verfügung, für die es zu dieser Zeit keine<br />

wirksame Abwehrmöglichkeit gibt. Insgesamt<br />

mehr als 3.000 V2-Raketen werden bis<br />

Ende März 1945 auf Ziele in England, Belgien,<br />

Holland und Frankreich abgefeuert. Ihre<br />

tödliche Wirkung fordert Tausende von<br />

Opfern unter der Zivilbevölkerung der betroffenen<br />

Länder.<br />

Zehn Jahre zuvor: Mitte der 1930er-Jahre<br />

ist das Fischerdorf Peenemünde im Nordwesten<br />

der Ostsee-Insel Usedom eine 450-<br />

Seelen-Gemeinde und besteht aus weniger<br />

als 100 Häusern und einer Dorfschule.<br />

Mit der Idylle der weitgehend unberührten<br />

Naturlandschaft ist es seit 1936 vorbei.<br />

Die Umgestaltung der moor- und grundwasserreichen<br />

Gegend in ein militärisches Sperrgebiet<br />

beginnt. Am Anfang steht die Erschließung<br />

des unwegsamen Terrains durch<br />

den Bau von Straßen und Gleisen sowie der<br />

Errichtung von Unterkünften für die Bauarbeiter<br />

der Forschungsstelle von Heer und<br />

Luftwaffe.<br />

Der erste Spatenstich für die künftige<br />

Heeresversuchsanstalt und die Erprobungsstelle<br />

der Luftwaffe Peenemünde wird im<br />

August 1936 gesetzt.<br />

Dem Baubeginn ging eine mehrmonatige<br />

Suche nach einem passenden Areal für die geplante<br />

Anlage voraus. Nach einem Hinweis<br />

von Raketeningenieur Wernher von Braun,<br />

dessen Vater passionierter Jäger war und der<br />

64


3. Oktober 1942: Die Flüssigkeitsgroßrakete mit der<br />

Bezeichnung „Aggregat 4“ verlässt den Prüfstand VII<br />

der Heeresversuchsanstalt und stößt in den<br />

Weltraum vor. Mit dem Beginn des Raketenzeitalters<br />

erreicht der Krieg eine<br />

neue Dimension.<br />

Von Tammo Luther<br />

seinem Sohn einst von der Abgeschiedenheit<br />

des Peenemünder Hakens erzählt hatte, entschieden<br />

sich die zuständigen Militärs<br />

schließlich für den Standort auf Usedom.<br />

Die Heeresversuchanstalt im brandenburgischen<br />

Kummersdorf hatte sich für die<br />

intensive Fernraketenforschung und -erprobung<br />

als ungeeignet erwiesen.<br />

Seit Sommer 1936 bis zum Ausbruch des<br />

Krieges im September 1939 arbeiten etwa<br />

10.000 Arbeiter, darunter ein Großteil Angehörige<br />

der Organisation Todt (OT) und des<br />

Reichsarbeitsdienstes (RAD), an<br />

der Errichtung der Versuchsanstalt<br />

in Peenemünde. Nach 1939<br />

kommt eine wachsende Zahl<br />

ausländischer Zwangsarbeiter<br />

und Häftlinge aus den Konzentrationslagern<br />

hinzu.<br />

Die Bewohner Peenemündes<br />

mussten unterdessen ihr Dorf verlassen.<br />

Zwar wird ihnen eine Entschädigung<br />

zuteil, doch der Abschied fällt gerade den<br />

Alteingesessenen schwer.<br />

ABGEHOBEN: Start einer A4-Rakete (V2)<br />

auf dem Versuchsgelände<br />

Peenemünde, vermutlich 1943.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 5/2014<br />

65


Spurensuche<br />

STEINERNER ZEUGE: Ruine des Wachbunkers des KZ Karlshagen,<br />

in dem Häftlinge untergebracht waren, die Bau- und<br />

Montagearbeiten verrichten mussten. Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

IN TRÜMMERN: Ruine des Peenebunkers, vermutlich vorgesehen für<br />

auf Eisenbahnwaggons gelagerte Raketen oder zur Lagerung chemischer<br />

Stoffe. Für diese und andere Lagerzwecke wurden mehrere Bunker<br />

auf den Peenewiesen errichtet.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

OPFERGEDENKEN:<br />

Erinnerungstafel<br />

des HTM Peenemünde.<br />

Foto: picturealliance/ZB©dpa<br />

SPUREN DER VERWÜS-<br />

TUNG: Der durch gegnerische<br />

Luftangriffe zerstörte<br />

Prüfstand VII der Heeresversuchsanstalt<br />

Peenemünde weist<br />

schwerste Schäden auf.<br />

Aufnahme aus dem September<br />

1944.<br />

Foto: ullstein bild – TopFoto<br />

DETAILREICH: Luftbild eines<br />

britischen Aufklärungsflugzeugs<br />

vom Prüfstand<br />

VII. Luftbildauswerterin<br />

Constance<br />

Babington-Smith „entdeckt“<br />

Mitte 1943 einen<br />

Raketenprüfstand.<br />

Foto: ullstein bild – TopFoto<br />

Als frühzeitig absehbar wird, dass der ursprünglich<br />

für März 1941 festgelegte Termin<br />

zum Abschluss der Bauarbeiten nicht eingehalten<br />

werden kann, übernimmt am 15. August<br />

1940 der Generalbauinspektor für die<br />

Reichhauptstadt, Albert Speer (1905–1981),<br />

die Oberbauleitung in Peenemünde. Der<br />

spätere Rüstungsminister und Verfechter des<br />

A4-Raketenprojekts soll trotz einer noch<br />

schwankenden Haltung Hitlers in der Rake-<br />

tenfrage die Arbeiten an dem geplanten<br />

Hochtechnologiezentrum vorantreiben.<br />

Als das Reichsluftfahrtministerium infolge<br />

der verlustreichen „Luftschlacht um England“<br />

im Herbst 1940 die der Heeresversuchanstalt<br />

zugesagten Finanzmittel zurückzieht,<br />

um das Geld für eigene Vorhaben einzusetzen,<br />

sinkt der Etat der Heeresversuchsanstalt<br />

jedoch deutlich. In dieser schwierigen Situation<br />

erhalten der militärische und organisatorische<br />

Leiter der Heeresversuchsanstalt<br />

Peenemünde, Oberst Walter Dornberger<br />

(1895–1980), und ihr technischer Direktor<br />

Wernher von Braun (1912–1977), auf Albert<br />

Speers Vermittlung hin eine Möglichkeit<br />

zum Vortrag beim „Führer“.<br />

Hochtechnologiezentrum<br />

Zwar ist Hitler auch nach dem Gespräch mit<br />

Dornberger und von Braun nicht vollends<br />

überzeugt, doch genehmigt der Diktator die<br />

Fortsetzung der Erprobung bis zur Einsatzfähigkeit<br />

der Rakete. Ein tragischer Unfall<br />

erweist sich als „Glücksfall“ für die Protagonisten<br />

der Raketenforschung. Nach dem Tod<br />

des Reichsministers für Bewaffnung und<br />

Munition, Fritz Todt, infolge eines mysteriösen<br />

Flugzeugabsturzes am 8. Februar 1942<br />

tritt Albert Speer dessen Nachfolge an und<br />

lässt die Raketenforschung und den Ausbau<br />

der Versuchsstelle intensivieren.<br />

Bis 1942/43 entstehen in Peenemünde<br />

und Umgebung zahlreiche Gebäudekomplexe<br />

von unterschiedlicher Größe – ein zu dieser<br />

Zeit weltweit einzigartiges Hochtechnologiezentrum<br />

mit Forschungs-, Erprobungsund<br />

Produktionsstätten sowie Wohnsiedlungen.<br />

Während die Luftwaffenerprobungs-<br />

66


Gezielte Luftangriffe<br />

ÜBERBLICK: Luftaufnahme des Hafens von Peenemünde, links im Bild das gut erhaltene<br />

ehemalige Kraftwerk der Peenemünder Versuchsanstalten, davor im Hafenbecken das Kleine<br />

Raketenschiff HANS BEIMLER der Volksmarine der DDR. Aufnahme aus dem Jahr 2013.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

DAUERAUSSTELLUNG: Blick ins Museumsinnere<br />

auf den im Jahr 2000 eingeweihten<br />

Abschnitt „Peenemünde – Himmel und Hölle“,<br />

im Vordergrund ein beschädigtes Oberteil<br />

der Brennkammer Baureihe A des „Aggregats<br />

4“ (V2). Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

KONTAKT<br />

Historisch-Technisches Museum Peenemünde<br />

Im Kraftwerk<br />

17449 Peenemünde<br />

Tel.: +49(0)38371/505-0<br />

www.peenemuende.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

April–September: 10.00–18.00 Uhr<br />

Oktober–März: 10.00–16.00 Uhr<br />

November–März: Montags geschlossen<br />

stelle die Bezeichnung „Peenemünde-West“<br />

erhält, wird die Heeresversuchanstalt intern<br />

unter „Peenemünde-Ost“ geführt.<br />

Als schließlich an jenem 3. Oktober 1942<br />

die „A4-Rakete“ vom Prüfstand VII der Heeresversuchsanstalt<br />

aus in die Höhe schießt,<br />

liegt eine mehrjährige Forschungszeit mit<br />

zahlreichen Rückschlägen hinter dem vielköpfigen<br />

Forschungsstab. Sie alle haben auf<br />

diesen Tag gewartet. Nach dem erfolgreichen<br />

Start kennt der Jubel der Raketenforscher<br />

und der beteiligten Militärs keine<br />

Grenzen. Die A4 hat bei diesem Flug eine<br />

Gipfelhöhe von fast 85 Kilometern erreicht –<br />

und damit die Tür zum Weltraum aufgestoßen.<br />

Bis zur Serienfertigung wird jedoch<br />

noch viel Zeit vergehen. Auch die Tests der<br />

Flugbombe Fi 103 (V1) verlaufen Ende 1942<br />

aus Sicht der Forscher und Militärs vielversprechend.<br />

Die Alliierten verfolgen die Aktivitäten<br />

auf der Insel Usedom mit Sorge. Ihnen bleibt<br />

trotz strengster Geheimhaltung vonseiten<br />

der Deutschen nicht verborgen, dass die<br />

Wehrmacht im Zuge der Raketenforschung<br />

wichtige militärische Großprojekte vorantreibt.<br />

Britische Aufklärungsflugzeuge fertigen<br />

seit Frühjahr 1943 systematisch Luftaufnahmen<br />

der Versuchanlagen bei Peenemünde<br />

an, die unter anderem einen Raketenprüfstand<br />

erkennen lassen. Drei Monate später,<br />

Anfang Juli 1943, verleiht Hitler nach einem<br />

erneuten Vortrag von Dornberger und<br />

von Braun der neuen Waffe eine besondere<br />

Dringlichkeitsstufe. Ihr Rüstungsprogramm<br />

besitzt fortan oberste Priorität.<br />

Im Visier der Alliierten<br />

Als Produktionsstätten der A4-Rakete sind<br />

unter anderem Werke in Friedrichshafen,<br />

<strong>Wie</strong>ner Neustadt und als Versuchsserienwerk<br />

auch Peenemünde vorgesehen.<br />

Etwa zur gleichen Zeit ergeht in Großbritannien<br />

der Befehl zum Luftangriff auf die<br />

Anlagen auf der Insel Usedom. Doch bis<br />

zum Einsatz werden noch einige Wochen<br />

vergehen. Noch wartet man in London die<br />

weitere Entwicklung ab. Vielleicht liefern<br />

Angehörige der Polnischen Heimatarmee in<br />

der Zwischenzeit neue wichtige Informationen<br />

an den britischen Geheimdienst.<br />

In der Nacht vom 17. auf den 18. August<br />

1943 ist es schließlich so weit: Fast 600 Bomber<br />

der Royal Air Force (RAF) bewegen sich<br />

auf die pommersche Ostseeküste zu. Das<br />

Ziel der Operation „Hydra“ heißt: Peenemünde.<br />

Am nächsten Morgen wird das ganze<br />

Ausmaß des verheerenden Bombenangriffs<br />

sichtbar: Überall auf dem weitläufigen Gelände<br />

sind tiefe Krater zu sehen, zahlreiche<br />

Häuser sind bis auf die Grundmauern ausgebrannt,<br />

die Fertigungshalle F1 ist ebenfalls<br />

schwer getroffen. Mehr als 700 Menschen,<br />

darunter eine Vielzahl von Zwangsarbeitern,<br />

haben in dieser Nacht den Tod gefunden.<br />

Nur wenige Tage nach diesem ersten Luft-<br />

angriff entscheiden sich Hitler und Speer<br />

für eine Verlagerung der A4-Erprobung nach<br />

Osten. Ein Großteil der Versuche findet fortan<br />

auf dem SS-Truppenübungsplatz „Heidelager“<br />

rund 100 Kilometer östlich von Krakau<br />

statt. Die A4-Produktion wird unterdessen<br />

in den Höhenzug Kohnstein im Harz<br />

verlagert.<br />

In einem seit 1917 im Zuge des Bergbaus<br />

erschlossenen und erweiterten Stollensystem<br />

(„Mittelwerk“) wird die Fertigung der<br />

V2 und später auch der V1 von KZ-Häftlingen<br />

bis kurz vor Kriegsende unter extrem<br />

unmenschlichen Bedingungen vorgenommen.<br />

Von den Großbauten haben einzig das<br />

AUFGERICHTET: Eine V2 auf einem der Prüfstände<br />

auf dem Versuchsgelände der Heeresversuchsanstalt.<br />

Heute sind neben den<br />

Umwallungen der Prüfstände vor allem Trümmerreste<br />

der Anlagen erhalten geblieben,<br />

die von der Natur „zurückerobert“ werden.<br />

Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

Clausewitz 5/2014<br />

67


Ein kriegerisches …<br />

Spurensuche<br />

NEU!<br />

ZUR MAHNUNG: Das von dem Künstler<br />

Klaus Rößler entworfene und 1970 eingeweihte<br />

Denkmal für die Zwangsarbeiter<br />

und Opfer des Nationalsozialismus in der<br />

Gedenkstätte Karlshagen auf Usedom.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

Bucher im GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

Über 1.000 Tagebücher und Briefsammlungen standen für dieses ehrgeizige Projekt<br />

zur Verfügung. Daraus wählten die Autoren die bew wegendsten aus: Aufzeichnungenn<br />

von Krankenschwestern, Offizieren und Frontsoldaten, aber auch von bekannten<br />

Persönlichkeiten wie Stefan Zweig, Manfred von Richthofen und Kurt Tucholsky. Rund<br />

300 verschollen geglaubte Farbfotografien aus dem<br />

Archiv von August Fuhrmann<br />

zeigen den Ersten<br />

Weltkrieg, wie ihn bisher noch keiner gesehen hat.<br />

320 Seiten · ca. 300 Abb. · 24,1 x 24,1 cm<br />

€[A]<br />

38,10·sFr.49,90<br />

ISBN 978-3-7658-204<br />

41-0 €36,99<br />

Kraftwerk und das Sauerstoffwerk die Zeit<br />

überdauert. Das Kraftwerk wird nach dem<br />

Krieg weiterbetrieben, während andere Bereiche<br />

der Anlage demontiert und über den<br />

Hafen Swinemünde oder per Bahn in die<br />

Sowjetunion transportiert werden.<br />

Nutzung durch die NVA<br />

In den 1950er-Jahren entsteht nach dem Abzug<br />

des sowjetischen Militärs in Peenemünde-Karlshagen<br />

der Stützpunkt der 1. Flottille<br />

der Volksmarine. Das im Vergleich mit der<br />

ehemaligen Heeresversuchsanstalt weitaus<br />

weniger von der Demontage betroffene Terrain<br />

der ehemaligen Luftwaffenerprobungsstelle<br />

(„Peenemünde-West“) wird zu Beginn<br />

der 1960er-Jahre Standort des Jagdfliegergeschwaders<br />

9 der Luftstreitkräfte der NVA. Er<br />

wird ebenso wie der Flottenstützpunkt nach<br />

der <strong>Wie</strong>dervereinigung zunächst von der<br />

Bundeswehr weiterbetrieben.<br />

Im Jahr 2014 ist ein Teil des weitläufigen<br />

Geländes als Außenanlage des Historisch-<br />

Technischen Museums Peenemünde begehbar.<br />

Ausgehend vom Museum ermöglicht ein<br />

im Laufe mehrere Jahre erweiterter Rundweg<br />

(„Denkmal-Landschaft“) mit einer Länge<br />

von inzwischen 25 Kilometern und circa<br />

20 Stationen die Besichtigung historisch bedeutsamer<br />

Relikte.<br />

Zu den „steinernen Zeugen“ zählen unter<br />

anderem das ehemalige Sauerstoffwerk und<br />

die sichtbaren Reste des KZ-Arbeitslagers<br />

Karlshagen I. „Station 4“ bildet der Flugplatz<br />

Erlebnis Geschichte<br />

www.bucher-verlag. .de<br />

oder gleich bestellen unter<br />

Te<br />

l. 0180-532 16 17 (0,14 €/Min.)<br />

Literaturtipps<br />

Volker Bode und Gerhard Kaiser: Raketenspuren.<br />

Peenemünde 1936–2004, Berlin 2004.<br />

Dietrich Gildenhaar und Sven Gildenhaar: Geheime<br />

Kommandosache „Peenemünde-Ost“. Eine<br />

dokumentierte Führung über das Gelände<br />

der ehemaligen Heeresversuchsanstalt und der<br />

Volksmarine-Flottenbasis, Ilmenau 2013.


… Jahrhundert.<br />

EMPFEHLENSWERT: Ein Besuch im Historisch-Technischen Museum (hier Eingangsbereich<br />

mit ehemaliger Bunkerwarte des Kraftwerks) bringt viele interessante Erkenntnisse,<br />

vor allem zum Thema Peenemünde und zur dort betriebenen Raketenforschung während<br />

der NS-Zeit.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

384 Seiten · ca. 450 Abb. · 21,5 x 27,6 cm<br />

€ [A] 46,30 · sFr. 59,90<br />

ISBN 978-3-7658-2033-5 € 45,–<br />

Peenemünde der Luftwaffenerprobungsstelle,<br />

auf<br />

dem in den Jahren von<br />

1938 bis 1945 verschiedene<br />

Fernlenkwaffen sowie<br />

Flugzeuge mit Raketenantrieb<br />

(darunter „Me 163“)<br />

getestet wurden.<br />

Ein großer Teil der „militärischen<br />

Überreste“ in<br />

der Gemarkung Peenemünde<br />

wird dagegen seit<br />

Jahrzehnten von der Natur<br />

zurückerobert. Von<br />

den während der Bombenangriffe<br />

der Jahre<br />

1943/44 schwer in Mitleidenschaft<br />

gezogenen<br />

Prüfständen sind nach zusätzlich<br />

vorgenommenen<br />

Sprengungen der Nachkriegszeit<br />

nur noch Trümmerreste<br />

erhalten.<br />

Große Teile des Areals<br />

gelten noch immer als munitionsbelastet<br />

und sind<br />

der Öffentlichkeit weiterhin<br />

nicht zugänglich. Außerdem befindet<br />

sich hier heute ein ausgedehntes Naturschutzgebiet<br />

mit vielen geschützten Tierarten<br />

und Pflanzen.<br />

Sehenswertes Museum<br />

Hingegen bietet das Freigelände des Historisch-Technischen<br />

Museums seinen Besuchern<br />

eine Vielzahl an technischen Großexponaten.<br />

Besonders sehenswert sind die Modelle<br />

einer „A4“ sowie einer Flugbombe Fieseler<br />

103 („V1“) und der „Walther-Schleuder" (Abschussrampe<br />

der Fi 103/V1).<br />

Die Erprobung der Fieseler 103 fand ab<br />

1942 in der Erprobungsstelle der Luftwaffe<br />

„Peenemünde-West“ statt. Ab Juni 1944<br />

kam sie als „Vergeltungswaffe 1“ gegen<br />

westeuropäische Großstädte zum Einsatz.<br />

FÜHRENDER WISSENSCHAFTLER:<br />

Wernher von Braun im Kreise von<br />

Offizieren der Wehrmacht in Peenemünde.<br />

Von Braun wurde 1955<br />

Staatsbürger der USA und übernahm<br />

später einen hohen Posten in<br />

der US-Raumfahrtbehörde NASA.<br />

Wenig später folgte die<br />

V2-Rakete. Auch der Teil<br />

eines Werkbahnzuges ist<br />

im Außenbereich ausgestellt.<br />

Der Triebwagen<br />

kann nach dem Abschluss<br />

der aufwendigen<br />

Restaurierungsarbeiten<br />

mittlerweile wieder von<br />

innen gut in Augenschein<br />

genommen werden.<br />

Darüber hinaus kann<br />

man zum Beispiel die<br />

Raketenkorvette HANS<br />

BEIMLER – künftig in einem<br />

eigenen Ausstellungsbereich<br />

auf der gegenüberliegenden<br />

Seite<br />

des Peenemünder Hafens<br />

– besichtigen. Die-<br />

HANS BEIMLER zählte<br />

zu den Kleinen Raketenschiffen<br />

der NVA (Projekt<br />

„1241 RÄ”).<br />

Im Innern des Museums<br />

befindet sich eine<br />

umfangreiche Dauerausstellung.<br />

Sie informiert ausführlich über die<br />

Geschichte von Peenemünde und seiner<br />

Umgebung – vor allem während des „Dritten<br />

Reiches“ – und verfügt ebenfalls über eine<br />

Vielzahl besonderer Exponate.<br />

Mitte April 2014 wurde im Historisch-<br />

Technischen Museum Peenemünde der neue<br />

Abschnitt „Das Kraftwerk – Gebaut für die<br />

Ewigkeit...?“ eröffnet. Der Rundgang führt<br />

nun auch durch die Turbinenhalle und weitere<br />

Ebenen des Kesselhauses, die bisher für<br />

Museumsbesucher nicht zugänglich waren.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />

von <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />

Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />

224 Seiten · ca. 200 Abb. · 22,8 x 22,8 cm<br />

€ [A] 25,70 · sFr. 34,90<br />

ISBN 978-3-7658-2038-0 € 24,99<br />

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€ [A] 20,60 · sFr. 27,90<br />

ISBN 978-3-7658-1850-9 € 19,99<br />

Erlebnis Geschichte<br />

Auch als eBook erhältlich<br />

Clausewitz 5/2014


Militär und Technik | Legionslager<br />

Meisterwerk der Technik und Logistik<br />

Das romische<br />

Militarlager<br />

Antike: Das Römische Reich zeichnet sich nicht nur durch hervorragende Truppen und<br />

brillante Schlachtentaktiken aus. Auch im Bereich der militärischen Technik und Logistik<br />

ist es seinen Gegnern weit voraus.<br />

Von Daniel Carlo Pangerl<br />

Die Armee besitzt eine herausragende<br />

Bedeutung für die immense politisch-militärische<br />

Macht und die gewaltige<br />

flächenmäßige Ausdehnung des Römischen<br />

Reiches. Neben einer ausgeklügelten<br />

Bündnispolitik ist es insbesondere der<br />

militärischen Stärke zu verdanken, dass sich<br />

der einstige Stadtstaat Rom ab etwa dem 1.<br />

Jahrhundert v. Chr. zu einem Weltreich entwickeln<br />

kann. Das alte römische Militärwe-<br />

sen besteht weitgehend aus einer Bürgermiliz,<br />

die sich selbst ausrüstet, für einen Feldzug<br />

zusammengerufen wird und nach dessen Ende<br />

wieder aus dem Dienst ausscheidet. Dieses<br />

Wehrkonzept reicht aber schon bald nicht<br />

mehr aus, um Aufstände im Reichsinneren<br />

niederzuschlagen und die Grenzen gegen äußere<br />

Feinde zu verteidigen. Hinzu kommt,<br />

dass die Feldzüge immer länger dauern, so<br />

dass man die Truppen für einen umfangreicheren<br />

Zeitraum als lediglich für einen Sommer<br />

benötigt. Überdies wächst der Anteil der<br />

armen Bevölkerungsschicht: Diese kann eine<br />

eigene Ausrüstung für den Wehrdienst nicht<br />

finanzieren. An der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert<br />

v. Chr. werden diese Probleme beseitigt,<br />

denn es kommt zur Einführung einer<br />

dauerhaft verfügbaren, auch in Friedenszeiten<br />

einsetzbaren römischen Berufsarmee. Die<br />

Soldaten durchlaufen nun eine professionel-<br />

Alle Abb.: akg-images / Peter Connolly<br />

70


GIGANTISCH: Diese Rekonstruktionszeichnung<br />

le und systematische Ausbildung<br />

und sind täglichem<br />

des Kastells der VII. Legion („Legio VII Claudia“)<br />

veranschaulicht die technischen und logistischen Drill ausgesetzt. Obgleich ihre<br />

Hauptaufgabe das Kämp-<br />

Leistungen des römischen Militärs besonders<br />

gut. Außerhalb der Mauern ist die Stadt Viminacium<br />

(heute Kostolac/Serbien) zu erkennen. noch in anderen Bereichen:<br />

fen ist, betätigen sie sich auch<br />

Beispielsweise übernehmen<br />

sie Polizeidienste sowie Bauarbeiten zur Errichtung<br />

von militärischer und ziviler Infrastruktur.<br />

Die Politik des Römischen Reiches ist auf<br />

ständige Expansion ausgerichtet. Die Truppen<br />

befinden sich meist in Bewegung, dringen<br />

in fremde Territorien ein und erobern<br />

diese. Zur Sicherung der militärischen Präsenz<br />

in den zu unterwerfenden oder bereits<br />

unterworfenen Gebieten entwickelt das Imperium<br />

ein ausgefeiltes Konzept: die Errichtung<br />

befestigter Militärlager (lateinisch:<br />

„castrum“). Hierbei kann man grundsätzlich<br />

zwei Typen unterscheiden: das Marschlager<br />

und das Standlager (Kastell).<br />

AUFBRUCH: Legionäre beim Abbau des Marschlagers. Die Marschlager<br />

werden jeden Tag abgebaut und bei Erreichen des Etappenzieles erneut errichtet.<br />

Die Soldaten tragen ihre Ausrüstung am Körper sowie an einer<br />

Stange über der Schulter. Normalerweise schlafen acht Legionäre in einem<br />

Zelt – für dessen Transport steht ihnen ein Maultier zur Verfügung.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

71


Militär und Technik | Legionslager<br />

AUSGEKLÜGELT: Blick auf die rückwärtige Palisade des nordöstlichen Tores von Lager C<br />

des römischen Belagerungsringes bei „Alesia“ (heute Alise/Frankreich). Die schnell errichteten<br />

Lager der Römer können somit auch eine aktive Rolle in der Kriegführung der<br />

antiken Militärmacht spielen. Der Lagerbau gehört zur Grundausbildung eines römischen<br />

Soldaten, die Legionäre bauen aber auch die berühmten Heerstraßen sowie Brücken.<br />

Das Marschlager<br />

In Zeiten von Feldzügen und Kriegen macht<br />

die römische Armee mobil. Nachdem die<br />

Truppen ihr tägliches Marschziel erreicht haben,<br />

errichten sie jeden Abend ein befestigtes<br />

Marschlager. Es gewährt ihnen Unterkunft<br />

sowie Schutz vor Diebstahl, feindlichen<br />

Kriegern und Wildtieren. Hinzu kommt der<br />

Effekt der psychologischen Kriegführung:<br />

Dem Gegner wird signalisiert, dass man<br />

über eine herausragende militärische Logistik<br />

verfügt und ständig sowohl kampf- als<br />

auch verteidigungsbereit ist. In der Regel<br />

existiert ein Marschlager nur einen einzigen<br />

Tag und wird am nächsten Morgen wieder<br />

abgebaut. Jedoch kommt es vor, dass ein solches<br />

Lager auch länger fortbesteht. Zum Beispiel<br />

kann es bei größeren militärischen Unternehmungen<br />

als Sammelpunkt für verschiedene<br />

Truppenteile fungieren, ehe diese<br />

gemeinsam weiterziehen.<br />

Grundriss und Ausstattung<br />

Die römische Armee konstruiert ein Marschlager<br />

stets nach demselben Bauprinzip, insofern<br />

es die Geländeverhältnisse zulassen.<br />

Die Lagerkoordinaten werden kreuzförmig<br />

festgelegt, so dass sich als Grundriss ein<br />

Rechteck mit zwei sich kreuzenden Geraden<br />

ergibt. Als Geraden dienen die beiden<br />

Hauptstraßen, die von vorne nach hinten<br />

und von links nach rechts verlaufen und<br />

schließlich in die vier Lagertore einmünden.<br />

Die Straßen tragen die Namen „via praetoria“<br />

(längs) und „via principalis“ (quer). Die<br />

Tore heißen „porta praetoria“ (vorne), „porta<br />

decumana“ (hinten), „porta principalis sinistra“<br />

(links) und „porta principalis dextra“<br />

(rechts). Der hintere Teil des Lagers wird<br />

durch eine zweite schmalere Querstraße<br />

(„via quintana“) nochmals unterteilt. Die<br />

„via praetoria“ verbreitert sich vom Kreuz<br />

der Hauptstraße ab nach rückwärts zum „forum“.<br />

Dort sind das Zelt des Feldherren<br />

(„praetorium“) sowie das Feldzeichen und<br />

HINTERGRUND<br />

Abusina ist eines der wichtigsten Römerkastelle<br />

entlang der Donau. Seine archäologischen<br />

Relikte befinden sich auf der Fläche<br />

des heutigen Dorfes Eining, eines Ortsteils<br />

von Neustadt an der Donau (Landkreis Kelheim,<br />

Niederbayern), etwa 45 km südwestlich<br />

von Regensburg. Das Kastell wird um<br />

80 n. Chr. auf einer strategisch günstigen<br />

Anhöhe errichtet, wo die Flüsse Donau und<br />

Abens zusammenfließen. Es handelt sich<br />

um eine Holz-Erde-Konstruktion (Abmessung:<br />

125 x 147 Meter) mit vier Toren sowie<br />

Eck- und Zwischentürmen. Kernstück des<br />

Kastells ist das teilweise beheizbare Verwaltungs-<br />

und Stabsgebäude („principia“).<br />

Es beherbergt u. a. Versammlungsräume für<br />

Offiziere und das Kriegsgericht, eine Waffenkammer,<br />

eine Soldkasse sowie ein Fahnenheiligtum<br />

mit einer Statue des amtierenden<br />

Kaisers und den Standarten der Einheit.<br />

Ergänzt wird dieser Gebäudekomplex<br />

durch eine Raststation und eine Thermenanlage.<br />

Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gehört<br />

das Kastell zu den Grenzanlagen des Römischen<br />

Reiches zwischen Rhein und Donau:<br />

Es markiert den östlichen Endpunkt des<br />

ein Altar zu finden. Auf der Rückseite des<br />

„praetorium“ befindet sich ein freier Platz,<br />

wo die Soldaten zu Ansprachen versammelt<br />

werden können. Nahe der „porta decumana“<br />

liegt das „quaestorium“, ein Zelt mit integrierter<br />

Schreibstube. Es beherbergt den<br />

Quästor, einen hochrangigen römischen Verwaltungsbeamten.<br />

Die Soldaten sind in den<br />

verbleibenden Bereichen des Lagers untergebracht.<br />

Ihre Einquartierung findet nach einem<br />

genau festgelegten Verteilungsplan<br />

statt. Aus Sicherheitsgründen lässt man<br />

Ein Kastell im Detail – Abusina-Eining<br />

Obergermanisch-Raetischen Limes. Nachdem<br />

in Abusina zunächst wechselnde Truppen<br />

untergebracht sind, wird dort Mitte des<br />

2. Jahrhunderts die 500 Mann starke Cohors<br />

III Britannorum equitata (3. berittene<br />

Britannierkohorte) dauerhaft stationiert.<br />

Zwischen 233 und 260 n. Chr. fällt der germanische<br />

Stamm der Alamannen in Abusina<br />

ein, vertreibt die römische Besatzung<br />

und zerstört das Kastell. Erst Anfang des<br />

4. Jahrhunderts kehrt die Cohors III Britannorum<br />

equitata zurück: Sie errichtet an der<br />

Südwestflanke der Ruine ein neues spätantikes<br />

Kastell aus Stein (Abmessungen: 37 x<br />

45 Meter). Dieses ist im Vergleich zum Vorgängerbau<br />

zwar deutlich kleiner, jedoch<br />

auch wesentlich stärker befestigt. Hinter<br />

den Grundmauern des alten Kastells bildet<br />

sich ein sogenannter „vicus“, eine Siedlung<br />

von römischen Zivilisten. Um 430 geht das<br />

Kastell infolge einer Brandkatastrophe endgültig<br />

unter. Zu gleichen Zeit endet auch der<br />

Grenzschutz der Donau durch die römischen<br />

Truppen. Heute dienen die Überreste des<br />

Kastells Abusina als Grundlage für ein Freilichtmuseum.<br />

72


Meisterleistung römischer Militärtechnik<br />

einen breiten Streifen („intervallum“) zwischen<br />

den Gebäuden und dem Wall frei. Dieser<br />

Zwischenraum ermöglicht es den Soldaten,<br />

sehr rasch den Wall zu Verteidigungszwecken<br />

zu besetzen. Die römischen<br />

Verteidiger stehen dabei etwa zwei Meter höher<br />

als die Angreifer. Marschlager besitzen<br />

normalerweise weder Türme noch Geschützplattformen.<br />

Deren Errichtung wäre innerhalb<br />

der kurzen Zeit, die für den Lagerbau<br />

zur Verfügung steht, nur schwer möglich.<br />

Die Bauweise<br />

Der Bau des Lagers ist eine Meisterleistung<br />

der römischen Militärtechnik, sowohl hinsichtlich<br />

der architektonischen Kunstfertigkeit<br />

als auch der zeitlichen Ökonomie. Er<br />

läuft im Regelfall wie folgt ab: Zunächst sendet<br />

man eine Vorhut aus, die einen adäquaten<br />

Übernachtungsplatz ausfindig machen soll.<br />

Diese Örtlichkeit wird dann vermessen und<br />

mit eindeutigen Markierungen versehen, so<br />

dass jede der ankommenden Marschabteilungen<br />

sogleich weiß, an welcher Stelle sie<br />

sich niederzulassen hat. Ein Teil der Truppen<br />

übernimmt jetzt die Aufgabe, die Baustelle<br />

zu sichern. Zur selben Zeit errichtet der andere<br />

Teil eine Befestigung, die das gesamte<br />

Areal umschließt. Entlang der Befestigungslinien<br />

wird ein Graben von etwa 100 Zentimetern<br />

Tiefe ausgehoben: Die Erde wird mit<br />

Hacke und Spaten aufgelockert, in Körben<br />

aus dem Graben herausgehoben und direkt<br />

dahinter zu einem etwa 60 Zentimeter hohen<br />

Wall aufgeschichtet. In die Oberkante dieses<br />

„Wenn du Frieden willst, musst du zum Kriege<br />

rüsten.“ („Si vis pacem, para bellum.“)<br />

Zitat des römischen Kriegstheoretikers Flavius Vegetius Renatus, spätes 4. Jh. n. Chr.<br />

GESCHÜTZT: Das Bild zeigt eines der Infanterielager (für zwei Legionen) während der Belagerung<br />

von Alesia durch Caesar 52 v. Chr. Gut zu erkennen sind die Zelte und die hölzerne<br />

Umwallung. Da dieses Marschlager Teil einer ausgeklügelten Blockadeanlage ist, verfügt es<br />

über zusätzliche – und normalerweise nicht übliche – „Features“, wie z. B. Türme.<br />

Walls rammt man hölzerne Palisadenpflöcke<br />

von etwa 100 bis 120 Zentimetern Höhe und<br />

verbindet sie mit Hilfe von Seilen. Die bei<br />

diesen Erdarbeiten entstandenen Grassoden<br />

(viereckige Stücke der ausgestochenen Grasnarbe)<br />

werden zu Verteidigungszwecken<br />

verwendet: Man legt sie auf die Außenseite<br />

des Walls, damit Angreifer dort keinen Halt<br />

finden, sondern ausgleiten und hinunterstürzen.<br />

Nach Abschluss der Befestigungsarbeiten<br />

können die Zelte aufgestellt werden, die<br />

jeweils für bis zu sechs Mann Platz zum<br />

Schlafen bieten. Die Zelte bestehen aus Leder<br />

und sind dank einer raffinierten Nähtechnik,<br />

bei der die Lederhaut nach außen intakt<br />

bleibt, und einer regelmäßigen Imprägnierung<br />

mit Fett und Wachs wasserabweisend.<br />

Sobald der Morgen des nächsten Marschtages<br />

hereinbricht, baut man das Lager komplett<br />

ab und schüttet die Gräben zu. Die Palisadenpflöcke<br />

und die übrige zum Bau benötigte<br />

Ausrüstung werden auf Maultiere<br />

geladen. Nun setzt sich die Armee wieder in<br />

Bewegung und rückt weiter in Richtung des<br />

nächsten Etappenziels vor. Ehe das Tageslicht<br />

erlischt, machen die Truppen Halt, und es<br />

wiederholt sich derselbe Vorgang: Die Errichtung<br />

eines neuen Marschlagers, welches eine<br />

sichere Herberge für die Nacht bietet.<br />

Das Standlager (Kastell)<br />

GESCHÄFTIG: Blick in ein römisches Marschlager – das große Zelt im Hintergrund gehört<br />

dem Zenturio, das kleinere im Vordergrund beherbergt Legionäre. Römische Soldaten erhalten<br />

zudem eine recht abwechslungsreiche Nahrung (eine Kochstelle ist im Vordergrund zu<br />

sehen). Die beiden Soldaten am rechten Bildrand bereiten sich auf den Wachdienst vor.<br />

In der Frühzeit der Römischen Republik sind<br />

die Militärlager ausschließlich Marschlager,<br />

weil es noch kein stehendes Heer gibt. Deshalb<br />

besteht die Funktion des Militärlagers<br />

primär darin, eine geschützte nächtliche Unterkunft<br />

zu gewährleisten. Seit der Einführung<br />

der Berufsarmee in der Spätzeit der Republik<br />

(ab etwa 100 v. Chr.) werden auch Lager<br />

errichtet, welche den Soldaten als<br />

ständige Wohnorte dienen. Es handelt sich<br />

hierbei um Standlager, die man auch als<br />

„Kastelle“ bezeichnet. Während Marschlager<br />

in den noch nicht befriedeten Gebieten installiert<br />

werden, baut man Kastelle üblicherweise<br />

in Gebieten, die bereits von den Rö-<br />

Clausewitz 5/2014<br />

73


Militär und Technik | Legionslager<br />

mern erobert worden sind. Kastelle besitzen<br />

vor allem eine strategische Funktion als ständige<br />

Sicherung gefährdeter Positionen. Daher<br />

befinden sie sich oftmals unmittelbar<br />

hinter den Grenzen des Imperiums. Bekannte<br />

Beispiele hierfür sind die Kastelle, die am<br />

obergermanisch-raetischen Limes liegen: einem<br />

etwa 550 Kilometer langen Abschnitt<br />

der Außengrenze des Römischen Reiches<br />

zwischen Rhein und Donau, der sich von<br />

Rheinbrohl (Rheinland-Pfalz) im Westen bis<br />

Eining (Niederbayern) im Osten erstreckt.<br />

Zugleich fungieren Kastelle auch als logistische<br />

Knotenpunkte im Versorgungsnetz der<br />

Armee: Sie können zur Sammlung und Ausgabe<br />

von Waffen, Baumaterial und Vorräten<br />

genutzt werden, des Weiteren zur medizinischen<br />

Versorgung der Soldaten und zur Reparatur<br />

von militärischer Ausrüstung. Je länger<br />

ein Lager existiert und je größer seine<br />

Ausdehnung und Truppenstärke sind, desto<br />

mehr gewinnen diese logistischen Funktionen<br />

an Bedeutung.<br />

Grundriss und Ausstattung<br />

Das Kastell verfügt im Wesentlichen über<br />

denselben Bauplan wie das Marschlager: einen<br />

Grundriss in Form eines Rechtecks mit<br />

zwei Hauptstraßen und vier Lagertoren.<br />

Deutliche Unterschiede gibt es jedoch bei<br />

den Bauten, die sich innerhalb der Befestigungsanlage<br />

befinden. Ein Marschlager beinhaltet<br />

nur Gebäude, die von unmittelbarem<br />

Nutzen sind und rasch wieder abgebaut<br />

KOMPLEX: Die römischen Standlager<br />

gleichen kleinen Städten – diese Abbildung<br />

zeigt die Wohnblocks (hinten) und<br />

Pferdeställe (vorne) der Kavallerie. Diese<br />

Rekonstruktion stützt sich auf Erkenntnisse,<br />

die durch Ausgrabungen eines römischen<br />

Kastells in Oberstimm bei Ingolstadt<br />

gewonnen wurden.<br />

werden können, also in erster Linie Zelte für<br />

den Feldherren und die Soldaten, Koppeln<br />

für Reit- und Lasttiere, Stellplätze für mitgeführte<br />

Wagen sowie Lagerräume. Dagegen<br />

besitzen Kastelle eine deutlich umfangreichere<br />

und aufwendigere Innenausstattung,<br />

was dem Umstand geschuldet ist, dass die<br />

Truppen dort für längere Zeit stationiert sind<br />

und sich entsprechend häuslich einrichten.<br />

Die Soldaten werden in Kasernen untergebracht,<br />

Reit- und Lasttiere in Ställen, Gerät-<br />

HINTERGRUND<br />

Kastelle als Grundlage für moderne Städte<br />

Das Erbe der römischen Militärlager ist auch<br />

in der Gegenwart noch unmittelbar zu erkennen.<br />

Kastelle/Standlager stellen nämlich oftmals<br />

die Grundlage für die Entstehung von<br />

Städten dar, die teilweise noch heute existieren.<br />

Die Entwicklung läuft in der Regel folgendermaßen<br />

ab: Unmittelbar vor den Mauern<br />

eines Kastells siedelt sich die Zivilbevölkerung<br />

an. Neben den Frauen der innerhalb des<br />

Kastells stationierten Soldaten sind dies<br />

hauptsächlich Gastwirte, Handwerker und<br />

Händler sowie Veteranen (ausgediente Soldaten,<br />

die im militärischen Bedarfsfall eingesetzt<br />

werden können). Eine solche Siedlung<br />

bezeichnet man im Lateinischen als „vicus“<br />

(Plural: „vici“). Das Schicksal dieser „vici“ gestaltet<br />

sich sehr unterschiedlich. Wenn es<br />

zur Auflösung eines Kastells kommt, etwa<br />

weil es durch einen übermächtigen Feind bedroht<br />

oder nach erfolgreicher militärischer<br />

Mission funktionslos wird, hat dies meist<br />

auch das Ende der Siedlung zur Folge. Bleibt<br />

ein Kastell hingegen über ein langen Zeitraum<br />

in Gebrauch, so kann die zugehörige<br />

Siedlung wirtschaftlich prosperieren, sich<br />

einwohner- und flächenmäßig ausdehnen<br />

und zu einer befestigten Stadt (lateinisch:<br />

„civitas“) entwickeln. Eine Reihe dieser Städte<br />

überdauert die Antike sowie das Mittelalter<br />

und besteht auch gegenwärtig noch fort.<br />

Betrachtet man die Gebiete des heutigen<br />

deutschsprachigen Raumes, so kann man<br />

feststellen, dass sich ebensolche „vici“ während<br />

der Römerzeit insbesondere in den<br />

Provinzen Obergermanien (südwestliches<br />

Deutschland sowie Teile der Schweiz) und<br />

Rätien (nördliches Alpenvorland zwischen<br />

südöstlichem Schwarzwald, Donau und Inn)<br />

herausbilden. Beispiele für Kastellsiedlungen,<br />

aus denen später Städte entstehen,<br />

sind Bonn („Castra Bonnensia“), Mainz<br />

(„Castra Moguntiacum“), Neuss („Castra Novaesium“),<br />

Passau („Castra Batava“), Regensburg<br />

(„Castra Regina“) und Remagen<br />

(„Castra Rigomagus“). <strong>Wie</strong> diese Aufzählung<br />

veranschaulicht, leiten sich einige der modernen<br />

deutschen Städtenamen von den lateinischen<br />

Namen einstiger Kastelle ab.<br />

74


Das Kastell als Kleinstadt<br />

ÜBUNG FÜR DEN ERNSTFALL: In den Militärlagern finden regelmäßig<br />

Waffenübungen statt, um die Legionäre fit und auf einem hohen<br />

Kampfniveau zu halten. Hier wird mit Holzschwert und geflochtenem<br />

Weidenschild unter Anweisung eines Ausbilders geübt. Im Hintergrund<br />

trainieren Legionäre mit hölzernen Pila (Wurfspießen).<br />

UNERMÜDLICH: Die römische Armee ist bekannt für ihre Organisation<br />

und den ausdauernden Einsatz der Legionäre – auch mit Schaufel<br />

und Spitzhacke! Auf diesem Bild sind Soldaten beim Bau eines befestigten<br />

Heerlagers zu sehen. Da der Feind in der Nähe ist, bleiben<br />

die Rüstungen angelegt sowie Helme und Waffen griffbereit.<br />

schaften in Lagerschuppen. Der Feldherr<br />

wohnt in einem repräsentativen Haus im<br />

mediterranen Stil. Auch den Offizieren stehen<br />

jeweils eigene Häuser zu. Als administratives<br />

und religiöses Zentrum des Kastells<br />

dient das Verwaltungs- und Stabsgebäude<br />

(„principia“). Darin befinden sich das Fahnenheiligtum,<br />

die Truppenkasse sowie Arbeitspulte<br />

für Schreiber. In der „principia“<br />

werden Lagebesprechungen durchgeführt,<br />

Verwaltungsakte wie Rekrutierungen oder<br />

Soldauszahlungen vollzogen und religiöse<br />

Feiern abgehalten. Zur medizinischen Versorgung<br />

der Truppen gibt es ein Lazarett<br />

(„valetudinarium“). Das Grundnahrungsmittel<br />

der Soldaten, Getreide, wird in großen<br />

Vorratsspeichern aufbewahrt. In vielen Lagern<br />

betreibt man auch Werkstätten, die militärische<br />

Ausrüstung anfertigen oder reparieren.<br />

In umfangreichen und lange Zeit genutzten<br />

Kastellen finden sich auch Gebäude, die<br />

den Truppen einen gewissen Luxus ermöglichen,<br />

beispielsweise Badeanlagen (Thermen)<br />

und Ladenlokale, in denen Zivilisten den Soldaten<br />

zu erschwinglichen Preisen Speis und<br />

Trank anbieten. Überdies verfügen manche<br />

Kastelle sogar über eine Kanalisation.<br />

Die Bauweise<br />

Sowohl beim Marschlager als auch beim<br />

Kastell setzt sich die Verteidigungsanlage<br />

grundsätzlich aus drei Komponenten zu-<br />

sammen: Graben, Wall und Palisade/Mauer.<br />

Jedoch wird bei der Errichtung des Kastells<br />

deutlich mehr Stein verwendet als beim<br />

Marschlager. Auf Grund der besseren Befestigung<br />

und Stabilität können Angreifer so effektiver<br />

abgewehrt werden. Zudem ist Stein<br />

ungleich witterungsresistenter als Holz, ein<br />

wichtiger Faktor bei Kastellen, die über eine<br />

lange Zeitspanne hinweg Bestand haben<br />

und ihre militärisch-logistischen Funktionen<br />

erfüllen sollen. Die Gräben sind beim Kastell<br />

mit zwei bis drei Metern mindestens doppelt<br />

so tief wie beim Marschlager. Einige<br />

Kastelle besitzen besonders ausgefeilte Verteidigungsanlagen<br />

mit doppelten Gräben.<br />

Die Anlage weist in der Regel mehrere Türme<br />

und Verteidigungsplattformen auf. Hinzu<br />

kommen Torbauten mit mehreren Durchgängen,<br />

die man mit Torflügeln und Fallgittern<br />

verschließen kann. Der Gesamtumfang<br />

ist von Kastell zu Kastell verschieden. Er<br />

schwankt im Regelfall zwischen 18 und 25<br />

Hektar, was Seitenlängen von 400 bis 600<br />

Metern entspricht. Mit diesen Maßen kann<br />

ein Kastell eine ganze Legion von etwa 5.000<br />

Soldaten beherbergen. Manche bieten sogar<br />

zwei Legionen Platz, etwa das 56 Hektar große<br />

Castra Vetera in der Nähe der heutigen<br />

Stadt Xanten. Ebenso gibt es Militärlager,<br />

die wesentlich kleiner als die Norm sind: sogenannte<br />

Auxiliarkastelle („Hilfskastelle“)<br />

in der Größenordnung von 1,5 bis 6 Hektar. In<br />

ihnen werden meist Hilfstruppen der römischen<br />

Legionen stationiert, die aus Einwohnern<br />

der Provinzen oder aus verbündeten<br />

Völkern stammen.<br />

VIELSEITIGE SOLDATEN: Neben dem Kampfeinsatz sind die Legionäre vor allem als Bauarbeiter<br />

tätig – hier bei der Errichtung des Hauptquartiers bzw. Stabs- und Verwaltungsgebäudes<br />

(„principia“) sowie der Mannschaftsunterkünfte eines Kastells. Die Standlager werden<br />

im Gegensatz zu den Marschlagern für eine langfristige Nutzung errichtet.<br />

Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und<br />

Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten<br />

gehören Mittelalter und Antike.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

75


Feldherren<br />

Winston Churchill<br />

Mit eisernem Willen<br />

8. Mai 1945: Winston Churchill ist am Ziel. Als erbitterter Widersacher Hitlers und des NS-<br />

Staates trägt der für seinen starken Willen und besonderen Ehrgeiz bekannte britische<br />

Premierminister großen Anteil am alliierten Sieg über das „Dritte Reich“. Von Stefan Krüger<br />

IN SOWJETISCHER BEGLEITUNG: Churchill<br />

nutzt eine Pause während der Potsdamer<br />

Konferenz im Sommer 1945 für einen Abstecher<br />

in die Ruine der zerstörten Neuen<br />

Reichskanzlei in der Berliner Voßstraße.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

76


BIOGRAPHISCHE DATEN<br />

1874: Churchill wird am 30. November in Woodstock<br />

(England) geboren<br />

1881–1892: Besuch verschiedener Internate<br />

1893–1895: Kadett in Sandhurst<br />

1895–1899: Leutnant im 4. Husarenregiment,<br />

nimmt an Feldzügen in Kuba, Indien und im Sudan<br />

teil<br />

1899–1900: Kriegsberichterstatter im Burenkrieg<br />

1900: Wird als Konservativer Mitglied des Unterhauses<br />

1904: Übertritt zur Liberalen Partei<br />

1908–1910: Handelsminister<br />

1910–1911: Innenminister<br />

1911–1915: 1. Lord der Admiralität<br />

Winston Churchill (1874–1965)<br />

1915: Frontoffizier<br />

1916: Abgeordneter<br />

1917–1918: Munitionsminister<br />

1918–1921: Kriegs- und Luftfahrtminister<br />

1924: Wechsel zu den Konservativen<br />

1924–1929: Schatzkanzler<br />

1929–1939: Kein politisches Amt<br />

1939: 1. Lord der Admiralität<br />

1940–1945: Parteiführer der Konservativen und<br />

Premier- und Verteidigungsminister<br />

1945–1951: Oppositionsführer<br />

1951–1955: Premierminister<br />

1953: Nobelpreis für Literatur<br />

1965: Churchill stirbt in London<br />

(24. Januar)<br />

SYMBOLHAFT: Der britische<br />

Premierminister Churchill verbreitet<br />

im Kriegsjahr 1943 lächelnd<br />

Optimismus mit dem<br />

„Victory“-Zeichen.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Clausewitz 5/2014


Feldherren<br />

Ein Blick in die Ahnengalerie der Churchills<br />

zeigt, dass die Familie einige politisch<br />

und militärisch bedeutsame Persönlichkeiten<br />

hervorgebracht hat, so etwa im<br />

frühen 18. Jahrhundert: Damals können<br />

Großbritannien und seine Verbündeten erleichtert<br />

aufatmen. Für einen Augenblick hat<br />

es tatsächlich so ausgesehen, als ob die aufstrebende<br />

Kontinentalmacht Frankreich mit<br />

ihrem machthungrigen König und Alleinherrscher<br />

Ludwig XIV. an der Spitze<br />

die Hegemonie in Europa erringen<br />

würde. Dass Frankreich nicht<br />

die alles beherrschende Vormachtstellung<br />

erlangt, haben sie vor allem<br />

einem Mann zu verdanken:<br />

John Churchill. Er fügt den Franzosen<br />

während des Spanischen<br />

Erbfolgekrieges (1701–1714) in einem<br />

brillanten Feldzug eine Reihe<br />

von Niederlagen zu. Zum Dank<br />

erhebt ihn Königin Anne zum Herzog.<br />

Sein Titel lautete fortan „1.<br />

Duke of Marlborough“.<br />

Karriere des Vaters<br />

Nachdem sich die Churchills so<br />

eindrucksvoll in den Hochadel<br />

„katapultiert“ haben, wird es auffällig<br />

still um sie. Erst am Ende<br />

des 19. Jahrhunderts macht wieder ein Marlborough<br />

von sich reden: Lord Randolph<br />

Churchill ist einer jener Exzentriker, bei denen<br />

sich die Zeitgenossen nie so ganz sicher<br />

sind, auf welcher Seite der Grenze von Genie<br />

und Wahnsinn sie gerade ihren „Hexentanz“<br />

aufführen. Doch allen Eskapaden zum Trotz<br />

erkennt er mit ungewöhnlich viel Weitblick,<br />

dass die konservative Partei, der er angehört,<br />

nur dann eine Chance hat, wenn sie sich<br />

VATERFIGUR: Lord Randolph<br />

Henry Spencer-Churchill (1849–<br />

1895), Winston Churchills Vater,<br />

im Porträt.<br />

Foto: picture-alliance/Everett Collection<br />

FEINER ZWIRN STATT<br />

UNIFORM: Premierminister<br />

Lloyd George (re.) holt<br />

Winston Churchill 1917 als<br />

Munitionsminister in die<br />

Regierung zurück.<br />

Foto: picture-alliance/Farabola/Leemage<br />

IN JÜNGEREN JAHREN: Aufnahme<br />

von Winston Churchill aus<br />

dem Jahr 1905.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

Mary Evans Picture Library<br />

nicht länger als Klientelpartei der Oberschicht,<br />

sondern als Volkspartei begreift.<br />

Diese Erkenntnis verhilft ihm politisch zum<br />

Durchbruch. Doch so schnell wie dieser<br />

Stern aufsteigt, verglüht er auch wieder.<br />

Denn Churchill sitzt dem verhängnisvollen<br />

Irrtum auf, unersetzlich zu sein.<br />

Gänzlich unbeeindruckt vom politischen<br />

Absturz bleibt indes Randolphs größter Bewunderer,<br />

nämlich sein ältester Sohn Winston.<br />

Dieser kommt am 30. November 1874<br />

zur Welt. Nun fahren in England nicht nur<br />

die Autos auf der „falschen“ Seite, auch das<br />

Adelsrecht ist anders ausgeprägt. So ist ausschließlich<br />

der älteste Sohn berechtigt, den<br />

Erbtitel zu führen. Die jüngeren Brüder hingegen<br />

dürfen sich lediglich mit der Bezeichnung<br />

„Lord“ schmücken. Den Söhnen dieser<br />

Titularlords wiederum bleibt auch dies verwehrt.<br />

Winston Churchill wird daher mit seinem<br />

bürgerlichen Namen in die Geschichte<br />

eingehen und nicht als Marlborough.<br />

Beginn der Militärlaufbahn<br />

Er ist somit nicht mit dem sprichwörtlichen<br />

silbernen Löffel im Mund geboren worden,<br />

zumal der exzentrische Vater mit der Zeit einen<br />

beeindruckenden Schuldenberg anhäuft.<br />

Dennoch soll Winston die Internats-<br />

Ausbildung durchlaufen, wie es sich für einen<br />

Angehörigen des Hochadels gehört. Im<br />

spätviktorianischen England bedeutet das<br />

vor allem eines: Prügel. Das Bildungssystem<br />

offenbart hier keinen Fehler, sondern ein perfides<br />

Kalkül. Die Erzieher möchten die Kinder<br />

brechen, um aus den Splittern einen neuen<br />

Menschen zu formen: einen geschliffenen<br />

Kavalier. Erscheinungen wie Vater Randolph<br />

sollen hingegen die Ausnahme bleiben.<br />

Winston aber lässt sich nicht brechen, er verweigert<br />

sich völlig. Mehrmals bleibt er sitzen<br />

und erträgt scheinbar stoisch die Prügel.<br />

Ratlos, was er mit seinem<br />

Sohn anstellen soll, betritt der Vater<br />

eines Tages das Kinderzimmer<br />

und sieht, dass der 15-Jährige mit<br />

Zinnsoldaten spielt. Auf die Frage,<br />

ob er denn zur Armee möchte,<br />

nickt Winston eifrig. Doch aufgrund<br />

der mangelhaften Schulbildung<br />

– Churchill hat das<br />

Abitur freilich nicht bestanden –<br />

rasselt er zunächst zweimal<br />

durch die Aufnahmeprüfung, ehe<br />

sich schließlich ein Husarenregiment<br />

seiner erbarmt. Das ist keine<br />

Auszeichnung. Die Kavallerie<br />

gilt als „Wühltisch“ der Taugenichtse<br />

aus dem Hochadel.<br />

Zur großen Verblüffung seiner<br />

Familie fügt sich der trotzige und<br />

ewig renitente Winston problem-<br />

78


frühe helle Selbsteinkleideruniform von 1957<br />

mit freundlicher Genehmigung von Herrn Czarski vom<br />

Uniformenmuseum Nieder-Gemünden<br />

Gefreiter der Militärmusik 1965 nach Einführung der<br />

Schützenschnur<br />

<br />

<br />

<br />

Emblem, Rock mit spitzen Schulterstücken und ohne<br />

<br />

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-<br />

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<br />

Privatsammlung<br />

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<br />

wie folgt: „Der Dienstanzug,<br />

, eine graue Kammgarn<br />

tuchbekleidung, besteht aus der Dienstbluse (zwei<br />

reihig mit geschwungen verlaufenden Knöpfen,<br />

eng in der<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

deckend),<br />

aus der Tuchhose (als Überfallhose oder lang zu<br />

tragen), der bergmützenähnlichen Dienstmütze, aus dem<br />

grauen Diensthemd und Langbinder. .Jenach Dienst und<br />

<br />

<br />

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und im Felde.“<br />

Korrekte Darstellung:<br />

weißes<br />

Sporthemd, Binder<br />

silberfarben,<br />

Schirmmütze noch<br />

mit Metallabzei-<br />

chen (passend zu<br />

den metallenen<br />

<br />

-<br />

abzeichen und dem<br />

geraden Eichenlaub<br />

<br />

<br />

mit freundlicher<br />

Genehmigung<br />

der Infanterieschule<br />

der Bundeswehr<br />

Privatsammlung<br />

<br />

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<br />

<br />

<br />

werden.“<br />

mit freundlicher Genehmigung der<br />

<br />

<br />

„Der Ausgehanzug<br />

unterscheidet sich von diesem durch<br />

<br />

<br />

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<br />

Polarisierende Persönlichkeit<br />

SICHER GELANDET: Churchill nach der Landung eines vom Piloten Major Gerrard geführten<br />

Militärflugzeugs im südenglischen Portsmouth, 1914. Foto: picture-alliance/PA Archive/Press Association Ima<br />

los in die militärische Hierarchie. Mehr noch:<br />

Er liebt das Kriegshandwerk und die fünf<br />

Jahre, die er als Berufsoffizier verbringt, sind<br />

ohne Zweifel die glücklichsten seines bis dahin<br />

freudlosen Lebens. An fünf kleineren Kolonialkriegen<br />

nimmt er teil. Der letzte, in<br />

dem es gegen die Buren geht, macht ihn über<br />

Nacht zum „Nationalhelden“, als ihm eine<br />

spektakuläre Flucht aus der Gefangenschaft<br />

gelingt.<br />

„Es gab Churchill, und<br />

so ist die Weltgeschichte<br />

anders verlaufen.“<br />

Der Historiker und Schriftsteller<br />

Sebastian Haffner (1907–1999)<br />

über Winston Churchill<br />

Mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein<br />

und Prestige im Gepäck nimmt er<br />

im Alter von 25 Jahren seinen Abschied von<br />

der Armee und wechselt in die Politik –<br />

selbstverständlich als „Tory“ (Konservativer).<br />

Sicherlich liebt er das Militär nach wie<br />

vor mehr als das schnöde politische Geschäft.<br />

Doch Churchill ist auch hungrig,<br />

hungrig nach Macht und Einfluss – und als<br />

Politiker verspricht er sich mehr Erfolg.<br />

<strong>Wie</strong> sehr er nach seinem Vater schlägt,<br />

zeigt Churchill nach nur drei Jahren als konservativer<br />

Abgeordneter im Unterhaus, indem<br />

er 1904 kurzerhand zu den Liberalen<br />

„überläuft“. In einem Land, in dem sich die<br />

politischen Lager so unversöhnlich gegenüberstehen,<br />

ist dies nicht nur ein Seitenwechsel.<br />

In den Augen der „Tories“ stellt<br />

dies Hochverrat dar. Vordergründig geht es<br />

um wirtschaftliche Fragen, tatsächlich aber<br />

wechselt der junge Abgeordnete die Partei,<br />

weil die Konservativen zu dieser Zeit im<br />

Niedergang begriffen sind. Bei den Liberalen<br />

hofft er, sein wenig gewinnbringendes Dasein<br />

als Hinterbänkler zu beenden. Und tatsächlich<br />

erringen die Liberalen 1906 einen<br />

Erdrutschsieg.<br />

Politischer Quergeist<br />

Doch wer geglaubt hatte, dass Churchill sich<br />

in seiner neuen politischen Heimat wenigstens<br />

auf dem rechten Flügel positionieren<br />

würde, sieht sich rasch getäuscht. Der Quergeist<br />

etabliert sich vielmehr als radikaler Linker,<br />

der beispielsweise fordert, die Rüstungsausgaben<br />

zu kürzen, um stattdessen die Sozialprogramme<br />

zu erweitern. Nicht einmal<br />

die neuen „Dreadnoughts“ möchte Churchill<br />

der Marine gönnen. Zusammen mit seinem<br />

„revolutionären“ Kollegen Lloyd George<br />

treibt er Konservative und Gemäßigte vor<br />

sich her. <strong>Wie</strong> weit würde Großbritannien<br />

noch nach links rücken? Dies fragt sich mit<br />

Sorgenfalten auf der Stirn auch der liberale<br />

Premierminister Herbert Henry Asquith.<br />

Dieser vollführt daraufhin einen der brillantesten<br />

politischen Schachzüge der britischen<br />

Lothar Schuster<br />

Das Ausstattungssoll der<br />

Heeresangehörigen der<br />

Bundeswehr von<br />

1955 bis 2010<br />

Mitd<br />

diesem Buch möchte der Autor einen<br />

Beitrag zur<br />

Dokumentierung ng der<br />

Ausrü-<br />

stung<br />

der Heeresangehörigen ehörigen leisten.<br />

Klar gegliedert werden en alle Ausrüstungs-<br />

gegenstände<br />

und<br />

Uniformteile<br />

in<br />

ihrer<br />

Entwicklung von nden Anfängen bis zur<br />

Gegenwart gezeigt.<br />

Über 1500 farbige Abbildungen<br />

376 Seiten + Daten-CD<br />

Best.-Nr. . 502/105<br />

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E<br />

Die Entwicklung der<br />

Dienst- und Ausgehuniform<br />

Clausewitz 5/2014<br />

79


Feldherren<br />

ZUFRIEDEN: Winston Churchill mit heiterer Miene in einem Jeep im militärisch besiegten<br />

Deutschland, 1945.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Geschichte: Er macht Churchill zum 1. Lord<br />

der Admiralität (Marineminister). Von den<br />

Sozialprogrammen möchte der ehrgeizige<br />

Jungpolitiker nun freilich nichts mehr wissen.<br />

Sein Marineministerium legt jetzt vielmehr<br />

einen Etatplan vor, der alles in den<br />

Schatten stellt, was Großbritannien und die<br />

Royal Navy bis dahin gesehen haben. Außerdem<br />

setzt der neue Marineminister durch,<br />

dass die Schiffe von der Kohlebefeuerung<br />

auf Öl umsteigen. Diese Maßnahme erweitert<br />

ihren Aktionsradius beträchtlich.<br />

dings ungenutzt. Die Entente-Mächte begnügen<br />

sich damit, dem Krieg und den<br />

Deutschen hinterherzuhinken, anstatt die<br />

Initiative zu ergreifen. Der Konflikt erstarrt<br />

im Stellungskrieg. Churchill aber graust es<br />

davor, Millionen von Menschen durch einen<br />

gigantischen Fleischwolf zu drehen in der<br />

Strategische Begabung<br />

Als er dafür wirbt, das Tempo der Flottenrüstung<br />

zu steigern, möchte er allerdings<br />

nicht nur das Gewicht seines Ministeriums<br />

erhöhen. Der 1. Lord der Admiralität ist davon<br />

überzeugt, dass ein Krieg mit Deutschland<br />

nicht mehr abgewendet werden kann.<br />

Churchill ist kein Kriegstreiber. Doch diese<br />

fatalistische Haltung, die dem Frieden keine<br />

Chance einräumt, teilt er mit Politikern auf<br />

dem gesamten Kontinent, was der Katastrophe<br />

mit den Weg ebnet. Im Krieg selbst beweist<br />

Churchill mehr Weitblick. Er vermutet,<br />

dass Deutschland die belgische Neutralität<br />

missachten und mit einem starken rechten<br />

Flügel in Nordfrankreich einmarschieren<br />

würde, ehe die Angreifer nach Süden<br />

schwenken. Damit hat er den Schlieffenplan<br />

auf eine Weise vorausgeahnt, als hätte er zuvor<br />

mit am preußischen Kartentisch gesessen.<br />

Seine strategische Begabung bleibt allermierminister<br />

Asquith eine Koalition mit den<br />

Konservativen ein und trennt sich obendrein<br />

von seinem Marineminister – die späte Rache<br />

der „Tories“ an dem „Verräter“ Churchill.<br />

„Ich bin erledigt“, kommentiert der geschasste<br />

Politiker sein Schicksal. Nach einem<br />

Intermezzo als Bataillonskommandeur an<br />

der Westfront kehrt Churchill zwar 1917 unter<br />

dem neuen Premierminister Lloyd George<br />

als Munitionsminister in die Regierung<br />

zurück. Doch geschwächt wie er ist, bleiben<br />

seine Möglichkeiten als Minister von Georges<br />

Gnaden sehr begrenzt. Immerhin erkennt<br />

er die immense Bedeutung gepanzerter<br />

Fahrzeuge und trägt dazu bei, dass der<br />

Tank als neue Waffengattung in die Massenproduktion<br />

geht.<br />

,,Dieser üble Mensch, diese Verkörperung des<br />

Hasses, dieser Brutherd von Seelenkrebs, diese<br />

Missgeburt aus Neid und Schande.“<br />

Hoffnung, dass den Deutschen als ersten das<br />

„Material“ ausgeht. Er plädiert dafür, auf<br />

dem Balkan eine neue Front zu eröffnen.<br />

Hier befindet sich mit dem Osmanischen<br />

Reich nicht nur das schwächste Glied in der<br />

Kette der Mittelmächte. Ein erfolgreicher<br />

Durchbruch zum Schwarzen Meer bietet zudem<br />

die Chance, Russland zu versorgen,<br />

denn der „Riese“ leidet unter gewaltigen<br />

Nachschubproblemen, die ihn am Ende auch<br />

zu Fall bringen sollten. Die Schlacht von Gallipoli<br />

(19. Februar 1915 bis 9. Januar 1916)<br />

gerät allerdings zu einem Debakel.<br />

Dieser Fehlschlag, der auch mit der Munitionskrise<br />

in Großbritannien zusammenfällt,<br />

stürzt die liberale Regierung in eine<br />

schwere Krise. Um sich zu retten, geht Pre-<br />

Winston Churchill über Adolf Hitler<br />

Erneuter „Seitenwechsel”<br />

Innenpolitisch können die Liberalen kein<br />

Kapital aus dem Sieg im Ersten Weltkrieg<br />

schlagen. Die Partei geht unter, Churchill<br />

versucht, sich zu retten: 1924 vollführt er seinen<br />

zweiten Seitenwechsel und nimmt wieder<br />

bei den Konservativen Platz. Dieser an<br />

Unverschämtheit grenzende Opportunismus<br />

sorgte schon bei den Zeitgenossen für<br />

Verwunderung. Im Unterschied zum ersten<br />

Wechsel spielen diesmal jedoch auch ideologische<br />

Gründe eine Rolle. Es ist die kommunistische<br />

Revolution in Russland, die den<br />

Enkel des Herzogs von Marlborough daran<br />

erinnert, wer er ist. Lebhaft plädiert er dafür,<br />

im russischen Bürgerkrieg zu intervenieren.<br />

,,Frieden mit dem deutschen Volk, Krieg gegen<br />

die bolschewistische Tyrannei“, lautet eine<br />

seiner Losungen. Der Niedergang der Liberalen<br />

geht indes einher mit dem Aufstieg<br />

der Labour Party. Churchill verwischt hier<br />

bewusst die Grenzen zwischen Sozialdemokratie,<br />

Sozialismus und Kommunismus. Bewegungen,<br />

die er allesamt als „nationales<br />

Unglück“ brandmarkt. Vor diesem Hintergrund<br />

erstaunt es nicht, dass der bürgerliche<br />

Aristokrat zunächst eher erleichtert ist, als in<br />

Deutschland ein Mann an die Macht kommt,<br />

der sich als Todfeind des Kommunismus betrachtet.<br />

Hitler und Churchill haben neben<br />

einer mangelnden Schulbildung durchaus<br />

weitere Gemeinsamkeiten. Beide stellen<br />

„Fremdkörper“ ihrer Zeit dar, die sich nicht<br />

darum scheren, was der Rest der Welt von<br />

80


Kampf gegen Hitler<br />

ihnen denkt und erwartet. Der Unterschied<br />

besteht freilich darin, dass sich der Brite trotz<br />

seines maßlosen Ehrgeizes ein weiches Herz<br />

bewahrt. Hitler hingegen degradiert die<br />

Menschen zu willenlosen Sklaven seiner<br />

Rassenideologie.<br />

Churchill ahnt dies und revidiert seine<br />

Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen<br />

Deutschland. Er mahnt, fordert und<br />

warnt, doch es nimmt ihn schon lange niemand<br />

mehr ernst. Politisch scheint er bereits<br />

seit dem Ende der 1920er-Jahre erledigt.<br />

Als Premierminister Chamberlain<br />

schließlich vor dem Scherbenhaufen seiner<br />

unglücklichen „Appeasement-Politik“ steht,<br />

trifft er immerhin noch eine wichtige Entscheidung<br />

und ernennt den mittlerweile 64-<br />

Jährigen zum Marineminister. „Winston ist<br />

zurück“, funkt der Admiralstab fröhlich.<br />

Doch auch Churchill kann nicht innerhalb<br />

weniger Wochen korrigieren, was man über<br />

Jahre hinweg versäumt hat. Während Polen<br />

im Herbst 1939 geschlagen ist, schmiedet<br />

Churchill den Plan, die norwegischen Häfen<br />

zu besetzen. Deutschland aber ist schneller.<br />

Auch Frankreich geht im Sommer 1940 unter<br />

und kapituliert. Chamberlain war indes<br />

schon vorher am Ende. Sein Nachfolger wird<br />

der streitbare „Tory“, der am 10. Mai eine<br />

Allparteien-Regierung bildet. Doch was soll<br />

er tun? Noch könnte Großbritannien aufgeben<br />

und mit einem blauen Auge davonkommen.<br />

Doch an diesem Punkt kommt wieder<br />

der trotzige Schüler in Winston hervor, der<br />

lieber Prügel kassiert als das Naheliegende<br />

zu tun. Er weiß, dass eine friedliche<br />

Koexistenz mit Hitler niemals<br />

möglich sein wird und beschließt,<br />

weiterzukämpfen. In seiner ersten Rede<br />

als Premierminister verspricht er seinen<br />

Landsleuten auch keinen Frieden,<br />

sondern „Blut, Schweiß und Tränen.“<br />

Mit dem Sieg in der Luftschlacht um<br />

England 1940/41 kann er eine deutsche<br />

Invasion abwenden. Doch wie kann<br />

Großbritannien den Zweiten Weltkrieg<br />

gewinnen? In der Konferenz von Casablanca<br />

im Januar 1943 einigen sich<br />

Churchill und der US-amerikanische<br />

Präsident Roosevelt auf die „Germany-First-Strategie“:<br />

Deutschland soll<br />

zuerst niedergerungen werden. Da-<br />

VEREHRT: Denkmal zu Ehren Churchills<br />

in Paris. Winston Churchill gilt<br />

aber vor allem in seiner Heimat für<br />

viele Menschen als der bedeutendste<br />

Staatsmann des 20. Jahrhunderts,<br />

vor allem wegen seines<br />

energischen Widerstandes gegen<br />

Hitler und den NS-Staat.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

IM QUARTETT: Der französische General Giraud, US-Präsident Roosevelt, General de Gaulle<br />

und Premierminister Churchill am Rande der Konferenz von Casablanca im Januar 1943.<br />

bei spricht er sich, wenn auch vergebens, gegen<br />

die Forderung nach einer bedingungslosen<br />

Kapitulation aus. Er fürchtet, dass dies<br />

den Rückhalt des Hitler-Regimes in<br />

Deutschland eher stärken als schwächen<br />

wird.<br />

„Kommunistenfresser”<br />

Der amerikanische Präsident und der britische<br />

Premierminister unterscheiden<br />

sich darüber hinaus auch in einem<br />

weiteren Punkt voneinander: Während<br />

Roosevelt „Uncle Joe“, wie er<br />

Stalin beinahe liebevoll nennt,<br />

nach dem Krieg in die<br />

Weltgemeinschaft integrieren<br />

möchte, blitzt<br />

bei Churchill der<br />

„Kommunistenfresser“<br />

durch. Er hält<br />

die Vorstellungen<br />

des Amerikaners<br />

schlicht für naiv<br />

und richtet seine<br />

Kriegführung zunehmend<br />

an dem von ihm<br />

erwarteten Konflikt mit<br />

der Sowjetunion aus. So<br />

ist es sein Ziel, die westlichen<br />

Alliierten über<br />

Italien hinaus nach<br />

Österreich vorstoßen<br />

zu lassen, allein um<br />

der Roten Armee<br />

zuvorzukommen.<br />

Stalin aber pocht<br />

auf der Konferenz<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

von Teheran Ende 1943 auf eine zweite Front<br />

in Frankreich. Roosevelt schließt sich ihm an.<br />

Die alliierte Invasion vom 6. Juni 1944<br />

verläuft schließlich erfolgreich, doch mit Sorge<br />

registriert Churchill, dass der Vormarsch<br />

der Roten Armee nach Westen stark an Dynamik<br />

gewonnen hat. Bei einem weiteren<br />

Treffen in Jalta im Februar 1945 ist der britische<br />

Premierminister daher gezwungen, Stalin<br />

weitere Zugeständnisse zu machen. Faktisch<br />

beschließen die Staatsmänner die Aufteilung<br />

Europas, so wie sie bis 1989/90<br />

Bestand haben sollte.<br />

Der inzwischen 69-jährige trotzige „Krieger“<br />

ist allerdings nicht bereit, sich mit dieser<br />

Weltordnung abzufinden. Bereits im Mai<br />

1945 ordnet er an, Operation „Unthinkable“<br />

auszuarbeiten. Das Unternehmen sieht vor,<br />

die Sowjetunion in einem Feldzug mit deutscher<br />

Beteiligung niederzuwerfen. Freilich<br />

ist diese Option noch unrealistischer als die<br />

von ihm damals geforderte große Intervention<br />

im russischen Bürgerkrieg. <strong>Wie</strong> kriegsmüde<br />

Großbritannien längst ist, zeigt die<br />

Wahl vom Juli 1945: Während Churchill weiterhin<br />

Krieg predigt – noch ist Japan nicht bezwungen<br />

– verspricht die Labour Party Sozialprogramme<br />

und gewinnt die Wahl. Das<br />

„alte Schlachtross“ hat ausgedient. Zwar<br />

wird Churchill 1951 noch einmal Premierminister,<br />

doch fordert nun das Alter seinen Tribut,<br />

sodass er bereits 1955 zurücktreten<br />

muss. Er stirbt schließlich im Jahr 1965 im Alter<br />

von 90 Jahren.<br />

Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.<br />

Clausewitz 5/2014<br />

81


Fotos: picture-alliance/ZB©dpa-Report; picture-alliance/Usis-Dite/Leemage; picture-alliance/akg-images<br />

<strong>Vorschau</strong><br />

Schlacht um Aachen 1944<br />

Kampf um Deutschlands westlichste<br />

Großstadt<br />

2. Oktober 1944: Das erbitterte Ringen um<br />

Aachen beginnt. Zahlenmäßig weit überlegene<br />

US-Truppen treffen auf angeschlagene<br />

Verteidiger, darunter Tausende von Volkssturmangehörigen.<br />

Ein Kapitulationsangebot<br />

der Amerikaner wird vom Stadtkommandanten<br />

abgelehnt, denn es gilt Hitlers<br />

Befehl: „Halten bis zum letzten Mann!“<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Ehrenbreitstein. Die imposante Festungsanlage am Rhein.<br />

Reinhard Scheer. Der berühmte Admiral der Kaiserlichen Marine.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

82<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die Nationale Volksarmee (NVA)<br />

Die Armee der Deutschen Demokratischen Republik<br />

18. Januar 1956: Die Volkskammer der DDR beschließt<br />

einstimmig den Aufbau einer Nationalen<br />

Volksarmee. Bereits seit 1952 gab es bewaffnete und<br />

militärisch strukturierte Truppenteile in Gestalt der Kasernierten<br />

Volkspolizei. Doch als die DDR am 14. Mai<br />

1955 dem Warschauer Pakt beigetreten ist, hat sie<br />

sich verpflichtet, eigene Verbände den Vereinten Streitkräften<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

„Hunnensturm“ über Europa<br />

Die Schlacht auf den<br />

Katalaunischen Feldern<br />

451 n. Chr.:<br />

Attila fällt mit seinen<br />

Kriegern über<br />

das Weströmische<br />

Reich<br />

her. Im Nordosten<br />

Galliens<br />

kann<br />

der Feldherr<br />

Flavius Aëtius<br />

den Eindringling<br />

stellen.<br />

Auf den<br />

Katalaunischen<br />

Feldern<br />

kommt es zu einer der berühmtesten<br />

Schlachten der Spätantike.<br />

Die nächste Ausgabe<br />

von<br />

erscheint<br />

am 6. Oktober 2014.<br />

Nr. 21 | 5/2014 | September-Oktober | 4.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

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Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur),<br />

Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Stefan Krüger, M.A.<br />

Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder,<br />

Dr. Peter Andreas Popp<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

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Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

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Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

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80797 München<br />

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Herstellungsleitung Sandra Kho<br />

Leitung Marketing und Sales Zeitschriften:<br />

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Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

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Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

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§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />

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Zwei Fässer Bier waren das erste Frachtgut,<br />

das auf deutschen Schienen transportiert<br />

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Deutschlands mit einem besonderen Bierkrug<br />

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wurde in Form einer<br />

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Aber das ganz Besondere<br />

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Die maßstabsgetreue<br />

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Bierkrug: auf dem Sockel<br />

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