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5/2014 September | Oktober €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Clausewitz<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Peenemünde: Was von<br />
der „V2-Schmiede“<br />
übrig blieb<br />
1939: U 47 versenkt HMS ROYAL OAK<br />
<strong>Wie</strong> <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> <strong>bezwang</strong><br />
Zweiter Golfkrieg<br />
1990: Kampf um die<br />
Freiheit oder ums Öl?<br />
Schrecken der Briten:<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, erfolgreicher<br />
Kommandant von U 47<br />
Weißenburg 1870<br />
Der blutige Auftakt zu<br />
Preußens Triumph<br />
Winston Churchill<br />
Hitlers härtester Feind<br />
MILITÄR & TECHNIK<br />
Militärlager im<br />
Feindesland:<br />
So schützten<br />
sich Roms<br />
Legionen
Legenden<br />
der Lüfte<br />
Jetzt am<br />
Kiosk!<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Editorial<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
vor 75 Jahren gelang <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und<br />
seinen Männern von U 47 in der Bucht<br />
von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einer der spektakulärsten<br />
militärischen „Coups“ der Marinegeschichte.<br />
<strong>Prien</strong>s U-Boot-Angriff traf<br />
die Seemacht England bis ins Mark:<br />
Nach der Versenkung des Schlachtschiffs<br />
„Royal Oak“ im Hauptstützpunkt<br />
der Royal Navy stand ganz Großbritannien<br />
regelrecht unter Schock.<br />
Der in Straßburg<br />
geborene<br />
Regisseur und<br />
Dramaturg Joachim<br />
Bartsch<br />
war sich sicher,<br />
dass die waghalsige<br />
Operation<br />
von <strong>Günther</strong><br />
<strong>Prien</strong> und<br />
seiner Besatzung<br />
von U 47 Stoff für ein spannendes<br />
Drehbuch liefert. Bei seinem im Jahr<br />
1958 uraufgeführten Kinofilm „U 47 –<br />
Kapitänleutnant <strong>Prien</strong>“ – führte der<br />
Österreicher Harald Reinl Regie. In<br />
dem viel beachteten Film spielt der<br />
Schauspieler Dieter Eppler den U-Boot-<br />
Kommandanten <strong>Prien</strong> als Soldat zwischen<br />
Auftrag und Gewissenskonflikt,<br />
während Joachim Fuchsberger den<br />
Oberleutnant zur See Birkeneck gibt.<br />
Darüber hinaus sind zahllose Buchveröffentlichungen<br />
zu <strong>Prien</strong>, U 47 und dem<br />
U-Boot-Angriff auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> erschienen.<br />
Und dennoch: Bis heute bleiben<br />
wichtige Fragen unbeantwortet. Welches<br />
Kriegsschiff fiel neben der „Royal<br />
Oak“ den Torpedos von <strong>Prien</strong> zum Opfer?<br />
Warum machte die britische Admiralität<br />
ein so großes Geheimnis aus<br />
den Ereignissen jener Schicksalsnacht<br />
im Oktober 1939?<br />
In unserer Titelgeschichte erfahren Sie<br />
alles über die Hintergründe, den Verlauf<br />
und die Folgen der waghalsigen<br />
Operation von U 47, dem wohl bekanntesten<br />
U-Boot des Zweiten Weltkriegs.<br />
Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen<br />
Dr. Tammo Luther<br />
Verantwortlicher Redakteur<br />
PS: Ab sofort gibt es<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> für alle<br />
Abonnenten auch kostenlos<br />
digital (derzeit<br />
nur auf iOS). Mehr dazu<br />
auf S. 7<br />
10. Folge<br />
Krieger, Söldner & Soldaten<br />
Für Allah und den Propheten<br />
Die frühe Eroberungsphase des Islam im 7. und 8. Jahrhundert wird oft mit<br />
der Vorstellung von säbelschwingenden Reitern verbunden. Tatsächlich bilden<br />
zu jener Zeit die Fußkrieger das Rückgrat der arabischen Armeen.<br />
FAKTEN<br />
Zeit: 7./8. Jahrhundert<br />
Uniform: Kettenhemd, Schuppen- oder<br />
Lamellenpanzer, konischer Eisenhelm,<br />
Schwert, Rundschild, Turban, weite Hose<br />
(sirwal), lange Tunika, Übergewand (jubba)<br />
Hauptwaffe: Lanze oder Bogen<br />
Kampftaktik: Geschlossene Formation aus<br />
Lanzenkämpfern und Bogenschützen<br />
Wichtige Schlachten: Yarmuk 636, Siffin<br />
657, Poitiers 732<br />
Arabische Soldaten im Film: Mohammed –<br />
der Gesandte Gottes (1976)<br />
Die zunächst überwiegend aus Arabern<br />
und, etwas später, auch nordafrikanischen<br />
Berbern gebildeten frühislamischen<br />
Heere bestehen hauptsächlich aus mit Lanzen<br />
oder Bogen bewaffneten Fußkriegern. Die<br />
von der arabischen Stammesaristokratie gebildete<br />
Kavallerie stellt wegen des hohen Wertes<br />
der Pferde nur einen relativ geringen Anteil<br />
der Kämpfer dar. Dromedare dienen<br />
lediglich als Lasttiere und Transportmittel und<br />
spielen im Kampf keine Rolle mehr. In Bezug<br />
auf die Bewaffnung orientieren sich die Araber<br />
am Vorbild der vorherrschenden spätrömischbyzantinischen<br />
und der iranisch-sassanidischen<br />
Kultur. Qualitativ hochwertige Helme,<br />
Kettenhemden, Schuppen- beziehungsweise<br />
Lamellenpanzer und Schwerter stammen häufig<br />
aus dem Handel mit Byzanz, dem Iran sowie<br />
Indien. In der Regel bleibt diese kostbare<br />
Ausrüstung den Wohlhabenden vorbehalten.<br />
Ansonsten dienen unterschiedlich große<br />
Rundschilde aus Holz oder Leder dem Körperschutz.<br />
Die Bewaffnung wird durch Lanzen,<br />
Wurfspeere, Reflexbögen und meist relativ<br />
kurze, gerade, an einem Schultergurt getragene<br />
Schwerter gebildet. Der oft mit den Arabern<br />
assoziierte Säbel ist eine Waffe der türkischen<br />
Steppenvölker, und er erfährt erst ab<br />
dem 10. Jahrhundert in der islamischen Welt<br />
eine größere Verbreitung. Die allgemeine Verbesserung<br />
der Rüstung und Bewaffnung ändert<br />
sich schnell im Verlauf der siegreichen<br />
Feldzüge, durch die Unmengen von Beute,<br />
darunter natürlich auch Waffen und<br />
Pferde, in die Hände der Araber fallen.<br />
Die Kampftaktik der arabischen Eroberungsheere<br />
basiert auf einer<br />
festen, aus mit lanzenbewehrter Infanterie<br />
gebildeten Schlachtordnung,<br />
die als Ankerpunkt für den<br />
massiven Einsatz von Bogenschützen<br />
dient. Die oft nur leicht gepanzerte<br />
Kavallerie nimmt meist hinter<br />
der Infanterie oder an den Seiten<br />
Aufstellung, um von dort aus Flanken-<br />
oder Umgehungsangriffe auf einen bereits<br />
geschwächten Feind durchzuführen. In<br />
dieser frühen Phase kommt es vor großen<br />
Schlachten auch noch zu Duellen feindlicher<br />
Elitekämpfer. Mit der Eroberung des Iran und<br />
des westlichen Zentralasiens werden auch<br />
verstärkt schwere iranisch-türkische Panzerreiter<br />
sowie berittene Bogenschützen Teil der<br />
islamischen Heere, wodurch sich seit dem<br />
9. Jahrhundert deren Schwerpunkt auf die Kavallerie<br />
zu verlagern beginnt.<br />
IM KAMPF FÜR EIN ISLAMISCHES IMPERIUM:<br />
Dieser arabische Krieger des 7. Jahrhunderts<br />
ist Angehöriger der umayyadischen<br />
Infanterie (Garde-Einheit).<br />
Unter seinem Turban trägt er einen<br />
Helm, unter dem farbenprächtigen<br />
Gewand eine Kettenrüstung.<br />
Die bevorzugte Kampfposition<br />
dieses gut ausgerüsteten<br />
Soldaten<br />
befindet sich inmitten<br />
eines Schildwalls.<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
Clausewitz 5/2014
Inhalt<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />
Titelthema<br />
<strong>Prien</strong>s „Paukenschlag“. ...........................................................................................................10<br />
Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />
Titelgeschichte<br />
Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
<strong>Prien</strong>s<br />
„Paukenschlag“<br />
14. Oktober 1939: Mit der<br />
Versenkung des Schlachtschiffs HMS<br />
ROYAL OAK gelingt Kapitänleutnant<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung<br />
von U 47 ein spektakulärer „Coup“<br />
gegen Englands Seemacht. Der<br />
Schock bei der Royal Navy und in<br />
ganz Großbritannien sitzt tief.<br />
Von Jörg-M. Hormann<br />
Verschollen im Atlantik. ......................................................................................................24<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>: Kommandant von U 47.<br />
Tödliche Torpedos. .............................................................................................................................28<br />
U 47 und die U-Bootwaffe 1939/40.<br />
RISKANTE OPERATION: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> an Bord von U 47. Das Boot läuft<br />
am 8. Oktober 1939 von Kiel zu einer streng geheimen Mission aus.<br />
IN GEHEIMER MISSION:<br />
Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47, wird<br />
vom Befehlshaber der Unterseeboote, Konteradmiral Karl Dönitz,<br />
zu Kriegsbeginn mit einer besonders riskanten Operation<br />
betraut. Das Ziel des geplanten U-Boot-Angriffs heißt: <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> – Hauptflottenstützpunkt der Royal Navy, Foto 1940/41.<br />
10<br />
11<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und die Besatzung<br />
von U 47 laufen im Oktober 1939<br />
zu einer riskanten Geheimmission<br />
gegen die Royal Navy aus.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
Magazin<br />
Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher. .....................6<br />
Der Zeitzeuge<br />
Das historische Dokument. ..............................................................................32<br />
„Totenschein“ für den Deutschen Orden: Der Friede<br />
von Thorn 1411.<br />
Schlachten der Weltgeschichte<br />
„Mit vereinten Kräften!“ ............................................................................................34<br />
Die Schlacht bei Weißenburg 1870 – Blutiger Auftakt<br />
im Krieg von 1870/71.<br />
Operation „Wüstensturm“. ..................................................................................38<br />
Kriegsgewitter am Persischen Golf 1990/91.<br />
Militärtechnik im Detail<br />
Das deutsche Kettenkraftrad HK 101. ..................................50<br />
Die kompakte „Zugmaschine“ der Wehrmacht.<br />
Militär und Technik<br />
Von der See an die Küste. ...................................................................................52<br />
Entwicklung und Aufgaben der Landungsboote<br />
von Bundes- und Volksmarine.<br />
4
Abb.: ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein<br />
Foto: Sammlung Mehl<br />
Foto: picture-alliance/Eventpress Hoensch<br />
Foto: Sammlung Kliem<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
*alle Angaben nach Gerhard Koop/Siegfried Breyer: Die Schiffe, Fahrzeuge<br />
und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute, Bonn 1996.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Morgen ohne besondere Beobach-<br />
Foto: Sammlung Kliem<br />
Abb.: Sammlung Mehl<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Clausewitz 5/2014<br />
Foto: picture alliance/AP Images<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />
Teuer erkaufter Sieg<br />
„Mit vereinten Kräften!“<br />
4. August 1870: Die Schlacht bei Weißenburg bildet den Auftakt im Deutsch-Französischen<br />
Krieg von 1870/71 und wird zu einer harten Bewährungsprobe für die erstmals<br />
gemeinsam kämpfenden deutschen Soldaten.<br />
Von Christian Bunnenberg<br />
ls die Soldaten des Königs-Grenadier- das Zentrum der französischen Stellungen mand. Es regnet schon die ganze Nacht.<br />
Regiments Nr. 7 am Vormittag des einbrechen und den Gegner dort werfen. Übermüdet und in durchnässten Uniformen<br />
4. August 1870 unweit der Stadt Weißenburg<br />
die französische Grenze überschrei-<br />
„mit fliegenden Fahnen und lautem Trom-<br />
gegen Frankreich vor. Was sie dort erwartet,<br />
Später wird es heißen, dass der Angriff rücken die preußischen Soldaten um 4:00 Uhr<br />
ten, stehen ihnen die Anstrengungen der letzten<br />
Tage bereits in die erschöpften Gesichter nigsgrenadiere“ aus Preußen zahlen bei die-<br />
Seit der Kriegserklärung des französimelschall“<br />
ausgeführt worden sei. Die „Kö-<br />
wissen weder sie noch ihre Kommandeure.<br />
geschrieben. Nur wenige hundert Meter sem Unternehmen den höchsten Blutzoll. schen Kaisers Napoleon III. an Preußen am<br />
westlich von ihnen liefern sich mehrere bayerische<br />
Bataillone seit Stunden ein erbittertes Nachmittag 329 Mann in der Schlacht bei für die norddeutschen Truppen ausgeführt.<br />
Aus ihren Reihen werden noch bis zum 19. Juli 1870 wird der Mobilmachungsplan<br />
Feuergefecht mit den Verteidigern der kleinen<br />
Grenzstadt. Und ebenso lange sehnen<br />
zu den sogenannten „Schutz- und Trutz-<br />
Weißenburg fallen.<br />
Auch die vier süddeutschen Staaten stehen<br />
diese Bayern eine Entlastung durch die preußischen<br />
Einheiten herbei. Deren Komman-<br />
Wenige Stunden zuvor: Kurz nach Mitter-<br />
die französische Grenze.<br />
Truppenaufmarsch<br />
bündnissen“ und entsenden ihre Soldaten an<br />
dierender General, Hugo von Kirchbach, gibt nacht, gegen 2:00 Uhr, brechen die preußischen<br />
Grenadiere das Biwak ab. In kleinen deutschen Truppen vor allem die Eisenbahn,<br />
In drei Armeen aufgegliedert nutzen die<br />
unmittelbar nach dem Eintreffen auf dem<br />
Schlachtfeld den Befehl für den Sturm auf die Gruppen stehen sie um die wenigen Feuer um in ihre Versammlungsräume zu gelangen.<br />
Ein besonderer Militärfahrplan ermög-<br />
Anhöhen im Süden Weißenburgs. Die Preußen<br />
sollen den Geisberg hinaufstürmen, in Abmarsch. Erholsam geschlafen hat nielicht<br />
es, innerhalb relativ kurzer Zeit mit 900<br />
zusammen und warten auf den Befehl zum<br />
ERFOLGREICH: Die preußisch-deutschen<br />
Truppen zwingen die Franzosen in<br />
der Grenzschlacht bei Weißenburg am<br />
4. August 1870 zum Rückzug.<br />
A<br />
34<br />
Zugfahrten rund 460.000 Mann<br />
sowie Waffen, Material und Pferde<br />
an die Grenzregion zu Frank-<br />
Weißenburg“ (Kronprinz<br />
BERÜHMT: „Der Held von<br />
reich zu transportieren. Dies Friedrich Wilhelm), Farblithographie<br />
von Carl Offterdinger.<br />
stellt eine lang vorbereitete logistische<br />
Meisterleistung dar.<br />
Schließlich stehen Anfang<br />
August 1870 die 1. Armee bei<br />
Saarlouis, die 2. Armee bei Böcklingen<br />
und Saarbrücken und die<br />
3. Armee bei Landau und erwarten<br />
den französischen Angriff.<br />
Doch dieser bleibt bis auf einen<br />
halbherzig gegen Saarbrücken<br />
geführten Vorstoß aus.<br />
Aus den Beobachtungen berittener<br />
Fernpatrouillen schließen<br />
die deutschen Kommandeure,<br />
dass sich ein Teil der französischen<br />
Verbände im Elsass<br />
aufhalten muss. Am Abend des<br />
3. August 1870 erhält die 3. deutsche<br />
Armee den Befehl, selbstständig<br />
den Grenzfluss Lauter in<br />
der Nähe von Weißenburg zu<br />
überschreiten und die Franzosen<br />
aus dem Elsass zurückzudrängen.<br />
Unter dem Kommando des<br />
Kronprinzen Friedrich Wilhelm<br />
von Preußen bereitet sich der<br />
gesamtdeutsche Heeresverband<br />
auf den Einmarsch nach Frankreich<br />
vor. In den frühen Morgenstunden<br />
des 4. August 1870<br />
marschieren drei Kolonnen auf<br />
Weißenburg zu. Das II. bayerische Korps nige Mühlen und kleinere Fabrikanlagen.<br />
nimmt den direkten Weg durch die südpfälzische<br />
Ortschaft Schweigen Richtung Weiten<br />
„Weißenburger Linien“ – ehemalige Fes-<br />
Die Gleise verlaufen entlang der sogenannßenburg<br />
mit dem Ziel, die französische tungsanlagen, die allerdings seit der französischen<br />
Revolution 1789 nicht mehr instand<br />
Stadt zu besetzen.<br />
gehalten wurden. Südlich der Lauter steigt<br />
Überraschte Franzosen<br />
das Gelände zum Geisberg hin ebenfalls<br />
Das V. preußische Korps folgt der Straße von wieder stark an. Ebendort, unweit des<br />
Schweighofen nach Altenstadt, während das gleichnamigen Schlosses, entdecken die<br />
XI. preußische Korps zunächst weiter westlich<br />
die Lauter durchwatet und sich dann selregens aus der Ferne ein größeres Heerla-<br />
bayerischen Soldaten trotz des leichten Nie-<br />
durch den Niederwald annähert. Die Verbände<br />
aus Baden und Württemberg stehen später werden die Bayern von einigen weniger<br />
der Franzosen. Nur wenige Minuten<br />
in der Nähe von Lauterburg, das I. bayerische<br />
Korps folgt mit einem Tagesmarsch Ab-<br />
nordafrikanischen Kolonien, die in den<br />
gen Turkos, leichten Infanteristen aus den<br />
stand. Angesichts der Gefahr eines größeren Weinberghügeln zwischen Schweigen und<br />
Gefechtes oder einer Schlacht ergeht vor Weißenburg lagern, beschossen. Meldereiter<br />
dem Abmarsch noch der mündliche Befehl, galoppieren zurück und melden, dass die<br />
dass sich die Kolonnen bei Bedarf unterstützen<br />
sollen.<br />
umliegenden Gehöfte von den Franzosen<br />
Stadt besetzt, die Tore verschlossen und die<br />
Um 8:00 Uhr erreichen die ersten Soldaten<br />
der bayerischen Vorhut die französische Diese Schüsse alarmieren auch die fran-<br />
zur Verteidigung eingerichtet seien.<br />
Grenze hinter Schweigen. Im Tal unter ihnen<br />
liegt Weißenburg. Die ehemalige Fesren<br />
Kommandeur, General Charles Abel<br />
zösischen Einheiten auf dem Geisberg. Detungsstadt<br />
umschließen Wall und Graben, Douay, ist von dem plötzlichen Auftauchen<br />
mitten hindurch fließt die Lauter. Südöstlich des Feindes völlig überrascht. Da die französischen<br />
Aufklärungseinheiten am der Stadt befinden sich der Kopfbahnhof, ei-<br />
frühen<br />
tungen zurückgekehrt waren, kann<br />
Douay die gegnerischen Soldaten<br />
nur schwer einschätzen. Er lässt die<br />
französischen Einheiten in Bereitschaft<br />
versetzen und schickt zwei<br />
weitere Bataillone Turkos und eine<br />
Batterie der Artillerie hinunter zur<br />
Stadt und an die Weißenburger Linien.<br />
Der General agiert zunächst<br />
vorsichtig und zurückhaltend. In<br />
Weißenburg und rund um den Geisberg<br />
stehen ihm nur etwa 5.000 Soldaten<br />
zur Verfügung. Im Gegensatz<br />
zu dem deutschen Aufmarsch<br />
kämpfen die Franzosen seit<br />
Kriegsbeginn mit verschiedenen<br />
Problemen. Während die<br />
Deutschen ihre Verbände<br />
möglichst geschlossen mit der<br />
Ausrüstung aus den Kasernen an<br />
die Grenze verlegen, gibt es in<br />
Frankreich 1870 keinen vorbereiteten<br />
Plan für den Aufmarsch.<br />
Berufssoldaten und Reservisten<br />
reisen in kleinen Einheiten in unausgelasteten<br />
Zügen durch das<br />
Land, während Waffen, Munition,<br />
Material und Verpflegung aus den<br />
Depots herangeschafft werden. Das<br />
alles zu koordinieren, stellt die französische<br />
Armee vor eine fast unlösbare<br />
Aufgabe. Und so fehlen General<br />
Douay am Morgen des 4. August<br />
1870 nicht nur Männer in den ihm<br />
zugeteilten Verbänden, sondern auch Verpflegung,<br />
Munition und sogar Karten.<br />
Übermächtige Angreifer<br />
Daher kann er zunächst nur abwartend beobachten,<br />
wie um 8:30 Uhr unter dem Schutz<br />
von eigenem Artilleriefeuer eine lange<br />
Schützenkette bayerischer Infanteristen auf<br />
Weißenburg zumarschiert. Dort haben die<br />
Verteidiger mittlerweile die alten Wälle besetzt<br />
und eröffnen ebenso wie die vor der<br />
Stadt eintreffenden Turkos das Feuer auf die<br />
Bayern. Weil die französischen Chassepotgewehre<br />
den deutschen Zündnadelgewehren<br />
in der Reichweite weit überlegen sind, können<br />
sich die wenigen französischen Kräfte<br />
erfolgreich gegen die Übermacht der Angreifer<br />
behaupten. Diesen geben die nachrückenden<br />
Einheiten allerdings die Gelegenheit,<br />
ihre starken Ausfälle auszugleichen.<br />
S.34<br />
Immer mehr Soldaten können ins Gefecht<br />
geworfen werden. Die bayerischen Angriffe<br />
auf die Tore der Stadt brechen wiederholt im<br />
dichten Abwehrfeuer der Verteidiger zusammen.<br />
Auch die Artillerie kann zunächst<br />
kaum etwas gegen die durchweichten Wälle<br />
der Stadt ausrichten.<br />
35<br />
1990: Der irakische Diktator Saddam Hussein wagt mit der<br />
Eroberung Kuweits einen riskanten Zug. Hält die arabische<br />
Welt zu ihm? <strong>Wie</strong> reagiert Israel? Und vor allem: Lassen ihn<br />
die USA gewähren?<br />
Von Peter Andreas Popp<br />
38<br />
D<br />
ie Augen der Welt sind auf das sich<br />
wiedervereinigende Deutschland gerichtet,<br />
als am 2. August 1990 irakische<br />
Truppen in Kuweit einfallen. Ihr Ziel besteht<br />
in der Vernichtung der staatlichen Existenz<br />
Kuweits, um das Land als 19. Provinz in den<br />
Irak einzugliedern. Saddam Hussein, brutaler<br />
Diktator des Irak seit 1979, glaubt dafür<br />
freie Hand zu haben: Sein Land ist seit dem<br />
Krieg mit dem Iran (Erster Golfkrieg von<br />
1980 bis 1988) beim Nachbarn tief verschuldet.<br />
Kuweit weigert sich, diese Schulden zu<br />
erlassen. Zudem prägen Grenzstreitigkeiten<br />
das beiderseitige Verhältnis. Saddam greift<br />
zu einer Methodik, die im 20. Jahrhundert bereits<br />
mehrfach mit unterschiedlichem Erfolg se drei Kriege in der Golfregion „fein säuberlich“<br />
voneinander getrennt betrachtet wer-<br />
praktiziert worden war: Durch Hitler-<br />
Deutschland und durch Japan in den 1930er- den? Auf der taktisch-operativen Ebene mag<br />
Jahren, durch China gegenüber Indien 1962 dies angehen, auf der politisch-strategischen<br />
im Kaschmir-Konflikt.<br />
Ebene hingegen nicht. <strong>Wie</strong> bereits erwähnt,<br />
Saddam Hussein sollte sich täuschen: endet der Zweite Golfkrieg mit einer Niederlage<br />
Saddams, aber nicht mit dessem Ende.<br />
Dieser Zweite Golfkrieg geht am 28. Februar<br />
1991 ganz anders zu Ende als erwartet, und Die Vereinten Nationen haben gegen den<br />
der Irak sollte danach nicht mehr derselbe Aggressor den Sieg davongetragen, wobei<br />
sein. Saddam regierte nach diesem Krieg die USA als Treuhänder agieren: Sie schmieden<br />
eine Allianz von 34 Staaten für die Ope-<br />
zwar noch weiter, aber seine totalitär orientierte<br />
Herrschaft endet bekanntlich mit dem ration „Desert Storm“ (Wüstensturm) zur<br />
Dritten Golfkrieg im Frühjahr 2003.<br />
Befreiung Kuweits.<br />
Und damit ist bereits ein methodisches Das ist nach der Epoche des Kalten Krieges<br />
etwas Neues: So wie Problem angerissen: Inwieweit können die-<br />
Hitler-Deutschland<br />
S.38<br />
DIE NACHT WIRD ZUM TAG: Dieses Bild wird in den Medien<br />
oft präsentiert, um die alliierte Luftherrschaft zu belegen.<br />
Es zeigt irakisches Flugabwehrfeuer und explodierende<br />
alliierte Bomben in Bagdad in den frühen Morgenstunden<br />
des 18. Januar 1991.<br />
39<br />
Militär und Technik | Landungsboote<br />
AN DER KÜSTE: Ein Landungsboot der<br />
„Robbe“-Klasse der Volksmarine. Gut zu<br />
erkennen sind die Flugabwehrgeschütze<br />
der Bordbewaffnung.<br />
Landungsboote von Bundes- und Volksmarine<br />
Von der See an die Küste<br />
1950er-Jahre: Beim Aufbau der Bundesmarine spielen Landungsboote eine wichtige Rolle.<br />
Auch in den Seestreitkräften der NVA werden sie seit 1960 eingeführt, um im Ernstfall<br />
an Küstenabschnitten des Gegners landen zu können.<br />
Von Eberhard Kliem<br />
U<br />
nerwartet schnell muss sich die 1949 lichkeit besonders auszunutzen und durch sich kaum mit einer Kriegführung dieser Art<br />
gegründete Bundesrepublik Deutschland<br />
mit der Frage eines eigenen milischen<br />
Front Kräfte zu binden und Unsicher-<br />
und Dänemark im Jahr 1940 waren durch<br />
(…) Landungen weit im Rücken der russi-<br />
beschäftigt. Die Landungen in Norwegen<br />
tärischen Beitrages an der Verteidigung Westeuropas<br />
beschäftigen. Dies zumindest erwarschriftfen<br />
durchgeführt worden. Und die geplante<br />
heit zu erzeugen“, so die Himmeroder Denk-<br />
Einlaufen und Absetzen der Truppen in Häten<br />
die ehemaligen Kriegsgegner USA und Es ist durchaus überraschend, dass in Invasion an der englischen Küste (Operation<br />
Großbritannien. Im Kloster Himmerod in der den westdeutschen Überlegungen ein relativ „Seelöwe“) wurde schließlich wieder fallengelassen.<br />
Auch der Bau und Einsatz von<br />
Eifel versammeln sich auf Einladung von umfangreiches amphibisches Element eingeplant<br />
ist. Die Kriegsmarine dagegen hatte mehreren Hundert Marinefährprahmen<br />
Bundeskanzler Konrad Adenauer im August<br />
1950 hochrangige Militärs, um erste Überlegungen<br />
und Gedanken zu entwickeln. Es entsteht<br />
die „Himmeroder Denkschrift“, in der FÜHRUNGSSCHIFF: Das Landungsboot<br />
L 750 KROKODIL der Bundesma-<br />
auch eine zukünftige deutsche Marine konzeptionell<br />
geplant wird. Auf dieser Grundlarine<br />
verfügt nach einem Umbau über<br />
einen besonderen Sanitätsbereich und<br />
ge werden in weiteren Denkschriften entsprechende<br />
Einzelheiten entwickelt. Mit der<br />
ein Hubschrauberlandedeck.<br />
Gründung der Bundeswehr am 12. November<br />
1955 wissen die verantwortlichen Marineoffiziere,<br />
dass sie eine Randmeermarine aufbauen<br />
müssen, deren Hauptaufgaben in der<br />
Ostsee und der Nordsee liegen werden.<br />
Von Beginn an sehen die planenden Offiziere<br />
einen Bestand von 36 Landungsfahrzeugen<br />
vor. Diese haben die Aufgabe, durch<br />
„Landungen die russische Flankenempfind-<br />
52<br />
MEHRZWECKLANDUNGSBOOT:<br />
Das in den 1960er-Jahren gebaute<br />
L 793 FELCHEN („Butt“-Klasse) der<br />
Bundesmarine.<br />
kriegsbereich nur schleppend weiterentwickelt.<br />
Dies ist aber nötig, denn schon vor<br />
Aufstellung des vorgesetzten Führungskommandos<br />
sind im fernen Charleston in den<br />
USA am 5. September 1958 vier ehemalige<br />
amerikanische Landungsboote LSM (Landing<br />
Ship, Medium) als „Eidechse“-Klasse<br />
(MFP) in der zweiten Hälfte des Weltkrieges Doch trotz „Rückenwind“ aus den Vereinigten<br />
Staaten läuft der organisatorische Rocket) als „Otter“-Klasse in Dienst gestellt<br />
und zwei LSMR (Landing Ship, Medium,<br />
1939–1945 hatte nicht dazu geführt, Einsatzund<br />
Führungsgrundsätze der amphibischen Aufbau der amphibischen Streitkräfte der worden. Im Dezember 1958 laufen sie in Wilhelmshaven<br />
ein und werden als 2. Lan-<br />
Kriegführung zu entwickeln.<br />
Bundesmarine unkoordiniert, improvisiert<br />
und meist ohne vorausschauende Planung dungsgeschwader geführt.<br />
Erste Überlegungen<br />
ab: Am 1. November 1958 wird zwar in Wilhelmshaven<br />
das „Kommando der Amphibi-<br />
Übungen und Manöver<br />
Dass die bundesdeutsche Marine einen anderen<br />
Weg beschritten hat, geht vermutlich schen Streitkräfte“ aufgestellt. Ihm unterstellt<br />
werden jedoch gleichzeitig die U-Bootorganisation<br />
und Verlegungen in andere<br />
Die folgenden Jahre sind geprägt von Um-<br />
auf US-amerikanische Initiative zurück. Die<br />
US-Marine hatte insbesondere im Kampf lehrgruppe (ULG), die sich um den Aufbau Standorte, aber auch von eifriger Manövertätigkeit<br />
mit dem Ziel, eindeutige Führungs-<br />
gegen Japan die amphibische Kriegführung der zukünftigen deutschen Unterseebootflotte<br />
kümmern muss, außerdem ein Küstenund<br />
Einsatzgrundlagen zu erlangen.<br />
zu einer den Krieg entscheidenden Bedeutung<br />
entwickelt. Auch die alliierte Invasion umschlagbataillon, ein Seebataillon und andere<br />
artverwandte Einheiten.<br />
kriegführung innerhalb der Einsatzkonzep-<br />
Langsam gewinnt die amphibische See-<br />
in Frankreich im Juni 1944 wäre ohne einen<br />
entsprechenden Beitrag der USA undenkbar<br />
gewesen.<br />
ser für die Bundesmarine neuartige Seeordneten<br />
NATO-Kommandobehörden an<br />
Es verwundert somit nicht, dass sich dietion<br />
der Bundesmarine und auch der überge-<br />
TECHNISCHE DATEN „Butt”-Klasse<br />
NEUE KONS-<br />
Typ<br />
„Butt“-Klasse*<br />
TRUKTION:<br />
Länge<br />
40,0 m<br />
S.52<br />
Seiten- und<br />
Breite<br />
8,81 m<br />
Aufriss eines<br />
Tiefgang<br />
2,10 m<br />
Landungsbootes<br />
Verdrängung<br />
k.A.<br />
der in den 1960er-<br />
Beladung sechs mil. Fahrzeuge od. drei Leopard-Panzer<br />
Jahren in Hamburg<br />
Bewaffnung 2 x 20 mm, Minenbeladung (bis zu 50 Ex.)<br />
(Howaldtswerke)<br />
Besatzung 15–21<br />
gebauten „Butt“-<br />
Klasse.<br />
53<br />
Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />
Alexander Newski gegen den Deutschen Orden<br />
Vernichtungsschlacht<br />
auf dem Eis<br />
1242: Auf dem zugefrorenen Peipussee trifft der Deutsche Orden auf Kämpfer der Stadt<br />
Nowgorod. <strong>CLAUSEWITZ</strong> präsentiert Bewaffnung und Ausrüstung der beiden Armeen.<br />
eit dem 10. Jahrhundert versuchen Missionare,<br />
das Christentum auch an der ten ausgreift.<br />
Goldene Horde – mongolische Reiterscha-<br />
wodurch deren Machtbereich weit nach Oslen,<br />
aus dem Süden und Osten stürmt die<br />
südlichen Ostseeküste zu verbreiten. Im Auch die skandinavischen Königreiche ren – heran.<br />
frühen 13. Jahrhundert werden die Ritter des Dänemark und Schweden unternehmen in In ihrer Angst berufen die Nowgoroder<br />
Deutschen Ordens vom Kaiser und dem den 1230er-Jahren militärische Vorstöße an Alexander Newski zurück, der sich zunächst<br />
Papst mit der Besiedlung des Pruzzenlandes die livländisch-lettische Küste, werden aber den Heeren des Ordens entgegenstellt. Am<br />
im Kulmer Land beauftragt. Innerhalb kürzester<br />
Zeit festigen die Brüder ihre Herrschaft gewählten Fürsten der Handelsmetropole zur entscheidenden Schlacht. Das Heer des<br />
1240 durch Alexander Jaroslawitsch, dem 5. April 1242 kommt es auf dem Peipussee<br />
mit einer Kette von Burgen und errichten einen<br />
schnell aufblühenden Staat.<br />
Doch im selben Jahr vertreiben die Kaufleu-<br />
Hermann I. von Dorpat besteht aus kaum<br />
Nowgorod an der Newa, schwer geschlagen. Ordens unter dem Befehl des Fürstbischofs<br />
Eine zweite christliche Hochburg stellt te den erfolgreichen Heerführer, der nun den mehr als 1.800 Bewaffneten, worunter sich<br />
das 1201 errichtete Bistum von Riga dar. Mit Beinamen „Newski“ angenommen hat. Kurz noch viele ehemalige Schwertbrüder, dänische<br />
Ritter und Truppen des Rigaer Bischofs<br />
dem wenig später gegründeten Schwertbrüderorden<br />
verfügt auch der Bischof über ei-<br />
Deutschritter die Stadt Pskov beim Peipus-<br />
befinden. Alexander verfügt über 3.000 bis<br />
darauf besetzt eine kleine Armee der<br />
nen militärischen Arm. Doch nachdem die see. Für die orthodoxen Nowgoroder zeichnen<br />
sich jetzt zwei Gefahren ab. Aus dem Druschina, seiner eigenen schwer bewaffne-<br />
4.000 Mann der Nowgoroder Miliz und der<br />
Schwertbrüder 1237 in der Schlacht bei<br />
Schaulen aufgerieben werden, schließen sich Westen nähern sich ihnen Heere, die den römisch-katholischen<br />
Glauben verbreiten wolnem<br />
Angriff der Ordensstreitmacht in Keilten<br />
Leibgarde. Die Schlacht beginnt mit ei-<br />
die Reste des Ordens den Deutschrittern an,<br />
formation auf das russische Fußvolk, welches<br />
sich nahe der Insel Rabenstein postiert<br />
hat. Die Wucht der Attacke drängt die<br />
Nowgoroder vom zugefrorenen See auf die<br />
Insel zurück. Die Pferde der Ritter haben<br />
Probleme, die steilen Hänge zu erklimmen.<br />
In diesem Moment umgeht Alexanders Reiterei<br />
die Ordensarmee und greift sie in der<br />
Flanke und von hinten an. Die Nowgoroder<br />
Armee umzingelt ihren Feind und macht ihn<br />
nieder. Nur wenige Ordensritter können entkommen.<br />
Dass die schweren Reiter wie in<br />
Sergej Eisensteins Film „Alexander Newski“<br />
(1938) auf dem Eis des Sees eingebrochen<br />
sein sollen, wird heute als Mythos betrachtet.<br />
Noch im selben Jahr schließen der Orden<br />
und Nowgorod ein Friedensabkommen,<br />
welches die Narwa zum Grenzfluss zwischen<br />
beiden bestimmt. Der weiteren Ostexpansion<br />
des Ordens ist damit dauerhaft ein<br />
Riegel vorgeschoben. <strong>CLAUSEWITZ</strong> rekonstruiert<br />
auf den folgenden Seiten detailliert<br />
die Kontrahenten, die bei der Schlacht auf<br />
dem Peipussee aufeinanderprallen…<br />
GUT GERÜSTET: Nur ein geringer Teil des deutschen Fußvolkes ist so gut bewaffnet<br />
wie dieser Speerträger. Neben dem schweren Kettenhemd trägt er einen Helm mit Maskenvisier,<br />
der zu dieser Zeit zunehmend vom Topfhelm verdrängt wird. Außerdem verfügt dieser<br />
Texte und historische Recherche zu den<br />
Fußsoldat über ein Falchion, ein einschneidiges Schwert, das (vermutlich) besonders von Zeichnungen: Alexander Querengässer<br />
der Infanterie verwendet wird.<br />
Zeichnungen: Sascha Lunyakov<br />
S<br />
58<br />
IMPOSANT: Die Form<br />
des Helms dieses Ritters<br />
geht auf Abbildungen aus der<br />
sogenannten Kreuzfahrerbibel<br />
zurück, die vermutlich um<br />
1245 in Frankreich entstand.<br />
Die aufwendige Helmzier<br />
wurde im Kampf wahrscheinlich<br />
nicht getragen.<br />
S.58<br />
59<br />
Spurensuche<br />
Feldherren<br />
BIOGRAPHISCHE DATEN Winston Churchill (1874–1965)<br />
Heeresversuchsanstalt Peenemünde<br />
Zentrum der<br />
Raketenforschung<br />
3. Oktober 1942: Die Flüssigkeitsgroßrakete mit der<br />
Bezeichnung „Aggregat 4“ verlässt den Prüfstand VII<br />
der Heeresversuchsanstalt und stößt in den<br />
Weltraum vor. Mit dem Beginn des Raketenzeitalters<br />
erreicht der Krieg eine<br />
neue Dimension.<br />
Von Tammo Luther<br />
1874: Churchill wird am 30. November in Woodstock<br />
(England) geboren<br />
1916: Abgeordneter<br />
1915: Frontoffizier<br />
1881–1892: Besuch verschiedener Internate 1917–1918: Munitionsminister<br />
1893–1895: Kadett in Sandhurst<br />
1918–1921: Kriegs- und Luftfahrtminister<br />
1895–1899: Leutnant im 4. Husarenregiment, 1924: Wechsel zu den Konservativen<br />
nimmt an Feldzügen in Kuba, Indien und im Sudan<br />
teil<br />
1929–1939: Kein politisches Amt<br />
1924–1929: Schatzkanzler<br />
1899–1900: Kriegsberichterstatter im Burenkrieg 1939: 1. Lord der Admiralität<br />
1900: Wird als Konservativer Mitglied des Unterhauses<br />
Premier- und Verteidigungsminister<br />
1940–1945: Parteiführer der Konservativen und<br />
1904: Übertritt zur Liberalen Partei<br />
1945–1951: Oppositionsführer<br />
1908–1910: Handelsminister<br />
1951–1955: Premierminister<br />
1910–1911: Innenminister<br />
1953: Nobelpreis für Literatur<br />
1911–1915: 1. Lord der Admiralität<br />
(24.<br />
1965: Churchill stirbt in London<br />
Januar)<br />
AUF DEM FREIGELÄNDE: Modell einer V1 des<br />
Historisch-Technischen Museums Peenemünde,<br />
im Hintergrund das Kraftwerk der ehemaligen<br />
Versuchs- und Erprobungsanstalten.<br />
SYMBOLHAFT: Der britische<br />
Premierminister Churchill verbreitet<br />
im Kriegsjahr 1943 lächelnd<br />
Optimismus mit dem<br />
„Victory“-Zeichen.<br />
M<br />
it der später als „Vergeltungswaffe 2“<br />
(V2) bezeichneten Fernrakete steht<br />
dem „Dritten Reich“ ab der Serienfertigung<br />
im Sommer 1944 eine Waffe zur<br />
Verfügung, für die es zu dieser Zeit keine<br />
wirksame Abwehrmöglichkeit gibt. Insgesamt<br />
mehr als 3.000 V2-Raketen werden bis<br />
Ende März 1945 auf Ziele in England, Belgien,<br />
Holland und Frankreich abgefeuert. Ihre<br />
tödliche Wirkung fordert Tausende von<br />
Opfern unter der Zivilbevölkerung der betroffenen<br />
Länder.<br />
Zehn Jahre zuvor: Mitte der 1930er-Jahre Errichtung von Unterkünften für die Bauarbeiter<br />
der Forschungsstelle von Heer und<br />
ist das Fischerdorf Peenemünde im Nordwesten<br />
der Ostsee-Insel Usedom eine 450- Luftwaffe.<br />
Seelen-Gemeinde und besteht aus weniger Der erste Spatenstich für die künftige<br />
als 100 Häusern und einer Dorfschule. Heeresversuchsanstalt und die Erprobungsstelle<br />
der Luftwaffe Peenemünde wird im<br />
Mit der Idylle der weitgehend unberührten<br />
Naturlandschaft ist es seit 1936 vorbei. August 1936 gesetzt.<br />
Die Umgestaltung der moor- und grundwasserreichen<br />
Gegend in ein militärisches Sperr-<br />
Suche nach einem passenden Areal für die ge-<br />
Dem Baubeginn ging eine mehrmonatige<br />
gebiet beginnt. Am Anfang steht die Erschließung<br />
des unwegsamen Terrains durch von Raketeningenieur Wernher von Braun,<br />
plante Anlage voraus. Nach einem Hinweis<br />
den Bau von Straßen und Gleisen sowie der dessen Vater passionierter Jäger war und der<br />
seinem Sohn einst von der Abgeschiedenheit Reichsarbeitsdienstes (RAD), an<br />
des Peenemünder Hakens erzählt hatte, entschieden<br />
sich die zuständigen Militärs stalt in Peenemünde. Nach 1939<br />
der Errichtung der Versuchsan-<br />
schließlich für den Standort auf Usedom. kommt eine wachsende Zahl<br />
Die Heeresversuchanstalt im brandenburgischen<br />
Kummersdorf hatte sich für die und Häftlinge aus den Konzen-<br />
ausländischer Zwangsarbeiter<br />
intensive Fernraketenforschung und -erprobung<br />
als ungeeignet erwiesen.<br />
Die Bewohner Peenemüntrationslagern<br />
hinzu.<br />
Seit Sommer 1936 bis zum Ausbruch des des mussten unterdessen ihr Dorf verlassen.<br />
Zwar wird ihnen eine Entschädigung<br />
Krieges im September 1939 arbeiten etwa<br />
10.000 Arbeiter, darunter ein Großteil Angehörige<br />
der Organisation Todt (OT) und des Alteingesessenen<br />
zuteil, doch der Abschied fällt gerade den<br />
schwer.<br />
S.64<br />
ABGEHOBEN: Start einer A4-Rakete (V2)<br />
auf dem Versuchsgelände<br />
Peenemünde, vermutlich 1943.<br />
Winston Churchill<br />
Mit eisernem Willen<br />
8. Mai 1945: Winston Churchill ist am Ziel. Als erbitterter Widersacher Hitlers und des NS-<br />
Staates trägt der für seinen starken Willen und besonderen Ehrgeiz bekannte britische<br />
Premierminister großen Anteil am alliierten Sieg über das „Dritte Reich“. Von Stefan Krüger<br />
IN SOWJETISCHER BEGLEITUNG: Churchill<br />
nutzt eine Pause während der Potsdamer<br />
Konferenz im Sommer 1945 für einen Abstecher<br />
in die Ruine der zerstörten Neuen<br />
Reichskanzlei in der Berliner Voßstraße.<br />
S.76<br />
64<br />
65<br />
76<br />
Bildstrecke<br />
Entscheidungsschlacht<br />
auf dem Peipussee. ...........................................................................................................58<br />
Alexander Newski gegen den Deutschen Orden 1242.<br />
Spurensuche<br />
Zentrum der Raketenforschung. ..........................................................64<br />
Die Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom.<br />
Titelfotos: ullstein bild – Heinrich Hoffmann; ullstein bild – Süddeutsche Zeitung<br />
Photo/Scherl; picture alliance/Mary Evans Picture Library ; picture-alliance/akg-images;<br />
ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein; picture alliance/Everett Collection;<br />
picture-alliance/Arco Images GmbH<br />
Militär und Technik<br />
Das römische Militärlager. .................................................................................70<br />
Antikes Meisterwerk der Technik und Logistik.<br />
Feldherren<br />
Mit eisernem Willen. .......................................................................................................76<br />
Der britische Premier- und Kriegsminister Winston Churchill:<br />
sein Aufstieg und sein erbitterter Kampf gegen Hitler<br />
<strong>Vorschau</strong>/Impressum ........................................................................................................................82<br />
Titelbild: U-Boot-Kommandant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> auf dem Turm von U 47, mit dem er in die<br />
Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> eindrang, erschienen in „Berliner Illustrirte Zeitung“ 44/1939.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
5
Magazin<br />
AUSSTELLUNGSTIPP<br />
„Sommer Vierzehn“<br />
Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zeigt<br />
eine einzigartige Rauminszenierung mit Panoramaprojektion<br />
Soldaten mit Gasmasken<br />
in einem Schützengraben,<br />
um 1916.<br />
Foto: Museen der Stadt<br />
Nürnberg, Dokumentationszentrum<br />
Reichsparteitagsgelände<br />
Dem Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100<br />
Jahren widmet das Dokumentationszentrum<br />
Reichsparteitagsgelände vom<br />
29. Juni bis zum 11. November 2014 eine ungewöhnliche<br />
Sonderschau unter dem Titel:<br />
„Sommer Vierzehn – Die Geburt des Schreckens<br />
der Moderne”.<br />
Die aufwendig gestaltete Rauminszenierung<br />
mit Panoramaprojektion soll den Betrachter<br />
an die Schrecken des industriellen Maschinenkriegs<br />
erinnern.<br />
Der Kontrast zu der im Rohbau verbliebenen<br />
Halle des NS-Baus „Kongresshalle“ könnte<br />
größer nicht sein, wähnt man sich doch parallel<br />
in einem der beliebten Strandcafés der<br />
Gegenwart: Liegestühle in weißem Sand und<br />
ein paar Strandkörbe, ein hölzerner Laufsteg.<br />
Allerdings begeben sich die Besucher in ein<br />
ebenso einladendes wie bedrohliches Szenario.<br />
Jenseits des Stegs verwandelt sich ein Getreidefeld<br />
in ein Schlachtfeld: niedergetretener<br />
Weizen, hastig aufgestellte Maschinengewehre,<br />
aufgewühlte Erde bestückt mit Kriegsschrott.<br />
Mit Schaudern wendet sich der Betrachter<br />
ab, in Sorge darüber, was in der von<br />
den Kämpfen geschundenen Erde noch alles<br />
zu erwarten ist.<br />
Wellen branden an den sommerlichen<br />
Strand, ein Kind spielt im Vordergrund.<br />
Schnell vergisst man bei dem Blick auf ein fast<br />
40 Meter breites filmisches Meerespanorama<br />
die über den Köpfen schwebenden Granaten<br />
und das von der Decke hängende, 36 Meter<br />
lange Rohr einer Fernkanone. Plötzlich fallen<br />
Schüsse. Sie reißen die Besucher aus der Vision<br />
der sommerlichen Idylle. Diese Mischung<br />
zwischen Zuversicht und Irritation, Schönheit<br />
und Schrecken kennzeichnet die ganze Inszenierung<br />
und das folgende Filmerlebnis. „Die<br />
Geburt des Schreckens der Moderne" läuft als<br />
mehrteiliges Drama ab. Die 30-minütige<br />
Rauminszenierung soll daran erinnern, dass<br />
die zunächst in sommerlicher Unbeschwertheit<br />
schnell verhallenden Schüsse von Sarajevo<br />
im Juni 1914 ein risikoreiches diplomatisches<br />
Ränkespiel in einem militärisch hochgerüsteten<br />
Europa auslösten.<br />
Dem hoffnungsvollen Aufbruch in einen<br />
schnell und siegreich beendeten Krieg folgte<br />
die rasche Ernüchterung im industriell geprägten<br />
Krieg der Maschinen mit Millionen<br />
von Opfern.<br />
Hinweis:<br />
Die 30-minütige Inszenierung beginnt Mo.–Fr.<br />
zwischen 10 und 17 Uhr, Sa. & So. zwischen 11<br />
und 17 Uhr jeweils zur vollen Stunde. Gruppen<br />
ab 15 Personen werden unter Tel. 0911/231 56 66<br />
um Anmeldung gebeten.<br />
Nähere Informationen:<br />
www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum<br />
Foto: Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Stefan Meyer<br />
ENGLISCHSPRACHIGES<br />
„Escape to the Legion“<br />
Grundausbildung der Fremdenlegion im TV<br />
Was passiert, wenn man eine<br />
Handvoll Männer in die Sahara<br />
zur „Grundausbildung“ der<br />
Fremdenlegion schickt? Der Survival-Experte<br />
und Ex-SAS-Reservist<br />
Bear Grylls will es im Jahr 2005 wissen<br />
und begleitet die Gruppe in ein<br />
Wüstenfort, in dem drei ehemalige<br />
Fremdenlegionäre als Ausbilder<br />
warten. Die „Rekruten“ werden<br />
physisch und psychisch stark beansprucht<br />
und an die Grenzen ihrer<br />
Leistungsfähigkeit<br />
gebracht. Natürlich<br />
können drei<br />
Ex-Legionäre in einem<br />
TV-Camp nicht eine völlig realistische<br />
Fremdenlegionsausbildung<br />
bieten. Aber auch die Grundausbildung<br />
„light“ hat es in sich!<br />
Nicht alle halten bis zum Ende<br />
durch. Die vierteilige Reihe bietet<br />
gute Unterhaltung und vermittelt<br />
zumindest eine Ahnung vom Ablauf<br />
einer Grundausbildung. Das<br />
Niveau der Produktion liegt über<br />
dem deutscher „Reality-Shows“.<br />
Besonders interessant sind die eingeschnittenen<br />
Interviews mit Veteranen<br />
der Legion, die Einblicke in<br />
das Funktionieren der Einheit, die<br />
Mentalität und die Eigendynamik<br />
Populär: Der englische Abenteurer<br />
Edward „Bear“ Grylls (1974<br />
geboren, im Bild bei einer PR-Aktion<br />
2014) ist auch hierzulande<br />
durch verschiedene TV-Serien bekannt.<br />
2005 verschlägt es ihn in<br />
die Wüste Nordafrikas in ein Trainingscamp<br />
der Fremdenlegion.<br />
Foto: picture-alliance/empics<br />
innerhalb einer Gruppe unter Belastung<br />
geben. „Escape to the Legion“<br />
ist eine kurzweilige Einstimmung<br />
auf das nächste CLAUSE-<br />
WITZ Spezial „Fremdenlegion“.<br />
Alle Teile sind in einem großen Videoportal<br />
im Internet vorhanden<br />
(Stand Juli 2014).<br />
6
Foto: picture-alliance/dpa©dpa Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
BUNDESWEHR<br />
„Multitool der Marine“<br />
Seebataillon der Deutschen Marine aufgestellt<br />
Soldaten des neu aufgestellten Seebataillons mit ihrer Ausrüstung.<br />
In Eckernförde (Schleswig-Holstein) wurde<br />
am 1. April 2014 nach 1959 und 1988<br />
das mittlerweile dritte Seebataillon der<br />
Bundeswehr aufgestellt. Der bis zu 800<br />
Männer und Frauen umfassende Verband<br />
besteht aus vier Einsatzkompanien: Bordeinsatzkompanie,<br />
Küsteneinsatzkompanie,<br />
Aufklärungskompanie und Minentaucherkompanie.<br />
Hinzu kommt der Bereich Stab,<br />
Ausbildung, Weiterentwicklung und eine<br />
Unterstützungskompanie.<br />
Insbesondere bei internationalen Einsätzen<br />
zur Krisenbewältigung, Konfliktverhütung<br />
und Friedenssicherung befinden sich Einheiten<br />
der Deutschen Marine weltweit im Einsatz.<br />
Dabei gehört die Sicherung von Seewegen<br />
ebenso zu den Aufgaben wie etwa der<br />
Schutz von Schiffen und Häfen sowie Hilfs-,<br />
Rettungs- und Evakuierungseinsätze. Hinzu<br />
kommen die Bekämpfung von Kampfmitteln<br />
unter Wasser und an Land und der Schutz gegen<br />
terroristische Angriffe. Oft sind die Einsätze<br />
so speziell, dass sie künftig<br />
nur von dem Seebataillon durchgeführt<br />
werden können.<br />
Soldaten der Marineinfanterie<br />
werden gesondert geschult und<br />
unterstützen zivile Schiffe bei<br />
der Abwehr von Piratenangriffen.<br />
Genauso können sie zur Sicherung<br />
von Hafenanlagen eingesetzt<br />
werden. Minentaucher übernehmen<br />
vor allem die Aufgaben der<br />
Kampfmittelabwehr. Hingegen<br />
sammeln die Aufklärungskräfte<br />
wichtige Informationen im Einsatzland<br />
und werten diese aus.<br />
Da sich der neu aufgestellte Verband aus<br />
unterschiedlichen Bestandteilen zusammensetzt,<br />
sind „tailored missions“ (dt.: maßgeschneiderte<br />
Einsätze) möglich. Aufgrund der<br />
vielen Fähigkeiten und der Vielseitigkeit der<br />
Aufträge des Verbandes trägt er den Spitznamen<br />
„Multitool der Marine“.<br />
Fregattenkapitän Arne Krüger (re.) bei einer Zeremonie<br />
in Eckernförde. Er übernimmt das Kommando über das<br />
neue Seebataillon.<br />
„Mögen die Federn der Diplomaten<br />
nicht wieder verderben,<br />
was das Volk mit großen<br />
Anstrengungen errungen!“<br />
Gebhard Leberecht von Blücher, genannt<br />
„Marschall Vorwärts“, nach der Schlacht von<br />
Waterloo (Belle-Alliance) 1815<br />
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ZEITSCHICHTEN<br />
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll<br />
visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und<br />
Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Damals: Soldaten der Roten Armee ziehen 1941<br />
durch eine Straße Moskaus, ausgerüstet mit<br />
Panzerbüchsen (zu den russischen Panzerbüchsen<br />
gehören z.B. die PTRD oder Simonow PTRS-41).<br />
Die Waffen mit relativ hoher Durchschlagskraft<br />
und Reichweite werden auch gegen Bunker,<br />
MG-Stellungen und ähnliche Ziele eingesetzt.<br />
Heute: Das im Mittelalter gegründete Moskau ist<br />
eine gigantische Millionenmetropole des 21.<br />
Jahrhunderts und Hauptstadt der Russischen<br />
Föderation. Moskau, das auch als „Drittes Rom“<br />
und „Heldenstadt“ (nach dem Zweiten Weltkrieg)<br />
bezeichnet wird, ist das wirtschaftliche, kulturelle<br />
sowie politische Zentrum Russlands.<br />
www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Clausewitz 5/2014<br />
7
Clausewitz<br />
Magazin<br />
MUSEUMSTIPP<br />
Burg und Festung Regenstein<br />
In Fels gehauene Wehranlage als Freilichtmuseum<br />
70<br />
Jahre ist es her, dass Claus Graf<br />
Schenk von Stauffenberg in der Nacht<br />
vom 20. auf den 21. Juli 1944 im Hof<br />
des Berliner Bendlerblocks hingerichtet<br />
wurde. Einen Tag zuvor war ein von<br />
Stauffenberg und seinem Adjutanten<br />
Werner von Haeften durchgeführtes Attentat<br />
auf Adolf Hitler in dessen Führerhauptquartier<br />
„Wolfsschanze“ in Ostpreußen<br />
misslungen. Stauffenberg wurde<br />
36 Jahre alt, von Haeften starb im<br />
Alter von 35 Jahren.<br />
Die markanten Reste der erstmals 1169 erwähnten<br />
Burganlage befinden sich auf einem weithin<br />
sichtbaren Felssporn unweit der Stadt Blankenburg<br />
im Harz. Die aus dem Sandstein herausgearbeitete<br />
Architektur mit ihren heute noch erhaltenen<br />
mehr als 30 Felsräumen und Gräben, die größtenteils<br />
besichtigt werden können, gilt als Besonderheit.<br />
Im Mittelalter verfügte die Anlage über zahlreiche<br />
Gebäude, vier Toranlagen und sieben Türme.<br />
Archäologisch nachgewiesen sind Warmluftheizungen<br />
an mehreren Stellen und eine etwa 20 Meter<br />
tiefe Zisterne. Die ältesten Funde stammen aus<br />
dem frühen 11. Jahrhundert. Der Regenstein war<br />
vom 12. bis 15. Jahrhundert Herrschaftsmittelpunkt<br />
der gleichnamigen Grafschaft.<br />
Im 15. Jahrhundert ist der Regenstein zugunsten<br />
Blankenburgs und Derenburgs aufgegeben worden.<br />
Nach fast zweihundertjährigem Verfall und Abbruch<br />
besetzten im späten 17. Jahrhundert Truppen<br />
Kurbrandenburgs infolge eines Territorialstreites<br />
Panis militaris – Das römische Militärbrot<br />
Blick auf den inneren Teil des „Regensteins“<br />
bei Blankenburg im Harz.<br />
Foto: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv<br />
die alte Residenz. In relativ kurzer Bauzeit wurde eine<br />
Bergfestung mit fünf Hauptbastionen und mehreren<br />
Gebäuden, darunter Magazin- und Zeughäuser<br />
und Wirtschaftshäuser, errichtet sowie ein fast<br />
200 Meter tiefer Brunnen und mehrere Toranlagen<br />
angelegt.<br />
Unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm<br />
I. wurde die Festung weiter ausgebaut. Nach<br />
der Beendigung einer französischen Besatzung<br />
während des Siebenjährigen Krieges sind die Festungsgebäude<br />
1758 zerstört worden. Die gemauerten<br />
Bastionen und Erdwerke sowie die mächtige<br />
Toranlage sind jedoch noch gut sichtbar.<br />
Heute ist die ausgedehnte Anlage als Freilichtmuseum<br />
gestaltet und zugänglich.<br />
Öffnungszeiten:<br />
April bis Oktober: täglich von 10 bis 18 Uhr<br />
November bis März: mittwochs bis sonntags<br />
10 bis 16 Uhr<br />
Bei schlechtem Wetter bleibt die Anlage<br />
geschlossen.<br />
Die Legionäre sind zahlreichen Strapazen<br />
ausgesetzt. Dazu gehören marschieren,<br />
kämpfen und die Arbeit mit Spitzhacke und<br />
Spaten (vgl. den Artikel zum römischen Militärlager).<br />
Ein grundlegender „Treibstoff“<br />
für die hart arbeitenden Soldaten ist das berühmte<br />
Legionärsbrot. Wer eine kulinarische<br />
Zeitreise in die Antike antreten<br />
möchte, kann dies<br />
nun tun:<br />
Die Hefe mit warmem<br />
Wasser und 1 EL Honig ansetzen<br />
und etwa eine Viertelstunde<br />
gehen lassen. Danach<br />
Mehl, 1 EL Salz und Dinkel<br />
zur Hefe geben und ordentlich<br />
vermischen. Den so entstandenen<br />
Teig abermals gute 15 Minuten ziehen<br />
lassen. Jetzt den Teig gut kneten und daraus<br />
einen (möglichst dünnen!) Brotfladen<br />
formen. Den Fladen ein weiteres Mal 15 Minuten<br />
gehen lassen und dann im Ofen bei 230<br />
Grad zehn Minuten backen. Bei ausgeschaltetem<br />
Ofen das Brot nachbräunen lassen.<br />
Militärbackofen: In den befestigten<br />
Lagern müssen<br />
viele Legionäre satt gemacht<br />
werden, die großen<br />
Öfen können daher eine<br />
entsprechende Menge an<br />
Brot produzieren. Der<br />
Durchmesser eines Militärbrotes<br />
ist zudem größer als<br />
die zivile Version (bis knapp<br />
über 30 cm Durchmesser).<br />
Zutatenliste<br />
- 2 Hefewürfel<br />
- Honi g<br />
- Sal z<br />
- 500 g Di nkel<br />
(gemahl en) - al -<br />
ternativ geht<br />
auch Wei zen<br />
- 500 g Roggenmehl<br />
Abenteuerlustige können das Brot auch<br />
auf einer offenen Feuerstelle zubereiten. Auf<br />
Ziegelsteinen wird ein kräftiges Holzkohlefeuer<br />
entfacht. Wenn die Steine heiß sind,<br />
Glut und Asche entfernen, den Brotfladen<br />
auflegen und mit einer flachen Tonschüssel<br />
bedecken (aufpassen, dass die Asche nicht<br />
mit dem Teig in Berührung kommt). Anschließend<br />
die Glut und die Asche über die<br />
Schüssel häufen. Bei dieser Methode ist natürlich<br />
ein wenig Übung notwendig. Die<br />
simple Mahlzeit ist gesund, nahrhaft und –<br />
für das Militär besonders wichtig – transportabel.<br />
Genauere Einblicke sind zu finden<br />
in: Marcus Junkelmann: Panis militaris. Die Ernährung<br />
des römischen Soldaten oder der<br />
Grundstoff der Macht. Mainz 2006.<br />
Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Bildnachweis: picture alliance / Mary Evans Picture Library<br />
8
4/2014 JULI | AUGUST €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />
BUCHTIPP<br />
Rastatter Frieden 1714<br />
Packende Publikation zum Ende des Spanischen Erbfolgekrieges<br />
Vor 300 Jahren beendete der Rastatter Frieden<br />
(mit den Verträgen von Utrecht und Baden)<br />
einen Konflikt, der mehr als eine Dekade<br />
andauerte: Von 1701–1714 wütete der Spanische<br />
Erbfolgekrieg als innereuropäischer<br />
Machtkampf. Hiram Kümper hat im vorliegenden<br />
Buch die Geschichte dieses frühneuzeitlichen<br />
Großkonfliktes verständlich dargestellt.<br />
Er liefert allerdings keine detaillierten<br />
Schlachtenbeschreibungen auf taktisch-operativer<br />
Ebene, es geht vielmehr um die Einbettung<br />
des Vertragswerkes in das damalige Umfeld<br />
und seinen Rang als Stabilisator – Kümper<br />
betrachtet den Krieg nicht isoliert, sondern als<br />
Briefe an die Redaktion<br />
Zu „Napoléon III. als Mörder“ in<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> 3/2014:<br />
Der vom Hinrichtungskommando<br />
erschossene Erzherzog Maximilian<br />
Joseph Maria von Österreich wurde<br />
als Sohn von Erzherzog Franz<br />
Karl, dem jüngeren Sohn von Kaiser<br />
Franz I., und Prinzessin Sophie<br />
von Bayern in <strong>Wie</strong>n geboren. Er<br />
war der jüngere Bruder von Kaiser<br />
Franz Joseph aus dem Haus Habsburg.<br />
Während der Mexikanischen Interventionskriege<br />
wurde er von<br />
1864 bis 1867 auf Betreiben Kaiser<br />
Napoléons III. von Frankreich<br />
als Kaiser von Mexiko inthronisiert.<br />
Der französische Kaiser Napoléon<br />
III. wollte in Mexiko ein militärisch<br />
und wirtschaftlich an Frankreich<br />
angelehntes Reich begründen. Seit<br />
1861 hatte er dort bereits mit<br />
Truppen interveniert, weil Mexiko<br />
(unter seinem Präsidenten Benito<br />
Juárez) sowohl den spanischen<br />
Gesandten wie auch den päpstlichen<br />
Legaten des Landes verwiesen<br />
hatte. Benito Juárez hatte die<br />
Zahlungen der 82 Mio. US-Dollar<br />
Schulden, die von den Europäern<br />
gefordert wurden, für zwei Jahre<br />
eingestellt.<br />
Vor der Erschießung versicherte<br />
Maximilian den Soldaten, dass sie<br />
nur ihre Pflicht täten, steckte ihnen<br />
Goldmünzen zu und ersuchte sie<br />
darum, genau zu zielen und sein<br />
Gesicht zu schonen, damit seine<br />
Mutter seinen Leichnam identifizieren<br />
könne. Der einbalsamierte<br />
Leichnam Maximilians wurde auf<br />
Clausewitz 5/2014<br />
der Novara durch<br />
Vizeadmiral Wilhelm<br />
von Tegetthoff<br />
nach Triest<br />
gebracht. Von dort<br />
wurde er im Galatrauerwagen<br />
des<br />
Hofes nach <strong>Wie</strong>n<br />
„Kontinuum innerhalb<br />
einer Staatengeschichte<br />
Europas“. Das opulent<br />
aufgemachte Buch besticht<br />
neben den spannenden<br />
Texten durch<br />
zahlreiche Bilder, Kupferstiche,<br />
Stammtafeln<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Clausewitz<br />
Vabanquespiel Schlieffenplan:<br />
Tscherkassy 1944<br />
Ausbruch aus Marne 1914<br />
dem Kessel<br />
Spartas Ruhm<br />
480 v. Chr.: Schlacht<br />
bei den Thermopylen<br />
Spurensuche<br />
in<br />
Wilhelmshaven<br />
Seit 150 Jahren<br />
Marinehafen<br />
Fieseler Fi 103 V1<br />
Hitlers „Wunderwaffe“<br />
überführt, wo er am 18. Januar<br />
1868 in der Kapuzinergruft beigesetzt<br />
wurde.<br />
Édouard Manet malte „Die Erschießung<br />
Kaiser Maximilians von<br />
Mexiko“ als eine Art Berichterstatter<br />
mehrmals (1867 bis 1869). In<br />
der ersten Fassung (Museum Boston)<br />
hat das Erschießungskommando<br />
noch mexikanische Uniformen<br />
an, in der Mannheimer<br />
Fassung, die die Serie abschließt,<br />
wird von Gardisten in französischer<br />
Uniform geschossen.<br />
Thomas Pelzl, per E-Mail<br />
Zu „Militärtechnik im Detail“ in<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> 4/2014:<br />
Im Heft 4/2014 <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
schreiben Sie im Artikel über das<br />
Kleinst-U-Boot „Seehund" (Seiten<br />
40/41), dass dieses zwar über einen<br />
Propellerschutz, aber nicht<br />
über ein Tiefenruder verfügte.<br />
Das ist aber falsch, der „Seehund“<br />
verfügte über ein Hecktiefenruder,<br />
Kleinst-U-Boot „Seehund“: Gefährliche Verzweiflungswaffe<br />
Schreiben Sie an:<br />
redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />
Vielschichtig: Der Spanische<br />
Erbfolgekrieg ist ein<br />
höchst komplexer Großkonflikt.<br />
Abb.: BadnerBuch-Verlag<br />
und Karten. Zudem gibt es das Vertragswerk<br />
im französischen Original und einer deutschen<br />
Übersetzung. Eine lehrreiche Lektüre über eine<br />
fesselnde Phase europäischer Geschichte.<br />
Hiram Kümper: Rastatter Frieden. Rastatt 1714.<br />
Der Janustempel wird geschlossen. Rastatt 2014.<br />
dieses ist auch auf Ihrer<br />
Abbildung zu erkennen.<br />
Spätere Baulose<br />
hatten ein Kastenruder<br />
und ein verbessertes<br />
Tiefenruder.<br />
Wolfgang Krüger, per E-<br />
Mail<br />
Zum Magazinteil von <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
4/2014:<br />
<strong>Wie</strong> immer ist es erstaunlich, wie<br />
viele interessante Beiträge Sie<br />
schaffen.<br />
Dass sich Ungenauigkeiten einschleichen,<br />
ist da einfach möglich.<br />
Die Endhöhe der Siegessäule ist<br />
erst 1938/39 bei der Umsetzung<br />
vom Platz vor dem Reichstag auf<br />
den „Großen Stern“ entstanden.<br />
Hinzugefügt wurde dabei eine vierte<br />
„Trommel", deren Einzelhöhe<br />
mir leider nicht bekannt ist. Albert<br />
Speer musste m. E. die Proportionen<br />
etwas verändern.<br />
M. Frenzel, per E-Mail<br />
In eigener Sache<br />
In Ausgabe 4/2014 wird auf S. 56<br />
„Rowlands Gill“ fälschlicherweise<br />
als bürgerlicher Name von Chris<br />
Ryan angegeben. Es handelt sich<br />
dabei aber um dessen Geburtsstadt<br />
im Nordosten Englands.<br />
Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />
behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />
Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />
Fundiert recherchiert,<br />
packend erzählt!<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Jetzt am<br />
Kiosk!
Titelgeschichte<br />
Angriff von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
<strong>Prien</strong>s<br />
„Paukenschlag“<br />
10
14. Oktober 1939: Mit der<br />
Versenkung des Schlachtschiffs HMS<br />
ROYAL OAK gelingt Kapitänleutnant<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung<br />
von U 47 ein spektakulärer „Coup“<br />
gegen Englands Seemacht. Der<br />
Schock bei der Royal Navy und in<br />
ganz Großbritannien sitzt tief.<br />
Von Jörg-M. Hormann<br />
RISKANTE OPERATION: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> an Bord von U 47. Das Boot läuft<br />
am 8. Oktober 1939 von Kiel zu einer streng geheimen Mission aus.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
IN GEHEIMER MISSION:<br />
Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47, wird<br />
vom Befehlshaber der Unterseeboote, Konteradmiral Karl Dönitz,<br />
zu Kriegsbeginn mit einer besonders riskanten Operation<br />
betraut. Das Ziel des geplanten U-Boot-Angriffs heißt: <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> – Hauptflottenstützpunkt der Royal Navy, Foto 1940/41.<br />
Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />
Clausewitz 5/2014<br />
11
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
TÖDLICHE WAFFE:<br />
Drei „Aale“ sind am 14. Oktober 1939 gegen 1:00 Uhr von<br />
U 47 verschossen, doch nur einer detoniert. Der vierte Torpedo<br />
steckt im Rohr fest. In dieser gefährlichen Situation<br />
wird ein neuer Anlauf gefahren, im Rekordtempo von knapp<br />
20 Minuten sind zwei Rohre nachgeladen, der Rohrläufer<br />
wird gängig gemacht. Der tödliche Fächer für die ROYAL<br />
OAK wird auf den Weg geschickt. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
12
Waghalsiges Unternehmen<br />
FAKTEN<br />
Deutsches Reich<br />
U-Bootwaffe der Kriegsmarine<br />
Nach dem deutsch-britischen Flottenabkommen<br />
vom 18. Juni 1935 werden dem Deutschen<br />
Reich Seestreitkräfte zugebilligt, deren<br />
Stärke in einem bestimmten Verhältnis<br />
zur Royal Navy und den Flotten des Empire<br />
steht. Bei den U-Booten gesteht man<br />
Deutschland 45 Prozent zu und lässt die<br />
Möglichkeit offen, auf 100 Prozent zu gehen.<br />
Deutschlands Kriegsmarine ist bei<br />
Kriegsbeginn 1939 mit 57 U-Booten, auf<br />
sechs Flottillen verteilt, ausgerüstet.<br />
U 47 gehört zu den 22 atlantikfähigen<br />
U-Booten der Kriegsmarine, die ab September<br />
1939 für Fernunternehmungen eingesetzt<br />
werden können. U-Boote des Typs VII B<br />
entstehen seit der 2. Hälfte der 1930er-Jahre<br />
bis 1940 bei der Germaniawerft in Kiel.<br />
Mit U-Booten vom Typ VII B werden während<br />
des Zweiten Weltkriegs bedeutende<br />
Versenkungserfolge erzielt. Ihren Anfang<br />
nimmt die vom Gegner gefürchtete „Erfolgsserie“<br />
dieses Bootstyps mit dem Überraschungsangriff<br />
von U 47 auf <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
13
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
BITTERES ENDE:<br />
Nach der Torpedierung durch U 47 am frühen Morgen des<br />
14. Oktober 1939 kentert das Schlachtschiff HMS ROYAL OAK<br />
und nimmt 833 Mann mit in ihr nasses Grab. <strong>Prien</strong>s Überraschungsangriff<br />
auf den Flottenstützpunkt <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> zählt zu den<br />
schwärzesten Momenten in der Geschichte der Royal Navy. Auf<br />
der zeitgenössischen Illustration einer Zeitschrift kentert die<br />
ROYAL OAK allerdings zur falschen Seite. Abb.: ullstein bild – ullstein bild<br />
14
Schlag gegen die Royal Navy<br />
FAKTEN<br />
Großbritannien<br />
Marinestützpunkt <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> der Royal Navy<br />
Eingerahmt von felsigen Inseln bietet die Bucht<br />
von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> im Norden Großbritanniens den<br />
dort liegenden Schiffen seit Jahrhunderten natürlichen<br />
Schutz. Im deutschen Marinebewusstsein<br />
manifestiert sich der traditionsreiche Liegeplatz<br />
der „Grand Fleet“ im Jahr 1919 als Internierungs-<br />
und Selbstversenkungsplatz der<br />
Kaiserlichen Hochseeflotte.<br />
Fortan ist <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> ein besonderer Ort<br />
nicht nur in der britischen, sondern auch in der<br />
deutschen Marinegeschichte. Nach dem überraschenden<br />
Eindringen von U 47 in den durch eine<br />
Vielzahl von Minen-, Netz- und Blockschiffsperren<br />
stark gesicherten Hauptflottenstützpunkt<br />
der Royal Navy im Oktober 1939 sollte diese<br />
Aussage in noch viel stärkerem Maße zutreffen.<br />
<strong>Prien</strong>s mit größter Präzision vorbereiteter,<br />
frühzeitiger „Paukenschlag“ bedeutet einen<br />
schweren Schlag für die Royal Navy und ist im<br />
ersten Kriegsjahr ein Schock für ganz Großbritannien.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
15
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
KOLOSS AUS STAHL: Voll ausgerüstet liegt<br />
die Wasserverdrängung von HMS ROYAL OAK<br />
bei 35.000 Tonnen. Das Schlachtschiff ist<br />
rund 189 Meter lang und fast 32 Meter breit,<br />
1.198 Mann Besatzung sind an Bord.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
16
Über das Kriegsgeschehen vom 14. Oktober<br />
1939 bei den Orkney-Inseln an<br />
der schottischen Nordküste diskutieren<br />
Fachleute bis heute zum Teil sehr kontrovers,<br />
denn einige Fragen sind auch nach 75<br />
Jahren immer noch nicht beantwortet.<br />
Fest steht jedoch: Zu Beginn des Zweiten<br />
Weltkrieges sollen beim U-Boot-Einsatz der<br />
Kriegsmarine in erster Linie Erfolge gegen<br />
feindliche Kriegsschiffe erzielt werden, da<br />
der uneingeschränkte Einsatz von U-Booten<br />
gegen die Handelsschifffahrt aus politischem<br />
Kalkül von Hitler nicht gewollt ist.<br />
Der „Führer“ hofft auf ein – allerdings illusorisches<br />
– Einlenken der Engländer und<br />
will den US-Amerikanern keinen Anlass bieten<br />
– ähnlich wie im Fall der 1915 torpedierten<br />
„Lusitania“ – in den Krieg einzutreten.<br />
Gewagte Operationsplanung<br />
Daher richtet sich der U-Boot-Einsatz zunächst<br />
nur gegen Kriegsschiffe. Über seine<br />
Operationsplanungen eines U-Boot-Angriffs<br />
gegen den britischen Hauptmarinestützpunkt<br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> berichtet später der damalige<br />
Konteradmiral und Befehlshaber der<br />
Unterseeboote (B.d.U.) Karl Dönitz: „Seit<br />
Kriegsbeginn trug ich mich immer wieder<br />
mit dem Gedanken, eine U-Boot-Operation<br />
gegen <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> anzusetzen. Die Erinnerung<br />
an das Scheitern der beiden derartigen<br />
Unternehmungen des Kapitänleutnants von<br />
Hennig und des Oberleutnants zur See<br />
Emsmann im Ersten Weltkrieg sowie ihre<br />
GESTOCHEN SCHARF: Luftbild eines Luftwaffenaufklärers. An der Schiffsperre zwischen der<br />
Insel Lamb Holm und der Hauptinsel Mainland dringt U 47 auf nördlichem Kurs nach <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> ein und kommt auf der südlichen Route aus dem „Mauseloch“ wieder heraus.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
großen seemännischen und navigatorischen<br />
Schwierigkeiten ließen mich jedoch davon<br />
Abstand nehmen.“ Die Schwierigkeiten einer<br />
solchen Operation liegen vor allem in<br />
den außergewöhnlichen Stromverhältnissen<br />
kommt, nur sieben Seemeilen in der Stunde<br />
beträgt und das nur für beschränkte Zeit,<br />
wird jedes Boot unter Wasser zum „Spielball“<br />
der Strömung. Weiterhin muss davon<br />
ausgegangen werden, dass die Eingänge zur<br />
„Als die ,Royal Oak’ im August 1939 in<br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einlief, fiel mir auf, dass die<br />
Sperrmaßnahmen anscheinend nicht so sicher<br />
waren wie im Ersten Weltkrieg.“<br />
Captain R. F. Nichols, RN, Erster Offizier der HMS ROYAL OAK,<br />
in seinem Augenzeugenbericht aus dem Jahr 1968<br />
B.d.U.: Der Befehlshaber der Unterseeboote<br />
Admiral Karl Dönitz (1891–1980) spricht zu<br />
einer U-Boot-Besatzung der Kriegsmarine.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
um die Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> herum. Zum<br />
Beispiel erreicht die Strömung im Pentland<br />
Firth eine Stärke von zehn Seemeilen in der<br />
Stunde. Da die höchste Unterwassergeschwindigkeit<br />
eines U-Bootes vom Typ VII B,<br />
das für das riskante Unternehmen in Frage<br />
wichtigsten Flottenbasis der Royal Navy,<br />
durch Netz-, Minen- und Balkensperren sowie<br />
durch Blockschiffe unter weitgehender<br />
Bewachung gesperrt sind. Die in diesen Dingen<br />
erfahrene englische Admiralität und der<br />
Flottenchef der Heimatflotte („Home Fleet“)<br />
Clausewitz 5/2014<br />
17
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
GEFÜRCHTET: <strong>Prien</strong>s U 47, hier mit an Deck<br />
angetretener Besatzung, erzielt bis zum Frühjahr<br />
1941 zahlreiche Versenkungserfolge.<br />
Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst<br />
KARTE<br />
Der Weg von U 47 in die Bucht von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
13./14.10.1939<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
werden alles unternehmen – besonders vor<br />
dem Hintergrund der deutschen Eindringversuche<br />
von 1914 und 1918 – den Liegeplatz<br />
der englischen Flotte zu sichern.<br />
Wichtige Luftaufklärung<br />
Karl Dönitz bemerkte weiter zu dem Vorhaben:<br />
„Eine solche Operation schien also das<br />
kühnste aller kühnen Eindring-Unternehmen<br />
zu sein. Ich entsinne mich, dass ich, diese<br />
Frage prüfend, eines Tages wieder einmal<br />
vor der <strong>Scapa</strong>-Karte saß. Da fiel mein Blick<br />
auf den operativen Admiralstabsoffizier<br />
meines Stabes, den Kapitänleutnant Victor<br />
Oehrn, einem Mann von einer außergewöhnlichen<br />
Konzentriertheit im Wesen und<br />
Denken. Oehrn sagte zu mir aus der Überzeugungskraft<br />
seiner festen Art heraus: ‚Ich<br />
glaube, es wird sich doch eine Möglichkeit<br />
des Eindringens finden lassen.’ Dieser Ausspruch<br />
meines urteilsfähigen Admiralstabsoffiziers<br />
war für mich der letzte Anstoß, die<br />
Frage <strong>Scapa</strong> nun mit aller Gründlichkeit anzupacken.“<br />
Schon mit Beginn der Feindseligkeiten<br />
1939 werden von der Seekriegsleitung alle<br />
greifbaren Informationen über <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
zusammengetragen und in einer Ausarbeitung<br />
dem B.d.U. vorgelegt. In ihr sind alle<br />
vermuteten Sperren in den verschiedenen<br />
Eingängen zur <strong>Scapa</strong>-Bucht beschrieben. Am<br />
11. September 1939 liefert die Luftaufklärung<br />
der 2. Luftflotte als wertvolle Ergänzung<br />
noch Luftaufnahmen, die die schweren und<br />
leichten Seestreitkräfte in der <strong>Scapa</strong>-Bucht<br />
zeigen. Ferner gibt der Kommandant von<br />
U 16, Kapitänleutnant Horst Wellner, der bei<br />
den Orkneys operiert, wertvolle Informationen<br />
über die dortige Bewachung, die Befeue-<br />
18
Riskante Operation<br />
rung und die Stromverhältnisse. Er hält ein<br />
Eindringen nach <strong>Scapa</strong> durch den Hoxa<br />
Sund (auch: Sound) bei zufällig offener Sperre<br />
für möglich.<br />
Doch das reicht dem B.d.U. für seine Entscheidung<br />
nicht aus. Er lässt nochmals alle<br />
Sperren und Zugänge zur <strong>Scapa</strong>-Bucht von<br />
den Aufklärern der Luftwaffe fotografieren.<br />
Am 26. September hat er die ersehnten Luftbildaufnahmen<br />
auf dem Tisch. Dönitz entdeckt<br />
die Lücke, nach der er gesucht hat. Der<br />
Holm Sund ist ausschließlich durch zwei<br />
quer im Fahrwasser des Kirk Sundes liegende,<br />
anscheinend versenkte Dampfer, und ein<br />
an der Nordseite liegendes Schiff gesperrt.<br />
Südlich derselben klafft bis zum Lamb<br />
Holm in sieben Meter Tiefe eine Lücke von<br />
etwa 17 Metern Breite bis zum flachen Wasser.<br />
Auch nördlich der versenkten Sperrdampfer<br />
existiert eine kleine Lücke.<br />
ANGETRETEN: Gemeinsam mit Generalleutnant<br />
Kurt Renner schreitet <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />
eine Ehrenformation des Heeres ab.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Die Wahl fällt auf <strong>Prien</strong><br />
Karl Dönitz äußert sich zu seinem Entschluss:<br />
„…hier hielt ich ein Eindringen<br />
nachts über Wasser bei Stauwasser ohne<br />
Weiteres für möglich. Die Hauptschwierigkeit<br />
lag auf navigatorischem Gebiet. Ich entschloss<br />
mich, den Versuch des Eindringens<br />
machen zu lassen. Meine Wahl fiel auf Kapitänleutnant<br />
<strong>Prien</strong>, Kommandant von U 47.<br />
Er hatte nach meiner Ansicht die für die Unternehmung<br />
erforderlichen soldatischen Eigenschaften<br />
und seemännischen Fähigkeiten.<br />
Ich gab ihm die Unterlagen für den Plan<br />
und stellte ihm frei, den Auftrag anzunehmen<br />
oder abzulehnen. Seine Entscheidung<br />
wollte ich nicht vor Ablauf von 48 Stunden<br />
WEIT VERBREITET: Deckel des Taktikspiels<br />
„Mit ,<strong>Prien</strong>’ gegen England“ aus dem<br />
Jahr 1940/41, das während der Zeit des<br />
„Dritten Reiches“ Einzug in unzählige deutsche<br />
Haushalte gefunden hat.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
Clausewitz 5/2014<br />
19
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
haben. <strong>Prien</strong> nahm nach gründlichem Studium<br />
der Operationsunterlagen und reiflicher<br />
Überlegung an.“<br />
Jetzt erst informiert der Befehlshaber der<br />
Unterseeboote den Oberbefehlshaber der<br />
Kriegsmarine Großadmiral Erich Raeder in<br />
Berlin durch eine persönliche und allein<br />
mündliche Meldung. Größte Geheimhaltung<br />
ist oberstes Gebot für die äußerst riskante<br />
Operation.<br />
Ruhe vor dem Sturm<br />
Für blasenfreie Torpedolaufbahnen werden<br />
G7e-Torpedos an Bord genommen. Ihr batteriegespeister<br />
Elektroantrieb zeigt über Wasser<br />
keine Blasenspur wie bei den pressluftbetriebenen<br />
Torpedos. Am 8. Oktober 1939<br />
läuft <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> mit U 47 und 40 Mann<br />
Besatzung aus Kiel aus, fährt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal<br />
(heute: Nord-Ostsee-Kanal)<br />
und steht am 12. Oktober östlich der Orkney<br />
Islands.<br />
Um seinen Männern vor dem Angriff etwas<br />
Ruhe zu verschaffen, lässt Kapitänleutnant<br />
<strong>Prien</strong> sein Boot tagsüber auf den Grund<br />
der Nordsee herabsinken. In diesen Stunden<br />
wird vom Motorenpersonal ein kleinerer<br />
Schaden an einem der Dieselmotoren repariert.<br />
Nach dem Auftauchen am Abend läuft<br />
U 47 auf die Küsten zu, um seinen Schiffsort<br />
HINTERGRUND<br />
U-Boot-Krieg 1939<br />
Die britische Kriegserklärung an das Deutsche<br />
Reich am 3. September 1939 überrascht<br />
die deutsche Kriegsmarine in ihren<br />
Aufrüstungsplanungen. Hitlers Zusage gegenüber<br />
der Marine, keinen Krieg mit England<br />
vor Mitte der 1940er-Jahre zu beginnen,<br />
ist vom Tisch. Nun macht sich Bestürzung<br />
bei der Kriegsmarineführung breit.<br />
Nicht einmal die durch das Flottenabkommen<br />
von 1935 zugestandenen Schiffsmengen<br />
der verschiedenen Kriegsschiff-Klassen<br />
stehen zur Verfügung. Sie müssen erst noch<br />
gebaut werden. Die U-Boot-Waffe fährt mit<br />
57 U-Booten, von denen nur 22 atlantikfähig<br />
zu bestimmen. Diese Orientierung liest sich<br />
im Kriegstagebuch von U 47, verfasst vom<br />
Kommandanten, wie folgt: „…auf die Küste<br />
zugelaufen. Von 22.00 bis 22.30 Uhr sind die<br />
Engländer so freundlich, mir die gesamte<br />
Küstenbefeuerung einzuschalten, sodass ich<br />
genauesten Schiffsort bekomme.<br />
Gespenstische Atmosphäre<br />
Obwohl seit Auslaufen aus Weg I keine Besteckmöglichkeit<br />
mehr bestand, so dass nur<br />
Koppelung und Lotung gefahren wurde,<br />
stimmte der Schiffsort auf 1,8 Seemeilen genau.“<br />
sind, in den Krieg. „…aber von diesen Booten<br />
würden jeweils nur durchschnittlich fünf<br />
bis sieben U-Boote am Feind sein können.<br />
Die harte Wirklichkeit bewies später, dass<br />
diese Zahl sogar einmal auf nur zwei U-Boote<br />
herabsank“, erklärte Karl Dönitz später in<br />
seinen Erinnerungen.<br />
Bei Beginn der Feindseligkeiten sind die<br />
U-Boot-Kommandanten bei Angriffen auf die<br />
Handelsschifffahrt durch eine Reihe von besonderen<br />
Befehlen in ihrem Handeln eingeschränkt.<br />
Erst durch die Aufhebung dieser<br />
Befehle, Zug um Zug, ergibt sich später der<br />
uneingeschränkte U-Boot-Krieg<br />
Nochmals geht es um 04:37 Uhr für gut<br />
zwölf Stunden auf Grund in 90 Metern Tiefe<br />
mit Ruhe im Boot. Nach dem Wecken und<br />
Frühstück beginnen um 17:00 Uhr die Angriffsvorbereitungen<br />
– dies bedeutet: Torpedos<br />
in Schnellladestellung vor die Rohre I<br />
und II platzieren und das Anbringen von<br />
Sprengkörpern bei den relevanten Stellen für<br />
den Fall einer Sprengung. Chronisten berichten<br />
von hervorragender Stimmung bei der<br />
Besatzung, und nach einem warmen Abendessen<br />
steigt die Spannung im Boot. Aufgetaucht<br />
beginnt der Marsch zum Holm Sund<br />
ab 19:15 Uhr. Nach kurzem Wegtauchen vor<br />
IM HAFEN: Ende Oktober 1939 wird<br />
U 47 nach dem Einsatz in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
in die Germaniawerft in Kiel verholt.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
20
DER „STIER“ VON SCAPA FLOW: Noch<br />
während der Rückfahrt in der Nordsee malt<br />
Oberleutnant Engelbert Endraß, 1. Wachoffizier<br />
auf U 47, den „schnaubenden Stier“ mit<br />
Ölfarbe an die Turmseiten. Das Maling wird<br />
nach der Versenkung des Bootes zum Wappen<br />
der 7. U-Boot-Flottille.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
einem Dampfer taucht U 47 um 23:31 Uhr<br />
wieder auf und fährt mit einlaufendem<br />
Strom in den Holm Sund hinein.<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> beschreibt seine Eindrücke:<br />
„Die Sicht ist ganz übel. Unter Land ist<br />
alles dunkel, hoch am Himmel ist das flackernde<br />
Nordlicht, sodass die Bucht, die von<br />
ziemlich hohen Bergen umgeben ist, direkt<br />
von oben beleuchtet wird. Gespenstisch wie<br />
Theaterkulissen stehen die Sperrschiffe in<br />
den Sunden.“<br />
Beim Näherkommen ist der im Skerry<br />
Sund versenkte Dampfer sehr gut zu sehen<br />
Clausewitz 5/2014<br />
In der Höhle des Löwen<br />
und <strong>Prien</strong> glaubt schon im Kirk Sund zu stehen<br />
und darauf zu zulaufen. Obersteuermann<br />
Wilhelm Spahr stellt anhand seiner<br />
Kopplung ein zu frühes Andrehen fest. Doch<br />
auch <strong>Prien</strong> erkennt seinen Fehler, und mit<br />
hartem Andrehen nach Steuerbord ist U 47<br />
wenige Augenblicke später im Kirk Sund.<br />
Dann geht alles sehr schnell. Dazu <strong>Prien</strong> im<br />
Kriegstagebuch: „Es bewährt sich jetzt, dass<br />
ich die Karte vorher auswendig gelernt habe,<br />
denn die Durchfahrt geht mit unglaublicher<br />
Geschwindigkeit vor sich. Ich hatte mich inzwischen<br />
entschlossen, im Norden die Sperrschiffe<br />
zu passieren. Mit 270 Grad wird der<br />
Zweimastschoner, der mit Kurs 315 Grad vor<br />
der eigentlichen Sperre liegt, auf 15 Meter<br />
Abstand passiert. Im nächsten Augenblick<br />
wird das Boot vom Strom erfasst und nach<br />
Steuerbord gedreht. Gleichzeitig wird die im<br />
Winkel von 45 Grad nach vorn zeigende Ankerkette<br />
des nördlichen Sperrschiffes erkannt.<br />
Mit Backbord-Maschine stopp, Steuerbord-Maschine<br />
langsam voraus und hart<br />
Backbord Ruder dreht das Boot zunächst<br />
sehr langsam, berührt Grund. Die vorgefluteten<br />
Tauchbunker und Zellen werden ausgeblasen,<br />
das Boot dreht weiter. Das Heck<br />
berührt noch die Ankerkette, Boot ist frei,<br />
wird nach Backbord herumgerissen und<br />
lässt sich nur mit harten, schnellen Maßnahmen<br />
wieder auf Kurs bringen, aber wir sind<br />
in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>!“<br />
Torpedos jagen los<br />
Es ist 00:27 Uhr am 14. Oktober 1939 und widerlich<br />
hell, wie die Brückenbesatzung später<br />
berichtet. Die ganze Bucht ist fabelhaft zu<br />
übersehen. Südlich Cava liegen keine Schiffe.<br />
Bald ist das Bewachungsschiff beim Hoxa<br />
Sund zu sehen. In den nächsten Sekunden<br />
müsste U 47 für die Bewacher zur Zielscheibe<br />
werden. Also macht <strong>Prien</strong> kehrt und wendet<br />
sich der Küste von Mainland zu, an der<br />
entlang er nach Norden läuft. Es ist zwar<br />
„Seit Kriegsbeginn trug ich mich immer wieder<br />
mit dem Gedanken, eine U-Boot-Operation gegen<br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> anzusetzen…ihre großen seemännischen<br />
und navigatorischen Schwierigkeiten<br />
ließen mich jedoch davon Abstand nehmen.“<br />
Großadmiral Karl Dönitz in seinen Lebenserinnerungen<br />
„10 Jahre und 20 Tage“ aus dem Jahr 1958.<br />
stockdunkel, aber das flimmernde Nordlicht<br />
lässt die Brückenbesatzung zwei hintereinander<br />
liegende Schlachtschiffe und weiter<br />
unter Land Zerstörer vor Anker eindeutig erkennen.<br />
Der Angriff wird im Kriegstagebuch<br />
wie folgt geschildert: „…Angriff auf die bei-<br />
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21
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
BEJUBELT: Auf der Fahrt ins Berliner Hotel kann sich die Wagenkolonne kaum einen Weg bahnen. Alle wollen die „U-Boot-Helden“ von<br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> sehen.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
den Dicken. Abstand 3.000 Meter. Eingestellte<br />
Tiefe 7,5 Meter. Aufschlagzündung. Ein<br />
Schuss auf den nördlichen, zwei Schuss auf<br />
den südlich liegenden losgemacht. Es detoniert<br />
nach gut dreieinhalb Minuten ein Torpedo<br />
an dem nördlich liegenden Schlachtschiff.<br />
Von den anderen beiden ist nichts zu<br />
sehen! Kehrt! Heckschuss…“<br />
Auch dieser bleibt ohne Wirkung. Irgendetwas<br />
stimmt mit den Torpedos nicht. Da bei<br />
den angegriffenen Schlachtschiffen keinerlei<br />
Reaktion zu bemerken ist, werden in fieberhafter<br />
Eile im Bugraum zwei Rohre nachgeladen<br />
und der Rohrläufer gängig gemacht.<br />
Gegen 1:22 Uhr wird nach neuem Anlauf der<br />
Dreierfächer aus den Bugrohren losgemacht.<br />
Nach knapp drei Minuten Laufzeit schlagen<br />
die Aale auf dem nähergelegenen Schlachtschiff<br />
ein. Es ist die HMS ROYAL OAK, die<br />
innerhalb weniger Minuten kentert und 833<br />
Mann in den Tod reißt.<br />
<strong>Prien</strong> beschreibt das Geschehen mit seinen<br />
„Brückenblick“: „…Da rollt, knallt,<br />
bumst und grummelt es gewaltig. Zunächst<br />
Wassersäulen, dann Feuersäulen, Brocken<br />
fliegen durch die Luft. Jetzt wird es im Hafen<br />
lebendig, Zerstörer haben Lichter, aus allen<br />
Ecken wird gemorst, an Land, etwa 200<br />
Meter von mir ab, brausen Autos über die<br />
„Der große Erfolg dieser Unternehmung, meisterlich<br />
geplant von Dönitz und von <strong>Prien</strong> brillant ausgeführt,<br />
strahlte auf die ganze U-Boot-Waffe zurück.“<br />
Alexandre Korganoff, französischer Militärhistoriker, 1969<br />
Straßen. Es ist ein Schlachtschiff versenkt,<br />
ein weiteres beschädigt und drei Aale hat der<br />
Teufel geholt. Alle Rohre sind leer geschossen.<br />
Ich entschließe mich zum Auslaufen…“<br />
Es sind keine weiteren Ziele in Sicht und<br />
das Nachladen der Rohre mit den noch weiteren<br />
vorhandenen fünf Torpedos an Bord<br />
würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen,<br />
denn jetzt ist in der Bucht von Sapa <strong>Flow</strong> der<br />
Teufel los. <strong>Prien</strong> muss zusehen, dass er mit<br />
seinem U-Boot an den Sperrschiffen vorbei<br />
wieder heil aus der Bucht kommt. Diesmal<br />
wählt er die südliche Lücke bei den Sperrschiffen<br />
im Holm Sund. Sie wird mit großer<br />
seemännischer Leistung und ein wenig Glück<br />
im wahrsten Sinn des Wortes durchkämpft.<br />
STOLZERFÜLLT: Der „frischgebackene“ Ritterkreuzträger <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> (Mitte) an Deck<br />
seines Unterseebootes U 47.<br />
Foto: picture-alliance/Artcolor<br />
Versenkung bestätigt<br />
Am 14. Oktober um 11:00 Uhr melden englische<br />
Stellen und die BBC, dass das Schlachtschiff<br />
ROYAL OAK vermutlich durch ein<br />
U-Boot versenkt worden sei – ohne die Erwähnung<br />
eines zweiten torpedierten Schiffes.<br />
Drei Tage später am 17. Oktober läuft<br />
U 47 in Wilhelmshaven ein. Nach <strong>Prien</strong>s<br />
22
Schock für die Briten<br />
FREUDESTRAHLEND: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nach seinem<br />
„Coup“. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
BEIM „FÜHRER“: <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> wird am 18. Oktober 1939 von Adolf Hitler in der Berliner<br />
Reichskanzlei empfangen, links im Bild Großadmiral Erich Raeder. Foto: picture-alliance/akg-images<br />
HINTERGRUND<br />
Als Kommandant Seiner Majestät Unterseeboot<br />
U 18 gelingt es Kapitänleutnant Heinz<br />
von Hennig getaucht im Heckwasser eines<br />
Frachtdampfers durch die Hauptzufahrt im<br />
Hoxa Sund nach <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> vorzudringen.<br />
Weil die Briten aber an diesem 22. November<br />
1914 den Stützpunkt geräumt haben,<br />
findet U 18 kein lohnendes Ziel vor. Beim<br />
Rückzug aus der Bucht wird das Boot von<br />
einem Minensucher entdeckt und<br />
mehrmals gerammt. Daraufhin gibt<br />
Hennig den Befehl, das Boot zu versenken<br />
und gerät mit seiner Besatzung<br />
in Kriegsgefangenschaft.<br />
Der zweite Eindringversuch<br />
zählt zum Marinekapitel des letzten<br />
„Ehreneinsatzes“ der Hochseeflotte<br />
im Oktober 1918, der<br />
zur Matrosenrevolte in Kiel und<br />
Wilhelmshaven führt. Während<br />
die Hochseeflotte gar nicht<br />
mehr ausläuft, sind einige<br />
U-Boote mit freiwilligen<br />
Offiziersbesatzungen<br />
auf besonders wichtige<br />
Wahrnehmung und seiner fünf Mann starken<br />
Brückenbesatzung, die das Geschehen<br />
beobachten konnte, haben sie die ROYAL<br />
OAK versenkt und ein zweites Schlachtschiff,<br />
vermutlich die REPULSE, am Vorschiff<br />
beschädigt. Um dieses zweite Schiff<br />
werden sich später Legenden ranken. Bis<br />
heute hat sich die britische Admiralität zu<br />
diesem Schiff nicht konkret geäußert. Von<br />
den Schlachtschiffen HMS REPULSE, HMS<br />
HOOD, dem Flottenflaggschiff der Skagerrakschlacht<br />
1916 HMS IRON DUKE bis zu<br />
dem Flugzeugmutterschiff HMS PEGASUS<br />
spannt sich der Bogen der Vermutungsmöglichkeiten.<br />
Weitere U-Boot-Aktionen<br />
Aus der Sicht des Befehlshabers der Unterseeboote<br />
ergeben sich aus <strong>Prien</strong>s Einzelangriff<br />
eine ganze Reihe von Aktionen mit entsprechenden<br />
Konsequenzen für die Royal<br />
Navy. Es ist nach dem Erfolg von U 47 klar,<br />
Deutsche U-Boote in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
strategische Ziele angesetzt und schon unterwegs.<br />
Das wichtigste Ziel – den Hafen der<br />
britischen Grand Fleet – wird Oberleutnant<br />
zur See Hans-Joachim Emsmann zugewiesen.<br />
Emsmann erhält den Befehl: „...möglichst<br />
in der Nacht vom 28./29., sonst<br />
29./30.10., die englische Linienschiffsflotte<br />
in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> unter vollem Bootseinsatz anzugreifen,<br />
um den Feind vor der Entscheidungsschlacht<br />
zu schwächen.“<br />
Dieses Vorhaben misslingt,<br />
SMS UB 116 wird durch<br />
eine per Fernzündung ausgelöste<br />
Minensperre vernichtet und<br />
sinkt. Alle Besatzungsmitglieder<br />
finden den Tod.<br />
GESCHEITERT: Ein letzter Versuch<br />
mit einer freiwilligen Offiziersbesatzung<br />
in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> einzudringen<br />
kostete Oberleutnant zur<br />
See Hans-Joachim Emsmann und seine<br />
Männer von SMS UB 116 im Oktober<br />
1918 das Leben.<br />
Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst<br />
dass die Engländer alle möglichen „Schlupflöcher“<br />
gründlich untersuchen und diese<br />
Lücken schließen würden. Während dieser<br />
Zeit würde die Admiralität <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> räumen<br />
und der Heimatflotte einen anderen<br />
Liegeplatz zuweisen. Karl Dönitz nahm an,<br />
dass das Loch Ewe, der Firth of Forth und<br />
der Firth of Clyde hierfür in Frage kommen<br />
könnten. Infolgedessen werden entsprechende<br />
U-Boot-Unternehmungen dorthin<br />
angesetzt. Die U-Boote sind dieses Mal vorwiegend<br />
mit Minen ausgerüstet, weil bei<br />
diesen Ausweichplätzen zur Zeit des Eindringens<br />
der U-Boote nicht mit Sicherheit<br />
mit dem Vorhandensein der Flotte gerechnet<br />
werden kann. Die vor dem Loch Ewe von<br />
U 31 unter Kapitänleutnant Johannes Habekost<br />
geworfenen Minen beschädigen das<br />
Schlachtschiff HMS NELSON so schwer,<br />
dass es mehrere Monate lang nicht mehr einsatzfähig<br />
ist. Ebenso läuft der Kreuzer HMS<br />
BELFAST im Firth of Forth auf eine Mine, die<br />
ihm den Kiel bricht. Die Sperre war durch<br />
U 21 und Kommandant Fritz Frauenheim<br />
gelegt worden. Übrigens: Einen Tag nach<br />
<strong>Prien</strong>s Eindringen in den Stützpunkt <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> trifft das Blockschiff ein, das genau die<br />
Lücke im Holm Sund schließen soll, durch<br />
die U 47 wenige Stunden vorher geschlüpft<br />
ist und der Royal Navy eine ihrer schwärzesten<br />
Stunden bereitet hat.<br />
Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher<br />
Redakteur von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor<br />
mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-,<br />
Marine- und Militärgeschichte mit über 40 Buchveröffentlichungen.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
23
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>: Idol einer ganzen Generation<br />
Verschollen im<br />
Atlantik<br />
AUF EINEN BLICK: Die komplette<br />
Besatzung von U 47, geschart<br />
um ihren Kommandanten, im<br />
Kieler Hafen, Ende Oktober 1939.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
24
Oktober 1939: Mit dem Eindringen nach <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong><br />
gelingt <strong>Prien</strong> und seiner Besatzung von U 47 eine seemännische<br />
„Meisterleistung“. Von der NS-Propaganda wird er<br />
als „Kriegsheld“ gefeiert. Doch sein kometenhafter Aufstieg<br />
findet ein abruptes Ende. Von Jörg-M. Hormann<br />
Beurteilungsberichte zu militärischen<br />
Persönlichkeiten gehören eher zu den<br />
seltenen Dokumenten, die über mehr<br />
als sieben Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart<br />
hinein „überdauern“.<br />
Im Fall des Dokumentes „Laufender Beurteilungsbericht<br />
über den Kapitänleutnant<br />
<strong>Prien</strong> bei Wechsel des Flottillenchefs“ ist dies<br />
gelungen. Er befindet sich heute in Privatbesitz.<br />
Am 8. Januar 1940 schreibt Korvettenkapitän<br />
Ernst Sobe (1904–1942), Chef der 7. U-<br />
Boot-Flottille „Wegener“, die Beurteilungen<br />
der Kommandanten seiner Flottillen-Boote.<br />
Ziel ist es, dem Nachfolger im Kommando,<br />
Korvettenkapitän Hans-Rudolf Rösing<br />
(1905–2004), einen Überblick über die „Qualität“<br />
seiner ihm neu unterstellten U-Boot-<br />
Kommandanten zu verschaffen.<br />
Positive Beurteilung<br />
Im Beurteilungsbericht über <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong><br />
schreibt Ernst Sobe: „Kapitänleutnant <strong>Prien</strong><br />
ist seit dem 17. Dezember 1938 als Kommandant<br />
U 47 in der U-Flottille ,Wegener’ kommandiert.<br />
Gut begabter, sehr berufsbegeisterter<br />
Offizier, der durch seine Frische und<br />
seine stets unbekümmerte Fröhlichkeit besonders<br />
sympathisch wirkt. Abgeschlossener,<br />
ausgeglichener und fester Charakter.<br />
Vorbildlich in seiner Dienstauffassung,<br />
Pflichttreue und seinem Verantwortungsbewusstsein.<br />
Im Dienst nicht kleinzukriegen,<br />
körperlich sehr zähe und mit guten Nerven.<br />
Hat sich von Anfang an ohne jede Schwierigkeit<br />
in seine Kommandantenstellung hineingefunden.<br />
Tadelloser Seemann mit sehr gutem<br />
taktischen Blick und Instinkt. Ein<br />
Kommandant, der durch sein Können,<br />
seine klare und bestimmte,<br />
aber auch temperamentvolle<br />
Führung seine Leute vom<br />
ersten Tage ab hinter sich<br />
hatte. An seine Kriegsaufgaben<br />
ist <strong>Prien</strong> von<br />
Anfang an mit seiner<br />
gewohnten Frische herangegangen.<br />
Die vorbildliche<br />
innere Haltung<br />
bei der Durchführung<br />
der Unternehmung<br />
in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> stellt dem<br />
Wagemut, dem Angriffs-<br />
geist und der Einsatzfreudigkeit dieses Kommandanten<br />
ein einzigartiges Zeugnis aus. Eine<br />
starke Führerpersönlichkeit, von der die<br />
Kriegsmarine noch viel zu erwarten hat. Ein<br />
U-Bootskommandant von bester und vollkommenster<br />
Prägung.“ Mit dieser Beurteilung<br />
können sich Admiral Wilhelm Marschall<br />
(1886–1976) – seinerzeit Flottenchef –<br />
und der Befehlshaber der Unterseeboote,<br />
Konteradmiral Karl Dönitz, nur einverstanden<br />
erklären. Beide haben den Beurteilungsbericht<br />
gegengezeichnet.<br />
Wechsel zur U-Bootwaffe<br />
Am 16. Januar 1908 als ältester Sohn eines<br />
Richters in Osterfeld in Thüringen geboren,<br />
wächst <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> mit zwei weiteren Geschwistern<br />
auf.<br />
Im Alter von 15 Jahren bricht er seine<br />
Schulausbildung ab und geht zur Handelsmarine.<br />
In acht harten, aber auch lehrreichen<br />
Dienstjahren erwirbt er sich herausragende<br />
seemännische Kompetenz, die er mit dem<br />
Kapitänspatent A6 auf Großer Fahrt als 24-<br />
Jähriger krönt.<br />
Anfang 1933 öffnet sich die Reichsmarine<br />
der Handelsmarine, um Personalengpässe<br />
zu bewältigen. <strong>Prien</strong> tritt nun als Freiwilliger<br />
in die Reichsmarine ein und erfährt<br />
seine Ausbildung auf dem Leichten Kreuzer<br />
„Königsberg“. Im Oktober 1935 wird er als<br />
Leutnant zur See zur U-Bootwaffe überstellt.<br />
Vor der Indienststellung von U 47 im<br />
Dezember 1938 fährt <strong>Prien</strong> als Erster Wachoffizier<br />
auf U 26 unter Kapitänleutnant<br />
Werner Hartmann.<br />
Nach dem „Coup“ von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> läuft<br />
U 47 am 17. Oktober 1939 um 11:00 Uhr<br />
unbeschadet in Wilhelmshaven ein.<br />
Mit „großem Bahnhof“ auf der<br />
Pier der III. Einfahrt wird die<br />
SELTEN BENUTZT:<br />
Als U-Boot-Kommandant<br />
auf Feindfahrt hatte<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nur wenige<br />
Gelegenheiten, seine<br />
dunkelblaue Messejacke<br />
zum Großen Gesellschaftsanzug<br />
zu tragen.<br />
Foto: hermann historica.com<br />
EHEPAAR: Ingeborg und <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> vor<br />
der Eingangstür ihres Kieler Hauses Ende<br />
Oktober 1939. Nach ihrer damals einjährigen<br />
Tochter Birgit wird am 6. April 1940<br />
Tochter Dagmar zur Welt kommen.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
Besatzung des Bootes von Großadmiral Erich<br />
Raeder, dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine,<br />
sowie vom Befehlshaber der Unterseeboote<br />
Dönitz begrüßt. Die beiden Befehlshaber<br />
gehen an Bord und mit Handschlag<br />
wird dem „Stier von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>“ gratuliert.<br />
Allen Männern der Besatzung überreicht<br />
Karl Dönitz das Eiserne Kreuz II. Klasse und<br />
denen, die diese Klasse bereits tragen, wird<br />
die I. Klasse auf der linken Brustseite angesteckt.<br />
Bei dieser Gelegenheit gibt Raeder die<br />
bereits vorgenommene Beförderung von Karl<br />
Dönitz zum Konteradmiral bekannt.<br />
Triumphfahrt durch Berlin<br />
24 Stunden später landet die „Grenzmark“,<br />
eine viermotorige Focke-Wulf Fw 200 „Condor“,<br />
auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin.<br />
Adolf Hitler hat seine „Führermaschine“<br />
geschickt, um die Besatzung von Wilhelmshaven<br />
über Kiel nach Berlin zum Empfang<br />
holen zu lassen. Der folgende Autokorso<br />
durch die Berliner Innenstadt zur Neuen<br />
Reichskanzlei wird zu einer reinen Triumphfahrt<br />
für <strong>Prien</strong> und seine Männer. Die Berliner<br />
wollen ihre neuen „Helden“ sehen und<br />
der „Führer“ auch. Als ersten U-Boot-Kommandanten<br />
des Zweiten Weltkrieges zeichnet<br />
Hitler <strong>Prien</strong> mit dem „Ritterkreuz des Eisernen<br />
Kreuzes“ aus.<br />
Der symbolische Wert der Versenkung<br />
des Schlachtschiffs ROYAL OAK auf dem als<br />
sicher angesehenen Liegeplatz der britischen<br />
Clausewitz 5/2014<br />
25
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
BEIM EMPFANG: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit der Besatzung (zum Teil<br />
mit Ehefrauen) von U 47 im Berliner „Wintergarten“ am 19. Oktober 1939. Kapitänleutnant<br />
<strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> (re.) im Gespräch mit Goebbels, links von ihm seine Frau Ingeborg<br />
Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />
ÜBERLEBT: Werner Lüddecke verlässt wegen<br />
einer Erkrankung Anfang 1941 U 47. Er<br />
entkommt dadurch dem tödlichen Schicksal<br />
der Besatzung. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
Flotte und dem seestrategisch wichtigsten<br />
britischen Hafen ist enorm. Diese äußerst riskante<br />
Operation von U 47 wird daher von<br />
der NS-Propaganda dankbar aufgegriffen,<br />
<strong>Prien</strong> wird zum idealtypischen „Kriegs- und<br />
Volkshelden“ stilisiert.<br />
Von besonderer Bedeutung ist der internationale<br />
Presseempfang, den Otto Dietrich<br />
(1897–1952), Reichspressechef und Staatssekretär<br />
im Reichsministerium für Volksaufklärung<br />
und Propaganda, am Vormittag des<br />
19. Oktober 1939 veranstaltet. Dietrich ist gelehriger<br />
Schüler seines Chefs, Reichspropagandaminister<br />
Joseph Goebbels, der am<br />
Abend im Berliner Wintergarten seinen<br />
Empfang gibt – dieses Mal mit Ehefrauen<br />
und begleitendem Musikkonzert. Am<br />
23. Oktober ist die Besatzung schließlich mit<br />
ihrem Boot in Kiel zurück. Es folgen die dreifachen<br />
„Hurras“ aller Besatzungen von den<br />
Schiffen der Kriegsmarine, die in Kiel liegen<br />
und an denen U 47 entlangfährt.<br />
<strong>Prien</strong> als Propaganda-Held<br />
Bei den Reden auf den Empfängen wird die<br />
Aktualität mit dem Selbstversenkungstag<br />
der Kaiserlichen Hochseeflotte in <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> am 21. Juni 1919 gern in Bezug gesetzt.<br />
So zum Beispiel durch Admiral Ludwig von<br />
Reuter (1869–1943), Kommandierender Admiral<br />
der internierten Flotte und Befehlsgeber<br />
der Selbstversenkung, in seiner Äußerung<br />
zu <strong>Prien</strong>: „Ihre Tat hat für mich eine<br />
ganz besondere Bedeutung. Sie haben eine<br />
der größten Schuftereien der Seekriegsgeschichte,<br />
die dem Reich aufgezwungene<br />
Überführung seiner Schiffe – nicht, wie zugesagt,<br />
in neutrale Häfen, sondern nach <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> – ein Wortbruch, wie er schändlicher<br />
nicht gedacht werden kann, blutig gerächt.<br />
Zudem noch an einem Schiff, der ,Royal<br />
Oak’, das sich am schändlichsten gegenüber<br />
den deutschen Besatzungen benommen hat.<br />
Jede Untat rächt sich auf Erden. Meine Freude<br />
ist so groß wie ihr Erfolg.“<br />
Ein Nebeneffekt der gewaltigen Propagandawelle<br />
um <strong>Prien</strong> und U 47 ist der Zustrom<br />
junger Männer zu den U-Booten. Neu<br />
in Dienst gestellte Boote erhalten Besatzungen<br />
aus Freiwilligen. In Kiel sind die Männer<br />
von U 47 zunächst wieder unter Kameraden.<br />
Nach einer Werftliegezeit geht der Krieg für<br />
Boot und Besatzung weiter. Acht Feindfahrten<br />
absolviert U 47 in den folgenden Monaten<br />
unter <strong>Prien</strong>, erst von Kiel und dann vom<br />
U-Boot-Stützpunkt Lorient in Frankreich<br />
aus. Am 20. Oktober 1940 wird <strong>Günther</strong><br />
<strong>Prien</strong> mit dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz“<br />
ausgezeichnet. Er versenkt rund 30<br />
Schiffe mit einer Gesamttonnage von mehr<br />
als 200.000 BRT, ehe das Boot vom Typ VII B<br />
ein bis heute nicht geklärtes Schicksal ereilt.<br />
Tragisches Ende<br />
Seit dem 7. März 1941 gilt <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong>s<br />
U 47 im Nordatlantik als verschollen. Viele<br />
Jahre lang gehen Historiker davon aus, dass<br />
der englische Zerstörer HMS WOLVERINE<br />
das Boot beim Angriff auf den Konvoi OB-<br />
293 mit Wasserbomben zerstört hat. Neuere<br />
Forschungen haben jedoch ergeben, dass es<br />
„Eine starke Führerpersönlichkeit, von der die<br />
Kriegsmarine noch viel zu erwarten hat.“<br />
Korvettenkapitän Ernst Sobe in seiner Beurteilung über <strong>Prien</strong> aus dem Jahr 1940<br />
sich hierbei um das Unterseeboot „U A“ gehandelt<br />
haben muss, das seiner vollständigen<br />
Vernichtung am Ende schwer beschädigt<br />
entging.<br />
Über die Gründe für das spurlose Verschwinden<br />
von U 47 kann weiterhin nur spekuliert<br />
werden: Die Vermutungen reichen<br />
von einem Minenkontakt über eine Tauchpanne<br />
bis hin zur Vernichtung durch einen<br />
eigenen Torpedo, der durch einen Steuerungsdefekt<br />
zum Kreisläufer wurde. Ende<br />
Mai 1941 verkündet der Wehrmachtbericht<br />
schließlich, dass U 47 von seiner letzten<br />
Feindfahrt nicht zurückgekehrt ist.<br />
26
Schlachten,<br />
Technik, Feldherren<br />
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Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
U 47 und die U-Bootwaffe 1939/40<br />
Tödliche Torpedos<br />
Herbst 1939: Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges erringt die U-Bootwaffe der<br />
Kriegsmarine große Versenkungserfolge. Neben leistungsstarken U-Booten ist eine<br />
eingespielte Besatzung eine unabdingbare Voraussetzung.<br />
Von Jörg-M. Hormann<br />
Wendigkeit und Zuverlässigkeit seines<br />
U-Bootes vom Typ VII B sind<br />
für Kapitänleutnant <strong>Prien</strong> der Garant<br />
seines Operationserfolges von <strong>Scapa</strong>-<br />
<strong>Flow</strong> – zusammen mit einer hervorragend<br />
eingefahrenen Besatzung.<br />
Besonders das Zurücklaufen nach dem<br />
erfolgreichen Angriff durch den Kirk Sund<br />
an dem südlichen Blockschiff vorbei und<br />
zwischen ihm und der Insel Lamb Holm hindurch<br />
stellt unter seemännischen Gesichtspunkten<br />
eine besondere Herausforderung<br />
dar. Dies macht ein Blick in das Kriegstagebuch<br />
von U 47 ganz deutlich: „…Mit zweimal<br />
„Halbe Fahrt Voraus“ auf Auslaufkurs<br />
gegangen. Zunächst ist bis Skaildaquoy<br />
Point alles einfach. Danach geht es wieder<br />
los. Der Wasserstand ist gefallen bei einlaufendem<br />
Strom. Mit „Langsamer Fahrt“ und<br />
„Kleiner Fahrt“ versuche ich rauszukommen.<br />
Ich muss im Süden durch die Enge wegen<br />
der Wassertiefe. Es geht die Wirbelei<br />
wieder los. Mit Kurs 58 Grad und „Langsamer<br />
Fahrt“ – gleich zehn Seemeilen stehe ich<br />
auf der Stelle. Mit „Halber Fahrt“ am südlichen<br />
Sperrschiff vorbeigequält. Der Rudergänger<br />
arbeitet vorzüglich. Mit zweimal<br />
„Halber Fahrt“ und zuletzt mit „Großer<br />
Fahrt“ und „Alle Kraft Voraus“ frei von der<br />
Schiffssperre…“<br />
VORBEREITUNG: Soldaten der Kriegsmarine beim Einfetten eines Torpedos an Deck eines<br />
U-Bootes vor dem nächsten Einsatz.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Rückgrat der U-Bootwaffe<br />
Mit weit über 600 gebauten und von der<br />
Kriegsmarine in Dienst gestellten Einheiten<br />
bilden die U-Boote vom Typ VII das Rückgrat<br />
der deutschen U-Bootwaffe im Zweiten<br />
Weltkrieg. Entwickelt wird die Baureihe<br />
maßgeblich von Friedrich Schürer und Fritz<br />
Bröking. Sie basiert auf den im Ersten Weltkrieg<br />
nicht mehr realisierten mittelgroßen<br />
Typen UF und UG sowie auf den bereits gesammelten<br />
Erfahrungen mit den Bootstypen<br />
I A und II. Bereits 1933 beginnt die Entwicklung<br />
der neuen hochseefähigen Bootsklasse.<br />
Im Frühjahr 1935 werden schließlich die<br />
Bauaufträge für die Boote der ersten Serie<br />
vom Typ VII A erteilt. Das herausstechende<br />
28
BAUWERFT: Auf der Friedrich Krupp Germaniawerft in Kiel wird U 47 vom 1. April 1937 bis zum 17. Dezember 1938 gebaut. Hier läuft ein<br />
Boot vom Typ VII B zur Reparatur in den Werfthafen ein.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
Merkmal dieser ersten Serie ist das am<br />
Rumpfende über der Wasserlinie gut sichtbare<br />
Hecktorpedorohr. Außerhalb des<br />
Druckkörpers platziert, bedeutet das erhebliche<br />
Nachteile beim Nachladen. Dies ist nur<br />
mit hohem Aufwand im aufgetauchten Zustand<br />
möglich. Da die Antriebsbatterien moderner<br />
elektrischer Torpedos regelmäßig<br />
aufgeladen werden müssen, kommen für<br />
das Hecktorpedorohr beim Typ VII A nur<br />
pressluftbetriebene G7a-Torpedos infrage.<br />
Bei den Einheiten des Typs VII handelt es<br />
sich um Einhüllen-Hochseeboote mit außen<br />
gelegenen Tauchzellen und Haupttauch-Regelzellen<br />
im Innern des Druckkörpers.<br />
Die Akkumulatoren sind<br />
in getrennten Abteilungen untergebracht,<br />
um bei einer Beschädigung<br />
oder einem Treffer<br />
nicht komplett auszufallen.<br />
Charakteristisches<br />
Merkmal des Typs sind<br />
die außen liegenden Satteltanks<br />
für den Brennstoff<br />
in den seitlichen<br />
Rumpfausbuchtungen.<br />
Die Ausgewogenheit ihrer<br />
Konstruktion machen<br />
die VII-A-Boote zu einer<br />
wirksamen Waffe. Ihre Vorteile sind die hohe<br />
Manövrierfähigkeit, eine kleine Silhouette<br />
sowie der relativ geringe Bauaufwand.<br />
Viele Versenkungserfolge<br />
Mit der VII-B-Serie wird an die bewährten<br />
Vorgänger angeknüpft. Bei der Germaniawerft<br />
in Kiel entstehen zwischen 1938 und<br />
1940 die Boote U 45 bis U 55 sowie U 99 bis<br />
U 102. Der Bremer Vulkan liefert U 73 bis<br />
U 76 in der zweiten Jahreshälfte 1940 ab. Später<br />
entstehen U 83 bis U 87 bei den Flender-<br />
Werken in Lübeck. Die VII-B-Einheiten sind<br />
zwei Meter länger und einen halben Meter<br />
breiter als die der A-Baureihe. Die<br />
Verdrängung nimmt – vor allem<br />
durch größere Treibstofftanks<br />
bedingt – um rund 100 Tonnen<br />
ERINNERUNG: Das Schiffswappen<br />
des im Oktober<br />
1939 von U 47 versenkten<br />
Schlachtschiffes<br />
HMS ROYAL OAK wird<br />
von den Symbolen Krone<br />
und Eichenlaub dominiert.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
zu. Durch ein Plus von 40 Tonnen Brennstoff<br />
kann die Reichweite um etwa 25 Prozent gesteigert<br />
werden. Es kommen nun Dieselmotoren<br />
mit einer erheblich gesteigerten Gesamtleistung<br />
zum Einsatz. Das Hecktorpedorohr<br />
wird in den Druckkörper verlegt.<br />
Dies wiederum macht eine Tandemruderanlage<br />
notwendig.<br />
Mit U-Booten vom Typ VII B werden bedeutende<br />
Erfolge erzielt, die mit der Versenkung<br />
der ROYAL OAK durch U 47 ihren Anfang<br />
nehmen. U 48 gilt sogar als das erfolgreichste<br />
U-Boot des Zweiten Weltkriegs.<br />
Seine Besatzung versenkt auf zwölf Feindfahrten<br />
mehr als 50 Schiffe mit einer Gesamttonnage<br />
von über 300.000 BRT. Erfolgreichster<br />
U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine<br />
ist Korvettenkapitän Otto Kretschmer, der<br />
mit U 99 auf acht Feindfahrten insgesamt 38<br />
Schiffe mit fast 245.000 BRT als Versenkungserfolge<br />
verbuchen kann.<br />
Eingespielte Besatzung<br />
Doch was nützt das beste U-Boot, wenn die<br />
Besatzung nicht als Räderwerk funktioniert.<br />
Die Männer von U 47 sind seit der Indienststellung<br />
des U-Bootes am 17. Dezember 1938<br />
ohne größeren Personalwechsel zusammen<br />
und entsprechend eingespielt. Die Besat-<br />
Clausewitz 5/2014<br />
29
Titelgeschichte | <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> 1939<br />
TYP VII<br />
RÜCKGRAT: Ein U-Boot vom Typ VII C. Gegenüber dem Typ VII B<br />
von U 47 wurden seit 1940 einige Modifizierungen durchgeführt.<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
8<br />
6<br />
Der Typ VII ist das meistgebaute und eingesetzte U-Boot des<br />
Zweiten Weltkriegs.<br />
Abb.: Archiv Jörg-M. Hormann<br />
7<br />
5<br />
9<br />
15<br />
14<br />
1 Bugtorpedowaffe<br />
2 Bugraum für Mannschaften<br />
3 Offiziersmesse, Kommandantenraum,<br />
Horch- und Funkraum<br />
4 Akkuräume<br />
5 Brücke<br />
6 Angriffssehrohr<br />
7 Luftzielsehrohr<br />
4<br />
3<br />
8 2-cm-Flak<br />
9 8,8-cm-Kanone<br />
10 Unteroffiziersraum und Kombüse<br />
11 Dieselraum<br />
12 E-Maschine<br />
13 Hecktorpedowaffe<br />
14 Tiefenruder<br />
15 Seitenruder (nach W. Frank,<br />
die Wölfe und der Admiral)<br />
2<br />
1<br />
zung hat auch schon eine Feindfahrt vom<br />
19. August bis zum 15. September 1939 hinter<br />
sich und ist mit drei Abschusserfolgen<br />
von zusammen 8.270 Bruttoregistertonnen<br />
(BRT) „belohnt“ worden. Das Vertrauen der<br />
Besatzung in die Fähigkeit ihres Kommandanten<br />
ist mit dem Kampfgeschehen gewachsen<br />
und das von <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> in seine<br />
Männer ebenso. Nach dem erfolgreichen<br />
Torpedoangriff auf die ROYAL OAK notiert<br />
<strong>Prien</strong> in das Kriegstagebuch von U 47: „Bei<br />
der Unternehmung hat sich die Besatzung<br />
ganz ausgezeichnet bewährt. Am 13. Oktober<br />
morgens wurde im Schmieröl Wasser (7-<br />
8%) festgestellt. In fieberhafter Arbeit hat alles<br />
zugepackt, das Öl auszuwechseln, bzw.<br />
zu entwässern und die Leck-Stelle zu isolieren.<br />
Das Torpedopersonal hat mit bemerkenswerter<br />
Geschwindigkeit die Rohre<br />
nachgeladen. Das Boot war so in Form, dass<br />
ich es mir leisten konnte, in <strong>Scapa</strong> Ladung<br />
einzuschalten und Luft aufzupumpen.“<br />
Demnach „kurvte“ U 47 zeitweise mit dröhnendem<br />
Diesellärm über Wasser im sichersten<br />
Kriegshafen der britischen Flotte herum.<br />
Überraschte Briten<br />
Eine weitere Kriegstagebuch-Eintragung<br />
vom 17. Oktober ist bezeichnend für die<br />
mangelnde Achtsamkeit der Engländer in<br />
den ersten Kriegswochen: „Um 04.04 Uhr<br />
Weg I passiert. Von 04.04 bis 04.47 Uhr den<br />
Bewachungsfischdampfer Nr. 808 gejagt, dabei<br />
achtmal Erkennungssignal ohne Antwort<br />
abgegeben. Erst bei einer Entfernung von<br />
fünf bis sechs Hektometer und dem Gebrauch<br />
des Handscheinwerfers reagiert dieser<br />
Vogel! Bei solchen Bewachern kann sich<br />
ein solcher Vorgang wie meine Unternehmung<br />
auch bei uns ereignen.“<br />
Während sich <strong>Prien</strong> und U 47 davonschleichen,<br />
beginnen die Abwehrreaktionen<br />
und die Rettungsarbeiten in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> eher<br />
zurückhaltend. Die aufgeschreckten Briten<br />
vermuten einen deutschen Luftangriff, denn<br />
es sind in der Totenstille – nach dem „Verschwinden“<br />
der ROYAL OAK – deutlich Motorengeräusche<br />
zu hören. Alle Scheinwerferfinger<br />
„geistern“ hektisch am Himmel herum.<br />
Niemand kommt auf die Idee, die<br />
Ursache des Motorengeräusches auf der<br />
Wasserfläche von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> zu suchen. Der<br />
Gedanke an einen U-Boot-Angriff wird sich<br />
erst langsam durchsetzen, man kann oder<br />
besser will eine solche Ungeheuerlichkeit<br />
nicht wahrhaben. Der Angriff gerade auf<br />
<strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong> und der Verlust der ROYAL<br />
GEFÜRCHTET: U 47 unter Kapitänleutnant <strong>Günther</strong> <strong>Prien</strong> nach<br />
der Rückkehr von <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>. Die Anfangserfolge der deutschen<br />
U-Bootwaffe sind beträchtlich und besonders für die Royal<br />
Navy ein Grund zur Sorge.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
30
Schwerer Verlust<br />
OAK mit dem überwiegenden Teil ihrer Besatzung<br />
stellt einen der ersten großen<br />
„Kriegsschocks“ für die Royal Navy und die<br />
britische Öffentlichkeit dar.<br />
Über den Angriff und die Rettungsaktion<br />
der im Wasser treibenden Überlebenden des<br />
britischen Schlachtschiffs berichtet Captain<br />
R. F. Nichols, Erster Offizier der ROYAL<br />
OAK, im Jahr 1969: „…an diesem Abend<br />
blendeten wir das Schiff wie gewöhnlich ab<br />
und waren alarmbereit für Luftangriffe. Gegen<br />
22.30 Uhr legte ich mich hin und wurde<br />
vier Minuten nach 01.00 Uhr durch eine heftige<br />
Erschütterung im Schiff geweckt. Ich<br />
warf mir einen Mantel über und ging an<br />
Deck, aber niemand konnte mir sagen, was<br />
geschehen war. Ich gab „Daisy II“ [ein Fischdampfer,<br />
der als Postschiff im Einsatz war]<br />
Befehl, Dampf aufzumachen und den Besatzungen<br />
des Verkehrsbootes und der Barkasse<br />
[die beide an der Backspier lagen] Anweisung,<br />
in die Boote zu gehen. (…) Genau<br />
13 Minuten nach der ersten Explosion erfolgten<br />
drei fürchterlich heftige Stöße achteraus<br />
von uns an Steuerbordseite. Jede Explosion<br />
schüttelte das Schiff stark, alle Lichter gingen<br />
aus und das Schiff nahm sofort Schlagseite von<br />
etwa 35 Grad an. Mir war klar, was diesmal geschehen<br />
war und was jetzt weiter passieren<br />
würde. Aber wie um Himmels Willen war ein<br />
U-Boot durch die Sperren gekommen?“<br />
Fatale Situation<br />
Neben den Explosionsschäden durch die<br />
Torpedos von U 47 und den folgenden Kontaktzündungen<br />
der Pulverladungen in den<br />
Munitionskammern der Mittelartillerie führt<br />
eine weitere fatale Situation zum schnellen<br />
Kentern der ROYAL OAK. Eine große Zahl<br />
der Bullaugen ist geöffnet und mit abgeschirmten<br />
Ventilatoren versehen. Die Bullaugen<br />
auf der Steuerbordseite sind jetzt unter<br />
Wasser und können gegen den Wasserdruck<br />
nicht mehr geschlossen werden. Durch den<br />
kompletten Stromausfall ist es unmöglich,<br />
weitere Beiboote auszubringen und die ganze<br />
Hoffnung der im kalten Wasser um ihr<br />
Leben kämpfenden Besatzungsmitglieder<br />
des Schlachtschiffs sind die DAISY II und die<br />
schon schwimmenden Beiboote, die Captain<br />
Nichols bemannen ließ.<br />
Wenige Minuten nach den Treffern des<br />
zweiten Torpedofächers von U 47 kentert die<br />
ROYAL OAK und sinkt. Es ist circa 1:30 Uhr<br />
am 14. Oktober 1939. Nichols berichtet über<br />
seine eigene Rettung nach dem Untergang:<br />
„(…) Etwa anderthalb Stunden später wurden<br />
wir, die wir uns bis dahin an ein Rettungsfloß<br />
geklammert hatten, von einem der<br />
„Pegasus“-Boote aufgenommen (...)“<br />
Die britische Admiralität hat sich bis heute<br />
nicht offiziell zur zweiten schweren<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
WEITERENTWICKELT: Der Typ VII B ist gegenüber<br />
dem Typ VII A technisch verbessert.<br />
Bauwerft: Friedrich Krupp,<br />
Germaniawerft, Kiel<br />
Bauauftrag: vom 21. November 1936<br />
Baunummer: 583<br />
Kiellegung: 1. April 1937<br />
Stapellauf: 29. Oktober 1938<br />
In Dienst: 17. Dezember 1938<br />
Flottille: 7. U-Flottille „Wegener“<br />
Verdrängung:<br />
über Wasser 753 ts<br />
getaucht 857 ts<br />
Abmessungen:<br />
Gesamtlänge 66,5 m<br />
Druckkörperlänge 49,4 m<br />
Gesamtbreite 6,2 m<br />
Druckkörperbreite 4,7 m<br />
Höhe 9,4 m<br />
Tiefgang 4,7 m<br />
Antrieb:<br />
über Wasser (Dieselmotor) 2 x 1.400 PS MAN-Diesel<br />
getaucht (Elektromotor) 2 x 375 PS Elektro-Motor<br />
Schiffseinheit – hinter der ROYAL OAK liegend<br />
– geäußert. Dieses Schiff haben die fünf<br />
Männer der Brückenwache von U 47 eindeutig<br />
als ein Schlachtschiff, vermutlich HMS<br />
REPULSE, angesehen. Auf keinen Fall ist es<br />
das Seeflugzeugmutterschiff HMS PEGA-<br />
SUS mit Handelsschiffsilhouette und wesentlich<br />
kürzer als die Schlachtschiffe. Fünf<br />
Augenpaare mit geschultem Blick können<br />
sich angesichts so unterschiedlicher Schiffs-<br />
IN GEDENKEN: Errichtet für die 833<br />
Besatzungsmitglieder der ROYAL OAK, die<br />
am 14. Oktober 1939 in den Tod gerissen<br />
wurden.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
U 47 (Serie U 45–U 55), Typ VII B<br />
Geschwindigkeit:<br />
über Wasser (Dieselmotor) 17,2 kn<br />
getaucht (Elektromotor) 8,0 kn<br />
Fahrstrecke:<br />
über Wasser (Dieselmotor) 8.850 Sm bei 10 kn<br />
6.500 Sm bei 12 kn<br />
getaucht (Elektromotor) 72 Sm bei 4 kn<br />
Brennstoffvorrat:<br />
108 t<br />
Tauchtiefe:<br />
Gebrauch<br />
120 m<br />
Gefecht kurzzeitig<br />
200 m<br />
rechnerische Zerstörung 300 m<br />
Bewaffnung:<br />
Torpedorohre:<br />
im Bug<br />
4 x Ø 53,3 cm<br />
im Heck<br />
1 x Ø 53,3 cm<br />
Torpedos:<br />
in den Rohren 5<br />
Reserve 9<br />
Minen (alternativ) 15<br />
Geschütze für Seeziele 1 x 8,8 cm L/45<br />
Besatzung:<br />
40 Mann<br />
gebaute Stückzahl VII B: 20<br />
risse unter Nordlichtflimmern nicht irren.<br />
Dass die Boote von der PEGASUS weit mehr<br />
als eine Stunde benötigen, um bei den Überlebenden<br />
zu sein, spricht entschieden gegen<br />
einen Liegeplatz in der Nähe der ROYAL<br />
OAK. Die REPULSE liegt nachgewiesenermaßen<br />
zur Angriffszeit nicht in <strong>Scapa</strong> <strong>Flow</strong>.<br />
Die IRON DUKE hingegen schon. Das<br />
Flaggschiff von Admiral Jellicoe in der Skagerrakschlacht<br />
des Jahres 1916 ist zwar seit<br />
1932 in der Klassifizierung herabgesetzt, befindet<br />
sich aber weiterhin als Artillerieschulschiff<br />
und als Poststation der Flotte in <strong>Scapa</strong><br />
<strong>Flow</strong> im Einsatz. Auch wenn alle englischen<br />
Stellen behaupten, dass kein zweites Schiff<br />
torpediert wurde, hat der erste zündende<br />
Torpedo von U 47 nicht die ROYAL OAK sondern<br />
vermutlich das dahinter liegende<br />
Schlachtschiff getroffen – offensichtlich so<br />
wirkungsvoll, dass es wenige Tage später am<br />
17. Oktober 1939 nach einem eher harmlosen<br />
Bombenangriff ohne direkten Treffer bei Lyness<br />
auf Grund gesetzt werden musste.<br />
Schlag gegen die Royal Navy<br />
Die bei Bekanntwerden dieses weiteren Verlustes<br />
zu erwartenden deutschen Propagandameldungen,<br />
auch noch das ehemalige<br />
Flaggschiff der „Grand Fleet“ aus der Skagerrakschlacht<br />
schwer getroffen zu haben,<br />
wollte die britische Admiralität 1939 unbedingt<br />
verhindern. Der Verlust von HMS<br />
ROYAL OAK und die Tatsache einer erfolgreichen<br />
deutschen U-Boot-Operation inmitten<br />
ihres Hauptflottenstützpunktes ist für<br />
die Briten schlimm genug.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
31
Das historische Dokument<br />
Der Friede von Thorn 1411<br />
„Totenschein“<br />
für den<br />
Deutschen Orden<br />
1410: Das Heer des Deutschen Ordens reitet bei Tannenberg einer militärischen Katastrophe<br />
entgegen. Die polnisch-litauischen Sieger läuten daraufhin mit dem Frieden von<br />
Thorn den langsamen Untergang des Ordensimperiums ein.<br />
Von Stefan Krüger<br />
Majestätisch ragt der imposante Backsteinbau<br />
am Ufer der Nogat in der<br />
fruchtbaren Ebene Westpreußens<br />
auf. Noch heute beherrscht die Marienburg<br />
diese malerische Region, zumindest in optischer<br />
Hinsicht. Politisch dient sie bis 1455 als<br />
Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens,<br />
ehe Hochmeister Ludwig von Erlichshausen<br />
die Burg verkaufen muss, um seine Söldner<br />
zu bezahlen. Es ist der vorläufige Höhepunkt<br />
einer Phase des Niedergangs, der mit der<br />
Schlacht von Tannenberg 1410 beginnt.<br />
Beinahe 100 Jahre zuvor, nämlich 1309, ernennt<br />
der Orden die Marienburg zum neuen<br />
Hauptsitz. Im späteren Herzogtum Preußen<br />
hat der Orden bereits im 13. Jahrhundert Fuß<br />
gefasst. Er folgt damit ironischerweise einem<br />
Hilferuf der Polen, die sich von den heidnischen<br />
Litauern hart bedrängt fühlen. Hochmeister<br />
Hermann von Salza, der von 1210<br />
bis 1239 die Gemeinschaft leitet, kommt dies<br />
sehr entgegen. Hat er doch schon zuvor in<br />
Siebenbürgen erfolglos versucht, einen unabhängigen<br />
Ordensstaat zu gründen. Mit<br />
GNADENLOSES GEMETZEL: Diese Kampfszene von Richard Hook rekonstruiert einen Ausschnitt<br />
der verhängnisvollen Schlacht von Tannenberg am 15. Juli 1410. Polnisch-litauische<br />
Krieger greifen den linken Flügel des Deutschen Ordens an.<br />
Abb.: akg-images/Osprey Publishing/Tannenberg 1410/Richard Hook<br />
dem Fall der letzten Kreuzfahrerstützpunkte<br />
im Nahen Osten fokussieren sich die deutschen<br />
Ritter schließlich völlig auf Osteuropa,<br />
und sie vergrößern den neuen Staat rasch.<br />
Entscheidend ist 1308 der Erwerb Pommerellens.<br />
Dieser wertvolle Landstrich stärkt<br />
zwar den Ordensstaat, stürzt diesen jedoch in<br />
einen dauerhaften Konflikt mit dem polnischen<br />
Königreich, das ebenfalls Anspruch auf<br />
diese Region erhebt.<br />
Preußisches „Wirtschaftswunder“<br />
Zunächst geht es für die Deutschritter jedoch<br />
spürbar aufwärts. Denn sie erweisen sich als<br />
tüchtige Verwalter, die den Landesausbau zügig<br />
und erfolgreich vorantreiben. Auch militärisch<br />
dominieren die Ritter. So verschieben<br />
sie die Ostgrenze im Zuge mehrerer Feldzüge<br />
gegen Litauen bis nach Kaunas, das sie 1362<br />
erobern, allerdings nicht halten können. Dem<br />
Ordensstaat kommt hierbei sein Status als<br />
geistliche Institution zur Hilfe. Denn nach<br />
dem Ende der Kreuzzüge strömen zahlreiche<br />
europäische Ritter ins Preußenland, um ihr<br />
Prestige zu stärken, indem sie die heidnischen<br />
Litauer bekämpfen. Diese „Litauenreisen“ genannten<br />
Kleinstfeldzüge kulminieren häufig<br />
in wüsten Raubzügen, bei denen die Ritter in<br />
Ortschaften einfallen, Männer erschlagen und<br />
Frauen, Kinder und sonstiges „Raubgut“ als<br />
Beute abführen. Den asketischen Ordensrittern<br />
ist das vergleichsweise ausschweifende<br />
Leben der weltlichen Ritter sicherlich ein<br />
Dorn im Auge. Auf der anderen Seite fügen<br />
sie den Litauern erheblichen Schaden zu.<br />
1382 erleidet der geistliche Staat jedoch<br />
einen schweren Rückschlag, der den baldigen<br />
Niedergang ankündigt: Der litauische<br />
Großfürst Jogaila vermählt sich mit der<br />
32
VERNICHTENDER VERTRAG:<br />
Der Friede von Thorn zwischen<br />
dem Deutschen Orden<br />
und Polen-Litauen leitet den<br />
Untergang des anachronistischen<br />
Ritterstaates ein. Das<br />
Vertragswerk stürzt den<br />
Ritterorden in eine finanzielle<br />
Krise. Die Abbildung zeigt<br />
die Ordensausfertigung<br />
der Urkunde (mit Siegeln<br />
versehene Handschrift auf<br />
Pergament).<br />
Foto: picture alliance/akg<br />
Tochter des polnischen Königs und nimmt<br />
für sich und sein Volk den katholischen<br />
Glauben an. Darüber hinaus bilden Polen<br />
und Litauen nun einen gemeinsamen Staat.<br />
Damit verliert der Orden im Grunde seine<br />
Legitimation, denn nun gibt es an seinen<br />
Grenzen keine heidnischen Feinde mehr.<br />
Nur der verschämt anmutende Hinweis des<br />
Hochmeisters, dass die Litauer den neuen<br />
Glauben lediglich sehr oberflächlich praktizieren,<br />
hilft dem Orden, seinen Status zu<br />
wahren. Die jährlichen „Litauenreisen“ aber<br />
finden damit ihr Ende.<br />
Fatales Fiasko<br />
1409 bricht in Schamaiten, das der Orden erst<br />
1398 Litauen hat abringen können, eine Rebellion<br />
aus, wobei Polen-Litauen auf Seiten<br />
der Aufständischen interveniert. Von der militärischen<br />
Dominanz der Deutschritter ist<br />
indes nicht mehr viel übrig. Längst haben<br />
die Litauer technisch und organisatorisch<br />
den Anschluss an Europa gefunden. Somit<br />
steht den Deutschen in der entscheidenden<br />
Schlacht von Tannenberg am 15. Juli 1410 ein<br />
qualitativ ebenbürtiger Gegner gegenüber.<br />
Zudem führt Polen-Litauen 39.000 Mann in<br />
die Schlacht, während der Orden nur 27.000<br />
Streiter aufbieten kann. Die Deutschritter erleiden<br />
eine vernichtende Niederlage. Besonders<br />
schwer wiegt der Verlust nahezu der gesamten<br />
Führungselite inklusive des Hochmeisters<br />
Ulrich von Jungingen.<br />
Nach einer mehrtägigen Pause stoßen die<br />
Verbündeten nach und erobern einige Städte<br />
und Burgen im Preußenland. Die Marienburg<br />
mit der reichen Ordenskasse jedoch<br />
können sie nicht mehr einnehmen. Da die<br />
Deutschritter zudem Hilfe von außerhalb erwarten,<br />
kommt es am 1. Februar 1411 zum<br />
Frieden von Thorn.<br />
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob<br />
der Orden mit einem blauen Auge davon<br />
kommt. Lediglich Schamaiten, Zakrzew und<br />
„Wozu verbleibet ihr in den Wäldern und verberget<br />
euch, um dem Kampfe zu entfliehen … ?“<br />
Mit diesen Worten forderte Hochmeister Ulrich von Jungingen den polnischen<br />
König bei Tannenberg 1410 zur Schlacht heraus<br />
Dobrin muss er abtreten. Darüber hinaus<br />
verpflichtet er sich jedoch, 100.000 Schock<br />
böhmische Groschen als Kriegsentschädigung<br />
zu zahlen. Dies entspricht 22,2 Tonnen<br />
Silber – eine gewaltige Summe!<br />
Der neue Hochmeister Heinrich von<br />
Plauen ist deshalb gezwungen, die Steuern<br />
drastisch zu erhöhen, was große Unzufriedenheit<br />
hervorruft. Zwar gewähren die Polen<br />
eine viermalige Ratenzahlung zu je<br />
25.000 Schock, doch können die Deutschen<br />
die Zahlungstermine nicht einhalten. Der<br />
Hochmeister strebt deshalb 1413 einen weiteren<br />
Waffengang an. Seine Mitbrüder stürzen<br />
ihn jedoch und wählen 1414 Michael<br />
Küchmeister zu ihrem neuen Herrn. Der polnische<br />
König ist nun allerdings entschlossen,<br />
die ausstehenden Raten mit Gewalt einzutreiben<br />
und fällt verheerend in Preußen ein.<br />
Lediglich ihre Burgen können die Deutschritter<br />
halten, ehe man am 7. Oktober 1414 einen<br />
Waffenstillstand vereinbart.<br />
Der Ordensstaat erholt sich von diesen<br />
Schlägen nicht mehr. Nicht zuletzt, weil seine<br />
Macht auch im Inneren bröckelt, da die<br />
Landstände und die Städte als Gegenleistung<br />
für die Steuern mehr Rechte fordern.<br />
1455 verpfändet der Hochmeister die Marienburg<br />
an unbezahlte Söldner, die sie wiederum<br />
ausgerechnet dem polnischen König<br />
verkaufen. Der Ordensstaat selbst wandelt<br />
sich schließlich 1525 in ein weltliches Herzogtum<br />
um, das fortan zu Polen gehört.<br />
Auf den ersten Blick erscheint es, als ob<br />
der Friede von Thorn den Untergang des<br />
Deutschritterstaates verursacht hat. Wahr<br />
ist aber auch, dass dieser ein anachronistisches<br />
Gebilde darstellt, das seine Kraft aus<br />
dem Kreuzzugs- und Missionierungseifer<br />
schöpft. Doch dieses Schwert wird am Ende<br />
des 14. Jahrhunderts stumpf. Zugleich ist es<br />
den Hochmeistern nicht möglich, auf das<br />
Mittel der Hochzeit zurückzugreifen, um<br />
Bündnisse zu schließen, während Polen<br />
und Litauen genau dies tun. Mit dem Frieden<br />
von Thorn hat die Geschichte somit<br />
kein Todesurteil gefällt, sondern lediglich<br />
den Totenschein ausgestellt.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
33
Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />
Teuer erkaufter Sieg<br />
„Mit vereinten Kräften!“<br />
4. August 1870: Die Schlacht bei Weißenburg bildet den Auftakt im Deutsch-Französischen<br />
Krieg von 1870/71 und wird zu einer harten Bewährungsprobe für die erstmals<br />
gemeinsam kämpfenden deutschen Soldaten.<br />
Von Christian Bunnenberg<br />
Als die Soldaten des Königs-Grenadier-<br />
Regiments Nr. 7 am Vormittag des<br />
4. August 1870 unweit der Stadt Weißenburg<br />
die französische Grenze überschreiten,<br />
stehen ihnen die Anstrengungen der letzten<br />
Tage bereits in die erschöpften Gesichter<br />
geschrieben. Nur wenige hundert Meter<br />
westlich von ihnen liefern sich mehrere bayerische<br />
Bataillone seit Stunden ein erbittertes<br />
Feuergefecht mit den Verteidigern der kleinen<br />
Grenzstadt. Und ebenso lange sehnen<br />
diese Bayern eine Entlastung durch die preußischen<br />
Einheiten herbei. Deren Kommandierender<br />
General, Hugo von Kirchbach, gibt<br />
unmittelbar nach dem Eintreffen auf dem<br />
Schlachtfeld den Befehl für den Sturm auf die<br />
Anhöhen im Süden Weißenburgs. Die Preußen<br />
sollen den Geisberg hinaufstürmen, in<br />
das Zentrum der französischen Stellungen<br />
einbrechen und den Gegner dort werfen.<br />
Später wird es heißen, dass der Angriff<br />
„mit fliegenden Fahnen und lautem Trommelschall“<br />
ausgeführt worden sei. Die „Königsgrenadiere“<br />
aus Preußen zahlen bei diesem<br />
Unternehmen den höchsten Blutzoll.<br />
Aus ihren Reihen werden noch bis zum<br />
Nachmittag 329 Mann in der Schlacht bei<br />
Weißenburg fallen.<br />
Truppenaufmarsch<br />
Wenige Stunden zuvor: Kurz nach Mitternacht,<br />
gegen 2:00 Uhr, brechen die preußischen<br />
Grenadiere das Biwak ab. In kleinen<br />
Gruppen stehen sie um die wenigen Feuer<br />
zusammen und warten auf den Befehl zum<br />
Abmarsch. Erholsam geschlafen hat niemand.<br />
Es regnet schon die ganze Nacht.<br />
Übermüdet und in durchnässten Uniformen<br />
rücken die preußischen Soldaten um 4:00 Uhr<br />
gegen Frankreich vor. Was sie dort erwartet,<br />
wissen weder sie noch ihre Kommandeure.<br />
Seit der Kriegserklärung des französischen<br />
Kaisers Napoleon III. an Preußen am<br />
19. Juli 1870 wird der Mobilmachungsplan<br />
für die norddeutschen Truppen ausgeführt.<br />
Auch die vier süddeutschen Staaten stehen<br />
zu den sogenannten „Schutz- und Trutzbündnissen“<br />
und entsenden ihre Soldaten an<br />
die französische Grenze.<br />
In drei Armeen aufgegliedert nutzen die<br />
deutschen Truppen vor allem die Eisenbahn,<br />
um in ihre Versammlungsräume zu gelangen.<br />
Ein besonderer Militärfahrplan ermöglicht<br />
es, innerhalb relativ kurzer Zeit mit 900<br />
ERFOLGREICH: Die preußisch-deutschen<br />
Truppen zwingen die Franzosen in<br />
der Grenzschlacht bei Weißenburg am<br />
4. August 1870 zum Rückzug.<br />
Abb.: ullstein bild – imageBROKER/H.-D. Falkenstein<br />
34
Zugfahrten rund 460.000 Mann<br />
sowie Waffen, Material und Pferde<br />
an die Grenzregion zu Frankreich<br />
zu transportieren. Dies<br />
stellt eine lang vorbereitete logistische<br />
Meisterleistung dar.<br />
Schließlich stehen Anfang<br />
August 1870 die 1. Armee bei<br />
Saarlouis, die 2. Armee bei Böcklingen<br />
und Saarbrücken und die<br />
3. Armee bei Landau und erwarten<br />
den französischen Angriff.<br />
Doch dieser bleibt bis auf einen<br />
halbherzig gegen Saarbrücken<br />
geführten Vorstoß aus.<br />
Aus den Beobachtungen berittener<br />
Fernpatrouillen schließen<br />
die deutschen Kommandeure,<br />
dass sich ein Teil der französischen<br />
Verbände im Elsass<br />
aufhalten muss. Am Abend des<br />
3. August 1870 erhält die 3. deutsche<br />
Armee den Befehl, selbstständig<br />
den Grenzfluss Lauter in<br />
der Nähe von Weißenburg zu<br />
überschreiten und die Franzosen<br />
aus dem Elsass zurückzudrängen.<br />
Unter dem Kommando des<br />
Kronprinzen Friedrich Wilhelm<br />
von Preußen bereitet sich der<br />
gesamtdeutsche Heeresverband<br />
auf den Einmarsch nach Frankreich<br />
vor. In den frühen Morgenstunden<br />
des 4. August 1870<br />
marschieren drei Kolonnen auf<br />
Weißenburg zu. Das II. bayerische Korps<br />
nimmt den direkten Weg durch die südpfälzische<br />
Ortschaft Schweigen Richtung Weißenburg<br />
mit dem Ziel, die französische<br />
Stadt zu besetzen.<br />
BERÜHMT: „Der Held von<br />
Weißenburg“ (Kronprinz<br />
Friedrich Wilhelm), Farblithographie<br />
von Carl Offterdinger.<br />
Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
Überraschte Franzosen<br />
Das V. preußische Korps folgt der Straße von<br />
Schweighofen nach Altenstadt, während das<br />
XI. preußische Korps zunächst weiter westlich<br />
die Lauter durchwatet und sich dann<br />
durch den Niederwald annähert. Die Verbände<br />
aus Baden und Württemberg stehen<br />
in der Nähe von Lauterburg, das I. bayerische<br />
Korps folgt mit einem Tagesmarsch Abstand.<br />
Angesichts der Gefahr eines größeren<br />
Gefechtes oder einer Schlacht ergeht vor<br />
dem Abmarsch noch der mündliche Befehl,<br />
dass sich die Kolonnen bei Bedarf unterstützen<br />
sollen.<br />
Um 8:00 Uhr erreichen die ersten Soldaten<br />
der bayerischen Vorhut die französische<br />
Grenze hinter Schweigen. Im Tal unter ihnen<br />
liegt Weißenburg. Die ehemalige Festungsstadt<br />
umschließen Wall und Graben,<br />
mitten hindurch fließt die Lauter. Südöstlich<br />
der Stadt befinden sich der Kopfbahnhof, einige<br />
Mühlen und kleinere Fabrikanlagen.<br />
Die Gleise verlaufen entlang der sogenannten<br />
„Weißenburger Linien“ – ehemalige Festungsanlagen,<br />
die allerdings seit der französischen<br />
Revolution 1789 nicht mehr instand<br />
gehalten wurden. Südlich der Lauter steigt<br />
das Gelände zum Geisberg hin ebenfalls<br />
wieder stark an. Ebendort, unweit des<br />
gleichnamigen Schlosses, entdecken die<br />
bayerischen Soldaten trotz des leichten Nieselregens<br />
aus der Ferne ein größeres Heerlager<br />
der Franzosen. Nur wenige Minuten<br />
später werden die Bayern von einigen wenigen<br />
Turkos, leichten Infanteristen aus den<br />
nordafrikanischen Kolonien, die in den<br />
Weinberghügeln zwischen Schweigen und<br />
Weißenburg lagern, beschossen. Meldereiter<br />
galoppieren zurück und melden, dass die<br />
Stadt besetzt, die Tore verschlossen und die<br />
umliegenden Gehöfte von den Franzosen<br />
zur Verteidigung eingerichtet seien.<br />
Diese Schüsse alarmieren auch die französischen<br />
Einheiten auf dem Geisberg. Deren<br />
Kommandeur, General Charles Abel<br />
Douay, ist von dem plötzlichen Auftauchen<br />
des Feindes völlig überrascht. Da die französischen<br />
Aufklärungseinheiten am frühen<br />
Morgen ohne besondere Beobachtungen<br />
zurückgekehrt waren, kann<br />
Douay die gegnerischen Soldaten<br />
nur schwer einschätzen. Er lässt die<br />
französischen Einheiten in Bereitschaft<br />
versetzen und schickt zwei<br />
weitere Bataillone Turkos und eine<br />
Batterie der Artillerie hinunter zur<br />
Stadt und an die Weißenburger Linien.<br />
Der General agiert zunächst<br />
vorsichtig und zurückhaltend. In<br />
Weißenburg und rund um den Geisberg<br />
stehen ihm nur etwa 5.000 Soldaten<br />
zur Verfügung. Im Gegensatz<br />
zu dem deutschen Aufmarsch<br />
kämpfen die Franzosen seit<br />
Kriegsbeginn mit verschiedenen<br />
Problemen. Während die<br />
Deutschen ihre Verbände<br />
möglichst geschlossen mit der<br />
Ausrüstung aus den Kasernen an<br />
die Grenze verlegen, gibt es in<br />
Frankreich 1870 keinen vorbereiteten<br />
Plan für den Aufmarsch.<br />
Berufssoldaten und Reservisten<br />
reisen in kleinen Einheiten in unausgelasteten<br />
Zügen durch das<br />
Land, während Waffen, Munition,<br />
Material und Verpflegung aus den<br />
Depots herangeschafft werden. Das<br />
alles zu koordinieren, stellt die französische<br />
Armee vor eine fast unlösbare<br />
Aufgabe. Und so fehlen General<br />
Douay am Morgen des 4. August<br />
1870 nicht nur Männer in den ihm<br />
zugeteilten Verbänden, sondern auch Verpflegung,<br />
Munition und sogar Karten.<br />
Übermächtige Angreifer<br />
Daher kann er zunächst nur abwartend beobachten,<br />
wie um 8:30 Uhr unter dem Schutz<br />
von eigenem Artilleriefeuer eine lange<br />
Schützenkette bayerischer Infanteristen auf<br />
Weißenburg zumarschiert. Dort haben die<br />
Verteidiger mittlerweile die alten Wälle besetzt<br />
und eröffnen ebenso wie die vor der<br />
Stadt eintreffenden Turkos das Feuer auf die<br />
Bayern. Weil die französischen Chassepotgewehre<br />
den deutschen Zündnadelgewehren<br />
in der Reichweite weit überlegen sind, können<br />
sich die wenigen französischen Kräfte<br />
erfolgreich gegen die Übermacht der Angreifer<br />
behaupten. Diesen geben die nachrückenden<br />
Einheiten allerdings die Gelegenheit,<br />
ihre starken Ausfälle auszugleichen.<br />
Immer mehr Soldaten können ins Gefecht<br />
geworfen werden. Die bayerischen Angriffe<br />
auf die Tore der Stadt brechen wiederholt im<br />
dichten Abwehrfeuer der Verteidiger zusammen.<br />
Auch die Artillerie kann zunächst<br />
kaum etwas gegen die durchweichten Wälle<br />
der Stadt ausrichten.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
35
Schlachten der Weltgeschichte | Weißenburg 1870<br />
Um 9:30 Uhr erreicht der preußische<br />
Kronprinz Friedrich Wilhelm die Anhöhe<br />
vor Schweigen und übernimmt die Führung.<br />
Fast gleichzeitig überqueren das V. und XI.<br />
Korps die Lauter und schwenken auf Weißenburg<br />
ein. Die Kommandeure lassen die<br />
Artillerie vorziehen und eröffnen das Feuer<br />
auf die französischen Stellungen am Geisberg.<br />
Dort wird schnell deutlich, dass die Kanonen<br />
der Franzosen nicht so weit reichen<br />
und die preußischen Artilleristen weitgehend<br />
ungestört agieren können.<br />
Tod des Generals Douay<br />
Um die bayerischen Kräfte vor Weißenburg<br />
einerseits zu entlasten und gleichzeitig den<br />
Angriff zu bündeln, gehen preußische Infanteristen<br />
entlang der Bahnlinie auf die<br />
Stadt zu.<br />
Dieses Unternehmen stockt aber auf der<br />
Höhe des Bahnhofs, wo die Turkos ebenfalls<br />
energisch Widerstand leisten.<br />
Mittlerweile ist auch General Douay über<br />
die ungefähren Ausmaße des Angriffs informiert.<br />
Ein junger französischer Offizier hatte<br />
sich alleine Richtung Altenstadt und Niederwald<br />
gewagt und war nur mit großem<br />
Glück wieder zurück zum Geisberg gelangt.<br />
Nach der erneuten Beurteilung der Lage reitet<br />
Douay die französischen Stellungen auf<br />
den Höhen südlich von Weißenburg ab und<br />
gibt Befehle zur Verteidigung. Unmittelbar<br />
„Treu dem Allianzvertrage, für welchen ich mein<br />
Königliches Wort verpfändet, werde ich mit meinem<br />
mächtigen Bundesgenossen für die Ehre<br />
Deutschlands und damit für die Ehre Bayerns<br />
einstehen, wenn es die Pflicht gebietet.“<br />
Ludwig II., König von Bayern, 1870<br />
OHNE FORTUNE: Marschall Patrice de Mac<br />
Mahon (1808–1893) muss sich bei Weißenburg<br />
und kurz darauf bei Wörth im Unterelsass<br />
(6. August 1870) dem Gegner geschlagen<br />
geben. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />
nachdem er sich entschließt, die Grenzstadt<br />
aufzugeben und die dort kämpfenden Einheiten<br />
zurückzunehmen, fügt ihm ein Granatsplitter<br />
eine schwere Verwundung zu.<br />
Französische Offiziere bringen den General<br />
noch bis in das Gehöft Schafbusch, wo<br />
Douay kurz darauf stirbt. An seine Stelle tritt<br />
als Rangältester General Pellé. Der führt allerdings<br />
das Gefecht vor den Toren Weißenburgs<br />
und erhält die Todesnachricht zusammen<br />
mit dem letzten Befehl Douays. Obwohl<br />
sich die Franzosen nur schwer vom Feind lösen<br />
können, weichen die ersten Einheiten<br />
aus und werden von den Verbänden am<br />
Geisberg aufgenommen.<br />
Währenddessen versuchen die bayerischen<br />
Soldaten weiterhin, sich Zugang zu<br />
Weißenburg zu verschaffen. Durch das Ausweichen<br />
von Teilen der vor Weißenburg<br />
kämpfenden Franzosen und den entlastenden<br />
Angriff der Preußen auf den Bahnhof<br />
können die Bayern nun bis an die Stadttore<br />
vordringen. Auch ihre Artillerie wirkt immer<br />
effektiver gegen die Befestigungsanlagen.<br />
Trotzdem verwickeln die Turkos sowohl die<br />
Bayern als auch die Preußen in blutige Nahkämpfe.<br />
Im Bahnhof ringen die Soldaten um<br />
jeden Meter. Erst gegen 14:00 Uhr gelingt es<br />
den Bayern, in die Stadt einzudringen und<br />
die Übergabe zu erzwingen. Die verbliebenen<br />
Franzosen geben sich schon nach kurzen<br />
Verhandlungen, erschöpft, ohne Munition<br />
und unter dem Druck der Bevölkerung, geschlagen.<br />
Entscheidende Phase<br />
Auf den Hängen südlich von Weißenburg ist<br />
in der Zwischenzeit die Schlacht in ihre letzte<br />
Phase getreten. Französische Einheiten behaupten<br />
ihre Stellungen gegen die aus Norden<br />
und Westen anstürmenden Preußen.<br />
Schwerpunkte der Verteidigung bilden das<br />
Gehöft Schafbusch und das Schloss Geisberg.<br />
Die Eroberung beider Gebäudegruppen<br />
bezahlen die Deutschen mit erheblichen<br />
Verlusten.<br />
VORWÄRTS: Soldaten des V. preußischen<br />
Korps rücken bei Weißenburg im Elsass gegen<br />
die französischen Truppen vor.<br />
Abb.: ullstein bild – ullstein bild<br />
36
Blutiger Auftakt im Krieg 1870/71<br />
Angesichts der drohenden Niederlage<br />
und der immer noch nachrückenden gegnerischen<br />
Verbände weichen die Franzosen<br />
aus. Da morgens kein Befehl zur Auflösung<br />
der Biwakplätze gegeben worden war, müssen<br />
sie einen Großteil ihrer Ausrüstung bei<br />
Weißenburg zurücklassen. Das gilt allerdings<br />
nicht für die Artillerie, die rechtzeitig<br />
aus dem Gefecht zurückgenommen und bereits<br />
in Sicherheit gebracht wurde. Zur Verfolgung<br />
der französischen Soldaten kommt<br />
es am 4. August 1870 nicht. Die preußische<br />
Kavallerie reitet in den Marschkolonnen hinter<br />
den Infanteristen und erreicht das<br />
Schlachtfeld nicht mehr rechtzeitig. Lediglich<br />
das schlesische Dragonerregiment Nr. 4<br />
hält bis Sulz die Fühlung zum Gegner. Dadurch<br />
gelingt es den Franzosen, sich weitgehend<br />
einer Gefangennahme oder Zerschlagung<br />
durch die Deutschen zu entziehen.<br />
An den Toren und Wällen Weißenburgs,<br />
in den Hopfen- und Weinhängen vor der<br />
Stadt, auf dem Schlachtfeld am Geisberg und<br />
rund um den Bahnhof hinterlässt das mehrstündige<br />
Gefecht an diesem 4. August 1870<br />
ein entsetzliches Bild und gibt den Überlebenden<br />
eine Ahnung davon, was sie in den<br />
kommenden Schlachten dieses Krieges erwarten<br />
wird. Hunderte Tote, zum Teil grausam<br />
verstümmelt, von Granaten zerfetzt auf<br />
blutgetränktem Boden, erschossene Pferde,<br />
beschädigte Munitionswagen, weggeworfene<br />
Waffen, Kleidungsstücke, Helme. Dazwischen<br />
kleine Gruppen von Gefangenen, bewacht<br />
von deutschen Soldaten.<br />
KARTE<br />
Schlacht bei Weißenburg 1870<br />
Teuer erkaufter Sieg<br />
Immer mehr zeichnet sich ab, dass der<br />
„deutsche“ Sieg von Weißenburg teuer erkauft<br />
war. Um eine französische Division<br />
aus ihren Stellungen zu vertreiben, die<br />
höchstens zirka 5.000 Gewehre in die<br />
Schlacht führen konnte, mussten fast 30.000<br />
Soldaten der 3. deutschen Armee auf das<br />
Schlachtfeld geführt werden. 20.000 von ihnen<br />
standen letztlich im Gefecht. Während<br />
die Verluste der Franzosen auf mehr als 1.000<br />
Tote und Verwundete sowie eine ähnliche<br />
Anzahl an Gefangenen geschätzt werden,<br />
haben die Deutschen den Verlust von etwa<br />
1.460 Mann durch Tod oder Verwundung zu<br />
beklagen.<br />
Am späten Nachmittag sucht der preußische<br />
Kronprinz das Gehöft Schafbusch auf<br />
und lässt sich den Leichnam des gefallenen<br />
Literaturtipp<br />
Carl Bleibtreu: Schlacht bei Weißenburg am 4.<br />
August 1870, (Reprint der Ausgabe von 1903),<br />
Bad Langensalza 2009.<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
Generals Douay zeigen. In einem später von<br />
Anton von Werner angefertigten Historiengemälde<br />
sieht man Friedrich Wilhelm mit<br />
der Mütze in der Hand zusammen mit preußischen<br />
Offizieren vor dem provisorisch aufgebahrten<br />
Toten stehen. Dieses Bild wird<br />
maßgeblich die Erinnerung an die „Schlacht<br />
bei Weißenburg“ prägen, eine Schlacht, in<br />
der sich bereits das Grundmuster des<br />
Deutsch-Französischen Krieges abzeichnete:<br />
Starke deutsche Verbände kämpften gegen<br />
einen ebenfalls tapferen Gegner, dessen logistische<br />
und strategische Ausgangsposition<br />
zumindest in den Grenzschlachten in Elsass<br />
und Lothringen eine ungleich schlechtere<br />
war. Noch den ganzen Tag über sind die<br />
Straßen um Weißenburg und am Geisberg<br />
von durchziehendem Militär verstopft. Weiterhin<br />
erreichen Verbände der 3. deutschen<br />
Armee das Schlachtfeld. Gegen Abend des 4.<br />
August 1870 wird Biwak befohlen und die<br />
erschöpften Soldaten fallen neben den noch<br />
nicht geborgenen Toten auf dem Geisberg in<br />
einen kurzen Schlaf. Zwei Tage später werden<br />
sie, keine 20 Kilometer entfernt, in Wörth<br />
erneut auf die Franzosen treffen. Diese<br />
Schlacht sollte noch um ein Vielfaches blutiger<br />
werden.<br />
Christian Bunnenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Historischen Institut der Universität Duisburg-<br />
Essen, forscht u.a. zur Geschichts- und Erinnerungskultur<br />
der „Einigungskriege“.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
37
Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />
1990: Der irakische Diktator Saddam Hussein wagt mit der<br />
Eroberung Kuweits einen riskanten Zug. Hält die arabische<br />
Welt zu ihm? <strong>Wie</strong> reagiert Israel? Und vor allem: Lassen ihn<br />
die USA gewähren?<br />
Von Peter Andreas Popp<br />
38
Die Augen der Welt sind auf das sich<br />
wiedervereinigende Deutschland gerichtet,<br />
als am 2. August 1990 irakische<br />
Truppen in Kuweit einfallen. Ihr Ziel besteht<br />
in der Vernichtung der staatlichen Existenz<br />
Kuweits, um das Land als 19. Provinz in den<br />
Irak einzugliedern. Saddam Hussein, brutaler<br />
Diktator des Irak seit 1979, glaubt dafür<br />
freie Hand zu haben: Sein Land ist seit dem<br />
Krieg mit dem Iran (Erster Golfkrieg von<br />
1980 bis 1988) beim Nachbarn tief verschuldet.<br />
Kuweit weigert sich, diese Schulden zu<br />
erlassen. Zudem prägen Grenzstreitigkeiten<br />
das beiderseitige Verhältnis. Saddam greift<br />
zu einer Methodik, die im 20. Jahrhundert bereits<br />
mehrfach mit unterschiedlichem Erfolg<br />
praktiziert worden war: Durch Hitler-<br />
Deutschland und durch Japan in den 1930er-<br />
Jahren, durch China gegenüber Indien 1962<br />
im Kaschmir-Konflikt.<br />
Saddam Hussein sollte sich täuschen:<br />
Dieser Zweite Golfkrieg geht am 28. Februar<br />
1991 ganz anders zu Ende als erwartet, und<br />
der Irak sollte danach nicht mehr derselbe<br />
sein. Saddam regierte nach diesem Krieg<br />
zwar noch weiter, aber seine totalitär orientierte<br />
Herrschaft endet bekanntlich mit dem<br />
Dritten Golfkrieg im Frühjahr 2003.<br />
Und damit ist bereits ein methodisches<br />
Problem angerissen: Inwieweit können diese<br />
drei Kriege in der Golfregion „fein säuberlich“<br />
voneinander getrennt betrachtet werden?<br />
Auf der taktisch-operativen Ebene mag<br />
dies angehen, auf der politisch-strategischen<br />
Ebene hingegen nicht. <strong>Wie</strong> bereits erwähnt,<br />
endet der Zweite Golfkrieg mit einer Niederlage<br />
Saddams, aber nicht mit dessem Ende.<br />
Die Vereinten Nationen haben gegen den<br />
Aggressor den Sieg davongetragen, wobei<br />
die USA als Treuhänder agieren: Sie schmieden<br />
eine Allianz von 34 Staaten für die Operation<br />
„Desert Storm“ (Wüstensturm) zur<br />
Befreiung Kuweits.<br />
Das ist nach der Epoche des Kalten Krieges<br />
etwas Neues: So wie Hitler-Deutschland<br />
DIE NACHT WIRD ZUM TAG: Dieses Bild wird in den Medien<br />
oft präsentiert, um die alliierte Luftherrschaft zu belegen.<br />
Es zeigt irakisches Flugabwehrfeuer und explodierende<br />
alliierte Bomben in Bagdad in den frühen Morgenstunden<br />
des 18. Januar 1991.<br />
Foto: picture alliance/AP Images<br />
Clausewitz 5/2014<br />
39
Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />
BRENNENDE WÜSTE: Der Zweite Golfkrieg wird vor<br />
allem mit lodernden Ölquellen (im Bild) assoziiert. Er ist<br />
aber auch ein „Weltkrieg im Kleinformat“, der als postindustriell-elektronischer<br />
Krieg der Zukunft und medial<br />
global ausgefochten wird. Foto: picture-alliance/empics<br />
Herstellung des Zustandes von vor dem<br />
2. August 1990. Dies geschah nicht in machtpolitischem<br />
Alleingang der USA, sondern in<br />
Kooperation mit der Weltgemeinschaft. Der<br />
Ausgang des Krieges hingegen war durch<br />
„klassisch militärisches Verhalten“ geprägt.<br />
So verlegten die USA über eine halbe Millionen<br />
Soldaten an den Golf, unterstützt von<br />
Großbritannien mit etwa 50.000 Soldaten.<br />
Widersprüchlich ist der Zweite Golfkrieg<br />
aus folgenden Gründen:<br />
(1)Geplant als Vernichtungsfeldzug und<br />
ausgefochten nach den traditionellen<br />
Prinzipien der Militärtheorie: Trotz Auftragserfüllung<br />
ist ein langfristig befriedigender<br />
Ausgang nicht gegeben.<br />
(2)Ein „High-Tech-Krieg par excellence“ mit<br />
erheblichen Defiziten im Bereich „umfassende<br />
Beurteilung anderer wichtiger Parameter,<br />
wie Feindpsyche oder ökologisches<br />
Umfeld“.<br />
(3)Eine auf halbem Wege stecken bleibende<br />
„Bestrafungsaktion“: Saddam ist auch danach<br />
zur Aggression noch fähig.<br />
(4)„Desert Storm“ erzwingt die anfänglich<br />
nicht vorgesehene Operation „Provide<br />
Comfort“, die Rettung der in den Nordirak<br />
geflüchteten Kurden ab Frühjahr<br />
1991 vor deren physischer Vernichtung<br />
durch Saddam.<br />
Fortsetzung auf Seite 45<br />
und seine Verbündeten 1945 durch die damals<br />
gerade gegründeten Vereinten Nationen<br />
besiegt worden waren, so ergeht es jetzt<br />
Saddam – freilich mit dem Unterschied, dass<br />
seine Herrschaft eben nicht wie die Hitlers<br />
endet. Ein Vierter Golfkrieg steht bislang<br />
aus, wenngleich diese Region, die derzeit etwas<br />
mehr als die Hälfte der Welterdölvorräte<br />
birgt, alles andere als befriedet ist.<br />
Zwingende Zusammenhänge?<br />
Die Ordnung, die von den USA seit 1990/91<br />
im Nahen Osten und insbesondere in der<br />
Golfregion angestrebt wird, ist nicht stabil!<br />
Hier sei nur als Frage angerissen, ob aus dem<br />
Zweiten Golfkrieg zwingend der Dritte Golfkrieg<br />
entstehen musste? In rückschauender<br />
Perspektive spricht vieles dafür: Saddam<br />
hat, wenigstens gedanklich, nach 1991 keinen<br />
Abstand davon genommen, „seinen“<br />
Irak als vorherrschende Großmacht in der<br />
Golfregion zu (re-)etablieren, um ihn dann<br />
als Führungsmacht in der arabischen Welt<br />
aufzubauen. Die USA – 1990/91 noch mit<br />
dem Mandat der Vereinten Nationen handelnd<br />
– erreichen 2003 genau das, was ihnen<br />
1990/91 noch verwehrt geblieben war, und<br />
was sie möglicherweise damals noch nicht<br />
direkt angestrebt haben: den Sturz Saddams<br />
und seines Regimes durch Krieg. Im Frühjahr<br />
2003 handeln die USA nicht einmal<br />
mehr als Treuhänder der Vereinten Nationen.<br />
Vielmehr beseitigen sie die Herrschaft<br />
des Tyrannen mittels einer „Koalition der<br />
Willigen“, selbstermächtigt durch die Formel<br />
„War on Terrorism“.<br />
Konträrer Krieg<br />
Nach Auffassung des Schweizer Militärwissenschaftlers<br />
Gustav Däniker stellt der Zweite<br />
Golfkrieg einen „Anachronismus“ dar, da<br />
er „Wesenselemente aus zwei Epochen“ aufweise.<br />
Er belegt ein „neues strategisches<br />
Denken“ jenseits der bisherigen Handlungsmuster<br />
des Kalten Krieges. Es ging um die<br />
Befreiung Kuweits und die völkerrechtliche<br />
ANGST VOR GIFTGAS: Mit Schutzmasken<br />
ausgerüstete französische Soldaten in der<br />
Nähe der irakischen Grenze.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
40
Leseprobe<br />
ep<br />
be<br />
e<br />
Holen<br />
Sie sich jetzt die aktuelle l e Ausgabe am Kiosk!<br />
Für nur € 2,– (statt t € 3,50)!
Leseprob<br />
e<br />
Lieber -Leser,<br />
geht es Ihnen auch so: Renovieren, etwas selbst bauen und schaffen<br />
macht einfach Spaß! Lassen Sie sich von dieser Leseprobe der aktuellen<br />
SELBER MACHEN inspirieren!<br />
Und wenn Sie’s nun genau wissen wollen: <strong>Wie</strong> gestaltet man einen<br />
Treppen-Unterbau? <strong>Wie</strong> schafft man Ordnung in der Werkstatt?<br />
Dann nutzen Sie einfach den Gutschein auf der folgenden Seite!<br />
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€ 2,– statt € 3,50 an Ihrem Zeitschriftenkiosk.<br />
Ulrich Weiß<br />
Chefredakteur<br />
Viel Erfolg beim Heimwerken wünscht Ihnen Ihr<br />
Stauraum<br />
BAUEN um<br />
Neuer<br />
Platz<br />
im<br />
Winkel<br />
Unter den Stufen entsteht für<br />
kleines Geld großer Stauraum.<br />
D<br />
ass der Raum unter Treppen kostbar ist,<br />
wissen vor allem Bewohner von Häuausgenutzt<br />
sern ohne Keller. Richtig<br />
und herausgeputzt wird er jedoch selten. Stattdessen<br />
mutiert der Boden dort meist zur ungedie<br />
nur schlecht zu errei-<br />
liebten Abstellfläche,<br />
chen ist aber dafür umso besser einzusehen.<br />
Nicht<br />
ohne Grund, denn Möbel gibt es für diese<br />
Flächen nicht passend zu kaufen.<br />
Dabei kann man auch sc<br />
hräge Sachen einfach<br />
und günstig selbst bauen. So zieht eine neue<br />
Ordnung mit viel Stauraum unter der Treppe<br />
ein, die – aus Spanplatten konstruiert – kein<br />
Konto<br />
in Schieflage bring<br />
t. Ungewohnt aber<br />
kinderleicht ist die Ermittlung des Steigwin-<br />
kels der Treppe, der auf einige Bauteile übertragen<br />
werden muss. <strong>Wie</strong> es geht, zeigen wir auf<br />
den folgenden Seiten.<br />
Teil 1:<br />
UNTERBAU<br />
TREPPE<br />
vorher<br />
In jeder Ausgabe<br />
100 Seiten<br />
Bauen<br />
no<br />
gestalten<br />
ten<br />
renovieren<br />
er<br />
n<br />
Stauraum<br />
Richtig verbunden<br />
Die Schmalseiten abwinkeln<br />
Die vier senkrechten Teile erhalten auf ihrer Oberseite einen<br />
Schnitt, welcher der Steigung der Treppee entspricht<br />
Im Inneren des Ecks passen keine Einbauten<br />
n mehr<br />
hinein.<br />
Die Lösung: eine Klappe.<br />
Die<br />
drei Schub laden<br />
elemente<br />
werden dank Rollen und Sitzbezügen zu fahrbaren Hockern.<br />
2014<br />
11<br />
10<br />
Praktische Stauraum-<br />
Lösungen – einfach<br />
nachzubauen!<br />
Alles, was Sie brauchen, um<br />
jeden Winkel optimal zu<br />
nutzen: mit übersichtlicher<br />
Bauskizze, Materialliste,<br />
detaillierter Schritt-für-Schritt-<br />
Anleitung inklusive Fotos und<br />
vielen Tipps und Tricks.<br />
Den Steigungswinkel el ermitteln<br />
S chleifpapi<br />
er,<br />
Holzleim, Umleimer.<br />
Baustoffe<br />
Die jeweiligen Holzbretter (hier sind es<br />
Spanplatten)<br />
für die (vier) Senkrechten,<br />
die Einlegeböden (mit Blenden) und für<br />
die Deckenplatte.<br />
Um zu wissen, wie stark die Oberseiten der Bretter angeschrägt werden müssen, wird der<br />
Steigungswinkel<br />
der Treppe ermittelt – mit Lot oder Wasserwaage ist das leicht gemacht.<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Eine<br />
dünne Sperrholzplatt te<br />
senkrecht<br />
auf<br />
Mit<br />
dem Bleistift<br />
anschließend am Rand der<br />
Mit dem Geodreieck<br />
kann auf dem<br />
die Treppenwange setzen,<br />
sodass eine Ecke auf Wange entlangfahren (auf der Rückseitee des Sperrholzbrett der<br />
Steigungswinkel<br />
abgelesen<br />
der<br />
Wa<br />
nkante zum Liegen kommt. Brettes)<br />
und den Str ch aufs Sperrholz setzen. werden.<br />
Er liegt<br />
hier bei circa 45 Grad.<br />
4<br />
5<br />
6<br />
Mit<br />
dem Lot: Brettkantee parallel zur<br />
Der<br />
Steigungswinkel<br />
ist hier der W nkel<br />
Zum Übertrage<br />
n aller Maße von oben nach<br />
Trepp penwange halten. Das Lot genau über der zwischen der schmalen, rechten Seite des Brettes<br />
unten immer mit<br />
dem Lot arbeiten.<br />
Zum<br />
Brettt<br />
ecke befestigen. Linie am Lot ziehen. und der gezogenen Linie.<br />
Anzeichnen kommt<br />
Malerkrepp auf die Flächen.<br />
1 2<br />
3<br />
Umleimer mer aufkleben und<br />
schneiden<br />
1<br />
kel-Arretierung<br />
schlittens<br />
kann die<br />
ppt<br />
werden.<br />
as Bügeleisen nicht zu schnell über den Umleimer,<br />
damit der Schmelzkleber genug Zeit hat, sich<br />
en.<br />
Das Schneiden der Kanten sorgt bei Anfängern oft für Ärger – ein Kantentrimmer hilft.<br />
er<br />
muss in seiner Breite so<br />
n, dass er beidseitig übersteht.<br />
4 5<br />
berstand<br />
trennt das Cuttermes-<br />
Brettt<br />
auf den Umleimer stellen.<br />
6 7<br />
net<br />
sind Kantentrimmer,<br />
die beim<br />
Umleimer<br />
weiter<br />
andrücken.<br />
Um 45 Gradhaben wir die<br />
Maschine gekippt. Das entspricht<br />
dem Steigungswinkel<br />
der Treppe.<br />
2<br />
Mit<br />
dem Anschlagwinkelwird<br />
die Führungsschiene der Säge auf<br />
dem Bauteil ausgerichtet.<br />
Bei mittleree r Temperatu r wird<br />
der Kunst-<br />
stoff<br />
umleimer<br />
aufgeklebt. Eisen langsam führen.<br />
Das Cutterm<br />
esser in einer gleichmäß gen<br />
Bewegung un<br />
d parallel zum Brett führen.<br />
Mit feinem S chleifpapier (mind. 180er)<br />
werden die Kanten abschließend gebrochen.<br />
3<br />
4<br />
Die Oberseite des Brettes<br />
ist nun<br />
im selben Winkel wie die Treppen-<br />
s teigung angeschrägt.<br />
De r aufgedrückte Holzklotz<br />
sorgt<br />
ans<br />
gut zu wissen<br />
Kantentrimmer<br />
Die Kanten von Kunststoff-Umleimern<br />
können mit (sauberen!) en!) Stechbeiteln,<br />
Cuttermessern termessern oder<br />
am besten mit<br />
Kantentrimmern (Foto)<br />
abgeschnittenen<br />
werden. Ihre<br />
zwei<br />
Vorteile: Sie führen<br />
die Klinge im richtigen Winkel und<br />
drücken dabei<br />
den Umleimer<br />
ans<br />
Holz.<br />
(Das<br />
Gegenbeispiel<br />
sehen Sie zur<br />
Veranschaulichung in Foto 5).<br />
Im<br />
Gegensatz dazu sollten Echtholz-Um-<br />
leimer nur mit einer<br />
Flachfeile<br />
gebrochen werden (wegen der<br />
Maserung im Umleimer).<br />
12<br />
2014 13
Lesep<br />
prob<br />
e<br />
l<br />
Maßschneider<br />
Werkzeugtest<br />
TECHNIK erkzeugtest<br />
Großer<br />
PRAXIS-<br />
TEST<br />
H<br />
TECHNIK Werkzeugtest<br />
est<br />
Sieger mit<br />
besten Noten<br />
Abschlussnote 1,4 – damit fährt die Stihl HSE61 den<br />
Sieg in einem starken Testfeld ein, gefolgt von der<br />
Bosch AHS55-26, einem 3500-Gramm-Leichtgewicht.<br />
Anbieter<br />
Black & Decker<br />
Bosch<br />
Metabo<br />
Modell<br />
GT6060<br />
AHS55-26<br />
48 Plus<br />
HS8755<br />
99,95 €<br />
169 ,999<br />
€<br />
189,21 €<br />
Ausstattungsmerkmale<br />
Ab messungen: Länge x Höhe x Breitee [cm]<br />
100 x 20 x 20<br />
108<br />
x 23 x 25<br />
0<br />
97 x 24 x 22<br />
Gewicht<br />
[k<br />
g]<br />
3,2<br />
3,5<br />
4,1<br />
Kabe ellänge [cm]/-farbe<br />
Direktanschluss<br />
/-<br />
28 / Schwarz<br />
rz<br />
30 / Schwarz<br />
Leistun<br />
g (Angabe)<br />
[W]<br />
600<br />
600<br />
560<br />
Sch nittlänge [cm]<br />
60<br />
55<br />
55<br />
Schneiden:<br />
Anzahl/Öffnun<br />
g/Tiefe [mm]<br />
18 / 26 / 17<br />
16 / 26 / 21<br />
5<br />
15 / 24 / 19<br />
Me sserstärke unten + oben [mm]<br />
2,0 + 1, 8<br />
1, 8 + 1,8<br />
1,8 + 2,22<br />
Schwertbreite [mm]<br />
75<br />
vorne 60; hinten 75<br />
75<br />
Stihl<br />
HSE61<br />
229,- €<br />
118 x 20 x 25<br />
4,1<br />
32 / Schwarz<br />
500<br />
60<br />
19 / 21 / 17<br />
2,1 + 1, 9<br />
vorne 55; hinten 70<br />
Wolf<br />
HSE55V<br />
174,99 €<br />
98 x 26 x 15<br />
3,75<br />
24 / Schwarz<br />
500<br />
55<br />
17 / 24 /15<br />
2,0 + 2,0<br />
70<br />
Praxistest Schneiden<br />
Sch<br />
neiden frischer Austriebe<br />
+++<br />
+++<br />
Schneiden mehrj<br />
jähriger<br />
Triebe<br />
++<br />
+++<br />
Blo<br />
ckier-, Klemmneigung<br />
gering<br />
gering<br />
Note<br />
Praxistest<br />
Schneiden (45%)<br />
Gut (2,1)<br />
Sehr<br />
gut (1,3)<br />
71<br />
+++<br />
+++<br />
gering<br />
S ehr gut (1,3)<br />
+++<br />
+++<br />
gering<br />
Sehr gut (1,3)<br />
+++<br />
++<br />
gering<br />
Gut (2,1)<br />
70<br />
Werkzeuge und<br />
Maschinen im Test<br />
Wir haben in dieser Ausgabe sechs<br />
Heckenscheren für Sie getestet:<br />
Lesen Sie, welche besonders<br />
leistungsstark, praktisch in der<br />
Handhabung und geräuscharm ist.<br />
Handhabung<br />
G<br />
ebrauchshinweise<br />
++<br />
+<br />
Erstmontage<br />
+++<br />
+++<br />
Han dgriff<br />
mit Ein-/Aus-Schalte r<br />
++<br />
+++<br />
Bügelgriff<br />
mit Sicherheitsschalte r<br />
o<br />
+++<br />
Ma növrieren beim Schneiden, Schneiden im Überkopfbereic h<br />
+<br />
++<br />
Sch<br />
hnitt<br />
tführun<br />
g vertikal<br />
und horizonta<br />
al<br />
++<br />
+++<br />
Ausbalancier en<br />
o<br />
++<br />
Reinigung<br />
+<br />
++<br />
Messerschutz<br />
o<br />
++<br />
Note<br />
Handhabung (40%)<br />
Befriedigend (3,0)<br />
Gut (1,9)<br />
selber machen 7 | 2014<br />
+<br />
+++<br />
++<br />
+<br />
++<br />
++<br />
+<br />
++<br />
++<br />
end (2,5)<br />
Gut (2,4)<br />
Technik und Sicherheit<br />
(Laborprüfung)<br />
Hubzahl<br />
[min-1]<br />
1740<br />
3080<br />
2960<br />
Geräusch:<br />
Schalldruckpegel<br />
am Ohr ohne Last [dB(A)]<br />
95<br />
95<br />
86<br />
Wir ksamkeit und Bedienung der Zugentlastungseinrichtun g<br />
+<br />
+<br />
+<br />
Elektrische Sicherheit<br />
Ok<br />
Ok<br />
Ok<br />
Sto<br />
ppostion der Messer<br />
zufällig<br />
zufällig (sichtbarer<br />
Messernachlauf )<br />
zufällig<br />
Selbsttäti<br />
ges Abschalten nach Blockierun<br />
g<br />
nein<br />
ja<br />
nein<br />
Note<br />
Technik und Sicherheit (15%)<br />
Ausreichend (4,0)<br />
Bef riedigend (3,4)<br />
en d (3,3)<br />
Befriedigend (3,2)<br />
+++<br />
+<br />
+++<br />
+++<br />
+++<br />
+++<br />
+++<br />
++<br />
+++<br />
+<br />
+++<br />
+++<br />
+++<br />
++<br />
++<br />
++<br />
++<br />
++<br />
Sehr gut (1,3)<br />
Gut (2,1)<br />
3510<br />
1780<br />
95<br />
92<br />
++<br />
++<br />
Ok<br />
Ok<br />
verdeckt *<br />
verdeckt *<br />
nein<br />
nein<br />
Befriedigend (2,5)<br />
Befriedigend (3,0)<br />
Gesamtnote<br />
Befriedigend (2,8)<br />
Gut (1,9) Befriedigend e<br />
d (2,5) Gut<br />
(2,1) Sehr<br />
gut<br />
(1,4)<br />
Gut<br />
(2,3)<br />
* Schnei<br />
iden maximal<br />
geöff<br />
fnet<br />
72<br />
2014 73<br />
Alles im (Zu-)Griff!<br />
Mit diesem Aufbewahrungssystem<br />
schaffen Sie Ordnung in Ihrer Werkstatt.<br />
GUTSCHEIN<br />
TECHNIK<br />
46<br />
Innovationspreis<br />
Ordnungshüter<br />
So<br />
haben wir<br />
getestet<br />
!<br />
Das Benotungssyste<br />
m<br />
Die wichtigsten Kriter<br />
en bei der<br />
Beurteilung der Gerätee waren der Praxis-<br />
test Schneiden und die Handhabung –<br />
zunächst wurden die „klassischen“ Hölzer<br />
wie Buche und Weide geschnitten.<br />
Da<br />
lagen alle noch dicht beieinander. Bei den<br />
Anforderungen an die Handhabung lagen<br />
Schnitt<br />
t Buchenhecke<br />
Schnitt Weidenholz<br />
Geräuschentwicklung<br />
digkeit<br />
Elektrische<br />
Sicherheit<br />
die Testteilnehmer<br />
dann weiter ausein-<br />
Ds a<br />
Schneiden der Buchenhecke ist eine<br />
Neben Heckenschnittt<br />
wurde auch geprüft<br />
Das Geräusch einer Heckenschere ist<br />
zahlmessgerät<br />
wurde<br />
M it einem Hochspannungstestgerät<br />
ander, entscheidend waren hier die<br />
der<br />
größeren Herausforderungen. Die<br />
wie die Testgerätee Hölzer schneiden.<br />
subjektiv weniger laut, doch die<br />
Messerzähne pro<br />
wird<br />
die Isolationsfest<br />
gkeit der per<br />
Praxisanforderungen wie das Ausbalancie-<br />
fr schen Austriebe schaffen alle Gerätee<br />
Weidenstöcke mit hren dichten Fasern sind<br />
Messungen in der Akustikhalle zeigen<br />
n. Eine hohe Hubzahl<br />
Netzstrom betriebenen Geräte<br />
geprüft.<br />
ren und das Handling beim Schneiden.<br />
mühelos.<br />
Mehrjähr<br />
ge Triebe lassen sich<br />
e in bestens<br />
geeignetes Material.<br />
Schalldruckpegel<br />
ähnlich denen von<br />
das<br />
Schneiden von<br />
Diesen Abschnitt<br />
absolvieren alle ohne<br />
am besten mit den Gerätenvon Bosch,<br />
Bohrhämmern (Schallschutz tragen!),<br />
m“ Gehölz.<br />
Beanstandungen.<br />
Metabo und Stihl<br />
schneiden.<br />
Ausnahme:<br />
Metabo.<br />
Das<br />
modulare<br />
Aufbewahrungs- zu fairen<br />
und Werkzeug-system<br />
Blucave<br />
sorgt für Übersi<br />
cht – und das Preisen.<br />
Wenn alles seinen fe<br />
e sten Platz hat, dann findet man es leicht<br />
wieder. Diesen Grundsatz setzt die niederländische Firma Baabgestimmtes<br />
Wtavi Wa ia mit Blucave perfekt<br />
um: Ein aufeinander<br />
WAblage-<br />
und Werkze<br />
ugsystem, das in Modulbauweise funktio-<br />
<strong>Wie</strong>rt. Wn<br />
Ob Lampe, Ladestation<br />
oder 6er-Steinbohrer – alles hat<br />
seinen festen, passgenauen Platz.<br />
Wer mit Blucave<br />
Ordnung schaffen will, be-<br />
ginnt mit Koffern (je<br />
34 Euro)<br />
und<br />
der Wandschiene mit vier Halterungen<br />
(29 Euro).<br />
Je nach Bedarf können Stück für<br />
Stück weitere Module und Geräte<br />
folgen.<br />
Zurzeit umfasst das System<br />
unter anderem sechs kabel-<br />
und zwei<br />
akkubetriebene Tools (Akkubohrer,<br />
Schwingschleifer,<br />
etc.). Dabei handelt e<br />
sich um Aufsätze,<br />
die jeweils auf einen stromgebenden Controller<br />
(Akk<br />
Netz) gesteckt werden.<br />
Die Zubehörliste reicht vom Wandregal (99 Euro) bis<br />
zur Schublade (5 Euro).<br />
Erhältlich bei www.blucave-shop.de oder www.westfalia.de<br />
Regal mit<br />
inneren n Werten<br />
Höhenverstellbar<br />
s Bord verfügt über vier integrierte Schubladen, in die alle Zubeh<br />
s des Systems passen (z.<br />
B. für Bohrer,<br />
Stichsägenblätter,<br />
etc.).A<br />
der Regalunterseite nehmen Halterungen diverse Systemwerkzeuge,<br />
- steckdosen und -leuchten<br />
auf (Foto r.).<br />
INNOVA<br />
TION DES MONATS<br />
BATA<br />
A<br />
VIA BLUCAVE<br />
WERKSTA<br />
ATT- -SYSTEM<br />
Modulbauweise<br />
Ob Arbeitsleuchte (Foto)<br />
oder Akkubohrer:<br />
Alle<br />
Zubehörteile und Werkz<br />
uge des Systems<br />
n perfekt<br />
in die Auf-<br />
ngseinheiten.<br />
Strom und Licht<br />
dul liefert<br />
cht:<br />
Die<br />
kdose ist an<br />
are<br />
6-Meter-<br />
koppelt.<br />
Im<br />
n steckt eine<br />
leuchte,<br />
r dem Bord<br />
den kann.<br />
2014<br />
Wandschiene<br />
Die Wandschienen nehmen in<br />
ihren Halterungen die Koffer<br />
f Durch eine abschließbare<br />
e auf der Schiene kann<br />
Koffer-Reihe vor<br />
u btem Zugriff schützen.<br />
Koffer fer mit<br />
Durchblick<br />
Die Koffer bild<br />
Sie können du<br />
unterteilt werd<br />
Systemschubl<br />
Blucave-Reihe<br />
ihren spezifisc<br />
untergebracht<br />
parenten Deck<br />
einem Blick de<br />
✁<br />
Die kriterien<br />
Revolutionäre Idee<br />
Eine Innovation ist erst einmal<br />
„nur“ eine Neuheit. Benutzen<br />
wir dieses Wort in der Redaktion,<br />
meinen wir: nicht nur<br />
neu, sondern ein einzigartiger<br />
Ansatz – eine unerwartete<br />
Idee, die revolutionär sein<br />
kann oder mit bekannten<br />
Techniken etwas völlig Neues<br />
schafft – und diese Produkte<br />
werden von der Redaktion<br />
als „Innovation des Monats“<br />
ausgezeichnet.<br />
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Einfach ausschneiden und<br />
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2014 einlösen!<br />
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Leseprob<br />
e<br />
Biefkasten<br />
BAUEN Biefkasten<br />
Gut geschützt<br />
vor den We<br />
tter-<br />
einflüssen sind<br />
nicht nur die<br />
Briefe. Im oberen<br />
Fach lassen sich<br />
Zeitungen und<br />
Zeit schriften gut<br />
unterbringen,<br />
ohne dass ihre<br />
Umschlag blätter<br />
zerreissen. Auch<br />
Päckchen finden<br />
dort trockenen<br />
Unterschlupf.<br />
Post ist da!<br />
Da wird sich Ihr Zusteller freuen:<br />
Der neue<br />
Briefkasten bietet viel<br />
Platz und zusätz -<br />
lich ein Fach für Zeitungen und Päckchen.<br />
Der Hingucker für jede Haustür.<br />
D<br />
er Briefkasten ist – ähnlich wie das Gartentor, eine<br />
Art Aushängeschild für ein Haus.<br />
Umso erstaunlicher,<br />
dass die meisten Hausbesitzer deutschland-<br />
weit auf die eher einfallslosen Postkästen<br />
in Edelstahl-<br />
Optik zurückgreifen. In jedem Baumarkt stehen anschei-<br />
Unsere kleine Briefkastensäule unterscheidet sich da<br />
nend immer nur dieselben zehn Modelle.<br />
wohltuend vom Einheitslook. Dass Sie damit erfreulichegarantieren.<br />
re Post erhalten, können wir leider<br />
nicht<br />
Aber zumindest<br />
das: Der Bau aus wasserfest verleimtem<br />
Sperrholz und Aluminium-Leisten ist ganz einfach.<br />
Biefkasten<br />
Große<br />
Klappe –<br />
viel<br />
dahinter<br />
ste<br />
mtes Sperrholz,<br />
kelpr<br />
ofile (Maße<br />
siehe<br />
uf der<br />
folgenden<br />
re,<br />
Briefkastenschloss<br />
ffe<br />
serfester Holzleim,<br />
zgrund, Wetterschutz-<br />
Die Alu-Leisten<br />
zusägen<br />
Die Leisten dienen als Eckverbinder und schützen dabei die Schnittkanten aller<br />
vier Außenbretter – dabei verpassen sie der Holzkonstruktion die feine Note.<br />
3<br />
Als Baumaterial dienen<br />
wasserfest verleimtes Sperr -<br />
holz und 20 x 20-mm<br />
Aluminium-Winkelprofile<br />
mutter<br />
des Schlosses wird<br />
die Bohrung geführt und mit<br />
enstück verschraubt.<br />
Um<br />
hen zu verhindern, wird die<br />
e mit einem Schraubendreher<br />
PROFI-tippp<br />
Messing macht’s<br />
Das Schloss eines<br />
Briefkastens ens ist<br />
im<br />
-<br />
mer der Witterung terung ausgesetzt, darum<br />
sollten Sie hier<br />
nicht<br />
an der Qualität<br />
sparen. Einfache Möbelschlösser<br />
sind<br />
schon für drei bis<br />
vier<br />
Euro erhältlich.<br />
Doch die werden nach spätestens<br />
ens<br />
einem Winter lädiert<br />
sein und nicht<br />
mehr richtig funktionieren. en<br />
Achten Sie darauf,<br />
ein Schloss<br />
aus<br />
Messing mit<br />
verchromter Oberflächee<br />
einzusetzen – das hält<br />
lange vor.<br />
Hammer, Körner, Ahle,<br />
chraubendreher,<br />
Maulschlüssel, Senker,<br />
, Schlüsselfeile, Pinsel,<br />
2014<br />
1<br />
2<br />
Die Stirnseite eines großen Vierkantholzes dient als<br />
Eine Mittellinie in nur eine der Innenseiten<br />
Führung beim Zuschneiden der Alu-Leisten. Die Säge<br />
anzeichnen. Für den Parallelstrich den Bleistift<br />
entlang der Schnittfläche führen, dann wir<br />
d’s gerade. auf den (führenden) Mittelfinger drücken.<br />
4<br />
31<br />
Die Öffnung fn<br />
für den Briefeinwurf ei<br />
und der<br />
Kastendeckel<br />
1<br />
30<br />
ch<br />
für die Briefeinwurf-Klapp<br />
e<br />
orstnerbohrer<br />
(30 mm) seitlich<br />
Unterkante<br />
e gebohrt<br />
t.<br />
Originelle Ideen für Ihr<br />
Zuhause, für's Haus …<br />
Dieser Briefkasten bietet nicht<br />
nur viel Platz für Briefe und<br />
Päckchen, sondern ist auch eine<br />
Zierde für Ihr Haus.<br />
Senku ng,<br />
den<br />
S chrau-<br />
ben e<br />
ntsprechend.<br />
Deren<br />
Köpfe dürfen<br />
keinesfalls<br />
über-<br />
stehen,<br />
sonst liegen<br />
die Außenbretter<br />
nach her<br />
nicht sauber<br />
im Winkel.<br />
5<br />
7<br />
Die Lage<br />
des Schlosses<br />
in Bezug auf die Oberkante<br />
hängt von der jeweiligen Bauform des Schlosses ab.<br />
Min destens<br />
ein Dr ttel<br />
des Riegels sollte überstehen.<br />
6<br />
8<br />
Ein 18er-Forstnerbohre r setz<br />
zt das Loch zur Aufnahme<br />
des Schlosses (kann abweichen, je nach Schlosswahl). Achten<br />
Sie auf einen exakt mitt gen Sitz<br />
zwischen den Seiten.<br />
2<br />
ägt überstehende Teile an den<br />
hrung ab, damit dort<br />
sauberee<br />
en entstehen.<br />
Danach: schleifen. 3<br />
4 5<br />
markiert<br />
mit zwei Einschnitten<br />
Mit<br />
der Ras<br />
pel wird<br />
anschließend der Raum<br />
Ausschnitts.<br />
Lieber nachsägen zwischen den<br />
feinen Schnitten abgetragen.<br />
zu tief<br />
zu sägen.<br />
Je breiter die Raspel, desto<br />
einfacher gelingt es.<br />
6<br />
Das Dach<br />
wird<br />
mit Holzleim (umlaufend an<br />
der<br />
Kante) und Schrauben aus einer größeren<br />
und einer kleineren Platte<br />
zusammengesetzt.<br />
32<br />
2014 33<br />
✁<br />
Selbermachen Media GmbH, Neumann-Reichardt-Straße 27-33, 22041<br />
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... und für den<br />
Garten!<br />
Nicht nur das Selbermachen<br />
macht Spaß:<br />
An diesen Gartenspielen<br />
hat danach<br />
die ganze Familie<br />
Freude!<br />
k<br />
Balanceakt<br />
An Seilen<br />
Es muss<br />
nicht<br />
immer<br />
Fußball oder<br />
Frisbee sein!<br />
Diese kurzweiligen<br />
Outdoor-Spiele verlangen en Köpfchen und Fingerspitzengefühl.<br />
Sie sind kinderleicht zu bauen und begeistern auch die Großen.<br />
E<br />
ntweder<br />
sind unsere beiden Spielkonstruktionen in ihre<br />
entspannen wir im Garten<br />
oder wir arbeiten in ihm. Aber<br />
warum<br />
wird das eigene Grün so selten zum<br />
Platz für unterhaltsame und<br />
spannende<br />
Spiele? Der Garten als Spielplatz:<br />
Damit<br />
meinen wir an dieser Stelle keine Flächen für die<br />
sportlichen Varianten mit Fuß-<br />
oder Federball,<br />
sondernn die mit Köpfchen und Fingerspitzenge-<br />
fühl.<br />
Ein kleiner Platz unter dem starken Ast ei-<br />
nes Baumes genügt, um Raum für unsere hier ge-<br />
zeigten Konstruktionen zu bieten.<br />
Die sind nicht nur schnell und kinderleicht<br />
ge-<br />
baut, sie machen – und das ist ja entscheidend –<br />
extrem viel<br />
Spaß. Und das gilt nicht nur für<br />
jede<br />
Altersklasse!<br />
Das erste Spiel: Beim ‘schwebenden<br />
Teller’<br />
kämpfen die Spieler gegeneinander<br />
und gegen<br />
die Erdanziehungskraft.<br />
Es gilt, die<br />
im Mittel-<br />
punkt aufgehängte<br />
Platte im Gleichgewicht<br />
zu<br />
halten – oder das Gegenteil herbeizuführen.<br />
Unseree<br />
zweite Spiel-Idee, das Kugel-Labyrinth<br />
mit den Lochfallen, kennen viele sicherlich<br />
als<br />
Indoor-Variante. Unsere Version<br />
in XXL ist<br />
schwebend aufgehängt und kommt<br />
dement-<br />
sprechnd ohne hakeliges Gestänge aus (Bauan-<br />
leitung ab Seite 80).<br />
Egal für<br />
was Sie sich entscheiden:<br />
außerge-<br />
wöhnlicher Spielspaß im Garten ist<br />
garantiert.<br />
em Mittelpunkt<br />
aufgehangen. Das<br />
erfordert Sorgfalt<br />
beim Messen.<br />
SCHWEBE-<br />
TELLER<br />
P hysik zum Anfassen biete<br />
die schwebende Platte.<br />
Das Hebelprinzip, das Gleichgewicht der Kräfte<br />
und die<br />
Erdanziehungskraft spielen in jeder Spiel-Variante<br />
mit.<br />
Weitere Themen in dieser Ausgabe:<br />
Neuer Glanz für Fassaden und Fenster, Welche Farbe eignet sich<br />
für welche Wand, Basiswissen Holz- und Zinken-Verbindungen<br />
und vieles mehr!<br />
77
Gefährliches Machtgefüge am Golf<br />
FAKTEN<br />
Die Gegner<br />
Irak: Wehrpflichtigenarmee von zirka einer<br />
Millionen Soldaten (150.000 Soldaten<br />
der Republikanischen Garde), Verluste: etwa<br />
30.000 Gefallene<br />
Antiirakische Koalition: etwa 900.000 Soldaten<br />
auf dem Höhepunkt des Krieges (davon<br />
539.000 USA, 45.000 Großbritannien),<br />
Verluste: rund 500 Gefallene<br />
(5)Der Sieg löst entgegen der Meinung militärischer<br />
Traditionalisten eben nicht alle<br />
Probleme: „die Allianz war bereits ab<br />
Sommer 1991 wieder gezwungen, Streitkräfte<br />
für eine unter Umständen notwendige<br />
neue Intervention bereitzustellen.“<br />
Kalter Krieg und schwarzes Gold<br />
Also ein Pyrrhussieg und ein Beweis für die<br />
Gültigkeit der These „den Krieg gewonnen,<br />
aber den Frieden verloren“? Die Antwort darauf<br />
fällt zwiespältig aus, gerade im Wissen<br />
darum, dass es noch einen Dritten Golfkrieg<br />
geben sollte!<br />
Für Saddam ist der Angriff auf Kuweit jedenfalls<br />
zwingend notwendig. Das Land ist<br />
erschöpft durch den achtjährigen Krieg gegen<br />
den Iran, den Saddam nur hatte gewinnen<br />
können, weil in der letzten Phase des<br />
Ost-West-Konflikts weder die westliche<br />
noch die östliche Seite daran interessiert war,<br />
dass der schiitisch geprägte Iran im Zeichen<br />
der „islamischen Revolution“ zur beherrschenden<br />
Macht in der Golfregion aufsteigt.<br />
Der Iran kann als staatliche und kulturelle<br />
Einheit auf eine Jahrtausende zählende<br />
Geschichte zurückblicken. Anders hingegen<br />
seine Nachbarn: Sowohl der Irak als auch<br />
Kuweit verkörpern Staatsneubildungen<br />
sein, seit 1979 an der Macht, schien der Irak<br />
zum Warschauer Pakt zu gehören.<br />
Eine Veränderung trat, wie gesagt, zögerlich<br />
ab dem Zeitpunkt ein, als zwischen dem<br />
angreifenden Irak und dem Iran ein achtjähriger<br />
Waffengang, der Erste Golfkrieg, anhob<br />
(22. September 1980). Durch die Unterstützung<br />
sowohl von Ost wie West und insbeüber<br />
Stammesgrenzen hinweg, die von den<br />
Siegern des Ersten Weltkrieges geschaffen<br />
worden waren, als es 1920 in Sèvres galt, das<br />
Osmanische Reich als Verlierer des Ersten<br />
Weltkrieges aufzulösen. Die staatliche Architektur<br />
der Golfregion entsprach britischer<br />
Herrschaftsambition. Es ging um den<br />
Schmierstoff der modernen Welt: um Erdöl.<br />
Die USA wurden in der Golfregion samt<br />
der arabischen Halbinsel erst während des<br />
Zweiten Weltkrieges vorstellig. Sie setzten<br />
nicht auf die massive Stationierung von Soldaten,<br />
sondern primär auf die Kooperation<br />
mit dem saudischen Königshaus, um sowohl<br />
ihren Alliierten, Großbritannien, vor kolonialpolitischen<br />
Eskapaden zu bewahren als<br />
auch für billiges Erdöl zu sorgen. Mit dem<br />
aufkommenden Kalten Krieg wurde für die<br />
USA zunehmend der Iran interessant, ja unersetzlich.<br />
Der Sturz des Schah-Regimes<br />
(1977) und die darauffolgende Etablierung<br />
eines schiitisch geprägten Gottesstaates<br />
schienen abrupt der massiven amerikanischen<br />
Einflussnahme in der Golfregion ein<br />
Ende zu bereiten. Ähnlich war es den Briten<br />
mit dem Irak seit Juli 1958 ergangen. Mit der<br />
Herrschaft der Baath-Partei wandte sich der<br />
Irak zunehmend vom Westen ab und driftete<br />
ins sowjetische Lager. Unter Saddam Hus-<br />
DAS ENDE: Für diese irakischen Soldaten<br />
ist der Kampf vorbei. Sie wurden am<br />
zweiten Tag der Bodenoffensive gefangen<br />
genommen.<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
VERBRANNTE ERDE: Irakische<br />
Truppen zerstören bei Ihrem Rückzug<br />
Ölquellen. Ein amerikanisches M998<br />
HMMWV fährt durch die gespenstische<br />
Wüstenlandschaft.<br />
Foto: picture alliance/akg<br />
Clausewitz 5/2014<br />
45
Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />
Größenwahnsinniger Tyrann<br />
Saddam Hussein<br />
Gehört Saddam Hussein (1937–2006) in<br />
dieselbe Kategorie wie Hitler, Stalin oder<br />
Mao Tse-tung? Die Meinungen darüber<br />
gehen auseinander. Von der Zahl der Menschenopfer<br />
her betrachtet haben die drei<br />
ungleich mehr Blut an den Fingern kleben<br />
als Saddam Hussein. Aber: Saddam ging<br />
bei ihnen in die Schule des politischen<br />
Verbrechens. Sein Herrschaftsapparat<br />
orientiert sich an den terroristischen Herrschaftsgebilden<br />
dieser drei Massenmörder,<br />
unter besonderer Berücksichtigung lokaler<br />
Gegebenheiten. Gestützt auf (1) seinen<br />
Familienclan und auf die Loyalität bestimmter<br />
Stämme unter den Vorzeichen des<br />
sunnitischen Islam, (2) ergänzt durch die<br />
Hilfe der Baath-Partei als monopolistische<br />
Massenpartei mit Deutungshoheit, also<br />
mittels Propaganda und Führerkult, und<br />
abgesichert (3) durch ein Regime miteinander<br />
konkurrierender Geheimdienste, errichtet<br />
der Diktator auf dem Gebiet eines<br />
künstlich von den Siegern des Ersten<br />
Weltkrieges geschaffenen Staates Strukturen,<br />
die eben diesem Staat namens Irak die<br />
Existenz sichern und ihn schließlich doch<br />
zerstören.<br />
Saddam ist kein Islamist, sondern ein<br />
brutaler weltlicher Herrscher, der den Faktor<br />
des sunnitischen Islam gegen die Schiiten<br />
und gegen die Kurden ganz gezielt einsetzt.<br />
Seine Herrschaft gewährt kein<br />
Pardon, selbst gegenüber abtrünnigen<br />
Familienmitgliedern nicht! Als<br />
„Wohltäter auf Zeit“ wirkt er, insofern<br />
er die Alphabetisierung der<br />
Bevölkerung, die Emanzipation der<br />
Frau, die Industrialisierung des<br />
Landes vorantreibt. Davon profitieren<br />
nicht zuletzt die Christen im Irak. Sie<br />
sind als Instrumente von Saddams<br />
Herrschaft geduldet. Ganz anders die<br />
Juden. Sie werden vertrieben, weil sich<br />
so Saddams Irak am besten als Führungsmacht<br />
der arabischen Welt zu<br />
inszenieren glaubt. Der Diktator setzt<br />
gegen die Kurden wie auch gegen den<br />
Iran gezielt C-Waffen ein. Hätte er es im<br />
Zweiten Golfkrieg auch gegen Israel<br />
getan („nur“ Raketen trafen damals<br />
israelisches Territorium), Israel hätte<br />
nicht gezögert, die Staudämme am<br />
Oberlauf von Euphrat und Tigris zu<br />
sprengen.<br />
Saddams Ambitionen zielen<br />
auch auf den Besitz von Atomwaffen.<br />
Das nach dem Zweiten Golfkrieg<br />
einsetzende anglo-amerikanische<br />
Kontrollregime auf Grundlage von<br />
UN-Beschlüssen vereitelt dies. Erst der<br />
völkerrechtlich äußerst umstrittene Dritte<br />
Golfkrieg (2003), den die USA auf der<br />
Grundlage gefälschter „Beweise“ für die<br />
Existenz von Massenvernichtungswaffen<br />
beginnen, bringt Saddams Herrschaft zu<br />
Fall. Am 30. Dezember 2006 wird er durch<br />
ein irakisches Tribunal verurteilt und anschließend<br />
hingerichtet. <strong>Wie</strong> und ob der Irak<br />
ohne ihn überlebt, bleibt abzuwarten.<br />
DER PATE VON BAGDAD: Während einer<br />
Parade posiert Saddam mit einem<br />
Gewehr vor seinen Truppen. Das Bild<br />
entstand Ende 2000, der verlorene<br />
Zweite Golfkrieg bringt den seit 1979<br />
regierenden Diktator (noch) nicht um<br />
seinen Posten. Foto: picture-alliance/dpa<br />
sondere durch deren Schweigen, als der Irak<br />
gegen den Iran wie auch gegen Teile der eigenen<br />
Bevölkerung C-Waffen einsetzte, fühlte<br />
sich Saddam in der Anschauung bestärkt,<br />
nicht nur im Innern, sondern auch gegenüber<br />
der Nachbarschaft agieren zu können,<br />
wie er wolle.<br />
Anspruchsvolle Aufgabe<br />
Dem Diktator entgeht dabei völlig, dass sich<br />
mit dem sowjetischen Reformer Gorbatschow<br />
auch die Weltpolitik zu wandeln beginnt.<br />
Diese neue Sowjetunion, die der deutschen<br />
Einheit keine Steine in den Weg legt,<br />
ist nicht bereit, dem weltlich orientierten irakischen<br />
Regime einen machtpolitischen<br />
Blanko-Scheck auszustellen. Saddam realisiert<br />
offensichtlich auch nicht, dass mittlerweile<br />
in die Palästina-Frage Bewegung gekommen<br />
ist. Die Israelis und die gemäßigten<br />
Kräfte auf palästinensischer Seite gehen aufeinander<br />
zu. Hinzu kommt, dass ein machtpolitisch<br />
ambitionierter, noch dazu weltlich<br />
orientierter Irak auch nicht im Interesse der<br />
Saudis und der Golfstaaten liegt.<br />
Als Saddam den Angriff auf den Nachbarn<br />
Kuweit befielt, dokumentiert er zwar<br />
machtpolitische Ambitionen, legt zugleich<br />
aber auch Zeugnis ab für eine gigantische<br />
Fehleinschätzung der Lage. Tatsache ist aber<br />
auch, dass der amerikanische Kongress die<br />
Entsendung von Soldaten am 12. Januar 1991<br />
nur mit knapper Mehrheit billigt (Senat: 52<br />
pro, 47 contra; Repräsentantenhaus: 250 pro,<br />
183 contra). Das heißt, die amerikanische öffentliche<br />
Meinung ist alles andere als kriegslüstern.<br />
Zu tief sitzt noch der Schock des Vietnam-Krieges.<br />
Zur effizienten Abwehr der<br />
irakischen Aggression ergeben sich daher<br />
aus amerikanischer Sicht mehrere Herausforderungen:<br />
(1)Den Krieg durch den Einsatz modernster<br />
Technik unbedingt kurz zu halten,<br />
(2)den Waffengang der Öffentlichkeit glaubhaft<br />
als „klinisch einwandfreie Operation“,<br />
durchzuführen durch Präzisionswaffen,<br />
darzustellen,<br />
(3)nach dem Motto „winning the hearts and<br />
minds“ Journalisten in das Kampfgeschehen<br />
„einzubetten“, auf dass der Krieg an<br />
der Heimatfront und auf internationaler<br />
Ebene publizistisch gewinnbar ist,<br />
(4)die machtpolitische Interessenlage der<br />
USA multilateral, also zusammen mit und<br />
bewusst eingehend auf alte und neue Verbündete,<br />
umzusetzen.<br />
1990 ist die US-Administration unter Präsident<br />
Georg Bush sen. noch davon überzeugt, dass<br />
sich nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes<br />
eine neue internationale Ordnung auf der Basis<br />
eines gemeinsamen Menschenrechtsverständnisses<br />
abzeichnen würde. Gut zehn Jahre<br />
später – unter der Präsidentschaft des Sohnes<br />
– sollte dies nicht mehr der Fall sein.<br />
Kurz und schmerzvoll<br />
Der Zweite Golfkrieg dauert in der Tat nicht<br />
lange, nämlich vom 2. August 1990 (Angriff<br />
des Iraks auf Kuweit) bis zum 28. Februar<br />
(Verkündung des Waffenstillstandes seitens<br />
der USA) beziehungsweise 3. März 1991<br />
(Unterzeichnung des Waffenstillstandabkommens).<br />
Dieser Zeitraum ist seinerseits<br />
abgrenzbar in drei Perioden:<br />
(1)Vom irakischen Angriff bis zur Annexion<br />
Kuweits (2.–8. August 1990).<br />
(2)Vom Eintreffen der ersten amerikanischen<br />
Soldaten in Saudi-Arabien bis zum Abschluss<br />
der Operation „Desert Shield“,<br />
dem Aufmarsch der Koalitionskräfte<br />
(9. August 1990–16. Januar 1991).<br />
46
Beginn der Bodenoffensive<br />
ZUM NAHKAMPF BEREIT: Britische Soldaten mit aufgepflanztem<br />
Bajonett während einer Übung in der saudischen Wüste im<br />
Januar 1991. Die Briten stellen nach den Amerikanern das<br />
größte Kontingent der alliierten Streitmacht. Anders als im<br />
Dritten Golfkrieg engagiert sich 1991 aber auch Frankreich<br />
(inkl. der Fremdenlegion).<br />
Foto: picture-alliance/dpa<br />
(3) Der Operation „Desert Storm“, dem Angriff<br />
der Koalition, der Befreiung Kuweits<br />
und der Zerschlagung der irakischen<br />
Streitkräfte in Kuweit und dem südlichen<br />
Irak: Insgesamt 46 Kriegstage (17. Januar-<br />
3. März 1991), wovon lediglich fünf Tage<br />
(24.–28. Februar 1991) der Bodenoffensive<br />
vorbehalten bleiben.<br />
Siegreicher Soldat<br />
General H. Norman Schwarzkopf<br />
Bis zum Beginn der Bodenoffensive am<br />
24. Februar 1991 haben die Alliierten ab dem<br />
17. Januar rund 110.000 Luftangriffe auf den<br />
Irak und seine Stellungen in Kuwait geflogen<br />
und eine Last von 85.000 Tonnen an<br />
großteils präzisionsgesteuerten Bomben abgeworfen.<br />
Stealth-Tarnkappenbomber und<br />
elektronische Kampfführung zum Ausschal-<br />
BÄRBEIßIG UND HEMDSÄRMELIG: General<br />
Schwarzkopf während einer Pressekonferenz<br />
im Königreich Saudi-Arabien am 10. Februar<br />
1991. Der Amerikaner<br />
mit deutschen<br />
Wurzeln wollte die<br />
irakische Armee<br />
bereits 1991 völlig<br />
aufreiben.<br />
Foto: picturealliance/dpa<br />
Die Bezeichnung „Haudegen“ gibt nur grob wieder, was die<br />
amerikanische Öffentlichkeit an General H. Norman Schwarzkopf<br />
(1934–2012) so liebte, und was viel besser ausgedrückt<br />
ist mit dem Spitznamen „Stormin’ Norman“: Der<br />
Generalssohn mit bulliger Erscheinung, grimmigem Blick und<br />
deutschstämmigen Wurzeln kommandiert die Koalitionstruppen<br />
im Zweiten Golfkrieg. Operation „Desert Storm“ macht<br />
das Vietnam-Trauma vergessen, und so zählt Schwarzkopf<br />
neben Patton und Eisenhower zu den populärsten amerikanischen<br />
Generalen des 20. Jahrhunderts. Zweifellos weiß sich<br />
„Stormin’ Norman“ gekonnt zu inszenieren. Hohe Intelligenz<br />
und künstlerische Sensibilität zeichnen ihn aus. Er, der<br />
Hochdekorierte, lehnt eine politische Karriere stets ab. Das<br />
hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er immer<br />
militärisch statt politisch denkt. Schwarzkopf ist kein Mann<br />
für Cocktail-Partys und nicht zu haben für politische Kompromisse.<br />
Ist er also zu geradlinig? Darüber kommen in zeitlicher<br />
Distanz zum Zweiten Golfkrieg zunehmend<br />
Zweifel auf. Schwarzkopfs Memoiren stehen in eigenartigem<br />
Kontrast zur Studie von Michael R. Gordon und<br />
Bernard E. Trainor „The Generals’ War: The Inside<br />
Story of the Conflict in the Gulf”, erschienen<br />
1995. Ungeachtet der dortigen Entzauberung<br />
eines hochdekorierten Truppenführers: Zu<br />
gern hätte Schwarzkopf im Frühjahr 1991<br />
die irakischen Truppen völlig zerschlagen.<br />
Die Politik von Präsident George Bush<br />
sen. ließ es nicht zu. Militärisch wäre es<br />
durchaus möglich gewesen. Mehr als<br />
zehn Jahre später sollte Schwarzkopfs<br />
Wunsch in Erfüllung gehen – freilich zu<br />
einem anderen politischen Preis und<br />
nicht unter seiner militärischen Verantwortung.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
47
Schlachten der Weltgeschichte | Zweiter Golfkrieg von 1990/91<br />
HIGHTECH-KRIEG: Als die antiirakische Allianz<br />
am 17. Januar 1991 mit dem Bombardement des<br />
Irak beginnt, ist dies der bis dahin größte Luftangriff<br />
der Geschichte. Flugzeugträger wie die hier<br />
gezeigte USS THEODORE ROOSEVELT (siehe Grafik<br />
unten) spielen dabei eine zentrale Rolle.<br />
Die gezeigte F-14 Tomcat (Foto) stammt von der<br />
ROOSEVELT. Foto: picture alliance/Everett Collection<br />
GRAFIK<br />
So funktioniert ein US-Träger<br />
Abb.: picture-alliance/dpa Grafik<br />
ten der irakischen Luftabwehr kommen effizient<br />
zum Einsatz. Dennoch sind sogenannte<br />
„Kollateralschäden“ unvermeidbar.<br />
Die Bodenoffensive ist untrennbar verbunden<br />
mit dem Namen von General Norman<br />
Schwarzkopf, der mit dem Spitznamen<br />
„Stormin’ Norman“ gewissermaßen das<br />
amerikanische Gegenstück zum preußischen<br />
„Marschall Vorwärts“ Blücher darstellt. Sie<br />
beginnt am 24. Februar 1991 um 4:00 Uhr.<br />
Marines dringen tief in irakisches Territorium<br />
ein und erringen erhebliche Erfolge gegenüber<br />
den demoralisierten irakischen Soldaten:<br />
29 irakische Divisionen sind zerschlagen,<br />
etwa 3.008 Kampfpanzer außer Gefecht,<br />
1.879 der 2.870 gepanzerten Fahrzeuge und<br />
2.140 der 3.100 Artilleriegeschütze zerstört.<br />
63.000 irakische Soldaten gehen in Kriegsgefangenschaft.<br />
Saddams republikanische Garden<br />
bleiben indessen intakt! Der Rückzug<br />
der Irakis aus Kuweit ab dem 26. Februar geschieht<br />
nach der Devise „verbrannte Erde“,<br />
was wiederum zur stundenlangen Bombardierung<br />
des irakischen Trosses auf der damit<br />
zum „Highway of Death“ umbenannten Verbindungstrasse<br />
zwischen Bagdad und Kuweit-City<br />
durch die Luftstreitkräfte der Allianz<br />
führt. 100 Stunden nach Beginn der Boden-invasion<br />
ist der Kuweit befreit.<br />
Bitter enttäuschte Hoffnungen<br />
Die USA scheinen mit dem Zweiten Golfkrieg<br />
das „Trauma Vietnam“ endgültig überwunden<br />
zu haben. Propagandistisch verlor<br />
der Irak den Krieg bereits gleich zu Beginn.<br />
Stichwortartig seien als Beleg dafür nur ge-<br />
48
Das Ende als Anfang eines neuen Krieges<br />
Literaturtipps<br />
Anmerkung: Eine militärhistorisch-kritische Darstellung des Golfkrieges<br />
steht bislang wegen der weithin noch unzugänglichen Militärakten<br />
aus. Die archivalische Sperrfrist in den USA und in GB<br />
beträgt 30 Jahre. Gleichwohl sind hervorzuheben die Leistungen<br />
des investigativen Journalismus (z.B. Atkinson oder Pollack).<br />
Titel aus unterschiedlicher US-amerikanischer Perspektive:<br />
Rick Atkinson: The untold story of the persian gulf war, Boston 1993.<br />
Norman Schwarzkopf: Man muss kein Held sein.<br />
Die Autobiographie, München 1993.<br />
U. S. News & World Report: Triumph without Victory. New York 1992.<br />
Deutschsprachige Literatur aus militärgeschichtlicher/militärpolitischer<br />
Perspektive:<br />
Gustav Däniker: Wende Golfkrieg. Vom Wesen und Gebrauch künftiger<br />
Streitkräfte, Frankfurt/M. 1992.<br />
Wolfgang Wolf: Der Golfkrieg. Eine erste militärpolitische und militärische<br />
Auswertung, Bonn 1992.<br />
Hartmut Zehrer (Hg.): Der Golfkonflikt. Dokumentation, Analyse<br />
und Bewertung aus militärischer Sicht, Herford u.a. 1992.<br />
nannt: die als Geiseln genommenen Ausländer<br />
in Kuweit, die Zerstörung des kuweitischen<br />
Gesundheitswesens mit Brachialgewalt,<br />
das spätere Anzünden der kuweitischen Ölfelder<br />
und die unverhohlenen Drohungen, Israel<br />
durch den Einsatz von C-Waffen, legitimiert<br />
durch die Bezeichnung „Heiliger Krieg“, zu<br />
vernichten. Eine Solidarisierung der islamischen<br />
Welt mit dem Aggressor Irak tritt nicht<br />
ein, wiewohl die palästinensische Bevölkerung<br />
im Westjordanland Sympathie mit Saddam<br />
zeigt und sich eben dadurch erhebliche<br />
Chancen für eine eigene, von Israel wirklich<br />
anerkannte Staatlichkeit verbaut.<br />
Dass die Bodenoffensive, unter dem militärischen<br />
Kommando von General Schwarzkopf<br />
durchgeführt nach dem „Cannae-Prinzip“,<br />
nur fünf Tage dauert und den Machtapparat<br />
des Irak im Kern nicht zerstört, ist nur<br />
dem Umstand geschuldet, dass das UN-Mandat<br />
ebendieses nicht vorsieht und die Allianz<br />
langsam markante Risse zeigt. Insbesondere<br />
die Anwesenheit der „Ungläubigen“ auf saudischem<br />
Boden erweist sich im Nachhinein als<br />
Inkubationszeit für den islamischen Terrorismus<br />
im Zeichen von al-Qaida. Das Regime<br />
des Irak ist gleich nach dem Ende der Operation<br />
„Desert Storm“ in der Lage, sich zu regenerieren.<br />
Den Kurden im Norden und den<br />
Schiiten im Süden droht nun der blanke Terror.<br />
Und so geht das Kalkül nicht auf, Saddam<br />
und seine Clique würden von Innen gestürzt<br />
werden können, und der Zweite Golfkrieg<br />
diene dafür als Initialzündung.<br />
Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, ist<br />
Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und ständiger<br />
Mitarbeiter von <strong>CLAUSEWITZ</strong>.<br />
Clausewitz 5/2014
Militärtechnik im Detail<br />
Kompakte Zugmaschine<br />
Das deutsche Kettenkraftrad<br />
HK 101<br />
Gebaut wurde die kleinste deutsche Zugmaschine<br />
besonders mit Blick auf deren Luftverlastbarkeit<br />
– dabei dachte man aber nicht an Fallschirmeinsätze<br />
–, deshalb waren deren Abmessungen<br />
so angelegt, dass man sie in Lastensegler<br />
und Ju-52-Transportmaschinen „quetschen“<br />
konnte. Ein „Kettenkrad“, wie es die Landser<br />
nannten, war in der Lage, Material oder zwei Soldaten<br />
(neben dem Fahrer) und Anhänger oder Geschütze<br />
zu transportieren, Kabel zu verlegen oder<br />
sogar als Waffenträger zu fungieren. In der Endphase<br />
des Krieges half es durch seine Schleppdienste<br />
vor Düsenflugzeugen wie der Messerschmitt<br />
262 und der Arado 234, auf den Rollbahnen<br />
der Luftwaffe Treibstoff zu sparen.<br />
Doch das eigentliche Lieblingselement dieses<br />
kleinen Wühlers war wohl der Dreck. „Wir haben<br />
das Kettenkrad geliebt“, sagt Afrikakorps-Veteran<br />
Heinrich Erichsen, dessen Kriegsgefangenschaft<br />
ihn in die USA geführt hatte, wo er schließlich<br />
amerikanischer Bürger wurde. „Im Frühjahr war<br />
Tunesien ein einziger morastiger Sumpf. Wir nutzten<br />
das Kettenkrad, um unsere Panzerabwehrkanonen<br />
(Pak) in Stellung zu ziehen“, sagt der heute<br />
in Houston, Texas ansässige Veteran. „Am Abend<br />
fuhr dann einer von uns ins Hauptlager, um Verpflegung<br />
zu besorgen. Die sehnsüchtig erwartete<br />
Kost kam dann meist auch noch heiß bei uns an“.<br />
Entgegengesetzt zur Fahrtrichtung<br />
Passagiere schauten nach hinten und waren Staub<br />
und Schlamm ausgesetzt. Das hier abgebildete<br />
Kettenkrad trägt die Markierungen der berühmten<br />
21. Panzerdivision des Afrikakorps.<br />
Illustration: Jim Laurier<br />
Mechanischer Muskelprotz<br />
Der Nutzlast von circa 310 Kilogramm, was bereits<br />
den Fahrer mit einschloss, stand eine Zugkraft von<br />
circa drei Tonnen auf Asphalt und circa 500 Kilogramm<br />
im Gelände gegenüber.<br />
Auf Basis des Kettenkrades (ein Laufrollenpaar mehr<br />
und Wegfall der Lenkradgabel etc.) wurde sogar ein<br />
ferngelenkter Ladungsleger („Springer“) entwickelt,<br />
der eine 330-Kilogramm-Sprengladung unter Panzerschutz<br />
an sein Ziel beförderte.<br />
Auf diesem Bild lässt<br />
das Gefährt sein wichtigstes<br />
„Talent“ erkennen.<br />
Sein wannenförmiger<br />
Rumpf, der hochgelegene<br />
Auspuff sowie<br />
die gut 20 Zentimeter<br />
Bodenfreiheit erlaubten<br />
es dem Kettenkrad,<br />
sich durch flache<br />
Gewässer oder gut<br />
40 Zentimeter tiefen<br />
Schlamm zu kämpfen.<br />
Foto: Thomas Anderson<br />
<strong>Wie</strong> bei den „schweren Jungs“<br />
Das vollbeladen circa 1.560 Kilogramm<br />
schwere ungepanzerte Kettenkrad, das drei Meter lang und<br />
einen Meter breit war, nutzte die gleiche Schachtellaufwerksanordnung<br />
wie man sie bei schweren deutschen gepanzerten<br />
Gefechtsfahrzeugen (z. B. „Panther“ und „Tiger“) vorfand.<br />
50
„Gangart“<br />
Als Antrieb diente dem Kettenkrad ein wassergekühlter<br />
Vierzylindermotor, wie er beim Opel Olympia verwendet<br />
wurde. Das Getriebe bot drei Vorwärtsgänge und einen<br />
Rückwärtsgang, zusätzlich gab es ein Vorgelege für den<br />
Gelände- und den Straßeneinsatz. Daher standen dem<br />
Fahrer sechs Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge zur<br />
Verfügung. Die beiden Produktionsfirmen NSU in<br />
Neckarsulm und Stoewer in Stettin haben weit über<br />
8.000 Einheiten produziert.<br />
Kombinierte Lenkung<br />
Bei kleinen Lenkausschlägen unter acht<br />
Grad wurde das Kettenkrad mit Hilfe der<br />
Parallelogrammgabel und des Vorderrades<br />
gelenkt. Größere Lenkausschläge<br />
setzten eine Lenkbremse in Aktion, die<br />
die kurveninnere Kette abbremste.<br />
Ein gewandter und geländeerprobter<br />
Fahrer konnte<br />
Gefälle von 24 Grad<br />
Neigung auf sandigem<br />
oder sogar 60 Grad Neigung<br />
auf festem trockenem<br />
Untergrund bewältigen.<br />
Die beiden 21-Liter-<br />
Treibstofftanks des<br />
Kettenkraftrads verliehen<br />
ihm eine Reichweite von<br />
circa 250 Kilometern.<br />
Die Höchstgeschwindigkeit<br />
lag bei 70 km/h.<br />
Foto: Thomas Anderson<br />
DIE MITBEWERBER:<br />
Das amerikanische M29 Weasel<br />
Gewicht: 2.375 Kilogramm<br />
Höchstgeschwindigkeit: circa 55 km/h<br />
Produktionszahl: 15.124 Stück<br />
Häufig für den Transport von<br />
Mannschaften und Material eingesetzt.<br />
Der britische Universal Carrier<br />
Gewicht: 3.400 Kilogramm<br />
Höchstgeschwindigkeit: circa 48 km/h<br />
Produktionszahl: 113.000 Stück<br />
Häufig irrtümlich als „Bren gun carrier“<br />
bezeichnet. Dieses Fahrzeug ist das<br />
meistproduzierte gepanzerte Kampffahrzeug<br />
aller Zeiten.<br />
Die gepanzerte sowjetische T-20<br />
Zugmaschine<br />
Gewicht: 3.170 Kilogramm<br />
Höchstgeschwindigkeit: circa 50 km/h<br />
Produktionszahl: 23.000 Stück<br />
Zog Feldgeschütze, Munitionsanhänger<br />
und transportierte Mannschaften.<br />
Die französische Renault UE<br />
Chenillette (Schlepper)<br />
Gewicht: 2.600 Kilogramm<br />
Höchstgeschwindigkeit: circa 30 km/h<br />
Produktionszahl: 5.300 Stück<br />
Nach der Eroberung Frankreichs<br />
nutzten die Deutschen die leichten<br />
gepanzerten Schlepper häufig als<br />
Selbstfahrlafetten für ihre 3,7-Zentimeter-Pak.<br />
Der deutsche<br />
Raupenschlepper Ost<br />
Gewicht: 2.700 Kilogramm<br />
Höchstgeschwindigkeit: circa 29 km/h<br />
Produktionszahl: 23.000 Stück<br />
Gebaut vornehmlich für die Ostfront.<br />
Bisweilen mit einer 7,5- oder sogar<br />
8,8-Zentimeter-Pak versehen.<br />
Produktion: 101 Stück<br />
Zur Not auch ohne Rad<br />
Die Vorderradgabel und das<br />
Vorderrad ließ sich sogar<br />
entfernen. Selbst dann noch<br />
konnte das Kettenkrad – bei<br />
niedriger Geschwindigkeit – allein<br />
mit Hilfe seiner 40-gliedrigen Ketten<br />
gefahren und gelenkt werden.<br />
In dieser Serie bereits erschienen:<br />
Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />
Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />
Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />
Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013)<br />
Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />
Fairey Swordfish (6/2013)<br />
Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014)<br />
Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014)<br />
Heinkel He 111 (2/2014)<br />
Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014)<br />
Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014)<br />
Demnächst:<br />
Schwerer Bomber „Lancaster“ aus<br />
Großbritannien (6/2014)<br />
Clausewitz 5/2014<br />
51
Militär und Technik | Landungsboote<br />
AN DER KÜSTE: Ein Landungsboot der<br />
„Robbe“-Klasse der Volksmarine. Gut zu<br />
erkennen sind die Flugabwehrgeschütze<br />
der Bordbewaffnung. Foto: Sammlung Mehl<br />
Landungsboote von Bundes- und Volksmarine<br />
Von der See an<br />
1950er-Jahre: Beim Aufbau der Bundesmarine spielen Landungsboote eine wichtige Rolle.<br />
Auch in den Seestreitkräften der NVA werden sie seit 1960 eingeführt, um im Ernstfall<br />
an Küstenabschnitten des Gegners landen zu können.<br />
Von Eberhard Kliem<br />
Unerwartet schnell muss sich die 1949<br />
gegründete Bundesrepublik Deutschland<br />
mit der Frage eines eigenen militärischen<br />
Beitrages an der Verteidigung Westeuropas<br />
beschäftigen. Dies zumindest erwarten<br />
die ehemaligen Kriegsgegner USA und<br />
Großbritannien. Im Kloster Himmerod in der<br />
Eifel versammeln sich auf Einladung von<br />
Bundeskanzler Konrad Adenauer im August<br />
1950 hochrangige Militärs, um erste Überlegungen<br />
und Gedanken zu entwickeln. Es entsteht<br />
die „Himmeroder Denkschrift“, in der<br />
auch eine zukünftige deutsche Marine konzeptionell<br />
geplant wird. Auf dieser Grundlage<br />
werden in weiteren Denkschriften entsprechende<br />
Einzelheiten entwickelt. Mit der<br />
Gründung der Bundeswehr am 12. November<br />
1955 wissen die verantwortlichen Marineoffiziere,<br />
dass sie eine Randmeermarine aufbauen<br />
müssen, deren Hauptaufgaben in der<br />
Ostsee und der Nordsee liegen werden.<br />
Von Beginn an sehen die planenden Offiziere<br />
einen Bestand von 36 Landungsfahrzeugen<br />
vor. Diese haben die Aufgabe, durch<br />
„Landungen die russische Flankenempfind-<br />
lichkeit besonders auszunutzen und durch<br />
(…) Landungen weit im Rücken der russischen<br />
Front Kräfte zu binden und Unsicherheit<br />
zu erzeugen“, so die Himmeroder Denkschrift.<br />
Es ist durchaus überraschend, dass in<br />
den westdeutschen Überlegungen ein relativ<br />
umfangreiches amphibisches Element eingeplant<br />
ist. Die Kriegsmarine dagegen hatte<br />
FÜHRUNGSSCHIFF: Das Landungsboot<br />
L 750 KROKODIL der Bundesmarine<br />
verfügt nach einem Umbau über<br />
einen besonderen Sanitätsbereich und<br />
ein Hubschrauberlandedeck.<br />
Foto: Sammlung Kliem<br />
sich kaum mit einer Kriegführung dieser Art<br />
beschäftigt. Die Landungen in Norwegen<br />
und Dänemark im Jahr 1940 waren durch<br />
Einlaufen und Absetzen der Truppen in Häfen<br />
durchgeführt worden. Und die geplante<br />
Invasion an der englischen Küste (Operation<br />
„Seelöwe“) wurde schließlich wieder fallengelassen.<br />
Auch der Bau und Einsatz von<br />
mehreren Hundert Marinefährprahmen<br />
52
MEHRZWECKLANDUNGSBOOT:<br />
Das in den 1960er-Jahren gebaute<br />
L 793 FELCHEN („Butt“-Klasse) der<br />
Bundesmarine. Foto: Sammlung Kliem<br />
die Küste<br />
(MFP) in der zweiten Hälfte des Weltkrieges<br />
1939–1945 hatte nicht dazu geführt, Einsatzund<br />
Führungsgrundsätze der amphibischen<br />
Kriegführung zu entwickeln.<br />
Erste Überlegungen<br />
Dass die bundesdeutsche Marine einen anderen<br />
Weg beschritten hat, geht vermutlich<br />
auf US-amerikanische Initiative zurück. Die<br />
US-Marine hatte insbesondere im Kampf<br />
gegen Japan die amphibische Kriegführung<br />
zu einer den Krieg entscheidenden Bedeutung<br />
entwickelt. Auch die alliierte Invasion<br />
in Frankreich im Juni 1944 wäre ohne einen<br />
entsprechenden Beitrag der USA undenkbar<br />
gewesen.<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
„Butt”-Klasse<br />
Typ<br />
„Butt“-Klasse*<br />
Länge<br />
40,0 m<br />
Breite<br />
8,81 m<br />
Tiefgang<br />
2,10 m<br />
Verdrängung<br />
k.A.<br />
Beladung sechs mil. Fahrzeuge od. drei Leopard-Panzer<br />
Bewaffnung 2 x 20 mm, Minenbeladung (bis zu 50 Ex.)<br />
Besatzung 15–21<br />
*alle Angaben nach Gerhard Koop/Siegfried Breyer: Die Schiffe, Fahrzeuge<br />
und Flugzeuge der deutschen Marine von 1956 bis heute, Bonn 1996.<br />
Doch trotz „Rückenwind“ aus den Vereinigten<br />
Staaten läuft der organisatorische<br />
Aufbau der amphibischen Streitkräfte der<br />
Bundesmarine unkoordiniert, improvisiert<br />
und meist ohne vorausschauende Planung<br />
ab: Am 1. November 1958 wird zwar in Wilhelmshaven<br />
das „Kommando der Amphibischen<br />
Streitkräfte“ aufgestellt. Ihm unterstellt<br />
werden jedoch gleichzeitig die U-Bootlehrgruppe<br />
(ULG), die sich um den Aufbau<br />
der zukünftigen deutschen Unterseebootflotte<br />
kümmern muss, außerdem ein Küstenumschlagbataillon,<br />
ein Seebataillon und andere<br />
artverwandte Einheiten.<br />
Es verwundert somit nicht, dass sich dieser<br />
für die Bundesmarine neuartige Seekriegsbereich<br />
nur schleppend weiterentwickelt.<br />
Dies ist aber nötig, denn schon vor<br />
Aufstellung des vorgesetzten Führungskommandos<br />
sind im fernen Charleston in den<br />
USA am 5. September 1958 vier ehemalige<br />
amerikanische Landungsboote LSM (Landing<br />
Ship, Medium) als „Eidechse“-Klasse<br />
und zwei LSMR (Landing Ship, Medium,<br />
Rocket) als „Otter“-Klasse in Dienst gestellt<br />
worden. Im Dezember 1958 laufen sie in Wilhelmshaven<br />
ein und werden als 2. Landungsgeschwader<br />
geführt.<br />
Übungen und Manöver<br />
Die folgenden Jahre sind geprägt von Umorganisation<br />
und Verlegungen in andere<br />
Standorte, aber auch von eifriger Manövertätigkeit<br />
mit dem Ziel, eindeutige Führungsund<br />
Einsatzgrundlagen zu erlangen.<br />
Langsam gewinnt die amphibische Seekriegführung<br />
innerhalb der Einsatzkonzeption<br />
der Bundesmarine und auch der übergeordneten<br />
NATO-Kommandobehörden an<br />
NEUE KONS-<br />
TRUKTION:<br />
Seiten- und<br />
Aufriss eines<br />
Landungsbootes<br />
der in den 1960er-<br />
Jahren in Hamburg<br />
(Howaldtswerke)<br />
gebauten „Butt“-<br />
Klasse.<br />
Abb.: Sammlung Mehl<br />
Clausewitz 5/2014<br />
53
Militär und Technik | Landungsboote<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
Landungsboote der Volksmarine<br />
Typ „Labo“-Klasse* „Robbe“-Klasse*<br />
Länge 41,1 m 64 m<br />
Breite 6,9 m 11,6 m<br />
Tiefgang 1,1 m 2,4 m<br />
Verdrängung 232 t 707 t<br />
Zuladung 2 x Panzer plus aufges. Infanterie 11 x Panzer o. vergleichb. mil. Stückgut<br />
plus aufges. Infanterie<br />
Bewaffnung 4 x 25 mm 2 x 57 mm<br />
4 x 25 mm<br />
Minenbeladung mögl.<br />
Besatzung 15 32<br />
*alle Angaben nach Hans Mehl/Knut Schäfer: Die andere deutsche Marine, Berlin 1992.<br />
EIGENE ENTWICKLUNG: Seiten- und<br />
Aufriss der in Wolgast gebauten „Labo“-<br />
Klasse („Projekt 46“) der Volksmarine.<br />
Abb.: Sammlung Mehl<br />
EIGENE ENTWICKLUNG: Ein Landungsboot<br />
der „Labo“-Klasse der Volksmarine. Markant<br />
ist der pontonartige Bootskörper.<br />
Foto: Sammlung Mehl<br />
(80 t)“ angesprochen. In späteren, allerdings<br />
nicht verwirklichten Plänen aus den frühen<br />
1960er-Jahren ist sogar von 36 bis 48 Landungsbooten<br />
die Rede.<br />
Weiterentwicklungen<br />
In der Folge erhält das „Institut für Schiffbautechnik“<br />
(ISW) in Wolgast den Auftrag,<br />
ein solches Boot zu entwickeln. Es entsteht<br />
das „Projekt 46“, dessen Nullboot (46.0) im<br />
Herbst 1960 fertig gestellt wird. Nach einer<br />
fast zweijährigen praktischen Erprobung beginnt<br />
schließlich der Bau von elf weiteren<br />
Booten mit geringfügigen Abweichungen und<br />
Verbesserungen. Im allgemeinen Sprachgebrauch<br />
wird das Projekt 46 als Typ „Labo“<br />
(Landungsboot) bezeichnet. Es ist so ausgelegt,<br />
dass es zwei Panzer „T-34“ oder „Stalin“<br />
mit aufgesessener Infanterie an Strandabschnitte<br />
bringen kann. Im Aufgabenkatalog<br />
der VM wird festgelegt, dass ihre<br />
Landungsbootkomponente ab 1964 in der<br />
Lage sein muss, ein verstärktes Mot.-Schützen-Bataillon<br />
an einen „nicht eingerichteten<br />
Strand“ (gemeint ist ein Strandabschnitt des<br />
Gegners) im Gebiet der Ostseeausgänge an-<br />
Bedeutung. Hinderlich für eine kontinuierliche<br />
Weiterentwicklung ist aber das Fehlen<br />
von zugeordneten Heerestruppen, die – vergleichbar<br />
dem U.S. Marine Corps – darauf<br />
geschult sind, mit Landungsbooten an<br />
Strandabschnitten abgesetzt zu werden.<br />
Währenddessen schreitet in der DDR der<br />
Aufbau der Nationalen Volksarmee (NVA)<br />
weiter voran. Auf der Basis verschiedener<br />
Grundsatzdokumente des Ministers für Nationale<br />
Verteidigung und des Chefs der Verwaltung<br />
der Volkspolizei See wird aus der<br />
seit 1949 bestehenden Seepolizei die Volksmarine<br />
(VM) aufgebaut. In den ersten Planungen<br />
ist von einer Landungsbootkomponente<br />
nicht die Rede. Erst in einem schriftlich<br />
fixierten „Plan für den Aufbau der Seestreitkräfte<br />
der DDR für das Jahr 1956–1960“ vom<br />
8. Juni 1955 wird der Bau „einer Abteilung<br />
Landungsboote mit zwölf Landungsbooten<br />
UMBAU: Ein ehemaliges Landungsboot vom Typ LCM 8/521 der Bundesmarine wird in der<br />
Volkswerft Stralsund umgerüstet, Aufnahme aus dem Jahr 1995.Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />
54
Amphibische Verbände<br />
zulanden. Ein solcher Einsatz wird auch in<br />
den offiziellen Anforderungen von Seiten<br />
des Vereinten Oberkommandos der Warschauer<br />
Vertragsstaaten von der Volksmarine<br />
gefordert. Eine spezielle Marineinfanterie<br />
besitzt auch sie nicht, deshalb wird das in<br />
Rostock stationierte Mot.-Schützenregiment<br />
28 für diese Aufgabe ausgebildet und vorgesehen.<br />
Erst in den 1980er-Jahren wird diese<br />
Einheit als Küstenverteidigungsregiment 18<br />
auch direkt der VM unterstellt.<br />
Großes Potenzial<br />
Unmittelbar im Anschluss an die Auslieferung<br />
der zwölf „Labos“ erhält wiederum die<br />
Peene-Werft in Wolgast den Auftrag zur<br />
Konstruktion und zum Bau von insgesamt<br />
sechs „Mittleren Landungsschiffen“ des<br />
„Projekts 47“ – später als Typ „Robbe“<br />
bezeichnet.<br />
Diese Landungsboote sind wesentlich<br />
größer und können in zwei Decks insgesamt<br />
„In den Seekriegsflotten haben die Kommandeure<br />
und Stäbe ihre praktischen Fähigkeiten<br />
bei der Planung und Durchführung des Anlandens<br />
von Landungstruppen (...) zu vervollkommnen.“<br />
Aus der Direktive 0069 des Oberkommandos des Warschauer Paktes<br />
elf Panzer oder Schützenpanzer mit Infanterie<br />
und weiterem Material transportieren. In<br />
einer Zweitfunktion können sie auch zu Minenlegern<br />
umgerüstet werden.<br />
Die Landungsboote der Volksmarine werden<br />
im Laufe der Zeit wechselnden Flottillen<br />
zugeordnet. Letztlich bilden sie in der 1. Flottille<br />
in Peenemünde eine sogenannte Landungsbootbrigade.<br />
In den Jahren von 1970<br />
bis 1975 stehen insgesamt zwölf Landungsboote<br />
der „Labo“-Klasse und sechs Landungsschiffe<br />
der „Robbe“-Klasse in Diensten<br />
der Volksmarine. Zusammen mit den<br />
umfangreichen Landungsbootkomponenten<br />
der sowjetischen und polnischen Seekriegsflotten<br />
ist dies ein ernst zu nehmender militärischer<br />
Faktor.<br />
Auch in der Bundesmarine schreitet die<br />
Weiterentwicklung der amphibischen Streitkräfte<br />
weiter voran. Die „US-Veteranen“ des<br />
Pazifikkrieges sind in die Jahre gekommen<br />
und müssen ersetzt werden. Es wird ein Plan<br />
entwickelt, der eine Konzentration auf nur<br />
drei Schiffstypen vorsieht und zudem<br />
WEITERENTWICKLUNG: Seiten- und Aufriss eines Landungsschiffs<br />
der zwischen 1974 und 1980 auf der<br />
Peene-Werft in Wolgast gebauten Hoyerswerda-Klasse<br />
(NATO-Codename: „Frosch I“-Klasse) der Volksmarine.<br />
Abb.: Breyer/Lapp: Die Volksmarine der DDR.<br />
IN FORMATION: Landungsschiffe der<br />
„Frosch“-Klasse im Rahmen eines Manövers<br />
der Seestreitkräfte der DDR.<br />
Foto: Sammlung Mehl<br />
Clausewitz 5/2014<br />
55
Militär und Technik | Landungsboote<br />
GEMEINSAME ÜBUNG: Landungsboote der<br />
„Frosch“-Klasse beim Anlanden von sowjetischen<br />
Schwimmpanzern. Foto: Sammlung Mehl<br />
vorschlägt, die amphibischen Verbände in<br />
die Ostsee zu verlegen. Dort entsteht Anfang<br />
der 1960er-Jahre der neue Marinehafen Olpenitz<br />
bei Kappeln, der eine hervorragende<br />
Basis für den Einsatz der Landungsstreitkräfte<br />
in den Gewässern der dänischen und<br />
deutschen Ostseezugänge darstellt. Hier ist<br />
an eine Schwerpunktbildung und Verstärkung<br />
von Heereseinheiten, aber auch an<br />
Evakuierungsaktionen gedacht, die mithilfe<br />
der Landungsboote bewerkstelligt werden<br />
sollen. Auch die Abwehr von Angriffen auf<br />
vorerst unverteidigte Inseln in den Ostseezugängen<br />
soll mit Unterstützung amphibischer<br />
Verbände erreicht werden.<br />
Gegner, sodass die Güter über den offenen<br />
Strand umgeschlagen werden müssen. Dies<br />
soll nun die Hauptaufgabe der amphibischen<br />
Verbände der Marine werden. Folgerichtig<br />
wird zum 1. Oktober 1969 die „Amphibische<br />
Gruppe“ in „Amphibische Transportgruppe“<br />
umbenannt. Erneut muss umgedacht und<br />
umgeplant werden, um den neuen Einsatzanforderung<br />
gerecht zu werden.<br />
„Wohl kein Verband der Bundesmarine hat in der relativ<br />
kurzen Zeit seiner Existenz so viele und grundlegende<br />
Änderungen über sich ergehen lassen müssen.“<br />
Adolf Graef: Die Geschichte der Amphibischen Verbände der Marine von1958–1992<br />
Neue Anforderungen<br />
Doch diese Pläne zerschlagen sich aus verschiedenen<br />
Gründen. Immerhin wird aber<br />
ein neuer Typ von Landungsbooten in Auftrag<br />
gegeben: das Mehrzwecklandungsboot<br />
(MZL) der Klasse 520 („Butt“-Klasse). Es ist<br />
eine deutsche Konstruktion, lehnt sich aber<br />
an die amerikanischen LCU (Landing Craft,<br />
Utility) an. Seit 1965 werden in schneller Fol-<br />
ge 22 MZL gebaut und dem 1. Landungsgeschwader<br />
in Wilhelmshaven – später verlegt<br />
nach Borkum – zugeführt.<br />
Die neuen Fahrzeuge bewähren sich bei<br />
vielen Einsätzen und Manövern. Insgesamt<br />
aber bleiben die Aufgaben der amphibischen<br />
Streitkräfte auch aus der Sicht des vorgesetzten<br />
Flottenkommandos undeutlich und letztlich<br />
zweitrangig. Zudem gibt es auch im Führungsstab<br />
der Marine (FÜM) in Bonn divergierende<br />
Pläne und Vorstellungen zum<br />
Einsatz dieser Verbände. Dort geht man von<br />
dem Gedanken aus, dass im Verteidigungsfall<br />
die Zivilbevölkerung, aber auch alle militärischen<br />
Verbände in hohem Maße abhängig<br />
vom Nachschub aus Übersee sein werden.<br />
Dabei rechnet man mit der Zerstörung<br />
der bestehenden Hafenanlagen durch den<br />
In der Volksmarine der DDR sind die Landungsfahrzeuge<br />
derweil zu einem integralen<br />
Bestandteil der Seekriegführung der Vereinigten<br />
Flotten der Warschauer-Pakt-Staaten<br />
geworden. Es gibt Überlegungen, für<br />
geplante Landungen an feindlich kontrollierten<br />
Stränden einen Einheitstyp zu schaffen,<br />
der die Standardisierungsprobleme bei<br />
derartigen Operationen mindern könnte. Die<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
Landungsboote der „Frosch”-Klasse<br />
Typ<br />
„Frosch“-Klasse*<br />
Länge<br />
90,7 m<br />
Breite<br />
11,1 m<br />
Tiefgang<br />
3,4 m<br />
Verdrängung<br />
1.744 t<br />
Beladung<br />
bis zu elf Fahrzeuge/Panzer<br />
Stückgut, ausgerüstete Infanterie<br />
Bewaffnung 4 x 57 mm, 4 x 30 mm, 2 x 122 mm Raketenwerfer (40 Rohre)<br />
Minenbeladung<br />
Besatzung 18<br />
*alle Angaben nach Hans Mehl/Knut Schäfer: Die andere deutsche Marine, Berlin 1992.<br />
VOLLE FAHRT VORAUS: Ein Landungsschiff der „Frosch“-Klasse<br />
der Volksmarine im Manövereinsatz. Foto: Sammlung Mehl<br />
56
Höherer Gefechtswert<br />
Wahl fällt schließlich auf die polnische „Polnocny“-Klasse.<br />
Trotzdem erteilt die militärische<br />
Führung der Volksmarine Anfang der<br />
1970er-Jahre (wiederum der Peene-Werft in<br />
Wolgast) den Auftrag zur Entwicklung eines<br />
„Mittleren Landungsschiffes“, das die verschlissenen<br />
Landungsschiffe der „Robbe“-<br />
Klasse ersetzen soll. Es entsteht das „Projekt<br />
108“, auch als „Frosch“-Klasse bezeichnet.<br />
Das erste Schiff (108.01), die „Hoyerswerda“,<br />
wird am 12. Dezember 1976 in Dienst gestellt.<br />
Bis zum Juni 1979 folgen weitere elf<br />
Einheiten. Die Volksmarine erhält damit ein<br />
Landungsschiff mit einem erheblich höheren<br />
Gefechtswert als die alte „Robbe“-Klasse.<br />
Die zwölf Einheiten der „Frosch“-Klasse<br />
stellen bis zur Auflösung der Volksmarine<br />
ein zuverlässiges und modernes amphibisches<br />
Potenzial dar. Im Zuge der Abrüstung<br />
und der sich verändernden Militärplanungen<br />
gegen Ende der 1980er-Jahre ändern<br />
sich die Einsatzvorstellungen für die Landungsschiffe.<br />
Grundlegender Wandel<br />
Anlandungen an Stränden des Gegners sind<br />
nicht mehr vorgesehen. Die Führung der<br />
Volksmarine plant den Umbau von vier<br />
Schiffen zu Minenlegern und drei Schiffen<br />
zu Aufklärungseinheiten. Doch die politische<br />
Entwicklung ist schneller: Mit der deutschen<br />
<strong>Wie</strong>dervereinigung am 3. Oktober<br />
1990 werden alle zwölf Landungsschiffe außer<br />
Dienst gestellt.<br />
Literaturtipp<br />
Friedrich Elchlepp, Walter Jablonsky (u.a.)<br />
Volksmarine der DDR. Deutsche Seestreitkräfte<br />
im Kalten Krieg, Hamburg (u.a.) 1999.<br />
MIT GEÖFFNETER BUGKLAPPE: Ein Landungsschiff<br />
der Volksmarine beim Beladen<br />
mit einem Schützenpanzerwagen.<br />
Foto: Sammlung Mehl<br />
Für die amphibische Komponente der<br />
Bundesmarine hingegen wird der stete<br />
Wechsel hinsichtlich ihrer operativen Aufgaben<br />
fast zur einzigen Konstante. Die umfangreichen<br />
Veränderungen innerhalb der<br />
Bundeswehr, die die Wehrstrukturreform<br />
der Jahre 1972/73 festlegt, sehen die Auflösung<br />
der Umschlagkomponente der Bundeswehr<br />
vor. Damit ist die Existenz der „Amphibischen<br />
Transportgruppe“ der Marine<br />
und der ihr zugeordneten Einheiten gefährdet.<br />
<strong>Wie</strong>derum sucht man nach einer neuen<br />
Aufgabe, insbesondere für die 22 MZL – und<br />
entschließt sich für einen radikalen Neuansatz.<br />
Das 1. Landungsgeschwader mit entsprechendem<br />
Stab und einer verkleinerten<br />
vorgesetzten Führungskomponente wird<br />
1977 in die Ostsee nach Kiel-Stickenhörn<br />
(Plüschowhafen) verlegt und in „Landungsbootgruppe“<br />
umbenannt. Neben den traditionellen<br />
Transport- und Verlegeaufgaben<br />
von Heereseinheiten über See werden die<br />
Landungsboote integral in die Verteidigungsaufgaben<br />
der Marine im Ostseebereich<br />
eingebunden. Durch Einbau von Minenschienen<br />
sind die MZL auch mit Minenlegeaufgaben<br />
betraut.<br />
Ab 1978 beginnt nach der Verlegung ein<br />
neuer Abschnitt in der Geschichte der amphibischen<br />
Einheiten der Bundesmarine. Intensiv<br />
werden die neuen Einsatzaufgaben<br />
zusammen mit den NATO-Verbündeten geübt.<br />
Doch beeinflusst die politische Situation<br />
die weitere Entwicklung. Im Rahmen der<br />
KSZE-Verhandlungen zur Reduzierung der<br />
Streitkräfte in Europa fasst man eine Verkleinerung<br />
der Bundesmarine ins Auge. Mit der<br />
sich abzeichnenden <strong>Wie</strong>dervereinigung verändern<br />
sich zudem die Einsatzaufgaben der<br />
Marine dramatisch. Amphibische Kräfte<br />
werden in der bisher gedachten Form nicht<br />
mehr benötigt. Am 30. September 1992 werden<br />
die „Amphibische Transportgruppe“<br />
und das Landungsbootgeschwader aufgelöst,<br />
fünf Mehrzwecklandungsboote für<br />
Transportaufgaben bleiben in einer eingeschränkten<br />
Verfügbarkeit. Drei MZL werden<br />
bis 2003 außer Dienst gestellt, während die<br />
letzten zwei ihrer Klasse – LACHS und<br />
SCHLEI – bei den Spezialstreitkräften der<br />
Marine Verwendung finden.<br />
Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D.,<br />
zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />
drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen<br />
Marinemuseums in Wilhelmshaven.<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
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* ab Ausgabe 01/2011
Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />
Alexander Newski gegen den Deutschen Orden<br />
Vernichtungsschlacht<br />
auf dem Eis<br />
1242: Auf dem zugefrorenen Peipussee trifft der Deutsche Orden auf Kämpfer der Stadt<br />
Nowgorod. <strong>CLAUSEWITZ</strong> präsentiert Bewaffnung und Ausrüstung der beiden Armeen.<br />
Seit dem 10. Jahrhundert versuchen Missionare,<br />
das Christentum auch an der<br />
südlichen Ostseeküste zu verbreiten. Im<br />
frühen 13. Jahrhundert werden die Ritter des<br />
Deutschen Ordens vom Kaiser und dem<br />
Papst mit der Besiedlung des Pruzzenlandes<br />
im Kulmer Land beauftragt. Innerhalb kürzester<br />
Zeit festigen die Brüder ihre Herrschaft<br />
mit einer Kette von Burgen und errichten einen<br />
schnell aufblühenden Staat.<br />
Eine zweite christliche Hochburg stellt<br />
das 1201 errichtete Bistum von Riga dar. Mit<br />
dem wenig später gegründeten Schwertbrüderorden<br />
verfügt auch der Bischof über einen<br />
militärischen Arm. Doch nachdem die<br />
Schwertbrüder 1237 in der Schlacht bei<br />
Schaulen aufgerieben werden, schließen sich<br />
die Reste des Ordens den Deutschrittern an,<br />
GUT GERÜSTET: Nur ein geringer Teil des deutschen Fußvolkes ist so gut bewaffnet<br />
wie dieser Speerträger. Neben dem schweren Kettenhemd trägt er einen Helm mit Maskenvisier,<br />
der zu dieser Zeit zunehmend vom Topfhelm verdrängt wird. Außerdem verfügt dieser<br />
Fußsoldat über ein Falchion, ein einschneidiges Schwert, das (vermutlich) besonders von<br />
der Infanterie verwendet wird.<br />
wodurch deren Machtbereich weit nach Osten<br />
ausgreift.<br />
Auch die skandinavischen Königreiche<br />
Dänemark und Schweden unternehmen in<br />
den 1230er-Jahren militärische Vorstöße an<br />
die livländisch-lettische Küste, werden aber<br />
1240 durch Alexander Jaroslawitsch, dem<br />
gewählten Fürsten der Handelsmetropole<br />
Nowgorod an der Newa, schwer geschlagen.<br />
Doch im selben Jahr vertreiben die Kaufleute<br />
den erfolgreichen Heerführer, der nun den<br />
Beinamen „Newski“ angenommen hat. Kurz<br />
darauf besetzt eine kleine Armee der<br />
Deutschritter die Stadt Pskov beim Peipussee.<br />
Für die orthodoxen Nowgoroder zeichnen<br />
sich jetzt zwei Gefahren ab. Aus dem<br />
Westen nähern sich ihnen Heere, die den römisch-katholischen<br />
Glauben verbreiten wollen,<br />
aus dem Süden und Osten stürmt die<br />
Goldene Horde – mongolische Reiterscharen<br />
– heran.<br />
In ihrer Angst berufen die Nowgoroder<br />
Alexander Newski zurück, der sich zunächst<br />
den Heeren des Ordens entgegenstellt. Am<br />
5. April 1242 kommt es auf dem Peipussee<br />
zur entscheidenden Schlacht. Das Heer des<br />
Ordens unter dem Befehl des Fürstbischofs<br />
Hermann I. von Dorpat besteht aus kaum<br />
mehr als 1.800 Bewaffneten, worunter sich<br />
noch viele ehemalige Schwertbrüder, dänische<br />
Ritter und Truppen des Rigaer Bischofs<br />
befinden. Alexander verfügt über 3.000 bis<br />
4.000 Mann der Nowgoroder Miliz und der<br />
Druschina, seiner eigenen schwer bewaffneten<br />
Leibgarde. Die Schlacht beginnt mit einem<br />
Angriff der Ordensstreitmacht in Keilformation<br />
auf das russische Fußvolk, welches<br />
sich nahe der Insel Rabenstein postiert<br />
hat. Die Wucht der Attacke drängt die<br />
Nowgoroder vom zugefrorenen See auf die<br />
Insel zurück. Die Pferde der Ritter haben<br />
Probleme, die steilen Hänge zu erklimmen.<br />
In diesem Moment umgeht Alexanders Reiterei<br />
die Ordensarmee und greift sie in der<br />
Flanke und von hinten an. Die Nowgoroder<br />
Armee umzingelt ihren Feind und macht ihn<br />
nieder. Nur wenige Ordensritter können entkommen.<br />
Dass die schweren Reiter wie in<br />
Sergej Eisensteins Film „Alexander Newski“<br />
(1938) auf dem Eis des Sees eingebrochen<br />
sein sollen, wird heute als Mythos betrachtet.<br />
Noch im selben Jahr schließen der Orden<br />
und Nowgorod ein Friedensabkommen,<br />
welches die Narwa zum Grenzfluss zwischen<br />
beiden bestimmt. Der weiteren Ostexpansion<br />
des Ordens ist damit dauerhaft ein<br />
Riegel vorgeschoben. <strong>CLAUSEWITZ</strong> rekonstruiert<br />
auf den folgenden Seiten detailliert<br />
die Kontrahenten, die bei der Schlacht auf<br />
dem Peipussee aufeinanderprallen…<br />
Texte und historische Recherche zu den<br />
Zeichnungen: Alexander Querengässer<br />
Zeichnungen: Sascha Lunyakov<br />
58
IMPOSANT: Die Form<br />
des Helms dieses Ritters<br />
geht auf Abbildungen aus der<br />
sogenannten Kreuzfahrerbibel<br />
zurück, die vermutlich um<br />
1245 in Frankreich entstand.<br />
Die aufwendige Helmzier<br />
wurde im Kampf wahrscheinlich<br />
nicht getragen.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
59
Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />
FARBENPRÄCHTIG: Hermann von<br />
Dorpats Heer setzt sich zu einem erheblichen<br />
Teil aus Kriegern zusammen, die<br />
nicht dem Deutschen Orden unterstehen,<br />
wie dieser Reiter aus Dorpat<br />
(Derpt). Er verfügt bereits über einen<br />
Topfhelm, und sein Pferd ist durch eine<br />
gesteppte Decke geschützt.<br />
PERFEKTE PANZERUNG:<br />
Der Hochmeister des Deutschen<br />
Ordens, Gerhard von Malberg, residiert<br />
1242 noch im Heiligen Land.<br />
Zu dieser Zeit streiten sich die<br />
Brüder darüber, ob der Orden sich<br />
auf einen eigenen Staat oder Palästina<br />
konzentrieren soll. Gerhard<br />
trägt hier über dem Kettenhemd<br />
noch einen Plattenrock aus Metallplatten,<br />
der ihm zusätzlichen<br />
Schutz verleiht. Die Pferdeschutzdecke<br />
aus Kettengeflecht stellt zur<br />
Mitte des 13. Jahrhunderts ebenfalls<br />
eine Neuheit dar.<br />
60
Ordenskrieger<br />
IM NAMEN DES KREUZES:<br />
Bekannt werden die „Brüder der<br />
Ritterschaft Christi von Livland“ unter<br />
dem Namen „Schwertbrüderorden“.<br />
Der Name bezieht sich auf ihren<br />
weißen Waffenrock mit dem roten<br />
Schwertkreuz.<br />
UNTERBESETZT: Zum Schutz des Bistums von Oliva vor heidnischen<br />
Stämmen wird 1228 auf Initiative des polnischen Herzogs Konrad von Masowien<br />
der Orden der „Brüder des Ritter-Dienstes Christi in Preußen“, kurz auch<br />
als „Brüder von Dobrin“ bekannt, gegründet. Konrad hat den Orden vor allem<br />
deswegen ins Leben gerufen, weil ihm die Deutschritter keine Hilfe im Kampf<br />
gegen die Pruzzen leisten wollen. Doch nur eine Handvoll Ritter aus dem<br />
Reich zieht sich den weißen Mantel mit dem roten Schwert und Stern über.<br />
Nie können die Brüder mehr als 35 Ritter und etwa 165 Bewaffnete ins Feld<br />
führen. 1235 schließen sich die meisten Dobriner dem deutschen Orden an,<br />
die übrigen fallen wenig später im Kampf.<br />
IMPROVISATIONSTALENT:<br />
Dieser Kreuzritter hat sich für den<br />
glatten Untergrund eine Steighilfe<br />
unter die Schuhe geschnallt.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
61
Uniformtafeln | Die Schlacht auf dem Peipussee<br />
SKANDINAVISCHES<br />
VERMÄCHTNIS: Die<br />
schwere Druschina-Reiterei<br />
entwickelt sich aus<br />
den Nachkommen wikingischer<br />
Einwanderer, die<br />
sich im Nowgoroder Raum<br />
angesiedelt haben. Daher<br />
zeigt sich in ihrer Ausrüstung<br />
ein starker nordischer<br />
Einfluss.<br />
KOSTENGÜNSTIG: Da<br />
Schwerter auch im Mittelalter<br />
noch teure Waffen darstellen,<br />
ist das Fußvolk beider Seiten<br />
mehrheitlich mit Lanzen und<br />
Äxten bewaffnet, wie dieser<br />
gut ausgerüstete Krieger der<br />
Nowgoroder Milizen. Statt eines<br />
teuren Kettenhemds trägt<br />
er einen sogenannten Gambeson,<br />
eine textile Rüstung aus<br />
mehreren Lagen Stoff (oder<br />
teilweise auch Leder).<br />
AUSRÜSTUNGS-MIX: Wenige Soldaten der<br />
Nowgoroder Miliz werden so schwer bewaffnet<br />
gewesen sein wie dieser Krieger, dessen Rüstung<br />
asiatische, westliche und nordische Einflüsse zeigt.<br />
62
Newskis Kämpfer<br />
EXOTISCHE OPTIK:<br />
Auch in Alexanders Armee<br />
macht die Reiterei<br />
nur einen kleinen Teil der<br />
Gesamtstreitkräfte aus. Die Bewaffnung<br />
seiner Druschina-Leibgarde lässt deutliche<br />
orientalische Einflüsse erkennen, angefangen<br />
von der Gestaltung der Rüstungen<br />
bis hin zur Nutzung von<br />
Reflexbögen. Die Hufeisen<br />
der Pferde besitzen eine<br />
Art „Spikes“, die im<br />
Winter einen besseren<br />
Halt auf dem glatten Boden<br />
geben.<br />
NICHT FÜR DEN KAMPF: Alexander Newski trägt auf dieser Abbildung<br />
eine prachtvolle Zeremonienrüstung. Maskenhelme sind während<br />
des Mittelalters in Russland nicht unbekannt. Sie gehen sowohl auf nordische<br />
als auch, wie in diesem Fall, auf asiatische Einflüsse zurück. Auch<br />
der Schuppenpanzer ist unter den reichen Bevölkerungsschichten noch<br />
stärker verbreitet als in Westeuropa.<br />
TÖDLICHE DISTANZWAFFEN: Über die Ausstattung<br />
der Nowgoroder Milizen ist wenig bekannt. Da Quellen<br />
jedoch immer davon berichten, dass der Ansturm der<br />
Kreuzritter durch einen Pfeilhagel aufgehalten wird, ist<br />
davon auszugehen, dass sich auch Bogen- und Armbrustschützen<br />
im russischen Zentrum befinden.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
63
Spurensuche<br />
Heeresversuchsanstalt Peenemünde<br />
Zentrum der<br />
Raketenforschung<br />
AUF DEM FREIGELÄNDE: Modell einer V1 des<br />
Historisch-Technischen Museums Peenemünde,<br />
im Hintergrund das Kraftwerk der ehemaligen<br />
Versuchs- und Erprobungsanstalten.<br />
Foto: picture-alliance/Eventpress Hoensch<br />
Mit der später als „Vergeltungswaffe 2“<br />
(V2) bezeichneten Fernrakete steht<br />
dem „Dritten Reich“ ab der Serienfertigung<br />
im Sommer 1944 eine Waffe zur<br />
Verfügung, für die es zu dieser Zeit keine<br />
wirksame Abwehrmöglichkeit gibt. Insgesamt<br />
mehr als 3.000 V2-Raketen werden bis<br />
Ende März 1945 auf Ziele in England, Belgien,<br />
Holland und Frankreich abgefeuert. Ihre<br />
tödliche Wirkung fordert Tausende von<br />
Opfern unter der Zivilbevölkerung der betroffenen<br />
Länder.<br />
Zehn Jahre zuvor: Mitte der 1930er-Jahre<br />
ist das Fischerdorf Peenemünde im Nordwesten<br />
der Ostsee-Insel Usedom eine 450-<br />
Seelen-Gemeinde und besteht aus weniger<br />
als 100 Häusern und einer Dorfschule.<br />
Mit der Idylle der weitgehend unberührten<br />
Naturlandschaft ist es seit 1936 vorbei.<br />
Die Umgestaltung der moor- und grundwasserreichen<br />
Gegend in ein militärisches Sperrgebiet<br />
beginnt. Am Anfang steht die Erschließung<br />
des unwegsamen Terrains durch<br />
den Bau von Straßen und Gleisen sowie der<br />
Errichtung von Unterkünften für die Bauarbeiter<br />
der Forschungsstelle von Heer und<br />
Luftwaffe.<br />
Der erste Spatenstich für die künftige<br />
Heeresversuchsanstalt und die Erprobungsstelle<br />
der Luftwaffe Peenemünde wird im<br />
August 1936 gesetzt.<br />
Dem Baubeginn ging eine mehrmonatige<br />
Suche nach einem passenden Areal für die geplante<br />
Anlage voraus. Nach einem Hinweis<br />
von Raketeningenieur Wernher von Braun,<br />
dessen Vater passionierter Jäger war und der<br />
64
3. Oktober 1942: Die Flüssigkeitsgroßrakete mit der<br />
Bezeichnung „Aggregat 4“ verlässt den Prüfstand VII<br />
der Heeresversuchsanstalt und stößt in den<br />
Weltraum vor. Mit dem Beginn des Raketenzeitalters<br />
erreicht der Krieg eine<br />
neue Dimension.<br />
Von Tammo Luther<br />
seinem Sohn einst von der Abgeschiedenheit<br />
des Peenemünder Hakens erzählt hatte, entschieden<br />
sich die zuständigen Militärs<br />
schließlich für den Standort auf Usedom.<br />
Die Heeresversuchanstalt im brandenburgischen<br />
Kummersdorf hatte sich für die<br />
intensive Fernraketenforschung und -erprobung<br />
als ungeeignet erwiesen.<br />
Seit Sommer 1936 bis zum Ausbruch des<br />
Krieges im September 1939 arbeiten etwa<br />
10.000 Arbeiter, darunter ein Großteil Angehörige<br />
der Organisation Todt (OT) und des<br />
Reichsarbeitsdienstes (RAD), an<br />
der Errichtung der Versuchsanstalt<br />
in Peenemünde. Nach 1939<br />
kommt eine wachsende Zahl<br />
ausländischer Zwangsarbeiter<br />
und Häftlinge aus den Konzentrationslagern<br />
hinzu.<br />
Die Bewohner Peenemündes<br />
mussten unterdessen ihr Dorf verlassen.<br />
Zwar wird ihnen eine Entschädigung<br />
zuteil, doch der Abschied fällt gerade den<br />
Alteingesessenen schwer.<br />
ABGEHOBEN: Start einer A4-Rakete (V2)<br />
auf dem Versuchsgelände<br />
Peenemünde, vermutlich 1943.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Clausewitz 5/2014<br />
65
Spurensuche<br />
STEINERNER ZEUGE: Ruine des Wachbunkers des KZ Karlshagen,<br />
in dem Häftlinge untergebracht waren, die Bau- und<br />
Montagearbeiten verrichten mussten. Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
IN TRÜMMERN: Ruine des Peenebunkers, vermutlich vorgesehen für<br />
auf Eisenbahnwaggons gelagerte Raketen oder zur Lagerung chemischer<br />
Stoffe. Für diese und andere Lagerzwecke wurden mehrere Bunker<br />
auf den Peenewiesen errichtet.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
OPFERGEDENKEN:<br />
Erinnerungstafel<br />
des HTM Peenemünde.<br />
Foto: picturealliance/ZB©dpa<br />
SPUREN DER VERWÜS-<br />
TUNG: Der durch gegnerische<br />
Luftangriffe zerstörte<br />
Prüfstand VII der Heeresversuchsanstalt<br />
Peenemünde weist<br />
schwerste Schäden auf.<br />
Aufnahme aus dem September<br />
1944.<br />
Foto: ullstein bild – TopFoto<br />
DETAILREICH: Luftbild eines<br />
britischen Aufklärungsflugzeugs<br />
vom Prüfstand<br />
VII. Luftbildauswerterin<br />
Constance<br />
Babington-Smith „entdeckt“<br />
Mitte 1943 einen<br />
Raketenprüfstand.<br />
Foto: ullstein bild – TopFoto<br />
Als frühzeitig absehbar wird, dass der ursprünglich<br />
für März 1941 festgelegte Termin<br />
zum Abschluss der Bauarbeiten nicht eingehalten<br />
werden kann, übernimmt am 15. August<br />
1940 der Generalbauinspektor für die<br />
Reichhauptstadt, Albert Speer (1905–1981),<br />
die Oberbauleitung in Peenemünde. Der<br />
spätere Rüstungsminister und Verfechter des<br />
A4-Raketenprojekts soll trotz einer noch<br />
schwankenden Haltung Hitlers in der Rake-<br />
tenfrage die Arbeiten an dem geplanten<br />
Hochtechnologiezentrum vorantreiben.<br />
Als das Reichsluftfahrtministerium infolge<br />
der verlustreichen „Luftschlacht um England“<br />
im Herbst 1940 die der Heeresversuchanstalt<br />
zugesagten Finanzmittel zurückzieht,<br />
um das Geld für eigene Vorhaben einzusetzen,<br />
sinkt der Etat der Heeresversuchsanstalt<br />
jedoch deutlich. In dieser schwierigen Situation<br />
erhalten der militärische und organisatorische<br />
Leiter der Heeresversuchsanstalt<br />
Peenemünde, Oberst Walter Dornberger<br />
(1895–1980), und ihr technischer Direktor<br />
Wernher von Braun (1912–1977), auf Albert<br />
Speers Vermittlung hin eine Möglichkeit<br />
zum Vortrag beim „Führer“.<br />
Hochtechnologiezentrum<br />
Zwar ist Hitler auch nach dem Gespräch mit<br />
Dornberger und von Braun nicht vollends<br />
überzeugt, doch genehmigt der Diktator die<br />
Fortsetzung der Erprobung bis zur Einsatzfähigkeit<br />
der Rakete. Ein tragischer Unfall<br />
erweist sich als „Glücksfall“ für die Protagonisten<br />
der Raketenforschung. Nach dem Tod<br />
des Reichsministers für Bewaffnung und<br />
Munition, Fritz Todt, infolge eines mysteriösen<br />
Flugzeugabsturzes am 8. Februar 1942<br />
tritt Albert Speer dessen Nachfolge an und<br />
lässt die Raketenforschung und den Ausbau<br />
der Versuchsstelle intensivieren.<br />
Bis 1942/43 entstehen in Peenemünde<br />
und Umgebung zahlreiche Gebäudekomplexe<br />
von unterschiedlicher Größe – ein zu dieser<br />
Zeit weltweit einzigartiges Hochtechnologiezentrum<br />
mit Forschungs-, Erprobungsund<br />
Produktionsstätten sowie Wohnsiedlungen.<br />
Während die Luftwaffenerprobungs-<br />
66
Gezielte Luftangriffe<br />
ÜBERBLICK: Luftaufnahme des Hafens von Peenemünde, links im Bild das gut erhaltene<br />
ehemalige Kraftwerk der Peenemünder Versuchsanstalten, davor im Hafenbecken das Kleine<br />
Raketenschiff HANS BEIMLER der Volksmarine der DDR. Aufnahme aus dem Jahr 2013.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
DAUERAUSSTELLUNG: Blick ins Museumsinnere<br />
auf den im Jahr 2000 eingeweihten<br />
Abschnitt „Peenemünde – Himmel und Hölle“,<br />
im Vordergrund ein beschädigtes Oberteil<br />
der Brennkammer Baureihe A des „Aggregats<br />
4“ (V2). Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
KONTAKT<br />
Historisch-Technisches Museum Peenemünde<br />
Im Kraftwerk<br />
17449 Peenemünde<br />
Tel.: +49(0)38371/505-0<br />
www.peenemuende.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
April–September: 10.00–18.00 Uhr<br />
Oktober–März: 10.00–16.00 Uhr<br />
November–März: Montags geschlossen<br />
stelle die Bezeichnung „Peenemünde-West“<br />
erhält, wird die Heeresversuchanstalt intern<br />
unter „Peenemünde-Ost“ geführt.<br />
Als schließlich an jenem 3. Oktober 1942<br />
die „A4-Rakete“ vom Prüfstand VII der Heeresversuchsanstalt<br />
aus in die Höhe schießt,<br />
liegt eine mehrjährige Forschungszeit mit<br />
zahlreichen Rückschlägen hinter dem vielköpfigen<br />
Forschungsstab. Sie alle haben auf<br />
diesen Tag gewartet. Nach dem erfolgreichen<br />
Start kennt der Jubel der Raketenforscher<br />
und der beteiligten Militärs keine<br />
Grenzen. Die A4 hat bei diesem Flug eine<br />
Gipfelhöhe von fast 85 Kilometern erreicht –<br />
und damit die Tür zum Weltraum aufgestoßen.<br />
Bis zur Serienfertigung wird jedoch<br />
noch viel Zeit vergehen. Auch die Tests der<br />
Flugbombe Fi 103 (V1) verlaufen Ende 1942<br />
aus Sicht der Forscher und Militärs vielversprechend.<br />
Die Alliierten verfolgen die Aktivitäten<br />
auf der Insel Usedom mit Sorge. Ihnen bleibt<br />
trotz strengster Geheimhaltung vonseiten<br />
der Deutschen nicht verborgen, dass die<br />
Wehrmacht im Zuge der Raketenforschung<br />
wichtige militärische Großprojekte vorantreibt.<br />
Britische Aufklärungsflugzeuge fertigen<br />
seit Frühjahr 1943 systematisch Luftaufnahmen<br />
der Versuchanlagen bei Peenemünde<br />
an, die unter anderem einen Raketenprüfstand<br />
erkennen lassen. Drei Monate später,<br />
Anfang Juli 1943, verleiht Hitler nach einem<br />
erneuten Vortrag von Dornberger und<br />
von Braun der neuen Waffe eine besondere<br />
Dringlichkeitsstufe. Ihr Rüstungsprogramm<br />
besitzt fortan oberste Priorität.<br />
Im Visier der Alliierten<br />
Als Produktionsstätten der A4-Rakete sind<br />
unter anderem Werke in Friedrichshafen,<br />
<strong>Wie</strong>ner Neustadt und als Versuchsserienwerk<br />
auch Peenemünde vorgesehen.<br />
Etwa zur gleichen Zeit ergeht in Großbritannien<br />
der Befehl zum Luftangriff auf die<br />
Anlagen auf der Insel Usedom. Doch bis<br />
zum Einsatz werden noch einige Wochen<br />
vergehen. Noch wartet man in London die<br />
weitere Entwicklung ab. Vielleicht liefern<br />
Angehörige der Polnischen Heimatarmee in<br />
der Zwischenzeit neue wichtige Informationen<br />
an den britischen Geheimdienst.<br />
In der Nacht vom 17. auf den 18. August<br />
1943 ist es schließlich so weit: Fast 600 Bomber<br />
der Royal Air Force (RAF) bewegen sich<br />
auf die pommersche Ostseeküste zu. Das<br />
Ziel der Operation „Hydra“ heißt: Peenemünde.<br />
Am nächsten Morgen wird das ganze<br />
Ausmaß des verheerenden Bombenangriffs<br />
sichtbar: Überall auf dem weitläufigen Gelände<br />
sind tiefe Krater zu sehen, zahlreiche<br />
Häuser sind bis auf die Grundmauern ausgebrannt,<br />
die Fertigungshalle F1 ist ebenfalls<br />
schwer getroffen. Mehr als 700 Menschen,<br />
darunter eine Vielzahl von Zwangsarbeitern,<br />
haben in dieser Nacht den Tod gefunden.<br />
Nur wenige Tage nach diesem ersten Luft-<br />
angriff entscheiden sich Hitler und Speer<br />
für eine Verlagerung der A4-Erprobung nach<br />
Osten. Ein Großteil der Versuche findet fortan<br />
auf dem SS-Truppenübungsplatz „Heidelager“<br />
rund 100 Kilometer östlich von Krakau<br />
statt. Die A4-Produktion wird unterdessen<br />
in den Höhenzug Kohnstein im Harz<br />
verlagert.<br />
In einem seit 1917 im Zuge des Bergbaus<br />
erschlossenen und erweiterten Stollensystem<br />
(„Mittelwerk“) wird die Fertigung der<br />
V2 und später auch der V1 von KZ-Häftlingen<br />
bis kurz vor Kriegsende unter extrem<br />
unmenschlichen Bedingungen vorgenommen.<br />
Von den Großbauten haben einzig das<br />
AUFGERICHTET: Eine V2 auf einem der Prüfstände<br />
auf dem Versuchsgelände der Heeresversuchsanstalt.<br />
Heute sind neben den<br />
Umwallungen der Prüfstände vor allem Trümmerreste<br />
der Anlagen erhalten geblieben,<br />
die von der Natur „zurückerobert“ werden.<br />
Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />
Clausewitz 5/2014<br />
67
Ein kriegerisches …<br />
Spurensuche<br />
NEU!<br />
ZUR MAHNUNG: Das von dem Künstler<br />
Klaus Rößler entworfene und 1970 eingeweihte<br />
Denkmal für die Zwangsarbeiter<br />
und Opfer des Nationalsozialismus in der<br />
Gedenkstätte Karlshagen auf Usedom.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
Bucher im GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Über 1.000 Tagebücher und Briefsammlungen standen für dieses ehrgeizige Projekt<br />
zur Verfügung. Daraus wählten die Autoren die bew wegendsten aus: Aufzeichnungenn<br />
von Krankenschwestern, Offizieren und Frontsoldaten, aber auch von bekannten<br />
Persönlichkeiten wie Stefan Zweig, Manfred von Richthofen und Kurt Tucholsky. Rund<br />
300 verschollen geglaubte Farbfotografien aus dem<br />
Archiv von August Fuhrmann<br />
zeigen den Ersten<br />
Weltkrieg, wie ihn bisher noch keiner gesehen hat.<br />
320 Seiten · ca. 300 Abb. · 24,1 x 24,1 cm<br />
€[A]<br />
38,10·sFr.49,90<br />
ISBN 978-3-7658-204<br />
41-0 €36,99<br />
Kraftwerk und das Sauerstoffwerk die Zeit<br />
überdauert. Das Kraftwerk wird nach dem<br />
Krieg weiterbetrieben, während andere Bereiche<br />
der Anlage demontiert und über den<br />
Hafen Swinemünde oder per Bahn in die<br />
Sowjetunion transportiert werden.<br />
Nutzung durch die NVA<br />
In den 1950er-Jahren entsteht nach dem Abzug<br />
des sowjetischen Militärs in Peenemünde-Karlshagen<br />
der Stützpunkt der 1. Flottille<br />
der Volksmarine. Das im Vergleich mit der<br />
ehemaligen Heeresversuchsanstalt weitaus<br />
weniger von der Demontage betroffene Terrain<br />
der ehemaligen Luftwaffenerprobungsstelle<br />
(„Peenemünde-West“) wird zu Beginn<br />
der 1960er-Jahre Standort des Jagdfliegergeschwaders<br />
9 der Luftstreitkräfte der NVA. Er<br />
wird ebenso wie der Flottenstützpunkt nach<br />
der <strong>Wie</strong>dervereinigung zunächst von der<br />
Bundeswehr weiterbetrieben.<br />
Im Jahr 2014 ist ein Teil des weitläufigen<br />
Geländes als Außenanlage des Historisch-<br />
Technischen Museums Peenemünde begehbar.<br />
Ausgehend vom Museum ermöglicht ein<br />
im Laufe mehrere Jahre erweiterter Rundweg<br />
(„Denkmal-Landschaft“) mit einer Länge<br />
von inzwischen 25 Kilometern und circa<br />
20 Stationen die Besichtigung historisch bedeutsamer<br />
Relikte.<br />
Zu den „steinernen Zeugen“ zählen unter<br />
anderem das ehemalige Sauerstoffwerk und<br />
die sichtbaren Reste des KZ-Arbeitslagers<br />
Karlshagen I. „Station 4“ bildet der Flugplatz<br />
Erlebnis Geschichte<br />
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Te<br />
l. 0180-532 16 17 (0,14 €/Min.)<br />
Literaturtipps<br />
Volker Bode und Gerhard Kaiser: Raketenspuren.<br />
Peenemünde 1936–2004, Berlin 2004.<br />
Dietrich Gildenhaar und Sven Gildenhaar: Geheime<br />
Kommandosache „Peenemünde-Ost“. Eine<br />
dokumentierte Führung über das Gelände<br />
der ehemaligen Heeresversuchsanstalt und der<br />
Volksmarine-Flottenbasis, Ilmenau 2013.
… Jahrhundert.<br />
EMPFEHLENSWERT: Ein Besuch im Historisch-Technischen Museum (hier Eingangsbereich<br />
mit ehemaliger Bunkerwarte des Kraftwerks) bringt viele interessante Erkenntnisse,<br />
vor allem zum Thema Peenemünde und zur dort betriebenen Raketenforschung während<br />
der NS-Zeit.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
384 Seiten · ca. 450 Abb. · 21,5 x 27,6 cm<br />
€ [A] 46,30 · sFr. 59,90<br />
ISBN 978-3-7658-2033-5 € 45,–<br />
Peenemünde der Luftwaffenerprobungsstelle,<br />
auf<br />
dem in den Jahren von<br />
1938 bis 1945 verschiedene<br />
Fernlenkwaffen sowie<br />
Flugzeuge mit Raketenantrieb<br />
(darunter „Me 163“)<br />
getestet wurden.<br />
Ein großer Teil der „militärischen<br />
Überreste“ in<br />
der Gemarkung Peenemünde<br />
wird dagegen seit<br />
Jahrzehnten von der Natur<br />
zurückerobert. Von<br />
den während der Bombenangriffe<br />
der Jahre<br />
1943/44 schwer in Mitleidenschaft<br />
gezogenen<br />
Prüfständen sind nach zusätzlich<br />
vorgenommenen<br />
Sprengungen der Nachkriegszeit<br />
nur noch Trümmerreste<br />
erhalten.<br />
Große Teile des Areals<br />
gelten noch immer als munitionsbelastet<br />
und sind<br />
der Öffentlichkeit weiterhin<br />
nicht zugänglich. Außerdem befindet<br />
sich hier heute ein ausgedehntes Naturschutzgebiet<br />
mit vielen geschützten Tierarten<br />
und Pflanzen.<br />
Sehenswertes Museum<br />
Hingegen bietet das Freigelände des Historisch-Technischen<br />
Museums seinen Besuchern<br />
eine Vielzahl an technischen Großexponaten.<br />
Besonders sehenswert sind die Modelle<br />
einer „A4“ sowie einer Flugbombe Fieseler<br />
103 („V1“) und der „Walther-Schleuder" (Abschussrampe<br />
der Fi 103/V1).<br />
Die Erprobung der Fieseler 103 fand ab<br />
1942 in der Erprobungsstelle der Luftwaffe<br />
„Peenemünde-West“ statt. Ab Juni 1944<br />
kam sie als „Vergeltungswaffe 1“ gegen<br />
westeuropäische Großstädte zum Einsatz.<br />
FÜHRENDER WISSENSCHAFTLER:<br />
Wernher von Braun im Kreise von<br />
Offizieren der Wehrmacht in Peenemünde.<br />
Von Braun wurde 1955<br />
Staatsbürger der USA und übernahm<br />
später einen hohen Posten in<br />
der US-Raumfahrtbehörde NASA.<br />
Wenig später folgte die<br />
V2-Rakete. Auch der Teil<br />
eines Werkbahnzuges ist<br />
im Außenbereich ausgestellt.<br />
Der Triebwagen<br />
kann nach dem Abschluss<br />
der aufwendigen<br />
Restaurierungsarbeiten<br />
mittlerweile wieder von<br />
innen gut in Augenschein<br />
genommen werden.<br />
Darüber hinaus kann<br />
man zum Beispiel die<br />
Raketenkorvette HANS<br />
BEIMLER – künftig in einem<br />
eigenen Ausstellungsbereich<br />
auf der gegenüberliegenden<br />
Seite<br />
des Peenemünder Hafens<br />
– besichtigen. Die-<br />
HANS BEIMLER zählte<br />
zu den Kleinen Raketenschiffen<br />
der NVA (Projekt<br />
„1241 RÄ”).<br />
Im Innern des Museums<br />
befindet sich eine<br />
umfangreiche Dauerausstellung.<br />
Sie informiert ausführlich über die<br />
Geschichte von Peenemünde und seiner<br />
Umgebung – vor allem während des „Dritten<br />
Reiches“ – und verfügt ebenfalls über eine<br />
Vielzahl besonderer Exponate.<br />
Mitte April 2014 wurde im Historisch-<br />
Technischen Museum Peenemünde der neue<br />
Abschnitt „Das Kraftwerk – Gebaut für die<br />
Ewigkeit...?“ eröffnet. Der Rundgang führt<br />
nun auch durch die Turbinenhalle und weitere<br />
Ebenen des Kesselhauses, die bisher für<br />
Museumsbesucher nicht zugänglich waren.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur<br />
von <strong>CLAUSEWITZ</strong> und freier Autor und Lektor in<br />
Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />
224 Seiten · ca. 200 Abb. · 22,8 x 22,8 cm<br />
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Erlebnis Geschichte<br />
Auch als eBook erhältlich<br />
Clausewitz 5/2014
Militär und Technik | Legionslager<br />
Meisterwerk der Technik und Logistik<br />
Das romische<br />
Militarlager<br />
Antike: Das Römische Reich zeichnet sich nicht nur durch hervorragende Truppen und<br />
brillante Schlachtentaktiken aus. Auch im Bereich der militärischen Technik und Logistik<br />
ist es seinen Gegnern weit voraus.<br />
Von Daniel Carlo Pangerl<br />
Die Armee besitzt eine herausragende<br />
Bedeutung für die immense politisch-militärische<br />
Macht und die gewaltige<br />
flächenmäßige Ausdehnung des Römischen<br />
Reiches. Neben einer ausgeklügelten<br />
Bündnispolitik ist es insbesondere der<br />
militärischen Stärke zu verdanken, dass sich<br />
der einstige Stadtstaat Rom ab etwa dem 1.<br />
Jahrhundert v. Chr. zu einem Weltreich entwickeln<br />
kann. Das alte römische Militärwe-<br />
sen besteht weitgehend aus einer Bürgermiliz,<br />
die sich selbst ausrüstet, für einen Feldzug<br />
zusammengerufen wird und nach dessen Ende<br />
wieder aus dem Dienst ausscheidet. Dieses<br />
Wehrkonzept reicht aber schon bald nicht<br />
mehr aus, um Aufstände im Reichsinneren<br />
niederzuschlagen und die Grenzen gegen äußere<br />
Feinde zu verteidigen. Hinzu kommt,<br />
dass die Feldzüge immer länger dauern, so<br />
dass man die Truppen für einen umfangreicheren<br />
Zeitraum als lediglich für einen Sommer<br />
benötigt. Überdies wächst der Anteil der<br />
armen Bevölkerungsschicht: Diese kann eine<br />
eigene Ausrüstung für den Wehrdienst nicht<br />
finanzieren. An der Wende vom 2. zum 1. Jahrhundert<br />
v. Chr. werden diese Probleme beseitigt,<br />
denn es kommt zur Einführung einer<br />
dauerhaft verfügbaren, auch in Friedenszeiten<br />
einsetzbaren römischen Berufsarmee. Die<br />
Soldaten durchlaufen nun eine professionel-<br />
Alle Abb.: akg-images / Peter Connolly<br />
70
GIGANTISCH: Diese Rekonstruktionszeichnung<br />
le und systematische Ausbildung<br />
und sind täglichem<br />
des Kastells der VII. Legion („Legio VII Claudia“)<br />
veranschaulicht die technischen und logistischen Drill ausgesetzt. Obgleich ihre<br />
Hauptaufgabe das Kämp-<br />
Leistungen des römischen Militärs besonders<br />
gut. Außerhalb der Mauern ist die Stadt Viminacium<br />
(heute Kostolac/Serbien) zu erkennen. noch in anderen Bereichen:<br />
fen ist, betätigen sie sich auch<br />
Beispielsweise übernehmen<br />
sie Polizeidienste sowie Bauarbeiten zur Errichtung<br />
von militärischer und ziviler Infrastruktur.<br />
Die Politik des Römischen Reiches ist auf<br />
ständige Expansion ausgerichtet. Die Truppen<br />
befinden sich meist in Bewegung, dringen<br />
in fremde Territorien ein und erobern<br />
diese. Zur Sicherung der militärischen Präsenz<br />
in den zu unterwerfenden oder bereits<br />
unterworfenen Gebieten entwickelt das Imperium<br />
ein ausgefeiltes Konzept: die Errichtung<br />
befestigter Militärlager (lateinisch:<br />
„castrum“). Hierbei kann man grundsätzlich<br />
zwei Typen unterscheiden: das Marschlager<br />
und das Standlager (Kastell).<br />
AUFBRUCH: Legionäre beim Abbau des Marschlagers. Die Marschlager<br />
werden jeden Tag abgebaut und bei Erreichen des Etappenzieles erneut errichtet.<br />
Die Soldaten tragen ihre Ausrüstung am Körper sowie an einer<br />
Stange über der Schulter. Normalerweise schlafen acht Legionäre in einem<br />
Zelt – für dessen Transport steht ihnen ein Maultier zur Verfügung.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
71
Militär und Technik | Legionslager<br />
AUSGEKLÜGELT: Blick auf die rückwärtige Palisade des nordöstlichen Tores von Lager C<br />
des römischen Belagerungsringes bei „Alesia“ (heute Alise/Frankreich). Die schnell errichteten<br />
Lager der Römer können somit auch eine aktive Rolle in der Kriegführung der<br />
antiken Militärmacht spielen. Der Lagerbau gehört zur Grundausbildung eines römischen<br />
Soldaten, die Legionäre bauen aber auch die berühmten Heerstraßen sowie Brücken.<br />
Das Marschlager<br />
In Zeiten von Feldzügen und Kriegen macht<br />
die römische Armee mobil. Nachdem die<br />
Truppen ihr tägliches Marschziel erreicht haben,<br />
errichten sie jeden Abend ein befestigtes<br />
Marschlager. Es gewährt ihnen Unterkunft<br />
sowie Schutz vor Diebstahl, feindlichen<br />
Kriegern und Wildtieren. Hinzu kommt der<br />
Effekt der psychologischen Kriegführung:<br />
Dem Gegner wird signalisiert, dass man<br />
über eine herausragende militärische Logistik<br />
verfügt und ständig sowohl kampf- als<br />
auch verteidigungsbereit ist. In der Regel<br />
existiert ein Marschlager nur einen einzigen<br />
Tag und wird am nächsten Morgen wieder<br />
abgebaut. Jedoch kommt es vor, dass ein solches<br />
Lager auch länger fortbesteht. Zum Beispiel<br />
kann es bei größeren militärischen Unternehmungen<br />
als Sammelpunkt für verschiedene<br />
Truppenteile fungieren, ehe diese<br />
gemeinsam weiterziehen.<br />
Grundriss und Ausstattung<br />
Die römische Armee konstruiert ein Marschlager<br />
stets nach demselben Bauprinzip, insofern<br />
es die Geländeverhältnisse zulassen.<br />
Die Lagerkoordinaten werden kreuzförmig<br />
festgelegt, so dass sich als Grundriss ein<br />
Rechteck mit zwei sich kreuzenden Geraden<br />
ergibt. Als Geraden dienen die beiden<br />
Hauptstraßen, die von vorne nach hinten<br />
und von links nach rechts verlaufen und<br />
schließlich in die vier Lagertore einmünden.<br />
Die Straßen tragen die Namen „via praetoria“<br />
(längs) und „via principalis“ (quer). Die<br />
Tore heißen „porta praetoria“ (vorne), „porta<br />
decumana“ (hinten), „porta principalis sinistra“<br />
(links) und „porta principalis dextra“<br />
(rechts). Der hintere Teil des Lagers wird<br />
durch eine zweite schmalere Querstraße<br />
(„via quintana“) nochmals unterteilt. Die<br />
„via praetoria“ verbreitert sich vom Kreuz<br />
der Hauptstraße ab nach rückwärts zum „forum“.<br />
Dort sind das Zelt des Feldherren<br />
(„praetorium“) sowie das Feldzeichen und<br />
HINTERGRUND<br />
Abusina ist eines der wichtigsten Römerkastelle<br />
entlang der Donau. Seine archäologischen<br />
Relikte befinden sich auf der Fläche<br />
des heutigen Dorfes Eining, eines Ortsteils<br />
von Neustadt an der Donau (Landkreis Kelheim,<br />
Niederbayern), etwa 45 km südwestlich<br />
von Regensburg. Das Kastell wird um<br />
80 n. Chr. auf einer strategisch günstigen<br />
Anhöhe errichtet, wo die Flüsse Donau und<br />
Abens zusammenfließen. Es handelt sich<br />
um eine Holz-Erde-Konstruktion (Abmessung:<br />
125 x 147 Meter) mit vier Toren sowie<br />
Eck- und Zwischentürmen. Kernstück des<br />
Kastells ist das teilweise beheizbare Verwaltungs-<br />
und Stabsgebäude („principia“).<br />
Es beherbergt u. a. Versammlungsräume für<br />
Offiziere und das Kriegsgericht, eine Waffenkammer,<br />
eine Soldkasse sowie ein Fahnenheiligtum<br />
mit einer Statue des amtierenden<br />
Kaisers und den Standarten der Einheit.<br />
Ergänzt wird dieser Gebäudekomplex<br />
durch eine Raststation und eine Thermenanlage.<br />
Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gehört<br />
das Kastell zu den Grenzanlagen des Römischen<br />
Reiches zwischen Rhein und Donau:<br />
Es markiert den östlichen Endpunkt des<br />
ein Altar zu finden. Auf der Rückseite des<br />
„praetorium“ befindet sich ein freier Platz,<br />
wo die Soldaten zu Ansprachen versammelt<br />
werden können. Nahe der „porta decumana“<br />
liegt das „quaestorium“, ein Zelt mit integrierter<br />
Schreibstube. Es beherbergt den<br />
Quästor, einen hochrangigen römischen Verwaltungsbeamten.<br />
Die Soldaten sind in den<br />
verbleibenden Bereichen des Lagers untergebracht.<br />
Ihre Einquartierung findet nach einem<br />
genau festgelegten Verteilungsplan<br />
statt. Aus Sicherheitsgründen lässt man<br />
Ein Kastell im Detail – Abusina-Eining<br />
Obergermanisch-Raetischen Limes. Nachdem<br />
in Abusina zunächst wechselnde Truppen<br />
untergebracht sind, wird dort Mitte des<br />
2. Jahrhunderts die 500 Mann starke Cohors<br />
III Britannorum equitata (3. berittene<br />
Britannierkohorte) dauerhaft stationiert.<br />
Zwischen 233 und 260 n. Chr. fällt der germanische<br />
Stamm der Alamannen in Abusina<br />
ein, vertreibt die römische Besatzung<br />
und zerstört das Kastell. Erst Anfang des<br />
4. Jahrhunderts kehrt die Cohors III Britannorum<br />
equitata zurück: Sie errichtet an der<br />
Südwestflanke der Ruine ein neues spätantikes<br />
Kastell aus Stein (Abmessungen: 37 x<br />
45 Meter). Dieses ist im Vergleich zum Vorgängerbau<br />
zwar deutlich kleiner, jedoch<br />
auch wesentlich stärker befestigt. Hinter<br />
den Grundmauern des alten Kastells bildet<br />
sich ein sogenannter „vicus“, eine Siedlung<br />
von römischen Zivilisten. Um 430 geht das<br />
Kastell infolge einer Brandkatastrophe endgültig<br />
unter. Zu gleichen Zeit endet auch der<br />
Grenzschutz der Donau durch die römischen<br />
Truppen. Heute dienen die Überreste des<br />
Kastells Abusina als Grundlage für ein Freilichtmuseum.<br />
72
Meisterleistung römischer Militärtechnik<br />
einen breiten Streifen („intervallum“) zwischen<br />
den Gebäuden und dem Wall frei. Dieser<br />
Zwischenraum ermöglicht es den Soldaten,<br />
sehr rasch den Wall zu Verteidigungszwecken<br />
zu besetzen. Die römischen<br />
Verteidiger stehen dabei etwa zwei Meter höher<br />
als die Angreifer. Marschlager besitzen<br />
normalerweise weder Türme noch Geschützplattformen.<br />
Deren Errichtung wäre innerhalb<br />
der kurzen Zeit, die für den Lagerbau<br />
zur Verfügung steht, nur schwer möglich.<br />
Die Bauweise<br />
Der Bau des Lagers ist eine Meisterleistung<br />
der römischen Militärtechnik, sowohl hinsichtlich<br />
der architektonischen Kunstfertigkeit<br />
als auch der zeitlichen Ökonomie. Er<br />
läuft im Regelfall wie folgt ab: Zunächst sendet<br />
man eine Vorhut aus, die einen adäquaten<br />
Übernachtungsplatz ausfindig machen soll.<br />
Diese Örtlichkeit wird dann vermessen und<br />
mit eindeutigen Markierungen versehen, so<br />
dass jede der ankommenden Marschabteilungen<br />
sogleich weiß, an welcher Stelle sie<br />
sich niederzulassen hat. Ein Teil der Truppen<br />
übernimmt jetzt die Aufgabe, die Baustelle<br />
zu sichern. Zur selben Zeit errichtet der andere<br />
Teil eine Befestigung, die das gesamte<br />
Areal umschließt. Entlang der Befestigungslinien<br />
wird ein Graben von etwa 100 Zentimetern<br />
Tiefe ausgehoben: Die Erde wird mit<br />
Hacke und Spaten aufgelockert, in Körben<br />
aus dem Graben herausgehoben und direkt<br />
dahinter zu einem etwa 60 Zentimeter hohen<br />
Wall aufgeschichtet. In die Oberkante dieses<br />
„Wenn du Frieden willst, musst du zum Kriege<br />
rüsten.“ („Si vis pacem, para bellum.“)<br />
Zitat des römischen Kriegstheoretikers Flavius Vegetius Renatus, spätes 4. Jh. n. Chr.<br />
GESCHÜTZT: Das Bild zeigt eines der Infanterielager (für zwei Legionen) während der Belagerung<br />
von Alesia durch Caesar 52 v. Chr. Gut zu erkennen sind die Zelte und die hölzerne<br />
Umwallung. Da dieses Marschlager Teil einer ausgeklügelten Blockadeanlage ist, verfügt es<br />
über zusätzliche – und normalerweise nicht übliche – „Features“, wie z. B. Türme.<br />
Walls rammt man hölzerne Palisadenpflöcke<br />
von etwa 100 bis 120 Zentimetern Höhe und<br />
verbindet sie mit Hilfe von Seilen. Die bei<br />
diesen Erdarbeiten entstandenen Grassoden<br />
(viereckige Stücke der ausgestochenen Grasnarbe)<br />
werden zu Verteidigungszwecken<br />
verwendet: Man legt sie auf die Außenseite<br />
des Walls, damit Angreifer dort keinen Halt<br />
finden, sondern ausgleiten und hinunterstürzen.<br />
Nach Abschluss der Befestigungsarbeiten<br />
können die Zelte aufgestellt werden, die<br />
jeweils für bis zu sechs Mann Platz zum<br />
Schlafen bieten. Die Zelte bestehen aus Leder<br />
und sind dank einer raffinierten Nähtechnik,<br />
bei der die Lederhaut nach außen intakt<br />
bleibt, und einer regelmäßigen Imprägnierung<br />
mit Fett und Wachs wasserabweisend.<br />
Sobald der Morgen des nächsten Marschtages<br />
hereinbricht, baut man das Lager komplett<br />
ab und schüttet die Gräben zu. Die Palisadenpflöcke<br />
und die übrige zum Bau benötigte<br />
Ausrüstung werden auf Maultiere<br />
geladen. Nun setzt sich die Armee wieder in<br />
Bewegung und rückt weiter in Richtung des<br />
nächsten Etappenziels vor. Ehe das Tageslicht<br />
erlischt, machen die Truppen Halt, und es<br />
wiederholt sich derselbe Vorgang: Die Errichtung<br />
eines neuen Marschlagers, welches eine<br />
sichere Herberge für die Nacht bietet.<br />
Das Standlager (Kastell)<br />
GESCHÄFTIG: Blick in ein römisches Marschlager – das große Zelt im Hintergrund gehört<br />
dem Zenturio, das kleinere im Vordergrund beherbergt Legionäre. Römische Soldaten erhalten<br />
zudem eine recht abwechslungsreiche Nahrung (eine Kochstelle ist im Vordergrund zu<br />
sehen). Die beiden Soldaten am rechten Bildrand bereiten sich auf den Wachdienst vor.<br />
In der Frühzeit der Römischen Republik sind<br />
die Militärlager ausschließlich Marschlager,<br />
weil es noch kein stehendes Heer gibt. Deshalb<br />
besteht die Funktion des Militärlagers<br />
primär darin, eine geschützte nächtliche Unterkunft<br />
zu gewährleisten. Seit der Einführung<br />
der Berufsarmee in der Spätzeit der Republik<br />
(ab etwa 100 v. Chr.) werden auch Lager<br />
errichtet, welche den Soldaten als<br />
ständige Wohnorte dienen. Es handelt sich<br />
hierbei um Standlager, die man auch als<br />
„Kastelle“ bezeichnet. Während Marschlager<br />
in den noch nicht befriedeten Gebieten installiert<br />
werden, baut man Kastelle üblicherweise<br />
in Gebieten, die bereits von den Rö-<br />
Clausewitz 5/2014<br />
73
Militär und Technik | Legionslager<br />
mern erobert worden sind. Kastelle besitzen<br />
vor allem eine strategische Funktion als ständige<br />
Sicherung gefährdeter Positionen. Daher<br />
befinden sie sich oftmals unmittelbar<br />
hinter den Grenzen des Imperiums. Bekannte<br />
Beispiele hierfür sind die Kastelle, die am<br />
obergermanisch-raetischen Limes liegen: einem<br />
etwa 550 Kilometer langen Abschnitt<br />
der Außengrenze des Römischen Reiches<br />
zwischen Rhein und Donau, der sich von<br />
Rheinbrohl (Rheinland-Pfalz) im Westen bis<br />
Eining (Niederbayern) im Osten erstreckt.<br />
Zugleich fungieren Kastelle auch als logistische<br />
Knotenpunkte im Versorgungsnetz der<br />
Armee: Sie können zur Sammlung und Ausgabe<br />
von Waffen, Baumaterial und Vorräten<br />
genutzt werden, des Weiteren zur medizinischen<br />
Versorgung der Soldaten und zur Reparatur<br />
von militärischer Ausrüstung. Je länger<br />
ein Lager existiert und je größer seine<br />
Ausdehnung und Truppenstärke sind, desto<br />
mehr gewinnen diese logistischen Funktionen<br />
an Bedeutung.<br />
Grundriss und Ausstattung<br />
Das Kastell verfügt im Wesentlichen über<br />
denselben Bauplan wie das Marschlager: einen<br />
Grundriss in Form eines Rechtecks mit<br />
zwei Hauptstraßen und vier Lagertoren.<br />
Deutliche Unterschiede gibt es jedoch bei<br />
den Bauten, die sich innerhalb der Befestigungsanlage<br />
befinden. Ein Marschlager beinhaltet<br />
nur Gebäude, die von unmittelbarem<br />
Nutzen sind und rasch wieder abgebaut<br />
KOMPLEX: Die römischen Standlager<br />
gleichen kleinen Städten – diese Abbildung<br />
zeigt die Wohnblocks (hinten) und<br />
Pferdeställe (vorne) der Kavallerie. Diese<br />
Rekonstruktion stützt sich auf Erkenntnisse,<br />
die durch Ausgrabungen eines römischen<br />
Kastells in Oberstimm bei Ingolstadt<br />
gewonnen wurden.<br />
werden können, also in erster Linie Zelte für<br />
den Feldherren und die Soldaten, Koppeln<br />
für Reit- und Lasttiere, Stellplätze für mitgeführte<br />
Wagen sowie Lagerräume. Dagegen<br />
besitzen Kastelle eine deutlich umfangreichere<br />
und aufwendigere Innenausstattung,<br />
was dem Umstand geschuldet ist, dass die<br />
Truppen dort für längere Zeit stationiert sind<br />
und sich entsprechend häuslich einrichten.<br />
Die Soldaten werden in Kasernen untergebracht,<br />
Reit- und Lasttiere in Ställen, Gerät-<br />
HINTERGRUND<br />
Kastelle als Grundlage für moderne Städte<br />
Das Erbe der römischen Militärlager ist auch<br />
in der Gegenwart noch unmittelbar zu erkennen.<br />
Kastelle/Standlager stellen nämlich oftmals<br />
die Grundlage für die Entstehung von<br />
Städten dar, die teilweise noch heute existieren.<br />
Die Entwicklung läuft in der Regel folgendermaßen<br />
ab: Unmittelbar vor den Mauern<br />
eines Kastells siedelt sich die Zivilbevölkerung<br />
an. Neben den Frauen der innerhalb des<br />
Kastells stationierten Soldaten sind dies<br />
hauptsächlich Gastwirte, Handwerker und<br />
Händler sowie Veteranen (ausgediente Soldaten,<br />
die im militärischen Bedarfsfall eingesetzt<br />
werden können). Eine solche Siedlung<br />
bezeichnet man im Lateinischen als „vicus“<br />
(Plural: „vici“). Das Schicksal dieser „vici“ gestaltet<br />
sich sehr unterschiedlich. Wenn es<br />
zur Auflösung eines Kastells kommt, etwa<br />
weil es durch einen übermächtigen Feind bedroht<br />
oder nach erfolgreicher militärischer<br />
Mission funktionslos wird, hat dies meist<br />
auch das Ende der Siedlung zur Folge. Bleibt<br />
ein Kastell hingegen über ein langen Zeitraum<br />
in Gebrauch, so kann die zugehörige<br />
Siedlung wirtschaftlich prosperieren, sich<br />
einwohner- und flächenmäßig ausdehnen<br />
und zu einer befestigten Stadt (lateinisch:<br />
„civitas“) entwickeln. Eine Reihe dieser Städte<br />
überdauert die Antike sowie das Mittelalter<br />
und besteht auch gegenwärtig noch fort.<br />
Betrachtet man die Gebiete des heutigen<br />
deutschsprachigen Raumes, so kann man<br />
feststellen, dass sich ebensolche „vici“ während<br />
der Römerzeit insbesondere in den<br />
Provinzen Obergermanien (südwestliches<br />
Deutschland sowie Teile der Schweiz) und<br />
Rätien (nördliches Alpenvorland zwischen<br />
südöstlichem Schwarzwald, Donau und Inn)<br />
herausbilden. Beispiele für Kastellsiedlungen,<br />
aus denen später Städte entstehen,<br />
sind Bonn („Castra Bonnensia“), Mainz<br />
(„Castra Moguntiacum“), Neuss („Castra Novaesium“),<br />
Passau („Castra Batava“), Regensburg<br />
(„Castra Regina“) und Remagen<br />
(„Castra Rigomagus“). <strong>Wie</strong> diese Aufzählung<br />
veranschaulicht, leiten sich einige der modernen<br />
deutschen Städtenamen von den lateinischen<br />
Namen einstiger Kastelle ab.<br />
74
Das Kastell als Kleinstadt<br />
ÜBUNG FÜR DEN ERNSTFALL: In den Militärlagern finden regelmäßig<br />
Waffenübungen statt, um die Legionäre fit und auf einem hohen<br />
Kampfniveau zu halten. Hier wird mit Holzschwert und geflochtenem<br />
Weidenschild unter Anweisung eines Ausbilders geübt. Im Hintergrund<br />
trainieren Legionäre mit hölzernen Pila (Wurfspießen).<br />
UNERMÜDLICH: Die römische Armee ist bekannt für ihre Organisation<br />
und den ausdauernden Einsatz der Legionäre – auch mit Schaufel<br />
und Spitzhacke! Auf diesem Bild sind Soldaten beim Bau eines befestigten<br />
Heerlagers zu sehen. Da der Feind in der Nähe ist, bleiben<br />
die Rüstungen angelegt sowie Helme und Waffen griffbereit.<br />
schaften in Lagerschuppen. Der Feldherr<br />
wohnt in einem repräsentativen Haus im<br />
mediterranen Stil. Auch den Offizieren stehen<br />
jeweils eigene Häuser zu. Als administratives<br />
und religiöses Zentrum des Kastells<br />
dient das Verwaltungs- und Stabsgebäude<br />
(„principia“). Darin befinden sich das Fahnenheiligtum,<br />
die Truppenkasse sowie Arbeitspulte<br />
für Schreiber. In der „principia“<br />
werden Lagebesprechungen durchgeführt,<br />
Verwaltungsakte wie Rekrutierungen oder<br />
Soldauszahlungen vollzogen und religiöse<br />
Feiern abgehalten. Zur medizinischen Versorgung<br />
der Truppen gibt es ein Lazarett<br />
(„valetudinarium“). Das Grundnahrungsmittel<br />
der Soldaten, Getreide, wird in großen<br />
Vorratsspeichern aufbewahrt. In vielen Lagern<br />
betreibt man auch Werkstätten, die militärische<br />
Ausrüstung anfertigen oder reparieren.<br />
In umfangreichen und lange Zeit genutzten<br />
Kastellen finden sich auch Gebäude, die<br />
den Truppen einen gewissen Luxus ermöglichen,<br />
beispielsweise Badeanlagen (Thermen)<br />
und Ladenlokale, in denen Zivilisten den Soldaten<br />
zu erschwinglichen Preisen Speis und<br />
Trank anbieten. Überdies verfügen manche<br />
Kastelle sogar über eine Kanalisation.<br />
Die Bauweise<br />
Sowohl beim Marschlager als auch beim<br />
Kastell setzt sich die Verteidigungsanlage<br />
grundsätzlich aus drei Komponenten zu-<br />
sammen: Graben, Wall und Palisade/Mauer.<br />
Jedoch wird bei der Errichtung des Kastells<br />
deutlich mehr Stein verwendet als beim<br />
Marschlager. Auf Grund der besseren Befestigung<br />
und Stabilität können Angreifer so effektiver<br />
abgewehrt werden. Zudem ist Stein<br />
ungleich witterungsresistenter als Holz, ein<br />
wichtiger Faktor bei Kastellen, die über eine<br />
lange Zeitspanne hinweg Bestand haben<br />
und ihre militärisch-logistischen Funktionen<br />
erfüllen sollen. Die Gräben sind beim Kastell<br />
mit zwei bis drei Metern mindestens doppelt<br />
so tief wie beim Marschlager. Einige<br />
Kastelle besitzen besonders ausgefeilte Verteidigungsanlagen<br />
mit doppelten Gräben.<br />
Die Anlage weist in der Regel mehrere Türme<br />
und Verteidigungsplattformen auf. Hinzu<br />
kommen Torbauten mit mehreren Durchgängen,<br />
die man mit Torflügeln und Fallgittern<br />
verschließen kann. Der Gesamtumfang<br />
ist von Kastell zu Kastell verschieden. Er<br />
schwankt im Regelfall zwischen 18 und 25<br />
Hektar, was Seitenlängen von 400 bis 600<br />
Metern entspricht. Mit diesen Maßen kann<br />
ein Kastell eine ganze Legion von etwa 5.000<br />
Soldaten beherbergen. Manche bieten sogar<br />
zwei Legionen Platz, etwa das 56 Hektar große<br />
Castra Vetera in der Nähe der heutigen<br />
Stadt Xanten. Ebenso gibt es Militärlager,<br />
die wesentlich kleiner als die Norm sind: sogenannte<br />
Auxiliarkastelle („Hilfskastelle“)<br />
in der Größenordnung von 1,5 bis 6 Hektar. In<br />
ihnen werden meist Hilfstruppen der römischen<br />
Legionen stationiert, die aus Einwohnern<br />
der Provinzen oder aus verbündeten<br />
Völkern stammen.<br />
VIELSEITIGE SOLDATEN: Neben dem Kampfeinsatz sind die Legionäre vor allem als Bauarbeiter<br />
tätig – hier bei der Errichtung des Hauptquartiers bzw. Stabs- und Verwaltungsgebäudes<br />
(„principia“) sowie der Mannschaftsunterkünfte eines Kastells. Die Standlager werden<br />
im Gegensatz zu den Marschlagern für eine langfristige Nutzung errichtet.<br />
Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und<br />
Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten<br />
gehören Mittelalter und Antike.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
75
Feldherren<br />
Winston Churchill<br />
Mit eisernem Willen<br />
8. Mai 1945: Winston Churchill ist am Ziel. Als erbitterter Widersacher Hitlers und des NS-<br />
Staates trägt der für seinen starken Willen und besonderen Ehrgeiz bekannte britische<br />
Premierminister großen Anteil am alliierten Sieg über das „Dritte Reich“. Von Stefan Krüger<br />
IN SOWJETISCHER BEGLEITUNG: Churchill<br />
nutzt eine Pause während der Potsdamer<br />
Konferenz im Sommer 1945 für einen Abstecher<br />
in die Ruine der zerstörten Neuen<br />
Reichskanzlei in der Berliner Voßstraße.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
76
BIOGRAPHISCHE DATEN<br />
1874: Churchill wird am 30. November in Woodstock<br />
(England) geboren<br />
1881–1892: Besuch verschiedener Internate<br />
1893–1895: Kadett in Sandhurst<br />
1895–1899: Leutnant im 4. Husarenregiment,<br />
nimmt an Feldzügen in Kuba, Indien und im Sudan<br />
teil<br />
1899–1900: Kriegsberichterstatter im Burenkrieg<br />
1900: Wird als Konservativer Mitglied des Unterhauses<br />
1904: Übertritt zur Liberalen Partei<br />
1908–1910: Handelsminister<br />
1910–1911: Innenminister<br />
1911–1915: 1. Lord der Admiralität<br />
Winston Churchill (1874–1965)<br />
1915: Frontoffizier<br />
1916: Abgeordneter<br />
1917–1918: Munitionsminister<br />
1918–1921: Kriegs- und Luftfahrtminister<br />
1924: Wechsel zu den Konservativen<br />
1924–1929: Schatzkanzler<br />
1929–1939: Kein politisches Amt<br />
1939: 1. Lord der Admiralität<br />
1940–1945: Parteiführer der Konservativen und<br />
Premier- und Verteidigungsminister<br />
1945–1951: Oppositionsführer<br />
1951–1955: Premierminister<br />
1953: Nobelpreis für Literatur<br />
1965: Churchill stirbt in London<br />
(24. Januar)<br />
SYMBOLHAFT: Der britische<br />
Premierminister Churchill verbreitet<br />
im Kriegsjahr 1943 lächelnd<br />
Optimismus mit dem<br />
„Victory“-Zeichen.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Clausewitz 5/2014
Feldherren<br />
Ein Blick in die Ahnengalerie der Churchills<br />
zeigt, dass die Familie einige politisch<br />
und militärisch bedeutsame Persönlichkeiten<br />
hervorgebracht hat, so etwa im<br />
frühen 18. Jahrhundert: Damals können<br />
Großbritannien und seine Verbündeten erleichtert<br />
aufatmen. Für einen Augenblick hat<br />
es tatsächlich so ausgesehen, als ob die aufstrebende<br />
Kontinentalmacht Frankreich mit<br />
ihrem machthungrigen König und Alleinherrscher<br />
Ludwig XIV. an der Spitze<br />
die Hegemonie in Europa erringen<br />
würde. Dass Frankreich nicht<br />
die alles beherrschende Vormachtstellung<br />
erlangt, haben sie vor allem<br />
einem Mann zu verdanken:<br />
John Churchill. Er fügt den Franzosen<br />
während des Spanischen<br />
Erbfolgekrieges (1701–1714) in einem<br />
brillanten Feldzug eine Reihe<br />
von Niederlagen zu. Zum Dank<br />
erhebt ihn Königin Anne zum Herzog.<br />
Sein Titel lautete fortan „1.<br />
Duke of Marlborough“.<br />
Karriere des Vaters<br />
Nachdem sich die Churchills so<br />
eindrucksvoll in den Hochadel<br />
„katapultiert“ haben, wird es auffällig<br />
still um sie. Erst am Ende<br />
des 19. Jahrhunderts macht wieder ein Marlborough<br />
von sich reden: Lord Randolph<br />
Churchill ist einer jener Exzentriker, bei denen<br />
sich die Zeitgenossen nie so ganz sicher<br />
sind, auf welcher Seite der Grenze von Genie<br />
und Wahnsinn sie gerade ihren „Hexentanz“<br />
aufführen. Doch allen Eskapaden zum Trotz<br />
erkennt er mit ungewöhnlich viel Weitblick,<br />
dass die konservative Partei, der er angehört,<br />
nur dann eine Chance hat, wenn sie sich<br />
VATERFIGUR: Lord Randolph<br />
Henry Spencer-Churchill (1849–<br />
1895), Winston Churchills Vater,<br />
im Porträt.<br />
Foto: picture-alliance/Everett Collection<br />
FEINER ZWIRN STATT<br />
UNIFORM: Premierminister<br />
Lloyd George (re.) holt<br />
Winston Churchill 1917 als<br />
Munitionsminister in die<br />
Regierung zurück.<br />
Foto: picture-alliance/Farabola/Leemage<br />
IN JÜNGEREN JAHREN: Aufnahme<br />
von Winston Churchill aus<br />
dem Jahr 1905.<br />
Foto: picture-alliance/<br />
Mary Evans Picture Library<br />
nicht länger als Klientelpartei der Oberschicht,<br />
sondern als Volkspartei begreift.<br />
Diese Erkenntnis verhilft ihm politisch zum<br />
Durchbruch. Doch so schnell wie dieser<br />
Stern aufsteigt, verglüht er auch wieder.<br />
Denn Churchill sitzt dem verhängnisvollen<br />
Irrtum auf, unersetzlich zu sein.<br />
Gänzlich unbeeindruckt vom politischen<br />
Absturz bleibt indes Randolphs größter Bewunderer,<br />
nämlich sein ältester Sohn Winston.<br />
Dieser kommt am 30. November 1874<br />
zur Welt. Nun fahren in England nicht nur<br />
die Autos auf der „falschen“ Seite, auch das<br />
Adelsrecht ist anders ausgeprägt. So ist ausschließlich<br />
der älteste Sohn berechtigt, den<br />
Erbtitel zu führen. Die jüngeren Brüder hingegen<br />
dürfen sich lediglich mit der Bezeichnung<br />
„Lord“ schmücken. Den Söhnen dieser<br />
Titularlords wiederum bleibt auch dies verwehrt.<br />
Winston Churchill wird daher mit seinem<br />
bürgerlichen Namen in die Geschichte<br />
eingehen und nicht als Marlborough.<br />
Beginn der Militärlaufbahn<br />
Er ist somit nicht mit dem sprichwörtlichen<br />
silbernen Löffel im Mund geboren worden,<br />
zumal der exzentrische Vater mit der Zeit einen<br />
beeindruckenden Schuldenberg anhäuft.<br />
Dennoch soll Winston die Internats-<br />
Ausbildung durchlaufen, wie es sich für einen<br />
Angehörigen des Hochadels gehört. Im<br />
spätviktorianischen England bedeutet das<br />
vor allem eines: Prügel. Das Bildungssystem<br />
offenbart hier keinen Fehler, sondern ein perfides<br />
Kalkül. Die Erzieher möchten die Kinder<br />
brechen, um aus den Splittern einen neuen<br />
Menschen zu formen: einen geschliffenen<br />
Kavalier. Erscheinungen wie Vater Randolph<br />
sollen hingegen die Ausnahme bleiben.<br />
Winston aber lässt sich nicht brechen, er verweigert<br />
sich völlig. Mehrmals bleibt er sitzen<br />
und erträgt scheinbar stoisch die Prügel.<br />
Ratlos, was er mit seinem<br />
Sohn anstellen soll, betritt der Vater<br />
eines Tages das Kinderzimmer<br />
und sieht, dass der 15-Jährige mit<br />
Zinnsoldaten spielt. Auf die Frage,<br />
ob er denn zur Armee möchte,<br />
nickt Winston eifrig. Doch aufgrund<br />
der mangelhaften Schulbildung<br />
– Churchill hat das<br />
Abitur freilich nicht bestanden –<br />
rasselt er zunächst zweimal<br />
durch die Aufnahmeprüfung, ehe<br />
sich schließlich ein Husarenregiment<br />
seiner erbarmt. Das ist keine<br />
Auszeichnung. Die Kavallerie<br />
gilt als „Wühltisch“ der Taugenichtse<br />
aus dem Hochadel.<br />
Zur großen Verblüffung seiner<br />
Familie fügt sich der trotzige und<br />
ewig renitente Winston problem-<br />
78
frühe helle Selbsteinkleideruniform von 1957<br />
mit freundlicher Genehmigung von Herrn Czarski vom<br />
Uniformenmuseum Nieder-Gemünden<br />
Gefreiter der Militärmusik 1965 nach Einführung der<br />
Schützenschnur<br />
<br />
<br />
<br />
Emblem, Rock mit spitzen Schulterstücken und ohne<br />
<br />
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-<br />
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<br />
Privatsammlung<br />
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<br />
<br />
<br />
wie folgt: „Der Dienstanzug,<br />
, eine graue Kammgarn<br />
tuchbekleidung, besteht aus der Dienstbluse (zwei<br />
reihig mit geschwungen verlaufenden Knöpfen,<br />
eng in der<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
deckend),<br />
aus der Tuchhose (als Überfallhose oder lang zu<br />
tragen), der bergmützenähnlichen Dienstmütze, aus dem<br />
grauen Diensthemd und Langbinder. .Jenach Dienst und<br />
<br />
<br />
<br />
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und im Felde.“<br />
Korrekte Darstellung:<br />
weißes<br />
Sporthemd, Binder<br />
silberfarben,<br />
Schirmmütze noch<br />
mit Metallabzei-<br />
chen (passend zu<br />
den metallenen<br />
<br />
-<br />
abzeichen und dem<br />
geraden Eichenlaub<br />
<br />
<br />
mit freundlicher<br />
Genehmigung<br />
der Infanterieschule<br />
der Bundeswehr<br />
Privatsammlung<br />
<br />
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<br />
werden.“<br />
mit freundlicher Genehmigung der<br />
<br />
<br />
„Der Ausgehanzug<br />
unterscheidet sich von diesem durch<br />
<br />
<br />
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Polarisierende Persönlichkeit<br />
SICHER GELANDET: Churchill nach der Landung eines vom Piloten Major Gerrard geführten<br />
Militärflugzeugs im südenglischen Portsmouth, 1914. Foto: picture-alliance/PA Archive/Press Association Ima<br />
los in die militärische Hierarchie. Mehr noch:<br />
Er liebt das Kriegshandwerk und die fünf<br />
Jahre, die er als Berufsoffizier verbringt, sind<br />
ohne Zweifel die glücklichsten seines bis dahin<br />
freudlosen Lebens. An fünf kleineren Kolonialkriegen<br />
nimmt er teil. Der letzte, in<br />
dem es gegen die Buren geht, macht ihn über<br />
Nacht zum „Nationalhelden“, als ihm eine<br />
spektakuläre Flucht aus der Gefangenschaft<br />
gelingt.<br />
„Es gab Churchill, und<br />
so ist die Weltgeschichte<br />
anders verlaufen.“<br />
Der Historiker und Schriftsteller<br />
Sebastian Haffner (1907–1999)<br />
über Winston Churchill<br />
Mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein<br />
und Prestige im Gepäck nimmt er<br />
im Alter von 25 Jahren seinen Abschied von<br />
der Armee und wechselt in die Politik –<br />
selbstverständlich als „Tory“ (Konservativer).<br />
Sicherlich liebt er das Militär nach wie<br />
vor mehr als das schnöde politische Geschäft.<br />
Doch Churchill ist auch hungrig,<br />
hungrig nach Macht und Einfluss – und als<br />
Politiker verspricht er sich mehr Erfolg.<br />
<strong>Wie</strong> sehr er nach seinem Vater schlägt,<br />
zeigt Churchill nach nur drei Jahren als konservativer<br />
Abgeordneter im Unterhaus, indem<br />
er 1904 kurzerhand zu den Liberalen<br />
„überläuft“. In einem Land, in dem sich die<br />
politischen Lager so unversöhnlich gegenüberstehen,<br />
ist dies nicht nur ein Seitenwechsel.<br />
In den Augen der „Tories“ stellt<br />
dies Hochverrat dar. Vordergründig geht es<br />
um wirtschaftliche Fragen, tatsächlich aber<br />
wechselt der junge Abgeordnete die Partei,<br />
weil die Konservativen zu dieser Zeit im<br />
Niedergang begriffen sind. Bei den Liberalen<br />
hofft er, sein wenig gewinnbringendes Dasein<br />
als Hinterbänkler zu beenden. Und tatsächlich<br />
erringen die Liberalen 1906 einen<br />
Erdrutschsieg.<br />
Politischer Quergeist<br />
Doch wer geglaubt hatte, dass Churchill sich<br />
in seiner neuen politischen Heimat wenigstens<br />
auf dem rechten Flügel positionieren<br />
würde, sieht sich rasch getäuscht. Der Quergeist<br />
etabliert sich vielmehr als radikaler Linker,<br />
der beispielsweise fordert, die Rüstungsausgaben<br />
zu kürzen, um stattdessen die Sozialprogramme<br />
zu erweitern. Nicht einmal<br />
die neuen „Dreadnoughts“ möchte Churchill<br />
der Marine gönnen. Zusammen mit seinem<br />
„revolutionären“ Kollegen Lloyd George<br />
treibt er Konservative und Gemäßigte vor<br />
sich her. <strong>Wie</strong> weit würde Großbritannien<br />
noch nach links rücken? Dies fragt sich mit<br />
Sorgenfalten auf der Stirn auch der liberale<br />
Premierminister Herbert Henry Asquith.<br />
Dieser vollführt daraufhin einen der brillantesten<br />
politischen Schachzüge der britischen<br />
Lothar Schuster<br />
Das Ausstattungssoll der<br />
Heeresangehörigen der<br />
Bundeswehr von<br />
1955 bis 2010<br />
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Dokumentierung ng der<br />
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28 | <br />
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| 29<br />
E<br />
Die Entwicklung der<br />
Dienst- und Ausgehuniform<br />
Clausewitz 5/2014<br />
79
Feldherren<br />
ZUFRIEDEN: Winston Churchill mit heiterer Miene in einem Jeep im militärisch besiegten<br />
Deutschland, 1945.<br />
Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />
Geschichte: Er macht Churchill zum 1. Lord<br />
der Admiralität (Marineminister). Von den<br />
Sozialprogrammen möchte der ehrgeizige<br />
Jungpolitiker nun freilich nichts mehr wissen.<br />
Sein Marineministerium legt jetzt vielmehr<br />
einen Etatplan vor, der alles in den<br />
Schatten stellt, was Großbritannien und die<br />
Royal Navy bis dahin gesehen haben. Außerdem<br />
setzt der neue Marineminister durch,<br />
dass die Schiffe von der Kohlebefeuerung<br />
auf Öl umsteigen. Diese Maßnahme erweitert<br />
ihren Aktionsradius beträchtlich.<br />
dings ungenutzt. Die Entente-Mächte begnügen<br />
sich damit, dem Krieg und den<br />
Deutschen hinterherzuhinken, anstatt die<br />
Initiative zu ergreifen. Der Konflikt erstarrt<br />
im Stellungskrieg. Churchill aber graust es<br />
davor, Millionen von Menschen durch einen<br />
gigantischen Fleischwolf zu drehen in der<br />
Strategische Begabung<br />
Als er dafür wirbt, das Tempo der Flottenrüstung<br />
zu steigern, möchte er allerdings<br />
nicht nur das Gewicht seines Ministeriums<br />
erhöhen. Der 1. Lord der Admiralität ist davon<br />
überzeugt, dass ein Krieg mit Deutschland<br />
nicht mehr abgewendet werden kann.<br />
Churchill ist kein Kriegstreiber. Doch diese<br />
fatalistische Haltung, die dem Frieden keine<br />
Chance einräumt, teilt er mit Politikern auf<br />
dem gesamten Kontinent, was der Katastrophe<br />
mit den Weg ebnet. Im Krieg selbst beweist<br />
Churchill mehr Weitblick. Er vermutet,<br />
dass Deutschland die belgische Neutralität<br />
missachten und mit einem starken rechten<br />
Flügel in Nordfrankreich einmarschieren<br />
würde, ehe die Angreifer nach Süden<br />
schwenken. Damit hat er den Schlieffenplan<br />
auf eine Weise vorausgeahnt, als hätte er zuvor<br />
mit am preußischen Kartentisch gesessen.<br />
Seine strategische Begabung bleibt allermierminister<br />
Asquith eine Koalition mit den<br />
Konservativen ein und trennt sich obendrein<br />
von seinem Marineminister – die späte Rache<br />
der „Tories“ an dem „Verräter“ Churchill.<br />
„Ich bin erledigt“, kommentiert der geschasste<br />
Politiker sein Schicksal. Nach einem<br />
Intermezzo als Bataillonskommandeur an<br />
der Westfront kehrt Churchill zwar 1917 unter<br />
dem neuen Premierminister Lloyd George<br />
als Munitionsminister in die Regierung<br />
zurück. Doch geschwächt wie er ist, bleiben<br />
seine Möglichkeiten als Minister von Georges<br />
Gnaden sehr begrenzt. Immerhin erkennt<br />
er die immense Bedeutung gepanzerter<br />
Fahrzeuge und trägt dazu bei, dass der<br />
Tank als neue Waffengattung in die Massenproduktion<br />
geht.<br />
,,Dieser üble Mensch, diese Verkörperung des<br />
Hasses, dieser Brutherd von Seelenkrebs, diese<br />
Missgeburt aus Neid und Schande.“<br />
Hoffnung, dass den Deutschen als ersten das<br />
„Material“ ausgeht. Er plädiert dafür, auf<br />
dem Balkan eine neue Front zu eröffnen.<br />
Hier befindet sich mit dem Osmanischen<br />
Reich nicht nur das schwächste Glied in der<br />
Kette der Mittelmächte. Ein erfolgreicher<br />
Durchbruch zum Schwarzen Meer bietet zudem<br />
die Chance, Russland zu versorgen,<br />
denn der „Riese“ leidet unter gewaltigen<br />
Nachschubproblemen, die ihn am Ende auch<br />
zu Fall bringen sollten. Die Schlacht von Gallipoli<br />
(19. Februar 1915 bis 9. Januar 1916)<br />
gerät allerdings zu einem Debakel.<br />
Dieser Fehlschlag, der auch mit der Munitionskrise<br />
in Großbritannien zusammenfällt,<br />
stürzt die liberale Regierung in eine<br />
schwere Krise. Um sich zu retten, geht Pre-<br />
Winston Churchill über Adolf Hitler<br />
Erneuter „Seitenwechsel”<br />
Innenpolitisch können die Liberalen kein<br />
Kapital aus dem Sieg im Ersten Weltkrieg<br />
schlagen. Die Partei geht unter, Churchill<br />
versucht, sich zu retten: 1924 vollführt er seinen<br />
zweiten Seitenwechsel und nimmt wieder<br />
bei den Konservativen Platz. Dieser an<br />
Unverschämtheit grenzende Opportunismus<br />
sorgte schon bei den Zeitgenossen für<br />
Verwunderung. Im Unterschied zum ersten<br />
Wechsel spielen diesmal jedoch auch ideologische<br />
Gründe eine Rolle. Es ist die kommunistische<br />
Revolution in Russland, die den<br />
Enkel des Herzogs von Marlborough daran<br />
erinnert, wer er ist. Lebhaft plädiert er dafür,<br />
im russischen Bürgerkrieg zu intervenieren.<br />
,,Frieden mit dem deutschen Volk, Krieg gegen<br />
die bolschewistische Tyrannei“, lautet eine<br />
seiner Losungen. Der Niedergang der Liberalen<br />
geht indes einher mit dem Aufstieg<br />
der Labour Party. Churchill verwischt hier<br />
bewusst die Grenzen zwischen Sozialdemokratie,<br />
Sozialismus und Kommunismus. Bewegungen,<br />
die er allesamt als „nationales<br />
Unglück“ brandmarkt. Vor diesem Hintergrund<br />
erstaunt es nicht, dass der bürgerliche<br />
Aristokrat zunächst eher erleichtert ist, als in<br />
Deutschland ein Mann an die Macht kommt,<br />
der sich als Todfeind des Kommunismus betrachtet.<br />
Hitler und Churchill haben neben<br />
einer mangelnden Schulbildung durchaus<br />
weitere Gemeinsamkeiten. Beide stellen<br />
„Fremdkörper“ ihrer Zeit dar, die sich nicht<br />
darum scheren, was der Rest der Welt von<br />
80
Kampf gegen Hitler<br />
ihnen denkt und erwartet. Der Unterschied<br />
besteht freilich darin, dass sich der Brite trotz<br />
seines maßlosen Ehrgeizes ein weiches Herz<br />
bewahrt. Hitler hingegen degradiert die<br />
Menschen zu willenlosen Sklaven seiner<br />
Rassenideologie.<br />
Churchill ahnt dies und revidiert seine<br />
Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen<br />
Deutschland. Er mahnt, fordert und<br />
warnt, doch es nimmt ihn schon lange niemand<br />
mehr ernst. Politisch scheint er bereits<br />
seit dem Ende der 1920er-Jahre erledigt.<br />
Als Premierminister Chamberlain<br />
schließlich vor dem Scherbenhaufen seiner<br />
unglücklichen „Appeasement-Politik“ steht,<br />
trifft er immerhin noch eine wichtige Entscheidung<br />
und ernennt den mittlerweile 64-<br />
Jährigen zum Marineminister. „Winston ist<br />
zurück“, funkt der Admiralstab fröhlich.<br />
Doch auch Churchill kann nicht innerhalb<br />
weniger Wochen korrigieren, was man über<br />
Jahre hinweg versäumt hat. Während Polen<br />
im Herbst 1939 geschlagen ist, schmiedet<br />
Churchill den Plan, die norwegischen Häfen<br />
zu besetzen. Deutschland aber ist schneller.<br />
Auch Frankreich geht im Sommer 1940 unter<br />
und kapituliert. Chamberlain war indes<br />
schon vorher am Ende. Sein Nachfolger wird<br />
der streitbare „Tory“, der am 10. Mai eine<br />
Allparteien-Regierung bildet. Doch was soll<br />
er tun? Noch könnte Großbritannien aufgeben<br />
und mit einem blauen Auge davonkommen.<br />
Doch an diesem Punkt kommt wieder<br />
der trotzige Schüler in Winston hervor, der<br />
lieber Prügel kassiert als das Naheliegende<br />
zu tun. Er weiß, dass eine friedliche<br />
Koexistenz mit Hitler niemals<br />
möglich sein wird und beschließt,<br />
weiterzukämpfen. In seiner ersten Rede<br />
als Premierminister verspricht er seinen<br />
Landsleuten auch keinen Frieden,<br />
sondern „Blut, Schweiß und Tränen.“<br />
Mit dem Sieg in der Luftschlacht um<br />
England 1940/41 kann er eine deutsche<br />
Invasion abwenden. Doch wie kann<br />
Großbritannien den Zweiten Weltkrieg<br />
gewinnen? In der Konferenz von Casablanca<br />
im Januar 1943 einigen sich<br />
Churchill und der US-amerikanische<br />
Präsident Roosevelt auf die „Germany-First-Strategie“:<br />
Deutschland soll<br />
zuerst niedergerungen werden. Da-<br />
VEREHRT: Denkmal zu Ehren Churchills<br />
in Paris. Winston Churchill gilt<br />
aber vor allem in seiner Heimat für<br />
viele Menschen als der bedeutendste<br />
Staatsmann des 20. Jahrhunderts,<br />
vor allem wegen seines<br />
energischen Widerstandes gegen<br />
Hitler und den NS-Staat.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
IM QUARTETT: Der französische General Giraud, US-Präsident Roosevelt, General de Gaulle<br />
und Premierminister Churchill am Rande der Konferenz von Casablanca im Januar 1943.<br />
bei spricht er sich, wenn auch vergebens, gegen<br />
die Forderung nach einer bedingungslosen<br />
Kapitulation aus. Er fürchtet, dass dies<br />
den Rückhalt des Hitler-Regimes in<br />
Deutschland eher stärken als schwächen<br />
wird.<br />
„Kommunistenfresser”<br />
Der amerikanische Präsident und der britische<br />
Premierminister unterscheiden<br />
sich darüber hinaus auch in einem<br />
weiteren Punkt voneinander: Während<br />
Roosevelt „Uncle Joe“, wie er<br />
Stalin beinahe liebevoll nennt,<br />
nach dem Krieg in die<br />
Weltgemeinschaft integrieren<br />
möchte, blitzt<br />
bei Churchill der<br />
„Kommunistenfresser“<br />
durch. Er hält<br />
die Vorstellungen<br />
des Amerikaners<br />
schlicht für naiv<br />
und richtet seine<br />
Kriegführung zunehmend<br />
an dem von ihm<br />
erwarteten Konflikt mit<br />
der Sowjetunion aus. So<br />
ist es sein Ziel, die westlichen<br />
Alliierten über<br />
Italien hinaus nach<br />
Österreich vorstoßen<br />
zu lassen, allein um<br />
der Roten Armee<br />
zuvorzukommen.<br />
Stalin aber pocht<br />
auf der Konferenz<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
von Teheran Ende 1943 auf eine zweite Front<br />
in Frankreich. Roosevelt schließt sich ihm an.<br />
Die alliierte Invasion vom 6. Juni 1944<br />
verläuft schließlich erfolgreich, doch mit Sorge<br />
registriert Churchill, dass der Vormarsch<br />
der Roten Armee nach Westen stark an Dynamik<br />
gewonnen hat. Bei einem weiteren<br />
Treffen in Jalta im Februar 1945 ist der britische<br />
Premierminister daher gezwungen, Stalin<br />
weitere Zugeständnisse zu machen. Faktisch<br />
beschließen die Staatsmänner die Aufteilung<br />
Europas, so wie sie bis 1989/90<br />
Bestand haben sollte.<br />
Der inzwischen 69-jährige trotzige „Krieger“<br />
ist allerdings nicht bereit, sich mit dieser<br />
Weltordnung abzufinden. Bereits im Mai<br />
1945 ordnet er an, Operation „Unthinkable“<br />
auszuarbeiten. Das Unternehmen sieht vor,<br />
die Sowjetunion in einem Feldzug mit deutscher<br />
Beteiligung niederzuwerfen. Freilich<br />
ist diese Option noch unrealistischer als die<br />
von ihm damals geforderte große Intervention<br />
im russischen Bürgerkrieg. <strong>Wie</strong> kriegsmüde<br />
Großbritannien längst ist, zeigt die<br />
Wahl vom Juli 1945: Während Churchill weiterhin<br />
Krieg predigt – noch ist Japan nicht bezwungen<br />
– verspricht die Labour Party Sozialprogramme<br />
und gewinnt die Wahl. Das<br />
„alte Schlachtross“ hat ausgedient. Zwar<br />
wird Churchill 1951 noch einmal Premierminister,<br />
doch fordert nun das Alter seinen Tribut,<br />
sodass er bereits 1955 zurücktreten<br />
muss. Er stirbt schließlich im Jahr 1965 im Alter<br />
von 90 Jahren.<br />
Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.<br />
Clausewitz 5/2014<br />
81
Fotos: picture-alliance/ZB©dpa-Report; picture-alliance/Usis-Dite/Leemage; picture-alliance/akg-images<br />
<strong>Vorschau</strong><br />
Schlacht um Aachen 1944<br />
Kampf um Deutschlands westlichste<br />
Großstadt<br />
2. Oktober 1944: Das erbitterte Ringen um<br />
Aachen beginnt. Zahlenmäßig weit überlegene<br />
US-Truppen treffen auf angeschlagene<br />
Verteidiger, darunter Tausende von Volkssturmangehörigen.<br />
Ein Kapitulationsangebot<br />
der Amerikaner wird vom Stadtkommandanten<br />
abgelehnt, denn es gilt Hitlers<br />
Befehl: „Halten bis zum letzten Mann!“<br />
Außerdem im nächsten Heft:<br />
Ehrenbreitstein. Die imposante Festungsanlage am Rhein.<br />
Reinhard Scheer. Der berühmte Admiral der Kaiserlichen Marine.<br />
Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />
82<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />
begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />
doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />
Ihr verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Dr. Tammo Luther<br />
Die Nationale Volksarmee (NVA)<br />
Die Armee der Deutschen Demokratischen Republik<br />
18. Januar 1956: Die Volkskammer der DDR beschließt<br />
einstimmig den Aufbau einer Nationalen<br />
Volksarmee. Bereits seit 1952 gab es bewaffnete und<br />
militärisch strukturierte Truppenteile in Gestalt der Kasernierten<br />
Volkspolizei. Doch als die DDR am 14. Mai<br />
1955 dem Warschauer Pakt beigetreten ist, hat sie<br />
sich verpflichtet, eigene Verbände den Vereinten Streitkräften<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
„Hunnensturm“ über Europa<br />
Die Schlacht auf den<br />
Katalaunischen Feldern<br />
451 n. Chr.:<br />
Attila fällt mit seinen<br />
Kriegern über<br />
das Weströmische<br />
Reich<br />
her. Im Nordosten<br />
Galliens<br />
kann<br />
der Feldherr<br />
Flavius Aëtius<br />
den Eindringling<br />
stellen.<br />
Auf den<br />
Katalaunischen<br />
Feldern<br />
kommt es zu einer der berühmtesten<br />
Schlachten der Spätantike.<br />
Die nächste Ausgabe<br />
von<br />
erscheint<br />
am 6. Oktober 2014.<br />
Nr. 21 | 5/2014 | September-Oktober | 4.Jahrgang<br />
Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />
Redaktionsanschrift<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />
Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />
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Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur),<br />
Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />
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Stefan Krüger, M.A.<br />
Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />
Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder,<br />
Dr. Peter Andreas Popp<br />
Layout Ralph Hellberg<br />
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Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
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ISSN 2193-1445<br />
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die militärhistorische und wissenschaftliche<br />
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§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />
Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich<br />
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Zwei Fässer Bier waren das erste Frachtgut,<br />
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dampfbetriebenes Schienennetz seit 100 Jahren.<br />
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Deutschlands mit einem besonderen Bierkrug<br />
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