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6/2014 November | Dezember €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Westwall ’44<br />
So eroberten <strong>die</strong><br />
Alliierten Aachen<br />
Panzerhaubitzen<br />
Bundeswehr und <strong>NVA</strong>:<br />
Artillerie im Vergleich<br />
1956–1990<br />
U 995 in Laboe<br />
Einzigartige Gedenkstätte<br />
für <strong>die</strong> Marine<br />
Attilas Fiasko<br />
Katalaunische<br />
Felder: So<br />
triumphierte<br />
Westrom<br />
über <strong>die</strong><br />
Hunnen<br />
<strong>Wie</strong> <strong>schlagkräftig</strong> <strong>waren</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong> <strong>wirklich</strong>?<br />
Avro Lancaster<br />
MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />
Das Rückgrat<br />
der britischen<br />
Bomberwaffe
Legenden<br />
der Lüfte<br />
Jetzt am<br />
Kiosk!<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München
Editorial<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
vor 25 Jahren – am 7. Oktober 1989 –<br />
veranstaltete <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Staatsführung<br />
anlässlich des 40. Jahrestages der<br />
Gründung der Deutschen Demokratischen<br />
Republik eine große Militärparade<br />
in Ost-Berlin. Soldaten der Nationalen<br />
Volksarmee präsentierten sich mit<br />
ihren Fahrzeugen und Waffen vor<br />
Staatsgästen aus dem In- und Ausland<br />
und demonstrierten der Weltöffentlichkeit<br />
<strong>die</strong> militärische<br />
Stärke<br />
des sozialistischen<br />
Staates.<br />
Doch nur vier<br />
Wochen später,<br />
am 9. November<br />
1989,<br />
läutete der Fall<br />
der Mauer endgültig<br />
den Anfang<br />
vom Ende der <strong>DDR</strong> und ihrer hochgerüsteten<br />
<strong>Streitkräfte</strong> ein.<br />
Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt hatten sich<br />
Einheiten der Nationalen Volksarmee<br />
und der Bundeswehr mehr als drei Jahrzehnte<br />
entlang der deutsch-deutschen<br />
Grenze alles andere als freundschaftlich<br />
gegenüber gestanden. Eingebunden<br />
in <strong>die</strong> Militärblöcke in Ost beziehungsweise<br />
West <strong>waren</strong> <strong>die</strong> Soldaten<br />
beiderseits der Grenze militärische Rivalen<br />
und <strong>die</strong>nten zwei gegensätzlichen<br />
politischen Systemen.<br />
Doch dann geschah etwas Einmaliges:<br />
Im Zuge der <strong>Wie</strong>dervereinigung<br />
Deutschlands übergab der Minister für<br />
Abrüstung und Verteidigung der <strong>DDR</strong>,<br />
Rainer Eppelmann, seinem westdeutschen<br />
Amtskollegen Gerhard Stoltenberg<br />
in einem offiziellen Akt <strong>die</strong> Nationale<br />
Volksarmee. Die ehemaligen<br />
<strong>NVA</strong>-Soldaten gelobten als Bundeswehrangehörige,<br />
von nun an der Bundesrepublik<br />
Deutschland – dem einstigen<br />
„Klassenfeind“ – treu zu <strong>die</strong>nen.<br />
„Streitmacht des Kalten Krieges“<br />
haben wir unsere aktuelle Titelgeschichte<br />
zur Nationalen Volksarmee<br />
überschrieben. Darin erfahren Sie alles<br />
Wissenswerte über <strong>die</strong> Entstehung der<br />
<strong>NVA</strong>, über ihre Entwicklung zum „Musterschüler“<br />
des Warschauer Paktes bis<br />
hin zu ihrem Ende im Oktober 1990.<br />
Eine sehr erkenntnisreiche Lektüre<br />
wünscht Ihnen<br />
Dr. Tammo Luther<br />
Verantwortlicher Redakteur<br />
11. Folge<br />
Krieger, Söldner & Soldaten<br />
Das Ende der weißen Herrschaft in Afrika<br />
Zu Beginn der 1950er-Jahre erschüttert <strong>die</strong> als „Mau-Mau“ bekannte Aufstandsbewegung<br />
Kenia. Ihr Ziel ist das Ende der britischen Kolonialherrschaft.<br />
Es folgt ein brutaler Guerillakrieg, den <strong>die</strong> Briten militärisch gewinnen.<br />
Der Begriff „Mau-Mau“ bezeichnet Geheimbünde<br />
innerhalb des ostafrikanischen<br />
Volkes der Kikuyu, in dem <strong>die</strong>se Bewegung ihre<br />
Wurzeln hat. Seine Herkunft ist nicht eindeutig<br />
zu klären, möglicherweise leitet er sich<br />
von einer geografischen Bezeichnung des Ursprungsgebietes<br />
der Rebellenbewegung ab.<br />
Der Grund für den Aufstand liegt in einer stetigen<br />
Verdrängung der Kikuyu aus ihrem traditionellen<br />
Lebensraum durch weiße Siedler.<br />
Doch <strong>die</strong> militärischen Aktionen der Mau-Mau<br />
richten sich nicht nur gegen jene, sondern in<br />
großem Maße auch gegen alle anderen Afrikaner,<br />
<strong>die</strong> mit den Briten zusammenarbeiten. Die<br />
Krieger der Mau-Mau bringen aus Mangel an<br />
Gewehren zunächst ihre klassischen Waffen<br />
zum Einsatz. Dazu gehören in<br />
erster Linie Speere und<br />
bunt bemalte Schilde,<br />
wobei <strong>die</strong> Motive auf den<br />
Schilden Auskunft über soziale<br />
Stellung und Herkunft<br />
des Kriegers geben. Die<br />
Bewaffnung wird durch<br />
kurze, mit sich nach vorne<br />
verbreiternder Klinge<br />
versehene Schwerter (seme),<br />
Hiebmesser (panga)<br />
und kleine Kampfmesser<br />
vervollständigt. Im Lauf der Zeit gelangen<br />
auch immer mehr moderne Gewehre in <strong>die</strong><br />
Hände der Mau-Mau. Die Mau-Mau nutzen<br />
<strong>die</strong> Natur ihres Landes zum Führen eines<br />
Guerillakrieges, der zahlreiche Einflüsse der<br />
traditionellen afrikanischen Kriegführung aufweist,<br />
wobei Überfälle oder Hinterhalte eine<br />
große Rolle spielen. Da <strong>die</strong> Mau-Mau in der<br />
Handhabung ihrer traditionellen Waffen von<br />
Jugend an trainiert sind, benötigen sie<br />
nur eine Ausbildung für den modernen<br />
Kleinkrieg. Diese bekommen sie von<br />
kenianischen Veteranen der britischen<br />
Armee, welche <strong>die</strong> Mau-Mau in <strong>die</strong><br />
Verwendung moderner Waffen und <strong>die</strong><br />
entsprechenden Kampftaktiken einweisen.<br />
Dadurch entsteht zum Teil<br />
FAKTEN<br />
Zeit: 1952–1956<br />
Uniform: Traditionelle Kleidung<br />
Hauptwaffe: Speer, Schild, Schwert<br />
(seme), Hiebmesser (panga)<br />
Kampftaktik: Guerillataktik<br />
Mau-Mau im Film: Flammen<br />
über Afrika (1957)<br />
eine an <strong>die</strong> britische Armee angelehnte Struktur.<br />
Ein wichtiger Bestandteil der Bewegung sind<br />
sowohl der Glaube an Magie als auch <strong>die</strong> Ablegung<br />
des Mau-Mau-Eides, der auf einem überlieferten<br />
Ritual der Kikuyu beruht. Dabei verpflichtet<br />
sich das Neumitglied zur absoluten<br />
Geheimhaltung. Der Bruch des Eides wird mit<br />
der Todesstrafe geahndet. Militärisch gesehen<br />
sind <strong>die</strong> Briten nach einigen Jahren harten<br />
Kampfes zwar <strong>die</strong> Sieger <strong>die</strong>ses Krieges, jedoch<br />
bleibt der politische Erfolg aus. Bereits<br />
1963 müssen sie Kenia in <strong>die</strong> Unabhängigkeit<br />
entlassen.<br />
GEHEIMBUND GEGEN GROßBRITANNIEN:<br />
Die Mau-Mau sind eine Guerilla-Bewegung, <strong>die</strong><br />
das „British Empire“ aus Kenia vertreiben will.<br />
Die Abbildung zeigt einen <strong>die</strong>ser<br />
Krieger mit seiner traditionellen<br />
Ausrüstung. Er trägt einen<br />
Speer und einen mit Tierhaut<br />
überzogenen Schild.<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
Clausewitz 6/2014
Inhalt<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />
Titelthema<br />
Streitmacht des Kalten Krieges. ........................................................................10<br />
Die Nationale Volksarmee.<br />
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
Die Nationale Volksarmee der <strong>DDR</strong><br />
Streitmacht des Kalten Krieges<br />
Januar 1956: Die <strong>DDR</strong>-Volkskammer beschließt den Aufbau<br />
einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland<br />
entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der<br />
Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt<br />
sich dramatisch zu.<br />
Von Dieter Flohr<br />
Von der Freiwilligen- zur Pflichtarmee. ................................................24<br />
Rekrutierung und Dienst in der <strong>NVA</strong>.<br />
„Waffenbruder“ und „Waffenschmiede“. ...........................................28<br />
Bewaffnung und Ausrüstung der <strong>NVA</strong>.<br />
DEMONSTRATION DER STÄRKE<br />
Militärparade der <strong>NVA</strong> mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober<br />
1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der<br />
<strong>DDR</strong>-Gründung. Die <strong>DDR</strong>-Führung signalisiert dem Westen<br />
<strong>die</strong> militärische Macht und Entschlossenheit des „Arbeiterund<br />
Bauernstaates“.<br />
10<br />
11<br />
Mechanisierte Kriegführung: Die <strong>NVA</strong><br />
vereinte Feuerkraft und Mobilität.<br />
Foto: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr<br />
Magazin<br />
Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher. .....................6<br />
Schlachten der Weltgeschichte ..............................................................32<br />
Aachen 1944: Die Alliierten durchbrechen den „Westwall“.<br />
Der Zeitzeuge<br />
Kampfeinsatz über der „grünen Hölle“ ..................................38<br />
Als Hubschrauberpilot in Vietnam.<br />
Militärtechnik im Detail<br />
Großbritanniens schwerer<br />
Bomber „Avro Lancaster“ ......................................................................................40<br />
Der gefürchtete Standardbomber der Royal Air Force.<br />
Schlachten der Weltgeschichte ..............................................................42<br />
„Hunnensturm“ über Europa. Die Schlacht auf den<br />
Katalaunischen Feldern 451 n. Chr.<br />
Militär und Technik<br />
Schussgewaltige Stahlkolosse ..................................................................48<br />
Die Panzerhaubitzen von Bundeswehr und <strong>NVA</strong> während<br />
des Kalten Krieges.<br />
Das Wikingerschiff ...............................................................................................................54<br />
Maritime „Hochtechnologie“ des Frühmittelalters.<br />
Titelbild: Im Falle eines NATO-Angriffs hatte <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> den Auftrag, den Krieg rasch auf<br />
das feindliche Territorium zu tragen. Das Bild zeigt das offensive Vordringen im Gelände<br />
mit Unterstützung von Kampfpanzern und Schützenpanzerwagen.<br />
4
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture<br />
Library<br />
Abb.: picture-alliance/HIP<br />
Abb.: picture-alliances/akg-images<br />
(alle Angaben im Durchschnitt)<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />
Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />
Schlacht um Aachen 1944<br />
GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie<br />
nimmt im Raum Aachen <strong>die</strong> nach<br />
Osten vorstürmenden Truppen des<br />
Gegners unter Beschuss.<br />
32<br />
Kampf um <strong>die</strong><br />
September 1944: Die Alliierten<br />
stoßen bis zur Kaiserstadt<br />
deutschen<br />
Westgrenze vor. Nun<br />
wollen sie mit Aachen <strong>die</strong><br />
erste Großstadt des Reiches<br />
erobern. Doch ihre<br />
Annahme, der Gegner sei<br />
bereits geschlagen, erweist<br />
sich als verhängnisvoller<br />
Irrtum. Von Stefan Krüger<br />
NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich<br />
von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen<br />
bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe<br />
sowie weiteres Pioniergerät mit sich.<br />
M<br />
ühsam quälen sich <strong>die</strong> Fahrzeuge der<br />
116. Panzerdivision Richtung Osten.<br />
Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt<br />
<strong>die</strong> vorderste Linie des „Westwalls“<br />
und hier, so hoffen <strong>die</strong> Männer, muss es doch<br />
wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben.<br />
Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant<br />
Gerhard Graf von Schwerin und<br />
seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht.<br />
Als sie am 12. September 1944 in der<br />
altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen,<br />
herrscht in Aachen das blanke Chaos.<br />
Eigentlich hat <strong>die</strong> örtliche NSDAP den<br />
Auftrag, <strong>die</strong> Zivilisten zu evakuieren. Die<br />
„Parteibonzen“ aber <strong>waren</strong> auch hier <strong>die</strong> ersten,<br />
<strong>die</strong> sich aus dem Staub gemacht und <strong>die</strong><br />
Aachener ihrem Schicksal überlassen haben.<br />
Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten<br />
aufgestellt, um den „Westwall“ an<br />
<strong>die</strong>ser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich<br />
um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur<br />
noch von der mangelhaften Qualität ihrer<br />
Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen<br />
<strong>die</strong>se Einheiten teils martialische Bezeichnungen<br />
wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit<br />
bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps<br />
nur noch wenige Kilometer von Deutschlands<br />
westlichster Großstadt entfernt ist.<br />
Vergebene Chance<br />
Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen<br />
hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl<br />
erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine<br />
geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit.<br />
Sie muss sich zunächst östlich<br />
der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt<br />
und hinterlässt dort eine Nachricht<br />
für <strong>die</strong> US-Amerikaner, in der er sie bittet,<br />
<strong>die</strong> Zivilbevölkerung schonend zu behandeln.<br />
Er vermutet nämlich, dass <strong>die</strong> 1. US-Division<br />
in den nächsten Stunden ins Stadtinnere<br />
einrücken wird. Doch dann geschieht<br />
etwas Erstaunliches – nämlich nichts.<br />
Die Amerikaner verharren, als würden sie<br />
eine neue Teufelei der Deutschen fürchten.<br />
Damit vergeben sie <strong>die</strong> einmalige Chance, Aachen<br />
im Handstreich zu besetzen. General<br />
Schwerin nutzt <strong>die</strong> Gelegenheit und wirft seine<br />
Division wieder nach vorne. Außerdem<br />
stoppt er <strong>die</strong> Evakuierung. Denn <strong>die</strong>se verläuft<br />
ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,<br />
den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen<br />
hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er<br />
versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen.<br />
Ein beflissener Bürger war jedoch schneller<br />
und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig<br />
nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“<br />
kommt zu demselben Ergebnis und<br />
schiebt Schwerin in <strong>die</strong> „Führerreserve“ ab.<br />
Neuer Divisionskommandeur wird General<br />
Siegfried von Waldenburg.<br />
Unverhoffter Nachschub<br />
Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich<br />
Formen an. So graben sich nordwestlich<br />
der Stadt <strong>die</strong> Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision<br />
ein, während Waldenburgs<br />
Panzer zu den südwestlichen Stellungen des<br />
„Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten,<br />
dass es hier in den nächsten Tagen besonders<br />
kritisch aussehen wird – zu Recht. In<br />
Aachen selbst verschanzen sich derweil <strong>die</strong><br />
Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen<br />
gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten<br />
unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps.<br />
Und während sich <strong>die</strong> Stäbe ordnen, reiben<br />
sich <strong>die</strong> alten, desillusionierten „Landser“<br />
der Wehrmacht verblüfft <strong>die</strong> Augen,<br />
denn sie sehen etwas, was sie schon lange<br />
nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer,<br />
Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen<br />
kommen an <strong>die</strong> Front. Man<br />
merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit<br />
entfernt ist.<br />
Auf der anderen Seite der Front ahnt<br />
Feldmarschall Bernard Montgomery, der <strong>die</strong><br />
britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte<br />
führt, dass <strong>die</strong> Wehrmacht<br />
noch lange nicht geschlagen ist. Zu-<br />
S.32<br />
IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet<br />
1944, hier Angehörige der 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
33<br />
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische<br />
Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt<br />
es dem Heermeister Flavius Aëtius, <strong>die</strong> Invasoren<br />
zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten<br />
Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl<br />
yrische Worte, prosaischer Hintergrund:<br />
„Sie schleichen wie der Nebel haltlich an <strong>die</strong> Volkssage anknüpft.<br />
Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er in-<br />
Lschleicht, der nachts vom Moor zum Die sehr langwierige Vorgeschichte der<br />
Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind<br />
im Schlaf mit eklem Gift um-<br />
setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr über-<br />
Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
spinnt. Sie brechen gleich dem Sturm hervor, schreitet das Steppenvolk der Hunnen den<br />
der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome<br />
gleich, der überschwillt und Stadt und den Alanen, einem indoiranischen Stamm,<br />
Fluss Don. Begleitet werden <strong>die</strong> Hunnen von<br />
Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, <strong>die</strong> Hunnen!“<br />
So beschreibt der deutsche Dichter<br />
den sie kurz zuvor unterworfen haben.<br />
Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem<br />
Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte Die hunnische Expansion löst eine fluchtar-<br />
Sicherheitsrisiko und Schock<br />
Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa<br />
ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schomanischen<br />
Stämmen aus, <strong>die</strong> um Aufnahme<br />
tige Wanderbewegung von mehrheitlich gerckerlebnis<br />
für <strong>die</strong> spätantike römische Bevölkerung.<br />
Erst im Jahr 451 kann der Heermeisse<br />
Ereignisse markieren den Beginn der so-<br />
in das sichere Römische Reich ersuchen. Dieter<br />
Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen: genannten „Völkerwanderung“, eine der<br />
Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
beginnt der Stern der Hunnen zu sin-<br />
in der Geschichte Europas. Die Hunnen<br />
dramatischsten und folgenreichsten Phasen<br />
ken. Bald darauf verlassen sie das Römische dringen unaufhaltsam nach Westen in den<br />
Reich.<br />
Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern<br />
sie das Siedlungsgebiet der germani-<br />
Seither hat <strong>die</strong>se Schlacht Generation<br />
über Generation fasziniert, bis heute. Die schen Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr.<br />
spätantike und mittelalterliche christliche Ein Großteil der Ostgoten gerät unter <strong>die</strong><br />
Geschichtsschreibung stilisiert <strong>die</strong>ses Ereignis<br />
zum Glaubenskrieg zwischen christlichen<br />
Römern und heidnischen Hunnen. Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach<br />
GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom<br />
Über<strong>die</strong>s entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge<br />
sollen <strong>die</strong> auf dem Schlachtfeld gefalle-<br />
der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer<br />
Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen<br />
nen Krieger als Geister fortleben und den Seite kämpfen viele Germanen) über <strong>die</strong> „Aggressoren<br />
Kampf in den Wolken weiterführen. Auch aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas<br />
für Künstler ist <strong>die</strong>se Schlacht eine Inspirationsquelle.<br />
Der deutsche Maler Wilhelm von sen – doch Germanen standen auf beiden Seiten.<br />
interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewe-<br />
Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das<br />
42<br />
Römische Truppen<br />
Befehlshaber: Flavius Aëtius<br />
Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />
reichen von 30.000 bis 45.000 Mann<br />
Verluste: unbekannt<br />
Hunnische Truppen<br />
Befehlshaber: Attila<br />
Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />
reichen von 30.000 bis 50.000 Mann<br />
Verluste: unbekannt<br />
S.42<br />
43<br />
Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />
Militär und Technik | Wikingerschiff<br />
Panzerhaubitzen von <strong>NVA</strong> und Bundeswehr<br />
Schussgewaltige Stahlkolosse<br />
Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee<br />
hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen –<br />
<strong>die</strong> Panzerhaubitze.<br />
Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack<br />
ie Panzerhaubitze stellt <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
der von Pferden oder Fahrses<br />
Standardgeschütz der U.S. Army verfügt dass der Rumpf des Panzers praktisch rück-<br />
verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Die-<br />
war vorn in Fahrtrichtung angeordnet, so<br />
zeugen gezogenen Feldhaubitzen dar. über hervorragende ballistische Eigenschaften.<br />
In Fahrtrichtung rechts neben dem Ge-<br />
nach hinten zu verhindern, musste eine achwärts<br />
fuhr. Um das Kippen der Fahrzeuge<br />
Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges<br />
zum Einsatz: Vorreiter <strong>waren</strong> <strong>die</strong> M7 schütz ist in einer drehbaren Kanzel ein Kaliber<br />
.50-Browning-MG (12,7 mm) zur Flie-<br />
wurde eine Erdspornplatte zur Erhöhung<br />
terliche Stützrolle abgesenkt werden. Später<br />
Priest der US-Amerikaner sowie <strong>die</strong> deutsche<br />
Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung<br />
<strong>die</strong>ser Waffen sollte <strong>die</strong> klassische eingebaut. Dieser Kanzel verdankt <strong>die</strong> M7 B2 <strong>die</strong> M52 und ihr Be<strong>die</strong>nkonzept bei ihrer Eingerabwehr<br />
und Nahbereichsverteidigung der Sicherheit nachgerüstet. Insgesamt ist<br />
Artillerie flexibler und unabhängiger machen. ihren Spitznamen „Priest“, zu Deutsch Priester,<br />
da sie an <strong>die</strong> Predigerkanzel in einer Kir-<br />
Ab Mitte der 1960er-Jahre löst <strong>die</strong> Panzerführung<br />
bei der Bundeswehr bereits veraltet.<br />
Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in<br />
den Turm integriert, der Besatzung und Material<br />
vor Witterung und feindlicher Waffen-<br />
„Priest“ seit 1956 ein und löst sie wenige Jahche<br />
erinnert. Die Bundeswehr setzt <strong>die</strong> haubitze M109 <strong>die</strong> M52 ab.<br />
wirkung schützt. Panzerhaubitzen werden re später durch <strong>die</strong> leistungsfähigere M52 ab. Erste Modelle in der SBZ<br />
primär artilleristisch eingesetzt, können aber <strong>Wie</strong> ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet Lange bevor in der Bundesrepublik über <strong>die</strong><br />
auch gegen direkte Ziele eingesetzt werden. <strong>die</strong> mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung.<br />
Als Hauptbewaffnung trägt sie nachgedacht wird, werden in der werden-<br />
<strong>Wie</strong>derbewaffnung und <strong>die</strong> Bundeswehr<br />
Die M7 B2 Priest bildet im Westen <strong>die</strong><br />
Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, <strong>die</strong> seitlich<br />
um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz Schon seit dem 1. Dezember 1946 hat <strong>die</strong> rusden<br />
<strong>DDR</strong> „Nägel mit Köpfen“ gemacht.<br />
den USA entwickelt, kommt sie während des<br />
Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg beträgt 15 Schuss pro Minute, <strong>die</strong> maximale sische Besatzungsmacht <strong>die</strong> Deutsche<br />
(1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert Grenzpolizei (DGP) aufstellen lassen. Der<br />
basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpanzers<br />
M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung dog. Der Sechszylinder-Continental-Motor Sicherung der Demarkationslinie der<br />
auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bull-<br />
Spezialpolizei wird <strong>die</strong> Überwachung und<br />
Sowje-<br />
D<br />
48<br />
IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen<br />
2S3M der <strong>NVA</strong> mit höchster Rohrerhöhung<br />
beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund<br />
hebt gerade <strong>die</strong> Kartusche einer Sprenggranate<br />
aus der Transportkiste.<br />
STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr 16<br />
Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattliche<br />
Kaliber von 202,3 Millimetern.<br />
tischen Besatzungszone (SBZ) übertragen. polizei. Seit Juli 1948 bilden <strong>die</strong>se kasernierten<br />
Einheiten gemeinsam mit der DGP <strong>die</strong> nehmung, sondern um rein militärische<br />
nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahr-<br />
Lediglich <strong>die</strong> Grenzkontrollen werden weiterhin<br />
gemeinsam mit sowjetischen Soldaten Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften<br />
(HA GP/B) in der <strong>DDR</strong>-Verwaltung gung. Entsprechend ist <strong>die</strong> Ausstattung der<br />
Komponenten des Angriffs und der Verteidi-<br />
durchgeführt. Kurz nach der Berliner Blockade<br />
verfügt <strong>die</strong> Sowjetische Militäradministration<br />
in Deutschland (SMAD) <strong>die</strong> Kateren<br />
Nationalen Volksarmee (<strong>NVA</strong>), denn zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-,<br />
des Innern. Hier liegt der Ursprung der spä-<br />
neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis<br />
sernierung der ersten Einheiten der Volks-<br />
von Anfang an geht es bei der Konstruktion acht Artillerie- und drei Panzer-Volkspolizei-<br />
Bereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen.<br />
Der personellen Stärke nach entsprachen sie<br />
Regimentern, <strong>die</strong> teilweise zu Korps und Divisionen<br />
zusammengefasst wurden.<br />
URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an <strong>die</strong> Kanzel eines Predigers.<br />
Material vom „Waffenbruder”<br />
Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde<br />
ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie<br />
wird bereits ab 1949 von der <strong>DDR</strong>-Führung<br />
beim „Großen Waffenbruder“ in größerer<br />
Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 <strong>die</strong>ser<br />
Selbstfahrlafetten <strong>die</strong> Demarkationslinie<br />
quer durch das geteilte<br />
S.48<br />
Deutschland. Übergeben<br />
wurden <strong>die</strong> Selbstfahrlafetten SU-76M<br />
1949 an <strong>die</strong> Bereitschaften der Volkspolizei in<br />
Burg, Großenhain und Pinnow und an <strong>die</strong><br />
Schule der VP Priemerwalde.<br />
Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das<br />
um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell<br />
des leichten sowjetischen Panzers T-70M<br />
verwendet. Ursprünglich besitzt <strong>die</strong> Selbst-<br />
49<br />
MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds<br />
Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen<br />
im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere<br />
Jahrhunderte lang große Teile Europas mit<br />
ihren Drachenschiffen.<br />
54<br />
FAKTEN Das Wikingerschiff<br />
Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr<br />
Länge: 20–30 m<br />
Breite: 3–5 m<br />
Tiefgang: etwa 1 m<br />
Besatzung: 40–80 Mann<br />
Geschwindigkeit: 3–4 Knoten<br />
(5–7 km/h) beim Rudern und<br />
10–11 Knoten (18–20 km/h)<br />
unter Segeln<br />
Die Schiffe der Wikinger<br />
Herrscher<br />
der Meere<br />
800–1100: Die Schiffe der<br />
ie Natur Skandinaviens mit ihren langen<br />
Küsten lässt es sinnvoll erschei-<br />
Wikinger gehören zu den<br />
Dnen, dass sich <strong>die</strong> dortigen Bewohner am besten konstruierten<br />
genaues Bild der wikingischen Schiffsbauund<br />
Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen<br />
auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen<br />
ein tiefer gehendes Verständnis der<br />
seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen<br />
und der Seefahrt beschäftigen.<br />
praktischen Handhabung und Leistungsfä-<br />
Seefahrzeuge ihrer Zeit<br />
Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche<br />
Schiffsdarstellungen. Bis in <strong>die</strong> ersten eine neue Form der am-<br />
und bilden <strong>die</strong> Basis für higkeit von Wikingerschiffen.<br />
nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich<br />
Ruderschiffe Verwendung, und phibischen Kriegführung. Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter<br />
Der Bau eines Langschiffes<br />
möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert Damit werden <strong>die</strong> Wikinger<br />
zum Schrecken<br />
ter Art voraussetzt, <strong>die</strong> von einer Generation<br />
Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen,<br />
kommt es allmählich zur Einführung des Segels.<br />
Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert<br />
Erfahrungen und Kenntnisse verschiedens-<br />
stammenden Originalfunden von Nydam<br />
von Schiffsbaumeistern an <strong>die</strong> nächste weitergeben<br />
werden. Die Wikingerschiffe schei-<br />
Europas. Von Otto Schertler<br />
(Schleswig) handelt es sich zwar noch um<br />
Ruderschiffe, <strong>die</strong>se weisen aber bereits einige<br />
Konstruktionsmerkmale der späteren Wistellungen<br />
auf skandinavischen Bildsteinen, zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zennen<br />
nicht alle in besonderen Werften gebaut<br />
kingerschiffe auf.<br />
Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie<br />
durch Beschreibungen in den nordischen Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit<br />
tren des Schiffsbaus, in denen <strong>die</strong>se hohe<br />
Maritime Hochtechnologie<br />
Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes<br />
Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist <strong>die</strong> skandinavische<br />
Schiffsbautechnik voll entwickelt,<br />
und <strong>die</strong>s ermöglicht den Wikingern ihre<br />
weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen,<br />
<strong>die</strong> sie bis in das Mittelmeer,<br />
das Schwarze Meer und über den<br />
Nordatlantik nach Island, Grönland und<br />
schließlich sogar nach Amerika führen.<br />
Die Wikingerschiffe vereinen in sich<br />
mehrere Eigenschaften, so dass sie sich<br />
als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen.<br />
Durch ihre schlanke und elastische Bauweise<br />
verringert sich der zu überwindende<br />
Widerstand des Wassers, doch sind sie<br />
gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen<br />
den Wind, segeln zu können. Ihr geringes<br />
Gewicht ermöglicht das Fortbewegen<br />
auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen,<br />
während der geringe Tiefgang <strong>die</strong><br />
S.54<br />
problemlose Anlandung an flachen Stränden<br />
sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt.<br />
Die heutigen Kenntnisse über <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />
der Schiffe der Wikinger beruhen<br />
in erster Linie auf Originalfunden aus DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken<br />
berühmten Schiffsgräbern, darunter <strong>die</strong> von <strong>die</strong> Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung,<br />
bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und<br />
Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder<br />
Ladby (Dänemark). Diese werden durch Dar-<br />
Kriegskeule bewaffnet).<br />
55<br />
Spurensuche<br />
WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein<br />
gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die<br />
eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes<br />
Rheinland-Pfalz.<br />
Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz<br />
Preußens<br />
„Wacht am Rhein“<br />
D<br />
ie Entstehungsgeschichte der Burg und Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime<br />
der europäischen Fürstenstaaten, be-<br />
Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe<br />
Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage,<br />
der Moselmündung direkt gegenmarsch<br />
der französischen Revolutionstrupsonders<br />
im Rheingebiet, durch den Vorüber,<br />
wird das Gelände befestigt (um 1000), pen erschüttert. Unter dem Kommando des<br />
dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut<br />
(1152–1169). Die Anlagen tragen den Na-<br />
Armee auf Koblenz vor (1794) und besetzt<br />
Generals Marceau stößt <strong>die</strong> Sambre-Maasmen<br />
„Helfenstein“, benannt nach dem reichsten<br />
und einflussreichsten Adelsgeschlecht im Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit<br />
<strong>die</strong> Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23.<br />
Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen <strong>die</strong> der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka<br />
Stadt Koblenz und <strong>die</strong> Burg gehört. Diese 8.000 Mann).<br />
Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs<br />
Richard von Greiffenklau (1511/31) Tödlicher „Ausfall”<br />
zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst<br />
über <strong>die</strong> gesamte nördliche Hochfläche in der von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen<br />
und Kontingenten Kurtriers, Kur-<br />
Länge von circa 750 Metern und in einer Breite<br />
von etwa 300 Metern aus.<br />
kölns und des Hochstifts Münster zur Verteidigung<br />
unterstellt. Der Festungskommandant<br />
ist Oberst von Faber, der trotz<br />
Wichtiger Stützpunkt<br />
Seit <strong>die</strong>ser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe<br />
von Trier geworden, <strong>die</strong> im mittle-<br />
eine länger dauernde Belagerung gut vorbe-<br />
personeller und finanzieller Hindernisse auf<br />
ren 14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind reitet ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen<br />
Vereinbarung beider Seiten stattfin-<br />
und das Wahlrecht zum deutschen König<br />
ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres den: Auf <strong>die</strong> Festung wird von Koblenz her<br />
Gewahrsam für <strong>die</strong> kostbaren Reliquien und nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung<br />
her <strong>die</strong> Stadt nicht beschossen. Am 17.<br />
das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe<br />
des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen,<br />
um französische Truppen von den Hö-<br />
wird <strong>die</strong> Festung militärisch genutzt, nachdem<br />
Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich<br />
für neutral erklärt hatte. Französische steins – zurückzudrängen. In Laufgräben<br />
hen bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreit-<br />
Truppen besetzen <strong>die</strong> Festung (1632) und hatten sie sich dem südöstlich gelegenen<br />
werden vier Jahre später durch kaiserliche Vorderhang der Festung angenähert. Einer<br />
Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger<br />
Belagerung (1636). Die Festung wird rung des Leutnants Freiherr von Solemacher<br />
kurtrierischen Jägerkompanie unter Füh-<br />
nun von kaiserlichen Truppen besetzt und gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die<br />
nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben<br />
(1650). So bleibt <strong>die</strong> Festung wieder zurück.<br />
französische Einheit zieht sich daraufhin<br />
das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer<br />
Stützpunkt, den der jeweilige 15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef.<br />
Doch <strong>die</strong>ser Ausfall kostet <strong>die</strong> Kompanie<br />
Gegner immer „im Auge behalten“ muss. Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an <strong>die</strong><br />
Dies gilt in besonderem Maße für das operative<br />
Kalkül der<br />
Gefallenen erinnert.<br />
französischen<br />
Generalität im<br />
17. Jahrhundert.<br />
1817–1828: Auf den Ruinen des<br />
kurtrierischen Vorläufers wird <strong>die</strong><br />
preußische Festung Ehrenbreitstein<br />
errichtet. Gegenüber der<br />
S.66<br />
Moselmündung bei Koblenz thront<br />
<strong>die</strong> imposante Festung auf dem<br />
KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt<br />
von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im<br />
Felssporn oberhalb des Rheins.<br />
Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im<br />
Von Peter Többicke frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde.<br />
Feldherren<br />
AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische<br />
Aufnahme von Reinhard<br />
Scheer im Uniformrock der<br />
Kaiserlichen Marine. Er trägt<br />
den Orden „Pour le Mérite“,<br />
der ihm nach der Skagerrakschlacht<br />
von Kaiser<br />
Wilhelm II. verliehen wurde.<br />
Admiral Reinhard Scheer<br />
Zwischen Triumph und Tragö<strong>die</strong><br />
W<br />
eitab von Deutschlands Küsten beginnt<br />
das erste Lebenskapitel Reinhard<br />
Scheers, der zweifellos zu den<br />
bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen<br />
Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte<br />
in <strong>die</strong> Geschichte eingegangen ist. Scheer<br />
kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen<br />
(heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen)<br />
zur Welt. Eltern und Großeltern<br />
stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als<br />
Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren<br />
den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg<br />
des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.<br />
Seine späteren beruflichen Aufgaben<br />
sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in<br />
das europäische und außereuropäische<br />
Ausland führen. Die Stellung Deutschlands<br />
mit seinen Stärken und Schwächen<br />
in der Welt musste ihm damals<br />
deutlich vor Augen stehen. Nur vor <strong>die</strong>sem<br />
Hintergrund kann der Mensch und<br />
der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen<br />
beurteilt werden.<br />
Steiler Aufstieg<br />
Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett<br />
in <strong>die</strong> Kaiserliche Marine ein.<br />
Schon während seiner Ausbildung<br />
zum Offizier liegt er immer in der<br />
Spitzengruppe seines Jahrgangs und<br />
bleibt <strong>die</strong>s auch während der anschließenden<br />
Offizierverwendungen.<br />
Schon früh wird daher <strong>die</strong> Personalführung<br />
auf ihn aufmerksam. Sie bereitet<br />
ihn in abgewogenen Wechseln<br />
zwischen Bordkommandos und Landverwendungen<br />
in Stäben auf <strong>die</strong> Übernahme<br />
von verantwortungsvollen und fordernden<br />
Positionen innerhalb des<br />
Führungskorps der Marine vor. Das<br />
gelingt im Fall von Scheer nahezu<br />
ideal, denn bei seiner Ernennung<br />
zum Chef des Stabes der Hochseeflotte<br />
am 1. Oktober 1909 und der<br />
31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher<br />
Erfolg gegen <strong>die</strong> „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende<br />
1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem<br />
S.70<br />
AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als<br />
Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich<br />
Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff.<br />
66<br />
67<br />
70<br />
71<br />
Fotostrecke<br />
Das schaurige Museums-Juwel ...............................................................60<br />
Das Overlord Museum in der Norman<strong>die</strong>.<br />
Meinung<br />
Knifflige Militärspiele ........................................................................................................64<br />
Die Welt der Konfliktsimulationen.<br />
Spurensuche<br />
Preußens „Wacht am Rhein“ ........................................................................66<br />
Die imposante Festung Ehrenbreitstein am<br />
Rhein bei Koblenz.<br />
Titelfotos: Erhard Berkholz; picture alliance/Arco Images GmbH; Sascha Lunyakov;<br />
picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst; Weider History Group/Jim Laurier<br />
Feldherren<br />
Zwischen Triumph und Tragö<strong>die</strong>. .........................................................70<br />
Admiral Reinhard Scheer führte <strong>die</strong> deutsche Hochseeflotte<br />
1916 in <strong>die</strong> Schlacht am Skagerrak.<br />
Museen & Militärakademien<br />
Markante Wahrzeichen ..............................................................................................76<br />
Die Ehrenmale Laboe und Möltenort an der Kieler Förde.<br />
Ein Bild erzählt Geschichte<br />
„All that was left of them“ ..................................................................................80<br />
Ein Britisches Heldenepos.<br />
<strong>Vorschau</strong>/Impressum ........................................................................................................................82<br />
Clausewitz 6/2014<br />
5
Magazin<br />
Vermessung eines freigelegten<br />
Holzbalkens der mittelalterlichen<br />
Burganlage.<br />
ARCHÄOLOGIE<br />
Sensationsfund<br />
bei Ausgrabung<br />
Wissenschaftler entdecken mehr als<br />
1.000 Jahre alte Burg<br />
Foto: picture-alliance/akg-images/Jost Schilgen<br />
Denkmal zu<br />
Ehren von<br />
Bischof<br />
Bernward in<br />
Hildesheim.<br />
Die Burg, deren Überreste man im August<br />
2014 im niedersächsischen Landkreis Gifhorn<br />
freigelegt hat, soll einst der Hildesheimer<br />
Bischof Bernward (um 950/960–1022)<br />
erbaut haben.<br />
Die Forscher der Universität Göttingen und<br />
der TU Braunschweig fanden Teile von hölzernen<br />
Befestigungen der Wehranlage, so Grabungsleiter<br />
Felix Biermann an der Grabungsstätte<br />
in Wahrenholz. Die Burg sei kreisförmig<br />
angelegt gewesen und habe einen Radius von<br />
etwa 40 Metern gehabt. Sie habe vorwiegend aus<br />
Holz und Erde bestanden. Neben Holzbalken<br />
fanden <strong>die</strong> Archäologen unter anderem Pflastersteine<br />
und Hufeisen im Erdreich.<br />
Bischof Bernward von Hildesheim soll alten<br />
Schriften zufolge <strong>die</strong> Burg zwischen 994 und 997<br />
zum Schutz seines Bistums erbaut haben. Anhand<br />
der Holzreste und entsprechender Analyseverfahren<br />
kann das Alter der Burg nun genau<br />
datiert werden, sagte Biermann. Allein im heutigen<br />
Niedersachsen soll es laut Biermann Hunderte<br />
solcher Anlagen geben: „Das sind <strong>die</strong> Relikte<br />
sehr kriegerischer Zeiten.“<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />
Fotos: picture-alliance/dpa©dpa (2)<br />
MUSEUMSTIPP<br />
Armeemuseum Friedrich der Große<br />
Ein Kuriosum in der bayerischen Museumslandschaft<br />
Auf der Plassenburg<br />
in Kulmbach<br />
lässt sich <strong>die</strong><br />
größte Ausstellung<br />
altpreußischer<br />
Militärgegenstände<br />
bestaunen.<br />
Die Geschichte des „Armeemuseums Friedrich<br />
der Große“ reicht ins Jahr 1993 zurück.<br />
Damals fand <strong>die</strong> bis dahin private<br />
Sammlung (etwa 300 Exponate) im Rittersaal<br />
des Ortenburger Schlosses in Niederbayern<br />
als „Wehrgeschichtliches Museum des 18.<br />
Jahrhunderts“ ihre erste öffentliche Bleibe.<br />
Nachdem <strong>die</strong> Rahmenbedingungen im<br />
Ortenburger Schloss nicht mehr dem Umfang<br />
der größer werdenden Sammlung entsprachen,<br />
wurde ein neuer Standort gesucht<br />
und schließlich in Zusammenarbeit<br />
mit der „Bayerischen Verwaltung<br />
der Staatlichen Schlösser, Gärten und<br />
Seen“ gefunden: <strong>die</strong> ehemalige Hohenzollernresidenz<br />
Plassenburg oberhalb<br />
von Kulmbach. Nach intensiver<br />
Planung konnte 1999 in den Renaissancegewölben<br />
des ehemaligen Waffensaals<br />
<strong>die</strong> neue Dauerausstellung eröffnet<br />
werden.<br />
Zahlreiche Ausstellungsobjekte dokumentieren<br />
dort seither das äußere Erscheinungsbild<br />
einer Armee des 18. Jahrhunderts,<br />
<strong>die</strong> durch Friedrich den Großen<br />
(1712–1786) geprägt war und den Lauf<br />
der Geschichte nachhaltig beeinflusste.<br />
Nach einiger Zeit wurde <strong>die</strong> Militaria-Abteilung<br />
der Markgrafschaft Ansbach-<br />
Sponton (Offiziersstangenwaffe) mit<br />
den Initialen „FR“ für „Fridericus Rex“<br />
im Armeemuseum.<br />
Bayreuth in das neu geschaffene<br />
„Fränkische Hohenzollernmuseum“<br />
im oberen Stock integriert.<br />
Dadurch kann im Armeemuseum<br />
auch <strong>die</strong> Leistung des „Soldatenkönigs“<br />
Friedrich Wilhelm I. beim<br />
Aufbau der preußischen Armee<br />
durch zum Teil einmalige Exponate<br />
gewürdigt werden.<br />
Kontakt: Armeemuseum<br />
Friedrich der Große<br />
95326 Kulmbach<br />
Öffnungszeiten:<br />
April–September: 9–18 Uhr<br />
Oktober–März: 10–16 Uhr<br />
Täglich geöffnet.<br />
Geschlossen am:<br />
1.1., Faschings<strong>die</strong>nstag,<br />
24.12., 25.12., 31.12.<br />
www.armeemuseum-plassenburg.de<br />
6
Abb.: picture alliance/Keystone<br />
KURIOSES<br />
Naturbeobachtung im<br />
„Gallischen Krieg“<br />
Caesar war ein fähiger Staatsmann. Von<br />
Elchen hatte er aber wenig Ahnung.<br />
Es gibt ebenso Tiere, <strong>die</strong> Elche genannt werden.<br />
[…] Weder legen sie sich zum Schlafen hin noch<br />
können sie, wenn sie durch irgendeinen Zufall<br />
umgeworfen, sich aufrichten oder aufstehen. Ihnen<br />
<strong>die</strong>nen Bäume als Schlafstätten. Sie nähern<br />
sich ihnen an und genießen so, ein wenig an sie<br />
angelehnt, Ruhe. Wenn Jäger durch Spuren bemerkt<br />
haben, wohin sie sich gewöhnlich zurückziehen,<br />
untergraben sie dort alle Bäume oder kerben<br />
sie so sehr an, dass im Ganzen noch der Anschein<br />
stehender Bäume bleibt. Wenn sie sich ihrer<br />
Gewohnheit nach hier<br />
angelehnt haben, bringen<br />
sie <strong>die</strong> schwachen<br />
Bäume durch ihr Gewicht<br />
zu Fall und werden<br />
selbst getötet.“<br />
Kurios: Die „Elchbeschreibung“<br />
aus „De Bello Gallico“<br />
– der als Meisterwerk prosaischer<br />
Sachlichkeit gilt – wirkt<br />
auf uns seltsam.<br />
NEUERSCHEINUNG<br />
„Den Westwall halten oder mit dem<br />
Westwall untergehen“<br />
Spannende Dokumentation zur 2. Aachen-Schlacht im Oktober 1944<br />
Im Oktober 1944 eroberten <strong>die</strong> Alliierten<br />
im Westen mit der alten Kaiserstadt Aachen<br />
<strong>die</strong> erste Großstadt des Deutschen<br />
Reiches.<br />
Nach dreiwöchigem Kampf gelang es<br />
den nach Osten vorstoßenden US-Verbänden,<br />
<strong>die</strong> im Raum Aachen stehenden<br />
deutschen Kräfte in einer zangenförmigen<br />
Operation einzukesseln und am 21. Oktober<br />
1944 zur Kapitulation zu bewegen.<br />
Timm Haasler, ehemaliger Bundeswehroffizier<br />
und Autor mehrerer Publikationen<br />
zum Krieg an der Westfront<br />
1944/45, dokumentiert in seiner neuen<br />
Untersuchung beinahe minutiös <strong>die</strong> dramatischen<br />
Ereignisse jener Herbsttage des<br />
Jahres 1944 in und um Aachen. Dabei geht<br />
er wichtigen Fragen nach: Wer <strong>waren</strong> <strong>die</strong><br />
Verteidiger Aachens? <strong>Wie</strong> <strong>waren</strong> sie gegliedert<br />
und ausgerüstet? <strong>Wie</strong> war es um<br />
ihre Kampfmoral und ihren Kampfwert<br />
bestellt?<br />
Basierend auf zahlreichen bisher unveröffentlichten<br />
Quellen deutscher und<br />
amerikanischer Archive beschreibt Haaslers<br />
Dokumentation zur 2. Aachen-<br />
Schlacht <strong>die</strong> Kampfhandlungen aus deutscher<br />
Sicht. Neben vielen Fotos ergänzen<br />
Tabellen und historische Karten und Skizzen<br />
<strong>die</strong> lesenswerte Stu<strong>die</strong> zum Krieg im<br />
Westen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />
„Den Westwall halten oder mit dem<br />
Westwall untergehen"<br />
Teil 2: Die 2. Aachen-Schlacht<br />
349 Seiten, fest gebunden, 148 Abbildungen,<br />
Format: 21 x 28,7 cm<br />
ISBN 978-3-86933-088-4<br />
Preis: 38,50 €<br />
Detaillierte Stu<strong>die</strong> aus<br />
deutscher Sicht über<br />
<strong>die</strong> Kämpfe in und um<br />
Aachen im Oktober<br />
1944. Foto: Helios Verlag<br />
Erbsensuppe à la Bundeswehr<br />
Die Kantinen und Feldküchen<br />
der Bundeswehr dürften<br />
nicht gerade als „Gourmettempel“<br />
bekannt sein. Militärische<br />
Notwendigkeiten sprechen eindeutig<br />
gegen ein Bœuf bourguignon<br />
samt einem Glas Château<br />
Lafite Rothschild für jeden Soldaten.<br />
Das Essen muss nahrhaft,<br />
günstig und in großer Menge zu<br />
kochen sein. Ein Gericht erfüllt<br />
alle <strong>die</strong>se Anforderungen: Die<br />
gute alte Erbsensuppe! Und <strong>die</strong><br />
ist nicht nur auf dem Manöverplatz<br />
nicht zu verachten. Wer<br />
Zutatenliste (für etwa 4 Portionen):<br />
- Schweineschmalz (20 g)<br />
- Speck (100 g)<br />
- Zwiebeln (2 Stück)<br />
- Karotten (100 g)<br />
- Sellerie (100 g)<br />
- Lauch (1 Stange)<br />
- Wasser (2 l)<br />
- Erbsen (500 g)<br />
- Majoran (1 TL)<br />
- Gemüsebrühe (8 TL)<br />
- Kartoffeln (300 g)<br />
- Weißer Pfeffer<br />
- Petersilie (2 Stängel)<br />
Einfach und nahrhaft:<br />
<strong>die</strong> Erbsensuppe der<br />
Bundeswehr<br />
Foto: picture alliance/<br />
Foodcollection<br />
sich davon selber<br />
überzeugen<br />
möchte, kann<br />
<strong>die</strong>sen „Militär-<br />
Klassiker“<br />
nachkochen: Das Schweineschmalz<br />
im Topf schmelzen<br />
und anschließend den (klein geschnittenen)<br />
Speck hinzugeben.<br />
Dann <strong>die</strong> gehackten Zwiebeln<br />
zugeben, sowie – mit etwas Abstand<br />
– Karotten, Sellerie und<br />
Lauch (alles möglichst klein gewürfelt<br />
bzw. geschnitten). Das<br />
Ganze andünsten. Doch Vorsicht:<br />
Nicht anbrennen lassen!<br />
Nun den ersten Liter Wasser<br />
hinzufügen und gut durchmischen.<br />
Erbsen einrühren und<br />
den zweiten Liter aufschütten.<br />
Jetzt fehlen nur noch ein wenig<br />
Majoran und <strong>die</strong> Gemüsebrühe<br />
– dann <strong>die</strong> Suppe 15 bis 20 Minuten<br />
köcheln lassen. Zum<br />
Schluss noch <strong>die</strong> gewürfelten<br />
Kartoffeln hinzu geben und<br />
weitere 40 Minuten vor sich hin<br />
köcheln lassen. Immer wieder<br />
umrühren, damit nichts anbrennt.<br />
Als finaler „Touch“ können<br />
noch Pfeffer, Salz und Petersilie<br />
untergerührt werden.<br />
Wer will, kann <strong>Wie</strong>ner Würstchen<br />
als Variation in <strong>die</strong> Erbsensuppe<br />
schneiden.<br />
100<br />
Jahre ist es her, dass Kapitän zur See<br />
Alfred Meyer-Waldeck, Gouverneur des<br />
„Deutschen Schutzgebietes Kiautschou“<br />
(Hauptstadt Tsingtau), mit den<br />
Soldaten seiner Garnison vor den japanischen<br />
Truppen kapitulieren musste.<br />
Am 7. November 1914 kam <strong>die</strong> Kolonie<br />
an der chinesischen Ostküste damit unter<br />
<strong>die</strong> Verwaltung des Japanischen<br />
Kaiserreiches.<br />
Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Clausewitz 6/2014<br />
7
Clausewitz<br />
Magazin<br />
Abb.: picture-alliance/Bildagentur-online; Foto: picture alliance/ROPI<br />
VORBILD NATUR<br />
Flugsaurier für „Uncle Sam“<br />
Das US-Militär ist an der Biomechanik der Dinos<br />
interessiert<br />
Pterosaurier – Flugsaurier – weisen eine<br />
höchst interessante Biomechanik auf. Einige<br />
<strong>die</strong>ser Flugreptilien besaßen <strong>die</strong> Ausmaße<br />
eines modernen Kampfjets. Damit<br />
sind es <strong>die</strong> größten Flugtiere aller Zeiten –<br />
und sie weisen anatomische Eigenheiten<br />
auf, <strong>die</strong> sie von jedem Vogel oder jeder Fledermaus<br />
unterscheiden.<br />
Die Flugeigenschaften <strong>die</strong>ser Saurier sind<br />
deshalb von Interesse für das US-Verteidigungsministerium<br />
und könnten das Design<br />
neuer Flugzeuge beeinflussen. So besaß das<br />
Pteranodon – eine Flugechse – zum Beispiel<br />
„Finger“, <strong>die</strong> bis zu zweieinhalb Meter lang<br />
<strong>waren</strong>. Beim Flug krümmten sich <strong>die</strong>se<br />
Gliedmaßen mit der Abwärtsbewegung der<br />
Flügel und „schnappten“ zurück bei der<br />
Aufwärtsbewegung. Dies verringert den<br />
„Jurassic Park“ für das US-Militär: Flugsaurier beherrschen<br />
<strong>die</strong> Lüfte vor 228 bis 66 Millionen Jahren. Die<br />
abgebildete F-35 ist ein Flugzeug der 5. Generation –<br />
aber noch ohne Saurier-Technologie gebaut.<br />
Energieaufwand während des Flügelschlags.<br />
Die U.S. Air Force ist an <strong>die</strong>sem System im<br />
Zusammenhang mit Flugzeugen und Fallschirmen<br />
interessiert.<br />
Eine weitere Besonderheit der Flugsaurier<br />
sind <strong>die</strong> leichten und hohlen Knochen,<br />
wodurch sie sowohl Füße als auch Flügel<br />
nutzen konnten, um sich vom Boden abzustoßen.<br />
Dadurch gewannen sie mehr Geschwindigkeit<br />
über eine kürzere Distanz.<br />
Für Flugzeuge würde <strong>die</strong>s eine kürzere<br />
Startbahn sowie weniger Treibstoffverbrauch<br />
bedeuten. Die Saurier halten noch<br />
weitaus mehr Biomechanik bereit, als <strong>die</strong>se<br />
beiden Beispiele suggerieren. Wir werden<br />
sehen, ob und wie <strong>die</strong>se mehrere Millionen<br />
Jahre alte „Technik“ <strong>die</strong> Militärflugzeuge<br />
der Zukunft beeinflusst.<br />
„Niemand hat <strong>die</strong> Absicht, eine<br />
Mauer zu errichten.“<br />
Walter Ulbricht (Generalsekretär des Zentralkomitees<br />
der SED) am 15. Juni 1961. Am 13. August 1961 beginnt<br />
<strong>die</strong> <strong>DDR</strong> mit dem Mauerbau.<br />
BUCHTIPP<br />
Schaustücke von<br />
Elastolin<br />
2. Band zu den beliebten Dioramen<br />
Der Verlag Figuren<br />
Magazin in Berlin<br />
hat den 2. Band zu<br />
den Hausser/Elastolin-Schaustücken<br />
vorgelegt. Gezeigt<br />
werden in <strong>die</strong>ser<br />
reich bebilderten Publikation viele bisher veröffentlichte<br />
Original-Schaustücke der Firma<br />
Hausser aus ihrer Anfangsphase bis zum Jahr<br />
1960.<br />
Diese für Sammler und Interessierte unverzichtbare<br />
und aufwendig gestaltete Dokumentation<br />
bietet hochinteressante und<br />
aufschlussreiche Einblicke in <strong>die</strong> Dioramen-<br />
Gestaltungen bei Hausser bis zum Ende des<br />
Zweiten Weltkrieges sowie interessante Beispiele<br />
aus der Nachkriegszeit.<br />
Verlag Figuren Magazin H. Lang, A. Pietruschka<br />
112 Seiten, mit vielen zeitgenössischen originalen<br />
schwarz/weiß-Fotos, aufwendiger Bilderdruck im<br />
120er Raster, d.h. geeignet für Detailbetrachtungen<br />
mit einer Lupe. Format DIN A4 quer.<br />
ISBN 978-3-930029-03-7, Preis: 39,- EUR<br />
Foto: Verlag Figuren Magazin<br />
ZEITSCHICHTEN<br />
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag<br />
zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
Damals: Das Gemälde des<br />
sowjetischen Malers Krivonogov<br />
zeigt <strong>die</strong> Verteidiger der Brester<br />
Festung 1941, <strong>die</strong> in der<br />
russischen Erinnerung an den<br />
Zweiten Weltkrieg einen festen<br />
Platz hat.<br />
Heute: Die Brester Festung (auch<br />
bekannt als Festung von Brest-<br />
Litowsk) ist eine der meistbesuchten<br />
Touristenattraktionen<br />
Weißrusslands. 1965 bekam sie<br />
den Ehrentitel „Heldenfestung“<br />
verliehen.<br />
www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />
8
p , , , , , , ,<br />
Abb.: Museum im Schloss Lützen<br />
AUSSTELLUNGSTIPP<br />
Wahrheit und Legende<br />
Sonderausstellung zu Feldmarschall Pappenheim (1594-1632)<br />
Sehenswert: Die kleine Ausstellung zu<br />
Pappenheim gewährt tiefe Einblicke in<br />
<strong>die</strong> Biographie des Feldmarschalls.<br />
Daran erkenn ich meine Pappenheimer“.<br />
Dieses zum<br />
Sprichwort gewordene Zitat aus<br />
Schillers „Wallensteins Lager“<br />
kennt heute fast jeder. Doch worauf<br />
bezieht er sich, was meint er?<br />
Gottfried Heinrich zu Pappenheim,<br />
des Kaisers und Wallensteins<br />
bester Reitergeneral,<br />
kämpfte in der Schlacht bei Lützen<br />
am 6./16. November 1632.<br />
Das Lützener Museum zeigte<br />
2007 und 2012 zu Gustav II. Adolf und Wallenstein<br />
zwei große internationale Ausstellungen,<br />
<strong>die</strong> nun mit einer kleineren Exposition<br />
<strong>die</strong> Darstellung der Schlacht bei Lützen<br />
und ihrer Folgen beleuchten soll. Pappenheim<br />
und Pappenheimer – kaum ein Heerführer<br />
wird so eng mit seinen Soldaten in Zusammenhang<br />
gebracht, wie der Feldmarschall.<br />
Warum das so ist und wie der Ruf seiner Kürassiere<br />
entstanden ist, stellt nur eine der Fragen<br />
dar, der <strong>die</strong> Ausstellung nachgeht.<br />
Der Schwerpunkt bei Pappenheim<br />
liegt auf wichtigen Lebensstationen<br />
seiner Biografie, wie seiner<br />
Beteiligung an der Zerstörung Magdeburgs<br />
und der Schlacht bei Breitenfeld<br />
1631. Seine Bedeutung für<br />
<strong>die</strong> erste Hälfte des Dreißigjährigen<br />
Krieges wird kritisch hinterfragt. Die kulturhistorische<br />
Geltung Pappenheims findet<br />
ebenfalls breite Aufmerksamkeit.<br />
Die Ausstellung läuft noch voraussichtlich<br />
bis zum 30. November <strong>die</strong>sen Jahres im<br />
Schlossmuseum Lützen.<br />
Kontakt: Museum Lützen<br />
Schlossstr. 4, 06686 Lützen<br />
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von<br />
10.00–17.00 Uhr<br />
Aus Liebe<br />
zum Detail<br />
Briefe an <strong>die</strong> Redaktion<br />
Zu „Priens ,Paukenschlag’“ in<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> 5/2014:<br />
In der Titelgeschichte Heft 5/2014<br />
„Priens Paukenschlag” wird auf<br />
S. 30 als Beispiel für <strong>die</strong> mangelnde<br />
Achtsamkeit der Engländer eine<br />
Kriegstagebuch-Eintragung Priens<br />
vom 17. Oktober über das Verhalten<br />
des Bewachungsfischdampfers Nr.<br />
808 angeführt. Prien kritisiert hier<br />
aber <strong>die</strong> mangelhafte Wachsamkeit<br />
eines deutschen Vorpostendampfers,<br />
mit dem er das Erkennungssignal<br />
austauschen wollte, vermutlich,<br />
um nicht irrtümlich angegriffen<br />
zu werden. Deshalb auch sein letzter<br />
Satz: „Bei solchen Bewachern<br />
kann sich ein solcher Vorgang wie<br />
meine Unternehmung auch bei uns<br />
ereignen”. Auch ein Vergleich der<br />
Uhrzeiten zeigt, dass nicht ein englischer<br />
Bewacher gemeint war: 17.<br />
Oktober 4.00–4.47 Uhr Zusammentreffen<br />
mit Vorpostendampfer Nr.<br />
808, am gleichen Tage 11.00 Uhr<br />
Einlaufen von U 47 in Wilhelmshaven<br />
(siehe S. 25). Ein englischer Bewacher<br />
hätte vor der britischen<br />
Küste gehandelt und <strong>die</strong> Strecke<br />
von dort bis Wilhelmshaven hätte<br />
U 47 unmöglich in ca. 6 Stunden<br />
zurücklegen können.<br />
R. Posselt, per E-Mail<br />
Clausewitz 6/2014<br />
In Ihrer Titelgeschichte<br />
„Scapa Flow“ ist<br />
Ihnen offensichtlich<br />
mit dem Bild auf Seite<br />
22 oben ein technischer<br />
Fehler unterlaufen.<br />
Beim genauen<br />
Betrachten fällt auf,<br />
Prien legt auf dem<br />
Bild <strong>die</strong> linke an den<br />
Mützenschirm und <strong>die</strong> jubelnden<br />
Massen recken ebenfalls <strong>die</strong> Linke<br />
in <strong>die</strong> Höhe.<br />
Diese Kleinigkeit beeinflusst<br />
aber nicht den positiven Eindruck,<br />
den Ihre gut aufgemachte Zeitschrift<br />
auf mich macht.<br />
H.-P. Hohenstein, per E-Mail<br />
Könnte es sein, dass das Bild auf<br />
Seite 22 falsch abgedruckt ist?<br />
Kapitän grüsst mit links. Zuschauer<br />
heben den linken Arm...<br />
Christian Klein, per E-Mail<br />
Clausewitz<br />
Das Magazin für Militärgeschichte<br />
Peenemünde: Was von<br />
der „V2-Schmiede“<br />
übrig blieb<br />
Zweiter Golfkrieg<br />
1990: Kampf um <strong>die</strong><br />
Freiheit oder ums Öl?<br />
Weißenburg 1870<br />
Der blutige Auftakt zu<br />
Preußens Triumph<br />
Winston Churchill<br />
Hitlers härtester Feind<br />
1939: U 47 versenkt HMS ROYAL OAK<br />
<strong>Wie</strong> Günther Prien<br />
Scapa Flow bezwang<br />
MILITÄR & TECHNIK<br />
Schrecken der Briten:<br />
Günther Prien, erfolgreicher<br />
Kommandant von U 47<br />
Militärlager im<br />
Feindesland:<br />
So schützten<br />
sich Roms<br />
Legionen<br />
Schreiben Sie an:<br />
redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />
Anm. d. Red.: Die Leser haben<br />
Recht. Es handelt sich bei der Abbildung<br />
in CW<br />
5/2014 auf Seite<br />
22 oben um ein<br />
gespiegeltes Bild.<br />
Wir bitten, <strong>die</strong>sen<br />
Fehler zu entschuldigen.<br />
Allgemein zu<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong>:<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> ist seit der ersten<br />
Ausgabe meine unentbehrliche<br />
Lektüre und hilft mir, mein Wissen<br />
in Militärgeschichte zu erweitern.<br />
Bitte weiter auf <strong>die</strong>sem Weg.<br />
Ihr Namenspatron Gen. Clausewitz<br />
war kein glorreicher Feldherr,<br />
dafür ein bedeutender Analytiker<br />
der Kriegsgeschichte. Sein Werk<br />
„Vom Kriege“ war Pflichtlektüre<br />
von Millionen Offiziersschülern,<br />
nicht nur in Deutschland.<br />
Ich würde mich freuen, irgendwann<br />
einen Beitrag über <strong>die</strong>sen<br />
bedeutenden Militär in CLAUSE-<br />
WITZ zu lesen. (...)<br />
Alexander Butzynowski, Berlin<br />
Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt <strong>die</strong> Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />
behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />
Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Jetzt neu<br />
am Kiosk!
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
Die Nationale Volksarmee der <strong>DDR</strong><br />
Streitmacht des<br />
10
Kalten Krieges<br />
Januar 1956: Die <strong>DDR</strong>-Volkskammer beschließt den Aufbau<br />
einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland<br />
entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der<br />
Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt<br />
sich dramatisch zu.<br />
Von Dieter Flohr<br />
DEMONSTRATION DER STÄRKE<br />
Militärparade der <strong>NVA</strong> mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober<br />
1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der<br />
<strong>DDR</strong>-Gründung. Die <strong>DDR</strong>-Führung signalisiert dem Westen<br />
<strong>die</strong> militärische Macht und Entschlossenheit des „Arbeiterund<br />
Bauernstaates“.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />
Clausewitz 6/2014<br />
11
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
FAKTEN<br />
Beschluss zur Gründung der <strong>NVA</strong> (1956)<br />
Die militärische Bewaffnung der <strong>DDR</strong> nimmt in den 1950er-Jahren konkrete Züge<br />
an. Die <strong>DDR</strong>-Führung sieht in der Schaffung einer eigenen Armee <strong>die</strong> Antwort auf<br />
<strong>die</strong> Gründung der Bundeswehr Ende 1955:<br />
„Gesetz über <strong>die</strong> Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums<br />
für Nationale Verteidigung“<br />
vom 18. Januar 1956 (Auszug)<br />
„Der Schutz der Arbeiter-und-Bauern-Macht, der Errungenschaften der Werktätigen<br />
und <strong>die</strong> Sicherung ihrer friedlichen Arbeit sind elementare Pflicht unseres demokratischen,<br />
souveränen und friedliebenden Staates. Die <strong>Wie</strong>dererrichtung des aggressiven<br />
Militarismus in Westdeutschland und <strong>die</strong> Schaffung der westdeutschen<br />
Söldnerarmee, ist eine ständige Bedrohung des deutschen Volkes und aller Völker<br />
Europas.<br />
Zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherheit unserer Deutschen<br />
Demokratischen Republik beschließt <strong>die</strong> Volkskammer (...) das folgende Gesetz:<br />
§ 1<br />
(1.) Es wird eine ,Nationale Volksarmee’ geschaffen.<br />
(2.) Die ,Nationale Volksarmee’ besteht aus Land-, Luft- und Seestreitkräften, <strong>die</strong><br />
für <strong>die</strong> Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik notwendig sind.(...)“<br />
12
Aufbau einer <strong>schlagkräftig</strong>en Armee<br />
WEHRHAFT<br />
In Manövern müssen <strong>die</strong> Soldaten der <strong>NVA</strong> ihre Leistungsfähigkeit<br />
immer wieder unter Beweis stellen, hier im<br />
Rahmen einer Übung auf dem Truppenübungsplatz<br />
an einem 122-mm-Geschütz. Foto: Erhard Berkholz<br />
Clausewitz 6/2014<br />
13
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
FAKTEN<br />
Sozialistischer „Waffenbruder”<br />
Die <strong>NVA</strong> steht von Beginn an unter dem beherrschenden<br />
Einfluss des „Großen Bruders“<br />
Sowjetunion.<br />
Ihre Ausrüstung und Waffen beziehen <strong>die</strong><br />
<strong>Streitkräfte</strong> der <strong>DDR</strong> in den Anfangsjahren<br />
aber auch später vor allem aus der UdSSR,<br />
insbesondere schwere Artilleriewaffen und<br />
Panzerfahrzeuge sowie moderne Kampfflugzeuge<br />
stammen aus sowjetischer Produktion.<br />
Gemeinsame Militärmanöver der <strong>NVA</strong> mit den<br />
sowjetischen <strong>Streitkräfte</strong>n und Soldaten anderer<br />
verbündeter Staaten sollen <strong>die</strong> „Waffenbrüderschaft“<br />
innerhalb des Warschauer<br />
Paktes stärken.<br />
Die Spannungen während des Kalten Krieges<br />
mit dem Westen und speziell den Mitgliedsstaaten<br />
des NATO-Bündnisses führen zu einer<br />
erheblichen Aufrüstung der <strong>NVA</strong> und ihrer<br />
Teilstreitkräfte zu Lande, zu Wasser und in<br />
der Luft.<br />
Der in den Nachkriegsjahren entstandene<br />
Konflikt zwischen den Militärblöcken in Ost<br />
und West sollte <strong>die</strong> Welt lange Zeit in Atem<br />
halten.<br />
14
Armee des Warschauer Paktes<br />
BEREIT FÜR DEN ERNSTFALL<br />
Die <strong>NVA</strong> entwickelt sich innerhalb des Verbunds der Warschauer-<br />
Pakt-Staaten zu einer <strong>schlagkräftig</strong>en, mit zahlreichen verschiedenen<br />
Waffensystemen ausgerüsteten Armee. Diese werden<br />
während des Kalten Krieges regelmäßig im Rahmen von Großübungen<br />
mit den „Bruderstaaten“ eingesetzt und getestet, zum<br />
Beispiel im Rahmen des Manövers „Waffenbrüderschaft 80“ in<br />
der <strong>DDR</strong>.<br />
Foto: picture-alliance/dpa-Zentrabild<br />
Clausewitz 6/2014<br />
15
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
Der Ost-West-Konflikt hat sich seit dem<br />
Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />
zur NATO am 9. Mai 1955 und der<br />
Unterzeichnung des „Vertrages über Freundschaft,<br />
Zusammenarbeit und gegenseitigen<br />
Beistand“ (Warschauer Pakt) am 14. Mai 1955<br />
weiter verschärft.<br />
Der Aufbau einsatzfähiger <strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong><br />
nimmt daher nach dem Volkskammer-<br />
Beschluss vom 18. Januar 1956 zur Schaffung<br />
einer „Nationalen Volksarmee“ zügig Formen<br />
an. Bereits im Sommer und Herbst finden<br />
erste Regimentsübungen gemeinsam mit<br />
der Westgruppe der sowjetischen <strong>Streitkräfte</strong><br />
statt. Im Oktober wird <strong>die</strong> 1. Mot.-Schützendivision<br />
(MSD) Potsdam als „gefechtsbereit“<br />
eingeschätzt. Allerdings können <strong>die</strong> ersten<br />
Heereseinheiten erst 1958 dem Vereinten<br />
Oberkommando unterstellt werden.<br />
Große „Säuberungswelle”<br />
Aufgrund des Befehls Nr. 2 des Ministers des<br />
Inneren aus dem Jahr 1949 läuft noch immer<br />
eine groß angelegte „Säuberungswelle“ innerhalb<br />
der <strong>NVA</strong>. Offiziere, <strong>die</strong> im Westen<br />
Verwandte „in gerader Linie“ hatten oder<br />
sich in westalliierter oder auch jugoslawischer<br />
Gefangenschaft befanden, werden entlassen,<br />
darunter auch 3.300 Grenzpolizisten.<br />
Bis Oktober 1950 sind bereits 10.000 Mann<br />
von den Maßnahmen der Säuberungsaktion<br />
betroffen, davon zirka 200 Offiziere.<br />
TONANGEBEND: Willi Stoph wird 1956 der<br />
erste Minister für Nationale Verteidigung in<br />
der <strong>DDR</strong>. Er übt <strong>die</strong>ses Amt bis zum Juli<br />
1960 aus. Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Ehemalige Wehrmachtsoffiziere werden<br />
noch bis 1958 entlassen. In Ungarn wechselten<br />
beim Volksaufstand des Jahres 1956 auch<br />
Teile der Volksarmee <strong>die</strong> Seiten. Dennoch<br />
verbleiben viele ehemalige Wehrmachtsoldaten<br />
und Angehörige der Kriegsmarine in<br />
der <strong>NVA</strong>.<br />
LANGE IM AMT: Armeegeneral Heinz Hoffmann,<br />
Minister für Nationale Verteidigung<br />
der <strong>DDR</strong> von 1960 bis 1985.<br />
Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
Die zugeführte moderne Technik offenbart,<br />
dass viele schnell zu Offizieren und Unteroffizieren<br />
beförderte Soldaten keine ausreichende<br />
Vorbildung besitzen. Während ab<br />
1954 massenweise Abiturienten für <strong>die</strong> Offiziersschulen<br />
„gewonnen“ werden, müssen<br />
<strong>die</strong> Leutnante und Oberleutnante wieder auf<br />
IM VERBUND: Schützenpanzer und Kampfhubschrauber<br />
der <strong>NVA</strong> während einer Großübung<br />
auf dem Truppenübungsplatz Wolmirstedt im<br />
Jahr 1981. Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann<br />
16
Aufbau mit Hindernissen<br />
Lehrgänge geholt werden, um dort in ein bis<br />
drei Jahren auf das gestiegene Abschlussniveau<br />
der Offiziersausbildung gehoben zu<br />
werden. In den 1960er-Jahren setzt eine regelrechte<br />
Weiterbildungs-Euphorie ein. Um<br />
weiterhin in der Armee <strong>die</strong>nen zu können,<br />
holen viele ihren Abschluss der 10. Klasse in<br />
Abendstu<strong>die</strong>n nach oder lernen für das Abitur.<br />
Zahlreiche bereits ältere Offiziere beginnen<br />
ein Fernstudium an zivilen Unis und<br />
Hochschulen. Dabei bleibt so mancher von<br />
ihnen allerdings auf der Strecke, weil <strong>die</strong><br />
körperlichen-geistigen Anforderungen nach<br />
Dienst <strong>die</strong> Gesundheit in Mitleidenschaft<br />
ziehen. Mit der zehnklassigen Polytechnischen<br />
Oberschule und der zunehmenden<br />
Zahl an Abiturienten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Erweiterten<br />
Oberschulen verlässt, werden <strong>die</strong>se Schwierigkeiten<br />
schließlich überwunden.<br />
Ungelöste Probleme<br />
Dafür rufen <strong>die</strong> Militärakademie Dresden<br />
und auch Höhere Schulen in der Sowjetunion<br />
oder anderen „Bruderstaaten“ alljährlich<br />
nach immer mehr Offiziershörern. Nicht alle<br />
Absolventen erhalten danach entsprechende<br />
Dienststellungen. Es wird so mancher Kommandant<br />
oder Stabschef eines Bataillons<br />
nach dem Studium wieder in seiner alten<br />
Funktion eingesetzt. Der Bildungsstand des<br />
Offizierskorps aber auch der Feldwebel und<br />
Fähnriche ist in der <strong>NVA</strong> unverhältnismäßig<br />
hoch. Dennoch werden <strong>die</strong> aus Offiziersfamilien<br />
stammenden Kinder von ihrer sozialen<br />
Herkunft her als Arbeiter eingestuft.<br />
Noch in den 1960er-Jahren stehen <strong>die</strong> Berufssoldaten<br />
vor massiven Wohnungsproblemen.<br />
Oft verbleiben Familien bei den Eltern<br />
daheim, bis endlich Partei und Regierung<br />
bereit sind, auch für Angehörige der<br />
<strong>NVA</strong> Neubauwohnungen in den oft abgelegenen<br />
Standorten zu errichten und einer<br />
<strong>NVA</strong>-eigenen Wohnungsverwaltung zu<br />
übergeben. Dennoch kann das Wohnungsproblem<br />
nie gänzlich gelöst werden. Der<br />
Grund dafür sind häufige Versetzungen der<br />
Offiziere.<br />
Die Offiziere, <strong>die</strong> nun von den Höheren<br />
Schulen der Sowjetarmee zurückkehren, erhalten<br />
Führungspositionen. Sie führen <strong>die</strong><br />
sowjetische Militärwissenschaft, ihre Doktrin<br />
und Vorschriften in <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> ein. Von eigenen<br />
Offiziersschulen der Land-, Luft- und<br />
Seestreitkräfte kommen derweil Hunderte<br />
von jungen Offizieren.<br />
Bei der Mehrzahl der freiwilligen Soldaten<br />
handelt es sich um junge Männer aus den<br />
Produktionsbetrieben und den Reihen der<br />
werktätigen Bauernschaft. Diese Generation<br />
hat den Zweiten Weltkrieg und <strong>die</strong> in der<br />
<strong>DDR</strong> weitgehend tabuisierte Flucht und Vertreibung<br />
der Deutschen aus dem Osten als<br />
ERSTAUSSTATTUNG:<br />
Die ab 1956<br />
durch <strong>die</strong> Seestreitkräfte<br />
der <strong>NVA</strong> in Dienst<br />
gestellten Minenleg-<br />
und Räumschiffe<br />
des<br />
Projekts „Krake“<br />
sind mit sowjetischen<br />
Geschützen<br />
Kaliber 85 mm<br />
ausgerüstet und<br />
können gegen<br />
See- und Landziele<br />
eingesetzt<br />
werden.<br />
Foto: Sammlung<br />
Dieter Flohr<br />
ANGETRETEN<br />
ZUM EID: Wehrpflichtige<br />
der <strong>NVA</strong><br />
bei der Vereidigung<br />
auf dem Gelände<br />
der Mahnund<br />
Gedenkstätte<br />
Ravensbrück im<br />
Jahr 1979.<br />
Foto: picture-alliance/<br />
ZB©dpa-Report<br />
BESTAUNT: Nach<br />
Beendigung des<br />
Manövers „Waffenbrüderschaft<br />
70“ wird ein langes<br />
Marschband<br />
von teilnehmenden<br />
Landungssoldaten<br />
zusammengestellt,<br />
das<br />
Dörfer und Städte<br />
zwischen Wolgast<br />
und Stralsund<br />
durchfährt. Im<br />
Bild der Autor als<br />
Journalist in<br />
Marineuniform.<br />
Foto: Sammlung<br />
Dieter Flohr<br />
Clausewitz 6/2014<br />
17
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
FORMATIONSFLUG: Einstrahlige Jagdflugzeuge vom Typ<br />
MiG-23 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der <strong>DDR</strong> im<br />
Luftraum nahe Peenemünde an der Ostsee, Aufnahme<br />
aus dem Jahr 1983. Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />
KARTE<br />
Operationsplanungen für den „Westlichen Kriegsschauplatz”<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
Nach der in den 1970er-Jahren von der Sowjetunion verkündeten neuen<br />
Militärdoktrin sollte ein möglicher Aggressor nach kurzem Grenzkampf<br />
auf sein eigenes Territorium zurückgeworfen und dort „vernichtet“<br />
werden. Dieser Strategie war <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> bedingungslos ausgeliefert,<br />
ohne genauere Kenntnisse über <strong>die</strong> Operationsplanungen zu haben.<br />
Klar war nur, dass in einer Anfangsperiode eines Krieges <strong>die</strong> Kampfhandlungen<br />
unverzüglich und schnell – auch durch einen Erstschlag<br />
mit Kernwaffen – auf den „Westlichen Kriegsschauplatz“ getragen werden<br />
sollten. Man plante einen Angriff in zwei strategischen Hauptrichtungen<br />
und wollte innerhalb von 30 Tagen sowohl am Atlantik als auch<br />
nach 45 Tagen an den Pyrenäen stehen.<br />
Die „Jütländische Operation“ sah vor, dass <strong>die</strong> drei verbündeten Sozialistischen<br />
Ostseeflotten nach Erringung der Seeherrschaft in der<br />
südwestlichen Ostsee durch kombinierte Luft- und See-Landungsunternehmen<br />
<strong>die</strong> dänischen Inseln besetzen. Zugleich sollte <strong>die</strong> sogenannte<br />
5. Armee, <strong>die</strong> aus <strong>NVA</strong>-Truppen und dem Gros der polnischen<br />
Armee bestand, durch <strong>die</strong> norddeutsche Tiefebene an Hamburg vorbei<br />
auf das dänische Festland vorstoßen und nach wenigen Tagen Kap<br />
Skagen erreichen. Mit <strong>die</strong>ser Besetzung der „Sund-und-Beltzone“ wollte<br />
man günstige Bedingungen für sofortige Handlungen der Baltischen<br />
Flotte in Nordsee, Kanal und – im Verbund mit der starken Nordflotte –<br />
Operationsfreiheit im Atlantik gewinnen.<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
18
In erhöhter Gefechtsbereitschaft<br />
Kind oder Jugendlicher miterlebt und sieht<br />
nun in der Armee eine berufliche Chance.<br />
Es gibt auch Seiteneinsteiger, <strong>die</strong> mit Auftrag<br />
der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oder<br />
der SED-Partei in <strong>die</strong> Armee delegiert werden,<br />
zumeist sofort einen höheren Dienstgrad<br />
erhalten und fortan als Politoffiziere<br />
<strong>die</strong>nen. Zwischen 1954 und 1956 werden<br />
Tausende von Abiturienten an <strong>die</strong> Offiziersschulen<br />
geworben. Als <strong>die</strong>se gegenüber weniger<br />
schulisch gebildeten Vorgesetzten unangenehm<br />
auffallen und kaum handwerkliche<br />
Kenntnisse mitbringen, kehrt man zur<br />
„strengsten Wahrung des Klassenprinzips“<br />
zurück und stellt nur Facharbeiter ein.<br />
„Jetzt militärische Ausbildung für Infanterie,<br />
Aviation, Marine, Unterseeboote“.<br />
Josef Stalin zu Wilhelm Pieck nach Ablehnung der Offerte zur Neutralisierung<br />
Deutschlands 1952 („Stalin-Note“) am 7. April 1952<br />
SCHIESSÜBUNG:<br />
Offiziersschüler<br />
der Offizierhochschule<br />
der Landstreitkräfte<br />
„Ernst Thälmann“<br />
der <strong>NVA</strong> bei der<br />
Ausbildung im<br />
Felde.Foto: picturealliance/ZB©dpa-Report<br />
Gefährliche „Berlinkrise”<br />
Sie sollen innerhalb von nur einem Jahr zum<br />
„Not-Abitur“ geführt werden. Dann schickt<br />
man 1958/59 <strong>die</strong> Ex-Oberschüler in Betriebe,<br />
wo sie <strong>die</strong> Verbindung zur „Arbeiterklasse“,<br />
<strong>die</strong> es längst im Marx’schen Sinne nicht mehr<br />
gibt, gewinnen sollen. Als sich <strong>die</strong> Aktion als<br />
Misserfolg herausstellt, wird <strong>die</strong>ses Vorgehen<br />
wieder abgeschafft. Mit der polytechnischen<br />
Bildung an den allgemeinbildenden<br />
Schulen wird <strong>die</strong>ses Problem dann scheinbar<br />
überwunden. Kinder von Offizieren haben<br />
fortan als soziale Herkunft Arbeiter anzugeben.<br />
Der Beginn der Errichtung der Berliner<br />
Mauer am 13. August 1961 und <strong>die</strong> Auslösung<br />
der „Erhöhten Gefechtsbereitschaft“<br />
für <strong>die</strong> 1. Mot.-Schützendivision (MSD) Potsdam<br />
und <strong>die</strong> 8. MSD Schwerin sowie der absichernde<br />
Einsatz <strong>die</strong>ser Truppen in Berlin<br />
erweist sich als erste große „Schüttelfrosteinlage“<br />
für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong>. Doch da <strong>die</strong> westlichen<br />
Mächte den im Auftrag Moskaus handelnden<br />
Walter Ulbricht, Erster Sekretär des Zentralkomitees<br />
der SED, ohne größere Zwischenfälle<br />
gewähren lassen, kommt es im<br />
Rahmen der „Berlinkrise“ nicht zum Ernstfall.<br />
Ab 22. November 1961 kehren <strong>die</strong> genannten<br />
Divisionen schließlich in ihre Standorte<br />
zurück.<br />
Kaum erfüllbare Aufgaben<br />
Da im Jahr 1961 <strong>die</strong> westdeutsche Bundeswehr<br />
bereits acht Divisionen aufgestellt hat,<br />
wird 1962 <strong>die</strong> Allgemeine Wehrpflicht nun<br />
auch in der <strong>DDR</strong> eingeführt. Eine Kriegs<strong>die</strong>nstverweigerung<br />
gibt es nicht. Die Kirche<br />
setzt 1964 ersatzweise einen 18-monatigen<br />
„Dienst ohne Waffen“ durch, der in zunächst<br />
13 Baupionier-Bataillonen abzuleisten<br />
ist. Später gibt es weit mehr solcher Bataillone.<br />
Bereits 1960 stellt Marschall Iwan Konew,<br />
Oberkomman<strong>die</strong>render der <strong>Streitkräfte</strong> des<br />
Warschauer Vertrages, den Seestreitkräften<br />
der <strong>DDR</strong> <strong>die</strong> kaum erfüllbare Aufgabe, den<br />
GRUPPENFOTO: In Vorbereitung des Großmanövers „Waffenbrüderschaft<br />
80“ finden mehrere Landungsübungen der Verbündeten<br />
Ostseeflotten im Raum Peenemünde (Usedom) statt. Polnische,<br />
deutsche und sowjetische Landungssoldaten stellten sich nach<br />
Abschluss der Übung den Fragen der Militärjournalisten.<br />
Foto: Peter Seemann<br />
GESCHEITERTE ZUSAMMENARBEIT: Im Frühjahr 1981 führt der Warschauer<br />
Pakt das Manöver „Sojus 81“ durch. U. a. wurde eine Mot.-<br />
Schützenkompanie des MSR-29 Hagenow durch Landungsschiffe der<br />
Volksmarine in Swinemünde an Land gesetzt. Das Foto zeigt <strong>die</strong> Beladung<br />
der Landungsschiffe „Projekt 108“ im Beisein polnischer Offiziere<br />
nach Abbruch des erfolglosen Manövers. Foto: Sammlung Dieter Flohr<br />
Clausewitz 6/2014<br />
19
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
ZUR ORIENTIERUNG: Besatzungsmitglieder<br />
von Schützenpanzern der <strong>NVA</strong> bei Kartenstudium<br />
während einer Übung.<br />
Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
im Falle eines Krieges in Küstenrichtung<br />
handelnden – das heißt angreifenden –<br />
Landtruppen Flankenschutz zu geben. Doch<br />
zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt lautet der Auftrag der<br />
<strong>DDR</strong>-Führung noch immer: „Verteidigung<br />
der Küste und des Küstenvorfeldes der<br />
<strong>DDR</strong>“. Den sowjetischen Schwenk hin zu einer<br />
offensiven Kriegführung gen Westen hat<br />
man offiziell noch gar nicht mitbekommen<br />
beziehungsweise wahrgenommen.<br />
Gemeinsame Großmanöver<br />
Die erste Manöver-Bewährung bestehen <strong>die</strong>se<br />
offensiv ausgerichteten Einheiten gemeinsam<br />
mit polnischen Landungstruppen im<br />
Rahmen der Übung „Baltyk-Odra“ im Jahr<br />
1962 am Strand der Ostseeinsel Wollin (poln.<br />
Wolin). Die Verbände simulieren <strong>die</strong> Landung<br />
auf den dänischen Inseln. Auch unter<br />
schlechten Witterungsverhältnissen stellen<br />
sie in der Großübung „Flut 63“ ihre Leistungsfähigkeit<br />
unter Beweis.<br />
HINTERGRUND<br />
Die <strong>NVA</strong> war keine Armee im Kampfeinsatz.<br />
Dennoch war sie mit Beratern und Experten<br />
weltweit präsent: So in Angola, Mosambik,<br />
Algerien, Libyen, Irak, Syrien, Südjemen,<br />
Äthiopien, Guinea-Bissau, Benin, Nigeria,<br />
VR Kongo, Sansibar und Pemba, dann Tansania,<br />
Sambia, Eritrea.<br />
Die „Kubakrise“ im Herbst 1962, <strong>die</strong> wegen<br />
der geplanten Stationierung von nuklearen<br />
Mittelstreckenraketen der Sowjetarmee<br />
auf der Karibikinsel <strong>die</strong> Welt in <strong>die</strong> Nähe eines<br />
Atomkrieges stürzt, bringt für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> einen<br />
weiteren Modernisierungsschub. Diskutiert<br />
werden nun im Offizierskorps der <strong>NVA</strong> „Erstschlag<br />
und Gegenschlag“ und <strong>die</strong> „Gefahr<br />
der beiderseitigen Vernichtung“. Großmanöver<br />
der Vereinten <strong>Streitkräfte</strong> wie zum Beispiel<br />
„Baikal“, „Quartett“, „Oder-Neiße“ und<br />
„Moldau“ zeigen, dass sich <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> weiterentwickelt<br />
hat und nun ihren „Waffenbrüdern“<br />
durchaus ebenbürtig geworden ist.<br />
<strong>NVA</strong>-Präsenz im Ausland<br />
„Friedenssicherung –<br />
unser Klassenauftrag!”<br />
Propagandalosung der Nationalen<br />
Volksarmee<br />
Sie gewährte Ausbildung für Offiziere und<br />
Unteroffiziere an Offiziersschulen in der <strong>DDR</strong><br />
für Schüler aus Ländern wie unter<br />
anderem: Afghanistan, Äthiopien, Jemenitische<br />
VR, Kambodscha, VR Kongo, Kuba, Laos,<br />
Libyen, Mosambik, Nicaragua, Nordkorea,<br />
Tansania, Syrien und Vietnam.<br />
Im Jahr 1968 kommt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> dagegen in<br />
eine besonders kritische Situation, als der<br />
Generalsekretär des Zentralkomitees der<br />
Kommunistischen Partei der Sowjetunion,<br />
Leonid Breschnew, den Befehl erteilt, mit<br />
den Vereinten <strong>Streitkräfte</strong>n gegen <strong>die</strong> Reformbewegung<br />
des „Prager Frühlings“ vorzugehen.<br />
Die 11. Mot.-Schützendivision Halle<br />
und <strong>die</strong> 7. Panzerdivision Dresden erhalten<br />
Order, Bereitschaftsräume in Sachsen zu<br />
beziehen. Nach mehrwöchigem Biwak sollen<br />
am 21. August 1968 ostdeutsche Regimenter<br />
marschieren und den Raum Karlsbad<br />
(tschech. Karlovy Vary) besetzen. Als<br />
sich <strong>die</strong> Marschbänder formieren, kommt<br />
unerwartet der Befehl, <strong>die</strong>sseits der Grenze<br />
zu verbleiben.<br />
Krise im Jahr 1968<br />
Wer von den Oberen zur Einsicht kommt, es<br />
sei ein Unding, dass deutsche Soldaten 30<br />
Jahre nach der Besetzung der Tschechoslowakei<br />
durch <strong>die</strong> Wehrmacht erneut in das<br />
ehemalige Sudetengebiet einmarschieren,<br />
konnte nie ganz geklärt werden. Obwohl <strong>die</strong><br />
<strong>NVA</strong>-Soldaten befehlsgemäß marschiert wären,<br />
mussten Kommandeure, Politorgane<br />
und das Ministerium für Staatssicherheit<br />
(MfS) in den Konzentrierungsräumen sehr<br />
viel Überzeugungsarbeit selbst unter hochrangigen<br />
Offizieren leisten. Zwar gibt es zahlreiche<br />
organisierte Parteieintritte von Soldaten,<br />
aber auch Bestrafungen und Parteiaus-<br />
20
schlüsse für Kameraden, <strong>die</strong> unangenehme<br />
Fragen stellen und Zweifel an der „Strafaktion“<br />
gegen das „Brudervolk“ äußern.<br />
Die 1970er-Jahre sind geprägt durch <strong>die</strong><br />
Zuführung immer modernerer Waffen für alle<br />
drei Teilstreitkräfte der Nationalen Volksarmee.<br />
Die Anzahl der Artillerie der Mot.-<br />
Schützendivisionen erhöht sich bis 1976 von<br />
78 auf 144 Rohre.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Offensiv-Strategie<br />
HOHER BESUCH:<br />
Der Minister für Nationale<br />
Verteidigung<br />
der <strong>DDR</strong>, Armeegeneral<br />
Heinz Keßler,<br />
beim Mot.-Schützenregiment<br />
in Stahnsdorf<br />
im Jahr 1987.<br />
Links im Bild Wolfgang<br />
Herger, der damalige<br />
Leiter der Abteilung<br />
„Sicherheitsfragen“<br />
beim<br />
Zentralkomitee<br />
der SED.<br />
Foto: picturealliance/ddrbildarchiv.de/<br />
Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
Massive Aufrüstung<br />
Die Panzerdivisonen werden immer stärker<br />
mit Selbstfahrlafetten (SFL) ausgerüstet. Dies<br />
bedeutet eine immense Erhöhung der Beweglichkeit<br />
und Kampfkraft. Weiter<br />
kommen bei der <strong>NVA</strong> hinzu:<br />
Geschosswerfer BM 21, dann<br />
RM 70 auf Tatrafahrzeug mit 40<br />
Rohren, Panzerabwehr-Lenkraketen,<br />
Schützenpanzer BMP-1<br />
und -2, Kampfhubschrauber<br />
Mi-8 TB und dann Mi-24, Jagdbomber<br />
SU-22, Küstenschutzschiffe,<br />
neue Minensucher „Kondor“<br />
und U-Bootjäger „Parchim“,<br />
Kleine Torpedoschnellboote „Libelle“,<br />
Mittlere Landungsschiffe und vor allem<br />
neue Fla-Waffen (zum Beispiel „Strela“) sowie<br />
taktische und operative Raketen. Die<br />
Pioniertechnik (Brückenleger und so weiter)<br />
wird ebenfalls verbessert.<br />
Ab 1972 erhalten <strong>die</strong> Landstreitkräfte ein<br />
eigenes Kommando in Potsdam-Geltow.<br />
Chef wird Generalleutnant Horst Stechbart.<br />
Ihm sind <strong>die</strong> Militärbezirke III und V unterstellt,<br />
ebenso Raketentruppen, Artillerie und<br />
Truppenluftabwehr. Die aufgerüstete <strong>NVA</strong><br />
fühlt sich nun stärker denn je und wird in<br />
<strong>die</strong> Offensiv-Strategie auf dem „Westlichen<br />
Kriegsschauplatz“ eingeordnet.<br />
Ab 1980 entsteht in Polen mit der Solidarnosc-Bewegung<br />
und dem Streik der Danziger<br />
Werftarbeiter erneut eine politisch heikle<br />
Situation für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong>. <strong>Wie</strong>der wird <strong>die</strong> „Erhöhte<br />
Gefechtsbereitschaft“ der Volksarmee<br />
ausgerufen und als Manöver „Sojus 81“ gewissermaßen<br />
verschleiert. Diese Großübung<br />
dauert ungewöhnlich lange, doch ein Einmarschbefehl<br />
in das östliche Nachbarland<br />
wird nicht mehr erteilt. Allerdings kommt es<br />
zu Manöverhandlungen vor der <strong>DDR</strong>-Küste<br />
und an der Grenze zu Polen sowie zu einer<br />
Stationierung von Landungsschiffen der<br />
Volksmarine in Swinemünde (polnisch Swinoujscie).<br />
Eine Kompanie Mot.-Schützen des<br />
Regiments 29 geht an Land, um gemeinsam<br />
mit sowjetischen Marineinfanteristen<br />
im langen Marschband<br />
FÜR BESONDERE<br />
LEISTUNGEN: Bestenabzeichen<br />
der Nationalen Volksarmee,<br />
in <strong>die</strong>ser Ausführung<br />
verliehen von 1964 bis<br />
1985. Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
durch das pommersche Land zu<br />
marschieren beziehungsweise „demonstrieren“.<br />
Diese Soldaten erleben dabei schwierige<br />
Situationen, weil <strong>die</strong> Bevölkerung <strong>die</strong>ser<br />
Aktion größtenteils ablehnend gegenüber<br />
steht. Schließlich wird <strong>die</strong> Truppe in Swinemünde<br />
wieder an Bord genommen. Hier<br />
wird deutlich: Die Zeiten der militärischen<br />
Gewalt gegen <strong>die</strong> Einführung von Reformen<br />
sind nach dem Helsinki-Prozess der 1970er-<br />
Jahre weitestgehend vorbei.<br />
In den Jahren des Kalten Krieges gelingt<br />
es nicht, <strong>die</strong> operative Planung der Armeen<br />
des Warschauer Vertrages paritätisch von einem<br />
gemeinsamen Stab vorzunehmen und<br />
umzusetzen. Der Oberbefehl bleibt stets in<br />
der Hand eines sowjetischen Marschalls und<br />
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21
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
KURZ VOR DER WENDE: Soldaten der <strong>NVA</strong> marschieren während der Parade anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der <strong>DDR</strong> an der<br />
Tribüne mit den Ehrengästen vorbei, 7. Oktober 1989.<br />
Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
seines Stabes. Symbolisch im Moskauer Stab<br />
mitarbeitende Kontingente der anderen Mitgliedsstaaten<br />
bleiben, trotz mehrmaliger Anmahnungen<br />
zu mehr Gemeinsamkeit wie etwa<br />
in der NATO zu kommen, ohne Einfluss.<br />
So bleiben <strong>die</strong> „Bruderarmeen“ lediglich<br />
„Erfüllungshelfer“ der Sowjetarmee<br />
und sind während des Kalten<br />
Krieges Teil der als abenteuerlich<br />
zu bezeichnenden Vorbereitungen<br />
auf einen möglichen<br />
Kriegsfall zwischen<br />
West und Ost.<br />
Sowjetisch geprägt<br />
Die Nationale Volksarme<br />
ist fest in <strong>die</strong> sowjetische<br />
Militärdoktrin und ihr militärtheoretisches<br />
Denken<br />
eingebunden. Verteidigung<br />
wird als sofortige Gegenoffensive<br />
verstanden. In <strong>die</strong><br />
detaillierten Operationspläne<br />
erhält jedoch kein General<br />
der <strong>NVA</strong>, auch kein Politiker der <strong>DDR</strong>,<br />
tiefere Einblicke. Klar ist nur, dass Land- und<br />
Luftstreitkräfte der <strong>DDR</strong> an der Seite der<br />
Sowjetunion, von Polen, der Tschechoslowakei<br />
und Ungarn auf dem westlichen Kriegsschauplatz<br />
in der „Ersten Staffel“ handeln<br />
MIT HAMMER UND ZIRKEL:<br />
Wappen aus der Truppenfahne<br />
der Nationalen Volksarmee.<br />
Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
würden. Damit wird den <strong>NVA</strong>-Militärs<br />
durchaus bewusst, dass der <strong>NVA</strong> folgende<br />
Rolle beziehungsweise Aufgabe zugedacht<br />
ist: Nach einer Spannungsperiode und dem<br />
möglichen Vorstoß von NATO-Truppen in<br />
der ersten einsetzenden Gegenoffensive des<br />
Ostens in Richtung Rhein beziehungsweise<br />
Atlantik, bei der es sogar<br />
zum Einsatz taktischer Kernwaffen<br />
kommen könnte, vorzustoßen.<br />
Die Volksmarine sollte<br />
im Kriegsfall gemeinsam<br />
mit polnischen und sowjetischen<br />
Landungskräften<br />
<strong>die</strong> dänischen Inseln besetzen<br />
beziehungsweise mit<br />
der 5. Armee der <strong>NVA</strong> und<br />
polnischen Divisionen <strong>die</strong><br />
Durchführung der „Jütländischen<br />
Operation“ hinauf<br />
bis Skagen sicherstellen.<br />
Danach erst sollten <strong>die</strong><br />
Hauptkampftruppen der<br />
Sowjetarmee nach Westen durchstoßen beziehungsweise<br />
<strong>die</strong> „Baltische Flotte“ in <strong>die</strong><br />
Nordsee und den Atlantik vordringen. Die<br />
Konsequenzen für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung im<br />
geteilten Deutschland, dem Hauptkriegsschauplatz,<br />
werden zu <strong>die</strong>ser Zeit nicht zu<br />
Ende gedacht. Die verantwortlichen Offiziere<br />
der <strong>NVA</strong> gehen davon aus und hegen <strong>die</strong><br />
Hoffnung, dass es so schlimm wohl niemals<br />
kommen würde.<br />
Hohe Anforderungen<br />
In dem Maße, wie <strong>die</strong> wachsende Kriegsgefahr<br />
propagandistisch immer bedrohlicher<br />
beschrieben wird, steigen <strong>die</strong> Anforderungen<br />
an <strong>die</strong> Soldaten der <strong>NVA</strong> nahezu ins Unermessliche.<br />
Da <strong>die</strong> Westgruppe der Sowjetarmee<br />
in den Kasernen „eingeschlossen“ ist<br />
und schnell aus dem Stand heraus handeln<br />
kann, der Offiziersbestand der <strong>NVA</strong> jedoch<br />
in Wohngebieten inmitten der Bevölkerung<br />
lebt, wird befohlen, dass sich stets 85 Prozent<br />
des Personalbestandes (aller Soldaten, Unteroffiziere<br />
und Offiziere der <strong>NVA</strong>) in den<br />
Dienstbereichen befinden müssen. Bereitschafts<strong>die</strong>nste<br />
werden eingeführt, <strong>die</strong> nächtliche<br />
Alarmierung und Heranholung der Offiziere<br />
und Unteroffiziere mit Bussen wird<br />
optimiert. Nach einer Stunde müssen bereits<br />
<strong>die</strong> Vorkommandos <strong>die</strong> Dienststellen verlassen<br />
können. Danach verlegen <strong>die</strong> Truppen in<br />
Bereitschaftsräume. Luft- und Seestreitkräfte<br />
müssen ein „<strong>die</strong>nsthabendes System“ einrichten,<br />
das heißt Kampfflugzeuge startbereit<br />
halten, Schiffe voll aufmunitioniert für<br />
den Ernstfall vorhalten. Für <strong>die</strong> Truppenteile<br />
22
Armee in der „Sinnkrise”<br />
GESICHERT: Wenige Tage<br />
nach dem Mauerfall stürmen<br />
Bürger ein geheimes Waffenlager<br />
von Alexander<br />
Schalck-Golodkowski, Mitglied<br />
des Zentralkomitees<br />
der SED, nahe Rostock. Zur<br />
Sicherung Tausender Handfeuerwaffen,<br />
<strong>die</strong> für den Verkauf<br />
ins Ausland vorgesehen<br />
<strong>waren</strong>, setzt der Chef der<br />
Volksmarine das Kampfschwimmerkommando<br />
ein.<br />
Die Waffen werden nach ordnungsgemäßer<br />
Zählung<br />
1990 der Bundeswehr übergeben.<br />
Foto: Sammlung D. Flohr<br />
MEHR ZUM THEMA<br />
„GESCHICHTE DER <strong>NVA</strong>“<br />
Neuerscheinung!<br />
Nationale Volksarmee<br />
224 S., 320 Abbildungen.<br />
ISBN: 978-3-7658-2048-9<br />
Preis: 29,99 €<br />
Bezugsquelle:<br />
www.verlagshaus24.de<br />
ationale Volksarmee<br />
PRÄSENTIERT DAS GEWEHR: Staatsratsvorsitzender<br />
Erich Honecker schreitet eine<br />
Ehrenformation der <strong>NVA</strong> ab, Ost-Berlin<br />
im Jahr 1981. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
und Kommandos werden mit großem Aufwand<br />
atomsichere Führungsstellen tief unter<br />
der Erde gebaut. Auf See ist jedes Schiff der<br />
NATO, das sich mit Ostkurs vor der <strong>DDR</strong>-<br />
Küste zeigt, nun nicht nur zu beobachten,<br />
sondern parallel zu begleiten.<br />
Trotz <strong>die</strong>ser erhöhten Anforderungen<br />
bleibt <strong>die</strong> Moral der Truppe nahezu ungebrochen.<br />
Die Soldaten ertragen Härtetests,<br />
gehen unter Schutzausrüstung über <strong>die</strong><br />
Sturmbahnen, graben sich im Gelände ein<br />
und stimmen neue Soldatenlieder an. Sie erdulden<br />
unzählige Übungen und lernen, lernen<br />
und lernen. Erreicht wird <strong>die</strong>s nicht allein<br />
durch den eingeforderten unbedingten<br />
Gehorsam, sondern durch ein „Paket“ von<br />
politischen und kulturellen Maßnahmen.<br />
Dazu zählen <strong>die</strong> politische Schulung, der<br />
jährlich unter bestimmten Losungen ausgerufene<br />
Sozialistische Wettbewerb, <strong>die</strong> Führung<br />
durch <strong>die</strong> Parteiorganisationen und<br />
FDJ-Leitungen, ein System von Ehrenbannern,<br />
Orden, Geldprämien und Soldatenauszeichnungen.<br />
Weiterhin umfassen <strong>die</strong> Maßnahmen<br />
strenge Disziplinarbefugnisse der<br />
Kommandeure („leichter“ und<br />
„schwerer Arrest“ sowie Militärjustiz<br />
und Militärgefängnis in Schwedt/<br />
Oder), <strong>die</strong> Förderung des Dienst- und Freizeitsports,<br />
<strong>die</strong> Patenschaftsarbeit mit Städten,<br />
Betrieben und Schulen sowie das Verbot<br />
des Empfangs westlicher Rundfunk- und<br />
Fernsehsender.<br />
Krise und Reformen<br />
In den Jahren seit 1985 bis zum Fall der Mauer<br />
im November 1989 gerät <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> jedoch<br />
Rüdiger Wenzke<br />
Nationale<br />
Volksarmee<br />
Die Geschichte<br />
„Armee des Volkes –<br />
Armee des Friedens!“<br />
Wahlspruch auf einem Plakat<br />
zum Tag der <strong>NVA</strong> am 1. März 1988<br />
in eine tiefe „Sinnkrise“. Diese führt dazu,<br />
dass ein Großteil ihrer Soldaten nicht bereit<br />
ist, sich mit Waffen gegen das eigene Volk<br />
einsetzen zu lassen. 183 als Einsatzgruppen<br />
(ohne Waffen) gegen mögliche Demonstrationen<br />
gebildete Hundertschaften werden<br />
schnell wieder aufgelöst. 12.000 Soldaten,<br />
<strong>die</strong> in der „Volkswirtschaft“<br />
im Einsatz sind,<br />
fordern einen vernünftigen<br />
Dienst oder <strong>die</strong> Entlassung<br />
aus der Armee.<br />
Am 1. Dezember 1989<br />
umfasst <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> insgesamt<br />
noch 184.000 Mann.<br />
Noch im Jahr 1990 versucht<br />
sich <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> zu reformieren.<br />
Und <strong>die</strong> Militärreform<br />
zeigt Wirkung.<br />
Die Partei und <strong>die</strong> Staatssicherheit<br />
werden aus den<br />
Dienststellen verbannt und <strong>die</strong> Politabteilungen<br />
in Staatsbürgerliche Erziehung gewandelt.<br />
Es heißt in der Anrede nun „Herr“<br />
bzw. „Frau“ statt „Genosse“ bzw. „Genossin“.<br />
Die alte „Elite“ muss gehen. Der neue<br />
Minister für Nationale Verteidigung Theodor<br />
Hoffmann beendet den Dienst von Tausenden<br />
Soldaten in der maroden Wirtschaft<br />
und schickt auch <strong>die</strong> Soldaten des dritten<br />
Dienstjahres vorzeitig nach Hause. Mit Mühe<br />
wird <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> durch Berufssoldaten und<br />
zivile Mitarbeiter am Leben erhalten. Existenzangst<br />
grassiert fortan in allen Militärstandorten<br />
unter den Soldaten und ihren Familien.<br />
Auch sehen sich viele Soldaten nun<br />
Verdächtigungen und Beschimpfungen von<br />
Bürgern und sogar Me<strong>die</strong>n ausgesetzt, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>NVA</strong> wegen ihrer „Staatsnähe“ verurteilen.<br />
Auflösung<br />
Am 2. Oktober 1990 endet schließlich <strong>die</strong> Geschichte<br />
der <strong>NVA</strong>. Circa 90.000 Mann werden<br />
zunächst von der Bundeswehr übernommen.<br />
Die Panzer, Schiffe, Flugzeuge und<br />
Munition, wie auch <strong>die</strong> Immobilien, das gesamte<br />
Inventar und <strong>die</strong> umfangreichen Bekleidungs-,<br />
Verbrauchsstoff- und Lebensmittelbestände<br />
werden der Bundeswehr übergeben.<br />
Dies geht allerdings vielfach ohne <strong>die</strong><br />
beim Militär übliche ordnungsgemäße und<br />
protokollierte Übergabe/Übernahme vor<br />
sich. Erhebliche Werte werden vernichtet.<br />
Am Ende wird den ehemaligen <strong>NVA</strong>-Soldaten<br />
– auf Drängen der Politik – <strong>die</strong> letzte<br />
Ehre verweigert, beim Niederholen der Flagge<br />
<strong>die</strong> „alte“ Hymne zu intonieren und dann<br />
<strong>die</strong> „neue“ Hymne der Bundesrepublik<br />
Deutschland zu hören.<br />
Dieter Flohr, Jg. 1937, Fregattenkapitän (Ing.) a. D.,<br />
Militärjournalist, Herausgeber und Autor von mehr als<br />
20 Sachbüchern und Almanachen mit Schwerpunkt<br />
Deutsche Militärgeschichte, Marine, Luftfahrt.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
23
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
Rekrutierung und Dienst in der <strong>NVA</strong><br />
Von der Freiwilligenzur<br />
Pflichtarmee<br />
Frühe 1950er-Jahre: <strong>Wie</strong> in Westdeutschland ist auch in der <strong>DDR</strong> <strong>die</strong> Mehrheit der Bevölkerung<br />
nicht zum erneuten Waffen<strong>die</strong>nst bereit. Es kostet <strong>die</strong> SED-Führung viele Mühen,<br />
junge Männer für den „Ehren<strong>die</strong>nst“ in den Kasernen zu gewinnen. Von Dieter Flohr<br />
Die <strong>DDR</strong> muss sich sehr ins Zeug legen,<br />
um <strong>die</strong> jungen Bürger zum Dienst an<br />
der Waffe zu motivieren. So wird den<br />
Eintrittswilligen eine großzügige Förderung<br />
in den Betrieben nach dem Dienst beziehungsweise<br />
bei Aufnahme eines Studiums<br />
versprochen. Die Freie Deutsche Jugend<br />
(FDJ) übernimmt auf dem IV. Parlament 1952<br />
in Leipzig <strong>die</strong> Patenschaft über <strong>die</strong> Bewaffneten<br />
Kräfte und stellt sogenannte FDJ-Aufgebote.<br />
Sie unterstützt <strong>die</strong> militärische Nach-<br />
wuchswerbung. Die Gesellschaft für Sport<br />
und Technik (GST) organisiert Schieß- und<br />
Geländeausbildung, Motor-, Flug- und Seesport.<br />
Das Sportabzeichen „Bereit zur Arbeit<br />
und zur Verteidigung des Friedens“ wird eingeführt,<br />
es gibt Geländeübungen und Kleinkaliberschießen<br />
der FDJ. Mit großem Aufwand<br />
werden sogenannte Wehrspartakiaden<br />
durchgeführt.<br />
Für den Aufbau einer <strong>schlagkräftig</strong>en Armee<br />
sind auch und besonders militärisch<br />
vorgebildete Kader vonnöten. Bereits gegen<br />
Ende der 1940er-Jahre entlässt <strong>die</strong> Sowjetunion<br />
Soldaten der ehemaligen Wehrmacht<br />
aus der Kriegsgefangenschaft. Die Voraussetzung<br />
dafür: Diese Männer müssen bereit<br />
sein, in den Bewaffneten Kräften zu <strong>die</strong>nen.<br />
Im Jahr 1949 zählen zirka 9.500 ehemalige<br />
Wehrmachtsoldaten zur Volkspolizei.<br />
Für <strong>die</strong> Kasernierte Volkspolizei, dann<br />
<strong>NVA</strong>, werden auch eine Handvoll ehemaliger<br />
Generale der Wehrmacht – unter ande-<br />
24
FEIERLICH: Eröffnung der IV. Wehrspartakiade<br />
der Gesellschaft für Sport<br />
und Technik im Juli 1981 in Erfurt.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
KRÄFTEZEHREND: Die Soldaten der<br />
<strong>NVA</strong> hatten sich alljährlich Härtetests<br />
zu unterziehen. Dabei <strong>waren</strong><br />
verschiedene Leistungen nach Normzeiten<br />
zu erfüllen, wie <strong>die</strong> Überwindung<br />
der Sturmbahn und ein 15-km-<br />
Marsch, der auf einigen Teilstrecken<br />
auch unter Schutzmaske absolviert<br />
werden musste. Foto: Erhard Berkholz<br />
PROPAGANDA: Plakat anlässlich der Feiern<br />
zum „Tag der Nationalen Volksarmee“, der<br />
seit 1957 jährlich am 1. März in der <strong>DDR</strong><br />
mit großem Aufwand begangen wurde.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
rem Vincenz Müller und Arno von Lenski –<br />
gewonnen. Diese „Ehemaligen“ werden aufgrund<br />
des Beschlusses des SED-Politbüros<br />
vom 15. Februar 1957 schließlich entlassen<br />
beziehungsweise pensioniert. 450 Offiziere,<br />
1.600 ehemalige Unteroffiziere und 2.600<br />
Mannschaften besetzen Kommandeursstel-<br />
len, arbeiten im Ministerium, in Stäben und<br />
als Ausbilder oder sind als Lehroffiziere tätig.<br />
Auch erhalten ehemalige Angehörige der<br />
Internationalen Brigaden – eingesetzt während<br />
des Bürgerkrieges in Spanien – nun<br />
Kommandeursposten. Die ersten jungen Offiziere<br />
werden ab 1949 auf sowjetische Militärschulen<br />
entsandt. Seeoffiziere und Piloten<br />
folgen 1952.<br />
Aktive Anwerbung<br />
Am 1. März 1956 wird der 1. Mot.-Schützendivision<br />
Potsdam <strong>die</strong> erste Truppenfahne<br />
der <strong>NVA</strong> übergeben. Dieser Tag gilt fortan<br />
als „Tag der Nationalen Volksarmee“, an<br />
dem in allen drei Teilstreitkräften <strong>die</strong> Kasernentore<br />
für <strong>die</strong> Bevölkerung geöffnet werden.<br />
Als dann nach der „Berlinkrise“ und<br />
dem Bau der Mauer 1962 auch in der <strong>DDR</strong><br />
<strong>die</strong> Wehrpflicht eingeführt wird, legt <strong>die</strong><br />
SED-Führung größten Wert auf zahlreiche<br />
Image-Kampagnen. So schließen Truppenteile<br />
und Schiffe Patenschaften mit Städten<br />
und Betrieben ab. Regelmäßig finden gegenseitige<br />
Besuche statt. Die <strong>NVA</strong> wird in den<br />
Schulen aktiv mit Informationsveranstaltungen<br />
und Geländespielen (Manöver „Schneeflocke“).<br />
Sie tritt auch bei den periodisch<br />
stattfindenden Arbeiterfestspielen mit Musikparaden,<br />
Chören, Literaturlesungen und<br />
Amateurfilmen auf. Schließlich wird auch<br />
der Wehrunterricht an den Polytechnischen<br />
Oberschulen eingeführt; <strong>die</strong> Schüler absolvieren<br />
sogenannte Wehrlager unter Anleitung<br />
aktiver Soldaten.<br />
Die <strong>NVA</strong> ist eine Armee, in der ideologische<br />
Politikschulung und <strong>die</strong> bedingungslose<br />
Pflichterfüllung von Beginn an einen besonderen<br />
Stellenwert besitzen. In der Eidesformel<br />
der <strong>NVA</strong> (später „Fahneneid“) wird<br />
der „unbedingte Gehorsam gegenüber den<br />
militärischen Vorgesetzten“ festgeschrieben.<br />
Allgegenwärtige Propaganda<br />
Zudem ist <strong>die</strong> sozialistische Propaganda allgegenwärtig,<br />
der Einfluss des „Großen Bruders“<br />
Sowjetunion enorm. Bis zum Ende der<br />
<strong>NVA</strong> im Herbst 1990 lernen 4.776 Offiziere<br />
an sowjetischen Militärschulen und 6.290 Offiziere<br />
in Dresden an der Militärakademie<br />
„Friedrich Engels“. Insgesamt 625 Offiziere<br />
promovieren zum Dr. rer.mil. beziehungsweise<br />
in einem technischen Fach.<br />
Nach dem Zerfall der <strong>DDR</strong> stellen etwa<br />
11.000 Offiziere den Antrag auf Übernahme<br />
in <strong>die</strong> Bundeswehr. Ein Teil wird „Weiterver-<br />
HINTERGRUND<br />
Eidesformel der <strong>NVA</strong> (1959–1961)<br />
„Ich schwöre, meinem Vaterland, der<br />
Deutschen Demokratischen Republik,<br />
allzeit treu zu <strong>die</strong>nen, sie auf Befehl der<br />
Arbeiter- und Bauernregierung unter Einsatz<br />
meines Lebens gegen jeden Feind<br />
zu schützen, den militärischen Vorgesetzten<br />
unbedingten Gehorsam zu leisten, immer<br />
und überall <strong>die</strong> Ehre unserer Republik<br />
und ihrer Nationalen Volksarmee zu<br />
wahren“.<br />
1962 wird <strong>die</strong>se Eidesformel („Schwur“)<br />
zum „Fahneneid“ und textlich erheblich<br />
erweitert – unter anderem um den Zusatz:<br />
„an der Seite der Sowjetarmee und<br />
der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen<br />
Länder“.<br />
AMTLICH: <strong>DDR</strong>-<br />
Wehr<strong>die</strong>nstausweis<br />
und Erkennungsmarke<br />
der <strong>NVA</strong>.<br />
Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
Clausewitz 6/2014<br />
25
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
AUGUST 1968: Das Torpedoschnellboot<br />
WILLI BÄNSCH stößt im dichten Nebel mit<br />
der Schwedenfähre DROTTNINGEN zusammen<br />
und sinkt. Sieben Matrosen kommen<br />
dabei ums Leben. Das Wrack wird später<br />
gehoben, zerbricht aber bei der Bergung in<br />
mehrere Teile.<br />
Foto: Sammlung Dieter Flohr<br />
wender“. Nur ein kleiner Teil wird Berufssoldat.<br />
Heute stammen etwa 20 Prozent der<br />
Angehörigen der Bundeswehr aus dem Osten<br />
der Bundesrepublik Deutschland.<br />
Der Dienst in der <strong>NVA</strong> kennt – wie bei anderen<br />
Armeen mit oder ohne Kriegseinsatz<br />
auch – sowohl zahlreiche menschliche Opfer,<br />
als auch erstaunliche Leistungen einzelner<br />
Soldaten. Zu den traurigen Geschehnissen<br />
zählen unter anderem Kfz-Unfälle, Flugzeugabstürze,<br />
Selbstmorde, Schießunfälle<br />
aber auch Tote auf See.<br />
Tragischer Unglücksfall<br />
Ein besonders tragisches Unglück erschüttert<br />
Ende August 1968 <strong>die</strong> Volksmarine:<br />
„Alarm!“ – Truppeneinmarsch in <strong>die</strong> Tschechoslowakei,<br />
wenn auch ohne Beteiligung<br />
von Verbänden der <strong>NVA</strong>. Auch auf See<br />
herrscht Ungewissheit darüber, wie <strong>die</strong><br />
NATO in <strong>die</strong>ser Krisensituation reagieren<br />
wird. Verstärkte Beobachtung. Am Abend<br />
des 30. August ortet ein Vorpostenschiff der<br />
Volksmarine am Fehmarnbelt <strong>die</strong> Fregatte<br />
223 KARLSRUHE der Bundesmarine mit<br />
Ostkurs. An Oberdeck befinden sich „verdächtige"<br />
Gegenstände. Das Kommando der<br />
Volksmarine in Rostock will wissen, worum<br />
es sich bei den verdächtigen Gegenständen<br />
handelt. Der Einsatzbefehl für <strong>die</strong> Torpedoschnellboote<br />
843 und 844 wird erteilt. Draußen<br />
herrscht dicker Nebel vor, <strong>die</strong> Sicht beträgt<br />
nur 30 Meter. Das Radargerät zeigt<br />
Grieß. Etwa 15 Zielpunkte sind zu erkennen.<br />
Welcher ist <strong>die</strong> Fregatte? Das Torpedoschnellboot<br />
844 WILLI BÄNSCH hält auf das<br />
größte Zielobjekt zu. Der Kommandant<br />
übersieht, dass <strong>die</strong> Peilung „steht". Das bedeutet<br />
Kollisionskurs. Das andere Schiff<br />
läuft auf ihn zu. Er stoppt auf. Die Maschinen<br />
verstummen. Er will hineinhorchen in<br />
den Dunst. Da reißt der Vorhang auf. Ein hoher<br />
weißer Vorsteven. Krachend bohrt sich<br />
der Bug in <strong>die</strong> Steuerbordseite des Bootes.<br />
Holz splittert. Menschen fliegen durch <strong>die</strong><br />
Luft. Das 60 Tonnen-Boot bäumt auf, kentert<br />
und treibt kieloben ab. Sie sind mit der<br />
schwedischen Fähre DROTTNINGEN kolli<strong>die</strong>rt.<br />
Elf Seeleute kämpfen im öligen Seewasser<br />
um ihr Leben. Die anderen sind unter<br />
Deck eingeschlossen. Nur einige Männer<br />
kommen noch raus. Ein Rettungsfloß, ein<br />
Zug an der Reißleine, Pressluft zischt. Neun<br />
Überlebende sammeln sich darin. Darunter<br />
der Kommandant. Wo sind <strong>die</strong> anderen? Allen<br />
ist speiübel. Sie haben Seewasser, gemischt<br />
mit Treibstoff und Öl geschluckt, stehen<br />
unter Schock. Trinkwasser gibt es aus<br />
dem Notpaket. Notsignale verpuffen im Nebel.<br />
Es wird Hilfe kommen, verspricht der<br />
„Alte“. Sie rufen. Vergeblich. Plötzlich – ein<br />
Schatten. Ein Schiff. Die Uhr zeigt 4:30. Sie<br />
gestikulieren, schreien, werden oben auf der<br />
Brücke auch bemerkt: „Wollt ihr mit?“ Dann<br />
ist das Handelsschiff wieder vom Nebel verschluckt.<br />
ALBERTA, Heimathafen Stockholm,<br />
„Sollte ich jemals <strong>die</strong>sen meinen feierlichen<br />
Fahneneid verletzen, so möge mich <strong>die</strong> harte Strafe<br />
des Gesetzes unserer Republik und <strong>die</strong> Verachtung<br />
des werktätigen Volkes treffen.“<br />
Schlusssatz des Fahneneides der <strong>NVA</strong>, zitiert nach: Handreichung für jeden neuen<br />
Soldaten: „Vom Sinn des Soldatseins“, Militärverlag der <strong>DDR</strong>, 34. Auflage, 1984.<br />
ÖFFENTLICH: Vereidigung von Soldaten der<br />
<strong>NVA</strong> auf dem Marktplatz von Mühlhausen in<br />
Thüringen. Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/<br />
Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
lesen sie noch. Verzweiflung kommt auf. Endlich,<br />
im Morgengrauen des 31. August, findet<br />
das Torpedoschnellboot 843 das Rettungsfloß<br />
mit den Überlebenden. Gerettet! Der Preis ist<br />
hoch: Sieben Seeleute sind tot.<br />
Ehrendes Gedenken<br />
Ein Anruf im Bundeswehrarchiv in Freiburg<br />
im Jahr 1990 und <strong>die</strong> Recherche im Schiffstagebuch<br />
der Fregatte KARLSRUHE der Bundesmarine<br />
ergeben: Tatsächlich hat <strong>die</strong> Fregatte<br />
am 30. August 1968 Fehmarnbelt passiert.<br />
Danach schlug sie aber Südkurs ein<br />
und führte ein Ankermanöver in der Lübecker<br />
Bucht durch. Die <strong>DDR</strong>-Matrosen hatten<br />
also ein Phantom gesucht.<br />
Ein Gedenkstein der 6. Flottille steht auf<br />
dem Friedhof in Dranske. Mehrfach schon<br />
fuhren Mariner, Eltern und Verwandte mit aktiven<br />
Marinekameraden der Schnellbootsflottille<br />
gemeinsam hinaus und übergaben der<br />
See Blumen und Kränze in Erinnerung an <strong>die</strong>se<br />
Opfer des Kalten Krieges. Auch das Marine-Ehrenmal<br />
Laboe bei Kiel ehrt heute <strong>die</strong>se<br />
Toten der Volksmarine mit einer Gedenktafel.<br />
Deren Dienstflagge hängt dort neben denen<br />
der anderen deutschen Seestreitkräfte.<br />
26
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Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
Bewaffnung und Ausrüstung der <strong>NVA</strong><br />
Schwert der Arbeiterund<br />
Bauernmacht<br />
IN SZENE GESETZT: Werbefoto für<br />
<strong>die</strong> 1952 aus den Volkspolizeibereitschaften<br />
gebildete Kasernierte<br />
Volkspolizei, <strong>die</strong> nunmehr mit militärischen<br />
Diensträngen und khakifarbenen<br />
Uniformen für <strong>die</strong> Landund<br />
Lufttruppen ausgestattet wird.<br />
Die VP-See trägt traditionelle blaue<br />
Marinekleidung. Foto: Sammlung D. Flohr<br />
MARTIALISCH: Mitte der 1970er-Jahre führt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong><br />
Kampfhubschrauber des Typs Mi-24 ein und bildet ein<br />
Kampfhubschrauber-Geschwader. Diese schwerbewaffneten<br />
Helikopter verstärken<br />
gemeinsam mit den Hubschraubern<br />
Mi-8TB <strong>die</strong><br />
Schlagkraft der Landstreitkräfte<br />
erheblich.<br />
Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv<br />
ÜBUNGSFAHRT: Ein Kampfpanzer der<br />
<strong>NVA</strong> beim Passieren eines Wasserhindernisses<br />
nördlich von Heinrichsberg an<br />
der Elbe.<br />
Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/Robert<br />
Grahn/picture alliance/dpa-Zentralbild<br />
28<br />
GEBALLTE FEUERKRAFT: Abschuss<br />
einer Rakete vom Typ P-15 vom Raketenschnellboot<br />
AUGUST LÜTGENS<br />
der Volksmarine.<br />
Foto: Sammlung Dieter Flohr
1956: Die <strong>NVA</strong> rekrutiert sich anfangs vor allem aus Einheiten der Kasernierten Volkspolizei.<br />
Die Bewaffnung stammt vorwiegend vom sowjetischen „Waffenbruder“. Doch auch<br />
in der <strong>DDR</strong> werden bald in großem Umfang Waffen hergestellt.<br />
Von Dieter Flohr<br />
Die Bewaffnung der <strong>NVA</strong>-Vorläufer,<br />
Volkspolizei-Bereitschaften und Kasernierte<br />
Volkspolizei (KVP), stammt aus<br />
den Sammellagern der Sowjetarmee, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se<br />
zum Ende des Zweiten Weltkrieges angelegt<br />
hat. Darunter befinden sich <strong>die</strong> den Deutschen<br />
vertrauten Gewehre K 98, das Sturmgewehr<br />
44 und das Maschinengewehr 42.<br />
Auch leichte Geschütze wie <strong>die</strong> Flak 38 und<br />
<strong>die</strong> 2-cm-Oerlikon und das 2-cm-Vierlings-<br />
Flugabwehrgeschütz gehören zur Bewaffnung.<br />
Dann aber wird <strong>die</strong> KVP ab 1952 mit<br />
gebrauchten Weltkriegswaffen der Sowjetarmee,<br />
also mit dem Gewehr K 44 (mit eigentlich<br />
geächtetem klappbaren mehrkantigen<br />
Bajonett), der Maschinenpistole 41 (mit dem<br />
kreisrunden Magazin) dem zweirädrigen<br />
MG „Maxim“, Geschützen 37 und 85 mm sowie<br />
dann den Doppellafetten 2,5 cm (Drehkranz)<br />
ausgerüstet. Auch kommen <strong>die</strong> ersten<br />
Panzer: T-34/85, Selbstfahrlafetten, außerdem<br />
85-mm-Pak und Artillerie 152 mm sowie<br />
auch <strong>die</strong> ersten Schützenpanzerwagen<br />
SPW 152. Die Kraftfahrzeuge muss <strong>die</strong> <strong>DDR</strong><br />
stellen. Dabei handelt es sich vor allem um<br />
<strong>die</strong> Lkw H3 und H 6, den G5, den Kübel P2M,<br />
den leichten Lkw Robur und den in Eisenach<br />
produzierten Pkw EMW. Ebenso soll <strong>die</strong><br />
<strong>DDR</strong> eigene Kriegsschiffe bauen.<br />
HINTERGRUND<br />
Landstreitkräfte<br />
■ Kampfpanzer: T-34, T-54,T-55, T-72<br />
■ Schützenpanzer: SPW 152, BMP 60,<br />
BMP 60 PB, BMP-1, BMP-2<br />
■ Artillerie: 100-mm-,122-mm-,130-mm-,<br />
152-mm-Geschütze<br />
■ Selbstfahrlafetten (Artillerie und<br />
taktische bzw. operative Raketen)<br />
■ Flugabwehrraketen<br />
■ Kanonenflugabwehr<br />
■ Handfeuerwaffen von Pistole<br />
Makarow bis MPi-K, MG-Degtjarow bis<br />
Panzerbüchse und „Strela“<br />
(tragbare Flugabwehrrakete)<br />
Luftstreitkräfte/Luftverteidigung<br />
■ MiG-15, MiG-17,MiG-19, MiG-21, MiG-23,<br />
Hauptbewaffnung der <strong>NVA</strong> (Auswahl)<br />
MiG-29, SU-22 und Il-28<br />
■ Hubschrauber: Mi-2, Mi-4, Mi-8,<br />
Mi-14, Mi-24<br />
Seestreitkräfte<br />
■ Minenleg- und Räumschiffe verschiedener<br />
Typen<br />
■ Schnellboote (Projekt 183, 206,<br />
Kleine Torpedoschnellboote, Leichte<br />
Torpedoschnellboote)<br />
■ Raketenschnellboote (Projekt 205)<br />
■ Küstenschutzschiffe (Projekt 50 und<br />
Projekt 1159)<br />
■ U-Jagdschiffe (201M, Hai, Parchim)<br />
■ Landungsschiffe (Landungsschiffe klein,<br />
Robbe, Projekt 108)<br />
■ diverse Hilfsschiffe<br />
HOHE REICHWEITE:<br />
Der sowjetische<br />
Flugabwehrraketenkomplex<br />
„Krug“<br />
(dt. „Kreis“) wird<br />
seit Mitte der<br />
1970er-Jahre von<br />
der <strong>NVA</strong> eingeführt,<br />
Foto aus dem März<br />
1980.<br />
Foto: picture-alliance/<br />
dpa©dpa-Bildarchiv<br />
<strong>DDR</strong>-Rüstungsproduktion<br />
Von Anfang an entsteht auf dem Boden der<br />
<strong>DDR</strong> aus der laufenden Produktion, eine eigene<br />
Rüstungsindustrie. Sind es zunächst<br />
vor allem Kfz-und Kleiderwerke, <strong>die</strong> <strong>die</strong> unzähligen<br />
Autos und Uniformen herstellen,<br />
kommen bald Munitions-, Sprengstoff- und<br />
Waffenfabriken hinzu. Es werden zum Beispiel<br />
Handfeuerwaffen, Panzerabwehr-Lenkraketen<br />
und Handgranaten in Lizenz hergestellt.<br />
Mehrere Betriebe liefern Funk- und Nachrichtentechnik,<br />
Optik, Waffenleittechnik,<br />
Elektronik. Im Erzgebirge und im Vogtland<br />
kann <strong>die</strong> Posamenten-Industrie wiederbelebt<br />
werden. Zum Beispiel wird <strong>die</strong> Stickmaschine<br />
mit dem Programm für <strong>die</strong> Herstellung<br />
der Mützenbänder der ehemaligen<br />
Kriegsmarine genutzt, auf der in „gotischer<br />
Schrift“ nun Aufdrucke wie Seepolizei,<br />
Volkspolizei-See, Seestreitkräfte und Volksmarine<br />
entstehen.<br />
Für <strong>die</strong> Volksmarine soll in erster Linie<br />
<strong>die</strong> aufblühende Werftindustrie der <strong>DDR</strong><br />
sorgen. Der 1954 verfasste Plan „Zeuthen“<br />
benennt <strong>die</strong> Zahl von nicht weniger als 314<br />
Kampf- und Hilfsschiffen, darunter sogar<br />
Zerstörer und U-Boote. Es sollen alle Seeund<br />
auch <strong>die</strong> Binnenwerften eingebunden<br />
werden. Bei den Reparationslieferungen für<br />
<strong>die</strong> UdSSR werden jedoch keine Abstriche<br />
gemacht. So wird schnell klar, dass man sich<br />
nur auf eine Marinewerft, <strong>die</strong> Peene-Werft in<br />
Wolgast, konzentrieren kann, um nicht das<br />
gesamte Wirtschaftsgefüge durcheinander<br />
zu bringen.<br />
Erhöhung der Kampfkraft<br />
Geliefert werden dann tatsächlich 27 Küstenschutz-Boote<br />
(Jachtwerft Berlin), 42 Räumpinassen<br />
„Schwalbe“, je zwölf Hafenschutzboote<br />
„Tümmler“ und „Delphin“, zwölf Minenleg-<br />
und Räumschiffe „Habicht“ und<br />
zehn MLR „Krake“ sowie eine Reihe von<br />
Hilfsfahrzeugen wie Schlepper und Tanker.<br />
1956 übergibt dann <strong>die</strong> Baltische Flotte den<br />
Seestreitkräften der <strong>NVA</strong> zwei gebrauchte<br />
sowjetische Fregatten (Küstenschutzschiffe<br />
Clausewitz 6/2014<br />
29
Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />
50 Projekt „Riga“), <strong>die</strong> eine erhebliche Erhöhung<br />
der Kampfkraft darstellen.<br />
Sie verfügen bereits über je drei rechnergestützte<br />
100-mm-Geschütze und erreichen<br />
Geschwindigkeiten von 24 bis 30 Knoten. Es<br />
folgen 27 Torpedoschnellboote des „Projekts<br />
183“ mit je zwei Torpedoausstoßrohren,<br />
dann zwölf U-Boot-Jäger des bereits veralteten<br />
Typs 201 M. Damit sind Versuche des<br />
<strong>DDR</strong>-Schiffbaus, einen eigenen Zerstörer<br />
(Projekt „Falke“) und Schnellboote (Projekt<br />
„Forelle“) zu entwickeln, beendet. Zwei weitere<br />
Küstenschutzschiffe folgen 1959. Die<br />
Luftstreitkräfte der <strong>NVA</strong> verfügen zunächst<br />
über 130 Jagdflugzeuge Jak 11/18, erhalten<br />
ÜBERNAHME AN BORD: Mithilfe eines<br />
Drehkrans wird eine Rakete P-15 („Schiff-<br />
Schiff“) auf ein Raketenschnellboot der<br />
Volksmarine gehievt, Foto aus dem Jahr<br />
1982. Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />
EFFEKTIV: Ab 1964 führt <strong>die</strong> Volksmarine<br />
auch Raketenschnellboote (hier OTTO<br />
TOST) des Projekts 205 ein. Sie können<br />
je vier selbstzielsuchende Raketen der<br />
Klasse „Schiff-Schiff“ (P-15) abfeuern,<br />
<strong>die</strong> eine hohe Trefferquote besitzen.<br />
Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv<br />
aber 1956 <strong>die</strong> ersten Düsenjäger vom Typ<br />
MiG-15, wenig später auch MiG-17PF und<br />
MiG-19PM sowie 48 Hubschrauber Mi-4.<br />
Panzer-Importe<br />
Während weitere gebrauchte<br />
Kampfpanzer T-34 aus Beständen<br />
der Westgruppe der Sowjetarmee<br />
übernommen werden,<br />
kommen Anfang der<br />
1960er-Jahre auch fabrikneue Modelle<br />
vom Typ T-54 hinzu. Diese<br />
müssen allerdings importiert werden.<br />
Interessanterweise sind es<br />
Hersteller aus der Tschechoslowakei<br />
und Polen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Panzer<br />
in Lizenz produzieren dürfen.<br />
Massenweise werden nun Funkmessgeräte,<br />
zum Teil auch Entwicklungen<br />
eigener Betriebe, in <strong>die</strong> ostdeutsche Armee<br />
eingeführt. An der Küste entsteht ein<br />
Netz landgestützter Radarbeobachtungsstationen.<br />
Neue Standorte für immer neue Einheiten<br />
werden gebaut. Zu Beginn der 1960er-<br />
Jahre erhält <strong>die</strong> Volksmarine (Namensgebung<br />
am 4. November 1960) den Auftrag,<br />
auch eine Landungskomponente und U-<br />
Boot-Jäger zu entwickeln. Die Peene-Werft<br />
Wolgast und <strong>die</strong> Jachtwerft Berlin-Köpenick<br />
liefern 56 Leichte Torpedoschnellboote mit<br />
dreiköpfigen Besatzungen. Wolgast entwickelt<br />
Kleine Landungsschiffe und Mittlere<br />
Landungsschiffe „Robbe“. Zwölf U-Jäger<br />
„Hai“ mit Dieselantrieb und einer Gasturbine<br />
Pirna-14 entstehen. Das Mot.-Schützenre-<br />
giment 28 Rostock, später das MSR-29 Prora,<br />
üben nun Jahr für Jahr <strong>die</strong> Verladung ihrer<br />
Fahrzeuge auf <strong>die</strong> Schiffe und <strong>die</strong> Anlandung<br />
an flachen Sandstränden.<br />
Ab 1962 werden Raketen verschiedener<br />
Typen in <strong>die</strong> drei Teilstreitkräfte der <strong>NVA</strong><br />
eingeführt. Die Marine stellt nach und nach<br />
15 Raketenschnellboote des „Projekts 205“<br />
mit je vier Startrampen in Dienst. Sie können<br />
selbstzielsuchende Raketen der Klasse<br />
„Schiff-Schiff“ (P-15) starten. Die Treffgenauigkeit<br />
ist atemberaubend. Eine zeitlang erreicht<br />
<strong>die</strong> Volksmarine damit eine waffentechnische<br />
Überlegenheit in der südwestlichen<br />
Ostsee über <strong>die</strong> hier operierenden<br />
NATO-Seestreitkräfte. Küstenraketen des<br />
Typs „Sopka“ kommen hinzu. Der Westen<br />
besitzt zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt noch keine vergleichbaren<br />
Waffen.<br />
Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung<br />
führen Fla-Raketen der Klasse „Land-Luft“<br />
und ungelenkte Raketen „Luft-Luft“ ein. Die<br />
Landstreitkräfte erhalten taktische Raketen<br />
mit konventioneller Ladung.<br />
Massive Aufrüstung<br />
Später, in den 1980er-Jahren, kommen sogar<br />
operative Raketen SS-23 hinzu. Diese wären<br />
Trägermittel für Kernsprengköpfe, <strong>die</strong> jedoch<br />
in sowjetischer Obhut bleiben.<br />
Des Weiteren stärken Geschosswerfer,<br />
vergleichbar mit den im Zweiten Weltkrieg<br />
gefürchteten „Katjuscha,“ und<br />
STAATLICHE AUSZEICHNUNG:<br />
„Medaille für treue Dienste in<br />
der Nationalen Volksarmee“,<br />
hier für eine 20-jährige Dienstzeit in<br />
Stufe Gold II. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
Panzerabwehrlenkraketen <strong>die</strong><br />
Kampfkraft der <strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong>.<br />
Die offenen Schützenpanzerwagen<br />
SPW 152 werden durch geschlossene,<br />
schwimmfähige SPW 60, dann SPW 60 PB<br />
mit Geschützturm abgelöst. Die Feuerkraft<br />
der konventionellen Artillerie wird erhöht.<br />
Panzer T-55, Schwimmpanzer PT-76 und<br />
Kampfflugzeuge vom Typ MiG-21 – erstmals<br />
außerhalb der Sowjetunion stationiert –<br />
kommen zum Einsatz.<br />
Die Volksmarine verfügt jetzt über ein<br />
Kampfschwimmer-Kommando, ein Fallschirmjäger-Bataillon<br />
wird in den Landstreitkräften<br />
gebildet.<br />
Mitte der 1970er-Jahre steigern folgende<br />
Waffen beziehungsweise Waffensysteme<br />
(Auswahl) <strong>die</strong> Kampfkraft: neue Hubschrauber<br />
Mi-8, Mi-14, Mi-24, neue Flugzeugtypen<br />
wie <strong>die</strong> MiG-23, SU-22, MiG-29,<br />
Kampfpanzer T-64 und T-72, neue vierrohri-<br />
30
Hochgerüstete Streitmacht<br />
KOPRODUKTION: Die <strong>DDR</strong> produziert gemeinsam mit der Tschechoslowakei<br />
das Brückenlegegerät BLG-60 auf Basis von Lizenzen aus<br />
der Sowjetunion. Dabei ist <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> für den pioniertechnischen Aufbau<br />
und <strong>die</strong> Endmontage zuständig. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
HINTERGRUND<br />
Abrüstung einer Armee<br />
Das gesamte Gerät und <strong>die</strong><br />
Waffen der <strong>NVA</strong> werden nach<br />
der deutschen <strong>Wie</strong>dervereinigung<br />
am 3. Oktober 1990 in<br />
zahlreichen Verwahrlagern konzentriert.<br />
Als Ende November<br />
1990 in Paris zahlreiche Staaten<br />
<strong>die</strong> Schlussakte des KSZE-<br />
Abkommens unterzeichnen,<br />
muss Deutschland 2.927 Panzer,<br />
6.152 Schützenpanzerwagen,<br />
1.955 Artilleriesysteme<br />
und 164 Kampfflugzeuge abrüsten.<br />
Diese Forderung wird<br />
nun durch Vernichtung und Absteuerung<br />
von <strong>NVA</strong>-Waffen weitestgehend<br />
erfüllt.<br />
Inzwischen haben 44 Länder<br />
um Lieferungen aus Beständen<br />
der Nationalen Volksarmee<br />
ersucht. Am Ende gehen<br />
Lieferungen an 70 Länder,<br />
darunter <strong>die</strong> USA, Frankreich,<br />
Ägypten, Israel, Griechenland,<br />
Türkei, Indonesien, Schweden,<br />
Finnland, Belgien, Jugoslawien,<br />
Lettland, Tunesien, Malta, Uruguay,<br />
Norwegen, <strong>die</strong> Niederlande,<br />
Estland, Spanien und <strong>die</strong><br />
Ukraine.<br />
ge Torpedoschnellboote „Projekt 206“, Mittlere<br />
Landungsschiffe, drei Küstenschutzschiffe<br />
1159 Typ „Rostock“, 30 Kleine Torpedoschnellboote<br />
der „Libelle“-Klasse (KTS),<br />
neue Minensucher „Kondor“ (Projektnummer<br />
89.1 und 89.2), 16 U-Jagdschiffe Projekt<br />
131 „Parchim“ und schließlich fünf Raketenkorvetten<br />
„Tarantul“ mit je vier P-21-Raketen<br />
sowie ein neues mobiles Küstenraketensystem<br />
„Rubesch“.<br />
„Musterschüler” <strong>NVA</strong><br />
„Höhepunkt“ der erzielten Fähigkeiten und<br />
der Kampfbereitschaft der <strong>NVA</strong> ist das letzte<br />
Großmanöver „Waffenbrüderschaft 80“.<br />
Auf Truppenübungsplätzen der <strong>DDR</strong> zeigen<br />
Land-, Luft- und Seestreitkräfte unter Einsatz<br />
scharfer Waffen, zu welchen militärischen<br />
Leistungen sie imstande sind.<br />
Ohne Zweifel wäre <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> als Koalitionsarmee<br />
damals mit den anderen Armeen<br />
des Ostblocks auf Befehl „marschiert“. Ihre<br />
schwimmfähige Technik hätte <strong>die</strong> mitteleuropäischen<br />
Wasserhindernisse größtenteils<br />
aus der Bewegung heraus überwinden können.<br />
Dazu entwickelt <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Industrie ein<br />
eigenes Brückenlegegerät BLG-60 für kleinere<br />
Wasserhindernisse, das sich sowjetischen<br />
und NATO-Mustern als überlegen erweist.<br />
Die <strong>NVA</strong> gilt inzwischen als „Musterschüler“<br />
des weiterhin vom „Großen Bruder“ dominierten<br />
Warschauer Paktes. In der <strong>DDR</strong><br />
existieren ab den 1970er-Jahren etwa 70 bis<br />
80 Betriebe der „Speziellen Produktion“; <strong>die</strong>se<br />
stellen ausschließlich Rüstungsgüter her.<br />
Zirka 2.300 Betriebe treten als Zulieferer in<br />
Erscheinung.<br />
Mit dem Nachrüstungsbeschluss der<br />
NATO und der „Vornestationierung“ der<br />
russischen SS-20-Raketen in den Jahren<br />
1979/80 allerdings kommen unter den Leistungsträgern<br />
der <strong>NVA</strong> immer größere Zweifel<br />
an der Richtigkeit des Rüstungswett-<br />
STANDARD: Jagdflugzeuge vom Typ<br />
MiG-21 auf einem Militärflugplatz, vermutlich<br />
bei Kamenz. Die sowjetische<br />
MiG-21 kommt bei allen Staaten des<br />
Warschauer Vertrags zum Einsatz.<br />
Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />
laufs auf. Mit „Pershing II“ und „Cruise<br />
missile“ sowie mit den Luft-Schiff-Raketen<br />
„Kormoran“ der NATO wird offenbar, dass<br />
<strong>die</strong> vorwiegend konventionellen Kräfte des<br />
Warschauer Vertrages immer mehr ins Hintertreffen<br />
geraten sind. Als dann unter dem<br />
Generalsekretär des Zentralkomitees der<br />
„Schlagkräftig – zuverlässig. Für den Schutz der<br />
Arbeiter- und Bauern-Macht!”<br />
Losung eines Propagandaplakates anlässlich des 25. Jahrestages<br />
der Gründung der <strong>NVA</strong>, 1981<br />
KPdSU Michail Gorbatschow 1985/86 <strong>die</strong><br />
offensive Militärdoktrin in eine Verteidigungsdoktrin<br />
gewandelt wird und <strong>die</strong> <strong>NVA</strong><br />
nun „Verteidigung“ üben soll, ist schnell<br />
klar, auf wessen Territorium und mit welchen<br />
Kräften <strong>die</strong> Anfangsperiode eines<br />
möglichen Krieges zwischen West und Ost<br />
stattfinden wird.<br />
Jedem militärwissenschaftlich ausgebildeten<br />
Offizier wird bewusst, dass ein auf<br />
breiter Front vorgetragener Angriff des Gegners<br />
– wenn überhaupt – erst an der Oder<br />
oder an der Weichsel gestoppt werden könnte.<br />
Eine neue Stufe der Kampfkraft durch intelligente<br />
Munition, Computertechnik und<br />
Abstandswaffen zwingt Politiker und Militärs<br />
schließlich zum Einlenken und Umdenken.<br />
Entsprechend den Abrüstungsverhandlungen<br />
verschrottet <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> in ihrer Endphase<br />
<strong>die</strong> ersten Kampfflugzeuge und<br />
Panzer. Zudem reduziert sie <strong>die</strong> Zahl der<br />
Landstreitkräfte einseitig um 10.000 Mann.<br />
Mit den Wahlen vom 18. März 1990 und<br />
den Verhandlungen zwischen Bundeskanzler<br />
Kohl und Gorbatschow im Kaukasus sowie<br />
den 2+4-Verhandlungen des Jahres 1990 ist<br />
das Ende der <strong>NVA</strong> – einer deutschen Armee<br />
im Kalten Krieg – schließlich gekommen.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
31
Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />
Schlacht um Aachen 1944<br />
Kampf um <strong>die</strong><br />
Kaiserstadt<br />
September 1944: Die Alliierten<br />
stoßen bis zur deutschen<br />
Westgrenze vor. Nun<br />
wollen sie mit Aachen <strong>die</strong><br />
erste Großstadt des Reiches<br />
erobern. Doch ihre<br />
Annahme, der Gegner sei<br />
bereits geschlagen, erweist<br />
sich als verhängnisvoller<br />
Irrtum. Von Stefan Krüger<br />
GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie<br />
nimmt im Raum Aachen <strong>die</strong> nach<br />
Osten vorstürmenden Truppen des<br />
Gegners unter Beschuss.<br />
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
32
den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen<br />
hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er<br />
versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen.<br />
Ein beflissener Bürger war jedoch schneller<br />
und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig<br />
nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“<br />
kommt zu demselben Ergebnis und<br />
schiebt Schwerin in <strong>die</strong> „Führerreserve“ ab.<br />
Neuer Divisionskommandeur wird General<br />
Siegfried von Waldenburg.<br />
NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich<br />
von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen<br />
bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe<br />
sowie weiteres Pioniergerät mit sich.<br />
Foto: Sammlung Anderson<br />
Mühsam quälen sich <strong>die</strong> Fahrzeuge der<br />
116. Panzerdivision Richtung Osten.<br />
Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt<br />
<strong>die</strong> vorderste Linie des „Westwalls“<br />
und hier, so hoffen <strong>die</strong> Männer, muss es doch<br />
wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben.<br />
Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant<br />
Gerhard Graf von Schwerin und<br />
seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht.<br />
Als sie am 12. September 1944 in der<br />
altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen,<br />
herrscht in Aachen das blanke Chaos.<br />
Eigentlich hat <strong>die</strong> örtliche NSDAP den<br />
Auftrag, <strong>die</strong> Zivilisten zu evakuieren. Die<br />
„Parteibonzen“ aber <strong>waren</strong> auch hier <strong>die</strong> ersten,<br />
<strong>die</strong> sich aus dem Staub gemacht und <strong>die</strong><br />
Aachener ihrem Schicksal überlassen haben.<br />
Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten<br />
aufgestellt, um den „Westwall“ an<br />
<strong>die</strong>ser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich<br />
um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur<br />
noch von der mangelhaften Qualität ihrer<br />
Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen<br />
<strong>die</strong>se Einheiten teils martialische Bezeichnungen<br />
wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit<br />
bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps<br />
nur noch wenige Kilometer von Deutschlands<br />
westlichster Großstadt entfernt ist.<br />
für <strong>die</strong> US-Amerikaner, in der er sie bittet,<br />
<strong>die</strong> Zivilbevölkerung schonend zu behandeln.<br />
Er vermutet nämlich, dass <strong>die</strong> 1. US-Division<br />
in den nächsten Stunden ins Stadtinnere<br />
einrücken wird. Doch dann geschieht<br />
etwas Erstaunliches – nämlich nichts.<br />
Die Amerikaner verharren, als würden sie<br />
eine neue Teufelei der Deutschen fürchten.<br />
Damit vergeben sie <strong>die</strong> einmalige Chance, Aachen<br />
im Handstreich zu besetzen. General<br />
Schwerin nutzt <strong>die</strong> Gelegenheit und wirft seine<br />
Division wieder nach vorne. Außerdem<br />
stoppt er <strong>die</strong> Evakuierung. Denn <strong>die</strong>se verläuft<br />
ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,<br />
Unverhoffter Nachschub<br />
Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich<br />
Formen an. So graben sich nordwestlich<br />
der Stadt <strong>die</strong> Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision<br />
ein, während Waldenburgs<br />
Panzer zu den südwestlichen Stellungen des<br />
„Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten,<br />
dass es hier in den nächsten Tagen besonders<br />
kritisch aussehen wird – zu Recht. In<br />
Aachen selbst verschanzen sich derweil <strong>die</strong><br />
Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen<br />
gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten<br />
unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps.<br />
Und während sich <strong>die</strong> Stäbe ordnen, reiben<br />
sich <strong>die</strong> alten, desillusionierten „Landser“<br />
der Wehrmacht verblüfft <strong>die</strong> Augen,<br />
denn sie sehen etwas, was sie schon lange<br />
nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer,<br />
Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen<br />
kommen an <strong>die</strong> Front. Man<br />
merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit<br />
entfernt ist.<br />
Auf der anderen Seite der Front ahnt<br />
Feldmarschall Bernard Montgomery, der <strong>die</strong><br />
britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte<br />
führt, dass <strong>die</strong> Wehrmacht<br />
noch lange nicht geschlagen ist. Zu-<br />
Vergebene Chance<br />
Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen<br />
hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl<br />
erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine<br />
geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit.<br />
Sie muss sich zunächst östlich<br />
der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt<br />
und hinterlässt dort eine Nachricht<br />
IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet<br />
1944, hier Angehörige der 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />
Clausewitz 6/2014<br />
33
Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />
dem plagen <strong>die</strong> Verbündeten Versorgungsschwierigkeiten,<br />
da sich viele französische<br />
Häfen noch in deutscher Hand befinden.<br />
Auch das logistisch sehr wichtige Antwerpen<br />
ist noch lange nicht befreit. Er hält daher<br />
nichts von der Idee, sich am „Westwall“ den<br />
Kopf blutig zu schlagen. Vielmehr möchte er<br />
<strong>die</strong>sen am Niederrhein umgehen, dann nach<br />
Süden einschwenken und das Ruhrgebiet erobern<br />
– ein spiegelverkehrter „Schlieffenplan“<br />
sozusagen.<br />
Angriff der Amerikaner<br />
Der Krieg, so hofft er, kann dann vielleicht<br />
noch vor dem 1. Januar 1945 beendet sein.<br />
Das Unternehmen „Market Garden“ sollte<br />
<strong>die</strong>sem kühnen Stoß den Weg ebnen. Doch<br />
<strong>die</strong> Luftlandeoperation gerät zum alliierten<br />
Debakel. Montgomery aber gibt nicht auf; er<br />
plä<strong>die</strong>rt weiterhin dafür, den Schwerpunkt<br />
auf dem linken Flügel, also bei seiner eigenen<br />
Heeresgruppe, zu bilden.<br />
Der Oberbefehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte,<br />
General Dwight Eisenhower,<br />
möchte jedoch <strong>die</strong> Wehrmacht weiterhin<br />
auf breitester Front unter Druck setzen. Auch<br />
im Raum Aachen. Hier sollen <strong>die</strong> Amerikaner<br />
den „Westwall“ durchstoßen und anschließend<br />
auf Köln vorrücken. Von hier aus ließe<br />
sich das Ruhrgebiet rasch neutralisieren.<br />
In den Morgenstunden des 14. September<br />
1944 tritt das VII. US-Korps wie erwartet<br />
südlich der Stadt an. Und auf Anhieb reißen<br />
<strong>die</strong> Amerikaner <strong>die</strong> Front auf und preschen<br />
an Aachen vorbei weit nach Osten vor. Die<br />
116. Panzerdivision wirft sich ihnen entgegen,<br />
kann sie jedoch nicht aufhalten, sodass<br />
das VII. Korps bei Stolberg sogar in <strong>die</strong> zweite<br />
„Westwall“-Linie eindringt. Doch <strong>die</strong> Verteidiger<br />
haben Glück: Die frisch aufgefüllte<br />
und neu ausgerüstete 12. Infanteriedivision<br />
marschiert rechtzeitig heran und schließt <strong>die</strong><br />
bedrohliche Lücke südöstlich von Aachen.<br />
Der amerikanische Angriff frisst sich fest.<br />
Auch nördlich der Stadt gehen <strong>die</strong> US-Truppen<br />
in <strong>die</strong> Offensive. Sie schaffen es aber<br />
nicht, <strong>die</strong> Verteidiger zu werfen.<br />
Die Amerikaner antworten mit wütendem<br />
Artilleriefeuer, das auf das gesamte<br />
LXXXI. Korps niedergeht. Dann stürmt am<br />
17. September erneut <strong>die</strong> Infanterie an. Unter<br />
KARTE<br />
GETARNT: Eine 155-mm-Haubitze<br />
der US-Armee wird in Stellung gebracht.<br />
Die materielle Überlegenheit<br />
der Alliierten – gerade bei der Artillerie<br />
und in der Luft – war auch in<br />
der Schlacht um Aachen erdrückend.<br />
Foto: picture-alliance/akg-images<br />
Einschließung Aachens im Oktober 1944<br />
BEFEHLSHABER: Gerhard Graf von Schwerin,<br />
Kommandeur der 1944 im Raum Aachen eingesetzten<br />
116. Panzerdivision. Er wird seines<br />
Kommandos enthoben und in <strong>die</strong> „Führerreserve“<br />
versetzt. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />
34
den wuchtigen Schlägen taumeln <strong>die</strong> 49. und<br />
275. Infanteriedivision nach Heerlen zurück.<br />
Die 183. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision springt jedoch<br />
in <strong>die</strong> Bresche und hilft, <strong>die</strong> Front zu<br />
stabilisieren. Auch <strong>die</strong>smal gelingt den Angreifern<br />
somit der Durchbruch nicht. Zugleich<br />
aber schwenken <strong>die</strong> Amerikaner bei<br />
Stolberg nach Norden ein. Es ist kein Geheimnis,<br />
dass sie versuchen, Aachen einzuschließen.<br />
Wichtigstes taktisches Ziel sind<br />
hierbei <strong>die</strong> Höhenzüge nordöstlich der Stadt.<br />
Wer sie kontrolliert, kontrolliert Aachen.<br />
Diesmal aber versandet der Angriff im Abwehrfeuer<br />
der 12. Infanteriedivision rasch<br />
und <strong>die</strong> Schlacht um Aachen pausiert anschließend<br />
vorerst.<br />
ker auf <strong>die</strong> Westfront konzentrieren und neu<br />
aufgefüllte Verbände wie eben <strong>die</strong> 12. Infanteriedivision<br />
dorthin entsenden.<br />
Die Deutschen nutzen <strong>die</strong> operative Pause,<br />
um Aachen endlich zu evakuieren. Außerdem<br />
ziehen sie <strong>die</strong> angeschlagene 116.<br />
Panzerdivision aus der Front, um den Verband<br />
aufzufrischen. An dessen Stelle tritt <strong>die</strong><br />
Verunsicherte Amerikaner<br />
Die Amerikaner sind indes sehr verunsichert.<br />
<strong>Wie</strong> ist es möglich, dass <strong>die</strong> vermeintlich<br />
geschlagene Wehrmacht mit der 12. Infanteriedivision<br />
einen frischen Verband aus<br />
dem Ärmel geschüttelt hat? Wo kam <strong>die</strong>ser<br />
so plötzlich her? Die Division stand zuvor an<br />
der Ostfront und ist während der russischen<br />
Sommeroffensive (Unternehmen „Bagration“)<br />
beinahe aufgerieben worden. Da <strong>die</strong><br />
Rote Armee in <strong>die</strong>sem Bereich aber bereits<br />
seit August 1944 eine Feldzugpause einlegte,<br />
konnten sich <strong>die</strong> Deutschen nun etwas stärerst<br />
am 15. September (!) neu aufgestellte<br />
246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Zugleich spuckt<br />
das Ruhrgebiet, <strong>die</strong> größte Rüstungsschmiede<br />
des Reiches, unablässig neues Material<br />
aus, das vor allem den Verteidigern von Aachen<br />
zugute kommt. Die Amerikaner haben<br />
bereits zu spüren bekommen, auf was sie<br />
sich hier eingelassen haben. Sie schaffen da-<br />
NACHSCHUB: Ein anscheinend werksneuer PzKpfw IV Ausf H oder J in gedeckter Stellung<br />
in einem Wäldchen. Schutz vor der alliierten Luftaufklärung ist 1944 überlebenswichtig,<br />
Verlegungsmärsche werden vorzugsweise in der Nacht vorgenommen. Foto: Sammlung Anderson<br />
Clausewitz 6/2014<br />
35
Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />
her schwere Artillerie herbei, mit der sie den<br />
„Westwall“ unter Beschuss nehmen und<br />
„knacken“ wollen. Doch das erste Wort hat<br />
<strong>die</strong> alliierte Luftwaffe. 1.250 schwere Bomber<br />
legen in der Nacht zum 2. Oktober 1944<br />
Bombenteppiche auf Köln, Hamm und Kassel.<br />
Das LXXXI. Korps soll dadurch wenigstens<br />
zeitweise vom Ruhrgebiet und damit<br />
vom Nachschub abgeschnitten werden. Die<br />
Amerikaner legen den Schwerpunkt nun auf<br />
den Nordabschnitt, direkt südlich von Geilenkirchen.<br />
Zwar haben sie im Süden den<br />
tiefsten Einbruch erzielt und stehen bereits<br />
weit östlich von Aachen. Doch scheuen sie<br />
davor zurück, sich in dem unübersichtlichen<br />
Gelände in einen Kleinkrieg wie zuvor im<br />
Heckenland der Norman<strong>die</strong> einzulassen.<br />
Mörderisches Abwehrfeuer<br />
Während <strong>die</strong> genannten Großstädte brennen,<br />
heben 400 alliierte Bomber ab, <strong>die</strong> es vor<br />
allem auf <strong>die</strong> deutschen Bunker abgesehen<br />
haben. Anschließend pflügen knapp 380 Geschütze<br />
mit über 18.000 Granaten <strong>die</strong> Erde<br />
um. Mit massierter Feuerkraft haben <strong>die</strong><br />
HINTERGRUND<br />
Der „Westwall“<br />
Amerikaner schon in der Norman<strong>die</strong> den<br />
Durchbruch erzwungen, warum soll es nicht<br />
auch hier funktionieren? Doch der „Westwall“<br />
schützt <strong>die</strong> deutschen Soldaten, Verluste<br />
und Schäden bleiben erstaunlich gering.<br />
Die Soldaten des XIX. US-Korps laufen<br />
in ein mörderisches Abwehrfeuer. Einzelne<br />
Einheiten verlieren mehr als zwei Drittel ihres<br />
Personals. Etwa 30 Minuten benötigen<br />
<strong>die</strong> GIs im Durchschnitt, um nur einen einzigen<br />
Bunker zu „knacken“. Bis zum Ende des<br />
Tages werden es aber immerhin 50 sein. Zugleich<br />
liefern sie sich mit den Deutschen erbitterte<br />
Häuserkämpfe in Ortschaften wie<br />
Übach und Rimburg, <strong>die</strong> rund 20 Kilometer<br />
nördlich von Aachen liegen und in den<br />
„Westwall“ integriert sind. Erst am nächsten<br />
Tag überwinden <strong>die</strong> Angreifer <strong>die</strong>se erste Linie<br />
vollständig und stoßen weiter nach Westen<br />
vor.<br />
Für <strong>die</strong> deutsche Seite wird es nun brenzlig.<br />
Wenn das XIX. Korps, das nun immer<br />
weiter an Raum gewinnt, nach Süden eindreht,<br />
können sie bald den Soldaten des<br />
VII. US-Korps <strong>die</strong> Hand reichen und Aachen<br />
wäre eingeschlossen. Noch am 4. Oktober<br />
1944 unternimmt das LXXXI. Korps daher<br />
„Reste der Verteidiger der deutschen Kaiserstadt<br />
stehen im Nahkampf am Gefechtsstand...“<br />
Garnisonskommandant Gerhard Wilck am 21. Oktober 1944 in seinem letzten<br />
Funkspruch an <strong>die</strong> 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision.<br />
Nach dem Zusammenbruch der Norman<strong>die</strong>front<br />
bietet sich der vernachlässigte „Westwall“<br />
als Auffang- und Verteidigungslinie an.<br />
Hitler befiehlt daher am 24. August 1944,<br />
jene Verteidigungsanlage wieder zu reaktivieren<br />
und zu modernisieren.<br />
Das rund 630 Kilometer lange Stellungssystem<br />
erstreckt sich damals von der<br />
Schweiz grob entlang der deutschen Westgrenze<br />
bis zum niederrheinischen Kleve. Es<br />
besteht damals neben verschiedenen Bunkertypen<br />
aus zahlreichen Panzersperren und<br />
-gräben. Insgesamt werden etwa 17 Millionen<br />
Tonnen Beton und 1,2 Millionen Tonnen<br />
Stahl verbaut.<br />
Erstmals finden 1944 heftige Kämpfe<br />
um den „deutschen Limes“ bei Aachen und<br />
später im Hürtgenwald statt.<br />
Gegenangriffe, <strong>die</strong> aber allesamt zu kraftlos<br />
sind und meist im Artilleriefeuer liegen bleiben.<br />
Nun ergreifen <strong>die</strong> US-Truppen wieder<br />
<strong>die</strong> Initiative. Sie stürmen nach Süden und<br />
nehmen Alsdorf, womit sie nur noch 14 Kilometer<br />
von Aachen entfernt sind. In einem<br />
entschlossenen Gegenstoß erobern deutsche<br />
Sturmgeschütze und Infanterie <strong>die</strong> Ortschaft<br />
zwar wieder zurück, doch müssen sie dem<br />
großen Druck bald weichen. Die Reserven<br />
sind schlicht zu schwach. Zu <strong>die</strong>sem Schluss<br />
kommt auch das Oberkommando der Wehrmacht<br />
(OKW) und setzt <strong>die</strong> 3. Panzergrena<strong>die</strong>rdivision<br />
und das I. SS-Panzerkorps mit<br />
der 116. Panzerdivision und der 101. schweren<br />
SS-Panzerabteilung in Marsch. Noch aber<br />
sind <strong>die</strong> Amerikaner am Zug. Am 8. Oktober<br />
stößt das VII. Korps mit der bewährten<br />
36
NIEDERGESCHLAGEN:<br />
Deutsche<br />
Offiziere nach der<br />
Gefangennahme<br />
durch <strong>die</strong> US-Amerikaner<br />
in Aachen im<br />
Herbst 1944.<br />
Foto: picture-alliance/<br />
Süddeutsche Zeitung Photo<br />
DURCHBRUCH:<br />
US-Truppen durchstoßen<br />
im Herbst 1944<br />
den „Westwall“, hier<br />
südlich von Aachen<br />
Foto: picture-alliance/akg<br />
1. US-Division nach Norden vor. Ihr Ziel ist<br />
<strong>die</strong> Ortschaft Verlautenheide und „Hügel<br />
231“, nahe Ravelsberg. <strong>Wie</strong>der wummern<br />
<strong>die</strong> mächtigen Geschütze und ebnen den Angreifern<br />
den Weg. Sie schaffen es auf Anhieb,<br />
<strong>die</strong>se wichtigen Punkte zu besetzen. Damit<br />
kontrollieren <strong>die</strong> Alliierten nun <strong>die</strong> entscheidenden<br />
nordöstlichen Höhenzüge, Aachen<br />
ist nun beinahe vollständig eingeschlossen.<br />
Mit geballter Feuerkraft<br />
Doch noch immer klafft eine Lücke zwischen<br />
der 30. US-Division bei Alsdorf und der 1. Division<br />
weiter südlich. Und <strong>die</strong> Deutschen<br />
sind entschlossen, mit den Verstärkungen des<br />
OKW hier einen mächtigen Keil hineinzutreiben.<br />
Rasch drängen sie beide US-Divisionen<br />
in <strong>die</strong> Defensive und zwei deutsche Infanterieregimenter<br />
entreißen den Alliierten am<br />
12. Oktober sogar den „Hügel 231“, während<br />
Tiger-Panzer im Rücken der 1. US-Division<br />
durchbrechen und <strong>die</strong>se zeitweise vom Nachschub<br />
abschneiden. Kippt <strong>die</strong> Schlacht? Droht<br />
am Ende gar ein Debakel wie bei Arnheim?<br />
Die Amerikaner geben jedoch nicht auf<br />
und spielen ihre stärksten Trümpfe aus: Artillerie<br />
und Luftwaffe. Mit <strong>die</strong>ser geballten<br />
Feuerkraft zertrümmern sie einzelne deutsche<br />
Angriffsgruppen und reiben auch <strong>die</strong><br />
gegnerische Infanterie auf „Hügel 231“ auf.<br />
Der wichtige Höhenzug ist damit wieder in<br />
alliierter Hand. Die Deutschen, <strong>die</strong> längst<br />
nicht mehr <strong>die</strong> Reserven haben, um solche<br />
Materialschlachten durchzustehen, lassen<br />
nun spürbar nach. Darauf hin beißt sich <strong>die</strong><br />
30. US-Division weiter nach Süden durch.<br />
Am 16. Oktober 1944 reichen sie schließlich<br />
ihren Kameraden von der 1. Division <strong>die</strong><br />
Hand: Aachen ist nun vollständig eingeschlossen.<br />
Der Kampf um <strong>die</strong> Stadt selbst beginnt<br />
bereits ein paar Tage zuvor, als das 26.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Verbissene Verteidiger<br />
US-Regiment mit Flammenwerfern, Panzern<br />
und schweren Haubitzen in Aachen eindringt.<br />
Ihnen gegenüber stehen vor allem<br />
5.000 Garnisonssoldaten: Schlecht ausgebildete,<br />
meist viel zu alte Männer, <strong>die</strong> obendrein<br />
nur mangelhaft ausgerüstet sind. Dennoch<br />
wehren sie sich verbissen und zwingen<br />
<strong>die</strong> Angreifer, <strong>die</strong> offenen Straßen zu meiden.<br />
Die amerikanischen Panzer und Geschütze<br />
schleifen daraufhin systematisch ein<br />
Haus nach dem anderen, sodass sich <strong>die</strong> US-<br />
Infanterie über <strong>die</strong> Trümmer hinweg fortbewegen<br />
kann. Auf <strong>die</strong>se Weise ziehen sie den<br />
Ring um <strong>die</strong> Innenstadt immer enger, treffen<br />
dann aber am Hotel Quellenhof, dem Hauptquartier<br />
der Verteidiger, noch einmal auf den<br />
erbitterten Widerstand der Waffen-SS, <strong>die</strong><br />
mehrere Angriffe abwehrt und sogar heftige<br />
Gegenstöße unternimmt. Erst am 21. Oktober<br />
1944 kapituliert Garnisonskommandant<br />
Oberst Gerhard Wilck mit dem Rest seiner<br />
Soldaten.<br />
Die Schlacht um Aachen hat vom 2. bis<br />
zum 21. Oktober 1944 auf beiden Seiten jeweils<br />
zirka 5.000 Mann an Toten und Verwundeten<br />
gekostet. Zudem gerieten mehrere<br />
Tausend deutsche Soldaten in alliierte Gefangenschaft.<br />
Aber auch bei den Alliierten sollte sich<br />
bald Ernüchterung breitmachen. Denn obwohl<br />
sie den „Westwall“ an <strong>die</strong>ser Stelle nun<br />
klar durchbrochen hatten, <strong>waren</strong> sie von einem<br />
temporeichen Bewegungskrieg wie zuletzt<br />
in Frankreich weit entfernt. Zudem<br />
wartete nun der Hürtgenwald als nächstes,<br />
weitaus größeres Hindernis. Aachen wurde<br />
somit nicht zum erhofften „Sprungbrett“ in<br />
das Herz des „Dritten Reiches“.<br />
Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.<br />
<br />
<br />
Haasler, Timm Timm<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Großformat, 349 349 Seiten.<br />
148 148 Abb./ISBN<br />
978-3-86933-088-4<br />
<br />
Wijers, Hans Hans J. J.<br />
Die Die Ardennenoffensive<br />
- Band - II II<br />
Sturm auf auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> Nordfront<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Großformat, 168 168 Seiten,<br />
125 125 Abb., Abb., 21 21 Karten;<br />
ISBN ISBN 978-3-86933-118-5<br />
<br />
Gückelhorn, Wolfgang<br />
Paul, Paul, Detlev<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Großformat, 290 290 Seiten,<br />
631 631 Fotos, 188 188 Zeichnungen,<br />
80 80 Tabellen;<br />
ISBN ISBN 978-3-86933-116-4<br />
<br />
König, Guntram<br />
Heinemann, Günter<br />
Wünsche, Wolfgang<br />
<br />
<br />
<br />
218 218 Seiten, fest fest gebunden,<br />
206 206 Abbildungen;<br />
ISBN ISBN 978-3-86933-026-6<br />
den,
Der Zeitzeuge<br />
Als Hubschrauberpilot in Vietnam<br />
Kampfeinsatz<br />
über der<br />
,,grünen Hölle<br />
,,<br />
VON DER HÖLLE INS PARADIES:<br />
Blick aus dem Hubschrauber des<br />
Vietnamveteranen Curt Lofstedt<br />
auf <strong>die</strong> beeindruckenden Berghänge<br />
und das türkisfarbene<br />
Wasser Hawaiis.<br />
Alle Fotos: Autor<br />
1965–1973: Trotz technischer Überlegenheit können <strong>die</strong><br />
USA den „unsichtbaren“ Gegner in Vietnam nicht<br />
bezwingen. Der Hubschrauber Bell UH-1 steht sinnbildlich<br />
für den Dschungelkrieg in Südostasien. Ein ehemaliger<br />
Pilot berichtet exklusiv.<br />
Von Walter Kreuzer<br />
Curt Lofstedt wirkt plötzlich sehr nachdenklich:<br />
„Ich ging nicht hin, um <strong>die</strong> Welt<br />
zu retten. Ich hatte aber <strong>die</strong> richtige Einstellung,<br />
um das zu tun, was von mir erwartet<br />
wurde – und ich bin zurückgekommen. Es<br />
war nicht das Beste, dort involviert zu sein.“<br />
Dennoch ist er bereit, über den Krieg in Südostasien<br />
zu reden. Jahrelang hat er das nicht<br />
getan: „Ich spreche nicht viel über Vietnam.<br />
Das ist nichts, über das ich bei Tisch reden<br />
würde. Ich habe dort viele schlimme Dinge<br />
gesehen.“<br />
Neben den Erlebnissen, mit denen er am<br />
liebsten nie konfrontiert worden wäre, hat<br />
ihm seine Zeit bei der U.S. Army auch etwas<br />
gegeben, das er nicht hätte missen wollen: etliche<br />
Flugzeiten und dadurch <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Ob<br />
er ohne <strong>die</strong>se Zeiten hinter dem Steuerknüppel<br />
eines Bell UH-1 Iroquois – der Typ ist allgemein<br />
unter Bezeichnung „Huey“ bekannt<br />
– heute im Tropenpara<strong>die</strong>s Hawaii seinem<br />
zum Beruf erkorenen Hobby nachgehen und<br />
auf <strong>die</strong> Erfahrung von 29.000 Flugstunden<br />
zurückblicken könnte? Wohl kaum. So aber<br />
sitzt der 64-Jährige im bunten Hawaiihemd<br />
in seinem Büro in Lihue, dem Hauptort der<br />
Insel Kauai. Hier betreibt er seit Anfang der<br />
1980er-Jahre mit seiner Frau Bonnie ein Helikopter-Unternehmen,<br />
dass auf Rundflüge<br />
für Touristen und Filmaufnahmen – zum<br />
Beispiel „Jurassic Park“ oder „Sechs Tage,<br />
sieben Nächte“ (mit Harrison Ford, dem er<br />
nebenbei das Hubschrauberfliegen beibrachte)<br />
– spezialisiert ist.<br />
In Corvallis bei Portland absolviert Lofstedt<br />
das College auf der Oregon State University.<br />
Sein Traum, Hubschrauber zu fliegen,<br />
ist aber so stark, dass er sich als Warrant<br />
Officer (WRR) Aviation Specialist freiwillig<br />
meldet: „Das war der beste Weg, <strong>die</strong>s zu machen.<br />
Es war sicher, dass ich ins Flugprogramm<br />
kommen würde.“ 50 Männer gehören<br />
seiner Klasse an. Nur drei schließen den<br />
Lehrgang in Fort Rucker (Alabama) und <strong>die</strong><br />
Flugausbildung in der Nähe der texanischen<br />
Metropole Dallas erfolgreich ab. Die Übrigen<br />
werden bei den häufigen und strengen<br />
Tests ausgesiebt, anderen Einheiten zugeteilt<br />
und durch Neuankömmlinge ersetzt. 1972,<br />
der Krieg in Vietnam beginnt sich etwas abzuschwächen,<br />
sehnt sich der frischgebackene<br />
Hubschrauberpilot – „ich war jung und<br />
unerschrocken“ – nach so viel Flugzeit wie<br />
nur möglich und will deshalb in den USA<br />
bleiben.<br />
„Freiwillig“ nach Vietnam<br />
Als Drittbester des Jahrgangs stehen ihm alle<br />
Türen offen. Er darf sich seine weitere Verwendung<br />
aussuchen – zumindest in der<br />
Theorie. „Sie wählten einige Leute aus, <strong>die</strong><br />
nach Vietnam sollten. Ich rief zu Hause an<br />
und erzählte, dass ich nicht hin müsse. Meine<br />
Eltern <strong>waren</strong> glücklich. Am nächsten Tag<br />
hieß es dann aber: ,Wir brauchen noch einen,<br />
der nach Vietnam geht. Wenn Du Dich nicht<br />
freiwillig meldest, dann melden wir Dich<br />
freiwillig.’ Dass ich in der Klasse so hoch<br />
stand, half mir in <strong>die</strong>ser Situation nicht. Deshalb<br />
habe ich zugesagt. Heute bin ich froh,<br />
dass es so gekommen ist“, erinnert er sich an<br />
ein Wechselbad der Gefühle.<br />
In Vietnam gehört er dem C-Troop der<br />
16th Cavalry Unit mit dem Namen „Dark<br />
Horse“ an. Die Kampfeinheit umfasst 80 Soldaten,<br />
darunter 30 Piloten. Jeweils ein Commander,<br />
ein Co-Pilot und zwei Crew-Mit-<br />
38
DAMALS: Lofstedt<br />
auf dem Pilotensitz<br />
seines Hubschraubers.<br />
Die Aufnahme<br />
stammt aus dem<br />
Vietnam-Jahrbuch<br />
seiner Einheit.<br />
glieder, <strong>die</strong> <strong>die</strong> beiden seitlich angebrachten<br />
Maschinengewehre be<strong>die</strong>nen, bilden <strong>die</strong> Besatzung<br />
eines Huey-Hubschraubers. „Ich<br />
war bis zum Waffenstillstand etwa ein Jahr<br />
in Vietnam. Drei Monate, nachdem ich in das<br />
Land gekommen war, wurde ich zum Aircraft<br />
Commander befördert. Viele Piloten<br />
gingen zurück nach Amerika, und es wurde<br />
viel geflogen. Wir <strong>waren</strong> <strong>die</strong> einzige Kampfeinheit.“<br />
1.100 Flugstunden kommen so zusammen,<br />
während denen er zweimal unfreiwillig<br />
auf den Boden muss. „Einmal landete<br />
ich in einem Reisfeld, das etwa einen Meter<br />
tief unter Wasser stand. Ich sah, wie Vietnamesen<br />
mit einem Boot auf mich zukamen, als<br />
uns ein Hubschrauber rausholte. In dem anderen<br />
Fall hatte ich nachts einen Maschinenschaden<br />
und konnte den Heli gerade noch<br />
landen, ehe der Motor ausfiel.“<br />
FAKTEN<br />
Bell UH-1 Iroquois<br />
Erstflug/In<strong>die</strong>nststellung: Oktober<br />
1956/1959<br />
Verwendungszweck: Mehrzweckhubschrauber<br />
(Luftlandeoperationen,<br />
Transport, Evakuierung, Elektronische<br />
Kampfführung, Angriff von Bodenzielen)<br />
Spitzname: Huey<br />
Länge: 17,5 m<br />
Höhe: 4,5 m<br />
Gewicht: 4,8 t<br />
Fluggeschwindigkeit: 281 km/h<br />
Reichweite: 318 km<br />
Steighöhe: 4,3 km<br />
Besatzung: 4<br />
HEUTE: Lofstedt vor<br />
einem Hubschrauber<br />
seiner erfolgreichen<br />
Firma „Island<br />
Helicopters“.<br />
Er fliegt Touristen<br />
und Hollywoodstars<br />
über Hawaii.<br />
Der „Flugstunden-Junkie“<br />
Als Offizier hat er sein eigenes Zimmer, und<br />
– was ihm besonders gelegen kommt – er<br />
schreibt den Einsatzplan für <strong>die</strong> Piloten. „Ich<br />
habe mich jeden Tag eingesetzt, um möglichst<br />
viele Flugstunden zu bekommen und nach<br />
der Rückkehr <strong>die</strong> fehlenden Lizenzen zu machen.“<br />
Das Resultat <strong>die</strong>ser Praxis ist, dass Lofstedt<br />
häufiger zum Arzt muss, um sich einsatzfähig<br />
schreiben zu lassen: „Das war nach<br />
einer gewissen Zahl Einsatzstunden – ich<br />
glaube, es <strong>waren</strong> etwa 200 – vorgeschrieben.“<br />
IKONE: Fast jeder<br />
Krieg hat seine „typischen“<br />
Waffen. Für den<br />
Vietnamkrieg ist es der<br />
„Huey“. Die meisten<br />
Menschen denken bei<br />
dem Wort „Vietnamkrieg“<br />
sofort an <strong>die</strong><br />
Hubschrauber mit dem<br />
unverwechselbaren<br />
„Teppichklopfer-<br />
Sound“. Die Aufnahme<br />
stammt aus dem Pacific<br />
Aviation Museum in<br />
Pearl Harbor, Oahu.<br />
Tödliche SA7-Raketen<br />
Die Huey-Piloten sind anfangs ziemlich hoch<br />
geflogen, später aber wegen der russischen<br />
Strela2-Raketen – von den Amerikanern als<br />
SA7 bezeichnet – nur noch im Tiefflug unterwegs<br />
gewesen: „Die SA7 reagierten auf Hitze<br />
und hängten sich dann an <strong>die</strong> Maschine<br />
dran. Einmal wurde eine auf mich abgeschossen.<br />
Ich sah sie auf mich zukommen,<br />
tauchte ab und machte wilde Manöver. Die<br />
Rakete flog einen Kreis und kam zurück –<br />
schoss aber an mir vorbei.“ Die Treffergenauigkeit<br />
<strong>die</strong>ser Geschosse soll bei 90 Prozent liegen.<br />
Deshalb ist sie fast jeden Abend Thema<br />
bei den Besprechungen über Gegenmaßnahmen:<br />
„Unter anderem haben wir <strong>die</strong> Hubschrauber<br />
schwarz gestrichen, damit es keine<br />
Reflexionen von der Sonne geben konnte.“<br />
Seinen gefährlichsten Einsatz schildert<br />
Curt Lofstedt so: Ein Huey wird abgeschossen,<br />
fällt in <strong>die</strong> Bäume und bleibt rauchend<br />
auf der Seite liegen. „Ich landete etwa 90 Meter<br />
entfernt, übergab das Kommando meinem<br />
Co-Piloten und nahm zur Deckung <strong>die</strong><br />
beiden Gewehrschützen mit. Währenddessen<br />
flogen <strong>die</strong> Cobra-Kampfhubschrauber<br />
über uns und schossen Raketen ab, <strong>die</strong> überall<br />
um mich herum einschlugen. Offenbar<br />
hatten es meine Männer mit der Angst zu<br />
tun bekommen. Als ich mich umdrehte, <strong>waren</strong><br />
sie nicht mehr da, sie blieben im Hubschrauber.“<br />
Bei dem abgeschossenen Heli<br />
angekommen, sieht Lofstedt, wie sich der Pilot<br />
bewegt. Einer der Schützen hatte gerade<br />
eine Handgranate entsichert, als <strong>die</strong> Maschine<br />
getroffen worden war und abstürzte. „Ich<br />
versuchte, ihn herauszubekommen, sah<br />
aber, dass er nicht überleben würde. Es war<br />
kein schöner Anblick. So versuchte ich, den<br />
Pilot rauszuziehen. Er war noch immer bei<br />
Bewusstsein. Ich nahm ihn auf den Arm. Es<br />
ist ziemlich schwer, so durch Gras und<br />
90 Zentimeter tiefes Wasser zu laufen. Ich<br />
war ziemlich erschöpft“, erzählt der 64-Jährige.<br />
Bei seinem eigenen Hubschrauber angekommen,<br />
erfährt er, dass von den Hughes-<br />
Hubschraubern einige Vietkong erschossen<br />
worden seien, <strong>die</strong> „zwischen mir und dem<br />
abgeschossenen Heli <strong>waren</strong>. Wir hatten nach<br />
ihnen gesucht, als der andere Huey abgeschossen<br />
wurde. Mein Co-Pilot flog uns zurück.<br />
Er fing zwar einen Treffer ein, wir<br />
schafften es aber bis zur Basis.“<br />
Der von Lofstedt gerettete Soldat hat<br />
überlebt: „Wir hatten aber nie wieder Kontakt<br />
miteinander. In Vietnam <strong>waren</strong> auch<br />
vorher schon Hubschrauber abgeschossen<br />
worden, und wir gingen rein, um <strong>die</strong> Kameraden<br />
so schnell wie möglich rauszuholen.<br />
Hier war es etwas Besonderes: Es spielte sich<br />
mitten unter Feinden ab – und wir hatten<br />
Glück, dass wir rauskamen.“<br />
Walter Kreuzer, Jg. 1963, Redakteur und Autor von<br />
Reportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika. Für<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong> besuchte er bereits Fort Lincoln, <strong>die</strong> Minuteman<br />
Missile Base und Pearl Harbor.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
39
Militärtechnik im Detail<br />
Gebaut, um niederzureißen<br />
Großbritanniens<br />
schwerer Bomber<br />
Avro Lancaster<br />
Illustration: Jim Laurier<br />
Das „glänzende Schwert“, wie es Arthur Harris,<br />
auch bekannt als „Bomber-Harris“, der<br />
Oberkomman<strong>die</strong>rende des „Bomber Command“,<br />
nannte, verursachte einen großen Teil der Verwüstungen<br />
und Schäden, <strong>die</strong> dem Deutschen<br />
Reich 1942–45 aus der Luft zugefügt wurden. In<br />
156.000 Einsätzen haben mehr als 60 Staffeln<br />
634.200 Tonnen Bombenlast abgeworfen. Dabei<br />
variierte <strong>die</strong> Ladung von Vierpfünder-Brandbomben<br />
bis hin zur elf-Tonnen-Luftmine. Im Mai 1943<br />
attackierten speziell umgebaute Lancaster-Maschinen<br />
<strong>die</strong> Ruhr-Staudämme in Westdeutschland,<br />
und trafen damit <strong>die</strong> Wasser- und Elektrizitätsversorgung<br />
hart. Bei <strong>die</strong>sen Angriffen ertranken<br />
neben 750 kriegsgefangenen Landwirtschaftshelfern<br />
zahlreiche weitere Menschen, <strong>die</strong><br />
in der Nähe der getroffenen Dämme lebten. Bereits<br />
zwei Monate nachdem <strong>die</strong> Lancaster-Bomber<br />
sich am verheerenden Angriff auf Dresden beteiligt<br />
hatten, <strong>waren</strong> Crews und Maschinen beim<br />
Lebensmittelabwurf über den Niederlanden im<br />
Einsatz, um dort den Hunger zu bekämpfen. Ihr<br />
letzter Bombereinsatz über Europa galt am 25.<br />
April 1945 Hitlers Bergresidenz „Obersalzberg“<br />
in Berchtesgaden. Bis zum Ende des Krieges hatten<br />
Fertigungsstraßen in Großbritannien und Kanada<br />
7.377 Lancaster „ausgespuckt“. Davon wurden<br />
3.431 durch Feindjäger und Beschuss feindlicher<br />
Flak zerstört. Zählt man dazu noch <strong>die</strong> 246<br />
Totalschäden durch Unfälle hinzu, so verzeichnet<br />
<strong>die</strong>ser Bombertyp eine Verlustquote von beinahe<br />
50 Prozent.<br />
„Giftiger Stachel“<br />
Bug- und Rückenturm <strong>waren</strong><br />
jeweils mit zwei 0.303-Inch-<br />
Browning-Maschinengewehren<br />
(Kaliber 7,7 mm) bestückt. Der<br />
Heckturm aber war am Anfang<br />
sogar mit vier weiteren MG<br />
gleichen Kalibers bewaffnet.<br />
Gegen Ende des Krieges<br />
rüstete man den Heckturm<br />
häufig um, und stattete ihn mit<br />
zwei 0.5-Inch-MG (Kaliber 12,7<br />
mm) aus.<br />
DIE KONKURRENTEN:<br />
Große Variabilität<br />
Der fast zehn Meter<br />
große Bombenschacht<br />
bedeutete große Flexibilität<br />
bei der Bestückung<br />
der Maschinen hinsichtlich<br />
Bombengröße<br />
und Einsatzzweck.<br />
Zahlen, <strong>die</strong> für sich sprechen<br />
Die Flügelspannweite maß 31 Meter, um <strong>die</strong><br />
18,5 Tonnen Gewicht der Maschine mit ihrer<br />
siebenköpfigen Besatzung und <strong>die</strong> Bombenzuladung<br />
von bis zu 15 Tonnen sicher zu tragen.<br />
Die deutsche Heinkel He 177 „Greif“<br />
Höchstgeschwindigkeit: 563 km/h<br />
Reichweite: ca. 5.600 Kilometer<br />
Dienstgipfelhöhe: 8.000 Meter<br />
Defensivbewaffnung: 5 MGs, 2 x 20-mm-Kanone<br />
Bombenzuladung: 7.246 Kilogramm<br />
Besatzung: 6 Mann<br />
Der einzige strategische Langstreckenbomber der Luftwaffe. Da <strong>die</strong> Motorenanordnung<br />
anfangs mit großen thermischen Problemen und Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte,<br />
fingen viele Maschinen in der Luft Feuer, weshalb <strong>die</strong> He 177 verschiedene sarkastische<br />
Beinamen wie „Reichsfeuerzeug“, „Reichsfackel“ und „Brennender Sarg“ erhielt.<br />
Produzierte Stückzahl: 1.169<br />
40
Unauffälliger<br />
Bauchanstrich<br />
Diese Lackierung<br />
gibt den<br />
Tarnanstrich wieder,<br />
den <strong>die</strong> Royal Air<br />
Force für ihre<br />
Nachtbomber<br />
während des<br />
Zweiten Weltkriegs<br />
verwendete.<br />
In <strong>die</strong>ser Serie bereits erschienen:<br />
Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />
Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />
Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />
Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013)<br />
Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />
Fairey Swordfish (6/2013)<br />
Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014)<br />
Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014)<br />
Heinkel He 111 (2/2014)<br />
Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014)<br />
Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014)<br />
Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014)<br />
Demnächst:<br />
Panzerkampfwagen VI „Tiger“<br />
(1/2015)<br />
„Die letzte von vielen“<br />
Maschine PA474 ist eine von gegenwärtig noch zwei<br />
flugfähigen Lancaster-Bombern. Gebaut wurde sie<br />
1945 und kam nicht mehr zum Einsatz. Die „Battle of<br />
Britain Memorial Flight“ (Flugzeugkette bestehend<br />
aus einer Avro Lancaster, einer Supermarine Spitfire<br />
und einer Hawker Hurricane) der Royal Air Force<br />
unterhält <strong>die</strong> Lancaster zum Gedenken an das<br />
„Bomber Command“.<br />
Große Motoren<br />
mit Potenzial<br />
Vier Zwölfzylinder-<br />
Motoren, normalerweise<br />
Rolls-Royce Merlins,<br />
brachten <strong>die</strong> Lancaster<br />
auf bis knapp 6.500<br />
Meter Höhe und hielten<br />
sie dort für bis zu<br />
4.000 Kilometer.<br />
Doppelte Aufgabe<br />
Der Bombenschütze in einer Lancaster hatte gleich<br />
zwei Aufgaben. Erstens: Auf dem Weg zum Ziel hin<br />
und vom Ziel weg den Bord-MG-Turm be<strong>die</strong>nen.<br />
Zweitens: Wenn es an der Zeit war, <strong>die</strong> Bomben ins<br />
Ziel zu bringen, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, um<br />
dann bäuchlings in der Bombenschützenkuppel zu<br />
liegen, den Endanflug zu dirigieren und schließlich<br />
den Bombenwurf zu tätigen.<br />
Die italienische Piaggio<br />
P-108B „Bombar<strong>die</strong>re“<br />
Höchstgeschwindigkeit: 430 km/h<br />
Reichweite: ca. 3.500 Kilometer<br />
Dienstgipfelhöhe: 8.500 Meter<br />
Defensivbewaffnung: 7 MGs<br />
Bombenzuladung: 3.500 Kilogramm<br />
Besatzung: 6–7 Mann<br />
Am 7. August 1941 verunglückte Mussolinis Sohn Bruno mit <strong>die</strong>sem<br />
Flugzeugtyp bei einer Bruchlandung tödlich. Die Kosten für <strong>die</strong> P-108B<br />
sorgten für ein frühes Produktionsende.<br />
Produzierte Stückzahl: 24 der Bomberversion<br />
Die amerikanische<br />
B-24 „Liberator“<br />
Höchstgeschwindigkeit: 480 km/h<br />
Reichweite: ca. 3.360 Kilometer<br />
Dienstgipfelhöhe: 9.150 Meter<br />
Defensivbewaffnung: 10 MGs<br />
Bombenzuladung: 3.600 Kilogramm<br />
Besatzung: 10–12 Mann<br />
Zunächst für Transportzwecke verwendet, eigneten sich <strong>die</strong> B-24 hinsichtlich<br />
Geschwindigkeit, Reichweite und Zuladung für <strong>die</strong> Bomberrolle. Doch ihre<br />
Achillesverse <strong>waren</strong> ihre verwundbaren Treibstofftanks.<br />
Produzierte Stückzahl: 18.482<br />
Clausewitz 6/2014<br />
41
Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische<br />
Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt<br />
es dem Heermeister Flavius Aëtius, <strong>die</strong> Invasoren<br />
zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten<br />
Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl<br />
Lyrische Worte, prosaischer Hintergrund:<br />
„Sie schleichen wie der Nebel<br />
schleicht, der nachts vom Moor zum<br />
Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind<br />
im Schlaf mit eklem Gift umspinnt.<br />
Sie brechen gleich dem Sturm hervor,<br />
der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome<br />
gleich, der überschwillt und Stadt und<br />
Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, <strong>die</strong> Hunnen!“<br />
So beschreibt der deutsche Dichter<br />
Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem<br />
Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte<br />
Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa<br />
ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schockerlebnis<br />
für <strong>die</strong> spätantike römische Bevölkerung.<br />
Erst im Jahr 451 kann der Heermeister<br />
Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen:<br />
Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
beginnt der Stern der Hunnen zu sinken.<br />
Bald darauf verlassen sie das Römische<br />
Reich.<br />
Seither hat <strong>die</strong>se Schlacht Generation<br />
über Generation fasziniert, bis heute. Die<br />
spätantike und mittelalterliche christliche<br />
Geschichtsschreibung stilisiert <strong>die</strong>ses Ereignis<br />
zum Glaubenskrieg zwischen christlichen<br />
Römern und heidnischen Hunnen.<br />
Über<strong>die</strong>s entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge<br />
sollen <strong>die</strong> auf dem Schlachtfeld gefallenen<br />
Krieger als Geister fortleben und den<br />
Kampf in den Wolken weiterführen. Auch<br />
für Künstler ist <strong>die</strong>se Schlacht eine Inspirationsquelle.<br />
Der deutsche Maler Wilhelm von<br />
Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das<br />
Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er inhaltlich<br />
an <strong>die</strong> Volkssage anknüpft.<br />
Die sehr langwierige Vorgeschichte der<br />
Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />
setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr überschreitet<br />
das Steppenvolk der Hunnen den<br />
Fluss Don. Begleitet werden <strong>die</strong> Hunnen von<br />
den Alanen, einem indoiranischen Stamm,<br />
den sie kurz zuvor unterworfen haben.<br />
Sicherheitsrisiko und Schock<br />
Die hunnische Expansion löst eine fluchtartige<br />
Wanderbewegung von mehrheitlich germanischen<br />
Stämmen aus, <strong>die</strong> um Aufnahme<br />
in das sichere Römische Reich ersuchen. Diese<br />
Ereignisse markieren den Beginn der sogenannten<br />
„Völkerwanderung“, eine der<br />
dramatischsten und folgenreichsten Phasen<br />
in der Geschichte Europas. Die Hunnen<br />
dringen unaufhaltsam nach Westen in den<br />
Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern<br />
sie das Siedlungsgebiet der germanischen<br />
Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr.<br />
Ein Großteil der Ostgoten gerät unter <strong>die</strong><br />
GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach<br />
Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen<br />
der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer<br />
Seite kämpfen viele Germanen) über <strong>die</strong> „Aggressoren<br />
aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas<br />
interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewesen<br />
– doch Germanen standen auf beiden Seiten.<br />
Abb.: picture-alliances/akg-images<br />
42
Hunnische Truppen<br />
Befehlshaber: Attila<br />
Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />
reichen von 30.000 bis 50.000 Mann<br />
Verluste: unbekannt<br />
Römische Truppen<br />
Befehlshaber: Flavius Aëtius<br />
Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />
reichen von 30.000 bis 45.000 Mann<br />
Verluste: unbekannt<br />
Clausewitz 6/2014<br />
43
Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />
SCHOCK FÜR EUROPA: Die Hunnen ziehen plündernd durch<br />
mehrere Länder des Kontinents. Holzstich (um 1890) nach<br />
einem Gemälde von Friedrich Emil Klein. Erst Aëtius kann<br />
ihnen 451 Einhalt gebieten.<br />
Abb.: picture-alliance/akg<br />
DÄMON ZU PFERD: Wer „Attila“ hört, denkt<br />
sofort an Plünderung und brennende Dörfer.<br />
Als „Etzel“ findet Attila Einzug in das deutsche<br />
Nationalepos<br />
„Nibelungenlied“ –<br />
ebenfalls als gefährlicher<br />
Gegner.<br />
Abb.: picture<br />
alliance/Leemage<br />
Herrschaft der Hunnen und zieht mit <strong>die</strong>sen<br />
nach Westen.<br />
Nun werden <strong>die</strong> westlich des Dnjestr ansässigen<br />
Westgoten von den Hunnen angegriffen.<br />
Ihnen bleibt aber das Schicksal ihrer<br />
ostgotischen Verwandten erspart: Sie überqueren<br />
376 <strong>die</strong> Donau und erhalten von Kaiser<br />
Valens <strong>die</strong> Erlaubnis, sich im Oströmischen<br />
Reich niederzulassen – das Römische<br />
Reich ist zu <strong>die</strong>ser Zeit in ein West- und ein<br />
Ostreich mit jeweils eigenem Kaiser geteilt.<br />
Weil <strong>die</strong> Westgoten jedoch fahrlässigerweise<br />
nicht entwaffnet werden, entwickeln sie sich<br />
Attila:<br />
Die „Geißel Gottes“<br />
Attila, über dessen frühes Leben wir nur wenig<br />
wissen, stammt aus einer hunnischen Herrscherdynastie.<br />
Sein Name ist vermutlich gotischer<br />
Herkunft und bedeutet „Väterchen“. Seit 434<br />
regiert Attila zusammen mit seinem Bruder<br />
Bleda. Zeitweise leistet er militärische Unterstützung<br />
für den weströmischen Heermeister<br />
Flavius Aëtius. 444 oder 445 tötet Attila<br />
Bleda und steigt zum Alleinherrscher der<br />
Hunnen auf. Nach Kämpfen im Oströmischen<br />
Reich marschiert Attila Richtung<br />
Westen. 451 wird er in Gallien Foto:Xxxxxxxxxx von Aëtius auf den<br />
Katalaunischen Feldern gestoppt. 453 stirbt er<br />
in seiner Hochzeitsnacht, vermutlich an einem<br />
Blutsturz. Als König Etzel wird Attila im mittelalterlichen<br />
Nibelungenlied besungen, unter seinem<br />
markanten Beinamen „Geißel Gottes“<br />
besitzt er noch heute große Bekanntheit.<br />
zum Sicherheitsrisiko: Am 9. August 378<br />
kämpfen sie in der Schlacht bei Adrianopel<br />
gegen <strong>die</strong> Römer. Die Westgoten siegen, Valens<br />
stirbt auf dem Schlachtfeld. Ein weiterer<br />
Schock für das römische Imperium.<br />
Germanische Gefahr!<br />
Theodosius I., der Nachfolger des Valens als<br />
oströmischer Kaiser, findet eine erfolgversprechende<br />
Lösung, um <strong>die</strong> Westgoten im<br />
Zaum zu halten: Er schließt 382 mit ihnen einen<br />
Vertrag („Foedus“). Dieser sieht insbesondere<br />
vor, dass <strong>die</strong> Westgoten im Raum<br />
des heutigen Bulgarien angesiedelt werden<br />
und dort fruchtbares Ackerland zugewiesen<br />
bekommen. Im Gegenzug müssen sie sich<br />
zum Kriegs<strong>die</strong>nst für <strong>die</strong> Römer verpflichten.<br />
Das Prinzip, Barbaren lieber zu integrieren<br />
anstatt zu bekämpfen, wird zu einem<br />
zentralen Bestandteil der römischen Außenpolitik:<br />
Mehrere germanische Stämme, <strong>die</strong><br />
während der Völkerwanderung in das Imperium<br />
drängen, werden auf Reichsboden angesiedelt<br />
und für militärische Zwecke in Anspruch<br />
genommen. Diese germanischen<br />
Truppenkontingente spielen nun eine zahlenmäßig<br />
immer größere Rolle im römischen<br />
Militär. Sie sind aber nicht offizieller Bestandteil<br />
des römischen Heeres, sondern<br />
kämpfen als mehr oder minder eigenständige<br />
Söldnertruppen unter dem Oberbefehl<br />
der Römer.<br />
Diese Außenpolitik kann jedoch nicht<br />
verhindern, dass sich im Jahr 410 eine Tragö<strong>die</strong><br />
ereignet, welche <strong>die</strong> antike Welt erschüt-<br />
44
Germanen kämpfen auf beiden Seiten<br />
tert: Die von Alarich angeführten Westgoten<br />
verlassen – aus Unzufriedenheit mit den Bedingungen<br />
in ihrem Siedelland – das Oströmische<br />
Reich und fallen in das Weströmische<br />
Reich ein. Am 24. August bemächtigen sie<br />
sich der Stadt Rom. Erstmals seit 387 v.<br />
Chr. gelingt es einer feindlichen Macht, in<br />
das Innere von Rom einzudringen. Nach<br />
drei Tagen Plünderung lassen Alarichs<br />
Mannen ab und ziehen Richtung Süden.<br />
Alarich versucht, nach Nordafrika überzusetzen,<br />
stirbt aber zuvor in Kalabrien.<br />
Unter ihrem neuen Anführer Athaulf, Alarichs<br />
Schwager, kehren <strong>die</strong> Westgoten um<br />
und lassen sich in Gallien nieder. 41 Jahre<br />
später werden sie bei der Schlacht auf den<br />
Katalaunischen Feldern von entscheidender<br />
Bedeutung für <strong>die</strong> Römer sein.<br />
Die Hunnen kommen<br />
Seit 375 rücken <strong>die</strong> Hunnen immer weiter<br />
nach Westen vor. Als Erfolgsgarant erweist<br />
sich ihre bemerkenswerte Kampftechnik, <strong>die</strong><br />
von ihrer Herkunft aus der zentralasiatischen<br />
Steppe geprägt ist: Die Hunnen sind<br />
ein Reitervolk, das seine Gegner mit großer<br />
Schnelligkeit ohne eine klar erkennbare<br />
Schlachtordnung überfallartig angreift. Zudem<br />
besitzt es eine furchteinflößende „Wunderwaffe“:<br />
Den Reflexbogen. Diesen setzen<br />
<strong>die</strong> hunnischen Reiterkrieger vom Pferd aus<br />
ein. Somit können sie sowohl beim Angriff<br />
nach vorne als auch beim Rückzug nach hinten<br />
schießen. Die Reiter müssen sich mit großem<br />
Geschick im Sattel halten, denn es gibt<br />
damals noch keinen Steigbügel.<br />
Um 400 gelangen <strong>die</strong> Hunnen zusammen<br />
mit den von ihnen unterworfenen Stämmen,<br />
darunter den Ostgoten, bis zur Donau. Als<br />
sie sich schließlich dem Römischen Reich nähern,<br />
wenden <strong>die</strong> Römer eine Strategie der<br />
Integration an, <strong>die</strong> sich bereits bei den Westgoten<br />
bewährt hat: Die Hunnen werden<br />
Bundesgenossen Roms. Sie erhalten Siedelland,<br />
Soldzahlungen und verpflichten sich,<br />
im Bedarfsfall Soldaten zu stellen. Dieses militärische<br />
Potenzial macht sich der weströmische<br />
Heermeister Flavius Aëtius schon<br />
bald zunutze: Auf seinen Befehl hin begeben<br />
sich hunnische Truppen 436 an den mittleren<br />
Rhein und erobern dort das Reich der germanischen<br />
Burgunder. Seit 434 werden <strong>die</strong><br />
Hunnen von den Brüdern Attila und Bleda<br />
regiert. Seit 444/45 ist Attila Alleinherrscher.<br />
Attilas Raubzüge<br />
Um seine Stellung als Herrscher der Hunnen<br />
aufrecht zu erhalten, muss Attila Erfolge vorweisen<br />
und <strong>die</strong> Versorgung seiner Untertanen<br />
sicherstellen. Von seinem befestigten<br />
Hauptquartier aus, das in der Theißebene im<br />
Bereich des heutigen Ungarn und Rumänien<br />
Flavius Aëtius:<br />
Hoffnungsträger des Imperiums<br />
Flavius Aëtius wird um 390 in der römischen<br />
Provinz Niedermösien im heutigen<br />
Bulgarien geboren. Der Sohn eines<br />
römischen Heermeisters verbringt seine<br />
Jugend zeitweise in Gesellschaft der<br />
Westgoten und der Hunnen. Er erwirbt<br />
ein profundes Wissen über <strong>die</strong>se Stämme<br />
und knüpft mit ihnen gute Kontakte,<br />
<strong>die</strong> ihm auf seinem weiteren Karriereweg<br />
von großem Nutzen sind. 429 wird<br />
Aëtius Heermeister für Gallien. Schon<br />
bald steigt er zum mächtigsten Mann<br />
und faktischen Regenten des Westreiches<br />
auf. Besondere Ver<strong>die</strong>nste erwirbt<br />
sich Aëtius durch sein erfolgreiches Vorgehen<br />
gegen germanische und hunnische<br />
Krieger, <strong>die</strong> im Zuge der Völkerwanderung<br />
in das Römische Reich drängen.<br />
Der Versuch, seinen Sohn mit der Tochter<br />
des Kaisers Valentinian III. zu vermählen<br />
und eine eigene Herrscherdynastie<br />
zu errichten, scheitert jedoch:<br />
Am 21. September 454 wird Aëtius in<br />
Rom von Valentinian eigenhändig mit<br />
dem Schwert erschlagen.<br />
liegt, unternimmt er waghalsige Raubzüge.<br />
Zunächst wird das Oströmische Reich Attilas<br />
Objekt der Begierde: Zwischen 441 und<br />
447 verwüsten <strong>die</strong> Hunnen große Teile des<br />
Balkans und machen mehrere Städte dem<br />
Erdboden gleich. Der oströmische Kaiser<br />
Theodosius II. gewährt großzügige Tribute,<br />
kann jedoch Attila damit nicht zufrieden<br />
stellen. Der Hunnenführer attackiert nun<br />
Konstantinopel, <strong>die</strong> Hauptstadt Ostroms. Da<br />
<strong>die</strong> Hunnen als Reitervolk aber weder über<br />
Erfahrung in der Eroberung stark befestigter<br />
RETTER ROMS: An Aëtius scheitert Attila –<br />
der römische Heermeister versperrt den Hunnen<br />
Gallien. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Städte noch über geeignete Belagerungswerkzeuge<br />
verfügen, beißt sich Attila an den<br />
massiven Mauern Konstantinopels regelrecht<br />
<strong>die</strong> Zähne aus. Der neue oströmische<br />
Kaiser Markian wagt es sogar, <strong>die</strong> Tributzahlungen<br />
einzustellen. Weil im Osten des Reiches<br />
für seine Krieger nichts mehr zu holen<br />
ist, zieht Attila nach Westen: Im Jahr<br />
451 dringen <strong>die</strong> Hunnen in Gallien ein,<br />
wo sie Angst und Schrecken verbreiten.<br />
Am 7. April gelingt Attila <strong>die</strong> Eroberung<br />
von Metz im heutigen Frankreich.<br />
Aëtius rüstet zum Kampf<br />
Jetzt muss das Weströmische Reich handeln!<br />
Die maßgebliche Person im Kampf gegen<br />
<strong>die</strong> Hunnen wird Flavius Aëtius, seit 429<br />
„magister militum“ (Heermeister) in Gallien.<br />
Er gehört zu den mächtigsten römischen Politikern.<br />
Als „Hunnen- und Germanenspezialist“<br />
ist Aëtius für <strong>die</strong>se Aufgabe bestens<br />
geeignet: Er kennt seine Gegner durch frühere<br />
gemeinsame Kriegszüge, als <strong>die</strong> Hunnen<br />
noch als Bündnispartner für ihn kämpften.<br />
Über<strong>die</strong>s pflegt er gute Kontakte zu mehreren<br />
germanischen Stämmen. Zu einem entscheidenden<br />
Rückhalt für Aëtius werden <strong>die</strong><br />
Westgoten und ihr König Theoderich I. Diese<br />
haben sich nach dem Tod Alarichs im Süden<br />
Galliens niedergelassen und sind seit<br />
418 durch ein Bündnis mit den Römern zum<br />
Militär<strong>die</strong>nst verpflichtet.<br />
Um der augenscheinlichen Übermacht<br />
der Hunnen zu trotzen, reichen <strong>die</strong> römischen<br />
Truppenkontingente, <strong>die</strong> Aëtius zur<br />
Verfügung hat, nicht aus. Daher stellt er ein<br />
regelrechtes Vielvölkerheer auf <strong>die</strong> Beine: Etwa<br />
<strong>die</strong> Hälfte der Truppen werden von den<br />
Westgoten aufgeboten. Die andere Hälfte<br />
setzt sich aus Römern sowie aus weiteren<br />
germanischen Bündnispartnern (überwiegend<br />
aus Burgundern und linksrheinischen<br />
Franken) zusammen. Auch Attilas Heer besteht<br />
nur etwa zur Hälfte aus Hunnen. Seine<br />
übrigen Krieger stammen aus Gebieten, <strong>die</strong><br />
seit 375 von den Hunnen erobert wurden: Es<br />
sind vor allem Alanen, Ostgoten, Langobarden,<br />
Gepiden und rechtsrheinische Franken.<br />
Aëtius setzt alles daran, den Vormarsch<br />
der Hunnen zu stoppen. Als Attila von Metz<br />
aus Richtung Orléans aufbricht, um auch<br />
<strong>die</strong>se Stadt einzunehmen, greift Aëtius mit<br />
Erfolg ein: Seine Truppen können <strong>die</strong> Hunnen<br />
vor Orléans aufhalten. Es kommt zu einem<br />
ersten Kampf, der aber ohne Sieger endet.<br />
Attila zieht nach Nordosten. Aëtius folgt<br />
ihm und drängt <strong>die</strong> Hunnen in eine Ebene,<br />
<strong>die</strong> zwischen den Städten Châlons-en-<br />
Clausewitz 6/2014<br />
45
Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />
VERTEIDIGER: Dieser römische Soldat ist mit Helm,<br />
Kettenhemd und Schild gut geschützt. Als Waffen<br />
trägt er ein Schwert (Spatha) sowie eine Lanze.<br />
Abb.: Historische Recherche: Alexander Querengässer/<br />
Zeichnung: Sascha Lunyakov<br />
nen Konstantinopel. Vermutlich stützt sich<br />
Jordanes bei seiner Beschreibung der<br />
Ereignisse auf ältere, heute verschollene<br />
Dokumente. Seine Angaben sind bedauerlicherweise<br />
ziemlich unpräzise und konzentrieren<br />
sich auf <strong>die</strong> Rolle der Goten während<br />
des Gefechts. Aussagen zur Stärke der Truppen,<br />
<strong>die</strong> auf den Katalaunischen Feldern<br />
kämpfen, sind daher nur eingeschränkt<br />
möglich. Laut Jordanes habe Attilas Heer etwa<br />
500.000 Krieger umfasst. Diese Zahl ist<br />
gewiss maßlos übertrieben, zumal man mit<br />
der damaligen Logistik solch immense Kontingente<br />
gar nicht ausreichend hätte versorgen<br />
können. Moderne Schätzungen belaufen<br />
sich auf 30.000 bis 50.000 Mann (Attila) und<br />
30.000 bis 45.000 Mann (Aëtius). Vermutlich<br />
war Attilas Heer geringfügig größer als das<br />
seines Gegenspielers.<br />
Grausames Gemetzel in Gallien<br />
Der Schlachtverlauf lässt sich anhand von<br />
Jordanes zumindest in groben Zügen rekonstruieren.<br />
Bei dem Kampfschauplatz handelt<br />
es sich um eine weitläufige flache Ebene. Sie<br />
„Das Bächlein […] schwoll von dem reichlichen<br />
Blut der Wunden der Getöteten an und […]<br />
wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit […]<br />
ein reißender Strom.“<br />
Der Schriftsteller Jordanes, 6. Jh., über <strong>die</strong> Schlacht<br />
auf den Katalaunischen Feldern<br />
Champagne und Troyes liegt:<br />
<strong>die</strong> Katalaunischen Felder.<br />
Dort ereignet sich nun eine gewaltige<br />
Schlacht. Nähere Informationen<br />
über <strong>die</strong> Vorgänge auf<br />
den Katalaunischen Feldern besitzen<br />
wir insbesondere durch <strong>die</strong><br />
„Gotengeschichte“, welche der<br />
Schriftsteller Jordanes in lateinischer<br />
Sprache verfasst hat. Dieses<br />
Werk entsteht jedoch erst etwa hundert<br />
Jahre nach der Schlacht im fer-<br />
erhebt sich allmählich ansteigend zu einem<br />
Hügel, welcher einen strategisch wichtigen<br />
Punkt darstellt. Diesen versuchen beide<br />
Gegner zu erobern: Aëtius’ Truppen besetzen<br />
den linken, Attilas Truppen den rechten<br />
Teil <strong>die</strong>ser Anhöhe. Aëtius vertraut auf folgende<br />
Schlachtordnung: Den rechten Flügel<br />
bekleiden Theoderich und seine Westgoten,<br />
den linken Aëtius, <strong>die</strong> Römer und ihre übrigen<br />
germanischen Verbündeten. Demgegenüber<br />
ist <strong>die</strong> Schlachtordnung Attilas so gewählt,<br />
dass er selbst und seine Hunnen im<br />
Zentrum stehen. Auf den beiden Flügeln<br />
HINTERGRUND<br />
Das spätantike Römische Reich<br />
KAMPF UM ROM: Die Spätantike ist eine<br />
Zeit des Umbruchs. Nicht nur <strong>die</strong> Hunnen<br />
sind eine Gefahr. Im August 410 plündern<br />
<strong>die</strong> Westgoten <strong>die</strong> „Ewige Stadt“. Die Abbildung<br />
zeigt einen Holzstich von 1890:<br />
Alarich zieht in das brennende Rom ein.<br />
Abb.: picture-alliances/akg-images<br />
Das Römische Reich besteht seit dem späten<br />
4. Jahrhundert aus einem westlichen und<br />
einem östlichen Reichsteil mit jeweils eigenem<br />
Kaiser. Die Residenz des Ostens ist<br />
Konstantinopel. Die Residenz des Westens<br />
wird 402 von Mailand nach Ravenna verlegt.<br />
Auf beiden Reichsteilen lasten immense innen-<br />
und außenpolitische Probleme. Immer<br />
wieder versuchen Usurpatoren mit Unterstützung<br />
römischer Soldaten <strong>die</strong> rechtmäßigen<br />
Thronfolger zu verdrängen. Im Westen<br />
herrscht mit Valentinian III. sogar ein Kaiser,<br />
der bei seinem Regierungsantritt 425 erst<br />
sechs Jahre alt ist. Aufstrebende Heerführer<br />
und Politiker wie Flavius Aëtius machen sich<br />
ein solches Machtvakuum zunutze. Von außen<br />
bedrängen einfallende Germanen und<br />
Hunnen das Reich. Rom wird zweimal geplündert:<br />
410 vom Westgotenkönig Alarich und<br />
455 vom Vandalenkönig Geiserich. Insbesondere<br />
wegen seiner im Vergleich zum Westen<br />
wesentlich besseren wirtschaftlichen Lage<br />
kann das Ostreich den Bedrohungen trotzen:<br />
Als Byzantinisches Reich existiert es bis<br />
1453, ehe es von den Osmanen erobert<br />
wird. Anders gestaltet sich <strong>die</strong> Lage im Westen:<br />
Dort spielt sich 476 eines der folgenreichsten<br />
Ereignisse in der Geschichte Europas<br />
ab. Romulus Augustus, der letzte weströmische<br />
Kaiser, wird vom Germanenfürsten<br />
Odoaker abgesetzt. Das Westreich geht unter<br />
und zerfällt in mehrere Einzelreiche, <strong>die</strong><br />
von germanischen Stämmen wie den Franken,<br />
Goten und Langobarden beherrscht werden.<br />
Diese Phase gilt als Übergang von der<br />
Antike zum Mittelalter.<br />
46
Extremes Ende für Etzel<br />
Modellbau in<br />
Perfektion!<br />
ANGREIFER: Dieser Hunne führt stolz sein kleines, robustes und wendiges Steppenpferd neben<br />
sich. Er trägt einen wattierten pelzgefütterten Mantel und Lederstiefel. Bewaffnet ist er<br />
mit dem gefürchteten Kompositbogen, sowie Schwert und Dolch.<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
wird Attila von den Kriegern aus jenen<br />
Stämmen, <strong>die</strong> er unterworfen hat, flankiert.<br />
Die geographischen Gegebenheiten vor Ort<br />
sind ein großer Nachteil für <strong>die</strong> Hunnen: Sie<br />
können hier ihre taktische Trumpfkarte des<br />
überfallartigen berittenen Angriffs nicht ausspielen<br />
und sind somit ihrer eigentlichen militärischen<br />
Stärke beraubt.<br />
Auf dem Hügel beginnt jetzt <strong>die</strong> Schlacht,<br />
<strong>die</strong> sich schon bald zu einer wüsten und<br />
überaus blutigen Keilerei entwickelt. Taktische<br />
Ordnung und Disziplin kommen auf<br />
beiden Seiten zunehmend abhanden; Aëtius<br />
verliert den Überblick über das Geschehen.<br />
Bereits nach kurzer Zeit stirbt König Theoderich.<br />
Seine Westgoten lassen sich davon aber<br />
nicht entmutigen, dringen durch <strong>die</strong> gegnerischen<br />
Schlachtreihen und marschieren auf<br />
Attila zu. Dieser muss sich zurückziehen<br />
und verschanzt sich mit seinen Hunnen hinter<br />
einer Wagenburg. Die einbrechende Dunkelheit<br />
verhindert jedoch eine Fortführung<br />
des Gefechts. Am nächsten Morgen offenbart<br />
sich ein grausiger Anblick: Beide Seiten haben<br />
große Verluste erlitten. Gemäß Jordanes<br />
ist das ganze Schlachtfeld von Leichen übersäht<br />
und der Boden von Blut getränkt.<br />
Ende der „Hunnengefahr“<br />
In <strong>die</strong>ser Konstellation entscheidet sich Aëtius<br />
gegen eine Fortführung der Schlacht. Attilas<br />
Truppen sind zwar eingekesselt, aber<br />
immer noch kampfbereit und zahlenmäßig<br />
stark. Ein möglicher Sieg gegen Attila würde<br />
unverhältnismäßig große Opfer fordern und<br />
Clausewitz 6/2014<br />
<strong>die</strong> römischen Kontingente weiter dezimieren.<br />
Zudem hat Aëtius sein vorrangiges Ziel,<br />
den Vormarsch der Hunnen zu stoppen, erreicht.<br />
Gallien ist gerettet. Folglich lässt er<br />
Attila ziehen.<br />
Attila hat erstmals in seiner Laufbahn eine<br />
Schlacht nicht gewinnen können. Der Weg in<br />
das Innere Galliens wird ihm durch Aëtius<br />
versperrt. Dennoch lässt er nicht vom Weströmischen<br />
Reich ab: Er dringt in Norditalien<br />
ein, plündert und brandschatzt und rückt bis<br />
nach Rom vor. Attilas Krieger sind aber durch<br />
<strong>die</strong> zahlreichen Kämpfe ausgezehrt und werden<br />
zudem von Seuchen heimgesucht, so<br />
dass sie <strong>die</strong> Stadt nicht erobern können. Deshalb<br />
kehrt Attila an seinen Herrschaftssitz in<br />
der Theißebene zurück. Von hier aus rüstet er<br />
sich zu einem erneuten Angriff auf Italien. Jedoch<br />
stirbt er 453. Damit wird der Niedergang<br />
des Hunnenreiches eingeleitet. Attilas<br />
Söhne reiben sich in einem Nachfolgekrieg<br />
auf. Die Gepiden, Ostgoten und weitere unterworfene<br />
Stämme lösen sich von ihrem<br />
Joch: 454 siegen sie in der Schlacht am Fluss<br />
Nedao in Pannonien über <strong>die</strong> Hunnen. Viele<br />
hunnische Krieger schließen sich verwandten<br />
Steppenvölkern an, andere finden Aufnahme<br />
im römischen Militär. Für das Römische Reich<br />
ist <strong>die</strong> Hunnengefahr nun endgültig gebannt.<br />
Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und<br />
Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten<br />
gehören Mittelalter und Antike.<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Jetzt neu<br />
am Kiosk!
Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />
IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen<br />
2S3M der <strong>NVA</strong> mit höchster Rohrerhöhung<br />
beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund<br />
hebt gerade <strong>die</strong> Kartusche einer Sprenggranate<br />
aus der Transportkiste.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
Panzerhaubitzen von <strong>NVA</strong> und Bundeswehr<br />
Schussgewaltige<br />
Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee<br />
hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen –<br />
<strong>die</strong> Panzerhaubitze.<br />
Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack<br />
Die Panzerhaubitze stellt <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
der von Pferden oder Fahrzeugen<br />
gezogenen Feldhaubitzen dar.<br />
Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges<br />
zum Einsatz: Vorreiter <strong>waren</strong> <strong>die</strong> M7<br />
Priest der US-Amerikaner sowie <strong>die</strong> deutsche<br />
Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung<br />
<strong>die</strong>ser Waffen sollte <strong>die</strong> klassische<br />
Artillerie flexibler und unabhängiger machen.<br />
Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in<br />
den Turm eingebaut, der Material und Mannschaft<br />
- bis zu einem gewissen Grad - vor dem<br />
Wetter und den Waffen des Feindes schützt.<br />
Panzerhaubitzen werden primär artilleristisch<br />
eingesetzt, können aber auch gegen direkte<br />
Ziele verwendet werden.<br />
Die M7 B2 Priest bildet im Westen <strong>die</strong><br />
Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in<br />
den USA entwickelt, kommt sie während des<br />
Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg<br />
(1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem<br />
basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpan-<br />
zers M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung<br />
verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Dieses<br />
Standardgeschütz der US-Army hat hervorragende<br />
ballistische Eigenschaften. Zusätzlich<br />
ist rechts neben dem Geschützt ein<br />
Kaliber .50-Browning-MG verbaut. Dieses,<br />
zur Flugabwehr und Nahbereichsverteidigung<br />
verwendete, 12,7-mm-MG befindet<br />
sich in einer drehbaren Kanzel. Und genau<br />
<strong>die</strong>se Kanzel ist für den Spitznamen „Priest“<br />
verantwortlich, da sie an kirchliche Kanzeln<br />
erinnert, von denen der Priester seine Predigt<br />
hält.<br />
Die Bundeswehr setzt <strong>die</strong> „Priest“ seit<br />
1956 ein und löst sie wenige Jahre später<br />
durch <strong>die</strong> leistungsfähigere M52 ab.<br />
<strong>Wie</strong> ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet<br />
<strong>die</strong> mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung.<br />
Als Hauptbewaffnung trägt sie<br />
eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, <strong>die</strong> seitlich<br />
um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz<br />
beträgt 15 Schuss pro Minute, <strong>die</strong> maximale<br />
Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert<br />
auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bulldog.<br />
Der eingebaute Sechszylinder-Continental-Motor<br />
hat eine ungewöhnliche Position:<br />
Er befindet sich in Fahrtrichtung vorne.<br />
Um ein Umkippen nach hinten zu unterbinden,<br />
wird eine Stützrolle abgesenkt. Eine<br />
später nachgerüstete Erdspornplatte sorgt<br />
zudem für mehr Sicherheit. Als <strong>die</strong> M52 bei<br />
der Bundeswehr in Dienst gestellt wird,<br />
hinkt <strong>die</strong> Technik bereits dem Fortschritt<br />
nach – das Waffensystem wird deshalb bereits<br />
schon Mitte der 1960er-Jahre von der<br />
Panzerhaubitze M109 ersetzt.<br />
Erste Modelle in der SBZ<br />
Lange bevor in der Bundesrepublik über <strong>die</strong><br />
<strong>Wie</strong>derbewaffnung und <strong>die</strong> Bundeswehr<br />
nachgedacht wird, wird in der <strong>DDR</strong> „Nägel<br />
mit Köpfen“ gemacht. Schon seit dem 1. Dezember<br />
1946 hat <strong>die</strong> russische Besatzungsmacht<br />
<strong>die</strong> Deutsche Grenzpolizei (DGP) auf-<br />
48
STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr 16<br />
Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattliche<br />
Kaliber von 202,3 Millimetern.<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Stahlkolosse<br />
stellen lassen. Der Spezialpolizei wird <strong>die</strong><br />
Überwachung und Sicherung der Demarkationslinie<br />
der Sowjetischen Besatzungszone<br />
(SBZ) übertragen. Lediglich <strong>die</strong> Grenzkontrollen<br />
werden weiterhin gemeinsam mit<br />
sowjetischen Soldaten durchgeführt. Kurz<br />
nach der Berliner Blockade verfügt <strong>die</strong> Sowjetische<br />
Militäradministration in Deutschland<br />
(SMAD) <strong>die</strong> Kasernierung der ersten Einheiten<br />
der Volkspolizei. Seit Juli 1948 bilden <strong>die</strong>se<br />
kasernierten Einheiten gemeinsam mit der<br />
DGP <strong>die</strong> Hauptabteilung Grenzpolizei und<br />
Bereitschaften (HA GP/B) in der <strong>DDR</strong>-Verwaltung<br />
des Innern. Hier liegt der Ursprung<br />
der späteren Nationalen Volksarmee (<strong>NVA</strong>),<br />
denn von Anfang an geht es bei der Konstruktion<br />
nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahrnehmung,<br />
sondern um rein militärische<br />
Komponenten des Angriffs und der Verteidigung.<br />
Entsprechend ist <strong>die</strong> Ausstattung der<br />
neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis<br />
zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-,<br />
acht Artillerie- und drei Panzer-Volkspolizei-<br />
Bereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen.<br />
Der personellen Stärke nach entsprachen sie<br />
Regimentern, <strong>die</strong> teilweise zu Korps und Divisionen<br />
zusammengefasst wurden.<br />
URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an <strong>die</strong> Kanzel eines Predigers.<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Material vom „Waffenbruder”<br />
Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde<br />
ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie<br />
wird bereits ab 1949 von der <strong>DDR</strong>-Führung<br />
beim „Großen Waffenbruder“ in größerer<br />
Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 <strong>die</strong>ser<br />
Selbstfahrlafetten <strong>die</strong> Demarkationslinie<br />
quer durch das geteilte Deutschland. Übergeben<br />
wurden <strong>die</strong> Selbstfahrlafetten SU-76M<br />
1949 an <strong>die</strong> Bereitschaften der Volkspolizei in<br />
Burg, Großenhain und Pinnow und an <strong>die</strong><br />
Schule der VP Priemerwalde.<br />
Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das<br />
um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell<br />
Clausewitz 6/2014<br />
49
Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
M109<br />
STAHLGIGANT: Die Schwere Panzerhaubitze M55 verfügt über eine<br />
hohe Schussweite.<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Gewicht<br />
Länge<br />
Breite<br />
Höhe<br />
Besatzung<br />
Motor<br />
23,5 t<br />
11,4 m<br />
3,18 m<br />
3,25 m<br />
6 Soldaten<br />
8-Zylinder-Diesel mit Roots-Gebläse<br />
und Turboaufladung, Detroit Diesel 8V71T<br />
9,3 l<br />
262 kW/356 PS<br />
56 km/h Straße<br />
350 km Straße<br />
1 x 155-mm-Kanone M26<br />
55 Spreng- und 16 Nebelgranaten/Haubitze<br />
Hubraum<br />
Leistung<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
Reichweite<br />
Hauptbewaffnung<br />
Munitionsvorrat<br />
Baujahr 1962–1994<br />
Stückzahl Bundeswehr 587<br />
Stückzahl gesamt circa 5.000<br />
des leichten sowjetischen Panzers T-70M<br />
verwendet. Ursprünglich besitzt <strong>die</strong> Selbstfahrlafette<br />
einen geschlossenen Kampfraum<br />
und zwei parallel angeordnete Motoren mit<br />
separaten Kupplungen und Getrieben. Mit<br />
dem Zusatz „M“ versieht man <strong>die</strong> verbesserte<br />
SFL mit einem offenen Kampfraum sowie<br />
zwei in Reihe geschalteten Motoren mit nur<br />
einer gemeinsamen Kupplung und einem<br />
Getriebe. Als Bewaffnung findet <strong>die</strong> kriegsbewährte<br />
76,2-mm-Kanone ZIS-3 L/41,5<br />
Verwendung. Die maximale Schussweite<br />
<strong>die</strong>ser Waffe liegt bei 8.600 m bei einer praktischen<br />
Feuergeschwindigkeit von 8 bis 15<br />
Granaten in der Minute.<br />
Experimentierphase<br />
Mit Gründung der <strong>NVA</strong> im Jahr 1956 übernimmt<br />
<strong>die</strong> Volksarmee <strong>die</strong> SU-76M, <strong>die</strong> unter<br />
anderem dann zur 6. und zur 11. Mot.-<br />
Schützendivision gehören. Einerseits verwendet<br />
<strong>die</strong> <strong>NVA</strong> <strong>die</strong>se Fahrzeuge als Ersatz<br />
für fehlende Panzer und für <strong>die</strong> Ausbildung.<br />
Andererseits erfüllen <strong>die</strong>se SFL ihre eigentliche<br />
Aufgabe in der Panzerabwehr. Ab 1957<br />
LEHROBJEKT: Die<br />
Fahrschulvariante<br />
der M109.<br />
Foto: Bundeswehr/<br />
<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
beginnt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> mit der Aussonderung. Lediglich<br />
16 Fahrzeuge nutzt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> weiter.<br />
Sie werden umgebaut und sind bis 1968 als<br />
„Gepanzerte Werkstatt 76“ bei der Truppe<br />
im Einsatz.<br />
Allein für <strong>die</strong> Panzerabwehr kommen <strong>die</strong><br />
nächsten beiden Selbstfahrlafetten der <strong>DDR</strong><br />
zum Einsatz. Es sind stählerne „Kriegsveteranen“,<br />
<strong>die</strong> schon <strong>die</strong> Panzer der Wehrmacht<br />
in den letzten beiden Kriegsjahren 1944/45<br />
das Fürchten lernen. Ihre flache Silhouette<br />
und ihre 85 bzw. 100 mm Kaliber der Kanonen<br />
machen sie auf dem damaligen Gefechtsfeld<br />
zu gefährlichen Gegnern der<br />
Kampfpanzer. Die Rede ist von der SFL SU-<br />
85 und der SU-100. Beide Modelle kommen<br />
in relativ geringer Stückzahl in der <strong>DDR</strong> und<br />
bei der <strong>NVA</strong> zum Einsatz. Erheblicher<br />
Nachteil der Konstruktion ist der geringe<br />
Seitenschwenkbereich der Kanone.<br />
US-Konstruktionen<br />
Zurück zur Bundeswehr: Eine weitere Panzerhaubitze<br />
aus der Frühphase der westdeutschen<br />
Armee ist <strong>die</strong> M44, <strong>die</strong> von 1958<br />
bis 1965 zum Einsatz kommt. Auch hierbei<br />
handelt es sich eine US-Konstruktion, <strong>die</strong> auf<br />
der Wanne des Spähpanzers M41 basiert.<br />
Die M44 kann eine Höhe von 0,76 Meter,<br />
Gräben von 1,83 Meter und Steigungen von<br />
bis zu 60 Prozent meistern. Bis zu 1,07 Metern<br />
Wassertiefe ist das Fahrwerk watfähig.<br />
Als Kampfraum <strong>die</strong>nt ein starr befestigter,<br />
nach oben offen gehaltener Stahlkasten, der<br />
mit Planen und Spriegeln (Bügel für das Verdeck)<br />
wetterfest verschlossen wird. Der Fah-<br />
PRÄSENTIERT: Artillerie-SFL 2S3M „Akazija“ einer Artillerieeinheit der Sowjetarmee während der Abschlussparade nach dem Manöver<br />
„Waffenbrüderschaft 80“, das auf dem Territorium der <strong>DDR</strong> im September 1980 durchgeführt wurde.<br />
Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />
50
Importe statt Eigenentwicklungen<br />
FRÜHPHASE: M44 beim Übungsschießen<br />
auf dem Truppenübungsplatz.<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
rer sitzt, gegen Feindeinwirkung ungeschützt,<br />
vorne im Kampfraum. Die 155-mm-<br />
Haubitze kann von 5 Grad bis +65 Grad in<br />
der Höhe gerichtet werden, der seitliche<br />
Schwenkbereich liegt bei 30 Grad zu beiden<br />
Seiten. Im Heckbereich des Kampfraumes ist<br />
eine Ringlafette mit einem 12,7-mm-<br />
Browning-MG zur Abwehr im Nahbereich<br />
und von Luftangriffen montiert. Zur Verteidigung<br />
gegen durchgebrochene Panzer wird<br />
eine „Bazooka“ mitgeführt.<br />
Beeindruckendes Kaliber<br />
Die Panzerhaubitze M55 ist von der M52 abgeleitet,<br />
<strong>die</strong> unter Verwendung von Baugruppen<br />
des Kampfpanzers M47 von 1952<br />
bis 1953 produziert wird. Sie unterscheidet<br />
sich vom Basistyp in ihrer Bewaffnung: Statt<br />
des ursprünglichen 155-mm-Geschützes<br />
trägt <strong>die</strong> M55 eine Haubitze vom Kaliber<br />
202,3 mm. Im Geschützturm können zehn<br />
Schuss Munition mitgeführt werden, jedes<br />
Geschoss wiegt knapp 100 Kilogramm. Die<br />
Kadenz liegt bei einem Schuss pro Minute,<br />
<strong>die</strong> maximale Feuerreichweite bei 16,9 Kilometern.<br />
Der geschlossene und drehbare Geschützturm<br />
ist nur schwach gegen Splitterwirkung<br />
und Handwaffenfeuer gepanzert.<br />
Die Bundeswehr beschafft 1957 insgesamt 16<br />
Panzerhaubitzen M55. Zehn Jahre lang werden<br />
sie in den Divisionsartillerieverbänden<br />
eingesetzt, bevor sie 1967 an <strong>die</strong> NATO-Partner<br />
Türkei und Griechenland abgegeben<br />
werden.<br />
Das Fahrgestell <strong>die</strong>ser in den 1950er-Jahren<br />
in den USA entwickelten Feldhaubitze<br />
auf Selbstfahrlafette besteht aus verschweißten<br />
Stahlplatten mit einer Stärke von bis zu<br />
„Binnen eines Jahrzehnts reifte <strong>die</strong><br />
Panzerhaubitze zu einem effektiven und voll<br />
ausgereiften Waffensystem heran.“<br />
Oberstleutnant a. D. Alfred Rubbel, (1921–2013), Panzerkommandant und<br />
Lehrgruppenkommandeur an der Panzertruppenschule in Munster<br />
1,3 Zentimetern. Bis auf den gepanzerten<br />
Fahrersitz verfügt <strong>die</strong> M107 über keinen<br />
Schutz für <strong>die</strong> Besatzung. Für den Antrieb<br />
sorgt ein V8-Dieselmotor mit 405 PS vom<br />
Typ General Motors 8V71T. Das Kettenlaufwerk<br />
mit 46 cm breiten Gleisketten ist drehstabgefedert<br />
und hat einen Federsperrzylin-<br />
der. Der verhindert ein Einfedern und Springen<br />
des Geschützes bei der Schussabgabe.<br />
Die Be<strong>die</strong>nung des schweren Geschützes erfordert<br />
13 Soldaten, <strong>die</strong> pro Stunde bis zu 60<br />
Schuss mit einer maximalen Reichweite von<br />
32,7 Kilometern abfeuern können. Das Rohr<br />
der 175-mm-Kanone M113 hat eine Länge<br />
von 10,6 Metern. Den Rückstoß dämpft ein<br />
hydraulischer Rohrrücklauf, <strong>die</strong> verbleibende<br />
Rückstoßenergie wird durch einen hydraulisch<br />
absenkbaren Schild in den Boden<br />
abgeleitet. Der Schwenkbereich des Rohres<br />
umfasst 30 Grad zu jeder Seite, der Höhenrichtbereich<br />
reicht von –2 bis +60 Grad. Bei<br />
mobilen Einsätzen wird <strong>die</strong> Feldhaubitze<br />
von einem geländegängigen Lkw mit Munition<br />
und Personal begleitet, denn <strong>die</strong> M107<br />
verfügt lediglich über fünf Sitzplätze und<br />
Platz für zwei Granaten mit Treibladungen.<br />
Die Feldhaubitzen sind von 1964 bis 1980 im<br />
Dienst der Bundeswehr. 1985 werden sie<br />
umgerüstet zum Typ M110 A2 mit einem längeren<br />
Rohr im Kaliber 203 mm, außerdem<br />
mit einer Drehplattform mit Wetterschutz.<br />
ARTILLERIEFEUER: Batterie aus Selbstfahrlafetten der 122-mm-Haubitze 2S1 in einer Feuerstellung<br />
bereit zum Feuerschlag.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
Clausewitz 6/2014<br />
51
Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />
STANDARD: 587 Panzerhaubitzen M109 beschafft<br />
<strong>die</strong> Bundeswehr zwischen 1964 und<br />
1972. Sie bleibt bis 2007 bei der Truppe.<br />
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Damit sind sie auch für das Verschießen von<br />
taktischen Nukleargeschossen geeignet.<br />
Bei den ebenfalls seit 1964 beschafften 80<br />
Haubitzen vom Typ M110 sind Fahrgestell<br />
und Motor baugleich mit dem der M107. Davon<br />
abweichend ist sie von Beginn an mit einer<br />
Kanone im Kaliber von 8 Zoll bestückt.<br />
Da es für <strong>die</strong> Waffe der M110 zwei taktische<br />
Nukleargeschosse (W79 und W33) gibt, haben<br />
sie im Rahmen der NATO-Strategie eine<br />
besondere Bedeutung. Bis 1993 sind <strong>die</strong><br />
ebenso wie <strong>die</strong> M107 zwischenzeitlich zum<br />
Typ M110 A2 kampfwertgesteigerten Feldhaubitzen<br />
in der Nutzung der Bundeswehr.<br />
TECHNISCHE DATEN<br />
152-mm-SFL-H 2S3M<br />
Gefechtsmasse<br />
27,5 t<br />
Länge<br />
7,76 m<br />
Breite<br />
3,25 m<br />
Höhe<br />
3,05 m<br />
Fahrzeugbasis<br />
SFL SU-100P<br />
Besatzung<br />
4 Soldaten<br />
Motor<br />
W-59 U, 12-Zylinder V, 4-Takt-Vielstoff<br />
Hubraum<br />
38,88 l<br />
Leistung 382 kW / 520<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
56,4 km/h<br />
Reichweite<br />
500 km Straße<br />
Hauptbewaffnung<br />
152-mm-2A33<br />
Feuergeschwindigkeit<br />
3 Schuss/min<br />
Kampfsatz im Fahrzeug<br />
46 Granaten<br />
Einsatzzeitraum <strong>DDR</strong> 1979–1989<br />
Stückzahl <strong>NVA</strong> 111<br />
Produktionszeitraum 1971–1991<br />
Stückzahl gesamt 2.012<br />
KRAFTAKT: Rohrreinigen<br />
bei einer Panzerhaubitze<br />
vom Typ<br />
SFL 2S3M. Es muss<br />
<strong>die</strong> gesamte Besatzung<br />
ran. Der vierte<br />
Mann hat dabei seinen<br />
Job im Turm.<br />
Foto: Sammlung<br />
Jörg-M. Hormann<br />
In der <strong>NVA</strong> wird seit 1976 <strong>die</strong> Panzerhaubitze<br />
2S1 „Gwosdika“ (Nelke) mit 122-mm-<br />
Hauptbewaffnung eingeführt. Ein großer<br />
Vorteil gegenüber ihren Vorgängern und<br />
Nachfolgern ist <strong>die</strong> Schwimmfähigkeit der<br />
Selbstfahrlafette, <strong>die</strong> sich mit immerhin 4,5<br />
km/h in Flüssen bewegen kann. Nachteilig<br />
ist, dass der Munitionsvorrat von 40 Granaten<br />
an Bord vor Schwimmeinsätzen um ein<br />
Viertel reduziert werden muss.<br />
Als sie in den 1970er-Jahren zum ersten<br />
Mal von westlichen Beobachtern gesichtet<br />
wird, ist aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeit<br />
mit der amerikanischen Panzerhaubitze<br />
M109 schnell <strong>die</strong> Bezeichnung „Rote<br />
M109“ gefunden. Offiziell wird <strong>die</strong> 152-mm-<br />
SFL-Haubitze 2S3M im Westen zukünftig<br />
kurz als „Panzerhaubitze 152 mm“ bezeichnet,<br />
während <strong>die</strong> in den Warschauer-Pakt-<br />
Staaten den Beinnamen „Akazija“ (dt. Akazie)<br />
trägt. Eigentlicher Ursprung der „Akazie“<br />
ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette SU-100P von<br />
1949. Noch 1971 bildete <strong>die</strong>ses erfolgreiche<br />
Chassis <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong> SFL-Haubitze<br />
2S3M. Im neuen Drehturm sind <strong>die</strong> 152-mm-<br />
Haubitze 2A33 und ihre Munitions-Transporteinrichtung<br />
eingebaut. Auch in der letzten<br />
bei der <strong>NVA</strong> eingesetzten Panzerhaubitze<br />
besteht der Munitionskampfsatz aus<br />
Hohlladungsgranaten und Splitter-Sprenggranaten,<br />
<strong>die</strong> mit Kartuschen verschossen<br />
werden.<br />
Mehr Feuerkraft<br />
Die ersten 36 SFL Haubitzen 2S3 werden<br />
1979 von der Sowjetunion an <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> geliefert<br />
und bei der 3. Artillerie-Abteilung des<br />
Artillerieregiments 7 in Frankenberg und<br />
beim Artillerieregiment 9 in Karpin in <strong>die</strong><br />
Truppe eingegliedert.<br />
BINNEN WENIGER SEKUNDEN: Nach dem Empfang der Schießbefehle<br />
erfolgt das Aufsitzen der Besatzungen einer „Akazie“ in Normzeit,<br />
<strong>die</strong> im Sommer neun Sekunden und im Winter elf Sekunden beträgt.<br />
Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />
52
Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />
Mehrfache Kampfwertsteigerungen<br />
Die<br />
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IN AFGHANISTAN: Die Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr erlebt ihre Feuertaufe.<br />
Nach der „<strong>NVA</strong>-Lehrstruktur“ von 1983<br />
sind für <strong>die</strong> Mot.-Schützendivisionen zunächst<br />
keine Artillerie-Selbstfahrlafetten<br />
vorgesehen. Doch seit Mitte der 1980er-Jahre<br />
werden einige Abteilungen oder einzelne<br />
Batterien der Artillerieregimenter in den<br />
Schützendivisionen mit der 152-mm-Haubitze<br />
2S3M ausgerüstet. 1986 sind in der <strong>NVA</strong><br />
insgesamt 78 SFL-Haubitzen 152 mm vorhanden.<br />
Weitere 33 kommen bis 1988 hinzu.<br />
Bei der Bundeswehr wird bis in <strong>die</strong> späten<br />
1980er-Jahre hinein <strong>die</strong> Panzerhaubitze<br />
vom Typ M109 in großer Zahl eingesetzt. Bis<br />
1972 beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr insgesamt<br />
fast 600 amerikanische Panzerhaubitzen<br />
M109 und lässt sie bei der Firma Rheinmetall<br />
entsprechend den deutschen Vorstellungen<br />
anpassen. Unter anderem werden das deutsche<br />
Rundblickfernrohr, ein Panzerzielfernrohr<br />
und ein Selbstschutzsystem nachgerüstet.<br />
Wesentlichen Änderungen wird <strong>die</strong> Waffenanlage<br />
unterzogen: Sie erhält ein neues<br />
Rohr mit neuem Rauchabsauger, neuer<br />
Mündungsbremse und neuem Flachkeilverschluss.<br />
Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Schussweite<br />
auf 18.500 Meter. Für den Geschützführer<br />
wird <strong>die</strong> Periskop-Kuppel vom Mannschaftstransportwagen<br />
M113 übernommen.<br />
Als Nahbereichswaffe <strong>die</strong>nt ein 7,62-mm-<br />
MG3. In <strong>die</strong>ser modifizierten Variante tragen<br />
<strong>die</strong> deutschen Panzerhaubitzen <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
M109 G.<br />
Die deutschen M109 G werden Anfang<br />
der 1980er-Jahre in ihrer Leistung gesteigert<br />
und auf den Stand der amerikanischen M109<br />
A3 hochgerüstet. Dazu wird als Hauptbewaffnung<br />
<strong>die</strong> Feldhaubitze FH 155-1 verwendet,<br />
ein besseres Feuerleitsystem eingebaut<br />
und <strong>die</strong> mitgeführte Munition von 28<br />
auf 34 Schuss gesteigert. Zudem kann <strong>die</strong><br />
neue M109 durch eine autonome Richt- und<br />
Orientierungsausstattung für <strong>die</strong> Rohrartillerie<br />
(kurz AURORA) ihre Position selbst bestimmen<br />
– <strong>die</strong> Hilfe externer Vermessungshilfen<br />
ist nicht mehr nötig. Die technisch aktualisierte<br />
Variante kommt als M109 A3 GA1<br />
zur Truppe. Ihre maximale Schussweite beträgt<br />
nun 24.700 Meter.<br />
Nach der <strong>Wie</strong>dervereinigung im Jahr<br />
1990 werden <strong>die</strong> Panzerhaubitzen der ehemaligen<br />
<strong>NVA</strong> außer Dienst gestellt. Standardwaffensystem<br />
des deutschen Heeres ist<br />
nun <strong>die</strong> M109, von der 262 Einheiten ab 2000<br />
einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen<br />
werden. Sie tragen fortan <strong>die</strong> Bezeichnung<br />
M109 A3 GE A2. Diese Fahrzeuge bleiben<br />
bis Mai 2007 im Dienst. Der 1998 begonnene<br />
Prozess des Austausches der M109<br />
„Durch <strong>die</strong> halbautomatische Munitionstransporteinrichtung<br />
kann der mitgeführte Kampfsatz<br />
von 46 Granaten in 20 Minuten verschossen werden.“<br />
Aus: Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik,<br />
Vorschrift ST 326/4/025 152-mm-SFL-Haubitze 2S3<br />
gegen <strong>die</strong> Panzerhaubitze 2000 ist zu <strong>die</strong>sem<br />
Zeitpunkt vollzogen. 185 Einheiten liefern<br />
<strong>die</strong> beiden Hersteller Krauss-Maffei Wegmann<br />
und Rheinmetall an <strong>die</strong> Bundeswehr.<br />
Einsatzzweck der PzH 2000 ist <strong>die</strong> Feuerunterstützung<br />
der eigenen Kampftruppen und<br />
der Kampf mit Feuer in der Tiefe gegen<br />
Hochwertziele. Im Auslandseinsatz in Afghanistan<br />
stellt sie seit Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
ihre militärische Leistungsfähigkeit<br />
unter Beweis.<br />
Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher Redakteur<br />
von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor mit Schwerpunkten<br />
bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte<br />
mit über 40 Buchveröffentlichungen.<br />
Ulf Kaack, Jg. 1964, ist Verantwortlicher Redakteur<br />
von TRAKTOR CLASSIC sowie Verfasser zahlreicher<br />
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Clausewitz 6/2014<br />
www.clausewitz-magazin.de/epaper
Militär und Technik | Wikingerschiff<br />
FAKTEN<br />
Das Wikingerschiff<br />
Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr<br />
Länge: 20–30 m<br />
Breite: 3–5 m<br />
Tiefgang: etwa 1 m<br />
Besatzung: 40–80 Mann<br />
Geschwindigkeit: 3–4 Knoten<br />
(5–7 km/h) beim Rudern und<br />
10–11 Knoten (18–20 km/h)<br />
unter Segeln<br />
(alle Angaben im Durchschnitt)<br />
MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds<br />
Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen<br />
im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere<br />
Jahrhunderte lang große Teile Europas mit<br />
ihren Drachenschiffen. Abb.: picture-alliance/HIP<br />
54
Die Schiffe der Wikinger<br />
Herrscher<br />
der Meere<br />
Die Natur Skandinaviens mit ihren langen<br />
Küsten lässt es sinnvoll erscheinen,<br />
dass sich <strong>die</strong> dortigen Bewohner<br />
seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen<br />
und der Seefahrt beschäftigen.<br />
Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche<br />
Schiffsdarstellungen. Bis in <strong>die</strong> ersten<br />
nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich<br />
Ruderschiffe Verwendung, und<br />
möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert<br />
kommt es allmählich zur Einführung des Segels.<br />
Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert<br />
stammenden Originalfunden von Nydam<br />
(Schleswig) handelt es sich zwar noch um<br />
Ruderschiffe, <strong>die</strong>se weisen aber bereits einige<br />
Konstruktionsmerkmale der späteren Wikingerschiffe<br />
auf.<br />
800–1100: Die Schiffe der<br />
Wikinger gehören zu den<br />
am besten konstruierten<br />
Seefahrzeugen ihrer Zeit<br />
und bilden <strong>die</strong> Basis für<br />
eine neue Form der amphibischen<br />
Kriegführung.<br />
Damit werden <strong>die</strong> Wikinger<br />
zum Schrecken<br />
Europas. Von Otto Schertler<br />
Maritime Hochtechnologie<br />
Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist <strong>die</strong> skandinavische<br />
Schiffsbautechnik voll entwickelt,<br />
und <strong>die</strong>s ermöglicht den Wikingern ihre<br />
weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen,<br />
<strong>die</strong> sie bis in das Mittelmeer,<br />
das Schwarze Meer und über den<br />
Nordatlantik nach Island, Grönland und<br />
schließlich sogar nach Amerika führen.<br />
Die Wikingerschiffe vereinen in sich<br />
mehrere Eigenschaften, so dass sie sich<br />
als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen.<br />
Durch ihre schlanke und elastische Bauweise<br />
verringert sich der zu überwindende<br />
Widerstand des Wassers, doch sind sie<br />
gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen<br />
den Wind, segeln zu können. Ihr geringes<br />
Gewicht ermöglicht das Fortbewegen<br />
auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen,<br />
während der geringe Tiefgang <strong>die</strong><br />
problemlose Anlandung an flachen Stränden<br />
sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt.<br />
Die heutigen Kenntnisse über <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />
der Schiffe der Wikinger beruhen<br />
in erster Linie auf Originalfunden aus<br />
berühmten Schiffsgräbern, darunter <strong>die</strong> von<br />
Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder<br />
Ladby (Dänemark). Diese werden durch Darstellungen<br />
auf skandinavischen Bildsteinen,<br />
Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie<br />
durch Beschreibungen in den nordischen<br />
Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich<br />
genaues Bild der wikingischen Schiffsbauund<br />
Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen<br />
auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen<br />
ein tiefer gehendes Verständnis der<br />
praktischen Handhabung und Leistungsfähigkeit<br />
von Wikingerschiffen.<br />
Der Bau eines Langschiffes<br />
Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter<br />
Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen,<br />
Erfahrungen und Kenntnisse verschiedenster<br />
Art voraussetzt, <strong>die</strong> von einer Generation<br />
von Schiffsbaumeistern an <strong>die</strong> nächste weitergeben<br />
werden. Die Wikingerschiffe scheinen<br />
nicht alle in besonderen Werften gebaut<br />
zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zentren<br />
des Schiffsbaus, in denen <strong>die</strong>se hohe<br />
Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit<br />
eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes<br />
DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken<br />
<strong>die</strong> Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung,<br />
bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und<br />
Kriegskeule bewaffnet).<br />
Abb.: Johnny Shumate<br />
Clausewitz 6/2014<br />
55
Militär und Technik | Wikingerschiff<br />
Jahr und fällt üblicherweise in <strong>die</strong> Winterzeit.<br />
Zunächst benötigt man große Mengen<br />
Holz, meist Eiche, aber auch Kiefer, Esche,<br />
Birke, Erle oder Linde finden Verwendung,<br />
wobei der Kiel immer aus Eiche besteht. Das<br />
Holz muss genau festgelegten Anforderungen<br />
genügen, allein für <strong>die</strong> Planken benötigt<br />
man Stämme von über einem Meter Dicke,<br />
<strong>die</strong> möglichst wenige Verwachsungen aufweisen<br />
sollen. Für <strong>die</strong> gekrümmten Teile wie<br />
Spanten oder Bug hingegen verwendet man<br />
bereits natürlich vorgebogene Hölzer.<br />
Tödliche Kunstwerke<br />
Aus den Stämmen werden <strong>die</strong> Planken<br />
strahlenförmig heraus gespalten, wodurch<br />
sich eine große Stärke der Planken ergibt, da<br />
sie der Maserung des Holzes folgen. Gleichzeitig<br />
findet durch den Trocknungsvorgang<br />
keinerlei Schrumpfen oder Verziehen statt.<br />
Die zum Bau benötigten Werkzeuge umfassen<br />
eine Vielzahl von Geräten, wie Äxte, Beile,<br />
Dechsel, Hobel, Hämmer und Keile – <strong>die</strong><br />
Säge findet keine Verwendung beim Schiffsbau.<br />
Die Konstruktionsmethode besteht in<br />
der sogenannten „Außenhaut-Bauweise“,<br />
bei der zuerst Kiel und Steven gelegt wer-<br />
„Denn welcher Feind getraute sich in <strong>die</strong> Augen <strong>die</strong>ser in den Bug<br />
gekerbten Darstellungen zu blicken – jene erschreckenden goldenen<br />
Löwen, jene Figuren aus Metall mit drohenden vergoldeten Mäulern,<br />
jene Drachen aus purem glänzenden Gold, jene drohenden Stiere, <strong>die</strong><br />
mit ihren goldenen Hörnern Tod und Zerstörung ankündigten […].“<br />
Fränkische Chronik<br />
den, und dann einzeln <strong>die</strong> seitliche Beplankung<br />
aufgebaut wird. Die Spanten setzt man<br />
erst später ein. Beplankt wird in der Klinkerbauweise,<br />
bei der sich <strong>die</strong> einzelnen Planken<br />
jeweils von oben nach unten überlappen und<br />
<strong>die</strong> dann durch zahlreiche Eisennieten miteinander<br />
verbunden werden. Gegen das Eindringen<br />
von Wasser <strong>die</strong>nen das Einfügen<br />
teergetränkter Seile sowie ein zusätzliches<br />
Teeren des Rumpfes. Der etwa zehn Meter<br />
hohe Mast wird in einem mittschiffs liegenden<br />
Block, dem Mastfisch, befestigt. Dieser<br />
verfügt über eine Nut, in <strong>die</strong> der Mast geschoben,<br />
anschließend aufgerichtet und mit<br />
einem schweren Holzblock, dem Mastschloss,<br />
verriegelt wird. Der Mast trägt ein<br />
rechteckiges aus Wollstoff oder Segeltuch bestehendes<br />
Rahsegel. Die Wikinger lieben es<br />
auch, ihre Schiffe zu verzieren. Neben den<br />
geschnitzten Steven, <strong>die</strong> in Gestalt von<br />
Schlangen-, Drachen-, Wisent- oder Köpfen<br />
anderer Tiere gearbeitet sind, wird oft auch<br />
der Schiffsrumpf oberhalb der Wasserlinie<br />
durch mehrfarbige Streifen bemalt. Die Segel<br />
sind ebenfalls häufig zweifarbig gestreift<br />
oder mit Rautenmuster verziert und bei den<br />
prächtigsten Schiffen mit aufgenähten Bildern<br />
von mythischen Wesen versehen.<br />
Unterschiedliche Schiffsklassen<br />
Grundsätzlich unterscheiden <strong>die</strong> Wikinger<br />
zwischen Kriegs- und Handelsschiffen. Letztere<br />
werden als „knorre“ bezeichnet, sie sind<br />
von eher bauchiger Form, haben höhere<br />
HINTERGRUND<br />
In der militärischen Ausrüstung der Wikinger<br />
spiegeln sich unterschiedliche Einflüsse aus<br />
der germanisch-keltischen, der spätantik-byzantinischen,<br />
der orientalischen und der Welt<br />
der zentralasiatischen Steppenvölker wider.<br />
Die wichtigste Schutzwaffe bildet der große,<br />
mit einem eisernen Schildbuckel versehene<br />
Rundschild aus Holz, der zusätzlich mit Leder<br />
überzogen und auch bemalt ist. Wertvollere<br />
Schutzwaffen wie Panzer und Helme bleiben<br />
Mit Schild und Axt – Bewaffnung der Wikinger<br />
zunächst nur den Wohlhabenden vorbehalten,<br />
doch aufgrund der Unmengen an wertvoller<br />
Beute können sich im Lauf der Zeit immer<br />
mehr Krieger eine gute Schutzausrüstung<br />
leisten. Weit verbreitet ist daher das Kettenhemd,<br />
doch auch östliche Lamellenpanzer<br />
oder solche aus gestepptem, nicht-metallischen<br />
Material finden bei den wikingischen<br />
Kriegern Verwendung. Der eiserne Helm basiert<br />
auf der Form spätantiker oder östlicher<br />
Spangenhelme und ist meist schon aus einem<br />
Stück Eisen geschlagen, wobei er mit einem<br />
Nasal oder gelegentlich auch einer Art<br />
„Schutzbrille“ für den Bereich um <strong>die</strong> Augen<br />
versehen ist. Die in Filmen oder anderen bildlichen<br />
Darstellungen<br />
oft gezeigten Helme<br />
mit Hörneroder<br />
Flügelschmuck,<br />
<strong>die</strong> geradezu als typisch für Wikingerhelme<br />
gelten, sind allerdings reine Phantasie,<br />
<strong>die</strong> auf romantische Vorstellungen des<br />
19. Jahrhunderts (aufgrund falsch interpretierter<br />
archäologischer Funde) zurückzuführen<br />
ist. Die Angriffswaffen umfassen Äxte unterschiedlichen<br />
Typs, Lanzen, Wurfspeere, Bögen<br />
und natürlich das Schwert. Neben dem<br />
einfachen, einschneidigen Kurzschwert (sax)<br />
ist <strong>die</strong>s vor allem das etwa 90 Zentimeter<br />
lange Schwert mit gekehlter zweischneidiger<br />
Klinge, dessen Form den spätantik-frühmittelalterlichen<br />
Vorbildern der Zeit der Völkerwanderung<br />
folgt. Die wertvollen Klingen bestehen<br />
aus damasziertem Stahl und stellen<br />
Importe aus dem fränkischen Rheinland dar,<br />
während <strong>die</strong> Griffe meist von nordischen<br />
Handwerkern gefertigt sind.<br />
Dem Schwert erweisen<br />
<strong>die</strong> Wikinger eine magisch-religiöse<br />
Verehrung,<br />
was nicht zuletzt<br />
auch in den klingenden Namen<br />
der Waffen wie beispielsweise „Brynjubitr“<br />
(in etwa „Panzerbrecher“) deutlich wird.<br />
GEFÄHRLICHE KRIEGER: Die meisten Wikinger <strong>waren</strong> nur leicht<br />
bewaffnet. Rüstungen und Kettenhemden sind kostspielig und zu<br />
Zeiten der großen Raubzüge wenig verbreitet. Die Masse der<br />
Männer vertraut auf den runden Schild. Die Axt ist vermutlich<br />
verbreiteter als das teure Schwert. Der junge Krieger links trägt<br />
eine Nasalhelm, der alte Krieger rechts eine lange, beidhändig zu<br />
führende Waffe. Das Schwert zeichnet ihn als wohlhabenden Wikinger<br />
aus. Zeichnung: A. Lunyakov, historische Recherche: A. Querengässer
Die Gefahr aus dem Norden<br />
FAKTEN<br />
Kriegszüge der Wikingerzeit<br />
SKANDINAVISCHES SPITZENPRODUKT:<br />
Wikingerschiffe sind eine technische Meisterleistung.<br />
Leif Eriksson gelingt es sogar,<br />
bis nach Amerika zu kommen. Unsere Rekonstruktionsgrafik<br />
zeigt ein ankerndes<br />
Schiff in einem Fjord.<br />
Abb.: picture alliance/<strong>die</strong>Kleinert.de<br />
Bordwände und verfügen zur Ausnutzung<br />
der Ladekapazität meist nur über Segel. Die<br />
Kriegsschiffe hingegen sind länger, schlanker<br />
und haben eine geringere Wasserverdrängung,<br />
wodurch sie erheblich schneller<br />
sind. Neuere Versuche und Berechnungen<br />
haben erstaunliche Reisegeschwindigkeiten<br />
für ein unter Segeln stehendes Wikingerschiff<br />
ergeben: So benötigt man für <strong>die</strong> Reise<br />
vom norwegischen Bergen nach<br />
Neufundland 28 Tage,<br />
von Nordirland<br />
nach Island sechs<br />
Tage oder von Dänemark<br />
nach England<br />
sogar nur drei Tage. Die<br />
Kriegsschiffe werden durch <strong>die</strong><br />
Bezeichnung Langschiffe von den Handelsschiffen<br />
unterschieden, und sie gliedern<br />
sich den Sagas zufolge in drei Klassen:<br />
snekkja (etwa „schlank“), skeid (etwa<br />
„schnittig durch das Wasser“) und<br />
drakar (Drache). Demnach bildet <strong>die</strong><br />
snekkja <strong>die</strong> leichteste, <strong>die</strong> skeid <strong>die</strong> mittelschwere<br />
und der drakar <strong>die</strong> schwerste<br />
Klasse, wobei <strong>die</strong> Übergänge fließend<br />
sind. Die Größeneinteilung der Schiffe<br />
wird nach der Anzahl der Ruderplätze<br />
(sessa), beziehungsweise der Anzahl<br />
793 Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne. Beginn der Wikingerzeit<br />
807 Wikingische Angriffe auf Irland<br />
834–837 Jährliche Überfälle auf Dorestad am Niederrhein<br />
843 Plünderung von Nantes<br />
845 Plünderung Hamburgs<br />
859–862 Wikinger im Mittelmeer<br />
865 Das „große Heer“ fällt in England ein<br />
881 Wikinger im Rheinland und in Lothringen. Zerstörung der Pfalz von Aachen.<br />
Angriffe auf zahlreiche Städte wie Köln, Worms und Metz<br />
885/886 Belagerung von Paris<br />
1014 Schlacht bei Clontarf. Beginn des Niedergangs der Wikingerherrschaft in Irland<br />
1066 Schlachten bei Stamford Bridge und Hastings: Die Normannen erobern England<br />
1135 Slawische Piraten überfallen Kungahälla in Schweden. Ende der Wikingerzeit<br />
BESEELT: Die Schiffe stellen in der<br />
Gedankenwelt der Wikinger<br />
lebendige Wesen dar, in denen sich<br />
mythologisch-religiöse Vorstellungen<br />
widerspiegeln. Dieser Steven<br />
stammt vom sogenannten Osebergschiff<br />
in Norwegen (9. Jhd.).<br />
Abb.: picture alliance/akg<br />
der Freiräume zwischen den einzelnen Spanten<br />
vorgenommen. So ist ein 13-Bänker das<br />
kleinste Schiff, das nach Anzahl der Bänke<br />
eingeteilt werden kann und demnach insgesamt<br />
über 26 Ruder verfügt. Die Standardschiffe<br />
für den Kriegseinsatz sind 20- oder<br />
25-Bänker, es gibt aber auch einige 30-Bänker<br />
und sogar vereinzelt noch größere Fahrzeuge.<br />
Eines der größten Wikingerschiffe ist <strong>die</strong><br />
„Große Schlange“ des norwegischen Königs<br />
Olav Tryggvasson, ein 34-Bänker.<br />
Die Schiffe verfügen allerdings über keine<br />
speziellen Ruderbänke, deshalb sitzen<br />
<strong>die</strong> Männer entweder auf den<br />
Querbalken der Spanten oder auf ihren<br />
ledernen Seesäcken. Da <strong>die</strong> Krieger<br />
ihre Schiffe selbst rudern, entspricht <strong>die</strong><br />
Anzahl der Ruder auf überseeischen Kriegszügen<br />
ungefähr der Stärke der kampffähigen<br />
Mannschaft, wobei noch mindestens der<br />
Steuermann und der Schiffsführer hinzuzurechnen<br />
sind. Im Falle größerer Schlachten<br />
werden weitere Krieger an Bord genommen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Ruderer mit ihren Schilden vor den<br />
feindlichen Geschossen schützen, so dass<br />
sich gut 100 Krieger an Bord eines Schiffes<br />
befinden können.<br />
Magische Kräfte<br />
Neben ihrer rein praktischen Funktion haben<br />
<strong>die</strong> Schiffe für <strong>die</strong> Wikinger auch eine religiös-mythischen<br />
Dimension. Diese wird in<br />
der bildlichen Gestaltung der Vorder- und<br />
Achtersteven deutlich. So zeigt der Vordersteven<br />
des Osebergschiffes einen eingerollten<br />
Schlangenkopf, während der Achtersteven<br />
in einen stilisierten eingerollten Schlangenschwanz<br />
ausläuft. Das gesamte Schiff ist<br />
somit als hölzerne Verkörperung einer<br />
Schlange gedacht, und <strong>die</strong>s stellt einen offensichtlichen<br />
Bezug zu der im Weltmeer liegenden<br />
Midgardschlange her, <strong>die</strong> in der<br />
Clausewitz 6/2014<br />
57
Militär und Technik | Wikingerschiff<br />
BEDROHLICH: Drachenschiffe tauchen am Horizont auf. Die schnellen und leichten Schiffe<br />
sind perfekt für eine neue Art der maritimen Kriegführung: blitzartige Überfälle an den Küsten<br />
und schnelle Vorstöße in das Hinterland über <strong>die</strong> Flüsse. Allerdings dürfen <strong>die</strong> Wikinger<br />
nicht auf mittelalterliche Piraten reduziert werden: Sie <strong>waren</strong> auch Eroberer, Entdecker,<br />
Händler und geschickte Seefahrer.<br />
Abb.: picture alliance/<strong>die</strong>Kleinert.de<br />
nordischen Mythologie eine wichtige Rolle<br />
spielt. Den Köpfen der Vordersteven wohnt<br />
wikingischer Vorstellung zufolge magische<br />
Kraft inne, <strong>die</strong> Unheil abwehrt und <strong>die</strong> Feinde<br />
in Schrecken versetzt. Einem isländischen<br />
Gesetz zufolge müssen <strong>die</strong> <strong>die</strong> Insel anlaufenden<br />
Schiffe ihre Figuren abnehmen, da<br />
<strong>die</strong>se <strong>die</strong> guten Geister vertreiben könnten.<br />
Derartige Vorstellungen finden auch in der<br />
Namensgebung der Schiffe ihren Niederschlag,<br />
wie es sich bei der „Großen Schlange“<br />
des Schiffes des norwegischen Königs<br />
Olav Tryggvassons zeigt. Auch im Totenkult<br />
spielt das Schiff eine große Rolle, wie es an<br />
den Schiffsbestattungen zu erkennen ist. Solche<br />
aufwendigen Grabanlagen bleiben aber<br />
nur den reichsten Herrschern vorbehalten,<br />
<strong>die</strong> einfacheren Mitglieder der Gesellschaft<br />
müssen sich bei ihren Gräbern mit Steinsetzungen<br />
in Schiffsform begnügen. Der geringe<br />
Tiefgang, <strong>die</strong> Wendigkeit und Schnelligkeit<br />
ihrer Schiffe ermöglichen den Wikingern<br />
eine bis dahin unbekannte Art der amphibischen<br />
Kriegführung. Überraschende Anlandungen<br />
an fremden Küsten, blitzartig durchgeführte<br />
Überfälle und ebenso schnelles Verschwinden<br />
über das Meer bilden ein<br />
Kennzeichen der wikingischen Kampftaktik.<br />
Ein neuartiges Konzept<br />
Daneben stoßen <strong>die</strong> Wikinger mit ihren<br />
Schiffen auf Flüssen tief in das Landesinnere<br />
vor und erscheinen auch unvermutet an Orten,<br />
<strong>die</strong> weitab von der Küste liegen. Die angegriffenen<br />
Siedlungen und Klöster sind völlig<br />
überrumpelt, und da zu <strong>die</strong>ser Zeit keine<br />
stehenden Heere existieren, dauert es einige<br />
Zeit bis ein Kriegsaufgebot zu Hilfe kommt.<br />
Bis dahin sind <strong>die</strong> Nordmänner jedoch<br />
längst auf ihren Schiffen über das Meer oder<br />
den Fluss verschwunden. Da ihre Gegner,<br />
wie <strong>die</strong> Franken, meist nicht über entsprechende<br />
Wasserfahrzeuge verfügen, können<br />
sie auch über eine längere Zeitspanne hinweg<br />
ungestört auf Flussinseln lagern. Oft befestigen<br />
<strong>die</strong> Wikinger <strong>die</strong> landwärts gerichteten<br />
Seiten ihrer Lager mit einem Erdwall und<br />
einer Palisade, so dass nur der Zugang über<br />
Wasser freibleibt. Werden Flüsse durch eine<br />
HINTERGRUND<br />
Die wohl berühmteste Seeschlacht der Wikingerzeit<br />
ist <strong>die</strong> im Jahr 1000 zwischen den<br />
Flotten des norwegischen Königs Olav<br />
Tryggvasson und einer Koalition aus Dänen,<br />
Schweden sowie dem abtrünnigen norwegischen<br />
Jarl (Fürst) Erik bei Svolder in der Ostsee.<br />
Das in der „Heimskringla“ des isländischen<br />
Historikers Snorri Sturluson beschriebene<br />
Ereignis zeigt sehr deutlich den Ablauf<br />
einer großen wikingischen Seeschlacht. Der<br />
sich in der Mitte der Schlachtreihe auf seiner<br />
„Großen Schlange“ befindliche König Olav<br />
Tryggvasson lässt zunächst alle seine nebeneinander<br />
liegenden Schiffe miteinander vertäuen,<br />
so dass sie einen einzigen Block bilden,<br />
und geht so zum Angriff über. Zunächst<br />
behalten <strong>die</strong> Norweger wegen der größeren<br />
Bordhöhe ihres mächtigen Flaggschiffes<br />
noch <strong>die</strong> Oberhand. Doch Jarl Erik gelingt es,<br />
mit seinen Männern an einer der Flanken Fuß<br />
zu fassen, indem sie eines der Schiffe<br />
Tryggvassons einnehmen können. Von dort<br />
Die Seeschlacht von Svolder<br />
aus kämpfen sie sich Schiff für Schiff auf das<br />
Königsschiff vor, bis sie <strong>die</strong>ses nach hartem<br />
Kampf schließlich erreichen: „Da kam „Ormen<br />
lange“ (Die Große Schlange) zum Nahkampf,<br />
<strong>die</strong> Pfeile schwirrten und schon barst<br />
das Schanzwerk, <strong>die</strong> großen Schilde hielten<br />
stand.“ Auch hier tobt der Nahkampf einige<br />
Zeit mit größter Härte, doch nach und nach<br />
müssen sich <strong>die</strong> verbliebenen Männer Olavs<br />
Schritt für Schritt nach Achtern zurückziehen,<br />
wo sie sich um ihren Herrn scharen. Nachdem<br />
seine Gefolgschaft gefallen ist, springt<br />
König Olav in voller Rüstung über Bord und<br />
versinkt im Meer.<br />
DRACHE GEGEN DRACHE:<br />
Bei Svolder (Svold) wird<br />
<strong>die</strong> „große Schlange“<br />
König Tryggvassons von<br />
einer dänisch-schwedischen<br />
Koalition (sowie<br />
abtrünnigen Norwegern)<br />
besiegt. Die Wikinger<br />
kennen allerdings keine<br />
<strong>wirklich</strong>en Seekriegstaktiken<br />
und kämpfen<br />
Landschlachten zur See.<br />
Abb.: picture alliance/Mary Evans<br />
Picture Library<br />
58
Kein Konzept der Kriegführung zur See<br />
nicht einnehmbare Festungsanlage gesperrt,<br />
wie <strong>die</strong>s beispielsweise 886 bei der Belagerung<br />
von Paris der Fall ist, ziehen <strong>die</strong> Nordmänner<br />
ihre Schiffe einfach an <strong>die</strong>sem Hindernis<br />
vorbei, um sie weiter flussaufwärts<br />
erneut zu Wasser zu lassen. Neben <strong>die</strong>ser<br />
amphibischen Kleinkriegstaktik ziehen <strong>die</strong><br />
mächtigen Seekönige auch große Flotten zusammen<br />
<strong>die</strong> mehrere hundert Schiffe und<br />
tausende von Kriegern umfassen.<br />
KLASSIKER: Der Film<br />
„Die Wikinger“ besticht<br />
nicht nur durch sein Staraufgebot<br />
(u.a. Kirk Douglas<br />
und Tony Curtis), sondern<br />
auch durch gut rekonstruierte<br />
Langschiffe.<br />
Außerdem ist er einer der wenigen Filme,<br />
in denen <strong>die</strong> Wikinger keine Hörner an ihren<br />
Helmen tragen…<br />
Abb.: picture alliance<br />
Landschlachten zur See<br />
Doch bei allem seefahrerischen Können ist<br />
den Wikingern das Konzept einer „echten“<br />
Seeschlacht, bei der sich Schiffe bekämpfen,<br />
fremd. Die wikingischen Langschiffe sind<br />
nicht mit Katapulten bewaffnet, und sie verfügen<br />
auch über keinen Rammsporn, der das<br />
Versenken eines feindlichen Fahrzeugs ermöglichen<br />
würde. Das gezielte „Abscheren“<br />
der feindlichen Ruder durch den eigenen<br />
Bug wird zwar durchgeführt, allerdings<br />
nicht als spezielle Seekriegstaktik. Vielmehr<br />
handelt es sich bei den wikingischen Seeschlachten<br />
streng genommen um eine auf<br />
See verlegte Landschlacht, bei der <strong>die</strong> Schiffe<br />
nur <strong>die</strong> tragende Basis für <strong>die</strong> Kämpfer<br />
bilden. Die Auseinandersetzungen finden<br />
auch nicht auf Hochsee statt, sondern in<br />
Buchten und in Küstennähe. Vor Beginn der<br />
Schlacht legt man den Mast nieder und bewegt<br />
das Schiff nur durch Rudern auf das<br />
gegnerische Fahrzeug zu. Hat man das<br />
feindliche Schiff erreicht, besteht <strong>die</strong> grundlegende<br />
Taktik darin, mit einem Hagel von<br />
Literatur und TV<br />
Keith Durham:The Viking Longship,<br />
Osprey 2002.<br />
Peter Pentz (Hrsg.): Die Wikinger, München<br />
2014. (Katalog der aktuellen Wikingerausstellung<br />
in Berlin)<br />
Die Wikinger, Spielfilm von 1958.<br />
(Gute Darstellung von Wikingerschiffen.)<br />
Das Rätsel der Wikingerschiffe,<br />
ZDF – Dokumentation, 2008.<br />
Wurfgeschossen und Pfeilen den Kampf einzuläuten<br />
und darauf das Entern und den<br />
Nahkampf folgen zu lassen.<br />
Starre Seeschlachten<br />
Bei größeren Schlachten stellen sich <strong>die</strong> Schiffe<br />
beider Flotten in Linie nebeneinander auf,<br />
wobei sich <strong>die</strong> größten Schiffe, einschließlich<br />
dem des Königs, in der Mitte der Formation<br />
befinden. Oft werden <strong>die</strong>se zusätzlich miteinander<br />
vertäut. Dies macht eine solche Formation<br />
zwar ziemlich unbeweglich, doch<br />
auch schwer angreifbar. Gleichzeitig ermöglicht<br />
es das leichte Verschieben von Kriegern<br />
an besonders gefährdete Stellen. Hochbordige<br />
Handelsschiffe sichern <strong>die</strong> Flanken, da sie<br />
nicht so leicht zu entern sind. Daneben operieren<br />
hinter der festen Gefechtsformation<br />
und ebenso an den Flanken einzelne Schiffe,<br />
deren Aufgabe darin besteht, <strong>die</strong> ähnlich<br />
agierenden feindlichen Fahrzeuge anzugreifen,<br />
im Falle eines Angriffs auf <strong>die</strong> eigene<br />
festgezurrte Gefechtsformation Verstärkungen<br />
zu bringen oder bei einem Sieg <strong>die</strong> Verfolgung<br />
aufzunehmen.<br />
Otto Schertler, Jg. 1962, stu<strong>die</strong>rte an der Universität<br />
München und arbeitet als Autor und Übersetzer. Experte<br />
für <strong>die</strong> Kriegführung in der Antike und im Mittelalter.
Fotostrecke | Overlord Museum<br />
Das Overlord Museum in der Norman<strong>die</strong><br />
Das schaurige<br />
Museums-Juwel<br />
6. Juni 1944: Die Operation „Overlord“ beginnt. Der Strandabschnitt, an dem hauptsächlich<br />
amerikanische Truppen landen, hat den Decknamen „Omaha“. Ein kleines Museum setzt<br />
Ausrüstung und Waffen der damaligen Gegner gekonnt in Szene. Von Michael Dodsworth<br />
Ein eigentlich recht unbekanntes Stück<br />
Strand in der Norman<strong>die</strong> wird mit einem<br />
Schlag weltberühmt: „Omaha<br />
Beach“. Hier entbrennt ein harter Kampf, als<br />
US-Verbände – <strong>die</strong> Teil der riesigen alliierten<br />
Invasionsarmee sind – auf Hitlers Atlantikwall<br />
treffen (siehe <strong>CLAUSEWITZ</strong> Spezial „D-<br />
DAY“). Auch an anderen Küstenabschnitten<br />
ist der Angriff auf <strong>die</strong> deutschen Stellungen<br />
für beide Seiten eine Angelegenheit von Leben<br />
und Tod. Doch speziell am „Omaha<br />
Beach“ führt das außerordentlich hartnäckige<br />
Verhalten sowohl von Angreifern als auch<br />
Verteidigern zu besonders hohen Opferzah-<br />
len. Die im Wasser treibenden Leichen und<br />
der blutige Sand werden sich in das Gedächtnis<br />
der Überlebenden eingebrannt haben –<br />
eine alptraumhafte Erinnerung. Das rotverfärbte<br />
Wasser führt dazu, dass <strong>die</strong>ser Ort für<br />
immer als „Bloody Omaha“ bezeichnet werden<br />
wird.<br />
Am 5. Juni 2013 wird das Overlord Museum,<br />
im Beisein einiger Veteranen, eröffnet.<br />
Anliegen des Museums ist es, alle damaligen<br />
Kombattanten in <strong>die</strong> Erinnerung zu integrieren<br />
– es ist also kein rein amerikanischer Gedächtnisort,<br />
sondern präsentiert auch <strong>die</strong><br />
deutsche Seite. Die Architektur des Ausstellungsgebäudes<br />
erinnert dabei an <strong>die</strong> enormen<br />
Betonbunker des Atlantikwalls – welche<br />
ironischerweise gebaut wurden, um genau so<br />
ein Museum zu verhindern. <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
zeigt auf den folgenden Seiten Impressionen<br />
von den Exponaten, um einen Eindruck von<br />
der detailliert gestalteten Ausstellung zu geben.<br />
Vielleicht <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> Fotos auch als Anregung<br />
für das eigene Erkunden beim nächsten<br />
Norman<strong>die</strong>-Besuch…<br />
Nähere Informationen zu Öffnungszeiten,<br />
Anfahrtswegen etc. unter: www.overlordmuseum.com<br />
(in englischer und französischer Sprache).<br />
Alle Fotos: Michael Dodsworth<br />
EISERNE WÄCHTER: Zwei amerikanische<br />
Sherman-Panzer „bewachen“<br />
das Museumsgelände (im Bild ist<br />
nur einer davon zu sehen). Der mittlere<br />
Kampfpanzer wurde von den Alliierten<br />
in großer Stückzahl eingesetzt.<br />
Der Sherman M4 genoss aber<br />
einen durchaus zweifelhaften Ruf:<br />
Aufgrund seiner leichten Entflammbarkeit<br />
nannten ihn <strong>die</strong> Deutschen<br />
„Feuerzeug“ oder „Tommy-Kocher“.<br />
60
REKONSTRUIERT: Das Museum wird vor allem für <strong>die</strong> authentischen<br />
Dioramen in Lebensgröße gelobt. Hier ist ein deutscher Trupp der<br />
Feldinstandsetzung nachgestellt. Die schwarze Mütze des Mechanikers<br />
lässt darauf schließen, dass er zu einem Panzerregiment gehört.<br />
NACHGESTELLT: Ein Sd.Kfz. 3b „Maultier“ – <strong>die</strong> Originalszene<br />
ist im Hintergrund auf Leinwand zu sehen und<br />
wurde als Diorama im Overlord Museum rekonstruiert.<br />
ARBEITSTIER: Die Studebaker US6 Trucks<br />
brachten unermüdlich Nachschub zu den etablierten<br />
Brückenköpfen. Als Vorratsbasis zu Wasser<br />
<strong>die</strong>nten <strong>die</strong> „Mullberry“-Häfen. Noch heute<br />
sind Reste einer solchen Anlage am Strand von<br />
Arromanches zu sehen – nicht weit vom Overlord<br />
Museum entfernt.<br />
GROßE<br />
AUFLAGE:<br />
Fast 43.000<br />
<strong>die</strong>ser M3<br />
Halbkettenfahrzeuge<br />
wurden<br />
produziert.<br />
Es war schnell<br />
und vielseitig<br />
einsetzbar.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
61
Fotostrecke | Overlord Museum<br />
VOM KAMPF GEZEICHNET: Dieser deutsche „Panther“<br />
hat einen schweren Treffer abbekommen. Die<br />
Ketten fehlen, und <strong>die</strong> 120 mm dicke Panzerung ist<br />
sichtlich mitgenommen. Zusammen mit der 7,5-cm-<br />
Kanone vermittelt <strong>die</strong>ses Exponat eindrücklich das<br />
Zerstörungspotenzial der damaligen Waffentechnik.<br />
KRÄFTIG: Das Sd.Kfz. 9<br />
war <strong>die</strong> Zugmaschine für<br />
<strong>die</strong> schwere deutsche<br />
Artillerie. Das Halbkettenfahrzeug<br />
kam an allen<br />
Fronten zum Einsatz<br />
– so auch am Atlantikwall.<br />
Etwa 2.500 Stück<br />
wurden während des<br />
Krieges produziert. Im<br />
Overlord Museum kann<br />
man <strong>die</strong>sen Koloss aus<br />
der Nähe betrachten.<br />
NAHAUFNAHME:<br />
Dieses Bild verdeutlicht<br />
den Detailreichtum<br />
der Sammlung.<br />
Die beiden Feldgendarmen<br />
sind gut an<br />
den Metallplaketten<br />
um den Hals zu erkennen<br />
(was zu<br />
dem Spitznamen<br />
„Kettenhunde“<br />
führte).<br />
62
Eindrucksvolle Kriegstechnik-Kollektion<br />
MODIFIZIERT:<br />
An <strong>die</strong>sem Sherman<br />
ist deutlich<br />
<strong>die</strong> Gleiskette<br />
mit Gummieinsätzen<br />
zu erkennen,<br />
um den<br />
Panzer für den<br />
Straßeneinsatz<br />
zu optimieren.<br />
IMPOSANTES EXPONAT: Hier ist ein<br />
amerikanischer DUKW zu sehen, der<br />
von 1942 bis 1945 von GMC produziert<br />
wurde. Das Amphibienfahrzeug war<br />
durch seine Land- und Seetauglichkeit<br />
vielseitig einsetzbar. Der Fahrer konnte<br />
den Luftdruck in den Reifen aus der<br />
Führerkabine regulieren, was beim<br />
Übergang von weichen auf harten<br />
Grund vorteilhaft ist. Nach dem Krieg<br />
überquerte ein DUKW den Kanal und<br />
bewies damit seine maritimen Fähigkeiten.<br />
Die Nähe und <strong>die</strong> Details <strong>die</strong>ser<br />
Museumsszene lassen <strong>die</strong> Besucher besonders<br />
lange verweilen. Natürlich kann<br />
kein noch so gutes Diorama <strong>die</strong> damaligen<br />
Grausamkeiten und <strong>die</strong> Angst der<br />
Soldaten vermitteln…<br />
KAMPFSZENE:<br />
Ein Sherman mit<br />
Soldaten am<br />
„Omaha Beach“.<br />
Das große Panoramabild<br />
im Hintergrund<br />
verortet <strong>die</strong><br />
Szene und steigert<br />
deren Intensität.<br />
Clausewitz 6/2014<br />
63
Meinung<br />
Knifflige Militärspiele<br />
Die Welt der<br />
Konfliktsimulationen<br />
Von Thomas Moder<br />
Literaturtipps<br />
Der Begriff „Kosim“ leitet sich von „Konfliktsimulation“<br />
her, wobei sich als Fachbegriff „das<br />
Kosim“ (Neutrum) in der Szene durchgesetzt<br />
hat. Kosims sind, vereinfacht ausgedrückt, komplexe<br />
Strategiespiele mit militärhistorischem Hintergrund.<br />
Dies ist jedoch keineswegs eine Erfindung der<br />
Neuzeit. Schon im alten China gibt es ein Spiel namens<br />
„Wei Chi“, bei dem zwei Spieler versuchen,<br />
möglichst große Bereiche des Spielbretts zu kontrollieren<br />
und gegnerische Spielsteine „gefangen“ zu<br />
nehmen. Allerdings ähnelte <strong>die</strong>ses Spiel mehr dem<br />
klassischen „Go“ als einem modernen Kosim. Auch<br />
in anderen Teilen der Welt wie Griechenland oder<br />
Rom sind Spiele <strong>die</strong>ser Art nicht unbekannt. Zudem<br />
haben Ausgrabungen ägyptische und sumerische<br />
Miniatursoldaten in Schlachtordnung zu Tage gefördert,<br />
<strong>die</strong> auf eine frühe Form der „Sandkastenspiele“<br />
hindeuten.<br />
Selbst das allseits beliebte Schachspiel entwickelt<br />
sich im 6. Jahrhundert in In<strong>die</strong>n aus einem Militärspiel,<br />
in dem man bereits <strong>die</strong> Waffengattungen Infanterie,<br />
Kavallerie und Marine findet. Erst im Laufe der<br />
Zeit verschwinden <strong>die</strong> Glücksfaktoren sowie zwei<br />
der vier Spieler, und es wird zu dem Schach in der<br />
heute bekannten Form. Mit der allgemeinen Verbreitung<br />
von Feuerwaffen Mitte des 17. Jahrhunderts<br />
werden durch Abwandlungen wieder <strong>die</strong> ursprünglichen<br />
militärischen Aspekte hervorgehoben, und es<br />
entwickelt sich eine Art „Kriegsschach“, das gerne in<br />
Robert Wolf: Konfliktsimulations- und Rollenspiele: Die neuen Spiele. (1988)<br />
Das wohl einzige deutschsprachige Buch zum Thema, aber leider schon lange nicht mehr im<br />
Handel erhältlich und nur noch antiquarisch zu bekommen.<br />
Christopher George Lewin: War Games and their History. (2012)<br />
Sehr gute Übersicht über <strong>die</strong> Geschichte von Wargames, besonders des 19. und 20. Jahrhunderts,<br />
allerdings nur wenige aktuelle Beispiele. Sehr viele Farbabbildungen.<br />
Philip Sabin: Simulating War: Studying conflict through Simulation Games. (2012)<br />
Fachliteratur, <strong>die</strong> sich im Detail mit der Wargame-Entwicklung und der Umsetzung von Konflikten<br />
im Spiel auseinandersetzt. Geht in den Bereich des militärischen Fachbuchs. Für weitergehende<br />
Stu<strong>die</strong>n zum Thema ein Muss! Der Autor ist Professor für strategische Stu<strong>die</strong>n am King‘s<br />
College London.<br />
Offizierskreisen gespielt wird. Beginnend in Preußen<br />
(durch Baron von Reisswitz) werden zu Anfang des<br />
19. Jahrhundert daraus immer größere und komplexere<br />
Planspiele, bei denen der ursprüngliche Spiel-<br />
Gedanke zu Gunsten einer reinen militärischen<br />
Nutzbarkeit fast vollkommen verschwindet. Diese<br />
„Sandkastenspiele“ werden durch umfangreiche Regeln,<br />
riesige Spielfelder sowie den Einsatz von<br />
Schiedsrichtern bestimmt.<br />
Kosims für das Pentagon<br />
Die eigentliche Idee des Spielens wird indes vom bekannten<br />
Autor H.G. Wells („Die Zeitmaschine“, 1895)<br />
weiter entwickelt, als er 1913 mit seinem Werk „Little<br />
Wars“ ein Regelwerk für Kriegsspiele mit Miniaturen<br />
veröffentlicht (heute als „Tabletop“ bezeichnet).<br />
Der Zeitraum der Weltkriege ist von einer Vielzahl<br />
patriotischer Militärspiele geprägt, in denen meist der<br />
jeweilige historische Gegner besiegt werden muss.<br />
Obwohl einige durchaus raffinierte und spannende<br />
Spiele dabei sind, dominiert <strong>die</strong> Propaganda das Feld,<br />
und nicht nur im Deutschen Reich sind so manche<br />
moralisch fragwürdigen Machwerke zu finden.<br />
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden<br />
Kriegsspiele vom Militär eher stiefmütterlich behandelt.<br />
Im zivilen Bereich ereignet sich 1953 jedoch etwas<br />
Bemerkenswertes: Der Amerikaner Charles S.<br />
Roberts bringt mit „Tactics“ das erste echte Kosim<br />
hervor. Obwohl sich im Spiel noch zwei fiktive<br />
Mächte bekämpfen und das Spielbrett in klassische<br />
Quadrate unterteilt ist (heute nutzt man meist hexagonale<br />
Felder), gilt <strong>die</strong>s als Geburtsstunde des modernen<br />
Kosims. 1958 gründet Roberts mit „Avalon<br />
Hill“ eine Firma, <strong>die</strong> 40 Jahre lang Spiele produziert,<br />
welche inzwischen Klassiker des Genres sind. Zu Ehren<br />
des Erfinders wird seit 1974 mit dem „Charles S.<br />
Roberts Award“ noch immer das beste Kosim des<br />
Jahres ausgezeichnet.<br />
Der Höhepunkt des Kosim-Booms liegt in den<br />
1980er-Jahren, als zeitweise über zwei Millionen<br />
Exemplare jährlich in den Handel gelangen. Mit dem<br />
Aufkommen von Computer- und Fantasy-Rollenspielen<br />
lässt das Interesse an Kosims in den 1990er-<br />
Jahren kontinuierlich nach, da den Spielern umfangreiche<br />
Alternativen zur Verfügung stehen.<br />
Fotos: Thomas Moder<br />
64
Interessanterweise entdeckt das Militär Kosims<br />
zu <strong>die</strong>ser Zeit wieder neu. Zwar nutzt man noch vereinzelt<br />
Planspiele, aber <strong>die</strong>se sind nicht auf jeden<br />
Konflikt anwendbar. So kommt es, dass das Pentagon<br />
mit Ausbruch des Zweiten Golfkrieges nach<br />
Möglichkeiten sucht, den weiteren Gang der Geschehnisse<br />
zu simulieren. Da vorhandene Programme<br />
keine Aufschlüsse bringen, wird Mark Herman<br />
mit seinem 1983 erschienenen Spiel „Gulf Strike“ (einem<br />
frei verkäuflichen Kosim über potentielle Konflikte<br />
in eben <strong>die</strong>ser Region) nach Washington gebeten<br />
und spielt dort mit Experten für den mittleren<br />
Osten sein Spiel. Die Resultate <strong>die</strong>ser Partie bestimmen<br />
zu einem guten Teil <strong>die</strong> Entscheidungen des<br />
Pentagon im August 1990.<br />
HINTERGRUND<br />
Die GHS<br />
Die GHS ist der einzige Verein in<br />
Deutschland, der sich mit dem Hobby<br />
des Kosim-Spielens auseinandersetzt.<br />
Die Gesellschaft für historische Simulationen<br />
e.V. (GHS) wurde vor über 25<br />
Jahren von begeisterten Spielern gegründet<br />
und bringt vierteljährlich ein<br />
deutschsprachiges Fachmagazin heraus.<br />
Neben dem jährlichen Vereinstreffen<br />
mit Besuchern aus aller Welt<br />
Fulminante Vielfalt<br />
Inzwischen sind <strong>die</strong> Grenzen von zivilen und militärischen<br />
Produkten fließend. Es gibt Werke von klassischen<br />
Kosim-Verlagen, an denen Militärs im taktischen<br />
Bereich ausgebildet werden, und umgekehrt<br />
können veraltete (und daher freigegebene) Militärsimulationen<br />
von interessierten Zivilisten gespielt<br />
werden. Heutzutage findet man Kosims zu allen Bereichen<br />
und Epochen der Militärgeschichte. Im Allgemeinen<br />
be<strong>die</strong>nt man sich mehr oder weniger komplexer<br />
Regeln und Zufallselemente, zum Beispiel in<br />
Form von Würfeln. Spielsteine („Counter" genannt),<br />
<strong>die</strong> zumeist militärische Verbände repräsentieren,<br />
werden so auf einer Art Landkarte bewegt. Der Maßstab<br />
von Karte und Countern reicht dabei von „taktisch“<br />
bis „strategisch“ und ermöglicht es, jeden gewünschten<br />
geschichtlichen Konflikt darzustellen,<br />
wobei <strong>die</strong> Spielzeit je nach Komplexität variieren<br />
kann. So gibt es Kosims, bei denen man mit wenig<br />
Material und Aufwand einen großen militärischen<br />
Konflikt in 30 Minuten nachspielen kann, während<br />
andere mit einem dicken Regelbuch und tausenden<br />
Countern für eine einzige Schlacht des Krieges mehrere<br />
Tage Spielzeit mit sich bringen!<br />
Da fast alle Kosims aus dem englischen Sprachraum<br />
kommen, finden sich nur bei den wenigsten<br />
deutsche Spielanleitungen, sodass ohne (Schul-)Englisch<br />
dem interessierten Spieler viele Werke vorenthalten<br />
bleiben. Obwohl meistens reine Zwei-Personen-Spiele,<br />
gibt es ebenso Solitärspiele oder solche,<br />
<strong>die</strong> erst mit fünf oder sechs Spielern ihren wahren<br />
Reiz entfalten.<br />
Keine Kriegsverherrlichung!<br />
Bei Kosims nimmt man aktiv am Geschehen teil –<br />
man kann deshalb besser begreifen, wieso gewisse<br />
Ereignisse seinerzeit genau so passiert sind. Gute Kosims<br />
setzen sich gezielt mit den besonderen Problematiken<br />
des jeweiligen Konflikts auseinander. Dabei<br />
kann der Schwerpunkt auf den unterschiedlichsten<br />
Aspekten wie Moral, Ausbildung, Wetter, Nachschub<br />
oder Aufklärung liegen. Wer sich mit Kosims beschäftigt,<br />
erfährt viel Neues und sieht <strong>die</strong> historischen Zusammenhänge<br />
aus einer anderen Perspektive.<br />
Kosims sind von der deutschen Presse in der Vergangenheit<br />
recht negativ behandelt worden. Krieg<br />
als Spiel hat hierzulande nun einmal, historisch bedingt,<br />
einen eher negativen Beiklang. Experten sprechen<br />
daher lieber von „Konfliktsimulationen“, während<br />
englischsprachige Verlage sich nicht scheuen,<br />
„Wargame“ auf <strong>die</strong> Verpackung zu schreiben. Dabei<br />
verherrlichen Kosims Kriege nicht oder wecken gar<br />
gewalttätige Tendenzen. Sie setzen sich wertfrei mit<br />
einem Konflikt auseinander. Robert Wolf beschreibt<br />
es in seinem 1988 erschienenen Buch „Konfliktsimulations-<br />
und Rollenspiele“ sinngemäß: „Genau so<br />
wenig wie das Spiel Hase und Igel bei den Spielenden<br />
einen ungezügelten Appetit auf Möhren entstehen<br />
lässt, entwickelt <strong>die</strong> Beschäftigung mit Kosims<br />
eine Killermentalität oder Kriegslüsternheit“.<br />
Kosims sind und bleiben eine interessante und<br />
lehrreiche Freizeitbeschäftigung. Es spricht auch für<br />
sich, dass bei BoardGameGeek, der weltweit wohl<br />
wichtigsten Seite für Brettspiele (www.boardgame geek.com),<br />
mit „Twilight Struggle“ (Der kalte Krieg<br />
1945–1989) seit Jahren ein Kosim auf Platz 1 der ewigen<br />
Bestenliste aller Spiele steht!<br />
Wer eine neue Sichtweise auf einen Konflikt<br />
möchte und vor einer gewissen Einstiegshürde nicht<br />
zurückschreckt, dem seien Kosims empfohlen. Doch<br />
Vorsicht, einmal damit angefangen, kann man so<br />
schnell nicht mehr davon lassen…<br />
hilft <strong>die</strong> GHS, Spieler in der Nähe zu<br />
finden, unterstützt beim Informationsaustausch<br />
untereinander (z.B. durch<br />
das Online-Forum) und fördert gezielt<br />
<strong>die</strong> Verbreitung von historischem Wissen.<br />
Wer Fragen zum Thema hat oder<br />
eine Kosim-Empfehlung möchte, dem<br />
wird dort gerne geholfen.<br />
Intnernet: www.ghs-kosim.de<br />
Kontakt: vorstand@ghs-kosim.de<br />
Thomas Moder, Jg. 1970,<br />
ist seit über 15 Jahren in der<br />
GHS aktiv, davon seit über<br />
fünf Jahren als Vorsitzender<br />
des Vereins. Er konnte zudem<br />
sein Hobby zum Beruf machen<br />
und arbeitet bei der<br />
Stadt Herne als stellvertretender<br />
Leiter des Spielezentrums,<br />
einer weltweit einzigartigen<br />
Institution zum Thema<br />
Brettspiel mit über 10.000<br />
ausleihbaren Spielen in der<br />
hauseigenen Spieliothek<br />
(siehe www.spielezentrum.de).<br />
Clausewitz 6/2014<br />
65
Spurensuche<br />
WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein<br />
gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die<br />
eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes<br />
Rheinland-Pfalz. Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />
Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz<br />
Preußens<br />
„Wacht am Rhein“<br />
66
Die Entstehungsgeschichte der Burg und<br />
Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe<br />
Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage,<br />
der Moselmündung direkt gegenüber,<br />
wird das Gelände befestigt (um 1000),<br />
dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut<br />
(1152–1169). Die Anlagen tragen den Namen<br />
„Helfenstein“, benannt nach dem reichsten<br />
und einflussreichsten Adelsgeschlecht im<br />
Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen <strong>die</strong><br />
Stadt Koblenz und <strong>die</strong> Burg gehört. Diese<br />
Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs<br />
Richard von Greiffenklau (1511/31)<br />
zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich<br />
über <strong>die</strong> gesamte nördliche Hochfläche in der<br />
Länge von circa 750 Metern und in einer Breite<br />
von etwa 300 Metern aus.<br />
Wichtiger Stützpunkt<br />
Seit <strong>die</strong>ser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe<br />
von Trier geworden, <strong>die</strong> im mittleren<br />
14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind<br />
und das Wahlrecht zum deutschen König<br />
ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres<br />
Gewahrsam für <strong>die</strong> kostbaren Reliquien und<br />
das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe<br />
des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648)<br />
wird <strong>die</strong> Festung militärisch genutzt, nachdem<br />
Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich<br />
für neutral erklärt hatte. Französische<br />
Truppen besetzen <strong>die</strong> Festung (1632) und<br />
werden vier Jahre später durch kaiserliche<br />
Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger<br />
Belagerung (1636). Die Festung wird<br />
nun von kaiserlichen Truppen besetzt und<br />
nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben<br />
(1650). So bleibt <strong>die</strong> Festung<br />
das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer<br />
Stützpunkt, den der jeweilige<br />
Gegner immer „im Auge behalten“ muss.<br />
Dies gilt in besonderem Maße für das operative<br />
Kalkül der<br />
französischen<br />
Generalität im<br />
17. Jahrhundert.<br />
Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime<br />
der europäischen Fürstenstaaten, besonders<br />
im Rheingebiet, durch den Vormarsch<br />
der französischen Revolutionstruppen<br />
erschüttert. Unter dem Kommando des<br />
Generals Marceau stößt <strong>die</strong> Sambre-Maas-<br />
Armee auf Koblenz vor (1794) und besetzt<br />
<strong>die</strong> Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23.<br />
Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit<br />
der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka<br />
8.000 Mann).<br />
Tödlicher „Ausfall”<br />
Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst<br />
von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen<br />
und Kontingenten Kurtriers, Kurkölns<br />
und des Hochstifts Münster zur Verteidigung<br />
unterstellt. Der Festungskommandant<br />
ist Oberst von Faber, der trotz<br />
personeller und finanzieller Hindernisse auf<br />
eine länger dauernde Belagerung gut vorbereitet<br />
ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen<br />
Vereinbarung beider Seiten stattfinden:<br />
Auf <strong>die</strong> Festung wird von Koblenz her<br />
nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung<br />
her <strong>die</strong> Stadt nicht beschossen. Am 17.<br />
Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen,<br />
um französische Truppen von den Höhen<br />
bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreitsteins<br />
– zurückzudrängen. In Laufgräben<br />
hatten sie sich dem südöstlich gelegenen<br />
Vorderhang der Festung angenähert. Einer<br />
kurtrierischen Jägerkompanie unter Führung<br />
des Leutnants Freiherr von Solemacher<br />
gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die<br />
französische Einheit zieht sich daraufhin<br />
wieder zurück.<br />
Doch <strong>die</strong>ser Ausfall kostet <strong>die</strong> Kompanie<br />
15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef.<br />
Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an <strong>die</strong><br />
Gefallenen erinnert.<br />
1817–1828: Auf den Ruinen des<br />
kurtrierischen Vorläufers wird <strong>die</strong><br />
preußische Festung Ehrenbreitstein<br />
errichtet. Gegenüber der<br />
Moselmündung bei Koblenz thront<br />
<strong>die</strong> imposante Festung auf dem<br />
Felssporn oberhalb des Rheins.<br />
Von Peter Többicke<br />
KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt<br />
von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im<br />
Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im<br />
frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />
Clausewitz 6/2014<br />
67
Spurensuche<br />
NAHAUFNAHME: Blick auf <strong>die</strong> Kurtine im inneren Bereich der Festung<br />
Ehrenbreitstein. Foto: ullstein bild – imageBROKER/Creativ Studio Heinemann<br />
IN GEDENKEN: Blick<br />
auf das Ehrenmal<br />
des Deutschen Heeres<br />
zur Erinnerung an<br />
<strong>die</strong> Toten deutschen<br />
Heeressoldaten beider<br />
Weltkriege und<br />
der Bundeswehr.<br />
Foto: picture-alliance/Arco<br />
Images GmbH<br />
ZUR ERINNERUNG: Gedenktafel<br />
für Leutnant von Solemacher<br />
und seine bei ihrem<br />
Ausfallversuch im Oktober<br />
1795 ebenfalls gefallenen<br />
Soldaten. Foto: Peter Többicke<br />
gung der Bauarbeiten erscheint nämlich in<br />
London ein Buch, dessen Autor dem britischen<br />
Generalstab angehört: Oberstleutnant<br />
J. G. Humfrey, und der Titel seines Buches<br />
lautet (1838) „An essay on the modern system<br />
of fortification adopted for the defence<br />
of the Rhine frontier …“ Es wird, wiederum<br />
vier Jahre dauern, bis es von F. Reinhard, einem<br />
Pionierhauptmann im Dienste der Königlich-Bayerischen<br />
Armee, ins Deutsche<br />
übertragen worden ist. Der Titel lautet: „Versuch<br />
eines neu angenommenen Fortifikations-Systems<br />
zur Vertheidigung der Rhein-<br />
Grenze (…) Exemplifiziert durch ein vollständiges<br />
Memoire über <strong>die</strong> Festung<br />
Coblenz, beleuchtet durch Pläne und Durchschnitte<br />
der Werke <strong>die</strong>ses Platzes“. Damit ist<br />
der Ehrenbreitstein militärisch nebensächlich<br />
geworden.<br />
REMILITARISIERUNG DES RHEINLANDES: Im Jahr 1936 ziehen wieder deutsche Soldaten<br />
auf den Ehrenbreitstein ein, dessen Befestigungswerke auch den Zweiten Weltkrieg weitgehend<br />
unbeschadet überstehen.<br />
Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />
Während der Belagerungsphase vom September<br />
bis Oktober 1795 werden mehr als<br />
16.000 Granaten aller Kaliber von der Festungsartillerie<br />
verschossen; darauf hin werden<br />
<strong>die</strong> französischen Angriffe abgebrochen<br />
und erst im Juni 1796 wieder aufgenommen.<br />
Im Frühjahr 1797 endet <strong>die</strong> französische Blockade<br />
mit einem Waffenstillstand, Hunger<br />
und Verrat führen 1799 zur Übergabe an <strong>die</strong><br />
Franzosen. Zwei Jahre später, inzwischen hat<br />
Napoleon Bonaparte den Rhein zur natürlichen<br />
Grenze Frankreichs im Osten gemacht,<br />
wird der Ehrenbreitstein gesprengt.<br />
Doch 1817 haben sich <strong>die</strong> Machtverhältnisse<br />
in Europa geändert: Napoleon ist besiegt,<br />
<strong>die</strong> Rheinprovinzen fallen Preußen zu,<br />
das nun <strong>die</strong> „Wacht am Rhein“ gegen Frankreich<br />
übernimmt. Folglich wird <strong>die</strong>se militärisch<br />
gesichert: Dazu gehört der systematische<br />
Ausbau von Koblenz zur Festung mit<br />
dem Ehrenbreitstein als zentrales Außenwerk<br />
im Osten. Als sie fertig gestellt sind,<br />
haben <strong>die</strong> Anlagen jedoch ihre militärische<br />
Bedeutung verloren. Vier Jahre nach Beendi-<br />
Literaturtipp<br />
Böckling, Manfred: Festung Ehrenbreitstein,<br />
hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Verwaltung<br />
der staatlichen Schlösser,<br />
Führungsheft 17 (1996).<br />
Ehrenbreitstein in der NS-Zeit<br />
Nun noch ein Blick in <strong>die</strong> Zeitgeschichte:<br />
Auch <strong>die</strong> Nationalsozialisten wissen <strong>die</strong> Attraktivität<br />
der Festung für ihre Zwecke zu<br />
nutzen. Joseph Goebbels organisiert als<br />
Reichspropagandaminister <strong>die</strong> „Saartreuekundgebung“<br />
auf dem Ehrenbreitstein<br />
(1934). Bereits seit dem 30. Januar 1933 weht<br />
eine riesige Hakenkreuzflagge über dem Ehrenbreitstein.<br />
In Koblenz hegt man <strong>die</strong> Hoffnung,<br />
dass der Ehrenbreitstein zum „Reichsehrenmal“<br />
erhoben wird. Aber es kommt<br />
anders, denn Hitler erklärt das „Tannenbergdenkmal“<br />
in Ostpreußen zum Nationaldenkmal<br />
(1935).<br />
Im Herbst 1936 wird <strong>die</strong> motorisierte<br />
Hundertschaft der Landespolizei-Abteilung<br />
Koblenz als 14. Kompanie in das Infanterie-<br />
Regiment 80 eingegliedert und als Panzerabwehreinheit<br />
auf der Festung stationiert.<br />
Weitere Truppen werden auf der Festung<br />
68
Faszinierende Wehranlage<br />
Fun<strong>die</strong>rt recherchiert,<br />
packend erzählt!<br />
BELIEBTES ZIEL: Blick auf den Oberen Schlosshof der Festung. Die ausgedehnte Anlage<br />
hat sich zu einer vielbesuchten Touristenattraktion entwickelt. Weite Teile der<br />
Wehranlage sind heute zugänglich.<br />
Foto: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv<br />
stationiert. Für <strong>die</strong>se Truppen, aber auch für<br />
<strong>die</strong> Bevölkerung, können <strong>die</strong> Stollen und Kasematten<br />
des Ehrenbreitstein als Luftschutz-<br />
Bunker genutzt werden. Im März 1945 wird<br />
Koblenz von der 87. US-Infanteriedivision<br />
eingenommen. Am 6. April weht das Sternenbanner<br />
über der Festung – in Anwesenheit<br />
des Befehlshabers der 12. US-Heeresgruppe<br />
(General Bradley).<br />
HINTERGRUND<br />
■ Artilleriebastion „Turm Ungenannt“ (Informations<strong>die</strong>nst<br />
zur Festungsgeschichte)<br />
■ Ehrenmal des Deutschen Heeres<br />
(im Eingang zum Hauptgraben)<br />
■ Fahnenturm<br />
■ Brunnen (Oberer Schlosshof) mit Rundblick<br />
auf Koblenz und Moselmündung<br />
(„Deutsches Eck“)<br />
■ Festungsrundweg<br />
Clausewitz 6/2014<br />
Nachkriegszeit und Gegenwart<br />
Im Juli 1945 wechselt <strong>die</strong> Besatzungsmacht,<br />
französische Truppen lösen <strong>die</strong> amerikanischen<br />
ab. Erneut wird <strong>die</strong> Trikolore aufgezogen,<br />
<strong>die</strong> von 1923–1929 über Koblenz wehte.<br />
Dank der amerikanischen Intervention des<br />
Generalmajors Allen bei der Interalliierten<br />
Militär-Kontrollkommission entgeht der Ehrenbreitstein<br />
der Schleifung – wegen seiner<br />
Einzigartigkeit als Kunstdenkmal.<br />
In der Nachkriegszeit werden Teile der<br />
Kasematten ausgebaut und <strong>die</strong>nen als Wohnungen<br />
für ausgebombte Koblenzer. Jahre<br />
später entwickelt sich der Ehrenbreitstein<br />
zum beliebten Ausflugziel für Einheimische<br />
und Touristen. Dann kommen alljährliche<br />
Touristenattraktionen wie zum Beispiel<br />
„Rhein in Flammen“ oder – im Jahre 2011<br />
mit großem Erfolg – <strong>die</strong> Bundesgartenschau<br />
hinzu, für <strong>die</strong> eigens eine Seilbahn von Koblenz<br />
bis zur Festung hinauf errichtet wurde.<br />
Heute sind weite Teile der ausgedehnten Festungsanlage<br />
zugänglich, darunter neuerdings<br />
auch der Komplex „Turm Ungenannt“ und<br />
der Kasemattenbau „Lange Linie“. Unmittelbar<br />
neben dem oberen Haupteingang der Festung<br />
beginnt der neue Weg zur Festungsgeschichte.<br />
Die Besucher erwartet eine museal<br />
aufbereitete Zeitreise durch <strong>die</strong> Geschichte<br />
des Ehrenbreitstein, von dem aus man einen<br />
herrlichen Blick auf <strong>die</strong> Moselmündung und<br />
das „Deutsche Eck“ werfen kann.<br />
Das Ehrenmal des Deutschen Heeres im<br />
Innern (Hauptgraben) der Festungsanlage<br />
erinnert seit seiner Einweihung im Jahr 1972<br />
an <strong>die</strong> „Toten des Deutschen Heeres“ in den<br />
beiden Weltkriegen. 2006 wurden <strong>die</strong> „Heeressoldaten<br />
der Bundeswehr, <strong>die</strong> für Frieden,<br />
Recht und Freiheit ihr Leben ließen“, in das<br />
Gedenken des Ehrenmals eingeschlossen.<br />
Seit wenigen Jahren sind im Rahmen des<br />
Rundwegs erstmals auch Dachbereiche zugänglich.<br />
Von dort aus bietet sich den Besuchern<br />
aus ungewöhnlicher Perspektive <strong>die</strong><br />
Gelegenheit zu Einblicken in <strong>die</strong> imposante<br />
Festung hinein.<br />
Dr. Peter Többicke, Historiker, Veröffentlichungen zur<br />
deutschen Militär- und Zeitgeschichte.<br />
Sehenswürdigkeiten (Auswahl)<br />
■ Innenanlagen soweit freigegeben<br />
■ Landesmuseum Koblenz (Bastion:<br />
Hohe Ostfront)<br />
■ Ausstellung „Festungsschicksale“<br />
(im Festungswerk „Ravelin“)<br />
■ Ausstellung „Geborgene Schätze“<br />
(im Festungswerk „Contregarde“ rechts)<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.<strong>die</strong>festungehrenbreitstein.de<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Jetzt am<br />
Kiosk!<br />
<br />
<br />
<br />
69
Feldherren<br />
AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische<br />
Aufnahme von Reinhard<br />
Scheer im Uniformrock der<br />
Kaiserlichen Marine. Er trägt<br />
den Orden „Pour le Mérite“,<br />
der ihm nach der Skagerrakschlacht<br />
von Kaiser<br />
Wilhelm II. verliehen wurde.<br />
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture<br />
Library<br />
Admiral Reinhard Scheer<br />
Zwischen<br />
Weitab von Deutschlands Küsten beginnt<br />
das erste Lebenskapitel Reinhard<br />
Scheers, der zweifellos zu den<br />
bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen<br />
Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte<br />
in <strong>die</strong> Geschichte eingegangen ist. Scheer<br />
kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen<br />
(heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen)<br />
zur Welt. Eltern und Großeltern<br />
stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als<br />
Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren<br />
den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg<br />
des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.<br />
Seine späteren beruflichen Aufgaben<br />
sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in<br />
das europäische und außereuropäische<br />
Ausland führen. Die Stellung Deutschlands<br />
mit seinen Stärken und Schwächen<br />
in der Welt musste ihm damals<br />
deutlich vor Augen stehen. Nur vor <strong>die</strong>sem<br />
Hintergrund kann der Mensch und<br />
der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen<br />
beurteilt werden.<br />
Steiler Aufstieg<br />
Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett<br />
in <strong>die</strong> Kaiserliche Marine ein.<br />
Schon während seiner Ausbildung<br />
zum Offizier liegt er immer in der<br />
Spitzengruppe seines Jahrgangs und<br />
bleibt <strong>die</strong>s auch während der anschließenden<br />
Offizierverwendungen.<br />
Schon früh wird daher <strong>die</strong> Personalführung<br />
auf ihn aufmerksam. Sie bereitet<br />
ihn in abgewogenen Wechseln<br />
zwischen Bordkommandos und Landverwendungen<br />
in Stäben auf <strong>die</strong> Übernahme<br />
von verantwortungsvollen und fordernden<br />
Positionen innerhalb des<br />
Führungskorps der Marine vor. Das<br />
gelingt im Fall von Scheer nahezu<br />
ideal, denn bei seiner Ernennung<br />
zum Chef des Stabes der Hochseeflotte<br />
am 1. Oktober 1909 und der<br />
70
Triumph und Tragö<strong>die</strong><br />
31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher<br />
Erfolg gegen <strong>die</strong> „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende<br />
1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem<br />
AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als<br />
Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich<br />
Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff.<br />
Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />
Clausewitz 6/2014<br />
71
Feldherren<br />
AN BORD DES FLAGGSCHIFFES: Der Flottenchef zusammen mit dem Flottenstab unter den Geschützrohren seines Flaggschiffes, links Kapitän<br />
zur See von Levetzow, rechts sein Stabschef Kapitän zur See von Trotha als seine engsten Mitarbeiter. Foto: picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst<br />
anschließenden Beförderung zum Konter-admiral<br />
am 27. Januar 1910 hat der 46-jährige<br />
Seeoffizier 16,5 Jahre an Bord und 13,5 Jahre<br />
an Land in Stabsstellungen verbracht. Nach<br />
eigenen Angaben hat Scheer den Einsatz in<br />
der Torpedowaffe einschließlich seiner Referententätigkeit<br />
in <strong>die</strong>sem Bereich im Reichsmarineamt<br />
unter Alfred von Tirpitz (1849–<br />
1930) als besonders prägend empfunden.<br />
Scheer als Hoffnungsträger<br />
Noch in den Monaten vor dem Ausbruch der<br />
Ersten Weltkrieges übernimmt er am 9. Dezember<br />
1913 als Vizeadmiral das II. Geschwader<br />
und im Dezember 1914 das III. Geschwader<br />
der Hochseeflotte mit insgesamt<br />
acht der modernsten deutschen Linienschiffe<br />
(Schlachtschiffe). Dieses Geschwader stellte<br />
den kampfkräftigsten Kern der Deutschen<br />
Hochseeflotte in der Nordsee dar. Der damalige<br />
Flottenchef, Admiral Hugo von Pohl, beurteilt<br />
Scheer zum 1. Dezember 1915 wie<br />
folgt: „Energischer, <strong>die</strong>nstfreudiger, leistungsfähiger<br />
und im Flotten<strong>die</strong>nst erfahrener<br />
Flaggoffizier. Besitzt das Vertrauen seiner<br />
Kommandanten und Offiziere. Wird Geschwader<br />
in der Schlacht gut führen. Zum<br />
Flottenchef geeignet und zur Verwendung<br />
als Staatssekretär im RMA [Reichsmarineamt]<br />
befähigt. v. Pohl.“<br />
In der Flotte hat sich Scheer zu <strong>die</strong>sem<br />
Zeitpunkt einen vorzüglichen Namen gemacht.<br />
Er gilt als strenger, aber gerechter<br />
Vorgesetzter mit hohen Anforderungen an<br />
seine Untergebenen, von denen er vorbildliches<br />
Auftreten in jeder Beziehung fordert.<br />
Gleiches gilt selbstverständlich auch für ihn<br />
selbst. Seine fachliche Kompetenz ist unbestritten.<br />
Er liebt <strong>die</strong>nstliche Selbstständigkeit,<br />
gewährt sie aber auch Untergebenen.<br />
Grundzüge seines Charakters sind hohes<br />
Selbstbewusstsein und unerschütterliches<br />
Vertrauen in <strong>die</strong> eigene Leistungsfähigkeit.<br />
Sein selbst gewählter Leitsatz lautet: „Was<br />
andere leisten können, kannst Du mindestens<br />
auch.“ Mit <strong>die</strong>sem Lebensgefühl entsprach<br />
er ziemlich genau dem nationalen<br />
Überschwang eines Großteils der Bevölkerung<br />
des Wilhelminischen Kaiserreiches.<br />
Nach der Ablösung des ersten Flottenchefs<br />
Friedrich von Ingenohl (1857–1933) und dem<br />
Tod seines Nachfolgers Hugo von Pohl übernimmt<br />
Reinhard Scheer am 9. Januar 1916<br />
<strong>die</strong> Stellung des Flottenchefs der Hochseeflotte.<br />
Diese befindet sich zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />
in einer schweren Krise. Der Grund:<br />
Der ursprüngliche Operationsplan mit einer<br />
arrangierten Seeschlacht in der südlichen<br />
Nordsee ist nicht aufgegangen, denn <strong>die</strong><br />
Grand Fleet der Briten blockiert <strong>die</strong> Ausgänge<br />
aus der Deutschen Bucht in den Atlantik<br />
bei den Shetlands – unerreichbar für <strong>die</strong><br />
deutschen Schiffe und Boote. Zur Schlacht<br />
stellt sie sich nicht.<br />
Scheer verspricht höheres Risiko<br />
Die Deutsche Hochseeflotte geht ihrerseits<br />
aufgrund des kaiserlichen Operationsbefehls<br />
kein Risiko ein und liegt deswegen zumeist<br />
im Hafen oder auf Reede. Bisher eher<br />
zufällig eingetretene Gefechte <strong>waren</strong> für <strong>die</strong><br />
Deutschen wenig günstig ausgegangen. Die<br />
auf Angriff und Offensive ausgebildeten Offiziere<br />
und Mannschaften <strong>waren</strong> unzufrieden<br />
und zweifelten schließlich am Sinn ihres<br />
„Die deutsche Flotte hat ihren Kerkermeister<br />
angegriffen, aber sie ist immer noch im Gefängnis.“<br />
Meldung einer New Yorker Zeitung nach der Skagerrakschlacht 1916.<br />
72
Von kämpferischem Naturell<br />
Dienstes. Der neue Flottenchef verspricht ihnen<br />
nun mehr Einsätze und höheres Risiko.<br />
Er kann zudem aufgrund seine Wesens und<br />
seines Charakters Optimismus<br />
und Zuversicht ausstrahlen.<br />
Dabei plä<strong>die</strong>rte Scheer unter<br />
den vorherigen Flottenchefs<br />
nicht gerade für Angriffsoperationen,<br />
sondern hat<br />
eher zurückhaltend agiert.<br />
Sein Sinneswandel mag<br />
auch auf den Einfluss<br />
zweier bewährter Linienschiffskommandanten<br />
zurückzuführen<br />
sein, <strong>die</strong> Scheer<br />
bewusst in seinen Stab holte:<br />
Chef des Stabes wurde Kapitän<br />
zur See Adolf von Trotha, Chef<br />
der Operationsabteilung der Kapitän<br />
zur See Magnus von Levetzow.<br />
Mit Übernahme seines neuen Amtes<br />
stellt Scheer <strong>die</strong> Seekriegführung in der<br />
Nordsee auch operativ um. Nun werden neben<br />
den Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern<br />
auch alle weiteren verfügbaren Seekriegsmittel<br />
wie Luftschiffe, Minenstreitkräfte<br />
und Unterseeboote in einer<br />
„verbundenen Operationsführung“ zusammengeführt<br />
und eingesetzt. Ziel aller Bemühungen<br />
ist immer noch <strong>die</strong> Seeschlacht unter<br />
günstigen Bedingungen, insbesondere gegen<br />
Teile der Grand Fleet – wobei man zuversichtlich<br />
auf einen Erfolg hofft.<br />
Das eher zufällige Aufeinandertreffen der<br />
Hochseeflotte und der Grand Fleet unter Admiral<br />
John Jellicoe (1859–1935) am 31. Mai<br />
1916 vor dem Skagerrak bietet schließlich eine<br />
solche Gelegenheit. Scheers Führung in<br />
der Schlacht wird allgemein als kraftvoll,<br />
Ausgestellt<br />
Diese Büste von Scheer stammt<br />
von dem Hamburger Künstler<br />
Dr. Fritz Bürger und wird in der<br />
Lehrsammlung der Marineschule<br />
gezeigt. Foto: Marineschule Mürwik<br />
entschlussfreudig und sicher beurteilt. Die<br />
dritte Gefechtskehrtwendung in den späten<br />
Abendstunden in <strong>die</strong> im „Crossing the T“<br />
voll entfaltete englische Flotte hinein wird<br />
jedoch als zu risikoreich, zumal ohne<br />
vorherige Aufklärung, eingestuft.<br />
Hier habe nur das Glück des Tüchtigen<br />
geholfen, war eine spätere Betrachtung.<br />
Letztlich wollte Scheer genauso<br />
wenig wie sein Gegner Jellicoe <strong>die</strong><br />
Schlacht durchschlagen. Ein späterer hoher<br />
Flaggoffizier der Kriegsmarine, der als Torpedobootskommandant<br />
<strong>die</strong> Schlacht an allen<br />
Brennpunkten miterlebt hat, schrieb später<br />
in privaten Aufzeichnungen: „So kühn<br />
Scheers Führung in der Schlacht war, <strong>die</strong> ihm<br />
mit den dabei errungenen Erfolgen stets einen<br />
Ehrenplatz in der Geschichte sichern<br />
wird, so hätte meines Erachtens erst der weitere<br />
Entschluss, am nächsten Morgen erneut<br />
zu kämpfen, ihn in <strong>die</strong> Reihen der ganz großen<br />
Führer erhoben…“.<br />
Insbesondere in den Torpedobootsflottillen<br />
wird <strong>die</strong>se Ansicht von vielen geteilt.<br />
Nach der Skagerrakschlacht erkennt<br />
Scheer, dass <strong>die</strong> Hochseeflotte nicht mehr<br />
kriegsentscheidend einzusetzen ist. Der uneingeschränkte<br />
U-Boot-Krieg war nun <strong>die</strong><br />
letzte Trumpfkarte der Kaiserlichen Marine.<br />
Damit ist jedoch zwangsläufig der Eintritt<br />
der USA in <strong>die</strong> Reihe der deutschen Kriegsgegner<br />
verbunden. Ohne Zweifel ist Scheer<br />
sich <strong>die</strong>ser Konsequenz bewusst, meint aber,<br />
sie tragen zu können und zu müssen, da nur<br />
so ein erfolgreicher Kriegsausgang für das<br />
Deutsche Reich noch zu erreichen war. Sein<br />
„kämpferisches Naturell“ (Friedrich Forstmeier)<br />
ließ ihn nur <strong>die</strong>sen Weg wählen.<br />
Starke Stellung<br />
Trotzdem bleibt <strong>die</strong> Hochseeflotte weiterhin<br />
der zentrale Ankerpunkt in seinem strategischen<br />
und auch operativen Denken. Hierbei<br />
aber neue Wege zu gehen, etwa mit einer<br />
durchaus möglichen offensiven Seekriegführung<br />
im englischen Kanal oder mit der kraftvollen<br />
Unterstützung des deutschen Heeres<br />
auf dessen Vormarsch im Baltikum, gelingt<br />
nicht. Dies wäre durchaus möglich und auch<br />
gegen andere Führungsstellen des Reiches<br />
durchsetzbar gewesen, denn Scheers Stellung<br />
war nach dem zumindest taktischen Erfolg<br />
gegen <strong>die</strong> englische Flotte in der Skagerrakschlacht<br />
sehr stark.<br />
Die Unruhen auf einigen Linienschiffen<br />
der eigenen Flotte im Jahr 1917 treffen Scheer<br />
völlig überraschend. Insbesondere angesichts<br />
BESUCH AN BORD: Dieses Foto zeigt den<br />
Großherzog von Baden, Friedrich II., bei einem<br />
Besuch bei Scheer auf dessen damaligem<br />
Flottenflaggschiff SMS BADEN am<br />
25. Mai 1918. Foto: Marineschule Mürwik<br />
FLOTTENFLAGGSCHIFF: An Bord des Großlinienschiffs<br />
SMS FRIEDRICH DER GROSSE führt<br />
Vizeadmiral Reinhard Scheer <strong>die</strong> Skagerrakschlacht<br />
der deutschen Hochseeflotte gegen<br />
<strong>die</strong> englische Grand Fleet am 31. Mai 1916.<br />
Foto: picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst<br />
Clausewitz 6/2014<br />
73
Feldherren<br />
SCHEER ALS NAMENGEBER: Stapellauf<br />
des Panzerschiffs ADMIRAL SCHEER am<br />
1. April 1933 in Wilhelmshaven.<br />
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />
des untadeligen Verhaltens der Besatzungen<br />
in der Schlacht am Skagerrak kann der Flottenchef<br />
nicht verstehen, dass es Besatzungsmitglieder<br />
gibt, <strong>die</strong> nicht mit allem Diensteifer<br />
und höchster Hingabe ihre militärischen<br />
Aufgaben weiterhin zu erfüllen suchen.<br />
Dass der fehlende militärische Einsatz der<br />
Schiffe zur Unzufriedenheit beitragen würde,<br />
ist ihm durchaus bewusst. Dass aber<br />
auch mangelhafte und dilettantische Führung<br />
der Besatzungen durch Offiziere „seiner“<br />
Flotte dazu erheblich beitrugen, kann er<br />
nicht nachvollziehen. Auch ohne <strong>die</strong> Vollstreckung<br />
der Todesurteile gegen <strong>die</strong> Matrosen<br />
Max Reichpietsch und Albin Köbis wäre<br />
<strong>die</strong> Disziplin auf den betroffenen Schiffen<br />
wieder herzustellen gewesen. Die Maßnahmen,<br />
<strong>die</strong> Scheer einleitet, um <strong>die</strong> Besatzungen<br />
mehr an der Dienstgestaltung teilhaben<br />
zu lassen, sind halbherzig und können <strong>die</strong><br />
Kluft zwischen Offizieren und Mannschafts<strong>die</strong>nstgraden<br />
nicht mehr schließen.<br />
Chef der Seekriegsleitung<br />
Durchaus erfolgreich agiert Scheer bei der<br />
Schaffung einer effektiven Führungsstruktur<br />
für <strong>die</strong> Kaiserliche Marine. Er selbst hat oft<br />
„Wir dürfen aber auch ….nicht aus dem Auge<br />
und den Gefühl verlieren, dass <strong>die</strong> Seegeltung<br />
eines Staates nur getragen wird<br />
von einer kampffähigen Hochseeflotte.“<br />
Auszug aus dem Tagesbefehl von Admiral Scheer am 31. Januar 1917.<br />
erlebt, wie <strong>die</strong> verschiedenen Immediatstellen<br />
mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser<br />
eine straffe und den sich entwickelnden<br />
Ereignissen angepasste Führung verhinderten.<br />
Die kritische Lage des Reiches und <strong>die</strong><br />
Führungsschwäche von Kaiser Wilhelm II.<br />
erfordern kategorisch eine nun „Seekriegsleitung“<br />
genannte zentrale Führungsstelle,<br />
<strong>die</strong> im Hauptquartier angesiedelt ist und mit<br />
ZEITGENÖSSISCH: Nachricht eines Herrn<br />
Peter vom 30. November 1928, in der <strong>die</strong>ser<br />
Wilhelm Rollmann – vermutlich der spätere<br />
U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine – auf<br />
der Rückseite eines Fotos mitteilt, den „Sieger<br />
von Skagerrak“ zu Grabe getragen zu<br />
haben.<br />
Foto: Marineschule Mürwik<br />
der Obersten Heeresleitung (OHL) auf gleicher<br />
Ebene agieren konnte.<br />
Im August 1918 wird Scheer Chef der Seekriegsleitung,<br />
<strong>die</strong> Führung der Hochseeflotte<br />
geht auf Admiral Ritter von Hipper über.<br />
Strategische oder operative Auswirkungen<br />
hat <strong>die</strong>se Veränderung der Führungsstruktur<br />
nicht mehr, denn <strong>die</strong> Einleitung von Waffenstillstands-<br />
und Friedensverhandlungen<br />
am 28. September 1918 sollten <strong>die</strong> politische<br />
und militärische Lage von Grund auf ändern.<br />
Der U-Boot-Krieg wird gegen Scheers<br />
eigentliche Überzeugung eingestellt, umso<br />
mehr drängt er nun auf den Einsatz der noch<br />
intakten und einsatzfähigen Hochseeflotte.<br />
Ein bereits für 1917 ausgearbeiteter Operati-<br />
74
Tragische Momente<br />
onsplan wird aktualisiert. Dieser sieht einen<br />
massiven Angriff der Hochseeflotte gegen<br />
den englischen Kanal, <strong>die</strong> flandrische Küste<br />
und in <strong>die</strong> Themsemündung vor, verbunden<br />
mit Luftangriffen durch Zeppeline, Minenkrieg<br />
und U-Boot-Angriffen.<br />
Literaturtipps<br />
Epkenhans, M.; Hillmann, J.; Nägler, F. (Hrsg. ):<br />
Skagerrakschlacht. Vorgeschichte – Ereignis –<br />
Verarbeitung, München 2009.<br />
Hubatsch, Walter: Kaiserliche Marine. Aufgaben<br />
und Leistungen, München 1975.<br />
LETZTE RUHESTÄTTE: Scheer ist in Weimar<br />
in einem Ehrengrab zusammen mit seiner<br />
Ehefrau beigesetzt. Der Grabstein zeigt „seine“<br />
Admiralsflagge und das Wort „Skagerrak“.<br />
Foto: Sammlung Eberhard Kliem<br />
Schmerzliche Erfahrung<br />
Die militärischen Erfolgssausichten werden<br />
unterschiedlich beurteilt. Unbestritten ist<br />
aber, dass ein solches eigenständiges Vorgehen<br />
der Flotte den politischen Verhandlungen<br />
und Vorstellungen der Reichsregierung<br />
diametral entgegenstand. Scheer konnte<br />
nicht verstehen, dass – so schmerzlich <strong>die</strong>s<br />
für ihn persönlich, aber auch für das ältere<br />
Offizierkorps der Marine war – alle Ehr- und<br />
Pflichtgefühle hinter dem politischen Willen<br />
zurückstehen mussten. Als im Oktober 1918<br />
der von Scheer gebilligte und von Flottenchef<br />
Admiral Ritter von Hipper erteilte Auslaufbefehl<br />
von Teilen der Besatzungen einiger<br />
schwerer Einheiten nicht befolgt wird,<br />
kommt auch <strong>die</strong>s für Scheer und den Flottenstab<br />
überraschend. Diese Tatsache zeigt aber<br />
wiederum <strong>die</strong> bereits 1917 feststellbare Ferne<br />
des Führungskorps der Hochseeflotte<br />
vom realen Fühlen und Denken der Besatzungen.<br />
Heute ist klar: Das „Management“ der<br />
Befehlsverweigerungen war ungeschickt<br />
und unsicher. Auch hier zeigte sich <strong>die</strong> mangelnde<br />
Erfahrung der Kaiserlichen Marine<br />
im Gegensatz zur Grand Fleet. Diese hatte<br />
ebenfalls ähnliche und vergleichbare Situationen<br />
erlebt, sie aber mit Jahrhunderte alter<br />
Erfahrung besser gemeistert.<br />
Abschied und Tod<br />
Als durch <strong>die</strong> Verlegung der Einheiten nach<br />
Kiel der Funke der Revolution weiter getragen<br />
wird, ist <strong>die</strong> Hochseeflotte als militärisches<br />
Instrument unbrauchbar geworden.<br />
Am 17. Dezember 1918 erhält Scheer den erbetenen<br />
Abschied aus der Kaiserlichen Marine.<br />
Scheers späte Lebensjahre sind voller tragischer<br />
Momente. Seine Frau fällt 1920 einem<br />
Mordanschlag zum Opfer – möglicherweise<br />
politisch motiviert und eigentlich ihm<br />
geltend. Er selbst stirbt während einer Vortragsreise<br />
am 26. November 1928 in Marktredwitz<br />
in Oberfranken. Beerdigt ist er in<br />
Weimar. Neben den Geburts- und Sterbedaten<br />
finden sich auf dem Grabstein in Bronze<br />
gegossen <strong>die</strong> Admiralsflagge und das Wort<br />
„Skagerrak“.<br />
Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D.,<br />
zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />
drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums<br />
in Wilhelmshaven.<br />
Numismatische Sammlerliteratur<br />
Was sind meine Banknoten,<br />
Münzen und Orden wert?<br />
Rosenberg/Grabowski:<br />
Die deutschen<br />
Banknoten ab 1871<br />
19. Auflage 2013,<br />
Format 14,8 x 21 cm,<br />
640 Seiten, Broschur<br />
ISBN 978-3-86646-553-4<br />
Preis: 24.90 EUR<br />
Kurt Jaeger:<br />
Die deutschen Münzen<br />
seit 1871<br />
23. Auflage 2013,<br />
Format 11,5 x 18,5 cm,<br />
928 Seiten, Broschur<br />
ISBN 978-3-86646-554-1<br />
Preis: 24.90 EUR<br />
Jörg u. Anke Nimmergut:<br />
Deutsche Orden und<br />
Ehrenzeichen 1800–1945<br />
20. Auflage 2014/2015,<br />
Format 12,5 x 19 cm,<br />
ca. 1000 Seiten, Broschur<br />
ISBN 978-3-86646-110-9<br />
Preis: 39.90 EUR<br />
Gerhard Schön:<br />
Euro<br />
Münzkatalog<br />
13. Auflage 2014,<br />
Format 12,5 x 19 cm,<br />
1152 Seiten, Broschur<br />
ISBN 978-3-86646-105-5<br />
Preis: 14.90 EUR<br />
Günter u. Gerhard Schön:<br />
Weltmünzkatalog<br />
20. Jahrhundert<br />
43. Auflage 2014/2015,<br />
Format 17 x 24 cm,<br />
über 1800 Seiten, Broschur<br />
ISBN 978-3-86646-108-6<br />
Preis: 49.90 EUR<br />
Ursula Kampmann:<br />
Die Münzen der<br />
römischen Kaiserzeit<br />
2. Auflage 2011,<br />
Format 17 x 24 cm,<br />
544 Seiten, Hardcover<br />
ISBN 978-3-86646-071-3<br />
Preis: 39.90 EUR<br />
BATTENBERG · GIETL VERLAG GMBH<br />
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Museen & Militärakademien<br />
Ehrenmale in Möltenort und Laboe<br />
Markante<br />
Wahrzeichen<br />
2014: Kiel ist bis heute ein bedeutender Marinestützpunkt. An der Kieler Förde erinnern<br />
zwei bedeutende Ehrenmale an <strong>die</strong> „auf See verstorbenen Marineangehörigen“ und <strong>die</strong><br />
„auf See gebliebenen U-Boot-Fahrer“.<br />
Von Joachim Schröder<br />
Der Film-Klassiker „Das Boot“ aus den<br />
1980er-Jahren hat einem Millionenpublikum<br />
in aller Welt den U-Boot-Krieg<br />
des Zweiten Weltkrieges nahe gebracht. Die<br />
ungeschminkte Darstellung der körperlichen<br />
und seelischen Qualen einer U-Boot-<br />
Besatzung (U 96 vom Typ VIIC) wurde zu<br />
recht mit einer Oskar-Nominierung belohnt.<br />
Jürgen Prochnow als Kapitänleutnant und<br />
Herbert Grönemeyer als Kriegsberichterstatter<br />
geben dem namenlosen Grauen in dem<br />
erfolgreichen Kinofilm ein Gesicht.<br />
Gewiss brachten <strong>die</strong> U-Boot-Fahrer in beiden<br />
Weltkriegen oft genug Tod und Vernichtung<br />
über den Gegner und versenkten Tausende<br />
von Schiffen, aber letztendlich <strong>waren</strong><br />
sie doch selbst auch Leidtragende ihrer Zeit.<br />
Es ist allgemein bekannt, dass <strong>die</strong><br />
U-Bootwaffe von allen Waffengattungen<br />
<strong>die</strong> höchsten Verlustzahlen<br />
zu verzeichnen hatte: Im<br />
Zweiten Weltkrieg blieben drei<br />
von vier U-Bootmännern auf See.<br />
Das U-Boot-Ehrenmal Möltenort<br />
im Seebad Heikendorf, unweit<br />
des weithin sichtbaren Marine-Ehrenmals<br />
Laboe, hält <strong>die</strong> Erinnerung<br />
an mehr als 35.000 U-Boot-Fahrer beider<br />
Weltkriege wach, für <strong>die</strong> ihre Boote im<br />
wahrsten Sinne des Wortes zu „eisernen Särgen“<br />
wurden. Boot für Boot und Mann für<br />
Mann werden auf schweren, in den Boden<br />
eingelassenen Bronzeplatten festgehalten,<br />
<strong>die</strong> wiederum in einem halbkreisförmigen<br />
RELIKT EINER TRAGÖDIE:<br />
Erinnerung an <strong>die</strong> wohl größte<br />
Schiffskatastrophe der Welt:<br />
Ein Bullauge der 1945 von<br />
einem sowjetischen U-Boot<br />
torpe<strong>die</strong>rten WILHELM<br />
GUSTLOFF. Sammlung: J. Schröder<br />
Gang angeordnet sind. Soweit<br />
bekannt sind <strong>die</strong> Angaben sehr detailliert<br />
und enthalten neben den<br />
Namen, Geburtsdaten und Diensträngen<br />
der einzelnen Besatzungsmitglieder auch<br />
den Ort, <strong>die</strong> Zeit und <strong>die</strong> genaue Ursache<br />
des Untergangs der Unterseeboote. Die<br />
schier endlosen Namenslisten zeigen in gleicher<br />
Weise bekannte Kapitäne wie unbe-<br />
MONUMENTAL: Das Marine-Ehrenmal<br />
in Laboe ist weithin sichtbares<br />
Wahrzeichen der Kieler Außerförde.<br />
Es bietet einen eindrucksvollen<br />
Rundblick über <strong>die</strong> Förde und<br />
das Umland von Laboe, in der unteren<br />
linken Bildhälfte ist U 995 gut<br />
zu erkennen.<br />
Foto: picture-alliance/Hinrich Bäsemann<br />
76
kannte U-Boot-Fahrer. So findet sich selbstverständlich<br />
auch Günther Prien, Kommandant<br />
von U 47, der für seine militärischen Erfolge<br />
in Scapa Flow 1939 als „Volksheld“ gefeiert<br />
wurde. Wer aber kennt schon <strong>die</strong><br />
Namen derer, deren U-Boote besonders in<br />
den letzten Kriegsmonaten beider Weltkriege<br />
kaum mehr als eine Feindfahrt überstanden?<br />
Gerade <strong>die</strong>ser Seeleute zu gedenken,<br />
ist <strong>die</strong> Aufgabe der Gedenkstätte in Heikendorf.<br />
Eine Bronzetafel verzeichnet zudem<br />
<strong>die</strong> in Friedenszeiten gesunkenen deutschen<br />
U-Boote: U 3 im Jahre 1911, U 18 im Jahre<br />
1936 und U „Hai“ im Jahre 1966.<br />
Zu Ehren der U-Boot-Fahrer<br />
Im Jahre 1930 als Denkmal für <strong>die</strong> Gefallenen<br />
des Ersten Weltkrieges eingeweiht, wurde<br />
das Ehrenmal bereits 1936 wegen Materialschäden<br />
wieder abgerissen und bis 1938<br />
neu errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
musste das Ehrenmal zwangsläufig neu ausgerichtet<br />
werden. In den beiden, mit vielen<br />
Kränzen geschmückten Ehrenhallen wird<br />
auch an <strong>die</strong> vielen Tausend Opfer des deutschen<br />
U-Boot-Krieges erinnert. Nach wie vor<br />
aber wird <strong>die</strong> Vorderfront des Ehrenmals dominiert<br />
von einem Seeadler, der mit einer<br />
Spannweite von 4,80 Meter auf einem über<br />
15 Meter hohen Sandsteinpfeiler thront.<br />
<strong>Wie</strong> beengt und spartanisch <strong>die</strong> U-Boot-<br />
Besatzungen samt ihrer Offiziere untergebracht<br />
<strong>waren</strong>, lässt sich im Seebad Laboe erkunden:<br />
Dort, nur rund fünf Kilometer von<br />
Heikendorf entfernt, ist direkt am Strand<br />
U 995 aufgestellt worden. Dieses Boot vom<br />
Typ VIIC/41 <strong>die</strong>nt heute als Technikmuseum.<br />
Von außen wirkt das U-Boot recht<br />
groß: U 995 misst immerhin 67,23 Meter in<br />
der Länge, der Durchmesser des Druckkörpers<br />
beträgt 4,70 Meter und <strong>die</strong> Gesamthöhe<br />
erreicht fast zehn Meter. Die in den Himmel<br />
gerichteten Fliegerabwehrkanonen (1 x 3,7-<br />
cm-Flak, 2 x 2-cm-Zwillings-Flak) können<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade<br />
<strong>die</strong> feindlichen Flugzeuge <strong>waren</strong>, <strong>die</strong> vielen<br />
U-Booten den Untergang brachten. Beachtenswert<br />
ist sicherlich das eigentümliche<br />
Abzeichen am Turm des U-Bootes: „Fang<br />
den Hut“ in Anlehnung an das bekannte<br />
Kinderspiel. Vermutlich wollte <strong>die</strong> Besatzung<br />
damit ausdrücken, dass aus Jägern<br />
längst Gejagte geworden <strong>waren</strong>.<br />
Geste der Versöhnung<br />
U 995 wurde im September 1943 in Dienst<br />
gestellt und absolvierte von Norwegen aus<br />
mehrere Feindfahrten im Nordmeer und vor<br />
der Murmanküste. Nach dem Kriege wurde<br />
U 995 von der norwegischen Marine übernommen<br />
und startete unter dem Namen<br />
„Kaura“ zu etlichen Unternehmungen. Im<br />
Jahre 1965 wurde <strong>die</strong> „Kaura“ als Zeichen<br />
der Versöhnung an Deutschland zurückgegeben.<br />
Nach jahrelangen Diskussionen<br />
über Kosten, Standort und Verwendung<br />
übernahm schließlich der Deutsche Marinebund<br />
das Boot und ließ es in langwieriger<br />
Arbeit wieder weitgehend in<br />
den ursprünglichen Zustand bei<br />
Kriegsende 1945 versetzen. So<br />
musste außen etwa der „Winter-<br />
Clausewitz 6/2014<br />
77
Museen & Militärakademien<br />
IM BUGTORPEDORAUM: Im Innern von<br />
U 995. Unten rechts ein offenes Torpedorohr<br />
mit Torpedo.<br />
Sammlung: J. Schröder<br />
GUT BESUCHT: U 995, das Boot von Laboe, ist seit Jahrzehnten ein Publikumsmagnet an<br />
der Kieler Förde.<br />
Sammlung: J. Schröder<br />
garten“ mit der Flakbewaffnung wieder hergerichtet<br />
werden. 1972 endlich wurde U 995<br />
in Laboe aufgestellt. Fertig zum Auslaufen<br />
ist U 995 heute natürlich nicht mehr, allerdings<br />
wird im Rahmen des International<br />
Museum Ships Weekend Radio Event alljährlich<br />
<strong>die</strong> Funkanlage in Betrieb genommen.<br />
Im Inneren des Bootes wird der meiste<br />
Platz von Maschinenanlagen, Technik, Torpedos<br />
und Tauchtanks beansprucht. Es ist<br />
eng an Bord. Der Besucher sollte sich vorab<br />
von unnötigem Ballast befreien, denn mit<br />
Rucksack, Tasche oder gar Stockschirm<br />
bleibt man schnell hängen oder stößt irgendwo<br />
an. 350.000 Menschen besuchen alljährlich<br />
<strong>die</strong>ses ganz besondere Museum. Wer in<br />
den frühen Vormittagsstunden kommt, entgeht<br />
<strong>die</strong>sem Touristenstrom und hat das<br />
Boot in der Regel fast für sich allein. Dann ist<br />
Zeit genug, Details zu betrachten und sich in<br />
Ruhe umzuschauen.<br />
Sechs-Zylinder Viertakt-Diesel wurden zwar<br />
immerhin zirka 113 Tonnen Öl gebunkert,<br />
<strong>die</strong>se reichten bei einer Höchstgeschwindigkeit<br />
von 17 Knoten über Wasser jedoch nur<br />
für etwa 3.250 Seemeilen. Selbst in der Zentrale<br />
ist kaum Platz: Hier befinden sich Seiten-<br />
und Tiefenruder, Turmein- beziehungsweise<br />
-ausstieg, Sehrohre und auch der Navigationstisch,<br />
der eigentlich nur <strong>die</strong> Größe<br />
einer Kladde hat. Über <strong>die</strong> beengten Schlafplätze<br />
muss wohl kein Wort mehr verloren<br />
werden.<br />
U 995 liegt direkt zu Füßen des weithin<br />
sichtbaren Marine-Ehrenmals des Deutschen<br />
Marinebundes in Laboe. Der 85 Meter hohe<br />
Turm ist unbestritten das Wahrzeichen der<br />
Kieler Förde. Während U 995 vorrangig als<br />
Touristenattraktion <strong>die</strong>nt und Alt und Jung<br />
anlockt, erfüllt das Ehrenmal eine andere<br />
Funktion. Dabei hat das in den Jahren 1927–<br />
1936 errichtete Ehrenmal im Laufe seiner Geschichte<br />
eine deutliche Wandlung erlebt. Zunächst<br />
symbolisierte es das Bestreben, Revanche<br />
zu nehmen für <strong>die</strong> von vielen<br />
Deutschen als tiefe Schmach empfundene<br />
Niederlage im Ersten Weltkrieg. Das 1945 bei<br />
Kriegsende von den Siegermächten beschlagnahmte<br />
Ehrenmal wurde erst 1954 an<br />
den Deutschen Marinebund zurückgegeben.<br />
Öffentliche Kritik führte in den 1990er-Jahren<br />
zu einer umfassenden Neugestaltung<br />
des Bauwerks. Heutzutage <strong>die</strong>nt das Ehrenmal<br />
unverkennbar dem Gedenken der Toten<br />
auf See aller Nationen. So ist es nur folgerichtig,<br />
wenn zum Beispiel auf einer besonderen<br />
Tafel der Gefallenen der US-amerikanischen<br />
U-Bootwaffe gedacht wird.<br />
Würdiges Gedenken<br />
Das Marine-Ehrenmal ist monumental: Die<br />
Größe des Geländes beträgt fast sechs Hektar.<br />
Unter den auf dem Außengelände prä-<br />
Weithin sichtbar<br />
Die Erinnerungen an „Das Boot“ lassen einen<br />
nicht los. U 995 entspricht trotz aller Modifizierungen<br />
im Wesentlichen U 96, dem<br />
Film-U-Boot, und daher fällt <strong>die</strong> Orientierung<br />
nicht schwer. Vom Heck aus arbeitet<br />
man sich über den E-Maschinenraum langsam<br />
Richtung Bug vor. Unendlich laut und<br />
heiß muss es bei Überwasserfahrt im Dieselmaschinenraum<br />
gewesen sein. Der schmale<br />
Stollengang ließ über<strong>die</strong>s kaum Platz für das<br />
Maschinenpersonal. Für <strong>die</strong> beiden MAN<br />
Literaturtipp<br />
Eckard Wetzel: U 995 – Das U-Boot vor dem<br />
Marine-Ehrenmal in Laboe, Stuttgart 2004.<br />
SEHENSWERT: Die seeseitige Vorderfront des U-Boot-Ehrenmals in Möltenort. Der Seeadler<br />
wurde mehrfach erneuert, zuletzt im Jahre 2013.<br />
Sammlung: J. Schröder<br />
78
Sehenswerte Anlagen<br />
Fesselnd.<br />
IMPOSANT: Die Backbordschraube des<br />
1946 gekenterten Schweren Kreuzers<br />
PRINZ EUGEN in Laboe. Sammlung: J. Schröder<br />
sentierten Exponaten dominiert <strong>die</strong> gewaltige<br />
Schraube des Schweren Kreuzers PRINZ<br />
EUGEN (Stapellauf 1938), genauer gesagt<br />
der Backbordpropeller. Die PRINZ EUGEN<br />
war nach dem Zweiten Weltkrieg mitsamt<br />
der deutschen Besatzung von der U.S. Navy<br />
übernommen und später für Atombombenversuche<br />
im Bikini-Atoll benutzt worden.<br />
Ihr Wrack liegt seit Dezember 1946 im<br />
seichten Gewässer des Kwajalein-<br />
Atolls, das ebenfalls zu den Marshall-<br />
Inseln im Südpazifik gehört. In den<br />
1970er-Jahren bargen Taucher der<br />
U.S. Navy den Backbordpropeller,<br />
der dann wieder den Weg nach<br />
Deutschland fand.<br />
Die im Jahre 2010 umfangreich<br />
neugestaltete „Historische Halle“<br />
bietet im Eingangsbereich Modelle<br />
berühmter Kriegsschiffe, alle<br />
einheitlich im Maßstab 1:50 gefertigt.<br />
Darunter befinden sich der<br />
Große Kreuzer SCHARNHORST<br />
(Stapellauf 1906), das Linienschiff FRIED-<br />
RICH DER GROSSE (Stapellauf 1911) und<br />
das Schlachtschiff BISMARCK (Stapellauf<br />
1939). Mehrere Schautafeln geben dazu einen<br />
fun<strong>die</strong>rten Überblick über <strong>die</strong> deutsche<br />
Marinegeschichte. Besonders eindrucksvoll<br />
KONTAKT<br />
U-Boot-Ehrenmal Möltenort<br />
An der Schanze, 24226 Heikendorf<br />
Öffnungszeiten: 1. April bis 30. September:<br />
täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr.<br />
1. Oktober bis 31. März: täglich von 9.00 bis<br />
16.00 Uhr.<br />
www.ubootehrenmal.de<br />
Marine-Ehrenmal Laboe/<br />
Technisches Museum U 995<br />
Strandstraße 92, 24234 Laboe<br />
Öffnungszeiten: 1. April bis 31. Oktober:<br />
täglich von 9.30 bis 18.00 Uhr.<br />
1. November bis 31. März: täglich von 9.30<br />
bis 16.00 Uhr.<br />
www.deutscher-marinebund.de<br />
ORIGINAL: Schiffsglocke<br />
der ADMIRAL<br />
HIPPER. Der Schwere<br />
Kreuzer wurde Anfang<br />
Mai 1945 gesprengt.<br />
IM ÜBERBLICK: Der Flaggenraum in Laboe<br />
präsentiert <strong>die</strong> Flaggen der verschiedenen<br />
deutschen Marinen. Sammlung: J. Schröder<br />
wird beispielsweise <strong>die</strong> Flucht Hunderttausender<br />
deutscher Zivilisten vor der Roten<br />
Armee dokumentiert. Ein Bullauge der im<br />
Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot<br />
torpe<strong>die</strong>rten WILHELM GUSTLOFF unterstreicht<br />
nachhaltig, wie vielen Menschen <strong>die</strong><br />
Flucht nicht gelungen ist.<br />
Die unterirdische „Gedenkhalle“ <strong>die</strong>nt<br />
als der zentrale Ort des Gedenkens und<br />
Erinnerns. 20 Pfeiler tragen <strong>die</strong> Kuppel<br />
<strong>die</strong>ser Halle. Hier, unter der Erde<br />
und bei gedämpftem Licht, stellt sich<br />
der Eindruck ein, sich tief unter<br />
Wasser zu befinden. Es ist ein Ort<br />
der Stille. Kränze, Blumengebinde<br />
und zahlreiche Gedenktafeln<br />
weisen auf <strong>die</strong> vielen Menschen<br />
hin, <strong>die</strong> auf See ihr Leben verloren<br />
haben.<br />
In der „Ehrenhalle“ des Turmes<br />
unterstreichen <strong>die</strong> Silhouetten<br />
aller gesunkenen deutschen<br />
Kriegs- und Handelsschiffe das<br />
ganze Ausmaß <strong>die</strong>ser Tragö<strong>die</strong>n auf See. Der<br />
„Flaggenraum“ präsentiert <strong>die</strong> Flaggen der<br />
deutschen Seestreitkräfte. Hier wird keine<br />
Flagge ausgespart, auch nicht <strong>die</strong> der Kriegsmarine.<br />
Interessanterweise führte bereits <strong>die</strong><br />
Flotte von 1848 als erste gesamtdeutsche Marine<br />
<strong>die</strong> schwarz-rot-goldene Flagge.<br />
Sammlung: J. Schröder<br />
Einmaliger Rundblick<br />
Von der oberen Aussichtsplattform des Ehrenmals<br />
in Laboe, <strong>die</strong> auch mit dem Aufzug<br />
zu erreichen und gut gesichert ist, hat der Besucher<br />
nicht nur einen herausragenden Blick<br />
über <strong>die</strong> Kieler Förde, Laboe und seine weitere<br />
Umgebung, sondern schaut auch direkt<br />
herab auf U 995. Es empfiehlt sich auf jeden<br />
Fall <strong>die</strong> Mitnahme eines Fernglases.<br />
Dr. Joachim Schröder, Jg. 1968, stu<strong>die</strong>rte Latein,<br />
Geschichte und Erziehungswissenschaften und promovierte<br />
1999 zum Dr. phil. Zu seinen Themenschwerpunkten<br />
als Autor zählen <strong>die</strong> deutsche Marine- und<br />
Kolonialgeschichte.<br />
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Clausewitz 6/2014
Ein Bild erzählt Geschichte<br />
Britisches Heldenepos<br />
„All that was left of them“<br />
Am 17. September 1901 befindet sich eine<br />
Schwadron der 17. Lancers („The Duke of Cambridge’s<br />
Own“) in der Nähe von Modderfontein<br />
bei Tarkastad. Das Kommando über <strong>die</strong> Kavallerie-Einheit<br />
hat Captain Sandeman, ein Cousin Winston<br />
Churchills. Ihr Auftrag ist das Aufspüren und<br />
Zerschlagen der Buren-Kommandos, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem<br />
Gebiet operieren. Doch an <strong>die</strong>sem Tag läuft es genau<br />
andersherum. 250 Buren unter dem Befehl von Jan<br />
Smuts entdecken <strong>die</strong> 130 Briten Sandemans zuerst<br />
und nutzen geschickt das Gelände sowie den aufziehenden<br />
Nebel als Tarnung. Da viele der Buren erbeutete<br />
britische Uniformen tragen, zögern <strong>die</strong> überrumpelten<br />
Engländer zunächst mit der Gegenwehr und<br />
laufen in das offene Feuer ihres aggressiv handelnden<br />
Widersachers. Ein heftiges Gefecht entbrennt, in<br />
dessen Verlauf 29 Briten das Leben verlieren, sowie<br />
41 verwundet werden. Die restlichen „Lancers“ geraten<br />
in Gefangenschaft. Die Buren verzeichnen einen<br />
Gefallenen und sechs Verletzte. Die Schlacht wird als<br />
„Battle of Elands River“ und als „Battle of Modderfontein“<br />
bekannt. Und obwohl es ein souveräner Sieg<br />
Jan Smuts‘ ist, wird der aufopferungsvolle Kampf der<br />
Briten zu Hause in einen moralischen Sieg umgedeutet.<br />
Man wird an „Le Dernier Carré“ bei Waterloo erinnert<br />
– den heldenhaften<br />
Untergang der letzten<br />
Soldaten Napoleons. Richard<br />
Caton Woodville<br />
(1856–1927) wählt für<br />
sein Gemälde „All that<br />
was left of them“ das finale<br />
Aufgebot der Briten<br />
auf einem steinigen Höhenzug.<br />
Umzingelt von einem<br />
im Bild unsichtbar<br />
bleibenden Gegner verteidigen <strong>die</strong><br />
letzten Lanzierer – angeschossen<br />
und blutend – aufrecht <strong>die</strong> Ehre des<br />
Empires im Angesicht der zahlenmäßig<br />
überlegenen und unfair kämpfenden<br />
(da in britische Kaki-Uniformen gekleidet)<br />
Buren. Das ist <strong>die</strong> zentrale<br />
Aussage des Bildes.<br />
Woodville – damals eine<br />
Berühmtheit unter den<br />
Historien- und Schlachtenmalern<br />
– deutet so <strong>die</strong> militärische Niederlage in ein<br />
Heldenepos um, das zeigt, dass sich <strong>die</strong> Briten<br />
nicht kampflos und feige ergeben.<br />
80
1899–1902: Zwischen Großbritannien und den beiden Burenrepubliken Oranje-Freistaat<br />
und Transvaal tobt der Zweite Burenkrieg. 1901 kommt es zu einem Gefecht<br />
bei Modderfontein, das Richard Woodville zu einem bekannten Gemälde inspiriert.<br />
Bis zur letzten Patrone: Die Briten ergeben sich<br />
erst, als sie ihre Munition verbraucht und ihre Pferde<br />
erschossen haben – genau <strong>die</strong> „Beute“, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Buren haben wollen. Das Gemälde zeigt das „letzte<br />
Aufgebot“ der Briten vor der Gefangennahme.<br />
Abb.: akg-images/De Agostini Picture Library<br />
Clausew itz 6/2014<br />
81
<strong>Vorschau</strong><br />
Kampf um Ostpreußen 1944/45<br />
Sturm auf den Nordosten des Deutschen Reiches<br />
Winter 1944/45: Drei Jahrzehnte nach den Siegen<br />
Hindenburgs über <strong>die</strong> russischen Armeen wird Ostpreußen<br />
erneut zum Kriegsschauplatz zwischen<br />
Deutschen und Russen – mit schrecklichen Folgen<br />
für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung.<br />
Nr. 22 | 6/2014 | November-Dezember | 4.Jahrgang<br />
Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />
Redaktionsanschrift<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
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Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur),<br />
Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />
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Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />
Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder,<br />
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Layout Ralph Hellberg<br />
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Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />
Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />
Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />
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Fotos: picture-alliance/akg-images; picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/dpa Fotografia<br />
82<br />
Invasion in der Schweinebucht 1961<br />
Kampf um Kuba<br />
17. April 1961: An der Südküste Kubas, der<br />
Schweinebucht, gehen in einer Nacht-und-Nebel-<br />
Aktion 1.500 Exilkubaner (im Bild) an Land. Das<br />
Ziel der vom Geheim<strong>die</strong>nst CIA vorbereiteten und<br />
von Präsident Kennedy genehmigten Invasion ist<br />
nichts weniger als der Sturz von Fidel Castro!<br />
Schlacht von St. Mihiel 1918<br />
Amerikanischer Vorstoß im Westen<br />
12. September 1918: Die 1. US-Armee<br />
beginnt ihren Angriff auf den deutschen<br />
Frontbogen bei St. Mihiel an der Maas,<br />
der seit 1914 wie ein Keil in <strong>die</strong> Front hineinragt.<br />
Es ist <strong>die</strong> erste selbstständige<br />
Operation der US-Truppen seit dem<br />
Kriegseintritt der USA.<br />
Außerdem im nächsten Heft:<br />
Chlodwig I. Der mächtige Herrscher aus der Merowinger-Dynastie.<br />
Musée de la Grande Guerre du Pays de Meaux. Das wegweisende Militärmuseum zum<br />
Ersten Weltkrieg in Frankreich.<br />
Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />
Lieber Leser,<br />
Sie haben Freunde, <strong>die</strong> sich ebenso für Militärgeschichte<br />
begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />
doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />
Ihr verantwortlicher Redakteur<br />
<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
Dr. Tammo Luther<br />
Die nächste Ausgabe<br />
von<br />
erscheint<br />
am 1. Dezember 2014.<br />
Geschäftsführung Clemens Hahn<br />
Herstellungsleitung Sandra Kho<br />
Leitung Marketing und Sales Zeitschriften<br />
Andreas Thorey<br />
Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />
Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />
Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />
Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />
Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />
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Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />
im Ausland zzgl. Versandkosten<br />
Die Abogebühren werden unter der Gläubiger-Identifikationsnummer<br />
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erfolgt jeweils zum Erscheinungstermin der Ausgabe,<br />
der mit der Vorausgabe ankündigt wird. Den aktuellen<br />
Abopreis findet der Abonnent immer hier im Impressum.<br />
Die Mandatsreferenznummer ist <strong>die</strong> auf dem<br />
Adressetikett eingedruckte Kundennummer.<br />
Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />
in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />
Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />
sowie direkt beim Verlag.<br />
ISSN 2193-1445<br />
© 2014 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />
in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts<br />
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für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />
für <strong>die</strong> Anzeigen: Rudolf Gruber, beide: Infanteriestraße<br />
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Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />
aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />
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Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />
veröffentlicht werden, <strong>die</strong>nen sie zur Berichterstattung<br />
über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />
<strong>die</strong> militärhistorische und wissenschaftliche<br />
Forschung. Wer solche Abbildungen aus <strong>die</strong>sem Heft<br />
kopiert und sie propagandistisch im Sinne von<br />
§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />
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