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CLAUSEWITZ NVA - Wie schlagkräftig waren die DDR-Streitkräfte wirklich? (Vorschau)

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6/2014 November | Dezember €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Westwall ’44<br />

So eroberten <strong>die</strong><br />

Alliierten Aachen<br />

Panzerhaubitzen<br />

Bundeswehr und <strong>NVA</strong>:<br />

Artillerie im Vergleich<br />

1956–1990<br />

U 995 in Laboe<br />

Einzigartige Gedenkstätte<br />

für <strong>die</strong> Marine<br />

Attilas Fiasko<br />

Katalaunische<br />

Felder: So<br />

triumphierte<br />

Westrom<br />

über <strong>die</strong><br />

Hunnen<br />

<strong>Wie</strong> <strong>schlagkräftig</strong> <strong>waren</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong> <strong>wirklich</strong>?<br />

Avro Lancaster<br />

MILITÄRTECHNIK IM DETAIL<br />

Das Rückgrat<br />

der britischen<br />

Bomberwaffe


Legenden<br />

der Lüfte<br />

Jetzt am<br />

Kiosk!<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

vor 25 Jahren – am 7. Oktober 1989 –<br />

veranstaltete <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Staatsführung<br />

anlässlich des 40. Jahrestages der<br />

Gründung der Deutschen Demokratischen<br />

Republik eine große Militärparade<br />

in Ost-Berlin. Soldaten der Nationalen<br />

Volksarmee präsentierten sich mit<br />

ihren Fahrzeugen und Waffen vor<br />

Staatsgästen aus dem In- und Ausland<br />

und demonstrierten der Weltöffentlichkeit<br />

<strong>die</strong> militärische<br />

Stärke<br />

des sozialistischen<br />

Staates.<br />

Doch nur vier<br />

Wochen später,<br />

am 9. November<br />

1989,<br />

läutete der Fall<br />

der Mauer endgültig<br />

den Anfang<br />

vom Ende der <strong>DDR</strong> und ihrer hochgerüsteten<br />

<strong>Streitkräfte</strong> ein.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt hatten sich<br />

Einheiten der Nationalen Volksarmee<br />

und der Bundeswehr mehr als drei Jahrzehnte<br />

entlang der deutsch-deutschen<br />

Grenze alles andere als freundschaftlich<br />

gegenüber gestanden. Eingebunden<br />

in <strong>die</strong> Militärblöcke in Ost beziehungsweise<br />

West <strong>waren</strong> <strong>die</strong> Soldaten<br />

beiderseits der Grenze militärische Rivalen<br />

und <strong>die</strong>nten zwei gegensätzlichen<br />

politischen Systemen.<br />

Doch dann geschah etwas Einmaliges:<br />

Im Zuge der <strong>Wie</strong>dervereinigung<br />

Deutschlands übergab der Minister für<br />

Abrüstung und Verteidigung der <strong>DDR</strong>,<br />

Rainer Eppelmann, seinem westdeutschen<br />

Amtskollegen Gerhard Stoltenberg<br />

in einem offiziellen Akt <strong>die</strong> Nationale<br />

Volksarmee. Die ehemaligen<br />

<strong>NVA</strong>-Soldaten gelobten als Bundeswehrangehörige,<br />

von nun an der Bundesrepublik<br />

Deutschland – dem einstigen<br />

„Klassenfeind“ – treu zu <strong>die</strong>nen.<br />

„Streitmacht des Kalten Krieges“<br />

haben wir unsere aktuelle Titelgeschichte<br />

zur Nationalen Volksarmee<br />

überschrieben. Darin erfahren Sie alles<br />

Wissenswerte über <strong>die</strong> Entstehung der<br />

<strong>NVA</strong>, über ihre Entwicklung zum „Musterschüler“<br />

des Warschauer Paktes bis<br />

hin zu ihrem Ende im Oktober 1990.<br />

Eine sehr erkenntnisreiche Lektüre<br />

wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

11. Folge<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Das Ende der weißen Herrschaft in Afrika<br />

Zu Beginn der 1950er-Jahre erschüttert <strong>die</strong> als „Mau-Mau“ bekannte Aufstandsbewegung<br />

Kenia. Ihr Ziel ist das Ende der britischen Kolonialherrschaft.<br />

Es folgt ein brutaler Guerillakrieg, den <strong>die</strong> Briten militärisch gewinnen.<br />

Der Begriff „Mau-Mau“ bezeichnet Geheimbünde<br />

innerhalb des ostafrikanischen<br />

Volkes der Kikuyu, in dem <strong>die</strong>se Bewegung ihre<br />

Wurzeln hat. Seine Herkunft ist nicht eindeutig<br />

zu klären, möglicherweise leitet er sich<br />

von einer geografischen Bezeichnung des Ursprungsgebietes<br />

der Rebellenbewegung ab.<br />

Der Grund für den Aufstand liegt in einer stetigen<br />

Verdrängung der Kikuyu aus ihrem traditionellen<br />

Lebensraum durch weiße Siedler.<br />

Doch <strong>die</strong> militärischen Aktionen der Mau-Mau<br />

richten sich nicht nur gegen jene, sondern in<br />

großem Maße auch gegen alle anderen Afrikaner,<br />

<strong>die</strong> mit den Briten zusammenarbeiten. Die<br />

Krieger der Mau-Mau bringen aus Mangel an<br />

Gewehren zunächst ihre klassischen Waffen<br />

zum Einsatz. Dazu gehören in<br />

erster Linie Speere und<br />

bunt bemalte Schilde,<br />

wobei <strong>die</strong> Motive auf den<br />

Schilden Auskunft über soziale<br />

Stellung und Herkunft<br />

des Kriegers geben. Die<br />

Bewaffnung wird durch<br />

kurze, mit sich nach vorne<br />

verbreiternder Klinge<br />

versehene Schwerter (seme),<br />

Hiebmesser (panga)<br />

und kleine Kampfmesser<br />

vervollständigt. Im Lauf der Zeit gelangen<br />

auch immer mehr moderne Gewehre in <strong>die</strong><br />

Hände der Mau-Mau. Die Mau-Mau nutzen<br />

<strong>die</strong> Natur ihres Landes zum Führen eines<br />

Guerillakrieges, der zahlreiche Einflüsse der<br />

traditionellen afrikanischen Kriegführung aufweist,<br />

wobei Überfälle oder Hinterhalte eine<br />

große Rolle spielen. Da <strong>die</strong> Mau-Mau in der<br />

Handhabung ihrer traditionellen Waffen von<br />

Jugend an trainiert sind, benötigen sie<br />

nur eine Ausbildung für den modernen<br />

Kleinkrieg. Diese bekommen sie von<br />

kenianischen Veteranen der britischen<br />

Armee, welche <strong>die</strong> Mau-Mau in <strong>die</strong><br />

Verwendung moderner Waffen und <strong>die</strong><br />

entsprechenden Kampftaktiken einweisen.<br />

Dadurch entsteht zum Teil<br />

FAKTEN<br />

Zeit: 1952–1956<br />

Uniform: Traditionelle Kleidung<br />

Hauptwaffe: Speer, Schild, Schwert<br />

(seme), Hiebmesser (panga)<br />

Kampftaktik: Guerillataktik<br />

Mau-Mau im Film: Flammen<br />

über Afrika (1957)<br />

eine an <strong>die</strong> britische Armee angelehnte Struktur.<br />

Ein wichtiger Bestandteil der Bewegung sind<br />

sowohl der Glaube an Magie als auch <strong>die</strong> Ablegung<br />

des Mau-Mau-Eides, der auf einem überlieferten<br />

Ritual der Kikuyu beruht. Dabei verpflichtet<br />

sich das Neumitglied zur absoluten<br />

Geheimhaltung. Der Bruch des Eides wird mit<br />

der Todesstrafe geahndet. Militärisch gesehen<br />

sind <strong>die</strong> Briten nach einigen Jahren harten<br />

Kampfes zwar <strong>die</strong> Sieger <strong>die</strong>ses Krieges, jedoch<br />

bleibt der politische Erfolg aus. Bereits<br />

1963 müssen sie Kenia in <strong>die</strong> Unabhängigkeit<br />

entlassen.<br />

GEHEIMBUND GEGEN GROßBRITANNIEN:<br />

Die Mau-Mau sind eine Guerilla-Bewegung, <strong>die</strong><br />

das „British Empire“ aus Kenia vertreiben will.<br />

Die Abbildung zeigt einen <strong>die</strong>ser<br />

Krieger mit seiner traditionellen<br />

Ausrüstung. Er trägt einen<br />

Speer und einen mit Tierhaut<br />

überzogenen Schild.<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

Clausewitz 6/2014


Inhalt<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />

Titelthema<br />

Streitmacht des Kalten Krieges. ........................................................................10<br />

Die Nationale Volksarmee.<br />

Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

Die Nationale Volksarmee der <strong>DDR</strong><br />

Streitmacht des Kalten Krieges<br />

Januar 1956: Die <strong>DDR</strong>-Volkskammer beschließt den Aufbau<br />

einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland<br />

entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der<br />

Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt<br />

sich dramatisch zu.<br />

Von Dieter Flohr<br />

Von der Freiwilligen- zur Pflichtarmee. ................................................24<br />

Rekrutierung und Dienst in der <strong>NVA</strong>.<br />

„Waffenbruder“ und „Waffenschmiede“. ...........................................28<br />

Bewaffnung und Ausrüstung der <strong>NVA</strong>.<br />

DEMONSTRATION DER STÄRKE<br />

Militärparade der <strong>NVA</strong> mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober<br />

1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der<br />

<strong>DDR</strong>-Gründung. Die <strong>DDR</strong>-Führung signalisiert dem Westen<br />

<strong>die</strong> militärische Macht und Entschlossenheit des „Arbeiterund<br />

Bauernstaates“.<br />

10<br />

11<br />

Mechanisierte Kriegführung: Die <strong>NVA</strong><br />

vereinte Feuerkraft und Mobilität.<br />

Foto: Militärhistorisches Museum der Bundeswehr<br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher. .....................6<br />

Schlachten der Weltgeschichte ..............................................................32<br />

Aachen 1944: Die Alliierten durchbrechen den „Westwall“.<br />

Der Zeitzeuge<br />

Kampfeinsatz über der „grünen Hölle“ ..................................38<br />

Als Hubschrauberpilot in Vietnam.<br />

Militärtechnik im Detail<br />

Großbritanniens schwerer<br />

Bomber „Avro Lancaster“ ......................................................................................40<br />

Der gefürchtete Standardbomber der Royal Air Force.<br />

Schlachten der Weltgeschichte ..............................................................42<br />

„Hunnensturm“ über Europa. Die Schlacht auf den<br />

Katalaunischen Feldern 451 n. Chr.<br />

Militär und Technik<br />

Schussgewaltige Stahlkolosse ..................................................................48<br />

Die Panzerhaubitzen von Bundeswehr und <strong>NVA</strong> während<br />

des Kalten Krieges.<br />

Das Wikingerschiff ...............................................................................................................54<br />

Maritime „Hochtechnologie“ des Frühmittelalters.<br />

Titelbild: Im Falle eines NATO-Angriffs hatte <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> den Auftrag, den Krieg rasch auf<br />

das feindliche Territorium zu tragen. Das Bild zeigt das offensive Vordringen im Gelände<br />

mit Unterstützung von Kampfpanzern und Schützenpanzerwagen.<br />

4


Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture<br />

Library<br />

Abb.: picture-alliance/HIP<br />

Abb.: picture-alliances/akg-images<br />

(alle Angaben im Durchschnitt)<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />

Schlacht um Aachen 1944<br />

GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie<br />

nimmt im Raum Aachen <strong>die</strong> nach<br />

Osten vorstürmenden Truppen des<br />

Gegners unter Beschuss.<br />

32<br />

Kampf um <strong>die</strong><br />

September 1944: Die Alliierten<br />

stoßen bis zur Kaiserstadt<br />

deutschen<br />

Westgrenze vor. Nun<br />

wollen sie mit Aachen <strong>die</strong><br />

erste Großstadt des Reiches<br />

erobern. Doch ihre<br />

Annahme, der Gegner sei<br />

bereits geschlagen, erweist<br />

sich als verhängnisvoller<br />

Irrtum. Von Stefan Krüger<br />

NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich<br />

von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen<br />

bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe<br />

sowie weiteres Pioniergerät mit sich.<br />

M<br />

ühsam quälen sich <strong>die</strong> Fahrzeuge der<br />

116. Panzerdivision Richtung Osten.<br />

Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt<br />

<strong>die</strong> vorderste Linie des „Westwalls“<br />

und hier, so hoffen <strong>die</strong> Männer, muss es doch<br />

wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben.<br />

Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant<br />

Gerhard Graf von Schwerin und<br />

seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht.<br />

Als sie am 12. September 1944 in der<br />

altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen,<br />

herrscht in Aachen das blanke Chaos.<br />

Eigentlich hat <strong>die</strong> örtliche NSDAP den<br />

Auftrag, <strong>die</strong> Zivilisten zu evakuieren. Die<br />

„Parteibonzen“ aber <strong>waren</strong> auch hier <strong>die</strong> ersten,<br />

<strong>die</strong> sich aus dem Staub gemacht und <strong>die</strong><br />

Aachener ihrem Schicksal überlassen haben.<br />

Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten<br />

aufgestellt, um den „Westwall“ an<br />

<strong>die</strong>ser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich<br />

um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur<br />

noch von der mangelhaften Qualität ihrer<br />

Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen<br />

<strong>die</strong>se Einheiten teils martialische Bezeichnungen<br />

wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit<br />

bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps<br />

nur noch wenige Kilometer von Deutschlands<br />

westlichster Großstadt entfernt ist.<br />

Vergebene Chance<br />

Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen<br />

hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl<br />

erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine<br />

geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit.<br />

Sie muss sich zunächst östlich<br />

der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt<br />

und hinterlässt dort eine Nachricht<br />

für <strong>die</strong> US-Amerikaner, in der er sie bittet,<br />

<strong>die</strong> Zivilbevölkerung schonend zu behandeln.<br />

Er vermutet nämlich, dass <strong>die</strong> 1. US-Division<br />

in den nächsten Stunden ins Stadtinnere<br />

einrücken wird. Doch dann geschieht<br />

etwas Erstaunliches – nämlich nichts.<br />

Die Amerikaner verharren, als würden sie<br />

eine neue Teufelei der Deutschen fürchten.<br />

Damit vergeben sie <strong>die</strong> einmalige Chance, Aachen<br />

im Handstreich zu besetzen. General<br />

Schwerin nutzt <strong>die</strong> Gelegenheit und wirft seine<br />

Division wieder nach vorne. Außerdem<br />

stoppt er <strong>die</strong> Evakuierung. Denn <strong>die</strong>se verläuft<br />

ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,<br />

den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen<br />

hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er<br />

versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen.<br />

Ein beflissener Bürger war jedoch schneller<br />

und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig<br />

nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“<br />

kommt zu demselben Ergebnis und<br />

schiebt Schwerin in <strong>die</strong> „Führerreserve“ ab.<br />

Neuer Divisionskommandeur wird General<br />

Siegfried von Waldenburg.<br />

Unverhoffter Nachschub<br />

Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich<br />

Formen an. So graben sich nordwestlich<br />

der Stadt <strong>die</strong> Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision<br />

ein, während Waldenburgs<br />

Panzer zu den südwestlichen Stellungen des<br />

„Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten,<br />

dass es hier in den nächsten Tagen besonders<br />

kritisch aussehen wird – zu Recht. In<br />

Aachen selbst verschanzen sich derweil <strong>die</strong><br />

Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen<br />

gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten<br />

unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps.<br />

Und während sich <strong>die</strong> Stäbe ordnen, reiben<br />

sich <strong>die</strong> alten, desillusionierten „Landser“<br />

der Wehrmacht verblüfft <strong>die</strong> Augen,<br />

denn sie sehen etwas, was sie schon lange<br />

nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer,<br />

Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen<br />

kommen an <strong>die</strong> Front. Man<br />

merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit<br />

entfernt ist.<br />

Auf der anderen Seite der Front ahnt<br />

Feldmarschall Bernard Montgomery, der <strong>die</strong><br />

britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte<br />

führt, dass <strong>die</strong> Wehrmacht<br />

noch lange nicht geschlagen ist. Zu-<br />

S.32<br />

IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet<br />

1944, hier Angehörige der 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

33<br />

Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische<br />

Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt<br />

es dem Heermeister Flavius Aëtius, <strong>die</strong> Invasoren<br />

zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten<br />

Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl<br />

yrische Worte, prosaischer Hintergrund:<br />

„Sie schleichen wie der Nebel haltlich an <strong>die</strong> Volkssage anknüpft.<br />

Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er in-<br />

Lschleicht, der nachts vom Moor zum Die sehr langwierige Vorgeschichte der<br />

Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind<br />

im Schlaf mit eklem Gift um-<br />

setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr über-<br />

Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

spinnt. Sie brechen gleich dem Sturm hervor, schreitet das Steppenvolk der Hunnen den<br />

der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome<br />

gleich, der überschwillt und Stadt und den Alanen, einem indoiranischen Stamm,<br />

Fluss Don. Begleitet werden <strong>die</strong> Hunnen von<br />

Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, <strong>die</strong> Hunnen!“<br />

So beschreibt der deutsche Dichter<br />

den sie kurz zuvor unterworfen haben.<br />

Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem<br />

Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte Die hunnische Expansion löst eine fluchtar-<br />

Sicherheitsrisiko und Schock<br />

Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa<br />

ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schomanischen<br />

Stämmen aus, <strong>die</strong> um Aufnahme<br />

tige Wanderbewegung von mehrheitlich gerckerlebnis<br />

für <strong>die</strong> spätantike römische Bevölkerung.<br />

Erst im Jahr 451 kann der Heermeisse<br />

Ereignisse markieren den Beginn der so-<br />

in das sichere Römische Reich ersuchen. Dieter<br />

Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen: genannten „Völkerwanderung“, eine der<br />

Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

beginnt der Stern der Hunnen zu sin-<br />

in der Geschichte Europas. Die Hunnen<br />

dramatischsten und folgenreichsten Phasen<br />

ken. Bald darauf verlassen sie das Römische dringen unaufhaltsam nach Westen in den<br />

Reich.<br />

Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern<br />

sie das Siedlungsgebiet der germani-<br />

Seither hat <strong>die</strong>se Schlacht Generation<br />

über Generation fasziniert, bis heute. Die schen Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr.<br />

spätantike und mittelalterliche christliche Ein Großteil der Ostgoten gerät unter <strong>die</strong><br />

Geschichtsschreibung stilisiert <strong>die</strong>ses Ereignis<br />

zum Glaubenskrieg zwischen christlichen<br />

Römern und heidnischen Hunnen. Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach<br />

GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom<br />

Über<strong>die</strong>s entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge<br />

sollen <strong>die</strong> auf dem Schlachtfeld gefalle-<br />

der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer<br />

Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen<br />

nen Krieger als Geister fortleben und den Seite kämpfen viele Germanen) über <strong>die</strong> „Aggressoren<br />

Kampf in den Wolken weiterführen. Auch aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas<br />

für Künstler ist <strong>die</strong>se Schlacht eine Inspirationsquelle.<br />

Der deutsche Maler Wilhelm von sen – doch Germanen standen auf beiden Seiten.<br />

interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewe-<br />

Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das<br />

42<br />

Römische Truppen<br />

Befehlshaber: Flavius Aëtius<br />

Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />

reichen von 30.000 bis 45.000 Mann<br />

Verluste: unbekannt<br />

Hunnische Truppen<br />

Befehlshaber: Attila<br />

Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />

reichen von 30.000 bis 50.000 Mann<br />

Verluste: unbekannt<br />

S.42<br />

43<br />

Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />

Militär und Technik | Wikingerschiff<br />

Panzerhaubitzen von <strong>NVA</strong> und Bundeswehr<br />

Schussgewaltige Stahlkolosse<br />

Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee<br />

hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen –<br />

<strong>die</strong> Panzerhaubitze.<br />

Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack<br />

ie Panzerhaubitze stellt <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

der von Pferden oder Fahrses<br />

Standardgeschütz der U.S. Army verfügt dass der Rumpf des Panzers praktisch rück-<br />

verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Die-<br />

war vorn in Fahrtrichtung angeordnet, so<br />

zeugen gezogenen Feldhaubitzen dar. über hervorragende ballistische Eigenschaften.<br />

In Fahrtrichtung rechts neben dem Ge-<br />

nach hinten zu verhindern, musste eine achwärts<br />

fuhr. Um das Kippen der Fahrzeuge<br />

Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges<br />

zum Einsatz: Vorreiter <strong>waren</strong> <strong>die</strong> M7 schütz ist in einer drehbaren Kanzel ein Kaliber<br />

.50-Browning-MG (12,7 mm) zur Flie-<br />

wurde eine Erdspornplatte zur Erhöhung<br />

terliche Stützrolle abgesenkt werden. Später<br />

Priest der US-Amerikaner sowie <strong>die</strong> deutsche<br />

Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung<br />

<strong>die</strong>ser Waffen sollte <strong>die</strong> klassische eingebaut. Dieser Kanzel verdankt <strong>die</strong> M7 B2 <strong>die</strong> M52 und ihr Be<strong>die</strong>nkonzept bei ihrer Eingerabwehr<br />

und Nahbereichsverteidigung der Sicherheit nachgerüstet. Insgesamt ist<br />

Artillerie flexibler und unabhängiger machen. ihren Spitznamen „Priest“, zu Deutsch Priester,<br />

da sie an <strong>die</strong> Predigerkanzel in einer Kir-<br />

Ab Mitte der 1960er-Jahre löst <strong>die</strong> Panzerführung<br />

bei der Bundeswehr bereits veraltet.<br />

Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in<br />

den Turm integriert, der Besatzung und Material<br />

vor Witterung und feindlicher Waffen-<br />

„Priest“ seit 1956 ein und löst sie wenige Jahche<br />

erinnert. Die Bundeswehr setzt <strong>die</strong> haubitze M109 <strong>die</strong> M52 ab.<br />

wirkung schützt. Panzerhaubitzen werden re später durch <strong>die</strong> leistungsfähigere M52 ab. Erste Modelle in der SBZ<br />

primär artilleristisch eingesetzt, können aber <strong>Wie</strong> ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet Lange bevor in der Bundesrepublik über <strong>die</strong><br />

auch gegen direkte Ziele eingesetzt werden. <strong>die</strong> mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung.<br />

Als Hauptbewaffnung trägt sie nachgedacht wird, werden in der werden-<br />

<strong>Wie</strong>derbewaffnung und <strong>die</strong> Bundeswehr<br />

Die M7 B2 Priest bildet im Westen <strong>die</strong><br />

Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, <strong>die</strong> seitlich<br />

um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz Schon seit dem 1. Dezember 1946 hat <strong>die</strong> rusden<br />

<strong>DDR</strong> „Nägel mit Köpfen“ gemacht.<br />

den USA entwickelt, kommt sie während des<br />

Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg beträgt 15 Schuss pro Minute, <strong>die</strong> maximale sische Besatzungsmacht <strong>die</strong> Deutsche<br />

(1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert Grenzpolizei (DGP) aufstellen lassen. Der<br />

basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpanzers<br />

M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung dog. Der Sechszylinder-Continental-Motor Sicherung der Demarkationslinie der<br />

auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bull-<br />

Spezialpolizei wird <strong>die</strong> Überwachung und<br />

Sowje-<br />

D<br />

48<br />

IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen<br />

2S3M der <strong>NVA</strong> mit höchster Rohrerhöhung<br />

beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund<br />

hebt gerade <strong>die</strong> Kartusche einer Sprenggranate<br />

aus der Transportkiste.<br />

STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr 16<br />

Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattliche<br />

Kaliber von 202,3 Millimetern.<br />

tischen Besatzungszone (SBZ) übertragen. polizei. Seit Juli 1948 bilden <strong>die</strong>se kasernierten<br />

Einheiten gemeinsam mit der DGP <strong>die</strong> nehmung, sondern um rein militärische<br />

nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahr-<br />

Lediglich <strong>die</strong> Grenzkontrollen werden weiterhin<br />

gemeinsam mit sowjetischen Soldaten Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften<br />

(HA GP/B) in der <strong>DDR</strong>-Verwaltung gung. Entsprechend ist <strong>die</strong> Ausstattung der<br />

Komponenten des Angriffs und der Verteidi-<br />

durchgeführt. Kurz nach der Berliner Blockade<br />

verfügt <strong>die</strong> Sowjetische Militäradministration<br />

in Deutschland (SMAD) <strong>die</strong> Kateren<br />

Nationalen Volksarmee (<strong>NVA</strong>), denn zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-,<br />

des Innern. Hier liegt der Ursprung der spä-<br />

neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis<br />

sernierung der ersten Einheiten der Volks-<br />

von Anfang an geht es bei der Konstruktion acht Artillerie- und drei Panzer-Volkspolizei-<br />

Bereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen.<br />

Der personellen Stärke nach entsprachen sie<br />

Regimentern, <strong>die</strong> teilweise zu Korps und Divisionen<br />

zusammengefasst wurden.<br />

URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an <strong>die</strong> Kanzel eines Predigers.<br />

Material vom „Waffenbruder”<br />

Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde<br />

ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie<br />

wird bereits ab 1949 von der <strong>DDR</strong>-Führung<br />

beim „Großen Waffenbruder“ in größerer<br />

Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 <strong>die</strong>ser<br />

Selbstfahrlafetten <strong>die</strong> Demarkationslinie<br />

quer durch das geteilte<br />

S.48<br />

Deutschland. Übergeben<br />

wurden <strong>die</strong> Selbstfahrlafetten SU-76M<br />

1949 an <strong>die</strong> Bereitschaften der Volkspolizei in<br />

Burg, Großenhain und Pinnow und an <strong>die</strong><br />

Schule der VP Priemerwalde.<br />

Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das<br />

um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell<br />

des leichten sowjetischen Panzers T-70M<br />

verwendet. Ursprünglich besitzt <strong>die</strong> Selbst-<br />

49<br />

MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds<br />

Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen<br />

im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere<br />

Jahrhunderte lang große Teile Europas mit<br />

ihren Drachenschiffen.<br />

54<br />

FAKTEN Das Wikingerschiff<br />

Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr<br />

Länge: 20–30 m<br />

Breite: 3–5 m<br />

Tiefgang: etwa 1 m<br />

Besatzung: 40–80 Mann<br />

Geschwindigkeit: 3–4 Knoten<br />

(5–7 km/h) beim Rudern und<br />

10–11 Knoten (18–20 km/h)<br />

unter Segeln<br />

Die Schiffe der Wikinger<br />

Herrscher<br />

der Meere<br />

800–1100: Die Schiffe der<br />

ie Natur Skandinaviens mit ihren langen<br />

Küsten lässt es sinnvoll erschei-<br />

Wikinger gehören zu den<br />

Dnen, dass sich <strong>die</strong> dortigen Bewohner am besten konstruierten<br />

genaues Bild der wikingischen Schiffsbauund<br />

Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen<br />

auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen<br />

ein tiefer gehendes Verständnis der<br />

seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen<br />

und der Seefahrt beschäftigen.<br />

praktischen Handhabung und Leistungsfä-<br />

Seefahrzeuge ihrer Zeit<br />

Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche<br />

Schiffsdarstellungen. Bis in <strong>die</strong> ersten eine neue Form der am-<br />

und bilden <strong>die</strong> Basis für higkeit von Wikingerschiffen.<br />

nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich<br />

Ruderschiffe Verwendung, und phibischen Kriegführung. Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter<br />

Der Bau eines Langschiffes<br />

möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert Damit werden <strong>die</strong> Wikinger<br />

zum Schrecken<br />

ter Art voraussetzt, <strong>die</strong> von einer Generation<br />

Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen,<br />

kommt es allmählich zur Einführung des Segels.<br />

Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert<br />

Erfahrungen und Kenntnisse verschiedens-<br />

stammenden Originalfunden von Nydam<br />

von Schiffsbaumeistern an <strong>die</strong> nächste weitergeben<br />

werden. Die Wikingerschiffe schei-<br />

Europas. Von Otto Schertler<br />

(Schleswig) handelt es sich zwar noch um<br />

Ruderschiffe, <strong>die</strong>se weisen aber bereits einige<br />

Konstruktionsmerkmale der späteren Wistellungen<br />

auf skandinavischen Bildsteinen, zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zennen<br />

nicht alle in besonderen Werften gebaut<br />

kingerschiffe auf.<br />

Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie<br />

durch Beschreibungen in den nordischen Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit<br />

tren des Schiffsbaus, in denen <strong>die</strong>se hohe<br />

Maritime Hochtechnologie<br />

Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes<br />

Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist <strong>die</strong> skandinavische<br />

Schiffsbautechnik voll entwickelt,<br />

und <strong>die</strong>s ermöglicht den Wikingern ihre<br />

weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen,<br />

<strong>die</strong> sie bis in das Mittelmeer,<br />

das Schwarze Meer und über den<br />

Nordatlantik nach Island, Grönland und<br />

schließlich sogar nach Amerika führen.<br />

Die Wikingerschiffe vereinen in sich<br />

mehrere Eigenschaften, so dass sie sich<br />

als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen.<br />

Durch ihre schlanke und elastische Bauweise<br />

verringert sich der zu überwindende<br />

Widerstand des Wassers, doch sind sie<br />

gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen<br />

den Wind, segeln zu können. Ihr geringes<br />

Gewicht ermöglicht das Fortbewegen<br />

auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen,<br />

während der geringe Tiefgang <strong>die</strong><br />

S.54<br />

problemlose Anlandung an flachen Stränden<br />

sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt.<br />

Die heutigen Kenntnisse über <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />

der Schiffe der Wikinger beruhen<br />

in erster Linie auf Originalfunden aus DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken<br />

berühmten Schiffsgräbern, darunter <strong>die</strong> von <strong>die</strong> Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung,<br />

bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und<br />

Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder<br />

Ladby (Dänemark). Diese werden durch Dar-<br />

Kriegskeule bewaffnet).<br />

55<br />

Spurensuche<br />

WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein<br />

gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die<br />

eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes<br />

Rheinland-Pfalz.<br />

Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz<br />

Preußens<br />

„Wacht am Rhein“<br />

D<br />

ie Entstehungsgeschichte der Burg und Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime<br />

der europäischen Fürstenstaaten, be-<br />

Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe<br />

Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage,<br />

der Moselmündung direkt gegenmarsch<br />

der französischen Revolutionstrupsonders<br />

im Rheingebiet, durch den Vorüber,<br />

wird das Gelände befestigt (um 1000), pen erschüttert. Unter dem Kommando des<br />

dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut<br />

(1152–1169). Die Anlagen tragen den Na-<br />

Armee auf Koblenz vor (1794) und besetzt<br />

Generals Marceau stößt <strong>die</strong> Sambre-Maasmen<br />

„Helfenstein“, benannt nach dem reichsten<br />

und einflussreichsten Adelsgeschlecht im Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit<br />

<strong>die</strong> Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23.<br />

Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen <strong>die</strong> der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka<br />

Stadt Koblenz und <strong>die</strong> Burg gehört. Diese 8.000 Mann).<br />

Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs<br />

Richard von Greiffenklau (1511/31) Tödlicher „Ausfall”<br />

zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst<br />

über <strong>die</strong> gesamte nördliche Hochfläche in der von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen<br />

und Kontingenten Kurtriers, Kur-<br />

Länge von circa 750 Metern und in einer Breite<br />

von etwa 300 Metern aus.<br />

kölns und des Hochstifts Münster zur Verteidigung<br />

unterstellt. Der Festungskommandant<br />

ist Oberst von Faber, der trotz<br />

Wichtiger Stützpunkt<br />

Seit <strong>die</strong>ser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe<br />

von Trier geworden, <strong>die</strong> im mittle-<br />

eine länger dauernde Belagerung gut vorbe-<br />

personeller und finanzieller Hindernisse auf<br />

ren 14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind reitet ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen<br />

Vereinbarung beider Seiten stattfin-<br />

und das Wahlrecht zum deutschen König<br />

ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres den: Auf <strong>die</strong> Festung wird von Koblenz her<br />

Gewahrsam für <strong>die</strong> kostbaren Reliquien und nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung<br />

her <strong>die</strong> Stadt nicht beschossen. Am 17.<br />

das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe<br />

des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen,<br />

um französische Truppen von den Hö-<br />

wird <strong>die</strong> Festung militärisch genutzt, nachdem<br />

Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich<br />

für neutral erklärt hatte. Französische steins – zurückzudrängen. In Laufgräben<br />

hen bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreit-<br />

Truppen besetzen <strong>die</strong> Festung (1632) und hatten sie sich dem südöstlich gelegenen<br />

werden vier Jahre später durch kaiserliche Vorderhang der Festung angenähert. Einer<br />

Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger<br />

Belagerung (1636). Die Festung wird rung des Leutnants Freiherr von Solemacher<br />

kurtrierischen Jägerkompanie unter Füh-<br />

nun von kaiserlichen Truppen besetzt und gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die<br />

nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben<br />

(1650). So bleibt <strong>die</strong> Festung wieder zurück.<br />

französische Einheit zieht sich daraufhin<br />

das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer<br />

Stützpunkt, den der jeweilige 15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef.<br />

Doch <strong>die</strong>ser Ausfall kostet <strong>die</strong> Kompanie<br />

Gegner immer „im Auge behalten“ muss. Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an <strong>die</strong><br />

Dies gilt in besonderem Maße für das operative<br />

Kalkül der<br />

Gefallenen erinnert.<br />

französischen<br />

Generalität im<br />

17. Jahrhundert.<br />

1817–1828: Auf den Ruinen des<br />

kurtrierischen Vorläufers wird <strong>die</strong><br />

preußische Festung Ehrenbreitstein<br />

errichtet. Gegenüber der<br />

S.66<br />

Moselmündung bei Koblenz thront<br />

<strong>die</strong> imposante Festung auf dem<br />

KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt<br />

von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im<br />

Felssporn oberhalb des Rheins.<br />

Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im<br />

Von Peter Többicke frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde.<br />

Feldherren<br />

AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische<br />

Aufnahme von Reinhard<br />

Scheer im Uniformrock der<br />

Kaiserlichen Marine. Er trägt<br />

den Orden „Pour le Mérite“,<br />

der ihm nach der Skagerrakschlacht<br />

von Kaiser<br />

Wilhelm II. verliehen wurde.<br />

Admiral Reinhard Scheer<br />

Zwischen Triumph und Tragö<strong>die</strong><br />

W<br />

eitab von Deutschlands Küsten beginnt<br />

das erste Lebenskapitel Reinhard<br />

Scheers, der zweifellos zu den<br />

bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen<br />

Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte<br />

in <strong>die</strong> Geschichte eingegangen ist. Scheer<br />

kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen<br />

(heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen)<br />

zur Welt. Eltern und Großeltern<br />

stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als<br />

Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren<br />

den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg<br />

des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.<br />

Seine späteren beruflichen Aufgaben<br />

sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in<br />

das europäische und außereuropäische<br />

Ausland führen. Die Stellung Deutschlands<br />

mit seinen Stärken und Schwächen<br />

in der Welt musste ihm damals<br />

deutlich vor Augen stehen. Nur vor <strong>die</strong>sem<br />

Hintergrund kann der Mensch und<br />

der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen<br />

beurteilt werden.<br />

Steiler Aufstieg<br />

Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett<br />

in <strong>die</strong> Kaiserliche Marine ein.<br />

Schon während seiner Ausbildung<br />

zum Offizier liegt er immer in der<br />

Spitzengruppe seines Jahrgangs und<br />

bleibt <strong>die</strong>s auch während der anschließenden<br />

Offizierverwendungen.<br />

Schon früh wird daher <strong>die</strong> Personalführung<br />

auf ihn aufmerksam. Sie bereitet<br />

ihn in abgewogenen Wechseln<br />

zwischen Bordkommandos und Landverwendungen<br />

in Stäben auf <strong>die</strong> Übernahme<br />

von verantwortungsvollen und fordernden<br />

Positionen innerhalb des<br />

Führungskorps der Marine vor. Das<br />

gelingt im Fall von Scheer nahezu<br />

ideal, denn bei seiner Ernennung<br />

zum Chef des Stabes der Hochseeflotte<br />

am 1. Oktober 1909 und der<br />

31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher<br />

Erfolg gegen <strong>die</strong> „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende<br />

1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem<br />

S.70<br />

AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als<br />

Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich<br />

Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff.<br />

66<br />

67<br />

70<br />

71<br />

Fotostrecke<br />

Das schaurige Museums-Juwel ...............................................................60<br />

Das Overlord Museum in der Norman<strong>die</strong>.<br />

Meinung<br />

Knifflige Militärspiele ........................................................................................................64<br />

Die Welt der Konfliktsimulationen.<br />

Spurensuche<br />

Preußens „Wacht am Rhein“ ........................................................................66<br />

Die imposante Festung Ehrenbreitstein am<br />

Rhein bei Koblenz.<br />

Titelfotos: Erhard Berkholz; picture alliance/Arco Images GmbH; Sascha Lunyakov;<br />

picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst; Weider History Group/Jim Laurier<br />

Feldherren<br />

Zwischen Triumph und Tragö<strong>die</strong>. .........................................................70<br />

Admiral Reinhard Scheer führte <strong>die</strong> deutsche Hochseeflotte<br />

1916 in <strong>die</strong> Schlacht am Skagerrak.<br />

Museen & Militärakademien<br />

Markante Wahrzeichen ..............................................................................................76<br />

Die Ehrenmale Laboe und Möltenort an der Kieler Förde.<br />

Ein Bild erzählt Geschichte<br />

„All that was left of them“ ..................................................................................80<br />

Ein Britisches Heldenepos.<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ........................................................................................................................82<br />

Clausewitz 6/2014<br />

5


Magazin<br />

Vermessung eines freigelegten<br />

Holzbalkens der mittelalterlichen<br />

Burganlage.<br />

ARCHÄOLOGIE<br />

Sensationsfund<br />

bei Ausgrabung<br />

Wissenschaftler entdecken mehr als<br />

1.000 Jahre alte Burg<br />

Foto: picture-alliance/akg-images/Jost Schilgen<br />

Denkmal zu<br />

Ehren von<br />

Bischof<br />

Bernward in<br />

Hildesheim.<br />

Die Burg, deren Überreste man im August<br />

2014 im niedersächsischen Landkreis Gifhorn<br />

freigelegt hat, soll einst der Hildesheimer<br />

Bischof Bernward (um 950/960–1022)<br />

erbaut haben.<br />

Die Forscher der Universität Göttingen und<br />

der TU Braunschweig fanden Teile von hölzernen<br />

Befestigungen der Wehranlage, so Grabungsleiter<br />

Felix Biermann an der Grabungsstätte<br />

in Wahrenholz. Die Burg sei kreisförmig<br />

angelegt gewesen und habe einen Radius von<br />

etwa 40 Metern gehabt. Sie habe vorwiegend aus<br />

Holz und Erde bestanden. Neben Holzbalken<br />

fanden <strong>die</strong> Archäologen unter anderem Pflastersteine<br />

und Hufeisen im Erdreich.<br />

Bischof Bernward von Hildesheim soll alten<br />

Schriften zufolge <strong>die</strong> Burg zwischen 994 und 997<br />

zum Schutz seines Bistums erbaut haben. Anhand<br />

der Holzreste und entsprechender Analyseverfahren<br />

kann das Alter der Burg nun genau<br />

datiert werden, sagte Biermann. Allein im heutigen<br />

Niedersachsen soll es laut Biermann Hunderte<br />

solcher Anlagen geben: „Das sind <strong>die</strong> Relikte<br />

sehr kriegerischer Zeiten.“<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa<br />

Fotos: picture-alliance/dpa©dpa (2)<br />

MUSEUMSTIPP<br />

Armeemuseum Friedrich der Große<br />

Ein Kuriosum in der bayerischen Museumslandschaft<br />

Auf der Plassenburg<br />

in Kulmbach<br />

lässt sich <strong>die</strong><br />

größte Ausstellung<br />

altpreußischer<br />

Militärgegenstände<br />

bestaunen.<br />

Die Geschichte des „Armeemuseums Friedrich<br />

der Große“ reicht ins Jahr 1993 zurück.<br />

Damals fand <strong>die</strong> bis dahin private<br />

Sammlung (etwa 300 Exponate) im Rittersaal<br />

des Ortenburger Schlosses in Niederbayern<br />

als „Wehrgeschichtliches Museum des 18.<br />

Jahrhunderts“ ihre erste öffentliche Bleibe.<br />

Nachdem <strong>die</strong> Rahmenbedingungen im<br />

Ortenburger Schloss nicht mehr dem Umfang<br />

der größer werdenden Sammlung entsprachen,<br />

wurde ein neuer Standort gesucht<br />

und schließlich in Zusammenarbeit<br />

mit der „Bayerischen Verwaltung<br />

der Staatlichen Schlösser, Gärten und<br />

Seen“ gefunden: <strong>die</strong> ehemalige Hohenzollernresidenz<br />

Plassenburg oberhalb<br />

von Kulmbach. Nach intensiver<br />

Planung konnte 1999 in den Renaissancegewölben<br />

des ehemaligen Waffensaals<br />

<strong>die</strong> neue Dauerausstellung eröffnet<br />

werden.<br />

Zahlreiche Ausstellungsobjekte dokumentieren<br />

dort seither das äußere Erscheinungsbild<br />

einer Armee des 18. Jahrhunderts,<br />

<strong>die</strong> durch Friedrich den Großen<br />

(1712–1786) geprägt war und den Lauf<br />

der Geschichte nachhaltig beeinflusste.<br />

Nach einiger Zeit wurde <strong>die</strong> Militaria-Abteilung<br />

der Markgrafschaft Ansbach-<br />

Sponton (Offiziersstangenwaffe) mit<br />

den Initialen „FR“ für „Fridericus Rex“<br />

im Armeemuseum.<br />

Bayreuth in das neu geschaffene<br />

„Fränkische Hohenzollernmuseum“<br />

im oberen Stock integriert.<br />

Dadurch kann im Armeemuseum<br />

auch <strong>die</strong> Leistung des „Soldatenkönigs“<br />

Friedrich Wilhelm I. beim<br />

Aufbau der preußischen Armee<br />

durch zum Teil einmalige Exponate<br />

gewürdigt werden.<br />

Kontakt: Armeemuseum<br />

Friedrich der Große<br />

95326 Kulmbach<br />

Öffnungszeiten:<br />

April–September: 9–18 Uhr<br />

Oktober–März: 10–16 Uhr<br />

Täglich geöffnet.<br />

Geschlossen am:<br />

1.1., Faschings<strong>die</strong>nstag,<br />

24.12., 25.12., 31.12.<br />

www.armeemuseum-plassenburg.de<br />

6


Abb.: picture alliance/Keystone<br />

KURIOSES<br />

Naturbeobachtung im<br />

„Gallischen Krieg“<br />

Caesar war ein fähiger Staatsmann. Von<br />

Elchen hatte er aber wenig Ahnung.<br />

Es gibt ebenso Tiere, <strong>die</strong> Elche genannt werden.<br />

[…] Weder legen sie sich zum Schlafen hin noch<br />

können sie, wenn sie durch irgendeinen Zufall<br />

umgeworfen, sich aufrichten oder aufstehen. Ihnen<br />

<strong>die</strong>nen Bäume als Schlafstätten. Sie nähern<br />

sich ihnen an und genießen so, ein wenig an sie<br />

angelehnt, Ruhe. Wenn Jäger durch Spuren bemerkt<br />

haben, wohin sie sich gewöhnlich zurückziehen,<br />

untergraben sie dort alle Bäume oder kerben<br />

sie so sehr an, dass im Ganzen noch der Anschein<br />

stehender Bäume bleibt. Wenn sie sich ihrer<br />

Gewohnheit nach hier<br />

angelehnt haben, bringen<br />

sie <strong>die</strong> schwachen<br />

Bäume durch ihr Gewicht<br />

zu Fall und werden<br />

selbst getötet.“<br />

Kurios: Die „Elchbeschreibung“<br />

aus „De Bello Gallico“<br />

– der als Meisterwerk prosaischer<br />

Sachlichkeit gilt – wirkt<br />

auf uns seltsam.<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

„Den Westwall halten oder mit dem<br />

Westwall untergehen“<br />

Spannende Dokumentation zur 2. Aachen-Schlacht im Oktober 1944<br />

Im Oktober 1944 eroberten <strong>die</strong> Alliierten<br />

im Westen mit der alten Kaiserstadt Aachen<br />

<strong>die</strong> erste Großstadt des Deutschen<br />

Reiches.<br />

Nach dreiwöchigem Kampf gelang es<br />

den nach Osten vorstoßenden US-Verbänden,<br />

<strong>die</strong> im Raum Aachen stehenden<br />

deutschen Kräfte in einer zangenförmigen<br />

Operation einzukesseln und am 21. Oktober<br />

1944 zur Kapitulation zu bewegen.<br />

Timm Haasler, ehemaliger Bundeswehroffizier<br />

und Autor mehrerer Publikationen<br />

zum Krieg an der Westfront<br />

1944/45, dokumentiert in seiner neuen<br />

Untersuchung beinahe minutiös <strong>die</strong> dramatischen<br />

Ereignisse jener Herbsttage des<br />

Jahres 1944 in und um Aachen. Dabei geht<br />

er wichtigen Fragen nach: Wer <strong>waren</strong> <strong>die</strong><br />

Verteidiger Aachens? <strong>Wie</strong> <strong>waren</strong> sie gegliedert<br />

und ausgerüstet? <strong>Wie</strong> war es um<br />

ihre Kampfmoral und ihren Kampfwert<br />

bestellt?<br />

Basierend auf zahlreichen bisher unveröffentlichten<br />

Quellen deutscher und<br />

amerikanischer Archive beschreibt Haaslers<br />

Dokumentation zur 2. Aachen-<br />

Schlacht <strong>die</strong> Kampfhandlungen aus deutscher<br />

Sicht. Neben vielen Fotos ergänzen<br />

Tabellen und historische Karten und Skizzen<br />

<strong>die</strong> lesenswerte Stu<strong>die</strong> zum Krieg im<br />

Westen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />

„Den Westwall halten oder mit dem<br />

Westwall untergehen"<br />

Teil 2: Die 2. Aachen-Schlacht<br />

349 Seiten, fest gebunden, 148 Abbildungen,<br />

Format: 21 x 28,7 cm<br />

ISBN 978-3-86933-088-4<br />

Preis: 38,50 €<br />

Detaillierte Stu<strong>die</strong> aus<br />

deutscher Sicht über<br />

<strong>die</strong> Kämpfe in und um<br />

Aachen im Oktober<br />

1944. Foto: Helios Verlag<br />

Erbsensuppe à la Bundeswehr<br />

Die Kantinen und Feldküchen<br />

der Bundeswehr dürften<br />

nicht gerade als „Gourmettempel“<br />

bekannt sein. Militärische<br />

Notwendigkeiten sprechen eindeutig<br />

gegen ein Bœuf bourguignon<br />

samt einem Glas Château<br />

Lafite Rothschild für jeden Soldaten.<br />

Das Essen muss nahrhaft,<br />

günstig und in großer Menge zu<br />

kochen sein. Ein Gericht erfüllt<br />

alle <strong>die</strong>se Anforderungen: Die<br />

gute alte Erbsensuppe! Und <strong>die</strong><br />

ist nicht nur auf dem Manöverplatz<br />

nicht zu verachten. Wer<br />

Zutatenliste (für etwa 4 Portionen):<br />

- Schweineschmalz (20 g)<br />

- Speck (100 g)<br />

- Zwiebeln (2 Stück)<br />

- Karotten (100 g)<br />

- Sellerie (100 g)<br />

- Lauch (1 Stange)<br />

- Wasser (2 l)<br />

- Erbsen (500 g)<br />

- Majoran (1 TL)<br />

- Gemüsebrühe (8 TL)<br />

- Kartoffeln (300 g)<br />

- Weißer Pfeffer<br />

- Petersilie (2 Stängel)<br />

Einfach und nahrhaft:<br />

<strong>die</strong> Erbsensuppe der<br />

Bundeswehr<br />

Foto: picture alliance/<br />

Foodcollection<br />

sich davon selber<br />

überzeugen<br />

möchte, kann<br />

<strong>die</strong>sen „Militär-<br />

Klassiker“<br />

nachkochen: Das Schweineschmalz<br />

im Topf schmelzen<br />

und anschließend den (klein geschnittenen)<br />

Speck hinzugeben.<br />

Dann <strong>die</strong> gehackten Zwiebeln<br />

zugeben, sowie – mit etwas Abstand<br />

– Karotten, Sellerie und<br />

Lauch (alles möglichst klein gewürfelt<br />

bzw. geschnitten). Das<br />

Ganze andünsten. Doch Vorsicht:<br />

Nicht anbrennen lassen!<br />

Nun den ersten Liter Wasser<br />

hinzufügen und gut durchmischen.<br />

Erbsen einrühren und<br />

den zweiten Liter aufschütten.<br />

Jetzt fehlen nur noch ein wenig<br />

Majoran und <strong>die</strong> Gemüsebrühe<br />

– dann <strong>die</strong> Suppe 15 bis 20 Minuten<br />

köcheln lassen. Zum<br />

Schluss noch <strong>die</strong> gewürfelten<br />

Kartoffeln hinzu geben und<br />

weitere 40 Minuten vor sich hin<br />

köcheln lassen. Immer wieder<br />

umrühren, damit nichts anbrennt.<br />

Als finaler „Touch“ können<br />

noch Pfeffer, Salz und Petersilie<br />

untergerührt werden.<br />

Wer will, kann <strong>Wie</strong>ner Würstchen<br />

als Variation in <strong>die</strong> Erbsensuppe<br />

schneiden.<br />

100<br />

Jahre ist es her, dass Kapitän zur See<br />

Alfred Meyer-Waldeck, Gouverneur des<br />

„Deutschen Schutzgebietes Kiautschou“<br />

(Hauptstadt Tsingtau), mit den<br />

Soldaten seiner Garnison vor den japanischen<br />

Truppen kapitulieren musste.<br />

Am 7. November 1914 kam <strong>die</strong> Kolonie<br />

an der chinesischen Ostküste damit unter<br />

<strong>die</strong> Verwaltung des Japanischen<br />

Kaiserreiches.<br />

Foto: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Clausewitz 6/2014<br />

7


Clausewitz<br />

Magazin<br />

Abb.: picture-alliance/Bildagentur-online; Foto: picture alliance/ROPI<br />

VORBILD NATUR<br />

Flugsaurier für „Uncle Sam“<br />

Das US-Militär ist an der Biomechanik der Dinos<br />

interessiert<br />

Pterosaurier – Flugsaurier – weisen eine<br />

höchst interessante Biomechanik auf. Einige<br />

<strong>die</strong>ser Flugreptilien besaßen <strong>die</strong> Ausmaße<br />

eines modernen Kampfjets. Damit<br />

sind es <strong>die</strong> größten Flugtiere aller Zeiten –<br />

und sie weisen anatomische Eigenheiten<br />

auf, <strong>die</strong> sie von jedem Vogel oder jeder Fledermaus<br />

unterscheiden.<br />

Die Flugeigenschaften <strong>die</strong>ser Saurier sind<br />

deshalb von Interesse für das US-Verteidigungsministerium<br />

und könnten das Design<br />

neuer Flugzeuge beeinflussen. So besaß das<br />

Pteranodon – eine Flugechse – zum Beispiel<br />

„Finger“, <strong>die</strong> bis zu zweieinhalb Meter lang<br />

<strong>waren</strong>. Beim Flug krümmten sich <strong>die</strong>se<br />

Gliedmaßen mit der Abwärtsbewegung der<br />

Flügel und „schnappten“ zurück bei der<br />

Aufwärtsbewegung. Dies verringert den<br />

„Jurassic Park“ für das US-Militär: Flugsaurier beherrschen<br />

<strong>die</strong> Lüfte vor 228 bis 66 Millionen Jahren. Die<br />

abgebildete F-35 ist ein Flugzeug der 5. Generation –<br />

aber noch ohne Saurier-Technologie gebaut.<br />

Energieaufwand während des Flügelschlags.<br />

Die U.S. Air Force ist an <strong>die</strong>sem System im<br />

Zusammenhang mit Flugzeugen und Fallschirmen<br />

interessiert.<br />

Eine weitere Besonderheit der Flugsaurier<br />

sind <strong>die</strong> leichten und hohlen Knochen,<br />

wodurch sie sowohl Füße als auch Flügel<br />

nutzen konnten, um sich vom Boden abzustoßen.<br />

Dadurch gewannen sie mehr Geschwindigkeit<br />

über eine kürzere Distanz.<br />

Für Flugzeuge würde <strong>die</strong>s eine kürzere<br />

Startbahn sowie weniger Treibstoffverbrauch<br />

bedeuten. Die Saurier halten noch<br />

weitaus mehr Biomechanik bereit, als <strong>die</strong>se<br />

beiden Beispiele suggerieren. Wir werden<br />

sehen, ob und wie <strong>die</strong>se mehrere Millionen<br />

Jahre alte „Technik“ <strong>die</strong> Militärflugzeuge<br />

der Zukunft beeinflusst.<br />

„Niemand hat <strong>die</strong> Absicht, eine<br />

Mauer zu errichten.“<br />

Walter Ulbricht (Generalsekretär des Zentralkomitees<br />

der SED) am 15. Juni 1961. Am 13. August 1961 beginnt<br />

<strong>die</strong> <strong>DDR</strong> mit dem Mauerbau.<br />

BUCHTIPP<br />

Schaustücke von<br />

Elastolin<br />

2. Band zu den beliebten Dioramen<br />

Der Verlag Figuren<br />

Magazin in Berlin<br />

hat den 2. Band zu<br />

den Hausser/Elastolin-Schaustücken<br />

vorgelegt. Gezeigt<br />

werden in <strong>die</strong>ser<br />

reich bebilderten Publikation viele bisher veröffentlichte<br />

Original-Schaustücke der Firma<br />

Hausser aus ihrer Anfangsphase bis zum Jahr<br />

1960.<br />

Diese für Sammler und Interessierte unverzichtbare<br />

und aufwendig gestaltete Dokumentation<br />

bietet hochinteressante und<br />

aufschlussreiche Einblicke in <strong>die</strong> Dioramen-<br />

Gestaltungen bei Hausser bis zum Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges sowie interessante Beispiele<br />

aus der Nachkriegszeit.<br />

Verlag Figuren Magazin H. Lang, A. Pietruschka<br />

112 Seiten, mit vielen zeitgenössischen originalen<br />

schwarz/weiß-Fotos, aufwendiger Bilderdruck im<br />

120er Raster, d.h. geeignet für Detailbetrachtungen<br />

mit einer Lupe. Format DIN A4 quer.<br />

ISBN 978-3-930029-03-7, Preis: 39,- EUR<br />

Foto: Verlag Figuren Magazin<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag<br />

zwischen Vergangenheit und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Das Gemälde des<br />

sowjetischen Malers Krivonogov<br />

zeigt <strong>die</strong> Verteidiger der Brester<br />

Festung 1941, <strong>die</strong> in der<br />

russischen Erinnerung an den<br />

Zweiten Weltkrieg einen festen<br />

Platz hat.<br />

Heute: Die Brester Festung (auch<br />

bekannt als Festung von Brest-<br />

Litowsk) ist eine der meistbesuchten<br />

Touristenattraktionen<br />

Weißrusslands. 1965 bekam sie<br />

den Ehrentitel „Heldenfestung“<br />

verliehen.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

8


p , , , , , , ,<br />

Abb.: Museum im Schloss Lützen<br />

AUSSTELLUNGSTIPP<br />

Wahrheit und Legende<br />

Sonderausstellung zu Feldmarschall Pappenheim (1594-1632)<br />

Sehenswert: Die kleine Ausstellung zu<br />

Pappenheim gewährt tiefe Einblicke in<br />

<strong>die</strong> Biographie des Feldmarschalls.<br />

Daran erkenn ich meine Pappenheimer“.<br />

Dieses zum<br />

Sprichwort gewordene Zitat aus<br />

Schillers „Wallensteins Lager“<br />

kennt heute fast jeder. Doch worauf<br />

bezieht er sich, was meint er?<br />

Gottfried Heinrich zu Pappenheim,<br />

des Kaisers und Wallensteins<br />

bester Reitergeneral,<br />

kämpfte in der Schlacht bei Lützen<br />

am 6./16. November 1632.<br />

Das Lützener Museum zeigte<br />

2007 und 2012 zu Gustav II. Adolf und Wallenstein<br />

zwei große internationale Ausstellungen,<br />

<strong>die</strong> nun mit einer kleineren Exposition<br />

<strong>die</strong> Darstellung der Schlacht bei Lützen<br />

und ihrer Folgen beleuchten soll. Pappenheim<br />

und Pappenheimer – kaum ein Heerführer<br />

wird so eng mit seinen Soldaten in Zusammenhang<br />

gebracht, wie der Feldmarschall.<br />

Warum das so ist und wie der Ruf seiner Kürassiere<br />

entstanden ist, stellt nur eine der Fragen<br />

dar, der <strong>die</strong> Ausstellung nachgeht.<br />

Der Schwerpunkt bei Pappenheim<br />

liegt auf wichtigen Lebensstationen<br />

seiner Biografie, wie seiner<br />

Beteiligung an der Zerstörung Magdeburgs<br />

und der Schlacht bei Breitenfeld<br />

1631. Seine Bedeutung für<br />

<strong>die</strong> erste Hälfte des Dreißigjährigen<br />

Krieges wird kritisch hinterfragt. Die kulturhistorische<br />

Geltung Pappenheims findet<br />

ebenfalls breite Aufmerksamkeit.<br />

Die Ausstellung läuft noch voraussichtlich<br />

bis zum 30. November <strong>die</strong>sen Jahres im<br />

Schlossmuseum Lützen.<br />

Kontakt: Museum Lützen<br />

Schlossstr. 4, 06686 Lützen<br />

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von<br />

10.00–17.00 Uhr<br />

Aus Liebe<br />

zum Detail<br />

Briefe an <strong>die</strong> Redaktion<br />

Zu „Priens ,Paukenschlag’“ in<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> 5/2014:<br />

In der Titelgeschichte Heft 5/2014<br />

„Priens Paukenschlag” wird auf<br />

S. 30 als Beispiel für <strong>die</strong> mangelnde<br />

Achtsamkeit der Engländer eine<br />

Kriegstagebuch-Eintragung Priens<br />

vom 17. Oktober über das Verhalten<br />

des Bewachungsfischdampfers Nr.<br />

808 angeführt. Prien kritisiert hier<br />

aber <strong>die</strong> mangelhafte Wachsamkeit<br />

eines deutschen Vorpostendampfers,<br />

mit dem er das Erkennungssignal<br />

austauschen wollte, vermutlich,<br />

um nicht irrtümlich angegriffen<br />

zu werden. Deshalb auch sein letzter<br />

Satz: „Bei solchen Bewachern<br />

kann sich ein solcher Vorgang wie<br />

meine Unternehmung auch bei uns<br />

ereignen”. Auch ein Vergleich der<br />

Uhrzeiten zeigt, dass nicht ein englischer<br />

Bewacher gemeint war: 17.<br />

Oktober 4.00–4.47 Uhr Zusammentreffen<br />

mit Vorpostendampfer Nr.<br />

808, am gleichen Tage 11.00 Uhr<br />

Einlaufen von U 47 in Wilhelmshaven<br />

(siehe S. 25). Ein englischer Bewacher<br />

hätte vor der britischen<br />

Küste gehandelt und <strong>die</strong> Strecke<br />

von dort bis Wilhelmshaven hätte<br />

U 47 unmöglich in ca. 6 Stunden<br />

zurücklegen können.<br />

R. Posselt, per E-Mail<br />

Clausewitz 6/2014<br />

In Ihrer Titelgeschichte<br />

„Scapa Flow“ ist<br />

Ihnen offensichtlich<br />

mit dem Bild auf Seite<br />

22 oben ein technischer<br />

Fehler unterlaufen.<br />

Beim genauen<br />

Betrachten fällt auf,<br />

Prien legt auf dem<br />

Bild <strong>die</strong> linke an den<br />

Mützenschirm und <strong>die</strong> jubelnden<br />

Massen recken ebenfalls <strong>die</strong> Linke<br />

in <strong>die</strong> Höhe.<br />

Diese Kleinigkeit beeinflusst<br />

aber nicht den positiven Eindruck,<br />

den Ihre gut aufgemachte Zeitschrift<br />

auf mich macht.<br />

H.-P. Hohenstein, per E-Mail<br />

Könnte es sein, dass das Bild auf<br />

Seite 22 falsch abgedruckt ist?<br />

Kapitän grüsst mit links. Zuschauer<br />

heben den linken Arm...<br />

Christian Klein, per E-Mail<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Peenemünde: Was von<br />

der „V2-Schmiede“<br />

übrig blieb<br />

Zweiter Golfkrieg<br />

1990: Kampf um <strong>die</strong><br />

Freiheit oder ums Öl?<br />

Weißenburg 1870<br />

Der blutige Auftakt zu<br />

Preußens Triumph<br />

Winston Churchill<br />

Hitlers härtester Feind<br />

1939: U 47 versenkt HMS ROYAL OAK<br />

<strong>Wie</strong> Günther Prien<br />

Scapa Flow bezwang<br />

MILITÄR & TECHNIK<br />

Schrecken der Briten:<br />

Günther Prien, erfolgreicher<br />

Kommandant von U 47<br />

Militärlager im<br />

Feindesland:<br />

So schützten<br />

sich Roms<br />

Legionen<br />

Schreiben Sie an:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

Anm. d. Red.: Die Leser haben<br />

Recht. Es handelt sich bei der Abbildung<br />

in CW<br />

5/2014 auf Seite<br />

22 oben um ein<br />

gespiegeltes Bild.<br />

Wir bitten, <strong>die</strong>sen<br />

Fehler zu entschuldigen.<br />

Allgemein zu<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>:<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> ist seit der ersten<br />

Ausgabe meine unentbehrliche<br />

Lektüre und hilft mir, mein Wissen<br />

in Militärgeschichte zu erweitern.<br />

Bitte weiter auf <strong>die</strong>sem Weg.<br />

Ihr Namenspatron Gen. Clausewitz<br />

war kein glorreicher Feldherr,<br />

dafür ein bedeutender Analytiker<br />

der Kriegsgeschichte. Sein Werk<br />

„Vom Kriege“ war Pflichtlektüre<br />

von Millionen Offiziersschülern,<br />

nicht nur in Deutschland.<br />

Ich würde mich freuen, irgendwann<br />

einen Beitrag über <strong>die</strong>sen<br />

bedeutenden Militär in CLAUSE-<br />

WITZ zu lesen. (...)<br />

Alexander Butzynowski, Berlin<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt <strong>die</strong> Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />

behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />

Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

Jetzt neu<br />

am Kiosk!


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

Die Nationale Volksarmee der <strong>DDR</strong><br />

Streitmacht des<br />

10


Kalten Krieges<br />

Januar 1956: Die <strong>DDR</strong>-Volkskammer beschließt den Aufbau<br />

einer „Nationalen Volksarmee“. Im geteilten Deutschland<br />

entsteht damit eine weitere militärische Streitmacht. Der<br />

Konflikt zwischen den Machtblöcken in Ost und West spitzt<br />

sich dramatisch zu.<br />

Von Dieter Flohr<br />

DEMONSTRATION DER STÄRKE<br />

Militärparade der <strong>NVA</strong> mit Panzerhaubitzen am 7. Oktober<br />

1986 in Ost-Berlin anlässlich des 37. Jahrestages der<br />

<strong>DDR</strong>-Gründung. Die <strong>DDR</strong>-Führung signalisiert dem Westen<br />

<strong>die</strong> militärische Macht und Entschlossenheit des „Arbeiterund<br />

Bauernstaates“.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />

Clausewitz 6/2014<br />

11


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

FAKTEN<br />

Beschluss zur Gründung der <strong>NVA</strong> (1956)<br />

Die militärische Bewaffnung der <strong>DDR</strong> nimmt in den 1950er-Jahren konkrete Züge<br />

an. Die <strong>DDR</strong>-Führung sieht in der Schaffung einer eigenen Armee <strong>die</strong> Antwort auf<br />

<strong>die</strong> Gründung der Bundeswehr Ende 1955:<br />

„Gesetz über <strong>die</strong> Schaffung der Nationalen Volksarmee und des Ministeriums<br />

für Nationale Verteidigung“<br />

vom 18. Januar 1956 (Auszug)<br />

„Der Schutz der Arbeiter-und-Bauern-Macht, der Errungenschaften der Werktätigen<br />

und <strong>die</strong> Sicherung ihrer friedlichen Arbeit sind elementare Pflicht unseres demokratischen,<br />

souveränen und friedliebenden Staates. Die <strong>Wie</strong>dererrichtung des aggressiven<br />

Militarismus in Westdeutschland und <strong>die</strong> Schaffung der westdeutschen<br />

Söldnerarmee, ist eine ständige Bedrohung des deutschen Volkes und aller Völker<br />

Europas.<br />

Zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherheit unserer Deutschen<br />

Demokratischen Republik beschließt <strong>die</strong> Volkskammer (...) das folgende Gesetz:<br />

§ 1<br />

(1.) Es wird eine ,Nationale Volksarmee’ geschaffen.<br />

(2.) Die ,Nationale Volksarmee’ besteht aus Land-, Luft- und Seestreitkräften, <strong>die</strong><br />

für <strong>die</strong> Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik notwendig sind.(...)“<br />

12


Aufbau einer <strong>schlagkräftig</strong>en Armee<br />

WEHRHAFT<br />

In Manövern müssen <strong>die</strong> Soldaten der <strong>NVA</strong> ihre Leistungsfähigkeit<br />

immer wieder unter Beweis stellen, hier im<br />

Rahmen einer Übung auf dem Truppenübungsplatz<br />

an einem 122-mm-Geschütz. Foto: Erhard Berkholz<br />

Clausewitz 6/2014<br />

13


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

FAKTEN<br />

Sozialistischer „Waffenbruder”<br />

Die <strong>NVA</strong> steht von Beginn an unter dem beherrschenden<br />

Einfluss des „Großen Bruders“<br />

Sowjetunion.<br />

Ihre Ausrüstung und Waffen beziehen <strong>die</strong><br />

<strong>Streitkräfte</strong> der <strong>DDR</strong> in den Anfangsjahren<br />

aber auch später vor allem aus der UdSSR,<br />

insbesondere schwere Artilleriewaffen und<br />

Panzerfahrzeuge sowie moderne Kampfflugzeuge<br />

stammen aus sowjetischer Produktion.<br />

Gemeinsame Militärmanöver der <strong>NVA</strong> mit den<br />

sowjetischen <strong>Streitkräfte</strong>n und Soldaten anderer<br />

verbündeter Staaten sollen <strong>die</strong> „Waffenbrüderschaft“<br />

innerhalb des Warschauer<br />

Paktes stärken.<br />

Die Spannungen während des Kalten Krieges<br />

mit dem Westen und speziell den Mitgliedsstaaten<br />

des NATO-Bündnisses führen zu einer<br />

erheblichen Aufrüstung der <strong>NVA</strong> und ihrer<br />

Teilstreitkräfte zu Lande, zu Wasser und in<br />

der Luft.<br />

Der in den Nachkriegsjahren entstandene<br />

Konflikt zwischen den Militärblöcken in Ost<br />

und West sollte <strong>die</strong> Welt lange Zeit in Atem<br />

halten.<br />

14


Armee des Warschauer Paktes<br />

BEREIT FÜR DEN ERNSTFALL<br />

Die <strong>NVA</strong> entwickelt sich innerhalb des Verbunds der Warschauer-<br />

Pakt-Staaten zu einer <strong>schlagkräftig</strong>en, mit zahlreichen verschiedenen<br />

Waffensystemen ausgerüsteten Armee. Diese werden<br />

während des Kalten Krieges regelmäßig im Rahmen von Großübungen<br />

mit den „Bruderstaaten“ eingesetzt und getestet, zum<br />

Beispiel im Rahmen des Manövers „Waffenbrüderschaft 80“ in<br />

der <strong>DDR</strong>.<br />

Foto: picture-alliance/dpa-Zentrabild<br />

Clausewitz 6/2014<br />

15


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

Der Ost-West-Konflikt hat sich seit dem<br />

Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />

zur NATO am 9. Mai 1955 und der<br />

Unterzeichnung des „Vertrages über Freundschaft,<br />

Zusammenarbeit und gegenseitigen<br />

Beistand“ (Warschauer Pakt) am 14. Mai 1955<br />

weiter verschärft.<br />

Der Aufbau einsatzfähiger <strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong><br />

nimmt daher nach dem Volkskammer-<br />

Beschluss vom 18. Januar 1956 zur Schaffung<br />

einer „Nationalen Volksarmee“ zügig Formen<br />

an. Bereits im Sommer und Herbst finden<br />

erste Regimentsübungen gemeinsam mit<br />

der Westgruppe der sowjetischen <strong>Streitkräfte</strong><br />

statt. Im Oktober wird <strong>die</strong> 1. Mot.-Schützendivision<br />

(MSD) Potsdam als „gefechtsbereit“<br />

eingeschätzt. Allerdings können <strong>die</strong> ersten<br />

Heereseinheiten erst 1958 dem Vereinten<br />

Oberkommando unterstellt werden.<br />

Große „Säuberungswelle”<br />

Aufgrund des Befehls Nr. 2 des Ministers des<br />

Inneren aus dem Jahr 1949 läuft noch immer<br />

eine groß angelegte „Säuberungswelle“ innerhalb<br />

der <strong>NVA</strong>. Offiziere, <strong>die</strong> im Westen<br />

Verwandte „in gerader Linie“ hatten oder<br />

sich in westalliierter oder auch jugoslawischer<br />

Gefangenschaft befanden, werden entlassen,<br />

darunter auch 3.300 Grenzpolizisten.<br />

Bis Oktober 1950 sind bereits 10.000 Mann<br />

von den Maßnahmen der Säuberungsaktion<br />

betroffen, davon zirka 200 Offiziere.<br />

TONANGEBEND: Willi Stoph wird 1956 der<br />

erste Minister für Nationale Verteidigung in<br />

der <strong>DDR</strong>. Er übt <strong>die</strong>ses Amt bis zum Juli<br />

1960 aus. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Ehemalige Wehrmachtsoffiziere werden<br />

noch bis 1958 entlassen. In Ungarn wechselten<br />

beim Volksaufstand des Jahres 1956 auch<br />

Teile der Volksarmee <strong>die</strong> Seiten. Dennoch<br />

verbleiben viele ehemalige Wehrmachtsoldaten<br />

und Angehörige der Kriegsmarine in<br />

der <strong>NVA</strong>.<br />

LANGE IM AMT: Armeegeneral Heinz Hoffmann,<br />

Minister für Nationale Verteidigung<br />

der <strong>DDR</strong> von 1960 bis 1985.<br />

Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

Die zugeführte moderne Technik offenbart,<br />

dass viele schnell zu Offizieren und Unteroffizieren<br />

beförderte Soldaten keine ausreichende<br />

Vorbildung besitzen. Während ab<br />

1954 massenweise Abiturienten für <strong>die</strong> Offiziersschulen<br />

„gewonnen“ werden, müssen<br />

<strong>die</strong> Leutnante und Oberleutnante wieder auf<br />

IM VERBUND: Schützenpanzer und Kampfhubschrauber<br />

der <strong>NVA</strong> während einer Großübung<br />

auf dem Truppenübungsplatz Wolmirstedt im<br />

Jahr 1981. Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann<br />

16


Aufbau mit Hindernissen<br />

Lehrgänge geholt werden, um dort in ein bis<br />

drei Jahren auf das gestiegene Abschlussniveau<br />

der Offiziersausbildung gehoben zu<br />

werden. In den 1960er-Jahren setzt eine regelrechte<br />

Weiterbildungs-Euphorie ein. Um<br />

weiterhin in der Armee <strong>die</strong>nen zu können,<br />

holen viele ihren Abschluss der 10. Klasse in<br />

Abendstu<strong>die</strong>n nach oder lernen für das Abitur.<br />

Zahlreiche bereits ältere Offiziere beginnen<br />

ein Fernstudium an zivilen Unis und<br />

Hochschulen. Dabei bleibt so mancher von<br />

ihnen allerdings auf der Strecke, weil <strong>die</strong><br />

körperlichen-geistigen Anforderungen nach<br />

Dienst <strong>die</strong> Gesundheit in Mitleidenschaft<br />

ziehen. Mit der zehnklassigen Polytechnischen<br />

Oberschule und der zunehmenden<br />

Zahl an Abiturienten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Erweiterten<br />

Oberschulen verlässt, werden <strong>die</strong>se Schwierigkeiten<br />

schließlich überwunden.<br />

Ungelöste Probleme<br />

Dafür rufen <strong>die</strong> Militärakademie Dresden<br />

und auch Höhere Schulen in der Sowjetunion<br />

oder anderen „Bruderstaaten“ alljährlich<br />

nach immer mehr Offiziershörern. Nicht alle<br />

Absolventen erhalten danach entsprechende<br />

Dienststellungen. Es wird so mancher Kommandant<br />

oder Stabschef eines Bataillons<br />

nach dem Studium wieder in seiner alten<br />

Funktion eingesetzt. Der Bildungsstand des<br />

Offizierskorps aber auch der Feldwebel und<br />

Fähnriche ist in der <strong>NVA</strong> unverhältnismäßig<br />

hoch. Dennoch werden <strong>die</strong> aus Offiziersfamilien<br />

stammenden Kinder von ihrer sozialen<br />

Herkunft her als Arbeiter eingestuft.<br />

Noch in den 1960er-Jahren stehen <strong>die</strong> Berufssoldaten<br />

vor massiven Wohnungsproblemen.<br />

Oft verbleiben Familien bei den Eltern<br />

daheim, bis endlich Partei und Regierung<br />

bereit sind, auch für Angehörige der<br />

<strong>NVA</strong> Neubauwohnungen in den oft abgelegenen<br />

Standorten zu errichten und einer<br />

<strong>NVA</strong>-eigenen Wohnungsverwaltung zu<br />

übergeben. Dennoch kann das Wohnungsproblem<br />

nie gänzlich gelöst werden. Der<br />

Grund dafür sind häufige Versetzungen der<br />

Offiziere.<br />

Die Offiziere, <strong>die</strong> nun von den Höheren<br />

Schulen der Sowjetarmee zurückkehren, erhalten<br />

Führungspositionen. Sie führen <strong>die</strong><br />

sowjetische Militärwissenschaft, ihre Doktrin<br />

und Vorschriften in <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> ein. Von eigenen<br />

Offiziersschulen der Land-, Luft- und<br />

Seestreitkräfte kommen derweil Hunderte<br />

von jungen Offizieren.<br />

Bei der Mehrzahl der freiwilligen Soldaten<br />

handelt es sich um junge Männer aus den<br />

Produktionsbetrieben und den Reihen der<br />

werktätigen Bauernschaft. Diese Generation<br />

hat den Zweiten Weltkrieg und <strong>die</strong> in der<br />

<strong>DDR</strong> weitgehend tabuisierte Flucht und Vertreibung<br />

der Deutschen aus dem Osten als<br />

ERSTAUSSTATTUNG:<br />

Die ab 1956<br />

durch <strong>die</strong> Seestreitkräfte<br />

der <strong>NVA</strong> in Dienst<br />

gestellten Minenleg-<br />

und Räumschiffe<br />

des<br />

Projekts „Krake“<br />

sind mit sowjetischen<br />

Geschützen<br />

Kaliber 85 mm<br />

ausgerüstet und<br />

können gegen<br />

See- und Landziele<br />

eingesetzt<br />

werden.<br />

Foto: Sammlung<br />

Dieter Flohr<br />

ANGETRETEN<br />

ZUM EID: Wehrpflichtige<br />

der <strong>NVA</strong><br />

bei der Vereidigung<br />

auf dem Gelände<br />

der Mahnund<br />

Gedenkstätte<br />

Ravensbrück im<br />

Jahr 1979.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

ZB©dpa-Report<br />

BESTAUNT: Nach<br />

Beendigung des<br />

Manövers „Waffenbrüderschaft<br />

70“ wird ein langes<br />

Marschband<br />

von teilnehmenden<br />

Landungssoldaten<br />

zusammengestellt,<br />

das<br />

Dörfer und Städte<br />

zwischen Wolgast<br />

und Stralsund<br />

durchfährt. Im<br />

Bild der Autor als<br />

Journalist in<br />

Marineuniform.<br />

Foto: Sammlung<br />

Dieter Flohr<br />

Clausewitz 6/2014<br />

17


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

FORMATIONSFLUG: Einstrahlige Jagdflugzeuge vom Typ<br />

MiG-23 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der <strong>DDR</strong> im<br />

Luftraum nahe Peenemünde an der Ostsee, Aufnahme<br />

aus dem Jahr 1983. Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />

KARTE<br />

Operationsplanungen für den „Westlichen Kriegsschauplatz”<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Nach der in den 1970er-Jahren von der Sowjetunion verkündeten neuen<br />

Militärdoktrin sollte ein möglicher Aggressor nach kurzem Grenzkampf<br />

auf sein eigenes Territorium zurückgeworfen und dort „vernichtet“<br />

werden. Dieser Strategie war <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> bedingungslos ausgeliefert,<br />

ohne genauere Kenntnisse über <strong>die</strong> Operationsplanungen zu haben.<br />

Klar war nur, dass in einer Anfangsperiode eines Krieges <strong>die</strong> Kampfhandlungen<br />

unverzüglich und schnell – auch durch einen Erstschlag<br />

mit Kernwaffen – auf den „Westlichen Kriegsschauplatz“ getragen werden<br />

sollten. Man plante einen Angriff in zwei strategischen Hauptrichtungen<br />

und wollte innerhalb von 30 Tagen sowohl am Atlantik als auch<br />

nach 45 Tagen an den Pyrenäen stehen.<br />

Die „Jütländische Operation“ sah vor, dass <strong>die</strong> drei verbündeten Sozialistischen<br />

Ostseeflotten nach Erringung der Seeherrschaft in der<br />

südwestlichen Ostsee durch kombinierte Luft- und See-Landungsunternehmen<br />

<strong>die</strong> dänischen Inseln besetzen. Zugleich sollte <strong>die</strong> sogenannte<br />

5. Armee, <strong>die</strong> aus <strong>NVA</strong>-Truppen und dem Gros der polnischen<br />

Armee bestand, durch <strong>die</strong> norddeutsche Tiefebene an Hamburg vorbei<br />

auf das dänische Festland vorstoßen und nach wenigen Tagen Kap<br />

Skagen erreichen. Mit <strong>die</strong>ser Besetzung der „Sund-und-Beltzone“ wollte<br />

man günstige Bedingungen für sofortige Handlungen der Baltischen<br />

Flotte in Nordsee, Kanal und – im Verbund mit der starken Nordflotte –<br />

Operationsfreiheit im Atlantik gewinnen.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

18


In erhöhter Gefechtsbereitschaft<br />

Kind oder Jugendlicher miterlebt und sieht<br />

nun in der Armee eine berufliche Chance.<br />

Es gibt auch Seiteneinsteiger, <strong>die</strong> mit Auftrag<br />

der Freien Deutschen Jugend (FDJ) oder<br />

der SED-Partei in <strong>die</strong> Armee delegiert werden,<br />

zumeist sofort einen höheren Dienstgrad<br />

erhalten und fortan als Politoffiziere<br />

<strong>die</strong>nen. Zwischen 1954 und 1956 werden<br />

Tausende von Abiturienten an <strong>die</strong> Offiziersschulen<br />

geworben. Als <strong>die</strong>se gegenüber weniger<br />

schulisch gebildeten Vorgesetzten unangenehm<br />

auffallen und kaum handwerkliche<br />

Kenntnisse mitbringen, kehrt man zur<br />

„strengsten Wahrung des Klassenprinzips“<br />

zurück und stellt nur Facharbeiter ein.<br />

„Jetzt militärische Ausbildung für Infanterie,<br />

Aviation, Marine, Unterseeboote“.<br />

Josef Stalin zu Wilhelm Pieck nach Ablehnung der Offerte zur Neutralisierung<br />

Deutschlands 1952 („Stalin-Note“) am 7. April 1952<br />

SCHIESSÜBUNG:<br />

Offiziersschüler<br />

der Offizierhochschule<br />

der Landstreitkräfte<br />

„Ernst Thälmann“<br />

der <strong>NVA</strong> bei der<br />

Ausbildung im<br />

Felde.Foto: picturealliance/ZB©dpa-Report<br />

Gefährliche „Berlinkrise”<br />

Sie sollen innerhalb von nur einem Jahr zum<br />

„Not-Abitur“ geführt werden. Dann schickt<br />

man 1958/59 <strong>die</strong> Ex-Oberschüler in Betriebe,<br />

wo sie <strong>die</strong> Verbindung zur „Arbeiterklasse“,<br />

<strong>die</strong> es längst im Marx’schen Sinne nicht mehr<br />

gibt, gewinnen sollen. Als sich <strong>die</strong> Aktion als<br />

Misserfolg herausstellt, wird <strong>die</strong>ses Vorgehen<br />

wieder abgeschafft. Mit der polytechnischen<br />

Bildung an den allgemeinbildenden<br />

Schulen wird <strong>die</strong>ses Problem dann scheinbar<br />

überwunden. Kinder von Offizieren haben<br />

fortan als soziale Herkunft Arbeiter anzugeben.<br />

Der Beginn der Errichtung der Berliner<br />

Mauer am 13. August 1961 und <strong>die</strong> Auslösung<br />

der „Erhöhten Gefechtsbereitschaft“<br />

für <strong>die</strong> 1. Mot.-Schützendivision (MSD) Potsdam<br />

und <strong>die</strong> 8. MSD Schwerin sowie der absichernde<br />

Einsatz <strong>die</strong>ser Truppen in Berlin<br />

erweist sich als erste große „Schüttelfrosteinlage“<br />

für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong>. Doch da <strong>die</strong> westlichen<br />

Mächte den im Auftrag Moskaus handelnden<br />

Walter Ulbricht, Erster Sekretär des Zentralkomitees<br />

der SED, ohne größere Zwischenfälle<br />

gewähren lassen, kommt es im<br />

Rahmen der „Berlinkrise“ nicht zum Ernstfall.<br />

Ab 22. November 1961 kehren <strong>die</strong> genannten<br />

Divisionen schließlich in ihre Standorte<br />

zurück.<br />

Kaum erfüllbare Aufgaben<br />

Da im Jahr 1961 <strong>die</strong> westdeutsche Bundeswehr<br />

bereits acht Divisionen aufgestellt hat,<br />

wird 1962 <strong>die</strong> Allgemeine Wehrpflicht nun<br />

auch in der <strong>DDR</strong> eingeführt. Eine Kriegs<strong>die</strong>nstverweigerung<br />

gibt es nicht. Die Kirche<br />

setzt 1964 ersatzweise einen 18-monatigen<br />

„Dienst ohne Waffen“ durch, der in zunächst<br />

13 Baupionier-Bataillonen abzuleisten<br />

ist. Später gibt es weit mehr solcher Bataillone.<br />

Bereits 1960 stellt Marschall Iwan Konew,<br />

Oberkomman<strong>die</strong>render der <strong>Streitkräfte</strong> des<br />

Warschauer Vertrages, den Seestreitkräften<br />

der <strong>DDR</strong> <strong>die</strong> kaum erfüllbare Aufgabe, den<br />

GRUPPENFOTO: In Vorbereitung des Großmanövers „Waffenbrüderschaft<br />

80“ finden mehrere Landungsübungen der Verbündeten<br />

Ostseeflotten im Raum Peenemünde (Usedom) statt. Polnische,<br />

deutsche und sowjetische Landungssoldaten stellten sich nach<br />

Abschluss der Übung den Fragen der Militärjournalisten.<br />

Foto: Peter Seemann<br />

GESCHEITERTE ZUSAMMENARBEIT: Im Frühjahr 1981 führt der Warschauer<br />

Pakt das Manöver „Sojus 81“ durch. U. a. wurde eine Mot.-<br />

Schützenkompanie des MSR-29 Hagenow durch Landungsschiffe der<br />

Volksmarine in Swinemünde an Land gesetzt. Das Foto zeigt <strong>die</strong> Beladung<br />

der Landungsschiffe „Projekt 108“ im Beisein polnischer Offiziere<br />

nach Abbruch des erfolglosen Manövers. Foto: Sammlung Dieter Flohr<br />

Clausewitz 6/2014<br />

19


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

ZUR ORIENTIERUNG: Besatzungsmitglieder<br />

von Schützenpanzern der <strong>NVA</strong> bei Kartenstudium<br />

während einer Übung.<br />

Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

im Falle eines Krieges in Küstenrichtung<br />

handelnden – das heißt angreifenden –<br />

Landtruppen Flankenschutz zu geben. Doch<br />

zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt lautet der Auftrag der<br />

<strong>DDR</strong>-Führung noch immer: „Verteidigung<br />

der Küste und des Küstenvorfeldes der<br />

<strong>DDR</strong>“. Den sowjetischen Schwenk hin zu einer<br />

offensiven Kriegführung gen Westen hat<br />

man offiziell noch gar nicht mitbekommen<br />

beziehungsweise wahrgenommen.<br />

Gemeinsame Großmanöver<br />

Die erste Manöver-Bewährung bestehen <strong>die</strong>se<br />

offensiv ausgerichteten Einheiten gemeinsam<br />

mit polnischen Landungstruppen im<br />

Rahmen der Übung „Baltyk-Odra“ im Jahr<br />

1962 am Strand der Ostseeinsel Wollin (poln.<br />

Wolin). Die Verbände simulieren <strong>die</strong> Landung<br />

auf den dänischen Inseln. Auch unter<br />

schlechten Witterungsverhältnissen stellen<br />

sie in der Großübung „Flut 63“ ihre Leistungsfähigkeit<br />

unter Beweis.<br />

HINTERGRUND<br />

Die <strong>NVA</strong> war keine Armee im Kampfeinsatz.<br />

Dennoch war sie mit Beratern und Experten<br />

weltweit präsent: So in Angola, Mosambik,<br />

Algerien, Libyen, Irak, Syrien, Südjemen,<br />

Äthiopien, Guinea-Bissau, Benin, Nigeria,<br />

VR Kongo, Sansibar und Pemba, dann Tansania,<br />

Sambia, Eritrea.<br />

Die „Kubakrise“ im Herbst 1962, <strong>die</strong> wegen<br />

der geplanten Stationierung von nuklearen<br />

Mittelstreckenraketen der Sowjetarmee<br />

auf der Karibikinsel <strong>die</strong> Welt in <strong>die</strong> Nähe eines<br />

Atomkrieges stürzt, bringt für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> einen<br />

weiteren Modernisierungsschub. Diskutiert<br />

werden nun im Offizierskorps der <strong>NVA</strong> „Erstschlag<br />

und Gegenschlag“ und <strong>die</strong> „Gefahr<br />

der beiderseitigen Vernichtung“. Großmanöver<br />

der Vereinten <strong>Streitkräfte</strong> wie zum Beispiel<br />

„Baikal“, „Quartett“, „Oder-Neiße“ und<br />

„Moldau“ zeigen, dass sich <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> weiterentwickelt<br />

hat und nun ihren „Waffenbrüdern“<br />

durchaus ebenbürtig geworden ist.<br />

<strong>NVA</strong>-Präsenz im Ausland<br />

„Friedenssicherung –<br />

unser Klassenauftrag!”<br />

Propagandalosung der Nationalen<br />

Volksarmee<br />

Sie gewährte Ausbildung für Offiziere und<br />

Unteroffiziere an Offiziersschulen in der <strong>DDR</strong><br />

für Schüler aus Ländern wie unter<br />

anderem: Afghanistan, Äthiopien, Jemenitische<br />

VR, Kambodscha, VR Kongo, Kuba, Laos,<br />

Libyen, Mosambik, Nicaragua, Nordkorea,<br />

Tansania, Syrien und Vietnam.<br />

Im Jahr 1968 kommt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> dagegen in<br />

eine besonders kritische Situation, als der<br />

Generalsekretär des Zentralkomitees der<br />

Kommunistischen Partei der Sowjetunion,<br />

Leonid Breschnew, den Befehl erteilt, mit<br />

den Vereinten <strong>Streitkräfte</strong>n gegen <strong>die</strong> Reformbewegung<br />

des „Prager Frühlings“ vorzugehen.<br />

Die 11. Mot.-Schützendivision Halle<br />

und <strong>die</strong> 7. Panzerdivision Dresden erhalten<br />

Order, Bereitschaftsräume in Sachsen zu<br />

beziehen. Nach mehrwöchigem Biwak sollen<br />

am 21. August 1968 ostdeutsche Regimenter<br />

marschieren und den Raum Karlsbad<br />

(tschech. Karlovy Vary) besetzen. Als<br />

sich <strong>die</strong> Marschbänder formieren, kommt<br />

unerwartet der Befehl, <strong>die</strong>sseits der Grenze<br />

zu verbleiben.<br />

Krise im Jahr 1968<br />

Wer von den Oberen zur Einsicht kommt, es<br />

sei ein Unding, dass deutsche Soldaten 30<br />

Jahre nach der Besetzung der Tschechoslowakei<br />

durch <strong>die</strong> Wehrmacht erneut in das<br />

ehemalige Sudetengebiet einmarschieren,<br />

konnte nie ganz geklärt werden. Obwohl <strong>die</strong><br />

<strong>NVA</strong>-Soldaten befehlsgemäß marschiert wären,<br />

mussten Kommandeure, Politorgane<br />

und das Ministerium für Staatssicherheit<br />

(MfS) in den Konzentrierungsräumen sehr<br />

viel Überzeugungsarbeit selbst unter hochrangigen<br />

Offizieren leisten. Zwar gibt es zahlreiche<br />

organisierte Parteieintritte von Soldaten,<br />

aber auch Bestrafungen und Parteiaus-<br />

20


schlüsse für Kameraden, <strong>die</strong> unangenehme<br />

Fragen stellen und Zweifel an der „Strafaktion“<br />

gegen das „Brudervolk“ äußern.<br />

Die 1970er-Jahre sind geprägt durch <strong>die</strong><br />

Zuführung immer modernerer Waffen für alle<br />

drei Teilstreitkräfte der Nationalen Volksarmee.<br />

Die Anzahl der Artillerie der Mot.-<br />

Schützendivisionen erhöht sich bis 1976 von<br />

78 auf 144 Rohre.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Offensiv-Strategie<br />

HOHER BESUCH:<br />

Der Minister für Nationale<br />

Verteidigung<br />

der <strong>DDR</strong>, Armeegeneral<br />

Heinz Keßler,<br />

beim Mot.-Schützenregiment<br />

in Stahnsdorf<br />

im Jahr 1987.<br />

Links im Bild Wolfgang<br />

Herger, der damalige<br />

Leiter der Abteilung<br />

„Sicherheitsfragen“<br />

beim<br />

Zentralkomitee<br />

der SED.<br />

Foto: picturealliance/ddrbildarchiv.de/<br />

Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

Massive Aufrüstung<br />

Die Panzerdivisonen werden immer stärker<br />

mit Selbstfahrlafetten (SFL) ausgerüstet. Dies<br />

bedeutet eine immense Erhöhung der Beweglichkeit<br />

und Kampfkraft. Weiter<br />

kommen bei der <strong>NVA</strong> hinzu:<br />

Geschosswerfer BM 21, dann<br />

RM 70 auf Tatrafahrzeug mit 40<br />

Rohren, Panzerabwehr-Lenkraketen,<br />

Schützenpanzer BMP-1<br />

und -2, Kampfhubschrauber<br />

Mi-8 TB und dann Mi-24, Jagdbomber<br />

SU-22, Küstenschutzschiffe,<br />

neue Minensucher „Kondor“<br />

und U-Bootjäger „Parchim“,<br />

Kleine Torpedoschnellboote „Libelle“,<br />

Mittlere Landungsschiffe und vor allem<br />

neue Fla-Waffen (zum Beispiel „Strela“) sowie<br />

taktische und operative Raketen. Die<br />

Pioniertechnik (Brückenleger und so weiter)<br />

wird ebenfalls verbessert.<br />

Ab 1972 erhalten <strong>die</strong> Landstreitkräfte ein<br />

eigenes Kommando in Potsdam-Geltow.<br />

Chef wird Generalleutnant Horst Stechbart.<br />

Ihm sind <strong>die</strong> Militärbezirke III und V unterstellt,<br />

ebenso Raketentruppen, Artillerie und<br />

Truppenluftabwehr. Die aufgerüstete <strong>NVA</strong><br />

fühlt sich nun stärker denn je und wird in<br />

<strong>die</strong> Offensiv-Strategie auf dem „Westlichen<br />

Kriegsschauplatz“ eingeordnet.<br />

Ab 1980 entsteht in Polen mit der Solidarnosc-Bewegung<br />

und dem Streik der Danziger<br />

Werftarbeiter erneut eine politisch heikle<br />

Situation für <strong>die</strong> <strong>NVA</strong>. <strong>Wie</strong>der wird <strong>die</strong> „Erhöhte<br />

Gefechtsbereitschaft“ der Volksarmee<br />

ausgerufen und als Manöver „Sojus 81“ gewissermaßen<br />

verschleiert. Diese Großübung<br />

dauert ungewöhnlich lange, doch ein Einmarschbefehl<br />

in das östliche Nachbarland<br />

wird nicht mehr erteilt. Allerdings kommt es<br />

zu Manöverhandlungen vor der <strong>DDR</strong>-Küste<br />

und an der Grenze zu Polen sowie zu einer<br />

Stationierung von Landungsschiffen der<br />

Volksmarine in Swinemünde (polnisch Swinoujscie).<br />

Eine Kompanie Mot.-Schützen des<br />

Regiments 29 geht an Land, um gemeinsam<br />

mit sowjetischen Marineinfanteristen<br />

im langen Marschband<br />

FÜR BESONDERE<br />

LEISTUNGEN: Bestenabzeichen<br />

der Nationalen Volksarmee,<br />

in <strong>die</strong>ser Ausführung<br />

verliehen von 1964 bis<br />

1985. Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

durch das pommersche Land zu<br />

marschieren beziehungsweise „demonstrieren“.<br />

Diese Soldaten erleben dabei schwierige<br />

Situationen, weil <strong>die</strong> Bevölkerung <strong>die</strong>ser<br />

Aktion größtenteils ablehnend gegenüber<br />

steht. Schließlich wird <strong>die</strong> Truppe in Swinemünde<br />

wieder an Bord genommen. Hier<br />

wird deutlich: Die Zeiten der militärischen<br />

Gewalt gegen <strong>die</strong> Einführung von Reformen<br />

sind nach dem Helsinki-Prozess der 1970er-<br />

Jahre weitestgehend vorbei.<br />

In den Jahren des Kalten Krieges gelingt<br />

es nicht, <strong>die</strong> operative Planung der Armeen<br />

des Warschauer Vertrages paritätisch von einem<br />

gemeinsamen Stab vorzunehmen und<br />

umzusetzen. Der Oberbefehl bleibt stets in<br />

der Hand eines sowjetischen Marschalls und<br />

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Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

KURZ VOR DER WENDE: Soldaten der <strong>NVA</strong> marschieren während der Parade anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der <strong>DDR</strong> an der<br />

Tribüne mit den Ehrengästen vorbei, 7. Oktober 1989.<br />

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

seines Stabes. Symbolisch im Moskauer Stab<br />

mitarbeitende Kontingente der anderen Mitgliedsstaaten<br />

bleiben, trotz mehrmaliger Anmahnungen<br />

zu mehr Gemeinsamkeit wie etwa<br />

in der NATO zu kommen, ohne Einfluss.<br />

So bleiben <strong>die</strong> „Bruderarmeen“ lediglich<br />

„Erfüllungshelfer“ der Sowjetarmee<br />

und sind während des Kalten<br />

Krieges Teil der als abenteuerlich<br />

zu bezeichnenden Vorbereitungen<br />

auf einen möglichen<br />

Kriegsfall zwischen<br />

West und Ost.<br />

Sowjetisch geprägt<br />

Die Nationale Volksarme<br />

ist fest in <strong>die</strong> sowjetische<br />

Militärdoktrin und ihr militärtheoretisches<br />

Denken<br />

eingebunden. Verteidigung<br />

wird als sofortige Gegenoffensive<br />

verstanden. In <strong>die</strong><br />

detaillierten Operationspläne<br />

erhält jedoch kein General<br />

der <strong>NVA</strong>, auch kein Politiker der <strong>DDR</strong>,<br />

tiefere Einblicke. Klar ist nur, dass Land- und<br />

Luftstreitkräfte der <strong>DDR</strong> an der Seite der<br />

Sowjetunion, von Polen, der Tschechoslowakei<br />

und Ungarn auf dem westlichen Kriegsschauplatz<br />

in der „Ersten Staffel“ handeln<br />

MIT HAMMER UND ZIRKEL:<br />

Wappen aus der Truppenfahne<br />

der Nationalen Volksarmee.<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

würden. Damit wird den <strong>NVA</strong>-Militärs<br />

durchaus bewusst, dass der <strong>NVA</strong> folgende<br />

Rolle beziehungsweise Aufgabe zugedacht<br />

ist: Nach einer Spannungsperiode und dem<br />

möglichen Vorstoß von NATO-Truppen in<br />

der ersten einsetzenden Gegenoffensive des<br />

Ostens in Richtung Rhein beziehungsweise<br />

Atlantik, bei der es sogar<br />

zum Einsatz taktischer Kernwaffen<br />

kommen könnte, vorzustoßen.<br />

Die Volksmarine sollte<br />

im Kriegsfall gemeinsam<br />

mit polnischen und sowjetischen<br />

Landungskräften<br />

<strong>die</strong> dänischen Inseln besetzen<br />

beziehungsweise mit<br />

der 5. Armee der <strong>NVA</strong> und<br />

polnischen Divisionen <strong>die</strong><br />

Durchführung der „Jütländischen<br />

Operation“ hinauf<br />

bis Skagen sicherstellen.<br />

Danach erst sollten <strong>die</strong><br />

Hauptkampftruppen der<br />

Sowjetarmee nach Westen durchstoßen beziehungsweise<br />

<strong>die</strong> „Baltische Flotte“ in <strong>die</strong><br />

Nordsee und den Atlantik vordringen. Die<br />

Konsequenzen für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung im<br />

geteilten Deutschland, dem Hauptkriegsschauplatz,<br />

werden zu <strong>die</strong>ser Zeit nicht zu<br />

Ende gedacht. Die verantwortlichen Offiziere<br />

der <strong>NVA</strong> gehen davon aus und hegen <strong>die</strong><br />

Hoffnung, dass es so schlimm wohl niemals<br />

kommen würde.<br />

Hohe Anforderungen<br />

In dem Maße, wie <strong>die</strong> wachsende Kriegsgefahr<br />

propagandistisch immer bedrohlicher<br />

beschrieben wird, steigen <strong>die</strong> Anforderungen<br />

an <strong>die</strong> Soldaten der <strong>NVA</strong> nahezu ins Unermessliche.<br />

Da <strong>die</strong> Westgruppe der Sowjetarmee<br />

in den Kasernen „eingeschlossen“ ist<br />

und schnell aus dem Stand heraus handeln<br />

kann, der Offiziersbestand der <strong>NVA</strong> jedoch<br />

in Wohngebieten inmitten der Bevölkerung<br />

lebt, wird befohlen, dass sich stets 85 Prozent<br />

des Personalbestandes (aller Soldaten, Unteroffiziere<br />

und Offiziere der <strong>NVA</strong>) in den<br />

Dienstbereichen befinden müssen. Bereitschafts<strong>die</strong>nste<br />

werden eingeführt, <strong>die</strong> nächtliche<br />

Alarmierung und Heranholung der Offiziere<br />

und Unteroffiziere mit Bussen wird<br />

optimiert. Nach einer Stunde müssen bereits<br />

<strong>die</strong> Vorkommandos <strong>die</strong> Dienststellen verlassen<br />

können. Danach verlegen <strong>die</strong> Truppen in<br />

Bereitschaftsräume. Luft- und Seestreitkräfte<br />

müssen ein „<strong>die</strong>nsthabendes System“ einrichten,<br />

das heißt Kampfflugzeuge startbereit<br />

halten, Schiffe voll aufmunitioniert für<br />

den Ernstfall vorhalten. Für <strong>die</strong> Truppenteile<br />

22


Armee in der „Sinnkrise”<br />

GESICHERT: Wenige Tage<br />

nach dem Mauerfall stürmen<br />

Bürger ein geheimes Waffenlager<br />

von Alexander<br />

Schalck-Golodkowski, Mitglied<br />

des Zentralkomitees<br />

der SED, nahe Rostock. Zur<br />

Sicherung Tausender Handfeuerwaffen,<br />

<strong>die</strong> für den Verkauf<br />

ins Ausland vorgesehen<br />

<strong>waren</strong>, setzt der Chef der<br />

Volksmarine das Kampfschwimmerkommando<br />

ein.<br />

Die Waffen werden nach ordnungsgemäßer<br />

Zählung<br />

1990 der Bundeswehr übergeben.<br />

Foto: Sammlung D. Flohr<br />

MEHR ZUM THEMA<br />

„GESCHICHTE DER <strong>NVA</strong>“<br />

Neuerscheinung!<br />

Nationale Volksarmee<br />

224 S., 320 Abbildungen.<br />

ISBN: 978-3-7658-2048-9<br />

Preis: 29,99 €<br />

Bezugsquelle:<br />

www.verlagshaus24.de<br />

ationale Volksarmee<br />

PRÄSENTIERT DAS GEWEHR: Staatsratsvorsitzender<br />

Erich Honecker schreitet eine<br />

Ehrenformation der <strong>NVA</strong> ab, Ost-Berlin<br />

im Jahr 1981. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

und Kommandos werden mit großem Aufwand<br />

atomsichere Führungsstellen tief unter<br />

der Erde gebaut. Auf See ist jedes Schiff der<br />

NATO, das sich mit Ostkurs vor der <strong>DDR</strong>-<br />

Küste zeigt, nun nicht nur zu beobachten,<br />

sondern parallel zu begleiten.<br />

Trotz <strong>die</strong>ser erhöhten Anforderungen<br />

bleibt <strong>die</strong> Moral der Truppe nahezu ungebrochen.<br />

Die Soldaten ertragen Härtetests,<br />

gehen unter Schutzausrüstung über <strong>die</strong><br />

Sturmbahnen, graben sich im Gelände ein<br />

und stimmen neue Soldatenlieder an. Sie erdulden<br />

unzählige Übungen und lernen, lernen<br />

und lernen. Erreicht wird <strong>die</strong>s nicht allein<br />

durch den eingeforderten unbedingten<br />

Gehorsam, sondern durch ein „Paket“ von<br />

politischen und kulturellen Maßnahmen.<br />

Dazu zählen <strong>die</strong> politische Schulung, der<br />

jährlich unter bestimmten Losungen ausgerufene<br />

Sozialistische Wettbewerb, <strong>die</strong> Führung<br />

durch <strong>die</strong> Parteiorganisationen und<br />

FDJ-Leitungen, ein System von Ehrenbannern,<br />

Orden, Geldprämien und Soldatenauszeichnungen.<br />

Weiterhin umfassen <strong>die</strong> Maßnahmen<br />

strenge Disziplinarbefugnisse der<br />

Kommandeure („leichter“ und<br />

„schwerer Arrest“ sowie Militärjustiz<br />

und Militärgefängnis in Schwedt/<br />

Oder), <strong>die</strong> Förderung des Dienst- und Freizeitsports,<br />

<strong>die</strong> Patenschaftsarbeit mit Städten,<br />

Betrieben und Schulen sowie das Verbot<br />

des Empfangs westlicher Rundfunk- und<br />

Fernsehsender.<br />

Krise und Reformen<br />

In den Jahren seit 1985 bis zum Fall der Mauer<br />

im November 1989 gerät <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> jedoch<br />

Rüdiger Wenzke<br />

Nationale<br />

Volksarmee<br />

Die Geschichte<br />

„Armee des Volkes –<br />

Armee des Friedens!“<br />

Wahlspruch auf einem Plakat<br />

zum Tag der <strong>NVA</strong> am 1. März 1988<br />

in eine tiefe „Sinnkrise“. Diese führt dazu,<br />

dass ein Großteil ihrer Soldaten nicht bereit<br />

ist, sich mit Waffen gegen das eigene Volk<br />

einsetzen zu lassen. 183 als Einsatzgruppen<br />

(ohne Waffen) gegen mögliche Demonstrationen<br />

gebildete Hundertschaften werden<br />

schnell wieder aufgelöst. 12.000 Soldaten,<br />

<strong>die</strong> in der „Volkswirtschaft“<br />

im Einsatz sind,<br />

fordern einen vernünftigen<br />

Dienst oder <strong>die</strong> Entlassung<br />

aus der Armee.<br />

Am 1. Dezember 1989<br />

umfasst <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> insgesamt<br />

noch 184.000 Mann.<br />

Noch im Jahr 1990 versucht<br />

sich <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> zu reformieren.<br />

Und <strong>die</strong> Militärreform<br />

zeigt Wirkung.<br />

Die Partei und <strong>die</strong> Staatssicherheit<br />

werden aus den<br />

Dienststellen verbannt und <strong>die</strong> Politabteilungen<br />

in Staatsbürgerliche Erziehung gewandelt.<br />

Es heißt in der Anrede nun „Herr“<br />

bzw. „Frau“ statt „Genosse“ bzw. „Genossin“.<br />

Die alte „Elite“ muss gehen. Der neue<br />

Minister für Nationale Verteidigung Theodor<br />

Hoffmann beendet den Dienst von Tausenden<br />

Soldaten in der maroden Wirtschaft<br />

und schickt auch <strong>die</strong> Soldaten des dritten<br />

Dienstjahres vorzeitig nach Hause. Mit Mühe<br />

wird <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> durch Berufssoldaten und<br />

zivile Mitarbeiter am Leben erhalten. Existenzangst<br />

grassiert fortan in allen Militärstandorten<br />

unter den Soldaten und ihren Familien.<br />

Auch sehen sich viele Soldaten nun<br />

Verdächtigungen und Beschimpfungen von<br />

Bürgern und sogar Me<strong>die</strong>n ausgesetzt, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>NVA</strong> wegen ihrer „Staatsnähe“ verurteilen.<br />

Auflösung<br />

Am 2. Oktober 1990 endet schließlich <strong>die</strong> Geschichte<br />

der <strong>NVA</strong>. Circa 90.000 Mann werden<br />

zunächst von der Bundeswehr übernommen.<br />

Die Panzer, Schiffe, Flugzeuge und<br />

Munition, wie auch <strong>die</strong> Immobilien, das gesamte<br />

Inventar und <strong>die</strong> umfangreichen Bekleidungs-,<br />

Verbrauchsstoff- und Lebensmittelbestände<br />

werden der Bundeswehr übergeben.<br />

Dies geht allerdings vielfach ohne <strong>die</strong><br />

beim Militär übliche ordnungsgemäße und<br />

protokollierte Übergabe/Übernahme vor<br />

sich. Erhebliche Werte werden vernichtet.<br />

Am Ende wird den ehemaligen <strong>NVA</strong>-Soldaten<br />

– auf Drängen der Politik – <strong>die</strong> letzte<br />

Ehre verweigert, beim Niederholen der Flagge<br />

<strong>die</strong> „alte“ Hymne zu intonieren und dann<br />

<strong>die</strong> „neue“ Hymne der Bundesrepublik<br />

Deutschland zu hören.<br />

Dieter Flohr, Jg. 1937, Fregattenkapitän (Ing.) a. D.,<br />

Militärjournalist, Herausgeber und Autor von mehr als<br />

20 Sachbüchern und Almanachen mit Schwerpunkt<br />

Deutsche Militärgeschichte, Marine, Luftfahrt.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

23


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

Rekrutierung und Dienst in der <strong>NVA</strong><br />

Von der Freiwilligenzur<br />

Pflichtarmee<br />

Frühe 1950er-Jahre: <strong>Wie</strong> in Westdeutschland ist auch in der <strong>DDR</strong> <strong>die</strong> Mehrheit der Bevölkerung<br />

nicht zum erneuten Waffen<strong>die</strong>nst bereit. Es kostet <strong>die</strong> SED-Führung viele Mühen,<br />

junge Männer für den „Ehren<strong>die</strong>nst“ in den Kasernen zu gewinnen. Von Dieter Flohr<br />

Die <strong>DDR</strong> muss sich sehr ins Zeug legen,<br />

um <strong>die</strong> jungen Bürger zum Dienst an<br />

der Waffe zu motivieren. So wird den<br />

Eintrittswilligen eine großzügige Förderung<br />

in den Betrieben nach dem Dienst beziehungsweise<br />

bei Aufnahme eines Studiums<br />

versprochen. Die Freie Deutsche Jugend<br />

(FDJ) übernimmt auf dem IV. Parlament 1952<br />

in Leipzig <strong>die</strong> Patenschaft über <strong>die</strong> Bewaffneten<br />

Kräfte und stellt sogenannte FDJ-Aufgebote.<br />

Sie unterstützt <strong>die</strong> militärische Nach-<br />

wuchswerbung. Die Gesellschaft für Sport<br />

und Technik (GST) organisiert Schieß- und<br />

Geländeausbildung, Motor-, Flug- und Seesport.<br />

Das Sportabzeichen „Bereit zur Arbeit<br />

und zur Verteidigung des Friedens“ wird eingeführt,<br />

es gibt Geländeübungen und Kleinkaliberschießen<br />

der FDJ. Mit großem Aufwand<br />

werden sogenannte Wehrspartakiaden<br />

durchgeführt.<br />

Für den Aufbau einer <strong>schlagkräftig</strong>en Armee<br />

sind auch und besonders militärisch<br />

vorgebildete Kader vonnöten. Bereits gegen<br />

Ende der 1940er-Jahre entlässt <strong>die</strong> Sowjetunion<br />

Soldaten der ehemaligen Wehrmacht<br />

aus der Kriegsgefangenschaft. Die Voraussetzung<br />

dafür: Diese Männer müssen bereit<br />

sein, in den Bewaffneten Kräften zu <strong>die</strong>nen.<br />

Im Jahr 1949 zählen zirka 9.500 ehemalige<br />

Wehrmachtsoldaten zur Volkspolizei.<br />

Für <strong>die</strong> Kasernierte Volkspolizei, dann<br />

<strong>NVA</strong>, werden auch eine Handvoll ehemaliger<br />

Generale der Wehrmacht – unter ande-<br />

24


FEIERLICH: Eröffnung der IV. Wehrspartakiade<br />

der Gesellschaft für Sport<br />

und Technik im Juli 1981 in Erfurt.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

KRÄFTEZEHREND: Die Soldaten der<br />

<strong>NVA</strong> hatten sich alljährlich Härtetests<br />

zu unterziehen. Dabei <strong>waren</strong><br />

verschiedene Leistungen nach Normzeiten<br />

zu erfüllen, wie <strong>die</strong> Überwindung<br />

der Sturmbahn und ein 15-km-<br />

Marsch, der auf einigen Teilstrecken<br />

auch unter Schutzmaske absolviert<br />

werden musste. Foto: Erhard Berkholz<br />

PROPAGANDA: Plakat anlässlich der Feiern<br />

zum „Tag der Nationalen Volksarmee“, der<br />

seit 1957 jährlich am 1. März in der <strong>DDR</strong><br />

mit großem Aufwand begangen wurde.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

rem Vincenz Müller und Arno von Lenski –<br />

gewonnen. Diese „Ehemaligen“ werden aufgrund<br />

des Beschlusses des SED-Politbüros<br />

vom 15. Februar 1957 schließlich entlassen<br />

beziehungsweise pensioniert. 450 Offiziere,<br />

1.600 ehemalige Unteroffiziere und 2.600<br />

Mannschaften besetzen Kommandeursstel-<br />

len, arbeiten im Ministerium, in Stäben und<br />

als Ausbilder oder sind als Lehroffiziere tätig.<br />

Auch erhalten ehemalige Angehörige der<br />

Internationalen Brigaden – eingesetzt während<br />

des Bürgerkrieges in Spanien – nun<br />

Kommandeursposten. Die ersten jungen Offiziere<br />

werden ab 1949 auf sowjetische Militärschulen<br />

entsandt. Seeoffiziere und Piloten<br />

folgen 1952.<br />

Aktive Anwerbung<br />

Am 1. März 1956 wird der 1. Mot.-Schützendivision<br />

Potsdam <strong>die</strong> erste Truppenfahne<br />

der <strong>NVA</strong> übergeben. Dieser Tag gilt fortan<br />

als „Tag der Nationalen Volksarmee“, an<br />

dem in allen drei Teilstreitkräften <strong>die</strong> Kasernentore<br />

für <strong>die</strong> Bevölkerung geöffnet werden.<br />

Als dann nach der „Berlinkrise“ und<br />

dem Bau der Mauer 1962 auch in der <strong>DDR</strong><br />

<strong>die</strong> Wehrpflicht eingeführt wird, legt <strong>die</strong><br />

SED-Führung größten Wert auf zahlreiche<br />

Image-Kampagnen. So schließen Truppenteile<br />

und Schiffe Patenschaften mit Städten<br />

und Betrieben ab. Regelmäßig finden gegenseitige<br />

Besuche statt. Die <strong>NVA</strong> wird in den<br />

Schulen aktiv mit Informationsveranstaltungen<br />

und Geländespielen (Manöver „Schneeflocke“).<br />

Sie tritt auch bei den periodisch<br />

stattfindenden Arbeiterfestspielen mit Musikparaden,<br />

Chören, Literaturlesungen und<br />

Amateurfilmen auf. Schließlich wird auch<br />

der Wehrunterricht an den Polytechnischen<br />

Oberschulen eingeführt; <strong>die</strong> Schüler absolvieren<br />

sogenannte Wehrlager unter Anleitung<br />

aktiver Soldaten.<br />

Die <strong>NVA</strong> ist eine Armee, in der ideologische<br />

Politikschulung und <strong>die</strong> bedingungslose<br />

Pflichterfüllung von Beginn an einen besonderen<br />

Stellenwert besitzen. In der Eidesformel<br />

der <strong>NVA</strong> (später „Fahneneid“) wird<br />

der „unbedingte Gehorsam gegenüber den<br />

militärischen Vorgesetzten“ festgeschrieben.<br />

Allgegenwärtige Propaganda<br />

Zudem ist <strong>die</strong> sozialistische Propaganda allgegenwärtig,<br />

der Einfluss des „Großen Bruders“<br />

Sowjetunion enorm. Bis zum Ende der<br />

<strong>NVA</strong> im Herbst 1990 lernen 4.776 Offiziere<br />

an sowjetischen Militärschulen und 6.290 Offiziere<br />

in Dresden an der Militärakademie<br />

„Friedrich Engels“. Insgesamt 625 Offiziere<br />

promovieren zum Dr. rer.mil. beziehungsweise<br />

in einem technischen Fach.<br />

Nach dem Zerfall der <strong>DDR</strong> stellen etwa<br />

11.000 Offiziere den Antrag auf Übernahme<br />

in <strong>die</strong> Bundeswehr. Ein Teil wird „Weiterver-<br />

HINTERGRUND<br />

Eidesformel der <strong>NVA</strong> (1959–1961)<br />

„Ich schwöre, meinem Vaterland, der<br />

Deutschen Demokratischen Republik,<br />

allzeit treu zu <strong>die</strong>nen, sie auf Befehl der<br />

Arbeiter- und Bauernregierung unter Einsatz<br />

meines Lebens gegen jeden Feind<br />

zu schützen, den militärischen Vorgesetzten<br />

unbedingten Gehorsam zu leisten, immer<br />

und überall <strong>die</strong> Ehre unserer Republik<br />

und ihrer Nationalen Volksarmee zu<br />

wahren“.<br />

1962 wird <strong>die</strong>se Eidesformel („Schwur“)<br />

zum „Fahneneid“ und textlich erheblich<br />

erweitert – unter anderem um den Zusatz:<br />

„an der Seite der Sowjetarmee und<br />

der Armeen der mit uns verbündeten sozialistischen<br />

Länder“.<br />

AMTLICH: <strong>DDR</strong>-<br />

Wehr<strong>die</strong>nstausweis<br />

und Erkennungsmarke<br />

der <strong>NVA</strong>.<br />

Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

Clausewitz 6/2014<br />

25


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

AUGUST 1968: Das Torpedoschnellboot<br />

WILLI BÄNSCH stößt im dichten Nebel mit<br />

der Schwedenfähre DROTTNINGEN zusammen<br />

und sinkt. Sieben Matrosen kommen<br />

dabei ums Leben. Das Wrack wird später<br />

gehoben, zerbricht aber bei der Bergung in<br />

mehrere Teile.<br />

Foto: Sammlung Dieter Flohr<br />

wender“. Nur ein kleiner Teil wird Berufssoldat.<br />

Heute stammen etwa 20 Prozent der<br />

Angehörigen der Bundeswehr aus dem Osten<br />

der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Der Dienst in der <strong>NVA</strong> kennt – wie bei anderen<br />

Armeen mit oder ohne Kriegseinsatz<br />

auch – sowohl zahlreiche menschliche Opfer,<br />

als auch erstaunliche Leistungen einzelner<br />

Soldaten. Zu den traurigen Geschehnissen<br />

zählen unter anderem Kfz-Unfälle, Flugzeugabstürze,<br />

Selbstmorde, Schießunfälle<br />

aber auch Tote auf See.<br />

Tragischer Unglücksfall<br />

Ein besonders tragisches Unglück erschüttert<br />

Ende August 1968 <strong>die</strong> Volksmarine:<br />

„Alarm!“ – Truppeneinmarsch in <strong>die</strong> Tschechoslowakei,<br />

wenn auch ohne Beteiligung<br />

von Verbänden der <strong>NVA</strong>. Auch auf See<br />

herrscht Ungewissheit darüber, wie <strong>die</strong><br />

NATO in <strong>die</strong>ser Krisensituation reagieren<br />

wird. Verstärkte Beobachtung. Am Abend<br />

des 30. August ortet ein Vorpostenschiff der<br />

Volksmarine am Fehmarnbelt <strong>die</strong> Fregatte<br />

223 KARLSRUHE der Bundesmarine mit<br />

Ostkurs. An Oberdeck befinden sich „verdächtige"<br />

Gegenstände. Das Kommando der<br />

Volksmarine in Rostock will wissen, worum<br />

es sich bei den verdächtigen Gegenständen<br />

handelt. Der Einsatzbefehl für <strong>die</strong> Torpedoschnellboote<br />

843 und 844 wird erteilt. Draußen<br />

herrscht dicker Nebel vor, <strong>die</strong> Sicht beträgt<br />

nur 30 Meter. Das Radargerät zeigt<br />

Grieß. Etwa 15 Zielpunkte sind zu erkennen.<br />

Welcher ist <strong>die</strong> Fregatte? Das Torpedoschnellboot<br />

844 WILLI BÄNSCH hält auf das<br />

größte Zielobjekt zu. Der Kommandant<br />

übersieht, dass <strong>die</strong> Peilung „steht". Das bedeutet<br />

Kollisionskurs. Das andere Schiff<br />

läuft auf ihn zu. Er stoppt auf. Die Maschinen<br />

verstummen. Er will hineinhorchen in<br />

den Dunst. Da reißt der Vorhang auf. Ein hoher<br />

weißer Vorsteven. Krachend bohrt sich<br />

der Bug in <strong>die</strong> Steuerbordseite des Bootes.<br />

Holz splittert. Menschen fliegen durch <strong>die</strong><br />

Luft. Das 60 Tonnen-Boot bäumt auf, kentert<br />

und treibt kieloben ab. Sie sind mit der<br />

schwedischen Fähre DROTTNINGEN kolli<strong>die</strong>rt.<br />

Elf Seeleute kämpfen im öligen Seewasser<br />

um ihr Leben. Die anderen sind unter<br />

Deck eingeschlossen. Nur einige Männer<br />

kommen noch raus. Ein Rettungsfloß, ein<br />

Zug an der Reißleine, Pressluft zischt. Neun<br />

Überlebende sammeln sich darin. Darunter<br />

der Kommandant. Wo sind <strong>die</strong> anderen? Allen<br />

ist speiübel. Sie haben Seewasser, gemischt<br />

mit Treibstoff und Öl geschluckt, stehen<br />

unter Schock. Trinkwasser gibt es aus<br />

dem Notpaket. Notsignale verpuffen im Nebel.<br />

Es wird Hilfe kommen, verspricht der<br />

„Alte“. Sie rufen. Vergeblich. Plötzlich – ein<br />

Schatten. Ein Schiff. Die Uhr zeigt 4:30. Sie<br />

gestikulieren, schreien, werden oben auf der<br />

Brücke auch bemerkt: „Wollt ihr mit?“ Dann<br />

ist das Handelsschiff wieder vom Nebel verschluckt.<br />

ALBERTA, Heimathafen Stockholm,<br />

„Sollte ich jemals <strong>die</strong>sen meinen feierlichen<br />

Fahneneid verletzen, so möge mich <strong>die</strong> harte Strafe<br />

des Gesetzes unserer Republik und <strong>die</strong> Verachtung<br />

des werktätigen Volkes treffen.“<br />

Schlusssatz des Fahneneides der <strong>NVA</strong>, zitiert nach: Handreichung für jeden neuen<br />

Soldaten: „Vom Sinn des Soldatseins“, Militärverlag der <strong>DDR</strong>, 34. Auflage, 1984.<br />

ÖFFENTLICH: Vereidigung von Soldaten der<br />

<strong>NVA</strong> auf dem Marktplatz von Mühlhausen in<br />

Thüringen. Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/<br />

Robert Grahn/picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

lesen sie noch. Verzweiflung kommt auf. Endlich,<br />

im Morgengrauen des 31. August, findet<br />

das Torpedoschnellboot 843 das Rettungsfloß<br />

mit den Überlebenden. Gerettet! Der Preis ist<br />

hoch: Sieben Seeleute sind tot.<br />

Ehrendes Gedenken<br />

Ein Anruf im Bundeswehrarchiv in Freiburg<br />

im Jahr 1990 und <strong>die</strong> Recherche im Schiffstagebuch<br />

der Fregatte KARLSRUHE der Bundesmarine<br />

ergeben: Tatsächlich hat <strong>die</strong> Fregatte<br />

am 30. August 1968 Fehmarnbelt passiert.<br />

Danach schlug sie aber Südkurs ein<br />

und führte ein Ankermanöver in der Lübecker<br />

Bucht durch. Die <strong>DDR</strong>-Matrosen hatten<br />

also ein Phantom gesucht.<br />

Ein Gedenkstein der 6. Flottille steht auf<br />

dem Friedhof in Dranske. Mehrfach schon<br />

fuhren Mariner, Eltern und Verwandte mit aktiven<br />

Marinekameraden der Schnellbootsflottille<br />

gemeinsam hinaus und übergaben der<br />

See Blumen und Kränze in Erinnerung an <strong>die</strong>se<br />

Opfer des Kalten Krieges. Auch das Marine-Ehrenmal<br />

Laboe bei Kiel ehrt heute <strong>die</strong>se<br />

Toten der Volksmarine mit einer Gedenktafel.<br />

Deren Dienstflagge hängt dort neben denen<br />

der anderen deutschen Seestreitkräfte.<br />

26


Schlachten,<br />

Technik, Feldherren<br />

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Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

Bewaffnung und Ausrüstung der <strong>NVA</strong><br />

Schwert der Arbeiterund<br />

Bauernmacht<br />

IN SZENE GESETZT: Werbefoto für<br />

<strong>die</strong> 1952 aus den Volkspolizeibereitschaften<br />

gebildete Kasernierte<br />

Volkspolizei, <strong>die</strong> nunmehr mit militärischen<br />

Diensträngen und khakifarbenen<br />

Uniformen für <strong>die</strong> Landund<br />

Lufttruppen ausgestattet wird.<br />

Die VP-See trägt traditionelle blaue<br />

Marinekleidung. Foto: Sammlung D. Flohr<br />

MARTIALISCH: Mitte der 1970er-Jahre führt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong><br />

Kampfhubschrauber des Typs Mi-24 ein und bildet ein<br />

Kampfhubschrauber-Geschwader. Diese schwerbewaffneten<br />

Helikopter verstärken<br />

gemeinsam mit den Hubschraubern<br />

Mi-8TB <strong>die</strong><br />

Schlagkraft der Landstreitkräfte<br />

erheblich.<br />

Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv<br />

ÜBUNGSFAHRT: Ein Kampfpanzer der<br />

<strong>NVA</strong> beim Passieren eines Wasserhindernisses<br />

nördlich von Heinrichsberg an<br />

der Elbe.<br />

Foto: picture-alliance/ddrbildarchiv.de/Robert<br />

Grahn/picture alliance/dpa-Zentralbild<br />

28<br />

GEBALLTE FEUERKRAFT: Abschuss<br />

einer Rakete vom Typ P-15 vom Raketenschnellboot<br />

AUGUST LÜTGENS<br />

der Volksmarine.<br />

Foto: Sammlung Dieter Flohr


1956: Die <strong>NVA</strong> rekrutiert sich anfangs vor allem aus Einheiten der Kasernierten Volkspolizei.<br />

Die Bewaffnung stammt vorwiegend vom sowjetischen „Waffenbruder“. Doch auch<br />

in der <strong>DDR</strong> werden bald in großem Umfang Waffen hergestellt.<br />

Von Dieter Flohr<br />

Die Bewaffnung der <strong>NVA</strong>-Vorläufer,<br />

Volkspolizei-Bereitschaften und Kasernierte<br />

Volkspolizei (KVP), stammt aus<br />

den Sammellagern der Sowjetarmee, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se<br />

zum Ende des Zweiten Weltkrieges angelegt<br />

hat. Darunter befinden sich <strong>die</strong> den Deutschen<br />

vertrauten Gewehre K 98, das Sturmgewehr<br />

44 und das Maschinengewehr 42.<br />

Auch leichte Geschütze wie <strong>die</strong> Flak 38 und<br />

<strong>die</strong> 2-cm-Oerlikon und das 2-cm-Vierlings-<br />

Flugabwehrgeschütz gehören zur Bewaffnung.<br />

Dann aber wird <strong>die</strong> KVP ab 1952 mit<br />

gebrauchten Weltkriegswaffen der Sowjetarmee,<br />

also mit dem Gewehr K 44 (mit eigentlich<br />

geächtetem klappbaren mehrkantigen<br />

Bajonett), der Maschinenpistole 41 (mit dem<br />

kreisrunden Magazin) dem zweirädrigen<br />

MG „Maxim“, Geschützen 37 und 85 mm sowie<br />

dann den Doppellafetten 2,5 cm (Drehkranz)<br />

ausgerüstet. Auch kommen <strong>die</strong> ersten<br />

Panzer: T-34/85, Selbstfahrlafetten, außerdem<br />

85-mm-Pak und Artillerie 152 mm sowie<br />

auch <strong>die</strong> ersten Schützenpanzerwagen<br />

SPW 152. Die Kraftfahrzeuge muss <strong>die</strong> <strong>DDR</strong><br />

stellen. Dabei handelt es sich vor allem um<br />

<strong>die</strong> Lkw H3 und H 6, den G5, den Kübel P2M,<br />

den leichten Lkw Robur und den in Eisenach<br />

produzierten Pkw EMW. Ebenso soll <strong>die</strong><br />

<strong>DDR</strong> eigene Kriegsschiffe bauen.<br />

HINTERGRUND<br />

Landstreitkräfte<br />

■ Kampfpanzer: T-34, T-54,T-55, T-72<br />

■ Schützenpanzer: SPW 152, BMP 60,<br />

BMP 60 PB, BMP-1, BMP-2<br />

■ Artillerie: 100-mm-,122-mm-,130-mm-,<br />

152-mm-Geschütze<br />

■ Selbstfahrlafetten (Artillerie und<br />

taktische bzw. operative Raketen)<br />

■ Flugabwehrraketen<br />

■ Kanonenflugabwehr<br />

■ Handfeuerwaffen von Pistole<br />

Makarow bis MPi-K, MG-Degtjarow bis<br />

Panzerbüchse und „Strela“<br />

(tragbare Flugabwehrrakete)<br />

Luftstreitkräfte/Luftverteidigung<br />

■ MiG-15, MiG-17,MiG-19, MiG-21, MiG-23,<br />

Hauptbewaffnung der <strong>NVA</strong> (Auswahl)<br />

MiG-29, SU-22 und Il-28<br />

■ Hubschrauber: Mi-2, Mi-4, Mi-8,<br />

Mi-14, Mi-24<br />

Seestreitkräfte<br />

■ Minenleg- und Räumschiffe verschiedener<br />

Typen<br />

■ Schnellboote (Projekt 183, 206,<br />

Kleine Torpedoschnellboote, Leichte<br />

Torpedoschnellboote)<br />

■ Raketenschnellboote (Projekt 205)<br />

■ Küstenschutzschiffe (Projekt 50 und<br />

Projekt 1159)<br />

■ U-Jagdschiffe (201M, Hai, Parchim)<br />

■ Landungsschiffe (Landungsschiffe klein,<br />

Robbe, Projekt 108)<br />

■ diverse Hilfsschiffe<br />

HOHE REICHWEITE:<br />

Der sowjetische<br />

Flugabwehrraketenkomplex<br />

„Krug“<br />

(dt. „Kreis“) wird<br />

seit Mitte der<br />

1970er-Jahre von<br />

der <strong>NVA</strong> eingeführt,<br />

Foto aus dem März<br />

1980.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

dpa©dpa-Bildarchiv<br />

<strong>DDR</strong>-Rüstungsproduktion<br />

Von Anfang an entsteht auf dem Boden der<br />

<strong>DDR</strong> aus der laufenden Produktion, eine eigene<br />

Rüstungsindustrie. Sind es zunächst<br />

vor allem Kfz-und Kleiderwerke, <strong>die</strong> <strong>die</strong> unzähligen<br />

Autos und Uniformen herstellen,<br />

kommen bald Munitions-, Sprengstoff- und<br />

Waffenfabriken hinzu. Es werden zum Beispiel<br />

Handfeuerwaffen, Panzerabwehr-Lenkraketen<br />

und Handgranaten in Lizenz hergestellt.<br />

Mehrere Betriebe liefern Funk- und Nachrichtentechnik,<br />

Optik, Waffenleittechnik,<br />

Elektronik. Im Erzgebirge und im Vogtland<br />

kann <strong>die</strong> Posamenten-Industrie wiederbelebt<br />

werden. Zum Beispiel wird <strong>die</strong> Stickmaschine<br />

mit dem Programm für <strong>die</strong> Herstellung<br />

der Mützenbänder der ehemaligen<br />

Kriegsmarine genutzt, auf der in „gotischer<br />

Schrift“ nun Aufdrucke wie Seepolizei,<br />

Volkspolizei-See, Seestreitkräfte und Volksmarine<br />

entstehen.<br />

Für <strong>die</strong> Volksmarine soll in erster Linie<br />

<strong>die</strong> aufblühende Werftindustrie der <strong>DDR</strong><br />

sorgen. Der 1954 verfasste Plan „Zeuthen“<br />

benennt <strong>die</strong> Zahl von nicht weniger als 314<br />

Kampf- und Hilfsschiffen, darunter sogar<br />

Zerstörer und U-Boote. Es sollen alle Seeund<br />

auch <strong>die</strong> Binnenwerften eingebunden<br />

werden. Bei den Reparationslieferungen für<br />

<strong>die</strong> UdSSR werden jedoch keine Abstriche<br />

gemacht. So wird schnell klar, dass man sich<br />

nur auf eine Marinewerft, <strong>die</strong> Peene-Werft in<br />

Wolgast, konzentrieren kann, um nicht das<br />

gesamte Wirtschaftsgefüge durcheinander<br />

zu bringen.<br />

Erhöhung der Kampfkraft<br />

Geliefert werden dann tatsächlich 27 Küstenschutz-Boote<br />

(Jachtwerft Berlin), 42 Räumpinassen<br />

„Schwalbe“, je zwölf Hafenschutzboote<br />

„Tümmler“ und „Delphin“, zwölf Minenleg-<br />

und Räumschiffe „Habicht“ und<br />

zehn MLR „Krake“ sowie eine Reihe von<br />

Hilfsfahrzeugen wie Schlepper und Tanker.<br />

1956 übergibt dann <strong>die</strong> Baltische Flotte den<br />

Seestreitkräften der <strong>NVA</strong> zwei gebrauchte<br />

sowjetische Fregatten (Küstenschutzschiffe<br />

Clausewitz 6/2014<br />

29


Titelgeschichte | <strong>NVA</strong><br />

50 Projekt „Riga“), <strong>die</strong> eine erhebliche Erhöhung<br />

der Kampfkraft darstellen.<br />

Sie verfügen bereits über je drei rechnergestützte<br />

100-mm-Geschütze und erreichen<br />

Geschwindigkeiten von 24 bis 30 Knoten. Es<br />

folgen 27 Torpedoschnellboote des „Projekts<br />

183“ mit je zwei Torpedoausstoßrohren,<br />

dann zwölf U-Boot-Jäger des bereits veralteten<br />

Typs 201 M. Damit sind Versuche des<br />

<strong>DDR</strong>-Schiffbaus, einen eigenen Zerstörer<br />

(Projekt „Falke“) und Schnellboote (Projekt<br />

„Forelle“) zu entwickeln, beendet. Zwei weitere<br />

Küstenschutzschiffe folgen 1959. Die<br />

Luftstreitkräfte der <strong>NVA</strong> verfügen zunächst<br />

über 130 Jagdflugzeuge Jak 11/18, erhalten<br />

ÜBERNAHME AN BORD: Mithilfe eines<br />

Drehkrans wird eine Rakete P-15 („Schiff-<br />

Schiff“) auf ein Raketenschnellboot der<br />

Volksmarine gehievt, Foto aus dem Jahr<br />

1982. Foto: picture-alliance/ZB©dpa-Report<br />

EFFEKTIV: Ab 1964 führt <strong>die</strong> Volksmarine<br />

auch Raketenschnellboote (hier OTTO<br />

TOST) des Projekts 205 ein. Sie können<br />

je vier selbstzielsuchende Raketen der<br />

Klasse „Schiff-Schiff“ (P-15) abfeuern,<br />

<strong>die</strong> eine hohe Trefferquote besitzen.<br />

Foto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv<br />

aber 1956 <strong>die</strong> ersten Düsenjäger vom Typ<br />

MiG-15, wenig später auch MiG-17PF und<br />

MiG-19PM sowie 48 Hubschrauber Mi-4.<br />

Panzer-Importe<br />

Während weitere gebrauchte<br />

Kampfpanzer T-34 aus Beständen<br />

der Westgruppe der Sowjetarmee<br />

übernommen werden,<br />

kommen Anfang der<br />

1960er-Jahre auch fabrikneue Modelle<br />

vom Typ T-54 hinzu. Diese<br />

müssen allerdings importiert werden.<br />

Interessanterweise sind es<br />

Hersteller aus der Tschechoslowakei<br />

und Polen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Panzer<br />

in Lizenz produzieren dürfen.<br />

Massenweise werden nun Funkmessgeräte,<br />

zum Teil auch Entwicklungen<br />

eigener Betriebe, in <strong>die</strong> ostdeutsche Armee<br />

eingeführt. An der Küste entsteht ein<br />

Netz landgestützter Radarbeobachtungsstationen.<br />

Neue Standorte für immer neue Einheiten<br />

werden gebaut. Zu Beginn der 1960er-<br />

Jahre erhält <strong>die</strong> Volksmarine (Namensgebung<br />

am 4. November 1960) den Auftrag,<br />

auch eine Landungskomponente und U-<br />

Boot-Jäger zu entwickeln. Die Peene-Werft<br />

Wolgast und <strong>die</strong> Jachtwerft Berlin-Köpenick<br />

liefern 56 Leichte Torpedoschnellboote mit<br />

dreiköpfigen Besatzungen. Wolgast entwickelt<br />

Kleine Landungsschiffe und Mittlere<br />

Landungsschiffe „Robbe“. Zwölf U-Jäger<br />

„Hai“ mit Dieselantrieb und einer Gasturbine<br />

Pirna-14 entstehen. Das Mot.-Schützenre-<br />

giment 28 Rostock, später das MSR-29 Prora,<br />

üben nun Jahr für Jahr <strong>die</strong> Verladung ihrer<br />

Fahrzeuge auf <strong>die</strong> Schiffe und <strong>die</strong> Anlandung<br />

an flachen Sandstränden.<br />

Ab 1962 werden Raketen verschiedener<br />

Typen in <strong>die</strong> drei Teilstreitkräfte der <strong>NVA</strong><br />

eingeführt. Die Marine stellt nach und nach<br />

15 Raketenschnellboote des „Projekts 205“<br />

mit je vier Startrampen in Dienst. Sie können<br />

selbstzielsuchende Raketen der Klasse<br />

„Schiff-Schiff“ (P-15) starten. Die Treffgenauigkeit<br />

ist atemberaubend. Eine zeitlang erreicht<br />

<strong>die</strong> Volksmarine damit eine waffentechnische<br />

Überlegenheit in der südwestlichen<br />

Ostsee über <strong>die</strong> hier operierenden<br />

NATO-Seestreitkräfte. Küstenraketen des<br />

Typs „Sopka“ kommen hinzu. Der Westen<br />

besitzt zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt noch keine vergleichbaren<br />

Waffen.<br />

Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung<br />

führen Fla-Raketen der Klasse „Land-Luft“<br />

und ungelenkte Raketen „Luft-Luft“ ein. Die<br />

Landstreitkräfte erhalten taktische Raketen<br />

mit konventioneller Ladung.<br />

Massive Aufrüstung<br />

Später, in den 1980er-Jahren, kommen sogar<br />

operative Raketen SS-23 hinzu. Diese wären<br />

Trägermittel für Kernsprengköpfe, <strong>die</strong> jedoch<br />

in sowjetischer Obhut bleiben.<br />

Des Weiteren stärken Geschosswerfer,<br />

vergleichbar mit den im Zweiten Weltkrieg<br />

gefürchteten „Katjuscha,“ und<br />

STAATLICHE AUSZEICHNUNG:<br />

„Medaille für treue Dienste in<br />

der Nationalen Volksarmee“,<br />

hier für eine 20-jährige Dienstzeit in<br />

Stufe Gold II. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

Panzerabwehrlenkraketen <strong>die</strong><br />

Kampfkraft der <strong>DDR</strong>-<strong>Streitkräfte</strong>.<br />

Die offenen Schützenpanzerwagen<br />

SPW 152 werden durch geschlossene,<br />

schwimmfähige SPW 60, dann SPW 60 PB<br />

mit Geschützturm abgelöst. Die Feuerkraft<br />

der konventionellen Artillerie wird erhöht.<br />

Panzer T-55, Schwimmpanzer PT-76 und<br />

Kampfflugzeuge vom Typ MiG-21 – erstmals<br />

außerhalb der Sowjetunion stationiert –<br />

kommen zum Einsatz.<br />

Die Volksmarine verfügt jetzt über ein<br />

Kampfschwimmer-Kommando, ein Fallschirmjäger-Bataillon<br />

wird in den Landstreitkräften<br />

gebildet.<br />

Mitte der 1970er-Jahre steigern folgende<br />

Waffen beziehungsweise Waffensysteme<br />

(Auswahl) <strong>die</strong> Kampfkraft: neue Hubschrauber<br />

Mi-8, Mi-14, Mi-24, neue Flugzeugtypen<br />

wie <strong>die</strong> MiG-23, SU-22, MiG-29,<br />

Kampfpanzer T-64 und T-72, neue vierrohri-<br />

30


Hochgerüstete Streitmacht<br />

KOPRODUKTION: Die <strong>DDR</strong> produziert gemeinsam mit der Tschechoslowakei<br />

das Brückenlegegerät BLG-60 auf Basis von Lizenzen aus<br />

der Sowjetunion. Dabei ist <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> für den pioniertechnischen Aufbau<br />

und <strong>die</strong> Endmontage zuständig. Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

HINTERGRUND<br />

Abrüstung einer Armee<br />

Das gesamte Gerät und <strong>die</strong><br />

Waffen der <strong>NVA</strong> werden nach<br />

der deutschen <strong>Wie</strong>dervereinigung<br />

am 3. Oktober 1990 in<br />

zahlreichen Verwahrlagern konzentriert.<br />

Als Ende November<br />

1990 in Paris zahlreiche Staaten<br />

<strong>die</strong> Schlussakte des KSZE-<br />

Abkommens unterzeichnen,<br />

muss Deutschland 2.927 Panzer,<br />

6.152 Schützenpanzerwagen,<br />

1.955 Artilleriesysteme<br />

und 164 Kampfflugzeuge abrüsten.<br />

Diese Forderung wird<br />

nun durch Vernichtung und Absteuerung<br />

von <strong>NVA</strong>-Waffen weitestgehend<br />

erfüllt.<br />

Inzwischen haben 44 Länder<br />

um Lieferungen aus Beständen<br />

der Nationalen Volksarmee<br />

ersucht. Am Ende gehen<br />

Lieferungen an 70 Länder,<br />

darunter <strong>die</strong> USA, Frankreich,<br />

Ägypten, Israel, Griechenland,<br />

Türkei, Indonesien, Schweden,<br />

Finnland, Belgien, Jugoslawien,<br />

Lettland, Tunesien, Malta, Uruguay,<br />

Norwegen, <strong>die</strong> Niederlande,<br />

Estland, Spanien und <strong>die</strong><br />

Ukraine.<br />

ge Torpedoschnellboote „Projekt 206“, Mittlere<br />

Landungsschiffe, drei Küstenschutzschiffe<br />

1159 Typ „Rostock“, 30 Kleine Torpedoschnellboote<br />

der „Libelle“-Klasse (KTS),<br />

neue Minensucher „Kondor“ (Projektnummer<br />

89.1 und 89.2), 16 U-Jagdschiffe Projekt<br />

131 „Parchim“ und schließlich fünf Raketenkorvetten<br />

„Tarantul“ mit je vier P-21-Raketen<br />

sowie ein neues mobiles Küstenraketensystem<br />

„Rubesch“.<br />

„Musterschüler” <strong>NVA</strong><br />

„Höhepunkt“ der erzielten Fähigkeiten und<br />

der Kampfbereitschaft der <strong>NVA</strong> ist das letzte<br />

Großmanöver „Waffenbrüderschaft 80“.<br />

Auf Truppenübungsplätzen der <strong>DDR</strong> zeigen<br />

Land-, Luft- und Seestreitkräfte unter Einsatz<br />

scharfer Waffen, zu welchen militärischen<br />

Leistungen sie imstande sind.<br />

Ohne Zweifel wäre <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> als Koalitionsarmee<br />

damals mit den anderen Armeen<br />

des Ostblocks auf Befehl „marschiert“. Ihre<br />

schwimmfähige Technik hätte <strong>die</strong> mitteleuropäischen<br />

Wasserhindernisse größtenteils<br />

aus der Bewegung heraus überwinden können.<br />

Dazu entwickelt <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Industrie ein<br />

eigenes Brückenlegegerät BLG-60 für kleinere<br />

Wasserhindernisse, das sich sowjetischen<br />

und NATO-Mustern als überlegen erweist.<br />

Die <strong>NVA</strong> gilt inzwischen als „Musterschüler“<br />

des weiterhin vom „Großen Bruder“ dominierten<br />

Warschauer Paktes. In der <strong>DDR</strong><br />

existieren ab den 1970er-Jahren etwa 70 bis<br />

80 Betriebe der „Speziellen Produktion“; <strong>die</strong>se<br />

stellen ausschließlich Rüstungsgüter her.<br />

Zirka 2.300 Betriebe treten als Zulieferer in<br />

Erscheinung.<br />

Mit dem Nachrüstungsbeschluss der<br />

NATO und der „Vornestationierung“ der<br />

russischen SS-20-Raketen in den Jahren<br />

1979/80 allerdings kommen unter den Leistungsträgern<br />

der <strong>NVA</strong> immer größere Zweifel<br />

an der Richtigkeit des Rüstungswett-<br />

STANDARD: Jagdflugzeuge vom Typ<br />

MiG-21 auf einem Militärflugplatz, vermutlich<br />

bei Kamenz. Die sowjetische<br />

MiG-21 kommt bei allen Staaten des<br />

Warschauer Vertrags zum Einsatz.<br />

Foto: picture-alliance/dpa-Zentralbild<br />

laufs auf. Mit „Pershing II“ und „Cruise<br />

missile“ sowie mit den Luft-Schiff-Raketen<br />

„Kormoran“ der NATO wird offenbar, dass<br />

<strong>die</strong> vorwiegend konventionellen Kräfte des<br />

Warschauer Vertrages immer mehr ins Hintertreffen<br />

geraten sind. Als dann unter dem<br />

Generalsekretär des Zentralkomitees der<br />

„Schlagkräftig – zuverlässig. Für den Schutz der<br />

Arbeiter- und Bauern-Macht!”<br />

Losung eines Propagandaplakates anlässlich des 25. Jahrestages<br />

der Gründung der <strong>NVA</strong>, 1981<br />

KPdSU Michail Gorbatschow 1985/86 <strong>die</strong><br />

offensive Militärdoktrin in eine Verteidigungsdoktrin<br />

gewandelt wird und <strong>die</strong> <strong>NVA</strong><br />

nun „Verteidigung“ üben soll, ist schnell<br />

klar, auf wessen Territorium und mit welchen<br />

Kräften <strong>die</strong> Anfangsperiode eines<br />

möglichen Krieges zwischen West und Ost<br />

stattfinden wird.<br />

Jedem militärwissenschaftlich ausgebildeten<br />

Offizier wird bewusst, dass ein auf<br />

breiter Front vorgetragener Angriff des Gegners<br />

– wenn überhaupt – erst an der Oder<br />

oder an der Weichsel gestoppt werden könnte.<br />

Eine neue Stufe der Kampfkraft durch intelligente<br />

Munition, Computertechnik und<br />

Abstandswaffen zwingt Politiker und Militärs<br />

schließlich zum Einlenken und Umdenken.<br />

Entsprechend den Abrüstungsverhandlungen<br />

verschrottet <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> in ihrer Endphase<br />

<strong>die</strong> ersten Kampfflugzeuge und<br />

Panzer. Zudem reduziert sie <strong>die</strong> Zahl der<br />

Landstreitkräfte einseitig um 10.000 Mann.<br />

Mit den Wahlen vom 18. März 1990 und<br />

den Verhandlungen zwischen Bundeskanzler<br />

Kohl und Gorbatschow im Kaukasus sowie<br />

den 2+4-Verhandlungen des Jahres 1990 ist<br />

das Ende der <strong>NVA</strong> – einer deutschen Armee<br />

im Kalten Krieg – schließlich gekommen.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

31


Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />

Schlacht um Aachen 1944<br />

Kampf um <strong>die</strong><br />

Kaiserstadt<br />

September 1944: Die Alliierten<br />

stoßen bis zur deutschen<br />

Westgrenze vor. Nun<br />

wollen sie mit Aachen <strong>die</strong><br />

erste Großstadt des Reiches<br />

erobern. Doch ihre<br />

Annahme, der Gegner sei<br />

bereits geschlagen, erweist<br />

sich als verhängnisvoller<br />

Irrtum. Von Stefan Krüger<br />

GROßES KALIBER: Deutsche Artillerie<br />

nimmt im Raum Aachen <strong>die</strong> nach<br />

Osten vorstürmenden Truppen des<br />

Gegners unter Beschuss.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

32


den er den vermeintlichen Siegern hinterlassen<br />

hat, ist ihm nun freilich unangenehm. Er<br />

versucht daher, ihn wieder an sich zu bringen.<br />

Ein beflissener Bürger war jedoch schneller<br />

und schwärzt den General an. Es riecht verdächtig<br />

nach „Defätismus“. Das „Führerhautquartier“<br />

kommt zu demselben Ergebnis und<br />

schiebt Schwerin in <strong>die</strong> „Führerreserve“ ab.<br />

Neuer Divisionskommandeur wird General<br />

Siegfried von Waldenburg.<br />

NEUGIERIG BEGUTACHTET: Teile einer SS-Panzerdivision sammeln sich in einem Dorf westlich<br />

von Aachen. Ein Halbkettenfahrzeug (Sd.Kfz. 251/7) wird von Kindern und Jugendlichen<br />

bestaunt. Die mittleren Pionierpanzerwagen führten oft Sturmbrücken als Grabenüberschreithilfe<br />

sowie weiteres Pioniergerät mit sich.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Mühsam quälen sich <strong>die</strong> Fahrzeuge der<br />

116. Panzerdivision Richtung Osten.<br />

Ihr Ziel heißt Aachen. Denn hier beginnt<br />

<strong>die</strong> vorderste Linie des „Westwalls“<br />

und hier, so hoffen <strong>die</strong> Männer, muss es doch<br />

wieder eine deutsche Verteidigungslinie geben.<br />

Doch der Divisionskommandeur Generalleutnant<br />

Gerhard Graf von Schwerin und<br />

seine Soldaten sehen sich darin bitter getäuscht.<br />

Als sie am 12. September 1944 in der<br />

altehrwürdigen Kaiserstadt ankommen,<br />

herrscht in Aachen das blanke Chaos.<br />

Eigentlich hat <strong>die</strong> örtliche NSDAP den<br />

Auftrag, <strong>die</strong> Zivilisten zu evakuieren. Die<br />

„Parteibonzen“ aber <strong>waren</strong> auch hier <strong>die</strong> ersten,<br />

<strong>die</strong> sich aus dem Staub gemacht und <strong>die</strong><br />

Aachener ihrem Schicksal überlassen haben.<br />

Zwar hat der Garnisonskommandant Ersatzeinheiten<br />

aufgestellt, um den „Westwall“ an<br />

<strong>die</strong>ser Stelle zu besetzen. Doch handelt es sich<br />

um Soldaten, deren schlechte Ausbildung nur<br />

noch von der mangelhaften Qualität ihrer<br />

Ausrüstung übertroffen wird. Dafür tragen<br />

<strong>die</strong>se Einheiten teils martialische Bezeichnungen<br />

wie „Festungs-MG-Bataillon 34“. Zeit<br />

bleibt auch keine mehr, da das VII. US-Korps<br />

nur noch wenige Kilometer von Deutschlands<br />

westlichster Großstadt entfernt ist.<br />

für <strong>die</strong> US-Amerikaner, in der er sie bittet,<br />

<strong>die</strong> Zivilbevölkerung schonend zu behandeln.<br />

Er vermutet nämlich, dass <strong>die</strong> 1. US-Division<br />

in den nächsten Stunden ins Stadtinnere<br />

einrücken wird. Doch dann geschieht<br />

etwas Erstaunliches – nämlich nichts.<br />

Die Amerikaner verharren, als würden sie<br />

eine neue Teufelei der Deutschen fürchten.<br />

Damit vergeben sie <strong>die</strong> einmalige Chance, Aachen<br />

im Handstreich zu besetzen. General<br />

Schwerin nutzt <strong>die</strong> Gelegenheit und wirft seine<br />

Division wieder nach vorne. Außerdem<br />

stoppt er <strong>die</strong> Evakuierung. Denn <strong>die</strong>se verläuft<br />

ohnehin viel zu chaotisch. Der Zettel,<br />

Unverhoffter Nachschub<br />

Die deutsche Verteidigung nimmt nun sichtlich<br />

Formen an. So graben sich nordwestlich<br />

der Stadt <strong>die</strong> Soldaten der 49. und 275. Infanteriedivision<br />

ein, während Waldenburgs<br />

Panzer zu den südwestlichen Stellungen des<br />

„Westwalls“ rasseln. Die Deutschen vermuten,<br />

dass es hier in den nächsten Tagen besonders<br />

kritisch aussehen wird – zu Recht. In<br />

Aachen selbst verschanzen sich derweil <strong>die</strong><br />

Ersatzeinheiten der Garnison. Zusammen<br />

gefasst sind sämtliche Verbände und Einheiten<br />

unter dem Kommando des LXXXI. Armeekorps.<br />

Und während sich <strong>die</strong> Stäbe ordnen, reiben<br />

sich <strong>die</strong> alten, desillusionierten „Landser“<br />

der Wehrmacht verblüfft <strong>die</strong> Augen,<br />

denn sie sehen etwas, was sie schon lange<br />

nicht mehr erblickt haben: Nachschub. Panzer,<br />

Sturmgeschütze, Haubitzen und Handfeuerwaffen<br />

kommen an <strong>die</strong> Front. Man<br />

merkt, dass das Ruhrgebiet nicht mehr weit<br />

entfernt ist.<br />

Auf der anderen Seite der Front ahnt<br />

Feldmarschall Bernard Montgomery, der <strong>die</strong><br />

britische 21. Heeresgruppe der alliierten Expeditionsstreitkräfte<br />

führt, dass <strong>die</strong> Wehrmacht<br />

noch lange nicht geschlagen ist. Zu-<br />

Vergebene Chance<br />

Graf von Schwerin gibt sich keinen Illusionen<br />

hin. Zwar hat er tags zuvor den Befehl<br />

erhalten, Aachen zu verteidigen, doch seine<br />

geschundene Division ist noch nicht gefechtsbereit.<br />

Sie muss sich zunächst östlich<br />

der Stadt sammeln. Er eilt daher ins Telegrafenamt<br />

und hinterlässt dort eine Nachricht<br />

IM SCHUTZ DER HAUSWAND: Deutsche Soldaten durchqueren das Aachener Stadtgebiet<br />

1944, hier Angehörige der 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Foto: picture-alliance/ZB©dpa<br />

Clausewitz 6/2014<br />

33


Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />

dem plagen <strong>die</strong> Verbündeten Versorgungsschwierigkeiten,<br />

da sich viele französische<br />

Häfen noch in deutscher Hand befinden.<br />

Auch das logistisch sehr wichtige Antwerpen<br />

ist noch lange nicht befreit. Er hält daher<br />

nichts von der Idee, sich am „Westwall“ den<br />

Kopf blutig zu schlagen. Vielmehr möchte er<br />

<strong>die</strong>sen am Niederrhein umgehen, dann nach<br />

Süden einschwenken und das Ruhrgebiet erobern<br />

– ein spiegelverkehrter „Schlieffenplan“<br />

sozusagen.<br />

Angriff der Amerikaner<br />

Der Krieg, so hofft er, kann dann vielleicht<br />

noch vor dem 1. Januar 1945 beendet sein.<br />

Das Unternehmen „Market Garden“ sollte<br />

<strong>die</strong>sem kühnen Stoß den Weg ebnen. Doch<br />

<strong>die</strong> Luftlandeoperation gerät zum alliierten<br />

Debakel. Montgomery aber gibt nicht auf; er<br />

plä<strong>die</strong>rt weiterhin dafür, den Schwerpunkt<br />

auf dem linken Flügel, also bei seiner eigenen<br />

Heeresgruppe, zu bilden.<br />

Der Oberbefehlshaber der alliierten Expeditionsstreitkräfte,<br />

General Dwight Eisenhower,<br />

möchte jedoch <strong>die</strong> Wehrmacht weiterhin<br />

auf breitester Front unter Druck setzen. Auch<br />

im Raum Aachen. Hier sollen <strong>die</strong> Amerikaner<br />

den „Westwall“ durchstoßen und anschließend<br />

auf Köln vorrücken. Von hier aus ließe<br />

sich das Ruhrgebiet rasch neutralisieren.<br />

In den Morgenstunden des 14. September<br />

1944 tritt das VII. US-Korps wie erwartet<br />

südlich der Stadt an. Und auf Anhieb reißen<br />

<strong>die</strong> Amerikaner <strong>die</strong> Front auf und preschen<br />

an Aachen vorbei weit nach Osten vor. Die<br />

116. Panzerdivision wirft sich ihnen entgegen,<br />

kann sie jedoch nicht aufhalten, sodass<br />

das VII. Korps bei Stolberg sogar in <strong>die</strong> zweite<br />

„Westwall“-Linie eindringt. Doch <strong>die</strong> Verteidiger<br />

haben Glück: Die frisch aufgefüllte<br />

und neu ausgerüstete 12. Infanteriedivision<br />

marschiert rechtzeitig heran und schließt <strong>die</strong><br />

bedrohliche Lücke südöstlich von Aachen.<br />

Der amerikanische Angriff frisst sich fest.<br />

Auch nördlich der Stadt gehen <strong>die</strong> US-Truppen<br />

in <strong>die</strong> Offensive. Sie schaffen es aber<br />

nicht, <strong>die</strong> Verteidiger zu werfen.<br />

Die Amerikaner antworten mit wütendem<br />

Artilleriefeuer, das auf das gesamte<br />

LXXXI. Korps niedergeht. Dann stürmt am<br />

17. September erneut <strong>die</strong> Infanterie an. Unter<br />

KARTE<br />

GETARNT: Eine 155-mm-Haubitze<br />

der US-Armee wird in Stellung gebracht.<br />

Die materielle Überlegenheit<br />

der Alliierten – gerade bei der Artillerie<br />

und in der Luft – war auch in<br />

der Schlacht um Aachen erdrückend.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Einschließung Aachens im Oktober 1944<br />

BEFEHLSHABER: Gerhard Graf von Schwerin,<br />

Kommandeur der 1944 im Raum Aachen eingesetzten<br />

116. Panzerdivision. Er wird seines<br />

Kommandos enthoben und in <strong>die</strong> „Führerreserve“<br />

versetzt. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

34


den wuchtigen Schlägen taumeln <strong>die</strong> 49. und<br />

275. Infanteriedivision nach Heerlen zurück.<br />

Die 183. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision springt jedoch<br />

in <strong>die</strong> Bresche und hilft, <strong>die</strong> Front zu<br />

stabilisieren. Auch <strong>die</strong>smal gelingt den Angreifern<br />

somit der Durchbruch nicht. Zugleich<br />

aber schwenken <strong>die</strong> Amerikaner bei<br />

Stolberg nach Norden ein. Es ist kein Geheimnis,<br />

dass sie versuchen, Aachen einzuschließen.<br />

Wichtigstes taktisches Ziel sind<br />

hierbei <strong>die</strong> Höhenzüge nordöstlich der Stadt.<br />

Wer sie kontrolliert, kontrolliert Aachen.<br />

Diesmal aber versandet der Angriff im Abwehrfeuer<br />

der 12. Infanteriedivision rasch<br />

und <strong>die</strong> Schlacht um Aachen pausiert anschließend<br />

vorerst.<br />

ker auf <strong>die</strong> Westfront konzentrieren und neu<br />

aufgefüllte Verbände wie eben <strong>die</strong> 12. Infanteriedivision<br />

dorthin entsenden.<br />

Die Deutschen nutzen <strong>die</strong> operative Pause,<br />

um Aachen endlich zu evakuieren. Außerdem<br />

ziehen sie <strong>die</strong> angeschlagene 116.<br />

Panzerdivision aus der Front, um den Verband<br />

aufzufrischen. An dessen Stelle tritt <strong>die</strong><br />

Verunsicherte Amerikaner<br />

Die Amerikaner sind indes sehr verunsichert.<br />

<strong>Wie</strong> ist es möglich, dass <strong>die</strong> vermeintlich<br />

geschlagene Wehrmacht mit der 12. Infanteriedivision<br />

einen frischen Verband aus<br />

dem Ärmel geschüttelt hat? Wo kam <strong>die</strong>ser<br />

so plötzlich her? Die Division stand zuvor an<br />

der Ostfront und ist während der russischen<br />

Sommeroffensive (Unternehmen „Bagration“)<br />

beinahe aufgerieben worden. Da <strong>die</strong><br />

Rote Armee in <strong>die</strong>sem Bereich aber bereits<br />

seit August 1944 eine Feldzugpause einlegte,<br />

konnten sich <strong>die</strong> Deutschen nun etwas stärerst<br />

am 15. September (!) neu aufgestellte<br />

246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision. Zugleich spuckt<br />

das Ruhrgebiet, <strong>die</strong> größte Rüstungsschmiede<br />

des Reiches, unablässig neues Material<br />

aus, das vor allem den Verteidigern von Aachen<br />

zugute kommt. Die Amerikaner haben<br />

bereits zu spüren bekommen, auf was sie<br />

sich hier eingelassen haben. Sie schaffen da-<br />

NACHSCHUB: Ein anscheinend werksneuer PzKpfw IV Ausf H oder J in gedeckter Stellung<br />

in einem Wäldchen. Schutz vor der alliierten Luftaufklärung ist 1944 überlebenswichtig,<br />

Verlegungsmärsche werden vorzugsweise in der Nacht vorgenommen. Foto: Sammlung Anderson<br />

Clausewitz 6/2014<br />

35


Schlachten der Weltgeschichte | Aachen 1944<br />

her schwere Artillerie herbei, mit der sie den<br />

„Westwall“ unter Beschuss nehmen und<br />

„knacken“ wollen. Doch das erste Wort hat<br />

<strong>die</strong> alliierte Luftwaffe. 1.250 schwere Bomber<br />

legen in der Nacht zum 2. Oktober 1944<br />

Bombenteppiche auf Köln, Hamm und Kassel.<br />

Das LXXXI. Korps soll dadurch wenigstens<br />

zeitweise vom Ruhrgebiet und damit<br />

vom Nachschub abgeschnitten werden. Die<br />

Amerikaner legen den Schwerpunkt nun auf<br />

den Nordabschnitt, direkt südlich von Geilenkirchen.<br />

Zwar haben sie im Süden den<br />

tiefsten Einbruch erzielt und stehen bereits<br />

weit östlich von Aachen. Doch scheuen sie<br />

davor zurück, sich in dem unübersichtlichen<br />

Gelände in einen Kleinkrieg wie zuvor im<br />

Heckenland der Norman<strong>die</strong> einzulassen.<br />

Mörderisches Abwehrfeuer<br />

Während <strong>die</strong> genannten Großstädte brennen,<br />

heben 400 alliierte Bomber ab, <strong>die</strong> es vor<br />

allem auf <strong>die</strong> deutschen Bunker abgesehen<br />

haben. Anschließend pflügen knapp 380 Geschütze<br />

mit über 18.000 Granaten <strong>die</strong> Erde<br />

um. Mit massierter Feuerkraft haben <strong>die</strong><br />

HINTERGRUND<br />

Der „Westwall“<br />

Amerikaner schon in der Norman<strong>die</strong> den<br />

Durchbruch erzwungen, warum soll es nicht<br />

auch hier funktionieren? Doch der „Westwall“<br />

schützt <strong>die</strong> deutschen Soldaten, Verluste<br />

und Schäden bleiben erstaunlich gering.<br />

Die Soldaten des XIX. US-Korps laufen<br />

in ein mörderisches Abwehrfeuer. Einzelne<br />

Einheiten verlieren mehr als zwei Drittel ihres<br />

Personals. Etwa 30 Minuten benötigen<br />

<strong>die</strong> GIs im Durchschnitt, um nur einen einzigen<br />

Bunker zu „knacken“. Bis zum Ende des<br />

Tages werden es aber immerhin 50 sein. Zugleich<br />

liefern sie sich mit den Deutschen erbitterte<br />

Häuserkämpfe in Ortschaften wie<br />

Übach und Rimburg, <strong>die</strong> rund 20 Kilometer<br />

nördlich von Aachen liegen und in den<br />

„Westwall“ integriert sind. Erst am nächsten<br />

Tag überwinden <strong>die</strong> Angreifer <strong>die</strong>se erste Linie<br />

vollständig und stoßen weiter nach Westen<br />

vor.<br />

Für <strong>die</strong> deutsche Seite wird es nun brenzlig.<br />

Wenn das XIX. Korps, das nun immer<br />

weiter an Raum gewinnt, nach Süden eindreht,<br />

können sie bald den Soldaten des<br />

VII. US-Korps <strong>die</strong> Hand reichen und Aachen<br />

wäre eingeschlossen. Noch am 4. Oktober<br />

1944 unternimmt das LXXXI. Korps daher<br />

„Reste der Verteidiger der deutschen Kaiserstadt<br />

stehen im Nahkampf am Gefechtsstand...“<br />

Garnisonskommandant Gerhard Wilck am 21. Oktober 1944 in seinem letzten<br />

Funkspruch an <strong>die</strong> 246. Volksgrena<strong>die</strong>rdivision.<br />

Nach dem Zusammenbruch der Norman<strong>die</strong>front<br />

bietet sich der vernachlässigte „Westwall“<br />

als Auffang- und Verteidigungslinie an.<br />

Hitler befiehlt daher am 24. August 1944,<br />

jene Verteidigungsanlage wieder zu reaktivieren<br />

und zu modernisieren.<br />

Das rund 630 Kilometer lange Stellungssystem<br />

erstreckt sich damals von der<br />

Schweiz grob entlang der deutschen Westgrenze<br />

bis zum niederrheinischen Kleve. Es<br />

besteht damals neben verschiedenen Bunkertypen<br />

aus zahlreichen Panzersperren und<br />

-gräben. Insgesamt werden etwa 17 Millionen<br />

Tonnen Beton und 1,2 Millionen Tonnen<br />

Stahl verbaut.<br />

Erstmals finden 1944 heftige Kämpfe<br />

um den „deutschen Limes“ bei Aachen und<br />

später im Hürtgenwald statt.<br />

Gegenangriffe, <strong>die</strong> aber allesamt zu kraftlos<br />

sind und meist im Artilleriefeuer liegen bleiben.<br />

Nun ergreifen <strong>die</strong> US-Truppen wieder<br />

<strong>die</strong> Initiative. Sie stürmen nach Süden und<br />

nehmen Alsdorf, womit sie nur noch 14 Kilometer<br />

von Aachen entfernt sind. In einem<br />

entschlossenen Gegenstoß erobern deutsche<br />

Sturmgeschütze und Infanterie <strong>die</strong> Ortschaft<br />

zwar wieder zurück, doch müssen sie dem<br />

großen Druck bald weichen. Die Reserven<br />

sind schlicht zu schwach. Zu <strong>die</strong>sem Schluss<br />

kommt auch das Oberkommando der Wehrmacht<br />

(OKW) und setzt <strong>die</strong> 3. Panzergrena<strong>die</strong>rdivision<br />

und das I. SS-Panzerkorps mit<br />

der 116. Panzerdivision und der 101. schweren<br />

SS-Panzerabteilung in Marsch. Noch aber<br />

sind <strong>die</strong> Amerikaner am Zug. Am 8. Oktober<br />

stößt das VII. Korps mit der bewährten<br />

36


NIEDERGESCHLAGEN:<br />

Deutsche<br />

Offiziere nach der<br />

Gefangennahme<br />

durch <strong>die</strong> US-Amerikaner<br />

in Aachen im<br />

Herbst 1944.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

Süddeutsche Zeitung Photo<br />

DURCHBRUCH:<br />

US-Truppen durchstoßen<br />

im Herbst 1944<br />

den „Westwall“, hier<br />

südlich von Aachen<br />

Foto: picture-alliance/akg<br />

1. US-Division nach Norden vor. Ihr Ziel ist<br />

<strong>die</strong> Ortschaft Verlautenheide und „Hügel<br />

231“, nahe Ravelsberg. <strong>Wie</strong>der wummern<br />

<strong>die</strong> mächtigen Geschütze und ebnen den Angreifern<br />

den Weg. Sie schaffen es auf Anhieb,<br />

<strong>die</strong>se wichtigen Punkte zu besetzen. Damit<br />

kontrollieren <strong>die</strong> Alliierten nun <strong>die</strong> entscheidenden<br />

nordöstlichen Höhenzüge, Aachen<br />

ist nun beinahe vollständig eingeschlossen.<br />

Mit geballter Feuerkraft<br />

Doch noch immer klafft eine Lücke zwischen<br />

der 30. US-Division bei Alsdorf und der 1. Division<br />

weiter südlich. Und <strong>die</strong> Deutschen<br />

sind entschlossen, mit den Verstärkungen des<br />

OKW hier einen mächtigen Keil hineinzutreiben.<br />

Rasch drängen sie beide US-Divisionen<br />

in <strong>die</strong> Defensive und zwei deutsche Infanterieregimenter<br />

entreißen den Alliierten am<br />

12. Oktober sogar den „Hügel 231“, während<br />

Tiger-Panzer im Rücken der 1. US-Division<br />

durchbrechen und <strong>die</strong>se zeitweise vom Nachschub<br />

abschneiden. Kippt <strong>die</strong> Schlacht? Droht<br />

am Ende gar ein Debakel wie bei Arnheim?<br />

Die Amerikaner geben jedoch nicht auf<br />

und spielen ihre stärksten Trümpfe aus: Artillerie<br />

und Luftwaffe. Mit <strong>die</strong>ser geballten<br />

Feuerkraft zertrümmern sie einzelne deutsche<br />

Angriffsgruppen und reiben auch <strong>die</strong><br />

gegnerische Infanterie auf „Hügel 231“ auf.<br />

Der wichtige Höhenzug ist damit wieder in<br />

alliierter Hand. Die Deutschen, <strong>die</strong> längst<br />

nicht mehr <strong>die</strong> Reserven haben, um solche<br />

Materialschlachten durchzustehen, lassen<br />

nun spürbar nach. Darauf hin beißt sich <strong>die</strong><br />

30. US-Division weiter nach Süden durch.<br />

Am 16. Oktober 1944 reichen sie schließlich<br />

ihren Kameraden von der 1. Division <strong>die</strong><br />

Hand: Aachen ist nun vollständig eingeschlossen.<br />

Der Kampf um <strong>die</strong> Stadt selbst beginnt<br />

bereits ein paar Tage zuvor, als das 26.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Verbissene Verteidiger<br />

US-Regiment mit Flammenwerfern, Panzern<br />

und schweren Haubitzen in Aachen eindringt.<br />

Ihnen gegenüber stehen vor allem<br />

5.000 Garnisonssoldaten: Schlecht ausgebildete,<br />

meist viel zu alte Männer, <strong>die</strong> obendrein<br />

nur mangelhaft ausgerüstet sind. Dennoch<br />

wehren sie sich verbissen und zwingen<br />

<strong>die</strong> Angreifer, <strong>die</strong> offenen Straßen zu meiden.<br />

Die amerikanischen Panzer und Geschütze<br />

schleifen daraufhin systematisch ein<br />

Haus nach dem anderen, sodass sich <strong>die</strong> US-<br />

Infanterie über <strong>die</strong> Trümmer hinweg fortbewegen<br />

kann. Auf <strong>die</strong>se Weise ziehen sie den<br />

Ring um <strong>die</strong> Innenstadt immer enger, treffen<br />

dann aber am Hotel Quellenhof, dem Hauptquartier<br />

der Verteidiger, noch einmal auf den<br />

erbitterten Widerstand der Waffen-SS, <strong>die</strong><br />

mehrere Angriffe abwehrt und sogar heftige<br />

Gegenstöße unternimmt. Erst am 21. Oktober<br />

1944 kapituliert Garnisonskommandant<br />

Oberst Gerhard Wilck mit dem Rest seiner<br />

Soldaten.<br />

Die Schlacht um Aachen hat vom 2. bis<br />

zum 21. Oktober 1944 auf beiden Seiten jeweils<br />

zirka 5.000 Mann an Toten und Verwundeten<br />

gekostet. Zudem gerieten mehrere<br />

Tausend deutsche Soldaten in alliierte Gefangenschaft.<br />

Aber auch bei den Alliierten sollte sich<br />

bald Ernüchterung breitmachen. Denn obwohl<br />

sie den „Westwall“ an <strong>die</strong>ser Stelle nun<br />

klar durchbrochen hatten, <strong>waren</strong> sie von einem<br />

temporeichen Bewegungskrieg wie zuletzt<br />

in Frankreich weit entfernt. Zudem<br />

wartete nun der Hürtgenwald als nächstes,<br />

weitaus größeres Hindernis. Aachen wurde<br />

somit nicht zum erhofften „Sprungbrett“ in<br />

das Herz des „Dritten Reiches“.<br />

Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.<br />

<br />

<br />

Haasler, Timm Timm<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Großformat, 349 349 Seiten.<br />

148 148 Abb./ISBN<br />

978-3-86933-088-4<br />

<br />

Wijers, Hans Hans J. J.<br />

Die Die Ardennenoffensive<br />

- Band - II II<br />

Sturm auf auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> Nordfront<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Großformat, 168 168 Seiten,<br />

125 125 Abb., Abb., 21 21 Karten;<br />

ISBN ISBN 978-3-86933-118-5<br />

<br />

Gückelhorn, Wolfgang<br />

Paul, Paul, Detlev<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Großformat, 290 290 Seiten,<br />

631 631 Fotos, 188 188 Zeichnungen,<br />

80 80 Tabellen;<br />

ISBN ISBN 978-3-86933-116-4<br />

<br />

König, Guntram<br />

Heinemann, Günter<br />

Wünsche, Wolfgang<br />

<br />

<br />

<br />

218 218 Seiten, fest fest gebunden,<br />

206 206 Abbildungen;<br />

ISBN ISBN 978-3-86933-026-6<br />

den,


Der Zeitzeuge<br />

Als Hubschrauberpilot in Vietnam<br />

Kampfeinsatz<br />

über der<br />

,,grünen Hölle<br />

,,<br />

VON DER HÖLLE INS PARADIES:<br />

Blick aus dem Hubschrauber des<br />

Vietnamveteranen Curt Lofstedt<br />

auf <strong>die</strong> beeindruckenden Berghänge<br />

und das türkisfarbene<br />

Wasser Hawaiis.<br />

Alle Fotos: Autor<br />

1965–1973: Trotz technischer Überlegenheit können <strong>die</strong><br />

USA den „unsichtbaren“ Gegner in Vietnam nicht<br />

bezwingen. Der Hubschrauber Bell UH-1 steht sinnbildlich<br />

für den Dschungelkrieg in Südostasien. Ein ehemaliger<br />

Pilot berichtet exklusiv.<br />

Von Walter Kreuzer<br />

Curt Lofstedt wirkt plötzlich sehr nachdenklich:<br />

„Ich ging nicht hin, um <strong>die</strong> Welt<br />

zu retten. Ich hatte aber <strong>die</strong> richtige Einstellung,<br />

um das zu tun, was von mir erwartet<br />

wurde – und ich bin zurückgekommen. Es<br />

war nicht das Beste, dort involviert zu sein.“<br />

Dennoch ist er bereit, über den Krieg in Südostasien<br />

zu reden. Jahrelang hat er das nicht<br />

getan: „Ich spreche nicht viel über Vietnam.<br />

Das ist nichts, über das ich bei Tisch reden<br />

würde. Ich habe dort viele schlimme Dinge<br />

gesehen.“<br />

Neben den Erlebnissen, mit denen er am<br />

liebsten nie konfrontiert worden wäre, hat<br />

ihm seine Zeit bei der U.S. Army auch etwas<br />

gegeben, das er nicht hätte missen wollen: etliche<br />

Flugzeiten und dadurch <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Ob<br />

er ohne <strong>die</strong>se Zeiten hinter dem Steuerknüppel<br />

eines Bell UH-1 Iroquois – der Typ ist allgemein<br />

unter Bezeichnung „Huey“ bekannt<br />

– heute im Tropenpara<strong>die</strong>s Hawaii seinem<br />

zum Beruf erkorenen Hobby nachgehen und<br />

auf <strong>die</strong> Erfahrung von 29.000 Flugstunden<br />

zurückblicken könnte? Wohl kaum. So aber<br />

sitzt der 64-Jährige im bunten Hawaiihemd<br />

in seinem Büro in Lihue, dem Hauptort der<br />

Insel Kauai. Hier betreibt er seit Anfang der<br />

1980er-Jahre mit seiner Frau Bonnie ein Helikopter-Unternehmen,<br />

dass auf Rundflüge<br />

für Touristen und Filmaufnahmen – zum<br />

Beispiel „Jurassic Park“ oder „Sechs Tage,<br />

sieben Nächte“ (mit Harrison Ford, dem er<br />

nebenbei das Hubschrauberfliegen beibrachte)<br />

– spezialisiert ist.<br />

In Corvallis bei Portland absolviert Lofstedt<br />

das College auf der Oregon State University.<br />

Sein Traum, Hubschrauber zu fliegen,<br />

ist aber so stark, dass er sich als Warrant<br />

Officer (WRR) Aviation Specialist freiwillig<br />

meldet: „Das war der beste Weg, <strong>die</strong>s zu machen.<br />

Es war sicher, dass ich ins Flugprogramm<br />

kommen würde.“ 50 Männer gehören<br />

seiner Klasse an. Nur drei schließen den<br />

Lehrgang in Fort Rucker (Alabama) und <strong>die</strong><br />

Flugausbildung in der Nähe der texanischen<br />

Metropole Dallas erfolgreich ab. Die Übrigen<br />

werden bei den häufigen und strengen<br />

Tests ausgesiebt, anderen Einheiten zugeteilt<br />

und durch Neuankömmlinge ersetzt. 1972,<br />

der Krieg in Vietnam beginnt sich etwas abzuschwächen,<br />

sehnt sich der frischgebackene<br />

Hubschrauberpilot – „ich war jung und<br />

unerschrocken“ – nach so viel Flugzeit wie<br />

nur möglich und will deshalb in den USA<br />

bleiben.<br />

„Freiwillig“ nach Vietnam<br />

Als Drittbester des Jahrgangs stehen ihm alle<br />

Türen offen. Er darf sich seine weitere Verwendung<br />

aussuchen – zumindest in der<br />

Theorie. „Sie wählten einige Leute aus, <strong>die</strong><br />

nach Vietnam sollten. Ich rief zu Hause an<br />

und erzählte, dass ich nicht hin müsse. Meine<br />

Eltern <strong>waren</strong> glücklich. Am nächsten Tag<br />

hieß es dann aber: ,Wir brauchen noch einen,<br />

der nach Vietnam geht. Wenn Du Dich nicht<br />

freiwillig meldest, dann melden wir Dich<br />

freiwillig.’ Dass ich in der Klasse so hoch<br />

stand, half mir in <strong>die</strong>ser Situation nicht. Deshalb<br />

habe ich zugesagt. Heute bin ich froh,<br />

dass es so gekommen ist“, erinnert er sich an<br />

ein Wechselbad der Gefühle.<br />

In Vietnam gehört er dem C-Troop der<br />

16th Cavalry Unit mit dem Namen „Dark<br />

Horse“ an. Die Kampfeinheit umfasst 80 Soldaten,<br />

darunter 30 Piloten. Jeweils ein Commander,<br />

ein Co-Pilot und zwei Crew-Mit-<br />

38


DAMALS: Lofstedt<br />

auf dem Pilotensitz<br />

seines Hubschraubers.<br />

Die Aufnahme<br />

stammt aus dem<br />

Vietnam-Jahrbuch<br />

seiner Einheit.<br />

glieder, <strong>die</strong> <strong>die</strong> beiden seitlich angebrachten<br />

Maschinengewehre be<strong>die</strong>nen, bilden <strong>die</strong> Besatzung<br />

eines Huey-Hubschraubers. „Ich<br />

war bis zum Waffenstillstand etwa ein Jahr<br />

in Vietnam. Drei Monate, nachdem ich in das<br />

Land gekommen war, wurde ich zum Aircraft<br />

Commander befördert. Viele Piloten<br />

gingen zurück nach Amerika, und es wurde<br />

viel geflogen. Wir <strong>waren</strong> <strong>die</strong> einzige Kampfeinheit.“<br />

1.100 Flugstunden kommen so zusammen,<br />

während denen er zweimal unfreiwillig<br />

auf den Boden muss. „Einmal landete<br />

ich in einem Reisfeld, das etwa einen Meter<br />

tief unter Wasser stand. Ich sah, wie Vietnamesen<br />

mit einem Boot auf mich zukamen, als<br />

uns ein Hubschrauber rausholte. In dem anderen<br />

Fall hatte ich nachts einen Maschinenschaden<br />

und konnte den Heli gerade noch<br />

landen, ehe der Motor ausfiel.“<br />

FAKTEN<br />

Bell UH-1 Iroquois<br />

Erstflug/In<strong>die</strong>nststellung: Oktober<br />

1956/1959<br />

Verwendungszweck: Mehrzweckhubschrauber<br />

(Luftlandeoperationen,<br />

Transport, Evakuierung, Elektronische<br />

Kampfführung, Angriff von Bodenzielen)<br />

Spitzname: Huey<br />

Länge: 17,5 m<br />

Höhe: 4,5 m<br />

Gewicht: 4,8 t<br />

Fluggeschwindigkeit: 281 km/h<br />

Reichweite: 318 km<br />

Steighöhe: 4,3 km<br />

Besatzung: 4<br />

HEUTE: Lofstedt vor<br />

einem Hubschrauber<br />

seiner erfolgreichen<br />

Firma „Island<br />

Helicopters“.<br />

Er fliegt Touristen<br />

und Hollywoodstars<br />

über Hawaii.<br />

Der „Flugstunden-Junkie“<br />

Als Offizier hat er sein eigenes Zimmer, und<br />

– was ihm besonders gelegen kommt – er<br />

schreibt den Einsatzplan für <strong>die</strong> Piloten. „Ich<br />

habe mich jeden Tag eingesetzt, um möglichst<br />

viele Flugstunden zu bekommen und nach<br />

der Rückkehr <strong>die</strong> fehlenden Lizenzen zu machen.“<br />

Das Resultat <strong>die</strong>ser Praxis ist, dass Lofstedt<br />

häufiger zum Arzt muss, um sich einsatzfähig<br />

schreiben zu lassen: „Das war nach<br />

einer gewissen Zahl Einsatzstunden – ich<br />

glaube, es <strong>waren</strong> etwa 200 – vorgeschrieben.“<br />

IKONE: Fast jeder<br />

Krieg hat seine „typischen“<br />

Waffen. Für den<br />

Vietnamkrieg ist es der<br />

„Huey“. Die meisten<br />

Menschen denken bei<br />

dem Wort „Vietnamkrieg“<br />

sofort an <strong>die</strong><br />

Hubschrauber mit dem<br />

unverwechselbaren<br />

„Teppichklopfer-<br />

Sound“. Die Aufnahme<br />

stammt aus dem Pacific<br />

Aviation Museum in<br />

Pearl Harbor, Oahu.<br />

Tödliche SA7-Raketen<br />

Die Huey-Piloten sind anfangs ziemlich hoch<br />

geflogen, später aber wegen der russischen<br />

Strela2-Raketen – von den Amerikanern als<br />

SA7 bezeichnet – nur noch im Tiefflug unterwegs<br />

gewesen: „Die SA7 reagierten auf Hitze<br />

und hängten sich dann an <strong>die</strong> Maschine<br />

dran. Einmal wurde eine auf mich abgeschossen.<br />

Ich sah sie auf mich zukommen,<br />

tauchte ab und machte wilde Manöver. Die<br />

Rakete flog einen Kreis und kam zurück –<br />

schoss aber an mir vorbei.“ Die Treffergenauigkeit<br />

<strong>die</strong>ser Geschosse soll bei 90 Prozent liegen.<br />

Deshalb ist sie fast jeden Abend Thema<br />

bei den Besprechungen über Gegenmaßnahmen:<br />

„Unter anderem haben wir <strong>die</strong> Hubschrauber<br />

schwarz gestrichen, damit es keine<br />

Reflexionen von der Sonne geben konnte.“<br />

Seinen gefährlichsten Einsatz schildert<br />

Curt Lofstedt so: Ein Huey wird abgeschossen,<br />

fällt in <strong>die</strong> Bäume und bleibt rauchend<br />

auf der Seite liegen. „Ich landete etwa 90 Meter<br />

entfernt, übergab das Kommando meinem<br />

Co-Piloten und nahm zur Deckung <strong>die</strong><br />

beiden Gewehrschützen mit. Währenddessen<br />

flogen <strong>die</strong> Cobra-Kampfhubschrauber<br />

über uns und schossen Raketen ab, <strong>die</strong> überall<br />

um mich herum einschlugen. Offenbar<br />

hatten es meine Männer mit der Angst zu<br />

tun bekommen. Als ich mich umdrehte, <strong>waren</strong><br />

sie nicht mehr da, sie blieben im Hubschrauber.“<br />

Bei dem abgeschossenen Heli<br />

angekommen, sieht Lofstedt, wie sich der Pilot<br />

bewegt. Einer der Schützen hatte gerade<br />

eine Handgranate entsichert, als <strong>die</strong> Maschine<br />

getroffen worden war und abstürzte. „Ich<br />

versuchte, ihn herauszubekommen, sah<br />

aber, dass er nicht überleben würde. Es war<br />

kein schöner Anblick. So versuchte ich, den<br />

Pilot rauszuziehen. Er war noch immer bei<br />

Bewusstsein. Ich nahm ihn auf den Arm. Es<br />

ist ziemlich schwer, so durch Gras und<br />

90 Zentimeter tiefes Wasser zu laufen. Ich<br />

war ziemlich erschöpft“, erzählt der 64-Jährige.<br />

Bei seinem eigenen Hubschrauber angekommen,<br />

erfährt er, dass von den Hughes-<br />

Hubschraubern einige Vietkong erschossen<br />

worden seien, <strong>die</strong> „zwischen mir und dem<br />

abgeschossenen Heli <strong>waren</strong>. Wir hatten nach<br />

ihnen gesucht, als der andere Huey abgeschossen<br />

wurde. Mein Co-Pilot flog uns zurück.<br />

Er fing zwar einen Treffer ein, wir<br />

schafften es aber bis zur Basis.“<br />

Der von Lofstedt gerettete Soldat hat<br />

überlebt: „Wir hatten aber nie wieder Kontakt<br />

miteinander. In Vietnam <strong>waren</strong> auch<br />

vorher schon Hubschrauber abgeschossen<br />

worden, und wir gingen rein, um <strong>die</strong> Kameraden<br />

so schnell wie möglich rauszuholen.<br />

Hier war es etwas Besonderes: Es spielte sich<br />

mitten unter Feinden ab – und wir hatten<br />

Glück, dass wir rauskamen.“<br />

Walter Kreuzer, Jg. 1963, Redakteur und Autor von<br />

Reportagen mit dem Schwerpunkt Nordamerika. Für<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> besuchte er bereits Fort Lincoln, <strong>die</strong> Minuteman<br />

Missile Base und Pearl Harbor.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

39


Militärtechnik im Detail<br />

Gebaut, um niederzureißen<br />

Großbritanniens<br />

schwerer Bomber<br />

Avro Lancaster<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Das „glänzende Schwert“, wie es Arthur Harris,<br />

auch bekannt als „Bomber-Harris“, der<br />

Oberkomman<strong>die</strong>rende des „Bomber Command“,<br />

nannte, verursachte einen großen Teil der Verwüstungen<br />

und Schäden, <strong>die</strong> dem Deutschen<br />

Reich 1942–45 aus der Luft zugefügt wurden. In<br />

156.000 Einsätzen haben mehr als 60 Staffeln<br />

634.200 Tonnen Bombenlast abgeworfen. Dabei<br />

variierte <strong>die</strong> Ladung von Vierpfünder-Brandbomben<br />

bis hin zur elf-Tonnen-Luftmine. Im Mai 1943<br />

attackierten speziell umgebaute Lancaster-Maschinen<br />

<strong>die</strong> Ruhr-Staudämme in Westdeutschland,<br />

und trafen damit <strong>die</strong> Wasser- und Elektrizitätsversorgung<br />

hart. Bei <strong>die</strong>sen Angriffen ertranken<br />

neben 750 kriegsgefangenen Landwirtschaftshelfern<br />

zahlreiche weitere Menschen, <strong>die</strong><br />

in der Nähe der getroffenen Dämme lebten. Bereits<br />

zwei Monate nachdem <strong>die</strong> Lancaster-Bomber<br />

sich am verheerenden Angriff auf Dresden beteiligt<br />

hatten, <strong>waren</strong> Crews und Maschinen beim<br />

Lebensmittelabwurf über den Niederlanden im<br />

Einsatz, um dort den Hunger zu bekämpfen. Ihr<br />

letzter Bombereinsatz über Europa galt am 25.<br />

April 1945 Hitlers Bergresidenz „Obersalzberg“<br />

in Berchtesgaden. Bis zum Ende des Krieges hatten<br />

Fertigungsstraßen in Großbritannien und Kanada<br />

7.377 Lancaster „ausgespuckt“. Davon wurden<br />

3.431 durch Feindjäger und Beschuss feindlicher<br />

Flak zerstört. Zählt man dazu noch <strong>die</strong> 246<br />

Totalschäden durch Unfälle hinzu, so verzeichnet<br />

<strong>die</strong>ser Bombertyp eine Verlustquote von beinahe<br />

50 Prozent.<br />

„Giftiger Stachel“<br />

Bug- und Rückenturm <strong>waren</strong><br />

jeweils mit zwei 0.303-Inch-<br />

Browning-Maschinengewehren<br />

(Kaliber 7,7 mm) bestückt. Der<br />

Heckturm aber war am Anfang<br />

sogar mit vier weiteren MG<br />

gleichen Kalibers bewaffnet.<br />

Gegen Ende des Krieges<br />

rüstete man den Heckturm<br />

häufig um, und stattete ihn mit<br />

zwei 0.5-Inch-MG (Kaliber 12,7<br />

mm) aus.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Große Variabilität<br />

Der fast zehn Meter<br />

große Bombenschacht<br />

bedeutete große Flexibilität<br />

bei der Bestückung<br />

der Maschinen hinsichtlich<br />

Bombengröße<br />

und Einsatzzweck.<br />

Zahlen, <strong>die</strong> für sich sprechen<br />

Die Flügelspannweite maß 31 Meter, um <strong>die</strong><br />

18,5 Tonnen Gewicht der Maschine mit ihrer<br />

siebenköpfigen Besatzung und <strong>die</strong> Bombenzuladung<br />

von bis zu 15 Tonnen sicher zu tragen.<br />

Die deutsche Heinkel He 177 „Greif“<br />

Höchstgeschwindigkeit: 563 km/h<br />

Reichweite: ca. 5.600 Kilometer<br />

Dienstgipfelhöhe: 8.000 Meter<br />

Defensivbewaffnung: 5 MGs, 2 x 20-mm-Kanone<br />

Bombenzuladung: 7.246 Kilogramm<br />

Besatzung: 6 Mann<br />

Der einzige strategische Langstreckenbomber der Luftwaffe. Da <strong>die</strong> Motorenanordnung<br />

anfangs mit großen thermischen Problemen und Kinderkrankheiten zu kämpfen hatte,<br />

fingen viele Maschinen in der Luft Feuer, weshalb <strong>die</strong> He 177 verschiedene sarkastische<br />

Beinamen wie „Reichsfeuerzeug“, „Reichsfackel“ und „Brennender Sarg“ erhielt.<br />

Produzierte Stückzahl: 1.169<br />

40


Unauffälliger<br />

Bauchanstrich<br />

Diese Lackierung<br />

gibt den<br />

Tarnanstrich wieder,<br />

den <strong>die</strong> Royal Air<br />

Force für ihre<br />

Nachtbomber<br />

während des<br />

Zweiten Weltkriegs<br />

verwendete.<br />

In <strong>die</strong>ser Serie bereits erschienen:<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Maschinengewehr (MG) 42 (4/2013)<br />

Amerikanische Haubitze M2A1 (5/2013)<br />

Fairey Swordfish (6/2013)<br />

Russischer Kampfpanzer T-34/76 (1/2014)<br />

Japanischer Jäger A6M Zero (1/2014)<br />

Heinkel He 111 (2/2014)<br />

Amerikanischer Lastwagen GMC 6x6 (3/2014)<br />

Kleinst-U-Boot Typ 127 „Seehund“ (4/2014)<br />

Deutsches Kettenkraftrad HK 101 (5/2014)<br />

Demnächst:<br />

Panzerkampfwagen VI „Tiger“<br />

(1/2015)<br />

„Die letzte von vielen“<br />

Maschine PA474 ist eine von gegenwärtig noch zwei<br />

flugfähigen Lancaster-Bombern. Gebaut wurde sie<br />

1945 und kam nicht mehr zum Einsatz. Die „Battle of<br />

Britain Memorial Flight“ (Flugzeugkette bestehend<br />

aus einer Avro Lancaster, einer Supermarine Spitfire<br />

und einer Hawker Hurricane) der Royal Air Force<br />

unterhält <strong>die</strong> Lancaster zum Gedenken an das<br />

„Bomber Command“.<br />

Große Motoren<br />

mit Potenzial<br />

Vier Zwölfzylinder-<br />

Motoren, normalerweise<br />

Rolls-Royce Merlins,<br />

brachten <strong>die</strong> Lancaster<br />

auf bis knapp 6.500<br />

Meter Höhe und hielten<br />

sie dort für bis zu<br />

4.000 Kilometer.<br />

Doppelte Aufgabe<br />

Der Bombenschütze in einer Lancaster hatte gleich<br />

zwei Aufgaben. Erstens: Auf dem Weg zum Ziel hin<br />

und vom Ziel weg den Bord-MG-Turm be<strong>die</strong>nen.<br />

Zweitens: Wenn es an der Zeit war, <strong>die</strong> Bomben ins<br />

Ziel zu bringen, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, um<br />

dann bäuchlings in der Bombenschützenkuppel zu<br />

liegen, den Endanflug zu dirigieren und schließlich<br />

den Bombenwurf zu tätigen.<br />

Die italienische Piaggio<br />

P-108B „Bombar<strong>die</strong>re“<br />

Höchstgeschwindigkeit: 430 km/h<br />

Reichweite: ca. 3.500 Kilometer<br />

Dienstgipfelhöhe: 8.500 Meter<br />

Defensivbewaffnung: 7 MGs<br />

Bombenzuladung: 3.500 Kilogramm<br />

Besatzung: 6–7 Mann<br />

Am 7. August 1941 verunglückte Mussolinis Sohn Bruno mit <strong>die</strong>sem<br />

Flugzeugtyp bei einer Bruchlandung tödlich. Die Kosten für <strong>die</strong> P-108B<br />

sorgten für ein frühes Produktionsende.<br />

Produzierte Stückzahl: 24 der Bomberversion<br />

Die amerikanische<br />

B-24 „Liberator“<br />

Höchstgeschwindigkeit: 480 km/h<br />

Reichweite: ca. 3.360 Kilometer<br />

Dienstgipfelhöhe: 9.150 Meter<br />

Defensivbewaffnung: 10 MGs<br />

Bombenzuladung: 3.600 Kilogramm<br />

Besatzung: 10–12 Mann<br />

Zunächst für Transportzwecke verwendet, eigneten sich <strong>die</strong> B-24 hinsichtlich<br />

Geschwindigkeit, Reichweite und Zuladung für <strong>die</strong> Bomberrolle. Doch ihre<br />

Achillesverse <strong>waren</strong> ihre verwundbaren Treibstofftanks.<br />

Produzierte Stückzahl: 18.482<br />

Clausewitz 6/2014<br />

41


Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />

Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

451 n. Chr.: Attilas Hunnen dringen in das Weströmische<br />

Reich ein. Im Nordosten Galliens gelingt<br />

es dem Heermeister Flavius Aëtius, <strong>die</strong> Invasoren<br />

zu stellen. Es kommt zu einer der berühmtesten<br />

Schlachten der Spätantike. Von Daniel Carlo Pangerl<br />

Lyrische Worte, prosaischer Hintergrund:<br />

„Sie schleichen wie der Nebel<br />

schleicht, der nachts vom Moor zum<br />

Berge steigt, der Busch und Baum und Menschenkind<br />

im Schlaf mit eklem Gift umspinnt.<br />

Sie brechen gleich dem Sturm hervor,<br />

der Tannen knickt wie dürres Rohr; dem Strome<br />

gleich, der überschwillt und Stadt und<br />

Dorf mit Jammer füllt: Die Hunnen, <strong>die</strong> Hunnen!“<br />

So beschreibt der deutsche Dichter<br />

Friedrich Wilhelm Weber (1813–1894) in seinem<br />

Gedicht „Die Hunnen“ das berüchtigte<br />

Steppenvolk. Der Einfall der Hunnen in Europa<br />

ab 375 n. Chr. ist ein regelrechtes Schockerlebnis<br />

für <strong>die</strong> spätantike römische Bevölkerung.<br />

Erst im Jahr 451 kann der Heermeister<br />

Flavius Aëtius ihren Vormarsch stoppen:<br />

Ab der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

beginnt der Stern der Hunnen zu sinken.<br />

Bald darauf verlassen sie das Römische<br />

Reich.<br />

Seither hat <strong>die</strong>se Schlacht Generation<br />

über Generation fasziniert, bis heute. Die<br />

spätantike und mittelalterliche christliche<br />

Geschichtsschreibung stilisiert <strong>die</strong>ses Ereignis<br />

zum Glaubenskrieg zwischen christlichen<br />

Römern und heidnischen Hunnen.<br />

Über<strong>die</strong>s entsteht eine Volkssage: Dieser zufolge<br />

sollen <strong>die</strong> auf dem Schlachtfeld gefallenen<br />

Krieger als Geister fortleben und den<br />

Kampf in den Wolken weiterführen. Auch<br />

für Künstler ist <strong>die</strong>se Schlacht eine Inspirationsquelle.<br />

Der deutsche Maler Wilhelm von<br />

Kaulbach (1805–1874) etwa kreiert 1837 das<br />

Gemälde „Hunnenschlacht“, mit dem er inhaltlich<br />

an <strong>die</strong> Volkssage anknüpft.<br />

Die sehr langwierige Vorgeschichte der<br />

Schlacht auf den Katalaunischen Feldern<br />

setzt bereits 375 ein: In jenem Jahr überschreitet<br />

das Steppenvolk der Hunnen den<br />

Fluss Don. Begleitet werden <strong>die</strong> Hunnen von<br />

den Alanen, einem indoiranischen Stamm,<br />

den sie kurz zuvor unterworfen haben.<br />

Sicherheitsrisiko und Schock<br />

Die hunnische Expansion löst eine fluchtartige<br />

Wanderbewegung von mehrheitlich germanischen<br />

Stämmen aus, <strong>die</strong> um Aufnahme<br />

in das sichere Römische Reich ersuchen. Diese<br />

Ereignisse markieren den Beginn der sogenannten<br />

„Völkerwanderung“, eine der<br />

dramatischsten und folgenreichsten Phasen<br />

in der Geschichte Europas. Die Hunnen<br />

dringen unaufhaltsam nach Westen in den<br />

Raum der heutigen Ukraine vor. Dort erobern<br />

sie das Siedlungsgebiet der germanischen<br />

Ostgoten östlich des Flusses Dnjestr.<br />

Ein Großteil der Ostgoten gerät unter <strong>die</strong><br />

GÖTTERGLEICHE GERMANEN: Diese Illustration vom<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt einen Farbdruck nach<br />

Max Koch, und stammt aus dem Buch „Die Heldensagen<br />

der Germanen“. Der „germanische“ Sieg (auf römischer<br />

Seite kämpfen viele Germanen) über <strong>die</strong> „Aggressoren<br />

aus der Steppe“ wurde früher als Verteidigung Europas<br />

interpretiert. Sicher ist: Die Schlacht ist gewaltig gewesen<br />

– doch Germanen standen auf beiden Seiten.<br />

Abb.: picture-alliances/akg-images<br />

42


Hunnische Truppen<br />

Befehlshaber: Attila<br />

Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />

reichen von 30.000 bis 50.000 Mann<br />

Verluste: unbekannt<br />

Römische Truppen<br />

Befehlshaber: Flavius Aëtius<br />

Truppenstärke: unbekannt, Schätzungen<br />

reichen von 30.000 bis 45.000 Mann<br />

Verluste: unbekannt<br />

Clausewitz 6/2014<br />

43


Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />

SCHOCK FÜR EUROPA: Die Hunnen ziehen plündernd durch<br />

mehrere Länder des Kontinents. Holzstich (um 1890) nach<br />

einem Gemälde von Friedrich Emil Klein. Erst Aëtius kann<br />

ihnen 451 Einhalt gebieten.<br />

Abb.: picture-alliance/akg<br />

DÄMON ZU PFERD: Wer „Attila“ hört, denkt<br />

sofort an Plünderung und brennende Dörfer.<br />

Als „Etzel“ findet Attila Einzug in das deutsche<br />

Nationalepos<br />

„Nibelungenlied“ –<br />

ebenfalls als gefährlicher<br />

Gegner.<br />

Abb.: picture<br />

alliance/Leemage<br />

Herrschaft der Hunnen und zieht mit <strong>die</strong>sen<br />

nach Westen.<br />

Nun werden <strong>die</strong> westlich des Dnjestr ansässigen<br />

Westgoten von den Hunnen angegriffen.<br />

Ihnen bleibt aber das Schicksal ihrer<br />

ostgotischen Verwandten erspart: Sie überqueren<br />

376 <strong>die</strong> Donau und erhalten von Kaiser<br />

Valens <strong>die</strong> Erlaubnis, sich im Oströmischen<br />

Reich niederzulassen – das Römische<br />

Reich ist zu <strong>die</strong>ser Zeit in ein West- und ein<br />

Ostreich mit jeweils eigenem Kaiser geteilt.<br />

Weil <strong>die</strong> Westgoten jedoch fahrlässigerweise<br />

nicht entwaffnet werden, entwickeln sie sich<br />

Attila:<br />

Die „Geißel Gottes“<br />

Attila, über dessen frühes Leben wir nur wenig<br />

wissen, stammt aus einer hunnischen Herrscherdynastie.<br />

Sein Name ist vermutlich gotischer<br />

Herkunft und bedeutet „Väterchen“. Seit 434<br />

regiert Attila zusammen mit seinem Bruder<br />

Bleda. Zeitweise leistet er militärische Unterstützung<br />

für den weströmischen Heermeister<br />

Flavius Aëtius. 444 oder 445 tötet Attila<br />

Bleda und steigt zum Alleinherrscher der<br />

Hunnen auf. Nach Kämpfen im Oströmischen<br />

Reich marschiert Attila Richtung<br />

Westen. 451 wird er in Gallien Foto:Xxxxxxxxxx von Aëtius auf den<br />

Katalaunischen Feldern gestoppt. 453 stirbt er<br />

in seiner Hochzeitsnacht, vermutlich an einem<br />

Blutsturz. Als König Etzel wird Attila im mittelalterlichen<br />

Nibelungenlied besungen, unter seinem<br />

markanten Beinamen „Geißel Gottes“<br />

besitzt er noch heute große Bekanntheit.<br />

zum Sicherheitsrisiko: Am 9. August 378<br />

kämpfen sie in der Schlacht bei Adrianopel<br />

gegen <strong>die</strong> Römer. Die Westgoten siegen, Valens<br />

stirbt auf dem Schlachtfeld. Ein weiterer<br />

Schock für das römische Imperium.<br />

Germanische Gefahr!<br />

Theodosius I., der Nachfolger des Valens als<br />

oströmischer Kaiser, findet eine erfolgversprechende<br />

Lösung, um <strong>die</strong> Westgoten im<br />

Zaum zu halten: Er schließt 382 mit ihnen einen<br />

Vertrag („Foedus“). Dieser sieht insbesondere<br />

vor, dass <strong>die</strong> Westgoten im Raum<br />

des heutigen Bulgarien angesiedelt werden<br />

und dort fruchtbares Ackerland zugewiesen<br />

bekommen. Im Gegenzug müssen sie sich<br />

zum Kriegs<strong>die</strong>nst für <strong>die</strong> Römer verpflichten.<br />

Das Prinzip, Barbaren lieber zu integrieren<br />

anstatt zu bekämpfen, wird zu einem<br />

zentralen Bestandteil der römischen Außenpolitik:<br />

Mehrere germanische Stämme, <strong>die</strong><br />

während der Völkerwanderung in das Imperium<br />

drängen, werden auf Reichsboden angesiedelt<br />

und für militärische Zwecke in Anspruch<br />

genommen. Diese germanischen<br />

Truppenkontingente spielen nun eine zahlenmäßig<br />

immer größere Rolle im römischen<br />

Militär. Sie sind aber nicht offizieller Bestandteil<br />

des römischen Heeres, sondern<br />

kämpfen als mehr oder minder eigenständige<br />

Söldnertruppen unter dem Oberbefehl<br />

der Römer.<br />

Diese Außenpolitik kann jedoch nicht<br />

verhindern, dass sich im Jahr 410 eine Tragö<strong>die</strong><br />

ereignet, welche <strong>die</strong> antike Welt erschüt-<br />

44


Germanen kämpfen auf beiden Seiten<br />

tert: Die von Alarich angeführten Westgoten<br />

verlassen – aus Unzufriedenheit mit den Bedingungen<br />

in ihrem Siedelland – das Oströmische<br />

Reich und fallen in das Weströmische<br />

Reich ein. Am 24. August bemächtigen sie<br />

sich der Stadt Rom. Erstmals seit 387 v.<br />

Chr. gelingt es einer feindlichen Macht, in<br />

das Innere von Rom einzudringen. Nach<br />

drei Tagen Plünderung lassen Alarichs<br />

Mannen ab und ziehen Richtung Süden.<br />

Alarich versucht, nach Nordafrika überzusetzen,<br />

stirbt aber zuvor in Kalabrien.<br />

Unter ihrem neuen Anführer Athaulf, Alarichs<br />

Schwager, kehren <strong>die</strong> Westgoten um<br />

und lassen sich in Gallien nieder. 41 Jahre<br />

später werden sie bei der Schlacht auf den<br />

Katalaunischen Feldern von entscheidender<br />

Bedeutung für <strong>die</strong> Römer sein.<br />

Die Hunnen kommen<br />

Seit 375 rücken <strong>die</strong> Hunnen immer weiter<br />

nach Westen vor. Als Erfolgsgarant erweist<br />

sich ihre bemerkenswerte Kampftechnik, <strong>die</strong><br />

von ihrer Herkunft aus der zentralasiatischen<br />

Steppe geprägt ist: Die Hunnen sind<br />

ein Reitervolk, das seine Gegner mit großer<br />

Schnelligkeit ohne eine klar erkennbare<br />

Schlachtordnung überfallartig angreift. Zudem<br />

besitzt es eine furchteinflößende „Wunderwaffe“:<br />

Den Reflexbogen. Diesen setzen<br />

<strong>die</strong> hunnischen Reiterkrieger vom Pferd aus<br />

ein. Somit können sie sowohl beim Angriff<br />

nach vorne als auch beim Rückzug nach hinten<br />

schießen. Die Reiter müssen sich mit großem<br />

Geschick im Sattel halten, denn es gibt<br />

damals noch keinen Steigbügel.<br />

Um 400 gelangen <strong>die</strong> Hunnen zusammen<br />

mit den von ihnen unterworfenen Stämmen,<br />

darunter den Ostgoten, bis zur Donau. Als<br />

sie sich schließlich dem Römischen Reich nähern,<br />

wenden <strong>die</strong> Römer eine Strategie der<br />

Integration an, <strong>die</strong> sich bereits bei den Westgoten<br />

bewährt hat: Die Hunnen werden<br />

Bundesgenossen Roms. Sie erhalten Siedelland,<br />

Soldzahlungen und verpflichten sich,<br />

im Bedarfsfall Soldaten zu stellen. Dieses militärische<br />

Potenzial macht sich der weströmische<br />

Heermeister Flavius Aëtius schon<br />

bald zunutze: Auf seinen Befehl hin begeben<br />

sich hunnische Truppen 436 an den mittleren<br />

Rhein und erobern dort das Reich der germanischen<br />

Burgunder. Seit 434 werden <strong>die</strong><br />

Hunnen von den Brüdern Attila und Bleda<br />

regiert. Seit 444/45 ist Attila Alleinherrscher.<br />

Attilas Raubzüge<br />

Um seine Stellung als Herrscher der Hunnen<br />

aufrecht zu erhalten, muss Attila Erfolge vorweisen<br />

und <strong>die</strong> Versorgung seiner Untertanen<br />

sicherstellen. Von seinem befestigten<br />

Hauptquartier aus, das in der Theißebene im<br />

Bereich des heutigen Ungarn und Rumänien<br />

Flavius Aëtius:<br />

Hoffnungsträger des Imperiums<br />

Flavius Aëtius wird um 390 in der römischen<br />

Provinz Niedermösien im heutigen<br />

Bulgarien geboren. Der Sohn eines<br />

römischen Heermeisters verbringt seine<br />

Jugend zeitweise in Gesellschaft der<br />

Westgoten und der Hunnen. Er erwirbt<br />

ein profundes Wissen über <strong>die</strong>se Stämme<br />

und knüpft mit ihnen gute Kontakte,<br />

<strong>die</strong> ihm auf seinem weiteren Karriereweg<br />

von großem Nutzen sind. 429 wird<br />

Aëtius Heermeister für Gallien. Schon<br />

bald steigt er zum mächtigsten Mann<br />

und faktischen Regenten des Westreiches<br />

auf. Besondere Ver<strong>die</strong>nste erwirbt<br />

sich Aëtius durch sein erfolgreiches Vorgehen<br />

gegen germanische und hunnische<br />

Krieger, <strong>die</strong> im Zuge der Völkerwanderung<br />

in das Römische Reich drängen.<br />

Der Versuch, seinen Sohn mit der Tochter<br />

des Kaisers Valentinian III. zu vermählen<br />

und eine eigene Herrscherdynastie<br />

zu errichten, scheitert jedoch:<br />

Am 21. September 454 wird Aëtius in<br />

Rom von Valentinian eigenhändig mit<br />

dem Schwert erschlagen.<br />

liegt, unternimmt er waghalsige Raubzüge.<br />

Zunächst wird das Oströmische Reich Attilas<br />

Objekt der Begierde: Zwischen 441 und<br />

447 verwüsten <strong>die</strong> Hunnen große Teile des<br />

Balkans und machen mehrere Städte dem<br />

Erdboden gleich. Der oströmische Kaiser<br />

Theodosius II. gewährt großzügige Tribute,<br />

kann jedoch Attila damit nicht zufrieden<br />

stellen. Der Hunnenführer attackiert nun<br />

Konstantinopel, <strong>die</strong> Hauptstadt Ostroms. Da<br />

<strong>die</strong> Hunnen als Reitervolk aber weder über<br />

Erfahrung in der Eroberung stark befestigter<br />

RETTER ROMS: An Aëtius scheitert Attila –<br />

der römische Heermeister versperrt den Hunnen<br />

Gallien. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Städte noch über geeignete Belagerungswerkzeuge<br />

verfügen, beißt sich Attila an den<br />

massiven Mauern Konstantinopels regelrecht<br />

<strong>die</strong> Zähne aus. Der neue oströmische<br />

Kaiser Markian wagt es sogar, <strong>die</strong> Tributzahlungen<br />

einzustellen. Weil im Osten des Reiches<br />

für seine Krieger nichts mehr zu holen<br />

ist, zieht Attila nach Westen: Im Jahr<br />

451 dringen <strong>die</strong> Hunnen in Gallien ein,<br />

wo sie Angst und Schrecken verbreiten.<br />

Am 7. April gelingt Attila <strong>die</strong> Eroberung<br />

von Metz im heutigen Frankreich.<br />

Aëtius rüstet zum Kampf<br />

Jetzt muss das Weströmische Reich handeln!<br />

Die maßgebliche Person im Kampf gegen<br />

<strong>die</strong> Hunnen wird Flavius Aëtius, seit 429<br />

„magister militum“ (Heermeister) in Gallien.<br />

Er gehört zu den mächtigsten römischen Politikern.<br />

Als „Hunnen- und Germanenspezialist“<br />

ist Aëtius für <strong>die</strong>se Aufgabe bestens<br />

geeignet: Er kennt seine Gegner durch frühere<br />

gemeinsame Kriegszüge, als <strong>die</strong> Hunnen<br />

noch als Bündnispartner für ihn kämpften.<br />

Über<strong>die</strong>s pflegt er gute Kontakte zu mehreren<br />

germanischen Stämmen. Zu einem entscheidenden<br />

Rückhalt für Aëtius werden <strong>die</strong><br />

Westgoten und ihr König Theoderich I. Diese<br />

haben sich nach dem Tod Alarichs im Süden<br />

Galliens niedergelassen und sind seit<br />

418 durch ein Bündnis mit den Römern zum<br />

Militär<strong>die</strong>nst verpflichtet.<br />

Um der augenscheinlichen Übermacht<br />

der Hunnen zu trotzen, reichen <strong>die</strong> römischen<br />

Truppenkontingente, <strong>die</strong> Aëtius zur<br />

Verfügung hat, nicht aus. Daher stellt er ein<br />

regelrechtes Vielvölkerheer auf <strong>die</strong> Beine: Etwa<br />

<strong>die</strong> Hälfte der Truppen werden von den<br />

Westgoten aufgeboten. Die andere Hälfte<br />

setzt sich aus Römern sowie aus weiteren<br />

germanischen Bündnispartnern (überwiegend<br />

aus Burgundern und linksrheinischen<br />

Franken) zusammen. Auch Attilas Heer besteht<br />

nur etwa zur Hälfte aus Hunnen. Seine<br />

übrigen Krieger stammen aus Gebieten, <strong>die</strong><br />

seit 375 von den Hunnen erobert wurden: Es<br />

sind vor allem Alanen, Ostgoten, Langobarden,<br />

Gepiden und rechtsrheinische Franken.<br />

Aëtius setzt alles daran, den Vormarsch<br />

der Hunnen zu stoppen. Als Attila von Metz<br />

aus Richtung Orléans aufbricht, um auch<br />

<strong>die</strong>se Stadt einzunehmen, greift Aëtius mit<br />

Erfolg ein: Seine Truppen können <strong>die</strong> Hunnen<br />

vor Orléans aufhalten. Es kommt zu einem<br />

ersten Kampf, der aber ohne Sieger endet.<br />

Attila zieht nach Nordosten. Aëtius folgt<br />

ihm und drängt <strong>die</strong> Hunnen in eine Ebene,<br />

<strong>die</strong> zwischen den Städten Châlons-en-<br />

Clausewitz 6/2014<br />

45


Schlachten der Weltgeschichte | Katalaunische Felder 451<br />

VERTEIDIGER: Dieser römische Soldat ist mit Helm,<br />

Kettenhemd und Schild gut geschützt. Als Waffen<br />

trägt er ein Schwert (Spatha) sowie eine Lanze.<br />

Abb.: Historische Recherche: Alexander Querengässer/<br />

Zeichnung: Sascha Lunyakov<br />

nen Konstantinopel. Vermutlich stützt sich<br />

Jordanes bei seiner Beschreibung der<br />

Ereignisse auf ältere, heute verschollene<br />

Dokumente. Seine Angaben sind bedauerlicherweise<br />

ziemlich unpräzise und konzentrieren<br />

sich auf <strong>die</strong> Rolle der Goten während<br />

des Gefechts. Aussagen zur Stärke der Truppen,<br />

<strong>die</strong> auf den Katalaunischen Feldern<br />

kämpfen, sind daher nur eingeschränkt<br />

möglich. Laut Jordanes habe Attilas Heer etwa<br />

500.000 Krieger umfasst. Diese Zahl ist<br />

gewiss maßlos übertrieben, zumal man mit<br />

der damaligen Logistik solch immense Kontingente<br />

gar nicht ausreichend hätte versorgen<br />

können. Moderne Schätzungen belaufen<br />

sich auf 30.000 bis 50.000 Mann (Attila) und<br />

30.000 bis 45.000 Mann (Aëtius). Vermutlich<br />

war Attilas Heer geringfügig größer als das<br />

seines Gegenspielers.<br />

Grausames Gemetzel in Gallien<br />

Der Schlachtverlauf lässt sich anhand von<br />

Jordanes zumindest in groben Zügen rekonstruieren.<br />

Bei dem Kampfschauplatz handelt<br />

es sich um eine weitläufige flache Ebene. Sie<br />

„Das Bächlein […] schwoll von dem reichlichen<br />

Blut der Wunden der Getöteten an und […]<br />

wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit […]<br />

ein reißender Strom.“<br />

Der Schriftsteller Jordanes, 6. Jh., über <strong>die</strong> Schlacht<br />

auf den Katalaunischen Feldern<br />

Champagne und Troyes liegt:<br />

<strong>die</strong> Katalaunischen Felder.<br />

Dort ereignet sich nun eine gewaltige<br />

Schlacht. Nähere Informationen<br />

über <strong>die</strong> Vorgänge auf<br />

den Katalaunischen Feldern besitzen<br />

wir insbesondere durch <strong>die</strong><br />

„Gotengeschichte“, welche der<br />

Schriftsteller Jordanes in lateinischer<br />

Sprache verfasst hat. Dieses<br />

Werk entsteht jedoch erst etwa hundert<br />

Jahre nach der Schlacht im fer-<br />

erhebt sich allmählich ansteigend zu einem<br />

Hügel, welcher einen strategisch wichtigen<br />

Punkt darstellt. Diesen versuchen beide<br />

Gegner zu erobern: Aëtius’ Truppen besetzen<br />

den linken, Attilas Truppen den rechten<br />

Teil <strong>die</strong>ser Anhöhe. Aëtius vertraut auf folgende<br />

Schlachtordnung: Den rechten Flügel<br />

bekleiden Theoderich und seine Westgoten,<br />

den linken Aëtius, <strong>die</strong> Römer und ihre übrigen<br />

germanischen Verbündeten. Demgegenüber<br />

ist <strong>die</strong> Schlachtordnung Attilas so gewählt,<br />

dass er selbst und seine Hunnen im<br />

Zentrum stehen. Auf den beiden Flügeln<br />

HINTERGRUND<br />

Das spätantike Römische Reich<br />

KAMPF UM ROM: Die Spätantike ist eine<br />

Zeit des Umbruchs. Nicht nur <strong>die</strong> Hunnen<br />

sind eine Gefahr. Im August 410 plündern<br />

<strong>die</strong> Westgoten <strong>die</strong> „Ewige Stadt“. Die Abbildung<br />

zeigt einen Holzstich von 1890:<br />

Alarich zieht in das brennende Rom ein.<br />

Abb.: picture-alliances/akg-images<br />

Das Römische Reich besteht seit dem späten<br />

4. Jahrhundert aus einem westlichen und<br />

einem östlichen Reichsteil mit jeweils eigenem<br />

Kaiser. Die Residenz des Ostens ist<br />

Konstantinopel. Die Residenz des Westens<br />

wird 402 von Mailand nach Ravenna verlegt.<br />

Auf beiden Reichsteilen lasten immense innen-<br />

und außenpolitische Probleme. Immer<br />

wieder versuchen Usurpatoren mit Unterstützung<br />

römischer Soldaten <strong>die</strong> rechtmäßigen<br />

Thronfolger zu verdrängen. Im Westen<br />

herrscht mit Valentinian III. sogar ein Kaiser,<br />

der bei seinem Regierungsantritt 425 erst<br />

sechs Jahre alt ist. Aufstrebende Heerführer<br />

und Politiker wie Flavius Aëtius machen sich<br />

ein solches Machtvakuum zunutze. Von außen<br />

bedrängen einfallende Germanen und<br />

Hunnen das Reich. Rom wird zweimal geplündert:<br />

410 vom Westgotenkönig Alarich und<br />

455 vom Vandalenkönig Geiserich. Insbesondere<br />

wegen seiner im Vergleich zum Westen<br />

wesentlich besseren wirtschaftlichen Lage<br />

kann das Ostreich den Bedrohungen trotzen:<br />

Als Byzantinisches Reich existiert es bis<br />

1453, ehe es von den Osmanen erobert<br />

wird. Anders gestaltet sich <strong>die</strong> Lage im Westen:<br />

Dort spielt sich 476 eines der folgenreichsten<br />

Ereignisse in der Geschichte Europas<br />

ab. Romulus Augustus, der letzte weströmische<br />

Kaiser, wird vom Germanenfürsten<br />

Odoaker abgesetzt. Das Westreich geht unter<br />

und zerfällt in mehrere Einzelreiche, <strong>die</strong><br />

von germanischen Stämmen wie den Franken,<br />

Goten und Langobarden beherrscht werden.<br />

Diese Phase gilt als Übergang von der<br />

Antike zum Mittelalter.<br />

46


Extremes Ende für Etzel<br />

Modellbau in<br />

Perfektion!<br />

ANGREIFER: Dieser Hunne führt stolz sein kleines, robustes und wendiges Steppenpferd neben<br />

sich. Er trägt einen wattierten pelzgefütterten Mantel und Lederstiefel. Bewaffnet ist er<br />

mit dem gefürchteten Kompositbogen, sowie Schwert und Dolch.<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

wird Attila von den Kriegern aus jenen<br />

Stämmen, <strong>die</strong> er unterworfen hat, flankiert.<br />

Die geographischen Gegebenheiten vor Ort<br />

sind ein großer Nachteil für <strong>die</strong> Hunnen: Sie<br />

können hier ihre taktische Trumpfkarte des<br />

überfallartigen berittenen Angriffs nicht ausspielen<br />

und sind somit ihrer eigentlichen militärischen<br />

Stärke beraubt.<br />

Auf dem Hügel beginnt jetzt <strong>die</strong> Schlacht,<br />

<strong>die</strong> sich schon bald zu einer wüsten und<br />

überaus blutigen Keilerei entwickelt. Taktische<br />

Ordnung und Disziplin kommen auf<br />

beiden Seiten zunehmend abhanden; Aëtius<br />

verliert den Überblick über das Geschehen.<br />

Bereits nach kurzer Zeit stirbt König Theoderich.<br />

Seine Westgoten lassen sich davon aber<br />

nicht entmutigen, dringen durch <strong>die</strong> gegnerischen<br />

Schlachtreihen und marschieren auf<br />

Attila zu. Dieser muss sich zurückziehen<br />

und verschanzt sich mit seinen Hunnen hinter<br />

einer Wagenburg. Die einbrechende Dunkelheit<br />

verhindert jedoch eine Fortführung<br />

des Gefechts. Am nächsten Morgen offenbart<br />

sich ein grausiger Anblick: Beide Seiten haben<br />

große Verluste erlitten. Gemäß Jordanes<br />

ist das ganze Schlachtfeld von Leichen übersäht<br />

und der Boden von Blut getränkt.<br />

Ende der „Hunnengefahr“<br />

In <strong>die</strong>ser Konstellation entscheidet sich Aëtius<br />

gegen eine Fortführung der Schlacht. Attilas<br />

Truppen sind zwar eingekesselt, aber<br />

immer noch kampfbereit und zahlenmäßig<br />

stark. Ein möglicher Sieg gegen Attila würde<br />

unverhältnismäßig große Opfer fordern und<br />

Clausewitz 6/2014<br />

<strong>die</strong> römischen Kontingente weiter dezimieren.<br />

Zudem hat Aëtius sein vorrangiges Ziel,<br />

den Vormarsch der Hunnen zu stoppen, erreicht.<br />

Gallien ist gerettet. Folglich lässt er<br />

Attila ziehen.<br />

Attila hat erstmals in seiner Laufbahn eine<br />

Schlacht nicht gewinnen können. Der Weg in<br />

das Innere Galliens wird ihm durch Aëtius<br />

versperrt. Dennoch lässt er nicht vom Weströmischen<br />

Reich ab: Er dringt in Norditalien<br />

ein, plündert und brandschatzt und rückt bis<br />

nach Rom vor. Attilas Krieger sind aber durch<br />

<strong>die</strong> zahlreichen Kämpfe ausgezehrt und werden<br />

zudem von Seuchen heimgesucht, so<br />

dass sie <strong>die</strong> Stadt nicht erobern können. Deshalb<br />

kehrt Attila an seinen Herrschaftssitz in<br />

der Theißebene zurück. Von hier aus rüstet er<br />

sich zu einem erneuten Angriff auf Italien. Jedoch<br />

stirbt er 453. Damit wird der Niedergang<br />

des Hunnenreiches eingeleitet. Attilas<br />

Söhne reiben sich in einem Nachfolgekrieg<br />

auf. Die Gepiden, Ostgoten und weitere unterworfene<br />

Stämme lösen sich von ihrem<br />

Joch: 454 siegen sie in der Schlacht am Fluss<br />

Nedao in Pannonien über <strong>die</strong> Hunnen. Viele<br />

hunnische Krieger schließen sich verwandten<br />

Steppenvölkern an, andere finden Aufnahme<br />

im römischen Militär. Für das Römische Reich<br />

ist <strong>die</strong> Hunnengefahr nun endgültig gebannt.<br />

Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker und<br />

Kulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München. Zu seinen Forschungsschwerpunkten<br />

gehören Mittelalter und Antike.<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

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Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />

IN FEUERSTELLUNG: Panzerhaubitzen<br />

2S3M der <strong>NVA</strong> mit höchster Rohrerhöhung<br />

beim Aufmunitionieren. Der Ladeschütze im Vordergrund<br />

hebt gerade <strong>die</strong> Kartusche einer Sprenggranate<br />

aus der Transportkiste.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Panzerhaubitzen von <strong>NVA</strong> und Bundeswehr<br />

Schussgewaltige<br />

Mitte 1950er-Jahre: Mit der Gründung von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee<br />

hält ein mobiles schussgewaltiges Waffensystem Einzug in beide deutsche Armeen –<br />

<strong>die</strong> Panzerhaubitze.<br />

Von Jörg-M. Hormann und Ulf Kaack<br />

Die Panzerhaubitze stellt <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />

der von Pferden oder Fahrzeugen<br />

gezogenen Feldhaubitzen dar.<br />

Erstmals kam sie während des Zweiten Weltkrieges<br />

zum Einsatz: Vorreiter <strong>waren</strong> <strong>die</strong> M7<br />

Priest der US-Amerikaner sowie <strong>die</strong> deutsche<br />

Panzerhaubitze vom Typ „Wespe“. Die Einführung<br />

<strong>die</strong>ser Waffen sollte <strong>die</strong> klassische<br />

Artillerie flexibler und unabhängiger machen.<br />

Bei der Panzerhaubitze ist das Geschütz in<br />

den Turm eingebaut, der Material und Mannschaft<br />

- bis zu einem gewissen Grad - vor dem<br />

Wetter und den Waffen des Feindes schützt.<br />

Panzerhaubitzen werden primär artilleristisch<br />

eingesetzt, können aber auch gegen direkte<br />

Ziele verwendet werden.<br />

Die M7 B2 Priest bildet im Westen <strong>die</strong><br />

Erstausrüstung der Panzerartillerie. 1941 in<br />

den USA entwickelt, kommt sie während des<br />

Zweiten Weltkrieges und im Koreakrieg<br />

(1950–1953) zum Einsatz. Das Waffensystem<br />

basiert auf dem Fahrgestell des Kampfpan-<br />

zers M4 Sherman. Als Hauptbewaffnung<br />

verfügt sie über ein 105-mm-Geschütz. Dieses<br />

Standardgeschütz der US-Army hat hervorragende<br />

ballistische Eigenschaften. Zusätzlich<br />

ist rechts neben dem Geschützt ein<br />

Kaliber .50-Browning-MG verbaut. Dieses,<br />

zur Flugabwehr und Nahbereichsverteidigung<br />

verwendete, 12,7-mm-MG befindet<br />

sich in einer drehbaren Kanzel. Und genau<br />

<strong>die</strong>se Kanzel ist für den Spitznamen „Priest“<br />

verantwortlich, da sie an kirchliche Kanzeln<br />

erinnert, von denen der Priester seine Predigt<br />

hält.<br />

Die Bundeswehr setzt <strong>die</strong> „Priest“ seit<br />

1956 ein und löst sie wenige Jahre später<br />

durch <strong>die</strong> leistungsfähigere M52 ab.<br />

<strong>Wie</strong> ihre Vorgängerin M7 B2 Priest bildet<br />

<strong>die</strong> mittlere Panzerhaubitze M52 eine Übergangslösung.<br />

Als Hauptbewaffnung trägt sie<br />

eine 105-mm-Kanone vom Typ M49, <strong>die</strong> seitlich<br />

um 60 Grad schwenkbar ist. Die Kadenz<br />

beträgt 15 Schuss pro Minute, <strong>die</strong> maximale<br />

Schussweite 11.105 Meter. Die M52 basiert<br />

auf dem Fahrgestell des M41 Walker Bulldog.<br />

Der eingebaute Sechszylinder-Continental-Motor<br />

hat eine ungewöhnliche Position:<br />

Er befindet sich in Fahrtrichtung vorne.<br />

Um ein Umkippen nach hinten zu unterbinden,<br />

wird eine Stützrolle abgesenkt. Eine<br />

später nachgerüstete Erdspornplatte sorgt<br />

zudem für mehr Sicherheit. Als <strong>die</strong> M52 bei<br />

der Bundeswehr in Dienst gestellt wird,<br />

hinkt <strong>die</strong> Technik bereits dem Fortschritt<br />

nach – das Waffensystem wird deshalb bereits<br />

schon Mitte der 1960er-Jahre von der<br />

Panzerhaubitze M109 ersetzt.<br />

Erste Modelle in der SBZ<br />

Lange bevor in der Bundesrepublik über <strong>die</strong><br />

<strong>Wie</strong>derbewaffnung und <strong>die</strong> Bundeswehr<br />

nachgedacht wird, wird in der <strong>DDR</strong> „Nägel<br />

mit Köpfen“ gemacht. Schon seit dem 1. Dezember<br />

1946 hat <strong>die</strong> russische Besatzungsmacht<br />

<strong>die</strong> Deutsche Grenzpolizei (DGP) auf-<br />

48


STARKES KALIBER: In ihrer Frühphase beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr 16<br />

Panzerhaubitzen vom Typ M55. Ihre Hauptbewaffnung besitzt das stattliche<br />

Kaliber von 202,3 Millimetern.<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Stahlkolosse<br />

stellen lassen. Der Spezialpolizei wird <strong>die</strong><br />

Überwachung und Sicherung der Demarkationslinie<br />

der Sowjetischen Besatzungszone<br />

(SBZ) übertragen. Lediglich <strong>die</strong> Grenzkontrollen<br />

werden weiterhin gemeinsam mit<br />

sowjetischen Soldaten durchgeführt. Kurz<br />

nach der Berliner Blockade verfügt <strong>die</strong> Sowjetische<br />

Militäradministration in Deutschland<br />

(SMAD) <strong>die</strong> Kasernierung der ersten Einheiten<br />

der Volkspolizei. Seit Juli 1948 bilden <strong>die</strong>se<br />

kasernierten Einheiten gemeinsam mit der<br />

DGP <strong>die</strong> Hauptabteilung Grenzpolizei und<br />

Bereitschaften (HA GP/B) in der <strong>DDR</strong>-Verwaltung<br />

des Innern. Hier liegt der Ursprung<br />

der späteren Nationalen Volksarmee (<strong>NVA</strong>),<br />

denn von Anfang an geht es bei der Konstruktion<br />

nicht allein um polizeiliche Aufgabenwahrnehmung,<br />

sondern um rein militärische<br />

Komponenten des Angriffs und der Verteidigung.<br />

Entsprechend ist <strong>die</strong> Ausstattung der<br />

neuen Einheiten mit schweren Waffen. Bis<br />

zum Februar 1950 entstehen 24 Infanterie-,<br />

acht Artillerie- und drei Panzer-Volkspolizei-<br />

Bereitschaften und eine Anzahl VP-Schulen.<br />

Der personellen Stärke nach entsprachen sie<br />

Regimentern, <strong>die</strong> teilweise zu Korps und Divisionen<br />

zusammengefasst wurden.<br />

URVATER: Der Aufbau der amerikanischen „Priest“ erinnert an <strong>die</strong> Kanzel eines Predigers.<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Material vom „Waffenbruder”<br />

Eines der Panzerfahrzeuge der ersten Stunde<br />

ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette (SFL) SU-76M. Sie<br />

wird bereits ab 1949 von der <strong>DDR</strong>-Führung<br />

beim „Großen Waffenbruder“ in größerer<br />

Menge gekauft. Bis 1953 sichern 209 <strong>die</strong>ser<br />

Selbstfahrlafetten <strong>die</strong> Demarkationslinie<br />

quer durch das geteilte Deutschland. Übergeben<br />

wurden <strong>die</strong> Selbstfahrlafetten SU-76M<br />

1949 an <strong>die</strong> Bereitschaften der Volkspolizei in<br />

Burg, Großenhain und Pinnow und an <strong>die</strong><br />

Schule der VP Priemerwalde.<br />

Als Fahrzeugbasis der SU-76M wird das<br />

um eine Laufrolle verlängerte Fahrgestell<br />

Clausewitz 6/2014<br />

49


Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

M109<br />

STAHLGIGANT: Die Schwere Panzerhaubitze M55 verfügt über eine<br />

hohe Schussweite.<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Gewicht<br />

Länge<br />

Breite<br />

Höhe<br />

Besatzung<br />

Motor<br />

23,5 t<br />

11,4 m<br />

3,18 m<br />

3,25 m<br />

6 Soldaten<br />

8-Zylinder-Diesel mit Roots-Gebläse<br />

und Turboaufladung, Detroit Diesel 8V71T<br />

9,3 l<br />

262 kW/356 PS<br />

56 km/h Straße<br />

350 km Straße<br />

1 x 155-mm-Kanone M26<br />

55 Spreng- und 16 Nebelgranaten/Haubitze<br />

Hubraum<br />

Leistung<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

Reichweite<br />

Hauptbewaffnung<br />

Munitionsvorrat<br />

Baujahr 1962–1994<br />

Stückzahl Bundeswehr 587<br />

Stückzahl gesamt circa 5.000<br />

des leichten sowjetischen Panzers T-70M<br />

verwendet. Ursprünglich besitzt <strong>die</strong> Selbstfahrlafette<br />

einen geschlossenen Kampfraum<br />

und zwei parallel angeordnete Motoren mit<br />

separaten Kupplungen und Getrieben. Mit<br />

dem Zusatz „M“ versieht man <strong>die</strong> verbesserte<br />

SFL mit einem offenen Kampfraum sowie<br />

zwei in Reihe geschalteten Motoren mit nur<br />

einer gemeinsamen Kupplung und einem<br />

Getriebe. Als Bewaffnung findet <strong>die</strong> kriegsbewährte<br />

76,2-mm-Kanone ZIS-3 L/41,5<br />

Verwendung. Die maximale Schussweite<br />

<strong>die</strong>ser Waffe liegt bei 8.600 m bei einer praktischen<br />

Feuergeschwindigkeit von 8 bis 15<br />

Granaten in der Minute.<br />

Experimentierphase<br />

Mit Gründung der <strong>NVA</strong> im Jahr 1956 übernimmt<br />

<strong>die</strong> Volksarmee <strong>die</strong> SU-76M, <strong>die</strong> unter<br />

anderem dann zur 6. und zur 11. Mot.-<br />

Schützendivision gehören. Einerseits verwendet<br />

<strong>die</strong> <strong>NVA</strong> <strong>die</strong>se Fahrzeuge als Ersatz<br />

für fehlende Panzer und für <strong>die</strong> Ausbildung.<br />

Andererseits erfüllen <strong>die</strong>se SFL ihre eigentliche<br />

Aufgabe in der Panzerabwehr. Ab 1957<br />

LEHROBJEKT: Die<br />

Fahrschulvariante<br />

der M109.<br />

Foto: Bundeswehr/<br />

<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

beginnt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> mit der Aussonderung. Lediglich<br />

16 Fahrzeuge nutzt <strong>die</strong> <strong>NVA</strong> weiter.<br />

Sie werden umgebaut und sind bis 1968 als<br />

„Gepanzerte Werkstatt 76“ bei der Truppe<br />

im Einsatz.<br />

Allein für <strong>die</strong> Panzerabwehr kommen <strong>die</strong><br />

nächsten beiden Selbstfahrlafetten der <strong>DDR</strong><br />

zum Einsatz. Es sind stählerne „Kriegsveteranen“,<br />

<strong>die</strong> schon <strong>die</strong> Panzer der Wehrmacht<br />

in den letzten beiden Kriegsjahren 1944/45<br />

das Fürchten lernen. Ihre flache Silhouette<br />

und ihre 85 bzw. 100 mm Kaliber der Kanonen<br />

machen sie auf dem damaligen Gefechtsfeld<br />

zu gefährlichen Gegnern der<br />

Kampfpanzer. Die Rede ist von der SFL SU-<br />

85 und der SU-100. Beide Modelle kommen<br />

in relativ geringer Stückzahl in der <strong>DDR</strong> und<br />

bei der <strong>NVA</strong> zum Einsatz. Erheblicher<br />

Nachteil der Konstruktion ist der geringe<br />

Seitenschwenkbereich der Kanone.<br />

US-Konstruktionen<br />

Zurück zur Bundeswehr: Eine weitere Panzerhaubitze<br />

aus der Frühphase der westdeutschen<br />

Armee ist <strong>die</strong> M44, <strong>die</strong> von 1958<br />

bis 1965 zum Einsatz kommt. Auch hierbei<br />

handelt es sich eine US-Konstruktion, <strong>die</strong> auf<br />

der Wanne des Spähpanzers M41 basiert.<br />

Die M44 kann eine Höhe von 0,76 Meter,<br />

Gräben von 1,83 Meter und Steigungen von<br />

bis zu 60 Prozent meistern. Bis zu 1,07 Metern<br />

Wassertiefe ist das Fahrwerk watfähig.<br />

Als Kampfraum <strong>die</strong>nt ein starr befestigter,<br />

nach oben offen gehaltener Stahlkasten, der<br />

mit Planen und Spriegeln (Bügel für das Verdeck)<br />

wetterfest verschlossen wird. Der Fah-<br />

PRÄSENTIERT: Artillerie-SFL 2S3M „Akazija“ einer Artillerieeinheit der Sowjetarmee während der Abschlussparade nach dem Manöver<br />

„Waffenbrüderschaft 80“, das auf dem Territorium der <strong>DDR</strong> im September 1980 durchgeführt wurde.<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

50


Importe statt Eigenentwicklungen<br />

FRÜHPHASE: M44 beim Übungsschießen<br />

auf dem Truppenübungsplatz.<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

rer sitzt, gegen Feindeinwirkung ungeschützt,<br />

vorne im Kampfraum. Die 155-mm-<br />

Haubitze kann von 5 Grad bis +65 Grad in<br />

der Höhe gerichtet werden, der seitliche<br />

Schwenkbereich liegt bei 30 Grad zu beiden<br />

Seiten. Im Heckbereich des Kampfraumes ist<br />

eine Ringlafette mit einem 12,7-mm-<br />

Browning-MG zur Abwehr im Nahbereich<br />

und von Luftangriffen montiert. Zur Verteidigung<br />

gegen durchgebrochene Panzer wird<br />

eine „Bazooka“ mitgeführt.<br />

Beeindruckendes Kaliber<br />

Die Panzerhaubitze M55 ist von der M52 abgeleitet,<br />

<strong>die</strong> unter Verwendung von Baugruppen<br />

des Kampfpanzers M47 von 1952<br />

bis 1953 produziert wird. Sie unterscheidet<br />

sich vom Basistyp in ihrer Bewaffnung: Statt<br />

des ursprünglichen 155-mm-Geschützes<br />

trägt <strong>die</strong> M55 eine Haubitze vom Kaliber<br />

202,3 mm. Im Geschützturm können zehn<br />

Schuss Munition mitgeführt werden, jedes<br />

Geschoss wiegt knapp 100 Kilogramm. Die<br />

Kadenz liegt bei einem Schuss pro Minute,<br />

<strong>die</strong> maximale Feuerreichweite bei 16,9 Kilometern.<br />

Der geschlossene und drehbare Geschützturm<br />

ist nur schwach gegen Splitterwirkung<br />

und Handwaffenfeuer gepanzert.<br />

Die Bundeswehr beschafft 1957 insgesamt 16<br />

Panzerhaubitzen M55. Zehn Jahre lang werden<br />

sie in den Divisionsartillerieverbänden<br />

eingesetzt, bevor sie 1967 an <strong>die</strong> NATO-Partner<br />

Türkei und Griechenland abgegeben<br />

werden.<br />

Das Fahrgestell <strong>die</strong>ser in den 1950er-Jahren<br />

in den USA entwickelten Feldhaubitze<br />

auf Selbstfahrlafette besteht aus verschweißten<br />

Stahlplatten mit einer Stärke von bis zu<br />

„Binnen eines Jahrzehnts reifte <strong>die</strong><br />

Panzerhaubitze zu einem effektiven und voll<br />

ausgereiften Waffensystem heran.“<br />

Oberstleutnant a. D. Alfred Rubbel, (1921–2013), Panzerkommandant und<br />

Lehrgruppenkommandeur an der Panzertruppenschule in Munster<br />

1,3 Zentimetern. Bis auf den gepanzerten<br />

Fahrersitz verfügt <strong>die</strong> M107 über keinen<br />

Schutz für <strong>die</strong> Besatzung. Für den Antrieb<br />

sorgt ein V8-Dieselmotor mit 405 PS vom<br />

Typ General Motors 8V71T. Das Kettenlaufwerk<br />

mit 46 cm breiten Gleisketten ist drehstabgefedert<br />

und hat einen Federsperrzylin-<br />

der. Der verhindert ein Einfedern und Springen<br />

des Geschützes bei der Schussabgabe.<br />

Die Be<strong>die</strong>nung des schweren Geschützes erfordert<br />

13 Soldaten, <strong>die</strong> pro Stunde bis zu 60<br />

Schuss mit einer maximalen Reichweite von<br />

32,7 Kilometern abfeuern können. Das Rohr<br />

der 175-mm-Kanone M113 hat eine Länge<br />

von 10,6 Metern. Den Rückstoß dämpft ein<br />

hydraulischer Rohrrücklauf, <strong>die</strong> verbleibende<br />

Rückstoßenergie wird durch einen hydraulisch<br />

absenkbaren Schild in den Boden<br />

abgeleitet. Der Schwenkbereich des Rohres<br />

umfasst 30 Grad zu jeder Seite, der Höhenrichtbereich<br />

reicht von –2 bis +60 Grad. Bei<br />

mobilen Einsätzen wird <strong>die</strong> Feldhaubitze<br />

von einem geländegängigen Lkw mit Munition<br />

und Personal begleitet, denn <strong>die</strong> M107<br />

verfügt lediglich über fünf Sitzplätze und<br />

Platz für zwei Granaten mit Treibladungen.<br />

Die Feldhaubitzen sind von 1964 bis 1980 im<br />

Dienst der Bundeswehr. 1985 werden sie<br />

umgerüstet zum Typ M110 A2 mit einem längeren<br />

Rohr im Kaliber 203 mm, außerdem<br />

mit einer Drehplattform mit Wetterschutz.<br />

ARTILLERIEFEUER: Batterie aus Selbstfahrlafetten der 122-mm-Haubitze 2S1 in einer Feuerstellung<br />

bereit zum Feuerschlag.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Clausewitz 6/2014<br />

51


Militär und Technik | Panzerhaubitzen<br />

STANDARD: 587 Panzerhaubitzen M109 beschafft<br />

<strong>die</strong> Bundeswehr zwischen 1964 und<br />

1972. Sie bleibt bis 2007 bei der Truppe.<br />

Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Damit sind sie auch für das Verschießen von<br />

taktischen Nukleargeschossen geeignet.<br />

Bei den ebenfalls seit 1964 beschafften 80<br />

Haubitzen vom Typ M110 sind Fahrgestell<br />

und Motor baugleich mit dem der M107. Davon<br />

abweichend ist sie von Beginn an mit einer<br />

Kanone im Kaliber von 8 Zoll bestückt.<br />

Da es für <strong>die</strong> Waffe der M110 zwei taktische<br />

Nukleargeschosse (W79 und W33) gibt, haben<br />

sie im Rahmen der NATO-Strategie eine<br />

besondere Bedeutung. Bis 1993 sind <strong>die</strong><br />

ebenso wie <strong>die</strong> M107 zwischenzeitlich zum<br />

Typ M110 A2 kampfwertgesteigerten Feldhaubitzen<br />

in der Nutzung der Bundeswehr.<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

152-mm-SFL-H 2S3M<br />

Gefechtsmasse<br />

27,5 t<br />

Länge<br />

7,76 m<br />

Breite<br />

3,25 m<br />

Höhe<br />

3,05 m<br />

Fahrzeugbasis<br />

SFL SU-100P<br />

Besatzung<br />

4 Soldaten<br />

Motor<br />

W-59 U, 12-Zylinder V, 4-Takt-Vielstoff<br />

Hubraum<br />

38,88 l<br />

Leistung 382 kW / 520<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

56,4 km/h<br />

Reichweite<br />

500 km Straße<br />

Hauptbewaffnung<br />

152-mm-2A33<br />

Feuergeschwindigkeit<br />

3 Schuss/min<br />

Kampfsatz im Fahrzeug<br />

46 Granaten<br />

Einsatzzeitraum <strong>DDR</strong> 1979–1989<br />

Stückzahl <strong>NVA</strong> 111<br />

Produktionszeitraum 1971–1991<br />

Stückzahl gesamt 2.012<br />

KRAFTAKT: Rohrreinigen<br />

bei einer Panzerhaubitze<br />

vom Typ<br />

SFL 2S3M. Es muss<br />

<strong>die</strong> gesamte Besatzung<br />

ran. Der vierte<br />

Mann hat dabei seinen<br />

Job im Turm.<br />

Foto: Sammlung<br />

Jörg-M. Hormann<br />

In der <strong>NVA</strong> wird seit 1976 <strong>die</strong> Panzerhaubitze<br />

2S1 „Gwosdika“ (Nelke) mit 122-mm-<br />

Hauptbewaffnung eingeführt. Ein großer<br />

Vorteil gegenüber ihren Vorgängern und<br />

Nachfolgern ist <strong>die</strong> Schwimmfähigkeit der<br />

Selbstfahrlafette, <strong>die</strong> sich mit immerhin 4,5<br />

km/h in Flüssen bewegen kann. Nachteilig<br />

ist, dass der Munitionsvorrat von 40 Granaten<br />

an Bord vor Schwimmeinsätzen um ein<br />

Viertel reduziert werden muss.<br />

Als sie in den 1970er-Jahren zum ersten<br />

Mal von westlichen Beobachtern gesichtet<br />

wird, ist aufgrund ihrer frappierenden Ähnlichkeit<br />

mit der amerikanischen Panzerhaubitze<br />

M109 schnell <strong>die</strong> Bezeichnung „Rote<br />

M109“ gefunden. Offiziell wird <strong>die</strong> 152-mm-<br />

SFL-Haubitze 2S3M im Westen zukünftig<br />

kurz als „Panzerhaubitze 152 mm“ bezeichnet,<br />

während <strong>die</strong> in den Warschauer-Pakt-<br />

Staaten den Beinnamen „Akazija“ (dt. Akazie)<br />

trägt. Eigentlicher Ursprung der „Akazie“<br />

ist <strong>die</strong> Selbstfahrlafette SU-100P von<br />

1949. Noch 1971 bildete <strong>die</strong>ses erfolgreiche<br />

Chassis <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong> SFL-Haubitze<br />

2S3M. Im neuen Drehturm sind <strong>die</strong> 152-mm-<br />

Haubitze 2A33 und ihre Munitions-Transporteinrichtung<br />

eingebaut. Auch in der letzten<br />

bei der <strong>NVA</strong> eingesetzten Panzerhaubitze<br />

besteht der Munitionskampfsatz aus<br />

Hohlladungsgranaten und Splitter-Sprenggranaten,<br />

<strong>die</strong> mit Kartuschen verschossen<br />

werden.<br />

Mehr Feuerkraft<br />

Die ersten 36 SFL Haubitzen 2S3 werden<br />

1979 von der Sowjetunion an <strong>die</strong> <strong>DDR</strong> geliefert<br />

und bei der 3. Artillerie-Abteilung des<br />

Artillerieregiments 7 in Frankenberg und<br />

beim Artillerieregiment 9 in Karpin in <strong>die</strong><br />

Truppe eingegliedert.<br />

BINNEN WENIGER SEKUNDEN: Nach dem Empfang der Schießbefehle<br />

erfolgt das Aufsitzen der Besatzungen einer „Akazie“ in Normzeit,<br />

<strong>die</strong> im Sommer neun Sekunden und im Winter elf Sekunden beträgt.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

52


Foto: Bundeswehr/<strong>Streitkräfte</strong>amt<br />

Mehrfache Kampfwertsteigerungen<br />

Die<br />

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NEU!<br />

IN AFGHANISTAN: Die Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr erlebt ihre Feuertaufe.<br />

Nach der „<strong>NVA</strong>-Lehrstruktur“ von 1983<br />

sind für <strong>die</strong> Mot.-Schützendivisionen zunächst<br />

keine Artillerie-Selbstfahrlafetten<br />

vorgesehen. Doch seit Mitte der 1980er-Jahre<br />

werden einige Abteilungen oder einzelne<br />

Batterien der Artillerieregimenter in den<br />

Schützendivisionen mit der 152-mm-Haubitze<br />

2S3M ausgerüstet. 1986 sind in der <strong>NVA</strong><br />

insgesamt 78 SFL-Haubitzen 152 mm vorhanden.<br />

Weitere 33 kommen bis 1988 hinzu.<br />

Bei der Bundeswehr wird bis in <strong>die</strong> späten<br />

1980er-Jahre hinein <strong>die</strong> Panzerhaubitze<br />

vom Typ M109 in großer Zahl eingesetzt. Bis<br />

1972 beschafft <strong>die</strong> Bundeswehr insgesamt<br />

fast 600 amerikanische Panzerhaubitzen<br />

M109 und lässt sie bei der Firma Rheinmetall<br />

entsprechend den deutschen Vorstellungen<br />

anpassen. Unter anderem werden das deutsche<br />

Rundblickfernrohr, ein Panzerzielfernrohr<br />

und ein Selbstschutzsystem nachgerüstet.<br />

Wesentlichen Änderungen wird <strong>die</strong> Waffenanlage<br />

unterzogen: Sie erhält ein neues<br />

Rohr mit neuem Rauchabsauger, neuer<br />

Mündungsbremse und neuem Flachkeilverschluss.<br />

Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Schussweite<br />

auf 18.500 Meter. Für den Geschützführer<br />

wird <strong>die</strong> Periskop-Kuppel vom Mannschaftstransportwagen<br />

M113 übernommen.<br />

Als Nahbereichswaffe <strong>die</strong>nt ein 7,62-mm-<br />

MG3. In <strong>die</strong>ser modifizierten Variante tragen<br />

<strong>die</strong> deutschen Panzerhaubitzen <strong>die</strong> Bezeichnung<br />

M109 G.<br />

Die deutschen M109 G werden Anfang<br />

der 1980er-Jahre in ihrer Leistung gesteigert<br />

und auf den Stand der amerikanischen M109<br />

A3 hochgerüstet. Dazu wird als Hauptbewaffnung<br />

<strong>die</strong> Feldhaubitze FH 155-1 verwendet,<br />

ein besseres Feuerleitsystem eingebaut<br />

und <strong>die</strong> mitgeführte Munition von 28<br />

auf 34 Schuss gesteigert. Zudem kann <strong>die</strong><br />

neue M109 durch eine autonome Richt- und<br />

Orientierungsausstattung für <strong>die</strong> Rohrartillerie<br />

(kurz AURORA) ihre Position selbst bestimmen<br />

– <strong>die</strong> Hilfe externer Vermessungshilfen<br />

ist nicht mehr nötig. Die technisch aktualisierte<br />

Variante kommt als M109 A3 GA1<br />

zur Truppe. Ihre maximale Schussweite beträgt<br />

nun 24.700 Meter.<br />

Nach der <strong>Wie</strong>dervereinigung im Jahr<br />

1990 werden <strong>die</strong> Panzerhaubitzen der ehemaligen<br />

<strong>NVA</strong> außer Dienst gestellt. Standardwaffensystem<br />

des deutschen Heeres ist<br />

nun <strong>die</strong> M109, von der 262 Einheiten ab 2000<br />

einer Nutzungsdauerverlängerung unterzogen<br />

werden. Sie tragen fortan <strong>die</strong> Bezeichnung<br />

M109 A3 GE A2. Diese Fahrzeuge bleiben<br />

bis Mai 2007 im Dienst. Der 1998 begonnene<br />

Prozess des Austausches der M109<br />

„Durch <strong>die</strong> halbautomatische Munitionstransporteinrichtung<br />

kann der mitgeführte Kampfsatz<br />

von 46 Granaten in 20 Minuten verschossen werden.“<br />

Aus: Nationale Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik,<br />

Vorschrift ST 326/4/025 152-mm-SFL-Haubitze 2S3<br />

gegen <strong>die</strong> Panzerhaubitze 2000 ist zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt vollzogen. 185 Einheiten liefern<br />

<strong>die</strong> beiden Hersteller Krauss-Maffei Wegmann<br />

und Rheinmetall an <strong>die</strong> Bundeswehr.<br />

Einsatzzweck der PzH 2000 ist <strong>die</strong> Feuerunterstützung<br />

der eigenen Kampftruppen und<br />

der Kampf mit Feuer in der Tiefe gegen<br />

Hochwertziele. Im Auslandseinsatz in Afghanistan<br />

stellt sie seit Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

ihre militärische Leistungsfähigkeit<br />

unter Beweis.<br />

Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Verantwortlicher Redakteur<br />

von SCHIFF CLASSIC und Sachbuchautor mit Schwerpunkten<br />

bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte<br />

mit über 40 Buchveröffentlichungen.<br />

Ulf Kaack, Jg. 1964, ist Verantwortlicher Redakteur<br />

von TRAKTOR CLASSIC sowie Verfasser zahlreicher<br />

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Clausewitz 6/2014<br />

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Militär und Technik | Wikingerschiff<br />

FAKTEN<br />

Das Wikingerschiff<br />

Bauzeit: Etwa ein halbes Jahr<br />

Länge: 20–30 m<br />

Breite: 3–5 m<br />

Tiefgang: etwa 1 m<br />

Besatzung: 40–80 Mann<br />

Geschwindigkeit: 3–4 Knoten<br />

(5–7 km/h) beim Rudern und<br />

10–11 Knoten (18–20 km/h)<br />

unter Segeln<br />

(alle Angaben im Durchschnitt)<br />

MÖRDERISCHES ZEITALTER: König Alfreds<br />

Flotte im Kampf mit wikingischen Langschiffen<br />

im Jahr 897. Die Nordmänner terrorisieren mehrere<br />

Jahrhunderte lang große Teile Europas mit<br />

ihren Drachenschiffen. Abb.: picture-alliance/HIP<br />

54


Die Schiffe der Wikinger<br />

Herrscher<br />

der Meere<br />

Die Natur Skandinaviens mit ihren langen<br />

Küsten lässt es sinnvoll erscheinen,<br />

dass sich <strong>die</strong> dortigen Bewohner<br />

seit frühesten Zeiten mit dem Bau von Wasserfahrzeugen<br />

und der Seefahrt beschäftigen.<br />

Dies belegen bereits zahlreiche bronzezeitliche<br />

Schiffsdarstellungen. Bis in <strong>die</strong> ersten<br />

nachchristlichen Jahrhunderte finden ausschließlich<br />

Ruderschiffe Verwendung, und<br />

möglicherweise seit dem 5. Jahrhundert<br />

kommt es allmählich zur Einführung des Segels.<br />

Bei den aus dem frühen 4. Jahrhundert<br />

stammenden Originalfunden von Nydam<br />

(Schleswig) handelt es sich zwar noch um<br />

Ruderschiffe, <strong>die</strong>se weisen aber bereits einige<br />

Konstruktionsmerkmale der späteren Wikingerschiffe<br />

auf.<br />

800–1100: Die Schiffe der<br />

Wikinger gehören zu den<br />

am besten konstruierten<br />

Seefahrzeugen ihrer Zeit<br />

und bilden <strong>die</strong> Basis für<br />

eine neue Form der amphibischen<br />

Kriegführung.<br />

Damit werden <strong>die</strong> Wikinger<br />

zum Schrecken<br />

Europas. Von Otto Schertler<br />

Maritime Hochtechnologie<br />

Zu Beginn des 8. Jahrhunderts ist <strong>die</strong> skandinavische<br />

Schiffsbautechnik voll entwickelt,<br />

und <strong>die</strong>s ermöglicht den Wikingern ihre<br />

weiten Kriegs-, Handels- und Entdeckungsreisen,<br />

<strong>die</strong> sie bis in das Mittelmeer,<br />

das Schwarze Meer und über den<br />

Nordatlantik nach Island, Grönland und<br />

schließlich sogar nach Amerika führen.<br />

Die Wikingerschiffe vereinen in sich<br />

mehrere Eigenschaften, so dass sie sich<br />

als perfekte Kriegsfahrzeuge eignen.<br />

Durch ihre schlanke und elastische Bauweise<br />

verringert sich der zu überwindende<br />

Widerstand des Wassers, doch sind sie<br />

gleichzeitig breit genug und stabil, auch gegen<br />

den Wind, segeln zu können. Ihr geringes<br />

Gewicht ermöglicht das Fortbewegen<br />

auf Rollen, um an Land Hindernisse zu umgehen,<br />

während der geringe Tiefgang <strong>die</strong><br />

problemlose Anlandung an flachen Stränden<br />

sowie das Befahren seichter Gewässer erlaubt.<br />

Die heutigen Kenntnisse über <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />

der Schiffe der Wikinger beruhen<br />

in erster Linie auf Originalfunden aus<br />

berühmten Schiffsgräbern, darunter <strong>die</strong> von<br />

Oseberg, Gokstad (beide Norwegen) oder<br />

Ladby (Dänemark). Diese werden durch Darstellungen<br />

auf skandinavischen Bildsteinen,<br />

Münzen oder dem Teppich von Bayeux sowie<br />

durch Beschreibungen in den nordischen<br />

Sagas ergänzt. Dadurch entsteht ein ziemlich<br />

genaues Bild der wikingischen Schiffsbauund<br />

Seefahrtskunst. Zusätzlich ermöglichen<br />

auch moderne Rekonstruktionen und Erprobungen<br />

ein tiefer gehendes Verständnis der<br />

praktischen Handhabung und Leistungsfähigkeit<br />

von Wikingerschiffen.<br />

Der Bau eines Langschiffes<br />

Der Bau eines Schiffes ist ein komplizierter<br />

Vorgang, der umfangreiche Vorbereitungen,<br />

Erfahrungen und Kenntnisse verschiedenster<br />

Art voraussetzt, <strong>die</strong> von einer Generation<br />

von Schiffsbaumeistern an <strong>die</strong> nächste weitergeben<br />

werden. Die Wikingerschiffe scheinen<br />

nicht alle in besonderen Werften gebaut<br />

zu werden, doch gibt es mit Sicherheit Zentren<br />

des Schiffsbaus, in denen <strong>die</strong>se hohe<br />

Kunst verstärkt gepflegt wird. Die Bauzeit<br />

eines Schiffes beträgt ungefähr ein halbes<br />

DIE ERSTEN EUROPÄER IN DER „NEUEN WELT“: Gut 500 Jahre vor Kolumbus entdecken<br />

<strong>die</strong> Wikinger – dank ihrer leistungsfähigen Schiffe – Amerika. Dieser Nordmann (ohne Rüstung,<br />

bewaffnet mit Schild, Speer und Schwert) trifft auf einen Ureinwohner (mit Bogen und<br />

Kriegskeule bewaffnet).<br />

Abb.: Johnny Shumate<br />

Clausewitz 6/2014<br />

55


Militär und Technik | Wikingerschiff<br />

Jahr und fällt üblicherweise in <strong>die</strong> Winterzeit.<br />

Zunächst benötigt man große Mengen<br />

Holz, meist Eiche, aber auch Kiefer, Esche,<br />

Birke, Erle oder Linde finden Verwendung,<br />

wobei der Kiel immer aus Eiche besteht. Das<br />

Holz muss genau festgelegten Anforderungen<br />

genügen, allein für <strong>die</strong> Planken benötigt<br />

man Stämme von über einem Meter Dicke,<br />

<strong>die</strong> möglichst wenige Verwachsungen aufweisen<br />

sollen. Für <strong>die</strong> gekrümmten Teile wie<br />

Spanten oder Bug hingegen verwendet man<br />

bereits natürlich vorgebogene Hölzer.<br />

Tödliche Kunstwerke<br />

Aus den Stämmen werden <strong>die</strong> Planken<br />

strahlenförmig heraus gespalten, wodurch<br />

sich eine große Stärke der Planken ergibt, da<br />

sie der Maserung des Holzes folgen. Gleichzeitig<br />

findet durch den Trocknungsvorgang<br />

keinerlei Schrumpfen oder Verziehen statt.<br />

Die zum Bau benötigten Werkzeuge umfassen<br />

eine Vielzahl von Geräten, wie Äxte, Beile,<br />

Dechsel, Hobel, Hämmer und Keile – <strong>die</strong><br />

Säge findet keine Verwendung beim Schiffsbau.<br />

Die Konstruktionsmethode besteht in<br />

der sogenannten „Außenhaut-Bauweise“,<br />

bei der zuerst Kiel und Steven gelegt wer-<br />

„Denn welcher Feind getraute sich in <strong>die</strong> Augen <strong>die</strong>ser in den Bug<br />

gekerbten Darstellungen zu blicken – jene erschreckenden goldenen<br />

Löwen, jene Figuren aus Metall mit drohenden vergoldeten Mäulern,<br />

jene Drachen aus purem glänzenden Gold, jene drohenden Stiere, <strong>die</strong><br />

mit ihren goldenen Hörnern Tod und Zerstörung ankündigten […].“<br />

Fränkische Chronik<br />

den, und dann einzeln <strong>die</strong> seitliche Beplankung<br />

aufgebaut wird. Die Spanten setzt man<br />

erst später ein. Beplankt wird in der Klinkerbauweise,<br />

bei der sich <strong>die</strong> einzelnen Planken<br />

jeweils von oben nach unten überlappen und<br />

<strong>die</strong> dann durch zahlreiche Eisennieten miteinander<br />

verbunden werden. Gegen das Eindringen<br />

von Wasser <strong>die</strong>nen das Einfügen<br />

teergetränkter Seile sowie ein zusätzliches<br />

Teeren des Rumpfes. Der etwa zehn Meter<br />

hohe Mast wird in einem mittschiffs liegenden<br />

Block, dem Mastfisch, befestigt. Dieser<br />

verfügt über eine Nut, in <strong>die</strong> der Mast geschoben,<br />

anschließend aufgerichtet und mit<br />

einem schweren Holzblock, dem Mastschloss,<br />

verriegelt wird. Der Mast trägt ein<br />

rechteckiges aus Wollstoff oder Segeltuch bestehendes<br />

Rahsegel. Die Wikinger lieben es<br />

auch, ihre Schiffe zu verzieren. Neben den<br />

geschnitzten Steven, <strong>die</strong> in Gestalt von<br />

Schlangen-, Drachen-, Wisent- oder Köpfen<br />

anderer Tiere gearbeitet sind, wird oft auch<br />

der Schiffsrumpf oberhalb der Wasserlinie<br />

durch mehrfarbige Streifen bemalt. Die Segel<br />

sind ebenfalls häufig zweifarbig gestreift<br />

oder mit Rautenmuster verziert und bei den<br />

prächtigsten Schiffen mit aufgenähten Bildern<br />

von mythischen Wesen versehen.<br />

Unterschiedliche Schiffsklassen<br />

Grundsätzlich unterscheiden <strong>die</strong> Wikinger<br />

zwischen Kriegs- und Handelsschiffen. Letztere<br />

werden als „knorre“ bezeichnet, sie sind<br />

von eher bauchiger Form, haben höhere<br />

HINTERGRUND<br />

In der militärischen Ausrüstung der Wikinger<br />

spiegeln sich unterschiedliche Einflüsse aus<br />

der germanisch-keltischen, der spätantik-byzantinischen,<br />

der orientalischen und der Welt<br />

der zentralasiatischen Steppenvölker wider.<br />

Die wichtigste Schutzwaffe bildet der große,<br />

mit einem eisernen Schildbuckel versehene<br />

Rundschild aus Holz, der zusätzlich mit Leder<br />

überzogen und auch bemalt ist. Wertvollere<br />

Schutzwaffen wie Panzer und Helme bleiben<br />

Mit Schild und Axt – Bewaffnung der Wikinger<br />

zunächst nur den Wohlhabenden vorbehalten,<br />

doch aufgrund der Unmengen an wertvoller<br />

Beute können sich im Lauf der Zeit immer<br />

mehr Krieger eine gute Schutzausrüstung<br />

leisten. Weit verbreitet ist daher das Kettenhemd,<br />

doch auch östliche Lamellenpanzer<br />

oder solche aus gestepptem, nicht-metallischen<br />

Material finden bei den wikingischen<br />

Kriegern Verwendung. Der eiserne Helm basiert<br />

auf der Form spätantiker oder östlicher<br />

Spangenhelme und ist meist schon aus einem<br />

Stück Eisen geschlagen, wobei er mit einem<br />

Nasal oder gelegentlich auch einer Art<br />

„Schutzbrille“ für den Bereich um <strong>die</strong> Augen<br />

versehen ist. Die in Filmen oder anderen bildlichen<br />

Darstellungen<br />

oft gezeigten Helme<br />

mit Hörneroder<br />

Flügelschmuck,<br />

<strong>die</strong> geradezu als typisch für Wikingerhelme<br />

gelten, sind allerdings reine Phantasie,<br />

<strong>die</strong> auf romantische Vorstellungen des<br />

19. Jahrhunderts (aufgrund falsch interpretierter<br />

archäologischer Funde) zurückzuführen<br />

ist. Die Angriffswaffen umfassen Äxte unterschiedlichen<br />

Typs, Lanzen, Wurfspeere, Bögen<br />

und natürlich das Schwert. Neben dem<br />

einfachen, einschneidigen Kurzschwert (sax)<br />

ist <strong>die</strong>s vor allem das etwa 90 Zentimeter<br />

lange Schwert mit gekehlter zweischneidiger<br />

Klinge, dessen Form den spätantik-frühmittelalterlichen<br />

Vorbildern der Zeit der Völkerwanderung<br />

folgt. Die wertvollen Klingen bestehen<br />

aus damasziertem Stahl und stellen<br />

Importe aus dem fränkischen Rheinland dar,<br />

während <strong>die</strong> Griffe meist von nordischen<br />

Handwerkern gefertigt sind.<br />

Dem Schwert erweisen<br />

<strong>die</strong> Wikinger eine magisch-religiöse<br />

Verehrung,<br />

was nicht zuletzt<br />

auch in den klingenden Namen<br />

der Waffen wie beispielsweise „Brynjubitr“<br />

(in etwa „Panzerbrecher“) deutlich wird.<br />

GEFÄHRLICHE KRIEGER: Die meisten Wikinger <strong>waren</strong> nur leicht<br />

bewaffnet. Rüstungen und Kettenhemden sind kostspielig und zu<br />

Zeiten der großen Raubzüge wenig verbreitet. Die Masse der<br />

Männer vertraut auf den runden Schild. Die Axt ist vermutlich<br />

verbreiteter als das teure Schwert. Der junge Krieger links trägt<br />

eine Nasalhelm, der alte Krieger rechts eine lange, beidhändig zu<br />

führende Waffe. Das Schwert zeichnet ihn als wohlhabenden Wikinger<br />

aus. Zeichnung: A. Lunyakov, historische Recherche: A. Querengässer


Die Gefahr aus dem Norden<br />

FAKTEN<br />

Kriegszüge der Wikingerzeit<br />

SKANDINAVISCHES SPITZENPRODUKT:<br />

Wikingerschiffe sind eine technische Meisterleistung.<br />

Leif Eriksson gelingt es sogar,<br />

bis nach Amerika zu kommen. Unsere Rekonstruktionsgrafik<br />

zeigt ein ankerndes<br />

Schiff in einem Fjord.<br />

Abb.: picture alliance/<strong>die</strong>Kleinert.de<br />

Bordwände und verfügen zur Ausnutzung<br />

der Ladekapazität meist nur über Segel. Die<br />

Kriegsschiffe hingegen sind länger, schlanker<br />

und haben eine geringere Wasserverdrängung,<br />

wodurch sie erheblich schneller<br />

sind. Neuere Versuche und Berechnungen<br />

haben erstaunliche Reisegeschwindigkeiten<br />

für ein unter Segeln stehendes Wikingerschiff<br />

ergeben: So benötigt man für <strong>die</strong> Reise<br />

vom norwegischen Bergen nach<br />

Neufundland 28 Tage,<br />

von Nordirland<br />

nach Island sechs<br />

Tage oder von Dänemark<br />

nach England<br />

sogar nur drei Tage. Die<br />

Kriegsschiffe werden durch <strong>die</strong><br />

Bezeichnung Langschiffe von den Handelsschiffen<br />

unterschieden, und sie gliedern<br />

sich den Sagas zufolge in drei Klassen:<br />

snekkja (etwa „schlank“), skeid (etwa<br />

„schnittig durch das Wasser“) und<br />

drakar (Drache). Demnach bildet <strong>die</strong><br />

snekkja <strong>die</strong> leichteste, <strong>die</strong> skeid <strong>die</strong> mittelschwere<br />

und der drakar <strong>die</strong> schwerste<br />

Klasse, wobei <strong>die</strong> Übergänge fließend<br />

sind. Die Größeneinteilung der Schiffe<br />

wird nach der Anzahl der Ruderplätze<br />

(sessa), beziehungsweise der Anzahl<br />

793 Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne. Beginn der Wikingerzeit<br />

807 Wikingische Angriffe auf Irland<br />

834–837 Jährliche Überfälle auf Dorestad am Niederrhein<br />

843 Plünderung von Nantes<br />

845 Plünderung Hamburgs<br />

859–862 Wikinger im Mittelmeer<br />

865 Das „große Heer“ fällt in England ein<br />

881 Wikinger im Rheinland und in Lothringen. Zerstörung der Pfalz von Aachen.<br />

Angriffe auf zahlreiche Städte wie Köln, Worms und Metz<br />

885/886 Belagerung von Paris<br />

1014 Schlacht bei Clontarf. Beginn des Niedergangs der Wikingerherrschaft in Irland<br />

1066 Schlachten bei Stamford Bridge und Hastings: Die Normannen erobern England<br />

1135 Slawische Piraten überfallen Kungahälla in Schweden. Ende der Wikingerzeit<br />

BESEELT: Die Schiffe stellen in der<br />

Gedankenwelt der Wikinger<br />

lebendige Wesen dar, in denen sich<br />

mythologisch-religiöse Vorstellungen<br />

widerspiegeln. Dieser Steven<br />

stammt vom sogenannten Osebergschiff<br />

in Norwegen (9. Jhd.).<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

der Freiräume zwischen den einzelnen Spanten<br />

vorgenommen. So ist ein 13-Bänker das<br />

kleinste Schiff, das nach Anzahl der Bänke<br />

eingeteilt werden kann und demnach insgesamt<br />

über 26 Ruder verfügt. Die Standardschiffe<br />

für den Kriegseinsatz sind 20- oder<br />

25-Bänker, es gibt aber auch einige 30-Bänker<br />

und sogar vereinzelt noch größere Fahrzeuge.<br />

Eines der größten Wikingerschiffe ist <strong>die</strong><br />

„Große Schlange“ des norwegischen Königs<br />

Olav Tryggvasson, ein 34-Bänker.<br />

Die Schiffe verfügen allerdings über keine<br />

speziellen Ruderbänke, deshalb sitzen<br />

<strong>die</strong> Männer entweder auf den<br />

Querbalken der Spanten oder auf ihren<br />

ledernen Seesäcken. Da <strong>die</strong> Krieger<br />

ihre Schiffe selbst rudern, entspricht <strong>die</strong><br />

Anzahl der Ruder auf überseeischen Kriegszügen<br />

ungefähr der Stärke der kampffähigen<br />

Mannschaft, wobei noch mindestens der<br />

Steuermann und der Schiffsführer hinzuzurechnen<br />

sind. Im Falle größerer Schlachten<br />

werden weitere Krieger an Bord genommen,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Ruderer mit ihren Schilden vor den<br />

feindlichen Geschossen schützen, so dass<br />

sich gut 100 Krieger an Bord eines Schiffes<br />

befinden können.<br />

Magische Kräfte<br />

Neben ihrer rein praktischen Funktion haben<br />

<strong>die</strong> Schiffe für <strong>die</strong> Wikinger auch eine religiös-mythischen<br />

Dimension. Diese wird in<br />

der bildlichen Gestaltung der Vorder- und<br />

Achtersteven deutlich. So zeigt der Vordersteven<br />

des Osebergschiffes einen eingerollten<br />

Schlangenkopf, während der Achtersteven<br />

in einen stilisierten eingerollten Schlangenschwanz<br />

ausläuft. Das gesamte Schiff ist<br />

somit als hölzerne Verkörperung einer<br />

Schlange gedacht, und <strong>die</strong>s stellt einen offensichtlichen<br />

Bezug zu der im Weltmeer liegenden<br />

Midgardschlange her, <strong>die</strong> in der<br />

Clausewitz 6/2014<br />

57


Militär und Technik | Wikingerschiff<br />

BEDROHLICH: Drachenschiffe tauchen am Horizont auf. Die schnellen und leichten Schiffe<br />

sind perfekt für eine neue Art der maritimen Kriegführung: blitzartige Überfälle an den Küsten<br />

und schnelle Vorstöße in das Hinterland über <strong>die</strong> Flüsse. Allerdings dürfen <strong>die</strong> Wikinger<br />

nicht auf mittelalterliche Piraten reduziert werden: Sie <strong>waren</strong> auch Eroberer, Entdecker,<br />

Händler und geschickte Seefahrer.<br />

Abb.: picture alliance/<strong>die</strong>Kleinert.de<br />

nordischen Mythologie eine wichtige Rolle<br />

spielt. Den Köpfen der Vordersteven wohnt<br />

wikingischer Vorstellung zufolge magische<br />

Kraft inne, <strong>die</strong> Unheil abwehrt und <strong>die</strong> Feinde<br />

in Schrecken versetzt. Einem isländischen<br />

Gesetz zufolge müssen <strong>die</strong> <strong>die</strong> Insel anlaufenden<br />

Schiffe ihre Figuren abnehmen, da<br />

<strong>die</strong>se <strong>die</strong> guten Geister vertreiben könnten.<br />

Derartige Vorstellungen finden auch in der<br />

Namensgebung der Schiffe ihren Niederschlag,<br />

wie es sich bei der „Großen Schlange“<br />

des Schiffes des norwegischen Königs<br />

Olav Tryggvassons zeigt. Auch im Totenkult<br />

spielt das Schiff eine große Rolle, wie es an<br />

den Schiffsbestattungen zu erkennen ist. Solche<br />

aufwendigen Grabanlagen bleiben aber<br />

nur den reichsten Herrschern vorbehalten,<br />

<strong>die</strong> einfacheren Mitglieder der Gesellschaft<br />

müssen sich bei ihren Gräbern mit Steinsetzungen<br />

in Schiffsform begnügen. Der geringe<br />

Tiefgang, <strong>die</strong> Wendigkeit und Schnelligkeit<br />

ihrer Schiffe ermöglichen den Wikingern<br />

eine bis dahin unbekannte Art der amphibischen<br />

Kriegführung. Überraschende Anlandungen<br />

an fremden Küsten, blitzartig durchgeführte<br />

Überfälle und ebenso schnelles Verschwinden<br />

über das Meer bilden ein<br />

Kennzeichen der wikingischen Kampftaktik.<br />

Ein neuartiges Konzept<br />

Daneben stoßen <strong>die</strong> Wikinger mit ihren<br />

Schiffen auf Flüssen tief in das Landesinnere<br />

vor und erscheinen auch unvermutet an Orten,<br />

<strong>die</strong> weitab von der Küste liegen. Die angegriffenen<br />

Siedlungen und Klöster sind völlig<br />

überrumpelt, und da zu <strong>die</strong>ser Zeit keine<br />

stehenden Heere existieren, dauert es einige<br />

Zeit bis ein Kriegsaufgebot zu Hilfe kommt.<br />

Bis dahin sind <strong>die</strong> Nordmänner jedoch<br />

längst auf ihren Schiffen über das Meer oder<br />

den Fluss verschwunden. Da ihre Gegner,<br />

wie <strong>die</strong> Franken, meist nicht über entsprechende<br />

Wasserfahrzeuge verfügen, können<br />

sie auch über eine längere Zeitspanne hinweg<br />

ungestört auf Flussinseln lagern. Oft befestigen<br />

<strong>die</strong> Wikinger <strong>die</strong> landwärts gerichteten<br />

Seiten ihrer Lager mit einem Erdwall und<br />

einer Palisade, so dass nur der Zugang über<br />

Wasser freibleibt. Werden Flüsse durch eine<br />

HINTERGRUND<br />

Die wohl berühmteste Seeschlacht der Wikingerzeit<br />

ist <strong>die</strong> im Jahr 1000 zwischen den<br />

Flotten des norwegischen Königs Olav<br />

Tryggvasson und einer Koalition aus Dänen,<br />

Schweden sowie dem abtrünnigen norwegischen<br />

Jarl (Fürst) Erik bei Svolder in der Ostsee.<br />

Das in der „Heimskringla“ des isländischen<br />

Historikers Snorri Sturluson beschriebene<br />

Ereignis zeigt sehr deutlich den Ablauf<br />

einer großen wikingischen Seeschlacht. Der<br />

sich in der Mitte der Schlachtreihe auf seiner<br />

„Großen Schlange“ befindliche König Olav<br />

Tryggvasson lässt zunächst alle seine nebeneinander<br />

liegenden Schiffe miteinander vertäuen,<br />

so dass sie einen einzigen Block bilden,<br />

und geht so zum Angriff über. Zunächst<br />

behalten <strong>die</strong> Norweger wegen der größeren<br />

Bordhöhe ihres mächtigen Flaggschiffes<br />

noch <strong>die</strong> Oberhand. Doch Jarl Erik gelingt es,<br />

mit seinen Männern an einer der Flanken Fuß<br />

zu fassen, indem sie eines der Schiffe<br />

Tryggvassons einnehmen können. Von dort<br />

Die Seeschlacht von Svolder<br />

aus kämpfen sie sich Schiff für Schiff auf das<br />

Königsschiff vor, bis sie <strong>die</strong>ses nach hartem<br />

Kampf schließlich erreichen: „Da kam „Ormen<br />

lange“ (Die Große Schlange) zum Nahkampf,<br />

<strong>die</strong> Pfeile schwirrten und schon barst<br />

das Schanzwerk, <strong>die</strong> großen Schilde hielten<br />

stand.“ Auch hier tobt der Nahkampf einige<br />

Zeit mit größter Härte, doch nach und nach<br />

müssen sich <strong>die</strong> verbliebenen Männer Olavs<br />

Schritt für Schritt nach Achtern zurückziehen,<br />

wo sie sich um ihren Herrn scharen. Nachdem<br />

seine Gefolgschaft gefallen ist, springt<br />

König Olav in voller Rüstung über Bord und<br />

versinkt im Meer.<br />

DRACHE GEGEN DRACHE:<br />

Bei Svolder (Svold) wird<br />

<strong>die</strong> „große Schlange“<br />

König Tryggvassons von<br />

einer dänisch-schwedischen<br />

Koalition (sowie<br />

abtrünnigen Norwegern)<br />

besiegt. Die Wikinger<br />

kennen allerdings keine<br />

<strong>wirklich</strong>en Seekriegstaktiken<br />

und kämpfen<br />

Landschlachten zur See.<br />

Abb.: picture alliance/Mary Evans<br />

Picture Library<br />

58


Kein Konzept der Kriegführung zur See<br />

nicht einnehmbare Festungsanlage gesperrt,<br />

wie <strong>die</strong>s beispielsweise 886 bei der Belagerung<br />

von Paris der Fall ist, ziehen <strong>die</strong> Nordmänner<br />

ihre Schiffe einfach an <strong>die</strong>sem Hindernis<br />

vorbei, um sie weiter flussaufwärts<br />

erneut zu Wasser zu lassen. Neben <strong>die</strong>ser<br />

amphibischen Kleinkriegstaktik ziehen <strong>die</strong><br />

mächtigen Seekönige auch große Flotten zusammen<br />

<strong>die</strong> mehrere hundert Schiffe und<br />

tausende von Kriegern umfassen.<br />

KLASSIKER: Der Film<br />

„Die Wikinger“ besticht<br />

nicht nur durch sein Staraufgebot<br />

(u.a. Kirk Douglas<br />

und Tony Curtis), sondern<br />

auch durch gut rekonstruierte<br />

Langschiffe.<br />

Außerdem ist er einer der wenigen Filme,<br />

in denen <strong>die</strong> Wikinger keine Hörner an ihren<br />

Helmen tragen…<br />

Abb.: picture alliance<br />

Landschlachten zur See<br />

Doch bei allem seefahrerischen Können ist<br />

den Wikingern das Konzept einer „echten“<br />

Seeschlacht, bei der sich Schiffe bekämpfen,<br />

fremd. Die wikingischen Langschiffe sind<br />

nicht mit Katapulten bewaffnet, und sie verfügen<br />

auch über keinen Rammsporn, der das<br />

Versenken eines feindlichen Fahrzeugs ermöglichen<br />

würde. Das gezielte „Abscheren“<br />

der feindlichen Ruder durch den eigenen<br />

Bug wird zwar durchgeführt, allerdings<br />

nicht als spezielle Seekriegstaktik. Vielmehr<br />

handelt es sich bei den wikingischen Seeschlachten<br />

streng genommen um eine auf<br />

See verlegte Landschlacht, bei der <strong>die</strong> Schiffe<br />

nur <strong>die</strong> tragende Basis für <strong>die</strong> Kämpfer<br />

bilden. Die Auseinandersetzungen finden<br />

auch nicht auf Hochsee statt, sondern in<br />

Buchten und in Küstennähe. Vor Beginn der<br />

Schlacht legt man den Mast nieder und bewegt<br />

das Schiff nur durch Rudern auf das<br />

gegnerische Fahrzeug zu. Hat man das<br />

feindliche Schiff erreicht, besteht <strong>die</strong> grundlegende<br />

Taktik darin, mit einem Hagel von<br />

Literatur und TV<br />

Keith Durham:The Viking Longship,<br />

Osprey 2002.<br />

Peter Pentz (Hrsg.): Die Wikinger, München<br />

2014. (Katalog der aktuellen Wikingerausstellung<br />

in Berlin)<br />

Die Wikinger, Spielfilm von 1958.<br />

(Gute Darstellung von Wikingerschiffen.)<br />

Das Rätsel der Wikingerschiffe,<br />

ZDF – Dokumentation, 2008.<br />

Wurfgeschossen und Pfeilen den Kampf einzuläuten<br />

und darauf das Entern und den<br />

Nahkampf folgen zu lassen.<br />

Starre Seeschlachten<br />

Bei größeren Schlachten stellen sich <strong>die</strong> Schiffe<br />

beider Flotten in Linie nebeneinander auf,<br />

wobei sich <strong>die</strong> größten Schiffe, einschließlich<br />

dem des Königs, in der Mitte der Formation<br />

befinden. Oft werden <strong>die</strong>se zusätzlich miteinander<br />

vertäut. Dies macht eine solche Formation<br />

zwar ziemlich unbeweglich, doch<br />

auch schwer angreifbar. Gleichzeitig ermöglicht<br />

es das leichte Verschieben von Kriegern<br />

an besonders gefährdete Stellen. Hochbordige<br />

Handelsschiffe sichern <strong>die</strong> Flanken, da sie<br />

nicht so leicht zu entern sind. Daneben operieren<br />

hinter der festen Gefechtsformation<br />

und ebenso an den Flanken einzelne Schiffe,<br />

deren Aufgabe darin besteht, <strong>die</strong> ähnlich<br />

agierenden feindlichen Fahrzeuge anzugreifen,<br />

im Falle eines Angriffs auf <strong>die</strong> eigene<br />

festgezurrte Gefechtsformation Verstärkungen<br />

zu bringen oder bei einem Sieg <strong>die</strong> Verfolgung<br />

aufzunehmen.<br />

Otto Schertler, Jg. 1962, stu<strong>die</strong>rte an der Universität<br />

München und arbeitet als Autor und Übersetzer. Experte<br />

für <strong>die</strong> Kriegführung in der Antike und im Mittelalter.


Fotostrecke | Overlord Museum<br />

Das Overlord Museum in der Norman<strong>die</strong><br />

Das schaurige<br />

Museums-Juwel<br />

6. Juni 1944: Die Operation „Overlord“ beginnt. Der Strandabschnitt, an dem hauptsächlich<br />

amerikanische Truppen landen, hat den Decknamen „Omaha“. Ein kleines Museum setzt<br />

Ausrüstung und Waffen der damaligen Gegner gekonnt in Szene. Von Michael Dodsworth<br />

Ein eigentlich recht unbekanntes Stück<br />

Strand in der Norman<strong>die</strong> wird mit einem<br />

Schlag weltberühmt: „Omaha<br />

Beach“. Hier entbrennt ein harter Kampf, als<br />

US-Verbände – <strong>die</strong> Teil der riesigen alliierten<br />

Invasionsarmee sind – auf Hitlers Atlantikwall<br />

treffen (siehe <strong>CLAUSEWITZ</strong> Spezial „D-<br />

DAY“). Auch an anderen Küstenabschnitten<br />

ist der Angriff auf <strong>die</strong> deutschen Stellungen<br />

für beide Seiten eine Angelegenheit von Leben<br />

und Tod. Doch speziell am „Omaha<br />

Beach“ führt das außerordentlich hartnäckige<br />

Verhalten sowohl von Angreifern als auch<br />

Verteidigern zu besonders hohen Opferzah-<br />

len. Die im Wasser treibenden Leichen und<br />

der blutige Sand werden sich in das Gedächtnis<br />

der Überlebenden eingebrannt haben –<br />

eine alptraumhafte Erinnerung. Das rotverfärbte<br />

Wasser führt dazu, dass <strong>die</strong>ser Ort für<br />

immer als „Bloody Omaha“ bezeichnet werden<br />

wird.<br />

Am 5. Juni 2013 wird das Overlord Museum,<br />

im Beisein einiger Veteranen, eröffnet.<br />

Anliegen des Museums ist es, alle damaligen<br />

Kombattanten in <strong>die</strong> Erinnerung zu integrieren<br />

– es ist also kein rein amerikanischer Gedächtnisort,<br />

sondern präsentiert auch <strong>die</strong><br />

deutsche Seite. Die Architektur des Ausstellungsgebäudes<br />

erinnert dabei an <strong>die</strong> enormen<br />

Betonbunker des Atlantikwalls – welche<br />

ironischerweise gebaut wurden, um genau so<br />

ein Museum zu verhindern. <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

zeigt auf den folgenden Seiten Impressionen<br />

von den Exponaten, um einen Eindruck von<br />

der detailliert gestalteten Ausstellung zu geben.<br />

Vielleicht <strong>die</strong>nen <strong>die</strong> Fotos auch als Anregung<br />

für das eigene Erkunden beim nächsten<br />

Norman<strong>die</strong>-Besuch…<br />

Nähere Informationen zu Öffnungszeiten,<br />

Anfahrtswegen etc. unter: www.overlordmuseum.com<br />

(in englischer und französischer Sprache).<br />

Alle Fotos: Michael Dodsworth<br />

EISERNE WÄCHTER: Zwei amerikanische<br />

Sherman-Panzer „bewachen“<br />

das Museumsgelände (im Bild ist<br />

nur einer davon zu sehen). Der mittlere<br />

Kampfpanzer wurde von den Alliierten<br />

in großer Stückzahl eingesetzt.<br />

Der Sherman M4 genoss aber<br />

einen durchaus zweifelhaften Ruf:<br />

Aufgrund seiner leichten Entflammbarkeit<br />

nannten ihn <strong>die</strong> Deutschen<br />

„Feuerzeug“ oder „Tommy-Kocher“.<br />

60


REKONSTRUIERT: Das Museum wird vor allem für <strong>die</strong> authentischen<br />

Dioramen in Lebensgröße gelobt. Hier ist ein deutscher Trupp der<br />

Feldinstandsetzung nachgestellt. Die schwarze Mütze des Mechanikers<br />

lässt darauf schließen, dass er zu einem Panzerregiment gehört.<br />

NACHGESTELLT: Ein Sd.Kfz. 3b „Maultier“ – <strong>die</strong> Originalszene<br />

ist im Hintergrund auf Leinwand zu sehen und<br />

wurde als Diorama im Overlord Museum rekonstruiert.<br />

ARBEITSTIER: Die Studebaker US6 Trucks<br />

brachten unermüdlich Nachschub zu den etablierten<br />

Brückenköpfen. Als Vorratsbasis zu Wasser<br />

<strong>die</strong>nten <strong>die</strong> „Mullberry“-Häfen. Noch heute<br />

sind Reste einer solchen Anlage am Strand von<br />

Arromanches zu sehen – nicht weit vom Overlord<br />

Museum entfernt.<br />

GROßE<br />

AUFLAGE:<br />

Fast 43.000<br />

<strong>die</strong>ser M3<br />

Halbkettenfahrzeuge<br />

wurden<br />

produziert.<br />

Es war schnell<br />

und vielseitig<br />

einsetzbar.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

61


Fotostrecke | Overlord Museum<br />

VOM KAMPF GEZEICHNET: Dieser deutsche „Panther“<br />

hat einen schweren Treffer abbekommen. Die<br />

Ketten fehlen, und <strong>die</strong> 120 mm dicke Panzerung ist<br />

sichtlich mitgenommen. Zusammen mit der 7,5-cm-<br />

Kanone vermittelt <strong>die</strong>ses Exponat eindrücklich das<br />

Zerstörungspotenzial der damaligen Waffentechnik.<br />

KRÄFTIG: Das Sd.Kfz. 9<br />

war <strong>die</strong> Zugmaschine für<br />

<strong>die</strong> schwere deutsche<br />

Artillerie. Das Halbkettenfahrzeug<br />

kam an allen<br />

Fronten zum Einsatz<br />

– so auch am Atlantikwall.<br />

Etwa 2.500 Stück<br />

wurden während des<br />

Krieges produziert. Im<br />

Overlord Museum kann<br />

man <strong>die</strong>sen Koloss aus<br />

der Nähe betrachten.<br />

NAHAUFNAHME:<br />

Dieses Bild verdeutlicht<br />

den Detailreichtum<br />

der Sammlung.<br />

Die beiden Feldgendarmen<br />

sind gut an<br />

den Metallplaketten<br />

um den Hals zu erkennen<br />

(was zu<br />

dem Spitznamen<br />

„Kettenhunde“<br />

führte).<br />

62


Eindrucksvolle Kriegstechnik-Kollektion<br />

MODIFIZIERT:<br />

An <strong>die</strong>sem Sherman<br />

ist deutlich<br />

<strong>die</strong> Gleiskette<br />

mit Gummieinsätzen<br />

zu erkennen,<br />

um den<br />

Panzer für den<br />

Straßeneinsatz<br />

zu optimieren.<br />

IMPOSANTES EXPONAT: Hier ist ein<br />

amerikanischer DUKW zu sehen, der<br />

von 1942 bis 1945 von GMC produziert<br />

wurde. Das Amphibienfahrzeug war<br />

durch seine Land- und Seetauglichkeit<br />

vielseitig einsetzbar. Der Fahrer konnte<br />

den Luftdruck in den Reifen aus der<br />

Führerkabine regulieren, was beim<br />

Übergang von weichen auf harten<br />

Grund vorteilhaft ist. Nach dem Krieg<br />

überquerte ein DUKW den Kanal und<br />

bewies damit seine maritimen Fähigkeiten.<br />

Die Nähe und <strong>die</strong> Details <strong>die</strong>ser<br />

Museumsszene lassen <strong>die</strong> Besucher besonders<br />

lange verweilen. Natürlich kann<br />

kein noch so gutes Diorama <strong>die</strong> damaligen<br />

Grausamkeiten und <strong>die</strong> Angst der<br />

Soldaten vermitteln…<br />

KAMPFSZENE:<br />

Ein Sherman mit<br />

Soldaten am<br />

„Omaha Beach“.<br />

Das große Panoramabild<br />

im Hintergrund<br />

verortet <strong>die</strong><br />

Szene und steigert<br />

deren Intensität.<br />

Clausewitz 6/2014<br />

63


Meinung<br />

Knifflige Militärspiele<br />

Die Welt der<br />

Konfliktsimulationen<br />

Von Thomas Moder<br />

Literaturtipps<br />

Der Begriff „Kosim“ leitet sich von „Konfliktsimulation“<br />

her, wobei sich als Fachbegriff „das<br />

Kosim“ (Neutrum) in der Szene durchgesetzt<br />

hat. Kosims sind, vereinfacht ausgedrückt, komplexe<br />

Strategiespiele mit militärhistorischem Hintergrund.<br />

Dies ist jedoch keineswegs eine Erfindung der<br />

Neuzeit. Schon im alten China gibt es ein Spiel namens<br />

„Wei Chi“, bei dem zwei Spieler versuchen,<br />

möglichst große Bereiche des Spielbretts zu kontrollieren<br />

und gegnerische Spielsteine „gefangen“ zu<br />

nehmen. Allerdings ähnelte <strong>die</strong>ses Spiel mehr dem<br />

klassischen „Go“ als einem modernen Kosim. Auch<br />

in anderen Teilen der Welt wie Griechenland oder<br />

Rom sind Spiele <strong>die</strong>ser Art nicht unbekannt. Zudem<br />

haben Ausgrabungen ägyptische und sumerische<br />

Miniatursoldaten in Schlachtordnung zu Tage gefördert,<br />

<strong>die</strong> auf eine frühe Form der „Sandkastenspiele“<br />

hindeuten.<br />

Selbst das allseits beliebte Schachspiel entwickelt<br />

sich im 6. Jahrhundert in In<strong>die</strong>n aus einem Militärspiel,<br />

in dem man bereits <strong>die</strong> Waffengattungen Infanterie,<br />

Kavallerie und Marine findet. Erst im Laufe der<br />

Zeit verschwinden <strong>die</strong> Glücksfaktoren sowie zwei<br />

der vier Spieler, und es wird zu dem Schach in der<br />

heute bekannten Form. Mit der allgemeinen Verbreitung<br />

von Feuerwaffen Mitte des 17. Jahrhunderts<br />

werden durch Abwandlungen wieder <strong>die</strong> ursprünglichen<br />

militärischen Aspekte hervorgehoben, und es<br />

entwickelt sich eine Art „Kriegsschach“, das gerne in<br />

Robert Wolf: Konfliktsimulations- und Rollenspiele: Die neuen Spiele. (1988)<br />

Das wohl einzige deutschsprachige Buch zum Thema, aber leider schon lange nicht mehr im<br />

Handel erhältlich und nur noch antiquarisch zu bekommen.<br />

Christopher George Lewin: War Games and their History. (2012)<br />

Sehr gute Übersicht über <strong>die</strong> Geschichte von Wargames, besonders des 19. und 20. Jahrhunderts,<br />

allerdings nur wenige aktuelle Beispiele. Sehr viele Farbabbildungen.<br />

Philip Sabin: Simulating War: Studying conflict through Simulation Games. (2012)<br />

Fachliteratur, <strong>die</strong> sich im Detail mit der Wargame-Entwicklung und der Umsetzung von Konflikten<br />

im Spiel auseinandersetzt. Geht in den Bereich des militärischen Fachbuchs. Für weitergehende<br />

Stu<strong>die</strong>n zum Thema ein Muss! Der Autor ist Professor für strategische Stu<strong>die</strong>n am King‘s<br />

College London.<br />

Offizierskreisen gespielt wird. Beginnend in Preußen<br />

(durch Baron von Reisswitz) werden zu Anfang des<br />

19. Jahrhundert daraus immer größere und komplexere<br />

Planspiele, bei denen der ursprüngliche Spiel-<br />

Gedanke zu Gunsten einer reinen militärischen<br />

Nutzbarkeit fast vollkommen verschwindet. Diese<br />

„Sandkastenspiele“ werden durch umfangreiche Regeln,<br />

riesige Spielfelder sowie den Einsatz von<br />

Schiedsrichtern bestimmt.<br />

Kosims für das Pentagon<br />

Die eigentliche Idee des Spielens wird indes vom bekannten<br />

Autor H.G. Wells („Die Zeitmaschine“, 1895)<br />

weiter entwickelt, als er 1913 mit seinem Werk „Little<br />

Wars“ ein Regelwerk für Kriegsspiele mit Miniaturen<br />

veröffentlicht (heute als „Tabletop“ bezeichnet).<br />

Der Zeitraum der Weltkriege ist von einer Vielzahl<br />

patriotischer Militärspiele geprägt, in denen meist der<br />

jeweilige historische Gegner besiegt werden muss.<br />

Obwohl einige durchaus raffinierte und spannende<br />

Spiele dabei sind, dominiert <strong>die</strong> Propaganda das Feld,<br />

und nicht nur im Deutschen Reich sind so manche<br />

moralisch fragwürdigen Machwerke zu finden.<br />

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden<br />

Kriegsspiele vom Militär eher stiefmütterlich behandelt.<br />

Im zivilen Bereich ereignet sich 1953 jedoch etwas<br />

Bemerkenswertes: Der Amerikaner Charles S.<br />

Roberts bringt mit „Tactics“ das erste echte Kosim<br />

hervor. Obwohl sich im Spiel noch zwei fiktive<br />

Mächte bekämpfen und das Spielbrett in klassische<br />

Quadrate unterteilt ist (heute nutzt man meist hexagonale<br />

Felder), gilt <strong>die</strong>s als Geburtsstunde des modernen<br />

Kosims. 1958 gründet Roberts mit „Avalon<br />

Hill“ eine Firma, <strong>die</strong> 40 Jahre lang Spiele produziert,<br />

welche inzwischen Klassiker des Genres sind. Zu Ehren<br />

des Erfinders wird seit 1974 mit dem „Charles S.<br />

Roberts Award“ noch immer das beste Kosim des<br />

Jahres ausgezeichnet.<br />

Der Höhepunkt des Kosim-Booms liegt in den<br />

1980er-Jahren, als zeitweise über zwei Millionen<br />

Exemplare jährlich in den Handel gelangen. Mit dem<br />

Aufkommen von Computer- und Fantasy-Rollenspielen<br />

lässt das Interesse an Kosims in den 1990er-<br />

Jahren kontinuierlich nach, da den Spielern umfangreiche<br />

Alternativen zur Verfügung stehen.<br />

Fotos: Thomas Moder<br />

64


Interessanterweise entdeckt das Militär Kosims<br />

zu <strong>die</strong>ser Zeit wieder neu. Zwar nutzt man noch vereinzelt<br />

Planspiele, aber <strong>die</strong>se sind nicht auf jeden<br />

Konflikt anwendbar. So kommt es, dass das Pentagon<br />

mit Ausbruch des Zweiten Golfkrieges nach<br />

Möglichkeiten sucht, den weiteren Gang der Geschehnisse<br />

zu simulieren. Da vorhandene Programme<br />

keine Aufschlüsse bringen, wird Mark Herman<br />

mit seinem 1983 erschienenen Spiel „Gulf Strike“ (einem<br />

frei verkäuflichen Kosim über potentielle Konflikte<br />

in eben <strong>die</strong>ser Region) nach Washington gebeten<br />

und spielt dort mit Experten für den mittleren<br />

Osten sein Spiel. Die Resultate <strong>die</strong>ser Partie bestimmen<br />

zu einem guten Teil <strong>die</strong> Entscheidungen des<br />

Pentagon im August 1990.<br />

HINTERGRUND<br />

Die GHS<br />

Die GHS ist der einzige Verein in<br />

Deutschland, der sich mit dem Hobby<br />

des Kosim-Spielens auseinandersetzt.<br />

Die Gesellschaft für historische Simulationen<br />

e.V. (GHS) wurde vor über 25<br />

Jahren von begeisterten Spielern gegründet<br />

und bringt vierteljährlich ein<br />

deutschsprachiges Fachmagazin heraus.<br />

Neben dem jährlichen Vereinstreffen<br />

mit Besuchern aus aller Welt<br />

Fulminante Vielfalt<br />

Inzwischen sind <strong>die</strong> Grenzen von zivilen und militärischen<br />

Produkten fließend. Es gibt Werke von klassischen<br />

Kosim-Verlagen, an denen Militärs im taktischen<br />

Bereich ausgebildet werden, und umgekehrt<br />

können veraltete (und daher freigegebene) Militärsimulationen<br />

von interessierten Zivilisten gespielt<br />

werden. Heutzutage findet man Kosims zu allen Bereichen<br />

und Epochen der Militärgeschichte. Im Allgemeinen<br />

be<strong>die</strong>nt man sich mehr oder weniger komplexer<br />

Regeln und Zufallselemente, zum Beispiel in<br />

Form von Würfeln. Spielsteine („Counter" genannt),<br />

<strong>die</strong> zumeist militärische Verbände repräsentieren,<br />

werden so auf einer Art Landkarte bewegt. Der Maßstab<br />

von Karte und Countern reicht dabei von „taktisch“<br />

bis „strategisch“ und ermöglicht es, jeden gewünschten<br />

geschichtlichen Konflikt darzustellen,<br />

wobei <strong>die</strong> Spielzeit je nach Komplexität variieren<br />

kann. So gibt es Kosims, bei denen man mit wenig<br />

Material und Aufwand einen großen militärischen<br />

Konflikt in 30 Minuten nachspielen kann, während<br />

andere mit einem dicken Regelbuch und tausenden<br />

Countern für eine einzige Schlacht des Krieges mehrere<br />

Tage Spielzeit mit sich bringen!<br />

Da fast alle Kosims aus dem englischen Sprachraum<br />

kommen, finden sich nur bei den wenigsten<br />

deutsche Spielanleitungen, sodass ohne (Schul-)Englisch<br />

dem interessierten Spieler viele Werke vorenthalten<br />

bleiben. Obwohl meistens reine Zwei-Personen-Spiele,<br />

gibt es ebenso Solitärspiele oder solche,<br />

<strong>die</strong> erst mit fünf oder sechs Spielern ihren wahren<br />

Reiz entfalten.<br />

Keine Kriegsverherrlichung!<br />

Bei Kosims nimmt man aktiv am Geschehen teil –<br />

man kann deshalb besser begreifen, wieso gewisse<br />

Ereignisse seinerzeit genau so passiert sind. Gute Kosims<br />

setzen sich gezielt mit den besonderen Problematiken<br />

des jeweiligen Konflikts auseinander. Dabei<br />

kann der Schwerpunkt auf den unterschiedlichsten<br />

Aspekten wie Moral, Ausbildung, Wetter, Nachschub<br />

oder Aufklärung liegen. Wer sich mit Kosims beschäftigt,<br />

erfährt viel Neues und sieht <strong>die</strong> historischen Zusammenhänge<br />

aus einer anderen Perspektive.<br />

Kosims sind von der deutschen Presse in der Vergangenheit<br />

recht negativ behandelt worden. Krieg<br />

als Spiel hat hierzulande nun einmal, historisch bedingt,<br />

einen eher negativen Beiklang. Experten sprechen<br />

daher lieber von „Konfliktsimulationen“, während<br />

englischsprachige Verlage sich nicht scheuen,<br />

„Wargame“ auf <strong>die</strong> Verpackung zu schreiben. Dabei<br />

verherrlichen Kosims Kriege nicht oder wecken gar<br />

gewalttätige Tendenzen. Sie setzen sich wertfrei mit<br />

einem Konflikt auseinander. Robert Wolf beschreibt<br />

es in seinem 1988 erschienenen Buch „Konfliktsimulations-<br />

und Rollenspiele“ sinngemäß: „Genau so<br />

wenig wie das Spiel Hase und Igel bei den Spielenden<br />

einen ungezügelten Appetit auf Möhren entstehen<br />

lässt, entwickelt <strong>die</strong> Beschäftigung mit Kosims<br />

eine Killermentalität oder Kriegslüsternheit“.<br />

Kosims sind und bleiben eine interessante und<br />

lehrreiche Freizeitbeschäftigung. Es spricht auch für<br />

sich, dass bei BoardGameGeek, der weltweit wohl<br />

wichtigsten Seite für Brettspiele (www.boardgame geek.com),<br />

mit „Twilight Struggle“ (Der kalte Krieg<br />

1945–1989) seit Jahren ein Kosim auf Platz 1 der ewigen<br />

Bestenliste aller Spiele steht!<br />

Wer eine neue Sichtweise auf einen Konflikt<br />

möchte und vor einer gewissen Einstiegshürde nicht<br />

zurückschreckt, dem seien Kosims empfohlen. Doch<br />

Vorsicht, einmal damit angefangen, kann man so<br />

schnell nicht mehr davon lassen…<br />

hilft <strong>die</strong> GHS, Spieler in der Nähe zu<br />

finden, unterstützt beim Informationsaustausch<br />

untereinander (z.B. durch<br />

das Online-Forum) und fördert gezielt<br />

<strong>die</strong> Verbreitung von historischem Wissen.<br />

Wer Fragen zum Thema hat oder<br />

eine Kosim-Empfehlung möchte, dem<br />

wird dort gerne geholfen.<br />

Intnernet: www.ghs-kosim.de<br />

Kontakt: vorstand@ghs-kosim.de<br />

Thomas Moder, Jg. 1970,<br />

ist seit über 15 Jahren in der<br />

GHS aktiv, davon seit über<br />

fünf Jahren als Vorsitzender<br />

des Vereins. Er konnte zudem<br />

sein Hobby zum Beruf machen<br />

und arbeitet bei der<br />

Stadt Herne als stellvertretender<br />

Leiter des Spielezentrums,<br />

einer weltweit einzigartigen<br />

Institution zum Thema<br />

Brettspiel mit über 10.000<br />

ausleihbaren Spielen in der<br />

hauseigenen Spieliothek<br />

(siehe www.spielezentrum.de).<br />

Clausewitz 6/2014<br />

65


Spurensuche<br />

WEITHIN SICHTBAR: Luftbild der Festung Ehrenbreitstein<br />

gegenüber der Moselmündung bei Koblenz. Die<br />

eindrucksvolle Anlage ist heute Eigentum des Landes<br />

Rheinland-Pfalz. Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de<br />

Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz<br />

Preußens<br />

„Wacht am Rhein“<br />

66


Die Entstehungsgeschichte der Burg und<br />

Festung Ehrenbreitstein reicht ins hohe<br />

Mittelalter zurück. Auf schroffer Höhenlage,<br />

der Moselmündung direkt gegenüber,<br />

wird das Gelände befestigt (um 1000),<br />

dann zur Burganlage erweitert und ausgebaut<br />

(1152–1169). Die Anlagen tragen den Namen<br />

„Helfenstein“, benannt nach dem reichsten<br />

und einflussreichsten Adelsgeschlecht im<br />

Dienste der Erzbischöfe von Trier, denen <strong>die</strong><br />

Stadt Koblenz und <strong>die</strong> Burg gehört. Diese<br />

Burg wird unter der Herrschaft des Erzbischofs<br />

Richard von Greiffenklau (1511/31)<br />

zur Festung ausgebaut. Seither dehnt sie sich<br />

über <strong>die</strong> gesamte nördliche Hochfläche in der<br />

Länge von circa 750 Metern und in einer Breite<br />

von etwa 300 Metern aus.<br />

Wichtiger Stützpunkt<br />

Seit <strong>die</strong>ser Zeit ist sie zur Residenz der Erzbischöfe<br />

von Trier geworden, <strong>die</strong> im mittleren<br />

14. Jahrhundert auch Kurfürsten sind<br />

und das Wahlrecht zum deutschen König<br />

ausüben. Und sie ist gleichzeitig ein sicheres<br />

Gewahrsam für <strong>die</strong> kostbaren Reliquien und<br />

das Archiv der Erzbischöfe. Erst im Verlaufe<br />

des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648)<br />

wird <strong>die</strong> Festung militärisch genutzt, nachdem<br />

Kurtrier sich einvernehmlich mit Frankreich<br />

für neutral erklärt hatte. Französische<br />

Truppen besetzen <strong>die</strong> Festung (1632) und<br />

werden vier Jahre später durch kaiserliche<br />

Truppen belagert; sie ergeben sich nach einjähriger<br />

Belagerung (1636). Die Festung wird<br />

nun von kaiserlichen Truppen besetzt und<br />

nach Beendigung des Krieges an Kurtrier zurückgegeben<br />

(1650). So bleibt <strong>die</strong> Festung<br />

das, wofür sie ausgebaut worden ist: ein militärischer<br />

Stützpunkt, den der jeweilige<br />

Gegner immer „im Auge behalten“ muss.<br />

Dies gilt in besonderem Maße für das operative<br />

Kalkül der<br />

französischen<br />

Generalität im<br />

17. Jahrhundert.<br />

Rund 100 Jahre später wird das Ancien Régime<br />

der europäischen Fürstenstaaten, besonders<br />

im Rheingebiet, durch den Vormarsch<br />

der französischen Revolutionstruppen<br />

erschüttert. Unter dem Kommando des<br />

Generals Marceau stößt <strong>die</strong> Sambre-Maas-<br />

Armee auf Koblenz vor (1794) und besetzt<br />

<strong>die</strong> Stadt nach hinhaltendem Kampf am 23.<br />

Oktober. Unverzüglich beginnt Marceau mit<br />

der Einschließung von Ehrenbreitstein (zirka<br />

8.000 Mann).<br />

Tödlicher „Ausfall”<br />

Dem österreichischen Befehlshaber, Oberst<br />

von Sechtern, sind 3.537 Mann an Reichstruppen<br />

und Kontingenten Kurtriers, Kurkölns<br />

und des Hochstifts Münster zur Verteidigung<br />

unterstellt. Der Festungskommandant<br />

ist Oberst von Faber, der trotz<br />

personeller und finanzieller Hindernisse auf<br />

eine länger dauernde Belagerung gut vorbereitet<br />

ist. Diese wird unter einer rücksichtsvollen<br />

Vereinbarung beider Seiten stattfinden:<br />

Auf <strong>die</strong> Festung wird von Koblenz her<br />

nicht gefeuert, umgekehrt wird von der Festung<br />

her <strong>die</strong> Stadt nicht beschossen. Am 17.<br />

Oktober 1795 wird ein Ausfall unternommen,<br />

um französische Truppen von den Höhen<br />

bei Arzheim – südöstlich des Ehrenbreitsteins<br />

– zurückzudrängen. In Laufgräben<br />

hatten sie sich dem südöstlich gelegenen<br />

Vorderhang der Festung angenähert. Einer<br />

kurtrierischen Jägerkompanie unter Führung<br />

des Leutnants Freiherr von Solemacher<br />

gelingt es aber, den Gegner zu umgehen. Die<br />

französische Einheit zieht sich daraufhin<br />

wieder zurück.<br />

Doch <strong>die</strong>ser Ausfall kostet <strong>die</strong> Kompanie<br />

15 Mann, unter ihnen der Kompaniechef.<br />

Mit einer Gedenktafel wird seit 1901 an <strong>die</strong><br />

Gefallenen erinnert.<br />

1817–1828: Auf den Ruinen des<br />

kurtrierischen Vorläufers wird <strong>die</strong><br />

preußische Festung Ehrenbreitstein<br />

errichtet. Gegenüber der<br />

Moselmündung bei Koblenz thront<br />

<strong>die</strong> imposante Festung auf dem<br />

Felssporn oberhalb des Rheins.<br />

Von Peter Többicke<br />

KUPFERSTICH: Darstellung der Festung Ehrenbreitstein aus der Werkstatt<br />

von Matthäus Merian d. Ä. (1593–1650), spätere Kolorierung. Im<br />

Vordergrund am Rheinufer ist Schloss Philippsburg zu erkennen, das im<br />

frühen 19. Jahrhundert abgebrochen wurde. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 6/2014<br />

67


Spurensuche<br />

NAHAUFNAHME: Blick auf <strong>die</strong> Kurtine im inneren Bereich der Festung<br />

Ehrenbreitstein. Foto: ullstein bild – imageBROKER/Creativ Studio Heinemann<br />

IN GEDENKEN: Blick<br />

auf das Ehrenmal<br />

des Deutschen Heeres<br />

zur Erinnerung an<br />

<strong>die</strong> Toten deutschen<br />

Heeressoldaten beider<br />

Weltkriege und<br />

der Bundeswehr.<br />

Foto: picture-alliance/Arco<br />

Images GmbH<br />

ZUR ERINNERUNG: Gedenktafel<br />

für Leutnant von Solemacher<br />

und seine bei ihrem<br />

Ausfallversuch im Oktober<br />

1795 ebenfalls gefallenen<br />

Soldaten. Foto: Peter Többicke<br />

gung der Bauarbeiten erscheint nämlich in<br />

London ein Buch, dessen Autor dem britischen<br />

Generalstab angehört: Oberstleutnant<br />

J. G. Humfrey, und der Titel seines Buches<br />

lautet (1838) „An essay on the modern system<br />

of fortification adopted for the defence<br />

of the Rhine frontier …“ Es wird, wiederum<br />

vier Jahre dauern, bis es von F. Reinhard, einem<br />

Pionierhauptmann im Dienste der Königlich-Bayerischen<br />

Armee, ins Deutsche<br />

übertragen worden ist. Der Titel lautet: „Versuch<br />

eines neu angenommenen Fortifikations-Systems<br />

zur Vertheidigung der Rhein-<br />

Grenze (…) Exemplifiziert durch ein vollständiges<br />

Memoire über <strong>die</strong> Festung<br />

Coblenz, beleuchtet durch Pläne und Durchschnitte<br />

der Werke <strong>die</strong>ses Platzes“. Damit ist<br />

der Ehrenbreitstein militärisch nebensächlich<br />

geworden.<br />

REMILITARISIERUNG DES RHEINLANDES: Im Jahr 1936 ziehen wieder deutsche Soldaten<br />

auf den Ehrenbreitstein ein, dessen Befestigungswerke auch den Zweiten Weltkrieg weitgehend<br />

unbeschadet überstehen.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Während der Belagerungsphase vom September<br />

bis Oktober 1795 werden mehr als<br />

16.000 Granaten aller Kaliber von der Festungsartillerie<br />

verschossen; darauf hin werden<br />

<strong>die</strong> französischen Angriffe abgebrochen<br />

und erst im Juni 1796 wieder aufgenommen.<br />

Im Frühjahr 1797 endet <strong>die</strong> französische Blockade<br />

mit einem Waffenstillstand, Hunger<br />

und Verrat führen 1799 zur Übergabe an <strong>die</strong><br />

Franzosen. Zwei Jahre später, inzwischen hat<br />

Napoleon Bonaparte den Rhein zur natürlichen<br />

Grenze Frankreichs im Osten gemacht,<br />

wird der Ehrenbreitstein gesprengt.<br />

Doch 1817 haben sich <strong>die</strong> Machtverhältnisse<br />

in Europa geändert: Napoleon ist besiegt,<br />

<strong>die</strong> Rheinprovinzen fallen Preußen zu,<br />

das nun <strong>die</strong> „Wacht am Rhein“ gegen Frankreich<br />

übernimmt. Folglich wird <strong>die</strong>se militärisch<br />

gesichert: Dazu gehört der systematische<br />

Ausbau von Koblenz zur Festung mit<br />

dem Ehrenbreitstein als zentrales Außenwerk<br />

im Osten. Als sie fertig gestellt sind,<br />

haben <strong>die</strong> Anlagen jedoch ihre militärische<br />

Bedeutung verloren. Vier Jahre nach Beendi-<br />

Literaturtipp<br />

Böckling, Manfred: Festung Ehrenbreitstein,<br />

hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Verwaltung<br />

der staatlichen Schlösser,<br />

Führungsheft 17 (1996).<br />

Ehrenbreitstein in der NS-Zeit<br />

Nun noch ein Blick in <strong>die</strong> Zeitgeschichte:<br />

Auch <strong>die</strong> Nationalsozialisten wissen <strong>die</strong> Attraktivität<br />

der Festung für ihre Zwecke zu<br />

nutzen. Joseph Goebbels organisiert als<br />

Reichspropagandaminister <strong>die</strong> „Saartreuekundgebung“<br />

auf dem Ehrenbreitstein<br />

(1934). Bereits seit dem 30. Januar 1933 weht<br />

eine riesige Hakenkreuzflagge über dem Ehrenbreitstein.<br />

In Koblenz hegt man <strong>die</strong> Hoffnung,<br />

dass der Ehrenbreitstein zum „Reichsehrenmal“<br />

erhoben wird. Aber es kommt<br />

anders, denn Hitler erklärt das „Tannenbergdenkmal“<br />

in Ostpreußen zum Nationaldenkmal<br />

(1935).<br />

Im Herbst 1936 wird <strong>die</strong> motorisierte<br />

Hundertschaft der Landespolizei-Abteilung<br />

Koblenz als 14. Kompanie in das Infanterie-<br />

Regiment 80 eingegliedert und als Panzerabwehreinheit<br />

auf der Festung stationiert.<br />

Weitere Truppen werden auf der Festung<br />

68


Faszinierende Wehranlage<br />

Fun<strong>die</strong>rt recherchiert,<br />

packend erzählt!<br />

BELIEBTES ZIEL: Blick auf den Oberen Schlosshof der Festung. Die ausgedehnte Anlage<br />

hat sich zu einer vielbesuchten Touristenattraktion entwickelt. Weite Teile der<br />

Wehranlage sind heute zugänglich.<br />

Foto: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv<br />

stationiert. Für <strong>die</strong>se Truppen, aber auch für<br />

<strong>die</strong> Bevölkerung, können <strong>die</strong> Stollen und Kasematten<br />

des Ehrenbreitstein als Luftschutz-<br />

Bunker genutzt werden. Im März 1945 wird<br />

Koblenz von der 87. US-Infanteriedivision<br />

eingenommen. Am 6. April weht das Sternenbanner<br />

über der Festung – in Anwesenheit<br />

des Befehlshabers der 12. US-Heeresgruppe<br />

(General Bradley).<br />

HINTERGRUND<br />

■ Artilleriebastion „Turm Ungenannt“ (Informations<strong>die</strong>nst<br />

zur Festungsgeschichte)<br />

■ Ehrenmal des Deutschen Heeres<br />

(im Eingang zum Hauptgraben)<br />

■ Fahnenturm<br />

■ Brunnen (Oberer Schlosshof) mit Rundblick<br />

auf Koblenz und Moselmündung<br />

(„Deutsches Eck“)<br />

■ Festungsrundweg<br />

Clausewitz 6/2014<br />

Nachkriegszeit und Gegenwart<br />

Im Juli 1945 wechselt <strong>die</strong> Besatzungsmacht,<br />

französische Truppen lösen <strong>die</strong> amerikanischen<br />

ab. Erneut wird <strong>die</strong> Trikolore aufgezogen,<br />

<strong>die</strong> von 1923–1929 über Koblenz wehte.<br />

Dank der amerikanischen Intervention des<br />

Generalmajors Allen bei der Interalliierten<br />

Militär-Kontrollkommission entgeht der Ehrenbreitstein<br />

der Schleifung – wegen seiner<br />

Einzigartigkeit als Kunstdenkmal.<br />

In der Nachkriegszeit werden Teile der<br />

Kasematten ausgebaut und <strong>die</strong>nen als Wohnungen<br />

für ausgebombte Koblenzer. Jahre<br />

später entwickelt sich der Ehrenbreitstein<br />

zum beliebten Ausflugziel für Einheimische<br />

und Touristen. Dann kommen alljährliche<br />

Touristenattraktionen wie zum Beispiel<br />

„Rhein in Flammen“ oder – im Jahre 2011<br />

mit großem Erfolg – <strong>die</strong> Bundesgartenschau<br />

hinzu, für <strong>die</strong> eigens eine Seilbahn von Koblenz<br />

bis zur Festung hinauf errichtet wurde.<br />

Heute sind weite Teile der ausgedehnten Festungsanlage<br />

zugänglich, darunter neuerdings<br />

auch der Komplex „Turm Ungenannt“ und<br />

der Kasemattenbau „Lange Linie“. Unmittelbar<br />

neben dem oberen Haupteingang der Festung<br />

beginnt der neue Weg zur Festungsgeschichte.<br />

Die Besucher erwartet eine museal<br />

aufbereitete Zeitreise durch <strong>die</strong> Geschichte<br />

des Ehrenbreitstein, von dem aus man einen<br />

herrlichen Blick auf <strong>die</strong> Moselmündung und<br />

das „Deutsche Eck“ werfen kann.<br />

Das Ehrenmal des Deutschen Heeres im<br />

Innern (Hauptgraben) der Festungsanlage<br />

erinnert seit seiner Einweihung im Jahr 1972<br />

an <strong>die</strong> „Toten des Deutschen Heeres“ in den<br />

beiden Weltkriegen. 2006 wurden <strong>die</strong> „Heeressoldaten<br />

der Bundeswehr, <strong>die</strong> für Frieden,<br />

Recht und Freiheit ihr Leben ließen“, in das<br />

Gedenken des Ehrenmals eingeschlossen.<br />

Seit wenigen Jahren sind im Rahmen des<br />

Rundwegs erstmals auch Dachbereiche zugänglich.<br />

Von dort aus bietet sich den Besuchern<br />

aus ungewöhnlicher Perspektive <strong>die</strong><br />

Gelegenheit zu Einblicken in <strong>die</strong> imposante<br />

Festung hinein.<br />

Dr. Peter Többicke, Historiker, Veröffentlichungen zur<br />

deutschen Militär- und Zeitgeschichte.<br />

Sehenswürdigkeiten (Auswahl)<br />

■ Innenanlagen soweit freigegeben<br />

■ Landesmuseum Koblenz (Bastion:<br />

Hohe Ostfront)<br />

■ Ausstellung „Festungsschicksale“<br />

(im Festungswerk „Ravelin“)<br />

■ Ausstellung „Geborgene Schätze“<br />

(im Festungswerk „Contregarde“ rechts)<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.<strong>die</strong>festungehrenbreitstein.de<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

Jetzt am<br />

Kiosk!<br />

<br />

<br />

<br />

69


Feldherren<br />

AUSGEZEICHNET: Zeitgenössische<br />

Aufnahme von Reinhard<br />

Scheer im Uniformrock der<br />

Kaiserlichen Marine. Er trägt<br />

den Orden „Pour le Mérite“,<br />

der ihm nach der Skagerrakschlacht<br />

von Kaiser<br />

Wilhelm II. verliehen wurde.<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture<br />

Library<br />

Admiral Reinhard Scheer<br />

Zwischen<br />

Weitab von Deutschlands Küsten beginnt<br />

das erste Lebenskapitel Reinhard<br />

Scheers, der zweifellos zu den<br />

bekanntesten Admiralen der Kaiserlichen<br />

Marine zählt und als Chef der Hochseeflotte<br />

in <strong>die</strong> Geschichte eingegangen ist. Scheer<br />

kommt am 30. September 1863 in Obernkirchen<br />

(heute Landkreis Schaumburg, Niedersachsen)<br />

zur Welt. Eltern und Großeltern<br />

stammen aus dem liberalen Bürgertum. Als<br />

Kind seiner Zeit erlebt Scheer in jungen Jahren<br />

den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg<br />

des 1871 gegründeten Deutschen Reiches.<br />

Seine späteren beruflichen Aufgaben<br />

sollten ihn oft und zeitlich ausgedehnt in<br />

das europäische und außereuropäische<br />

Ausland führen. Die Stellung Deutschlands<br />

mit seinen Stärken und Schwächen<br />

in der Welt musste ihm damals<br />

deutlich vor Augen stehen. Nur vor <strong>die</strong>sem<br />

Hintergrund kann der Mensch und<br />

der Seeoffizier Reinhard Scheer angemessen<br />

beurteilt werden.<br />

Steiler Aufstieg<br />

Scheer tritt am 22. April 1879 als Seekadett<br />

in <strong>die</strong> Kaiserliche Marine ein.<br />

Schon während seiner Ausbildung<br />

zum Offizier liegt er immer in der<br />

Spitzengruppe seines Jahrgangs und<br />

bleibt <strong>die</strong>s auch während der anschließenden<br />

Offizierverwendungen.<br />

Schon früh wird daher <strong>die</strong> Personalführung<br />

auf ihn aufmerksam. Sie bereitet<br />

ihn in abgewogenen Wechseln<br />

zwischen Bordkommandos und Landverwendungen<br />

in Stäben auf <strong>die</strong> Übernahme<br />

von verantwortungsvollen und fordernden<br />

Positionen innerhalb des<br />

Führungskorps der Marine vor. Das<br />

gelingt im Fall von Scheer nahezu<br />

ideal, denn bei seiner Ernennung<br />

zum Chef des Stabes der Hochseeflotte<br />

am 1. Oktober 1909 und der<br />

70


Triumph und Tragö<strong>die</strong><br />

31. Mai 1916: In der Skagerrakschlacht gelingt Flottenchef Reinhard Scheer ein beachtlicher<br />

Erfolg gegen <strong>die</strong> „Grand Fleet“. Doch dem „gefühlten Triumph“ folgt seit Ende<br />

1917 der tragische Niedergang der deutschen Hochseeflotte. Von Eberhard Kliem<br />

AUF DER BRÜCKE: Admiral Scheer (Mitte) als<br />

Flottenchef zusammen mit Großadmiral Heinrich<br />

Prinz von Preußen auf einem Kriegsschiff.<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Clausewitz 6/2014<br />

71


Feldherren<br />

AN BORD DES FLAGGSCHIFFES: Der Flottenchef zusammen mit dem Flottenstab unter den Geschützrohren seines Flaggschiffes, links Kapitän<br />

zur See von Levetzow, rechts sein Stabschef Kapitän zur See von Trotha als seine engsten Mitarbeiter. Foto: picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst<br />

anschließenden Beförderung zum Konter-admiral<br />

am 27. Januar 1910 hat der 46-jährige<br />

Seeoffizier 16,5 Jahre an Bord und 13,5 Jahre<br />

an Land in Stabsstellungen verbracht. Nach<br />

eigenen Angaben hat Scheer den Einsatz in<br />

der Torpedowaffe einschließlich seiner Referententätigkeit<br />

in <strong>die</strong>sem Bereich im Reichsmarineamt<br />

unter Alfred von Tirpitz (1849–<br />

1930) als besonders prägend empfunden.<br />

Scheer als Hoffnungsträger<br />

Noch in den Monaten vor dem Ausbruch der<br />

Ersten Weltkrieges übernimmt er am 9. Dezember<br />

1913 als Vizeadmiral das II. Geschwader<br />

und im Dezember 1914 das III. Geschwader<br />

der Hochseeflotte mit insgesamt<br />

acht der modernsten deutschen Linienschiffe<br />

(Schlachtschiffe). Dieses Geschwader stellte<br />

den kampfkräftigsten Kern der Deutschen<br />

Hochseeflotte in der Nordsee dar. Der damalige<br />

Flottenchef, Admiral Hugo von Pohl, beurteilt<br />

Scheer zum 1. Dezember 1915 wie<br />

folgt: „Energischer, <strong>die</strong>nstfreudiger, leistungsfähiger<br />

und im Flotten<strong>die</strong>nst erfahrener<br />

Flaggoffizier. Besitzt das Vertrauen seiner<br />

Kommandanten und Offiziere. Wird Geschwader<br />

in der Schlacht gut führen. Zum<br />

Flottenchef geeignet und zur Verwendung<br />

als Staatssekretär im RMA [Reichsmarineamt]<br />

befähigt. v. Pohl.“<br />

In der Flotte hat sich Scheer zu <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt einen vorzüglichen Namen gemacht.<br />

Er gilt als strenger, aber gerechter<br />

Vorgesetzter mit hohen Anforderungen an<br />

seine Untergebenen, von denen er vorbildliches<br />

Auftreten in jeder Beziehung fordert.<br />

Gleiches gilt selbstverständlich auch für ihn<br />

selbst. Seine fachliche Kompetenz ist unbestritten.<br />

Er liebt <strong>die</strong>nstliche Selbstständigkeit,<br />

gewährt sie aber auch Untergebenen.<br />

Grundzüge seines Charakters sind hohes<br />

Selbstbewusstsein und unerschütterliches<br />

Vertrauen in <strong>die</strong> eigene Leistungsfähigkeit.<br />

Sein selbst gewählter Leitsatz lautet: „Was<br />

andere leisten können, kannst Du mindestens<br />

auch.“ Mit <strong>die</strong>sem Lebensgefühl entsprach<br />

er ziemlich genau dem nationalen<br />

Überschwang eines Großteils der Bevölkerung<br />

des Wilhelminischen Kaiserreiches.<br />

Nach der Ablösung des ersten Flottenchefs<br />

Friedrich von Ingenohl (1857–1933) und dem<br />

Tod seines Nachfolgers Hugo von Pohl übernimmt<br />

Reinhard Scheer am 9. Januar 1916<br />

<strong>die</strong> Stellung des Flottenchefs der Hochseeflotte.<br />

Diese befindet sich zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />

in einer schweren Krise. Der Grund:<br />

Der ursprüngliche Operationsplan mit einer<br />

arrangierten Seeschlacht in der südlichen<br />

Nordsee ist nicht aufgegangen, denn <strong>die</strong><br />

Grand Fleet der Briten blockiert <strong>die</strong> Ausgänge<br />

aus der Deutschen Bucht in den Atlantik<br />

bei den Shetlands – unerreichbar für <strong>die</strong><br />

deutschen Schiffe und Boote. Zur Schlacht<br />

stellt sie sich nicht.<br />

Scheer verspricht höheres Risiko<br />

Die Deutsche Hochseeflotte geht ihrerseits<br />

aufgrund des kaiserlichen Operationsbefehls<br />

kein Risiko ein und liegt deswegen zumeist<br />

im Hafen oder auf Reede. Bisher eher<br />

zufällig eingetretene Gefechte <strong>waren</strong> für <strong>die</strong><br />

Deutschen wenig günstig ausgegangen. Die<br />

auf Angriff und Offensive ausgebildeten Offiziere<br />

und Mannschaften <strong>waren</strong> unzufrieden<br />

und zweifelten schließlich am Sinn ihres<br />

„Die deutsche Flotte hat ihren Kerkermeister<br />

angegriffen, aber sie ist immer noch im Gefängnis.“<br />

Meldung einer New Yorker Zeitung nach der Skagerrakschlacht 1916.<br />

72


Von kämpferischem Naturell<br />

Dienstes. Der neue Flottenchef verspricht ihnen<br />

nun mehr Einsätze und höheres Risiko.<br />

Er kann zudem aufgrund seine Wesens und<br />

seines Charakters Optimismus<br />

und Zuversicht ausstrahlen.<br />

Dabei plä<strong>die</strong>rte Scheer unter<br />

den vorherigen Flottenchefs<br />

nicht gerade für Angriffsoperationen,<br />

sondern hat<br />

eher zurückhaltend agiert.<br />

Sein Sinneswandel mag<br />

auch auf den Einfluss<br />

zweier bewährter Linienschiffskommandanten<br />

zurückzuführen<br />

sein, <strong>die</strong> Scheer<br />

bewusst in seinen Stab holte:<br />

Chef des Stabes wurde Kapitän<br />

zur See Adolf von Trotha, Chef<br />

der Operationsabteilung der Kapitän<br />

zur See Magnus von Levetzow.<br />

Mit Übernahme seines neuen Amtes<br />

stellt Scheer <strong>die</strong> Seekriegführung in der<br />

Nordsee auch operativ um. Nun werden neben<br />

den Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern<br />

auch alle weiteren verfügbaren Seekriegsmittel<br />

wie Luftschiffe, Minenstreitkräfte<br />

und Unterseeboote in einer<br />

„verbundenen Operationsführung“ zusammengeführt<br />

und eingesetzt. Ziel aller Bemühungen<br />

ist immer noch <strong>die</strong> Seeschlacht unter<br />

günstigen Bedingungen, insbesondere gegen<br />

Teile der Grand Fleet – wobei man zuversichtlich<br />

auf einen Erfolg hofft.<br />

Das eher zufällige Aufeinandertreffen der<br />

Hochseeflotte und der Grand Fleet unter Admiral<br />

John Jellicoe (1859–1935) am 31. Mai<br />

1916 vor dem Skagerrak bietet schließlich eine<br />

solche Gelegenheit. Scheers Führung in<br />

der Schlacht wird allgemein als kraftvoll,<br />

Ausgestellt<br />

Diese Büste von Scheer stammt<br />

von dem Hamburger Künstler<br />

Dr. Fritz Bürger und wird in der<br />

Lehrsammlung der Marineschule<br />

gezeigt. Foto: Marineschule Mürwik<br />

entschlussfreudig und sicher beurteilt. Die<br />

dritte Gefechtskehrtwendung in den späten<br />

Abendstunden in <strong>die</strong> im „Crossing the T“<br />

voll entfaltete englische Flotte hinein wird<br />

jedoch als zu risikoreich, zumal ohne<br />

vorherige Aufklärung, eingestuft.<br />

Hier habe nur das Glück des Tüchtigen<br />

geholfen, war eine spätere Betrachtung.<br />

Letztlich wollte Scheer genauso<br />

wenig wie sein Gegner Jellicoe <strong>die</strong><br />

Schlacht durchschlagen. Ein späterer hoher<br />

Flaggoffizier der Kriegsmarine, der als Torpedobootskommandant<br />

<strong>die</strong> Schlacht an allen<br />

Brennpunkten miterlebt hat, schrieb später<br />

in privaten Aufzeichnungen: „So kühn<br />

Scheers Führung in der Schlacht war, <strong>die</strong> ihm<br />

mit den dabei errungenen Erfolgen stets einen<br />

Ehrenplatz in der Geschichte sichern<br />

wird, so hätte meines Erachtens erst der weitere<br />

Entschluss, am nächsten Morgen erneut<br />

zu kämpfen, ihn in <strong>die</strong> Reihen der ganz großen<br />

Führer erhoben…“.<br />

Insbesondere in den Torpedobootsflottillen<br />

wird <strong>die</strong>se Ansicht von vielen geteilt.<br />

Nach der Skagerrakschlacht erkennt<br />

Scheer, dass <strong>die</strong> Hochseeflotte nicht mehr<br />

kriegsentscheidend einzusetzen ist. Der uneingeschränkte<br />

U-Boot-Krieg war nun <strong>die</strong><br />

letzte Trumpfkarte der Kaiserlichen Marine.<br />

Damit ist jedoch zwangsläufig der Eintritt<br />

der USA in <strong>die</strong> Reihe der deutschen Kriegsgegner<br />

verbunden. Ohne Zweifel ist Scheer<br />

sich <strong>die</strong>ser Konsequenz bewusst, meint aber,<br />

sie tragen zu können und zu müssen, da nur<br />

so ein erfolgreicher Kriegsausgang für das<br />

Deutsche Reich noch zu erreichen war. Sein<br />

„kämpferisches Naturell“ (Friedrich Forstmeier)<br />

ließ ihn nur <strong>die</strong>sen Weg wählen.<br />

Starke Stellung<br />

Trotzdem bleibt <strong>die</strong> Hochseeflotte weiterhin<br />

der zentrale Ankerpunkt in seinem strategischen<br />

und auch operativen Denken. Hierbei<br />

aber neue Wege zu gehen, etwa mit einer<br />

durchaus möglichen offensiven Seekriegführung<br />

im englischen Kanal oder mit der kraftvollen<br />

Unterstützung des deutschen Heeres<br />

auf dessen Vormarsch im Baltikum, gelingt<br />

nicht. Dies wäre durchaus möglich und auch<br />

gegen andere Führungsstellen des Reiches<br />

durchsetzbar gewesen, denn Scheers Stellung<br />

war nach dem zumindest taktischen Erfolg<br />

gegen <strong>die</strong> englische Flotte in der Skagerrakschlacht<br />

sehr stark.<br />

Die Unruhen auf einigen Linienschiffen<br />

der eigenen Flotte im Jahr 1917 treffen Scheer<br />

völlig überraschend. Insbesondere angesichts<br />

BESUCH AN BORD: Dieses Foto zeigt den<br />

Großherzog von Baden, Friedrich II., bei einem<br />

Besuch bei Scheer auf dessen damaligem<br />

Flottenflaggschiff SMS BADEN am<br />

25. Mai 1918. Foto: Marineschule Mürwik<br />

FLOTTENFLAGGSCHIFF: An Bord des Großlinienschiffs<br />

SMS FRIEDRICH DER GROSSE führt<br />

Vizeadmiral Reinhard Scheer <strong>die</strong> Skagerrakschlacht<br />

der deutschen Hochseeflotte gegen<br />

<strong>die</strong> englische Grand Fleet am 31. Mai 1916.<br />

Foto: picture-alliance/WZ-Bild<strong>die</strong>nst<br />

Clausewitz 6/2014<br />

73


Feldherren<br />

SCHEER ALS NAMENGEBER: Stapellauf<br />

des Panzerschiffs ADMIRAL SCHEER am<br />

1. April 1933 in Wilhelmshaven.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

des untadeligen Verhaltens der Besatzungen<br />

in der Schlacht am Skagerrak kann der Flottenchef<br />

nicht verstehen, dass es Besatzungsmitglieder<br />

gibt, <strong>die</strong> nicht mit allem Diensteifer<br />

und höchster Hingabe ihre militärischen<br />

Aufgaben weiterhin zu erfüllen suchen.<br />

Dass der fehlende militärische Einsatz der<br />

Schiffe zur Unzufriedenheit beitragen würde,<br />

ist ihm durchaus bewusst. Dass aber<br />

auch mangelhafte und dilettantische Führung<br />

der Besatzungen durch Offiziere „seiner“<br />

Flotte dazu erheblich beitrugen, kann er<br />

nicht nachvollziehen. Auch ohne <strong>die</strong> Vollstreckung<br />

der Todesurteile gegen <strong>die</strong> Matrosen<br />

Max Reichpietsch und Albin Köbis wäre<br />

<strong>die</strong> Disziplin auf den betroffenen Schiffen<br />

wieder herzustellen gewesen. Die Maßnahmen,<br />

<strong>die</strong> Scheer einleitet, um <strong>die</strong> Besatzungen<br />

mehr an der Dienstgestaltung teilhaben<br />

zu lassen, sind halbherzig und können <strong>die</strong><br />

Kluft zwischen Offizieren und Mannschafts<strong>die</strong>nstgraden<br />

nicht mehr schließen.<br />

Chef der Seekriegsleitung<br />

Durchaus erfolgreich agiert Scheer bei der<br />

Schaffung einer effektiven Führungsstruktur<br />

für <strong>die</strong> Kaiserliche Marine. Er selbst hat oft<br />

„Wir dürfen aber auch ….nicht aus dem Auge<br />

und den Gefühl verlieren, dass <strong>die</strong> Seegeltung<br />

eines Staates nur getragen wird<br />

von einer kampffähigen Hochseeflotte.“<br />

Auszug aus dem Tagesbefehl von Admiral Scheer am 31. Januar 1917.<br />

erlebt, wie <strong>die</strong> verschiedenen Immediatstellen<br />

mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser<br />

eine straffe und den sich entwickelnden<br />

Ereignissen angepasste Führung verhinderten.<br />

Die kritische Lage des Reiches und <strong>die</strong><br />

Führungsschwäche von Kaiser Wilhelm II.<br />

erfordern kategorisch eine nun „Seekriegsleitung“<br />

genannte zentrale Führungsstelle,<br />

<strong>die</strong> im Hauptquartier angesiedelt ist und mit<br />

ZEITGENÖSSISCH: Nachricht eines Herrn<br />

Peter vom 30. November 1928, in der <strong>die</strong>ser<br />

Wilhelm Rollmann – vermutlich der spätere<br />

U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine – auf<br />

der Rückseite eines Fotos mitteilt, den „Sieger<br />

von Skagerrak“ zu Grabe getragen zu<br />

haben.<br />

Foto: Marineschule Mürwik<br />

der Obersten Heeresleitung (OHL) auf gleicher<br />

Ebene agieren konnte.<br />

Im August 1918 wird Scheer Chef der Seekriegsleitung,<br />

<strong>die</strong> Führung der Hochseeflotte<br />

geht auf Admiral Ritter von Hipper über.<br />

Strategische oder operative Auswirkungen<br />

hat <strong>die</strong>se Veränderung der Führungsstruktur<br />

nicht mehr, denn <strong>die</strong> Einleitung von Waffenstillstands-<br />

und Friedensverhandlungen<br />

am 28. September 1918 sollten <strong>die</strong> politische<br />

und militärische Lage von Grund auf ändern.<br />

Der U-Boot-Krieg wird gegen Scheers<br />

eigentliche Überzeugung eingestellt, umso<br />

mehr drängt er nun auf den Einsatz der noch<br />

intakten und einsatzfähigen Hochseeflotte.<br />

Ein bereits für 1917 ausgearbeiteter Operati-<br />

74


Tragische Momente<br />

onsplan wird aktualisiert. Dieser sieht einen<br />

massiven Angriff der Hochseeflotte gegen<br />

den englischen Kanal, <strong>die</strong> flandrische Küste<br />

und in <strong>die</strong> Themsemündung vor, verbunden<br />

mit Luftangriffen durch Zeppeline, Minenkrieg<br />

und U-Boot-Angriffen.<br />

Literaturtipps<br />

Epkenhans, M.; Hillmann, J.; Nägler, F. (Hrsg. ):<br />

Skagerrakschlacht. Vorgeschichte – Ereignis –<br />

Verarbeitung, München 2009.<br />

Hubatsch, Walter: Kaiserliche Marine. Aufgaben<br />

und Leistungen, München 1975.<br />

LETZTE RUHESTÄTTE: Scheer ist in Weimar<br />

in einem Ehrengrab zusammen mit seiner<br />

Ehefrau beigesetzt. Der Grabstein zeigt „seine“<br />

Admiralsflagge und das Wort „Skagerrak“.<br />

Foto: Sammlung Eberhard Kliem<br />

Schmerzliche Erfahrung<br />

Die militärischen Erfolgssausichten werden<br />

unterschiedlich beurteilt. Unbestritten ist<br />

aber, dass ein solches eigenständiges Vorgehen<br />

der Flotte den politischen Verhandlungen<br />

und Vorstellungen der Reichsregierung<br />

diametral entgegenstand. Scheer konnte<br />

nicht verstehen, dass – so schmerzlich <strong>die</strong>s<br />

für ihn persönlich, aber auch für das ältere<br />

Offizierkorps der Marine war – alle Ehr- und<br />

Pflichtgefühle hinter dem politischen Willen<br />

zurückstehen mussten. Als im Oktober 1918<br />

der von Scheer gebilligte und von Flottenchef<br />

Admiral Ritter von Hipper erteilte Auslaufbefehl<br />

von Teilen der Besatzungen einiger<br />

schwerer Einheiten nicht befolgt wird,<br />

kommt auch <strong>die</strong>s für Scheer und den Flottenstab<br />

überraschend. Diese Tatsache zeigt aber<br />

wiederum <strong>die</strong> bereits 1917 feststellbare Ferne<br />

des Führungskorps der Hochseeflotte<br />

vom realen Fühlen und Denken der Besatzungen.<br />

Heute ist klar: Das „Management“ der<br />

Befehlsverweigerungen war ungeschickt<br />

und unsicher. Auch hier zeigte sich <strong>die</strong> mangelnde<br />

Erfahrung der Kaiserlichen Marine<br />

im Gegensatz zur Grand Fleet. Diese hatte<br />

ebenfalls ähnliche und vergleichbare Situationen<br />

erlebt, sie aber mit Jahrhunderte alter<br />

Erfahrung besser gemeistert.<br />

Abschied und Tod<br />

Als durch <strong>die</strong> Verlegung der Einheiten nach<br />

Kiel der Funke der Revolution weiter getragen<br />

wird, ist <strong>die</strong> Hochseeflotte als militärisches<br />

Instrument unbrauchbar geworden.<br />

Am 17. Dezember 1918 erhält Scheer den erbetenen<br />

Abschied aus der Kaiserlichen Marine.<br />

Scheers späte Lebensjahre sind voller tragischer<br />

Momente. Seine Frau fällt 1920 einem<br />

Mordanschlag zum Opfer – möglicherweise<br />

politisch motiviert und eigentlich ihm<br />

geltend. Er selbst stirbt während einer Vortragsreise<br />

am 26. November 1928 in Marktredwitz<br />

in Oberfranken. Beerdigt ist er in<br />

Weimar. Neben den Geburts- und Sterbedaten<br />

finden sich auf dem Grabstein in Bronze<br />

gegossen <strong>die</strong> Admiralsflagge und das Wort<br />

„Skagerrak“.<br />

Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D.,<br />

zuletzt tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />

drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums<br />

in Wilhelmshaven.<br />

Numismatische Sammlerliteratur<br />

Was sind meine Banknoten,<br />

Münzen und Orden wert?<br />

Rosenberg/Grabowski:<br />

Die deutschen<br />

Banknoten ab 1871<br />

19. Auflage 2013,<br />

Format 14,8 x 21 cm,<br />

640 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-86646-553-4<br />

Preis: 24.90 EUR<br />

Kurt Jaeger:<br />

Die deutschen Münzen<br />

seit 1871<br />

23. Auflage 2013,<br />

Format 11,5 x 18,5 cm,<br />

928 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-86646-554-1<br />

Preis: 24.90 EUR<br />

Jörg u. Anke Nimmergut:<br />

Deutsche Orden und<br />

Ehrenzeichen 1800–1945<br />

20. Auflage 2014/2015,<br />

Format 12,5 x 19 cm,<br />

ca. 1000 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-86646-110-9<br />

Preis: 39.90 EUR<br />

Gerhard Schön:<br />

Euro<br />

Münzkatalog<br />

13. Auflage 2014,<br />

Format 12,5 x 19 cm,<br />

1152 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-86646-105-5<br />

Preis: 14.90 EUR<br />

Günter u. Gerhard Schön:<br />

Weltmünzkatalog<br />

20. Jahrhundert<br />

43. Auflage 2014/2015,<br />

Format 17 x 24 cm,<br />

über 1800 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-86646-108-6<br />

Preis: 49.90 EUR<br />

Ursula Kampmann:<br />

Die Münzen der<br />

römischen Kaiserzeit<br />

2. Auflage 2011,<br />

Format 17 x 24 cm,<br />

544 Seiten, Hardcover<br />

ISBN 978-3-86646-071-3<br />

Preis: 39.90 EUR<br />

BATTENBERG · GIETL VERLAG GMBH<br />

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Museen & Militärakademien<br />

Ehrenmale in Möltenort und Laboe<br />

Markante<br />

Wahrzeichen<br />

2014: Kiel ist bis heute ein bedeutender Marinestützpunkt. An der Kieler Förde erinnern<br />

zwei bedeutende Ehrenmale an <strong>die</strong> „auf See verstorbenen Marineangehörigen“ und <strong>die</strong><br />

„auf See gebliebenen U-Boot-Fahrer“.<br />

Von Joachim Schröder<br />

Der Film-Klassiker „Das Boot“ aus den<br />

1980er-Jahren hat einem Millionenpublikum<br />

in aller Welt den U-Boot-Krieg<br />

des Zweiten Weltkrieges nahe gebracht. Die<br />

ungeschminkte Darstellung der körperlichen<br />

und seelischen Qualen einer U-Boot-<br />

Besatzung (U 96 vom Typ VIIC) wurde zu<br />

recht mit einer Oskar-Nominierung belohnt.<br />

Jürgen Prochnow als Kapitänleutnant und<br />

Herbert Grönemeyer als Kriegsberichterstatter<br />

geben dem namenlosen Grauen in dem<br />

erfolgreichen Kinofilm ein Gesicht.<br />

Gewiss brachten <strong>die</strong> U-Boot-Fahrer in beiden<br />

Weltkriegen oft genug Tod und Vernichtung<br />

über den Gegner und versenkten Tausende<br />

von Schiffen, aber letztendlich <strong>waren</strong><br />

sie doch selbst auch Leidtragende ihrer Zeit.<br />

Es ist allgemein bekannt, dass <strong>die</strong><br />

U-Bootwaffe von allen Waffengattungen<br />

<strong>die</strong> höchsten Verlustzahlen<br />

zu verzeichnen hatte: Im<br />

Zweiten Weltkrieg blieben drei<br />

von vier U-Bootmännern auf See.<br />

Das U-Boot-Ehrenmal Möltenort<br />

im Seebad Heikendorf, unweit<br />

des weithin sichtbaren Marine-Ehrenmals<br />

Laboe, hält <strong>die</strong> Erinnerung<br />

an mehr als 35.000 U-Boot-Fahrer beider<br />

Weltkriege wach, für <strong>die</strong> ihre Boote im<br />

wahrsten Sinne des Wortes zu „eisernen Särgen“<br />

wurden. Boot für Boot und Mann für<br />

Mann werden auf schweren, in den Boden<br />

eingelassenen Bronzeplatten festgehalten,<br />

<strong>die</strong> wiederum in einem halbkreisförmigen<br />

RELIKT EINER TRAGÖDIE:<br />

Erinnerung an <strong>die</strong> wohl größte<br />

Schiffskatastrophe der Welt:<br />

Ein Bullauge der 1945 von<br />

einem sowjetischen U-Boot<br />

torpe<strong>die</strong>rten WILHELM<br />

GUSTLOFF. Sammlung: J. Schröder<br />

Gang angeordnet sind. Soweit<br />

bekannt sind <strong>die</strong> Angaben sehr detailliert<br />

und enthalten neben den<br />

Namen, Geburtsdaten und Diensträngen<br />

der einzelnen Besatzungsmitglieder auch<br />

den Ort, <strong>die</strong> Zeit und <strong>die</strong> genaue Ursache<br />

des Untergangs der Unterseeboote. Die<br />

schier endlosen Namenslisten zeigen in gleicher<br />

Weise bekannte Kapitäne wie unbe-<br />

MONUMENTAL: Das Marine-Ehrenmal<br />

in Laboe ist weithin sichtbares<br />

Wahrzeichen der Kieler Außerförde.<br />

Es bietet einen eindrucksvollen<br />

Rundblick über <strong>die</strong> Förde und<br />

das Umland von Laboe, in der unteren<br />

linken Bildhälfte ist U 995 gut<br />

zu erkennen.<br />

Foto: picture-alliance/Hinrich Bäsemann<br />

76


kannte U-Boot-Fahrer. So findet sich selbstverständlich<br />

auch Günther Prien, Kommandant<br />

von U 47, der für seine militärischen Erfolge<br />

in Scapa Flow 1939 als „Volksheld“ gefeiert<br />

wurde. Wer aber kennt schon <strong>die</strong><br />

Namen derer, deren U-Boote besonders in<br />

den letzten Kriegsmonaten beider Weltkriege<br />

kaum mehr als eine Feindfahrt überstanden?<br />

Gerade <strong>die</strong>ser Seeleute zu gedenken,<br />

ist <strong>die</strong> Aufgabe der Gedenkstätte in Heikendorf.<br />

Eine Bronzetafel verzeichnet zudem<br />

<strong>die</strong> in Friedenszeiten gesunkenen deutschen<br />

U-Boote: U 3 im Jahre 1911, U 18 im Jahre<br />

1936 und U „Hai“ im Jahre 1966.<br />

Zu Ehren der U-Boot-Fahrer<br />

Im Jahre 1930 als Denkmal für <strong>die</strong> Gefallenen<br />

des Ersten Weltkrieges eingeweiht, wurde<br />

das Ehrenmal bereits 1936 wegen Materialschäden<br />

wieder abgerissen und bis 1938<br />

neu errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

musste das Ehrenmal zwangsläufig neu ausgerichtet<br />

werden. In den beiden, mit vielen<br />

Kränzen geschmückten Ehrenhallen wird<br />

auch an <strong>die</strong> vielen Tausend Opfer des deutschen<br />

U-Boot-Krieges erinnert. Nach wie vor<br />

aber wird <strong>die</strong> Vorderfront des Ehrenmals dominiert<br />

von einem Seeadler, der mit einer<br />

Spannweite von 4,80 Meter auf einem über<br />

15 Meter hohen Sandsteinpfeiler thront.<br />

<strong>Wie</strong> beengt und spartanisch <strong>die</strong> U-Boot-<br />

Besatzungen samt ihrer Offiziere untergebracht<br />

<strong>waren</strong>, lässt sich im Seebad Laboe erkunden:<br />

Dort, nur rund fünf Kilometer von<br />

Heikendorf entfernt, ist direkt am Strand<br />

U 995 aufgestellt worden. Dieses Boot vom<br />

Typ VIIC/41 <strong>die</strong>nt heute als Technikmuseum.<br />

Von außen wirkt das U-Boot recht<br />

groß: U 995 misst immerhin 67,23 Meter in<br />

der Länge, der Durchmesser des Druckkörpers<br />

beträgt 4,70 Meter und <strong>die</strong> Gesamthöhe<br />

erreicht fast zehn Meter. Die in den Himmel<br />

gerichteten Fliegerabwehrkanonen (1 x 3,7-<br />

cm-Flak, 2 x 2-cm-Zwillings-Flak) können<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade<br />

<strong>die</strong> feindlichen Flugzeuge <strong>waren</strong>, <strong>die</strong> vielen<br />

U-Booten den Untergang brachten. Beachtenswert<br />

ist sicherlich das eigentümliche<br />

Abzeichen am Turm des U-Bootes: „Fang<br />

den Hut“ in Anlehnung an das bekannte<br />

Kinderspiel. Vermutlich wollte <strong>die</strong> Besatzung<br />

damit ausdrücken, dass aus Jägern<br />

längst Gejagte geworden <strong>waren</strong>.<br />

Geste der Versöhnung<br />

U 995 wurde im September 1943 in Dienst<br />

gestellt und absolvierte von Norwegen aus<br />

mehrere Feindfahrten im Nordmeer und vor<br />

der Murmanküste. Nach dem Kriege wurde<br />

U 995 von der norwegischen Marine übernommen<br />

und startete unter dem Namen<br />

„Kaura“ zu etlichen Unternehmungen. Im<br />

Jahre 1965 wurde <strong>die</strong> „Kaura“ als Zeichen<br />

der Versöhnung an Deutschland zurückgegeben.<br />

Nach jahrelangen Diskussionen<br />

über Kosten, Standort und Verwendung<br />

übernahm schließlich der Deutsche Marinebund<br />

das Boot und ließ es in langwieriger<br />

Arbeit wieder weitgehend in<br />

den ursprünglichen Zustand bei<br />

Kriegsende 1945 versetzen. So<br />

musste außen etwa der „Winter-<br />

Clausewitz 6/2014<br />

77


Museen & Militärakademien<br />

IM BUGTORPEDORAUM: Im Innern von<br />

U 995. Unten rechts ein offenes Torpedorohr<br />

mit Torpedo.<br />

Sammlung: J. Schröder<br />

GUT BESUCHT: U 995, das Boot von Laboe, ist seit Jahrzehnten ein Publikumsmagnet an<br />

der Kieler Förde.<br />

Sammlung: J. Schröder<br />

garten“ mit der Flakbewaffnung wieder hergerichtet<br />

werden. 1972 endlich wurde U 995<br />

in Laboe aufgestellt. Fertig zum Auslaufen<br />

ist U 995 heute natürlich nicht mehr, allerdings<br />

wird im Rahmen des International<br />

Museum Ships Weekend Radio Event alljährlich<br />

<strong>die</strong> Funkanlage in Betrieb genommen.<br />

Im Inneren des Bootes wird der meiste<br />

Platz von Maschinenanlagen, Technik, Torpedos<br />

und Tauchtanks beansprucht. Es ist<br />

eng an Bord. Der Besucher sollte sich vorab<br />

von unnötigem Ballast befreien, denn mit<br />

Rucksack, Tasche oder gar Stockschirm<br />

bleibt man schnell hängen oder stößt irgendwo<br />

an. 350.000 Menschen besuchen alljährlich<br />

<strong>die</strong>ses ganz besondere Museum. Wer in<br />

den frühen Vormittagsstunden kommt, entgeht<br />

<strong>die</strong>sem Touristenstrom und hat das<br />

Boot in der Regel fast für sich allein. Dann ist<br />

Zeit genug, Details zu betrachten und sich in<br />

Ruhe umzuschauen.<br />

Sechs-Zylinder Viertakt-Diesel wurden zwar<br />

immerhin zirka 113 Tonnen Öl gebunkert,<br />

<strong>die</strong>se reichten bei einer Höchstgeschwindigkeit<br />

von 17 Knoten über Wasser jedoch nur<br />

für etwa 3.250 Seemeilen. Selbst in der Zentrale<br />

ist kaum Platz: Hier befinden sich Seiten-<br />

und Tiefenruder, Turmein- beziehungsweise<br />

-ausstieg, Sehrohre und auch der Navigationstisch,<br />

der eigentlich nur <strong>die</strong> Größe<br />

einer Kladde hat. Über <strong>die</strong> beengten Schlafplätze<br />

muss wohl kein Wort mehr verloren<br />

werden.<br />

U 995 liegt direkt zu Füßen des weithin<br />

sichtbaren Marine-Ehrenmals des Deutschen<br />

Marinebundes in Laboe. Der 85 Meter hohe<br />

Turm ist unbestritten das Wahrzeichen der<br />

Kieler Förde. Während U 995 vorrangig als<br />

Touristenattraktion <strong>die</strong>nt und Alt und Jung<br />

anlockt, erfüllt das Ehrenmal eine andere<br />

Funktion. Dabei hat das in den Jahren 1927–<br />

1936 errichtete Ehrenmal im Laufe seiner Geschichte<br />

eine deutliche Wandlung erlebt. Zunächst<br />

symbolisierte es das Bestreben, Revanche<br />

zu nehmen für <strong>die</strong> von vielen<br />

Deutschen als tiefe Schmach empfundene<br />

Niederlage im Ersten Weltkrieg. Das 1945 bei<br />

Kriegsende von den Siegermächten beschlagnahmte<br />

Ehrenmal wurde erst 1954 an<br />

den Deutschen Marinebund zurückgegeben.<br />

Öffentliche Kritik führte in den 1990er-Jahren<br />

zu einer umfassenden Neugestaltung<br />

des Bauwerks. Heutzutage <strong>die</strong>nt das Ehrenmal<br />

unverkennbar dem Gedenken der Toten<br />

auf See aller Nationen. So ist es nur folgerichtig,<br />

wenn zum Beispiel auf einer besonderen<br />

Tafel der Gefallenen der US-amerikanischen<br />

U-Bootwaffe gedacht wird.<br />

Würdiges Gedenken<br />

Das Marine-Ehrenmal ist monumental: Die<br />

Größe des Geländes beträgt fast sechs Hektar.<br />

Unter den auf dem Außengelände prä-<br />

Weithin sichtbar<br />

Die Erinnerungen an „Das Boot“ lassen einen<br />

nicht los. U 995 entspricht trotz aller Modifizierungen<br />

im Wesentlichen U 96, dem<br />

Film-U-Boot, und daher fällt <strong>die</strong> Orientierung<br />

nicht schwer. Vom Heck aus arbeitet<br />

man sich über den E-Maschinenraum langsam<br />

Richtung Bug vor. Unendlich laut und<br />

heiß muss es bei Überwasserfahrt im Dieselmaschinenraum<br />

gewesen sein. Der schmale<br />

Stollengang ließ über<strong>die</strong>s kaum Platz für das<br />

Maschinenpersonal. Für <strong>die</strong> beiden MAN<br />

Literaturtipp<br />

Eckard Wetzel: U 995 – Das U-Boot vor dem<br />

Marine-Ehrenmal in Laboe, Stuttgart 2004.<br />

SEHENSWERT: Die seeseitige Vorderfront des U-Boot-Ehrenmals in Möltenort. Der Seeadler<br />

wurde mehrfach erneuert, zuletzt im Jahre 2013.<br />

Sammlung: J. Schröder<br />

78


Sehenswerte Anlagen<br />

Fesselnd.<br />

IMPOSANT: Die Backbordschraube des<br />

1946 gekenterten Schweren Kreuzers<br />

PRINZ EUGEN in Laboe. Sammlung: J. Schröder<br />

sentierten Exponaten dominiert <strong>die</strong> gewaltige<br />

Schraube des Schweren Kreuzers PRINZ<br />

EUGEN (Stapellauf 1938), genauer gesagt<br />

der Backbordpropeller. Die PRINZ EUGEN<br />

war nach dem Zweiten Weltkrieg mitsamt<br />

der deutschen Besatzung von der U.S. Navy<br />

übernommen und später für Atombombenversuche<br />

im Bikini-Atoll benutzt worden.<br />

Ihr Wrack liegt seit Dezember 1946 im<br />

seichten Gewässer des Kwajalein-<br />

Atolls, das ebenfalls zu den Marshall-<br />

Inseln im Südpazifik gehört. In den<br />

1970er-Jahren bargen Taucher der<br />

U.S. Navy den Backbordpropeller,<br />

der dann wieder den Weg nach<br />

Deutschland fand.<br />

Die im Jahre 2010 umfangreich<br />

neugestaltete „Historische Halle“<br />

bietet im Eingangsbereich Modelle<br />

berühmter Kriegsschiffe, alle<br />

einheitlich im Maßstab 1:50 gefertigt.<br />

Darunter befinden sich der<br />

Große Kreuzer SCHARNHORST<br />

(Stapellauf 1906), das Linienschiff FRIED-<br />

RICH DER GROSSE (Stapellauf 1911) und<br />

das Schlachtschiff BISMARCK (Stapellauf<br />

1939). Mehrere Schautafeln geben dazu einen<br />

fun<strong>die</strong>rten Überblick über <strong>die</strong> deutsche<br />

Marinegeschichte. Besonders eindrucksvoll<br />

KONTAKT<br />

U-Boot-Ehrenmal Möltenort<br />

An der Schanze, 24226 Heikendorf<br />

Öffnungszeiten: 1. April bis 30. September:<br />

täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr.<br />

1. Oktober bis 31. März: täglich von 9.00 bis<br />

16.00 Uhr.<br />

www.ubootehrenmal.de<br />

Marine-Ehrenmal Laboe/<br />

Technisches Museum U 995<br />

Strandstraße 92, 24234 Laboe<br />

Öffnungszeiten: 1. April bis 31. Oktober:<br />

täglich von 9.30 bis 18.00 Uhr.<br />

1. November bis 31. März: täglich von 9.30<br />

bis 16.00 Uhr.<br />

www.deutscher-marinebund.de<br />

ORIGINAL: Schiffsglocke<br />

der ADMIRAL<br />

HIPPER. Der Schwere<br />

Kreuzer wurde Anfang<br />

Mai 1945 gesprengt.<br />

IM ÜBERBLICK: Der Flaggenraum in Laboe<br />

präsentiert <strong>die</strong> Flaggen der verschiedenen<br />

deutschen Marinen. Sammlung: J. Schröder<br />

wird beispielsweise <strong>die</strong> Flucht Hunderttausender<br />

deutscher Zivilisten vor der Roten<br />

Armee dokumentiert. Ein Bullauge der im<br />

Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot<br />

torpe<strong>die</strong>rten WILHELM GUSTLOFF unterstreicht<br />

nachhaltig, wie vielen Menschen <strong>die</strong><br />

Flucht nicht gelungen ist.<br />

Die unterirdische „Gedenkhalle“ <strong>die</strong>nt<br />

als der zentrale Ort des Gedenkens und<br />

Erinnerns. 20 Pfeiler tragen <strong>die</strong> Kuppel<br />

<strong>die</strong>ser Halle. Hier, unter der Erde<br />

und bei gedämpftem Licht, stellt sich<br />

der Eindruck ein, sich tief unter<br />

Wasser zu befinden. Es ist ein Ort<br />

der Stille. Kränze, Blumengebinde<br />

und zahlreiche Gedenktafeln<br />

weisen auf <strong>die</strong> vielen Menschen<br />

hin, <strong>die</strong> auf See ihr Leben verloren<br />

haben.<br />

In der „Ehrenhalle“ des Turmes<br />

unterstreichen <strong>die</strong> Silhouetten<br />

aller gesunkenen deutschen<br />

Kriegs- und Handelsschiffe das<br />

ganze Ausmaß <strong>die</strong>ser Tragö<strong>die</strong>n auf See. Der<br />

„Flaggenraum“ präsentiert <strong>die</strong> Flaggen der<br />

deutschen Seestreitkräfte. Hier wird keine<br />

Flagge ausgespart, auch nicht <strong>die</strong> der Kriegsmarine.<br />

Interessanterweise führte bereits <strong>die</strong><br />

Flotte von 1848 als erste gesamtdeutsche Marine<br />

<strong>die</strong> schwarz-rot-goldene Flagge.<br />

Sammlung: J. Schröder<br />

Einmaliger Rundblick<br />

Von der oberen Aussichtsplattform des Ehrenmals<br />

in Laboe, <strong>die</strong> auch mit dem Aufzug<br />

zu erreichen und gut gesichert ist, hat der Besucher<br />

nicht nur einen herausragenden Blick<br />

über <strong>die</strong> Kieler Förde, Laboe und seine weitere<br />

Umgebung, sondern schaut auch direkt<br />

herab auf U 995. Es empfiehlt sich auf jeden<br />

Fall <strong>die</strong> Mitnahme eines Fernglases.<br />

Dr. Joachim Schröder, Jg. 1968, stu<strong>die</strong>rte Latein,<br />

Geschichte und Erziehungswissenschaften und promovierte<br />

1999 zum Dr. phil. Zu seinen Themenschwerpunkten<br />

als Autor zählen <strong>die</strong> deutsche Marine- und<br />

Kolonialgeschichte.<br />

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Hier fehlt nichts: Die komplette<br />

Entwicklung der deutschen U-Boote<br />

von der Kaiserlichen Marine über<br />

<strong>die</strong> Kriegsmarine bis zur Deutschen<br />

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Faszination Technik<br />

Auch als eBook erhältlich<br />

Clausewitz 6/2014


Ein Bild erzählt Geschichte<br />

Britisches Heldenepos<br />

„All that was left of them“<br />

Am 17. September 1901 befindet sich eine<br />

Schwadron der 17. Lancers („The Duke of Cambridge’s<br />

Own“) in der Nähe von Modderfontein<br />

bei Tarkastad. Das Kommando über <strong>die</strong> Kavallerie-Einheit<br />

hat Captain Sandeman, ein Cousin Winston<br />

Churchills. Ihr Auftrag ist das Aufspüren und<br />

Zerschlagen der Buren-Kommandos, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem<br />

Gebiet operieren. Doch an <strong>die</strong>sem Tag läuft es genau<br />

andersherum. 250 Buren unter dem Befehl von Jan<br />

Smuts entdecken <strong>die</strong> 130 Briten Sandemans zuerst<br />

und nutzen geschickt das Gelände sowie den aufziehenden<br />

Nebel als Tarnung. Da viele der Buren erbeutete<br />

britische Uniformen tragen, zögern <strong>die</strong> überrumpelten<br />

Engländer zunächst mit der Gegenwehr und<br />

laufen in das offene Feuer ihres aggressiv handelnden<br />

Widersachers. Ein heftiges Gefecht entbrennt, in<br />

dessen Verlauf 29 Briten das Leben verlieren, sowie<br />

41 verwundet werden. Die restlichen „Lancers“ geraten<br />

in Gefangenschaft. Die Buren verzeichnen einen<br />

Gefallenen und sechs Verletzte. Die Schlacht wird als<br />

„Battle of Elands River“ und als „Battle of Modderfontein“<br />

bekannt. Und obwohl es ein souveräner Sieg<br />

Jan Smuts‘ ist, wird der aufopferungsvolle Kampf der<br />

Briten zu Hause in einen moralischen Sieg umgedeutet.<br />

Man wird an „Le Dernier Carré“ bei Waterloo erinnert<br />

– den heldenhaften<br />

Untergang der letzten<br />

Soldaten Napoleons. Richard<br />

Caton Woodville<br />

(1856–1927) wählt für<br />

sein Gemälde „All that<br />

was left of them“ das finale<br />

Aufgebot der Briten<br />

auf einem steinigen Höhenzug.<br />

Umzingelt von einem<br />

im Bild unsichtbar<br />

bleibenden Gegner verteidigen <strong>die</strong><br />

letzten Lanzierer – angeschossen<br />

und blutend – aufrecht <strong>die</strong> Ehre des<br />

Empires im Angesicht der zahlenmäßig<br />

überlegenen und unfair kämpfenden<br />

(da in britische Kaki-Uniformen gekleidet)<br />

Buren. Das ist <strong>die</strong> zentrale<br />

Aussage des Bildes.<br />

Woodville – damals eine<br />

Berühmtheit unter den<br />

Historien- und Schlachtenmalern<br />

– deutet so <strong>die</strong> militärische Niederlage in ein<br />

Heldenepos um, das zeigt, dass sich <strong>die</strong> Briten<br />

nicht kampflos und feige ergeben.<br />

80


1899–1902: Zwischen Großbritannien und den beiden Burenrepubliken Oranje-Freistaat<br />

und Transvaal tobt der Zweite Burenkrieg. 1901 kommt es zu einem Gefecht<br />

bei Modderfontein, das Richard Woodville zu einem bekannten Gemälde inspiriert.<br />

Bis zur letzten Patrone: Die Briten ergeben sich<br />

erst, als sie ihre Munition verbraucht und ihre Pferde<br />

erschossen haben – genau <strong>die</strong> „Beute“, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Buren haben wollen. Das Gemälde zeigt das „letzte<br />

Aufgebot“ der Briten vor der Gefangennahme.<br />

Abb.: akg-images/De Agostini Picture Library<br />

Clausew itz 6/2014<br />

81


<strong>Vorschau</strong><br />

Kampf um Ostpreußen 1944/45<br />

Sturm auf den Nordosten des Deutschen Reiches<br />

Winter 1944/45: Drei Jahrzehnte nach den Siegen<br />

Hindenburgs über <strong>die</strong> russischen Armeen wird Ostpreußen<br />

erneut zum Kriegsschauplatz zwischen<br />

Deutschen und Russen – mit schrecklichen Folgen<br />

für <strong>die</strong> Zivilbevölkerung.<br />

Nr. 22 | 6/2014 | November-Dezember | 4.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

Fax +49 (0) 89.130699.700<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de<br />

Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur),<br />

Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Stefan Krüger, M.A.<br />

Chef von Dienst Christian Ullrich<br />

Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder,<br />

Dr. Peter Andreas Popp<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

Leserservice<br />

Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)<br />

Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.)<br />

leserservice@geramond.de<br />

Gesamtanzeigenleitung<br />

Rudolf Gruber<br />

Tel. +49 (0) 89.13 06 99.527<br />

rudolf.gruber@verlagshaus.de<br />

Anzeigenleitung<br />

Helmut Gassner<br />

Tel. +49 (0) 89.13 06 99.520<br />

helmut.gassner@verlagshaus.de<br />

Anzeigendisposition<br />

Johanna Eppert<br />

Tel. +49 (0) 89.13 06 99.130<br />

johanna.eppert@verlagshaus.de<br />

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 21 vom 1.1.2014.<br />

Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Infanteriestraße 11a,<br />

80797 München<br />

www.geramond.de<br />

Fotos: picture-alliance/akg-images; picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/dpa Fotografia<br />

82<br />

Invasion in der Schweinebucht 1961<br />

Kampf um Kuba<br />

17. April 1961: An der Südküste Kubas, der<br />

Schweinebucht, gehen in einer Nacht-und-Nebel-<br />

Aktion 1.500 Exilkubaner (im Bild) an Land. Das<br />

Ziel der vom Geheim<strong>die</strong>nst CIA vorbereiteten und<br />

von Präsident Kennedy genehmigten Invasion ist<br />

nichts weniger als der Sturz von Fidel Castro!<br />

Schlacht von St. Mihiel 1918<br />

Amerikanischer Vorstoß im Westen<br />

12. September 1918: Die 1. US-Armee<br />

beginnt ihren Angriff auf den deutschen<br />

Frontbogen bei St. Mihiel an der Maas,<br />

der seit 1914 wie ein Keil in <strong>die</strong> Front hineinragt.<br />

Es ist <strong>die</strong> erste selbstständige<br />

Operation der US-Truppen seit dem<br />

Kriegseintritt der USA.<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Chlodwig I. Der mächtige Herrscher aus der Merowinger-Dynastie.<br />

Musée de la Grande Guerre du Pays de Meaux. Das wegweisende Militärmuseum zum<br />

Ersten Weltkrieg in Frankreich.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, <strong>die</strong> sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

von<br />

erscheint<br />

am 1. Dezember 2014.<br />

Geschäftsführung Clemens Hahn<br />

Herstellungsleitung Sandra Kho<br />

Leitung Marketing und Sales Zeitschriften<br />

Andreas Thorey<br />

Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

SCHIFFClassic<br />

AUTO CLASSIC<br />

TRAKTOR CLASSIC<br />

FLUGMODELL<br />

ELEKTROMODELL<br />

SCHIFFSMODELL<br />

BAHN EXTRA<br />

LOK MAGAZIN STRASSENBAHN MAGAZIN Militär & Geschichte<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausland zzgl. Versandkosten<br />

Die Abogebühren werden unter der Gläubiger-Identifikationsnummer<br />

DE63ZZZ00000314764 des GeraNova<br />

Bruckmann Verlagshauses eingezogen. Der Einzug<br />

erfolgt jeweils zum Erscheinungstermin der Ausgabe,<br />

der mit der Vorausgabe ankündigt wird. Den aktuellen<br />

Abopreis findet der Abonnent immer hier im Impressum.<br />

Die Mandatsreferenznummer ist <strong>die</strong> auf dem<br />

Adressetikett eingedruckte Kundennummer.<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />

in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />

Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />

sowie direkt beim Verlag.<br />

ISSN 2193-1445<br />

© 2014 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />

in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts<br />

erwirbt der Verlag das ausschließliche<br />

Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte<br />

Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen.<br />

Gerichtsstand ist München. Verantwortlich<br />

für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />

für <strong>die</strong> Anzeigen: Rudolf Gruber, beide: Infanteriestraße<br />

11a, 80797 München.<br />

Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />

aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />

Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />

Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

veröffentlicht werden, <strong>die</strong>nen sie zur Berichterstattung<br />

über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />

<strong>die</strong> militärhistorische und wissenschaftliche<br />

Forschung. Wer solche Abbildungen aus <strong>die</strong>sem Heft<br />

kopiert und sie propagandistisch im Sinne von<br />

§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />

Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich<br />

von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.


Schiffe und Meer ...<br />

Das neue Schifffahrt-Magazin ist da!<br />

Jetzt am Kiosk!<br />

GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />

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Die erste Weihnachtsbaum-Skulptur mit<br />

3 fahrenden Zügen auf 4 Ebenen und Beleuchtung<br />

„Thomas Kinkades Wunderland-Express Weihnachtsbaum“<br />

Thomas Kinkade,<br />

preisgekrönter<br />

„Maler des Lichts TM“<br />

Sankt Nikolaus in seinem Rentier-<br />

Schlitten fliegt in <strong>die</strong> Heilige<br />

Nacht hinaus, und der verträumte<br />

Wunderland-Express „schlängelt“<br />

sich durch <strong>die</strong> schneebedeckte<br />

Landschaft des romantischen<br />

Weihnachtsbaumes. In<br />

dessen Zweige schmiegt sich ein<br />

nostalgisches Dörfchen mit herrlich<br />

be leuchteten Häusern. So sieht Winterzauber<br />

pur aus, und Sie können ihn sich jetzt nach Hause<br />

holen: mit „Thomas Kinkades Wunderland-<br />

Express Weihnachtsbaum“!<br />

Musik, fahrende Züge, warmes Licht<br />

Das beleuchtete Dörfchen, wie auch <strong>die</strong> Baumskulptur,<br />

wurden kunstvoll von Hand koloriert.<br />

Mehr als zwei Dutzend Figuren beleben <strong>die</strong> winterlich<br />

verschneite Szenerie, und warmes Licht<br />

strahlt aus den Fenstern der Häuser. Das hochwertige<br />

Musikwerk spielt ein Medley beliebter<br />

Weihnachts melo<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> Sie zum Träumen<br />

und Vorfreuen einladen. Ein solches Kunstwerk<br />

hat es noch nie gegeben: Genießen Sie <strong>die</strong>ses<br />

unvergleichliche Weihnachtsmärchen, das<br />

nach Motiven des weltberühmten „Malers des<br />

Lichts TM “, Thomas Kinkade, geschaffen wurde!<br />

Dieses Meisterwerk ist ausschließlich bei The<br />

Bradford Exchange erhältlich – reservieren<br />

Sie daher am besten noch heute und genießen<br />

Sie „Thomas Kinkades Wunderland-Express<br />

Weihnachtsbaum“!<br />

Mit Musik<br />

und Bewegung<br />

auf 4 Ebenen<br />

Der Nikolaus-Schlitten<br />

„fliegt“ um <strong>die</strong> beleuchtete<br />

Baumspitze!<br />

Mit 12 beleuchteten<br />

Häusern,<br />

fahrenden Zügen<br />

auf 3 Ebenen, mehr<br />

als 30 von Hand<br />

geschaffenen<br />

Figuren und<br />

weihnachtlichem<br />

Musikwerk<br />

12 beleuchtete<br />

Häuser und über<br />

30 Figuren –<br />

allesamt von<br />

Künstlerhand<br />

gefertigt<br />

©2014 Thomas<br />

Kinkade, The<br />

Thomas Kinkade<br />

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Antworten Sie bis zum 17. November 2014<br />

Ja,<br />

Bitte in Druckbuchstaben ausfüllen:<br />

74031<br />

ich reserviere <strong>die</strong> Baum-Skulptur<br />

„Thomas Kinkades Wunderland-Express Weihnachtsbaum“.<br />

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Geburtstdatum<br />

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Ich zahle in vier bequemen Monatsraten<br />

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