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CLAUSEWITZ Entscheidung an der Westfront (Vorschau)

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1/2013 J<strong>an</strong>uar | Februar €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SEK 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

P-51<br />

Must<strong>an</strong>g<br />

Der Albtraum<br />

<strong>der</strong> deutschen<br />

Luftwaffe<br />

Kriegsjahr 1918<br />

<strong>Entscheidung</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Westfront</strong><br />

Demj<strong>an</strong>sk 1942<br />

Falkl<strong>an</strong>dkrieg<br />

Feldherr,<br />

Pionier,<br />

„Vater <strong>der</strong><br />

L<strong>an</strong>dsknechte“<br />

Georg von<br />

Frundsberg<br />

Erich Ludendorff:<br />

Warum sein Pl<strong>an</strong> zur<br />

militärischen Nie<strong>der</strong>werfung<br />

Fr<strong>an</strong>kreichs scheiterte<br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

MUNGA<br />

IFA P3


Legenden<br />

<strong>der</strong> Lüfte<br />

Das neue<br />

Heft ist da.<br />

Jetzt am<br />

Kiosk!


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

im Frühjahr 1918 st<strong>an</strong>d die 8. Kriegs<strong>an</strong>leihe<br />

unter dem Motto „Der letzte<br />

Hieb“. Mit aller Macht suchte das<br />

Deutsche Reich die <strong>Entscheidung</strong> <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> und damit im Ersten<br />

Weltkrieg.<br />

Die „Michael-Offensive“ beg<strong>an</strong>n im<br />

März 1918 mit großer Wucht, doch<br />

die Alliierten leisteten erbitterten Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d.<br />

Schließlich kosteten die<br />

deutschen<br />

Frühjahrsoffensiven<br />

und die<br />

Gegenoffensiven<br />

<strong>der</strong> Entente-Mächte<br />

unzähligen<br />

Soldaten bei<strong>der</strong><br />

Seiten das<br />

Leben. Ein<br />

fr<strong>an</strong>zösischer<br />

Soldat beschrieb das Grauen auf den<br />

Schlachtfel<strong>der</strong>n und die ausweglose<br />

Lage <strong>an</strong> <strong>der</strong> Front als „nicht enden<br />

wollendes Massaker“.<br />

Im Zweiten Weltkrieg bot sich ein<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>es Bild: Deutsche P<strong>an</strong>zerverbände<br />

stießen ohne vergleichbaren Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d<br />

durch Belgien und Fr<strong>an</strong>kreich<br />

vor und erzielten enorme<br />

Geländegewinne. Der „Motor als Waffe“<br />

entschied innerhalb weniger Wochen<br />

den Krieg im Westen – dort, wo<br />

allein im Kriegsjahr 1918 auf deutscher<br />

und alliierter Seite ein Millionenheer<br />

Toter und Verwundeter zu beklagen<br />

gewesen war.<br />

Eine erkenntnisreiche Lektüre<br />

wünscht Ihnen Ihr<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Ver<strong>an</strong>twortlicher Redakteur<br />

P.S.: <strong>CLAUSEWITZ</strong>, das mo<strong>der</strong>ne Magazin<br />

für Militärgeschichte, bietet Ihnen alle<br />

zwei Monate erstklassige Beiträge.<br />

Seit Markteinführung ist <strong>der</strong> Heftpreis<br />

konst<strong>an</strong>t geblieben. Um Ihnen weiterhin<br />

Qualität auf hohem Niveau bieten zu<br />

können, müssen wir mit dieser Ausgabe<br />

den Heftpreis um 60 Cent erhöhen.<br />

Wir bitten um Ihr Verständnis. Als Abonnent<br />

genießen Sie selbstverständlich<br />

auch weiterhin 10 Prozent Preisvorteil.<br />

Und als beson<strong>der</strong>es Extra liegt diesem<br />

Heft das <strong>CLAUSEWITZ</strong>-Kalen<strong>der</strong>poster<br />

2013 bei!<br />

Titelbild: Deutsche Inf<strong>an</strong>terie beim Angriff auf die alliierten<br />

Stellungen in Fr<strong>an</strong>kreich im Rahmen <strong>der</strong> „Frühjahrsoffensiven“<br />

des Jahres 1918.<br />

Foto: ullstein bild<br />

Clausewitz 1/2013<br />

Inhalt<br />

Titelthema<br />

8 <strong>Westfront</strong> 1918. Die <strong>Entscheidung</strong>sschlachten im letzten Kriegsjahr<br />

22 Waffen und Taktik <strong>der</strong> Kriegsparteien. Technische und taktische Neuerungen<br />

28 Deutsche und alliierte Soldaten. Sinnloses Massensterben<br />

Magazin<br />

4 Archäologischer Park X<strong>an</strong>ten, Son<strong>der</strong>ausstellung „War Games“,<br />

Sammeltipp: „The Battle of Waterloo“-Modellbausatz, Englischsprachiges:<br />

„The Specialist“ – Sp<strong>an</strong>nen<strong>der</strong> Actionrom<strong>an</strong>, u.v.a.m.<br />

Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte<br />

32 Demj<strong>an</strong>sk 1942/43. Erbitterte Kesselschlacht im Osten<br />

40 Falkl<strong>an</strong>dkrieg 1982. Großbrit<strong>an</strong>niens „teurer“ Sieg über<br />

Argentinien<br />

Meinung<br />

46 Die Zukunft des Krieges. Eine Interpretation <strong>der</strong> Fakten<br />

Buchvorstellung<br />

48 Von Stalingrad in die Norm<strong>an</strong>die. Die dramatischen<br />

Erlebnisse des Eisenbahn-Pioniers Willy Reinshagen<br />

im Zweiten Weltkrieg<br />

Militär und Technik<br />

50 Geländewagen MUNGA <strong>der</strong> Bundeswehr<br />

und IFA P3 <strong>der</strong> NVA. Legenden auf vier Rä<strong>der</strong>n<br />

Militär und Technik<br />

58 Begleitjäger P-51 „Must<strong>an</strong>g“. Geleitschutz für<br />

die alliierten Bomberverbände<br />

Spurensuche<br />

66 US-Atomwaffenbasen des Kalten Krieges.<br />

Die Minutem<strong>an</strong> Missile Sites gestern und heute<br />

Feldherren<br />

72 Georg von Frundsberg. Der berühmte „Vater <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte“<br />

und seine wichtigsten Schlachten<br />

Museum<br />

78 Das Yorkshire Air Museum in Großbrit<strong>an</strong>nien.<br />

Beeindruckende Sammlung zur Luftfahrtgeschichte<br />

Ein Bild erzählt Geschichte<br />

80 Blüchers Rheinüberg<strong>an</strong>g bei Kaub 1813/14.<br />

Das berühmte Gemälde von Wilhelm Camphausen<br />

82 <strong>Vorschau</strong>/Impressum<br />

Seite 32<br />

Seite 72<br />

Titelfotos: ullstein bild; Dietmar Herm<strong>an</strong>n; BArch, Bild 101I-004-3644-28/Richard Muck (Fotoausschnitt); picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa;<br />

picture-alli<strong>an</strong>ce/Bildagentur-online/Sunny Celeste; picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images; Dirk Krüger;<br />

BArch, B 145 Bild-F027390-0004 (Foto bearbeitet, MUNGA freigestellt)<br />

Fotos: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection; ullstein bild; ullstein bild - dpa; picture-alli<strong>an</strong>ce/picture-alli<strong>an</strong>ce<br />

Seite 40


Clausewitz<br />

Magazin<br />

Die Ostseite des Bunkers in Bremen-<br />

Farge im Jahr 1943.<br />

Foto: L<strong>an</strong>deszentrale für politische<br />

Bildung/Staatsarchiv Bremen<br />

Südseite <strong>der</strong> ehemaligen U-Boot-Werft in Bremen-Farge.<br />

Foto: Harald Schwörer, photein.de<br />

Photovoltaik trifft auf Geschichte<br />

Phono-Solar-Module bilden erste PV-Anlage auf denkmalgeschütztem U-Boot-Bunker<br />

Phono Solar, globaler Hersteller für qualitativ<br />

hochwertige Lösungen im Bereich<br />

<strong>der</strong> erneuerbaren Energien, erweitert<br />

seine Tätigkeit auf dem deutschen<br />

Markt und investiert verstärkt in Einzelprojekte.<br />

Seit November 2011 fin<strong>an</strong>ziert Phono<br />

Solar das Projekt „Bunker Valentin“ – eine<br />

Photovoltaik<strong>an</strong>lage auf dem denkmalgeschützten<br />

U-Boot-Bunker „Valentin“ in Bremen-Farge.<br />

Es ist das erste Projekt dieser Art<br />

in Deutschl<strong>an</strong>d.<br />

Als Pächter des Daches trägt Phono Solar<br />

dazu bei, die Gedenkstätte für KZ-Häftlinge<br />

und Zw<strong>an</strong>gsarbeiter im Zweiten Weltkrieg<br />

zu erhalten.<br />

Der 1942 bis 1945 errichtete Bunker ist 426<br />

Meter l<strong>an</strong>g, bis zu 90 Meter breit und 30<br />

Meter hoch. Umgeben von bis zu sieben<br />

Meter dicken Mauern sollte hier eine riesige<br />

U-Boot-Werft entstehen. Der Gebäudekomplex<br />

wurde aufgrund des Kriegsverlaufs allerdings<br />

nie fertig gestellt.<br />

Bis 2015 sollen sämtliche Bauarbeiten am<br />

„Denkort Bunker Valentin“ abgeschlossen<br />

werden. Es ist ein Projekt, das dazu dienen<br />

soll, eine Gedenkstätte zu schaffen und aus<br />

dem Bunker einen historisch-politischen<br />

Lehrpfad zu machen. Fin<strong>an</strong>ziert wird das<br />

Projekt durch das L<strong>an</strong>d Bremen sowie vom<br />

Bund.<br />

Seit 2011 wird die Anlage zivil genutzt. Der<br />

Eigentümer des Bunkers ist die Bundes<strong>an</strong>stalt<br />

für Immobilienaufgaben (BImA). Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Größe, Ausrichtung und geringen<br />

Verschattung des Bunkers bot sich <strong>an</strong>,<br />

dort eine Photovoltaik<strong>an</strong>lage zu installieren.<br />

Unter strengen Auflagen wurde die PV-Anlage<br />

auf <strong>der</strong> unter Denkmalschutz stehenden<br />

Betondecke montiert.<br />

„Der Erhalt des Gebäudes kostet mehr als<br />

200.000 Euro im Jahr. Mit <strong>der</strong> Photovoltaik<strong>an</strong>lage<br />

und <strong>der</strong> Suche nach einem Investor<br />

hilft Phono Solar, diesen Ort <strong>der</strong> Erinnerung<br />

inst<strong>an</strong>d zu halten“, erklärt Rol<strong>an</strong>d Menken,<br />

Vizepräsident von Phono Solar Europe.<br />

KALENDER<br />

30. Dezember 1812<br />

Preußisch-russische<br />

Konvention<br />

Graf Yorck von Wartenburg und General von<br />

Diebitsch-Salbalk<strong>an</strong>skij, <strong>der</strong> auf russischer Seite<br />

kämpft, schließen die Konvention von Tauroggen.<br />

Als Oberbefehlshaber des preußischen<br />

Hilfskorps, das unter fr<strong>an</strong>zösischem Komm<strong>an</strong>do<br />

steht, erklärt Yorck von Wartenburg die Neutralität<br />

seiner Truppen. Die preußisch-russische<br />

Konvention gilt als F<strong>an</strong>al zum Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d gegen<br />

Napoleon.<br />

14. – 26. J<strong>an</strong>uar 1943<br />

Konferenz von Casabl<strong>an</strong>ca<br />

US-Präsident Fr<strong>an</strong>klin D. Roosevelt und <strong>der</strong> britische<br />

Premierminister Winston Churchill treffen mit ihren<br />

Delegationen in Casabl<strong>an</strong>ca zu einer Geheimkonferenz<br />

zusammen, um über das weitere militärische<br />

Vorgehen im Kampf gegen das „Dritte Reich“ zu<br />

beraten. Roosevelt for<strong>der</strong>t die bedingungslose<br />

Kapitulation <strong>der</strong> „Achsenmächte“, Deutschl<strong>an</strong>d,<br />

Italien und Jap<strong>an</strong>, die zu diesem Zeitpunkt militärisch<br />

bereits stark <strong>an</strong>geschlagen waren.<br />

US-Präsident<br />

Roosevelt und<br />

Mitglie<strong>der</strong> seiner<br />

Delegation in<br />

Casabl<strong>an</strong>ca.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

4


Rettung für Schiffswracks<br />

Archäologen starten ungewöhnliche Aktion<br />

Unterwasserarchäologen aus<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

wollen die Plün<strong>der</strong>ung und Zerstörung<br />

historischer Schiffswracks<br />

in <strong>der</strong> Ostsee stoppen. In<br />

den kommenden Monaten werden<br />

neben den Funden spezielle<br />

Hinweisschil<strong>der</strong> befestigt. Sie sollen<br />

Taucher über den Fund informieren<br />

und vor möglichen Beschädigungen<br />

warnen.<br />

Eine erste Tafel haben Forschungstaucher<br />

im Seegebiet<br />

vor Warnemünde bereits installiert.<br />

Sie ver<strong>an</strong>kerten im Meeresboden<br />

unmittelbar neben einem<br />

Schlepperwrack ein Schild mit<br />

Daten zum gesunkenen Schiff<br />

und seiner Geschichte. Der etwa<br />

100 Jahre alte Schlepper war vermutlich<br />

im o<strong>der</strong> kurz nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg untergeg<strong>an</strong>gen.<br />

Auf den Schil<strong>der</strong>n werden<br />

die Schiffe mit Grundrisszeichnungen<br />

vorgestellt und als<br />

archäologisches Denkmal ausgewiesen.<br />

Gepl<strong>an</strong>t sind außerdem<br />

auch Lehrgänge und Workshops<br />

zur <strong>an</strong>gemessenen<br />

Erkundung geschützter Unterwasserfunde.<br />

MUSEUMSTIPP<br />

Archäologischer Park X<strong>an</strong>ten<br />

Deutschl<strong>an</strong>ds größtes archäologisches Freilichtmuseum<br />

Der impos<strong>an</strong>te Hafentempel<br />

im LVR-Archäologischen<br />

Park X<strong>an</strong>ten.<br />

Foto: Axel Thünker DGPh<br />

Foto: GeraMond Verlag<br />

BUCHEMPFEHLUNG<br />

Helden auf vier Pfoten<br />

US-Journalist widmet neues Buch den Militärhunden<br />

Der US-Amerik<strong>an</strong>er L<strong>an</strong>ce<br />

Bacon betritt mit seinem<br />

Text-Bildb<strong>an</strong>d „Hunde im Einsatz“<br />

Neul<strong>an</strong>d. Der für seine<br />

journalistische Arbeit vielfach<br />

ausgezeichnete Redakteur <strong>der</strong><br />

Wochenzeitung „Army Times“<br />

erzählt die bisher wenig<br />

beachtete Geschichte <strong>der</strong> Hunde,<br />

die seit<br />

den Zeiten<br />

von Pharao<br />

Ramses II.<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Seite<br />

Sp<strong>an</strong>nende<br />

Geschichten<br />

des Menschen<br />

in<br />

den Krieg<br />

zogen. Mit<br />

großem<br />

Einfühlungsver-<br />

mögen und Detailwissen erzählt<br />

Bacon sp<strong>an</strong>nende Geschichten<br />

von Tapferkeit und<br />

Kameradschaft. Beeindruckende<br />

Bildstrecken zeigen<br />

Hunde in den Schützengräben<br />

<strong>der</strong> Weltkriege und in den<br />

Dschungeln Koreas o<strong>der</strong> Kubas.<br />

Die Texte und Bil<strong>der</strong> dokumentieren<br />

Mut und Einsatz<br />

<strong>der</strong> Tiere beim Abseilen<br />

aus Helikoptern, bei Patrouillen<br />

im Irak o<strong>der</strong> Afgh<strong>an</strong>ist<strong>an</strong>.<br />

L<strong>an</strong>ce Bacon: Hunde im Einsatz.<br />

Helden auf vier Pfoten, 160 Seiten,<br />

ca. 120 Abbildungen, Format<br />

21,5 x 28,3 cm, Hardcover<br />

mit Schutzumschlag, ISBN 978-<br />

3-86245-713-7, Preis 29,95<br />

EUR<br />

Auf dem Gelände <strong>der</strong> einstigen<br />

Römerstadt „Colonia Ulpia<br />

Trai<strong>an</strong>a“ lädt <strong>der</strong> LVR-Archäologische<br />

Park X<strong>an</strong>ten zu einem <strong>an</strong>regenden<br />

Ausflug in die Geschichte<br />

ein.<br />

Rund 400 Jahre l<strong>an</strong>g war X<strong>an</strong>ten<br />

einer <strong>der</strong> bedeutendsten römischen<br />

Orte in Germ<strong>an</strong>ien. An<br />

die 10.000 Menschen lebten in<br />

<strong>der</strong> impos<strong>an</strong>ten Stadt, die Kaiser<br />

Traj<strong>an</strong> um 100 n. Chr. zur „Colonia<br />

Ulpia Trai<strong>an</strong>a“ ern<strong>an</strong>nte.<br />

Dass das Gelände <strong>der</strong> mehr<br />

als 2.000 Jahre alten Stadt seit<br />

dem Mittelalter kaum besiedelt<br />

wurde, ist ein wahrer Glücksfall<br />

für die Archäologie. So können<br />

die kulturhistorischen überaus<br />

wertvollen Überreste <strong>der</strong> römischen<br />

Stadt seit 1977 im LVR-Archäologischen<br />

Park X<strong>an</strong>ten geschützt,<br />

erforscht und<br />

präsentiert werden.<br />

Im weitläufigen Grün des<br />

Parks vermitteln darüber hinaus<br />

originalgetreue Nachbauten wie<br />

<strong>der</strong> Hafentempel und das Amphitheater,<br />

die Stadtmauer,<br />

Wohnhäuser und Bade<strong>an</strong>lagen<br />

einen lebendigen Eindruck vom<br />

römischen Alltag in Germ<strong>an</strong>ien.<br />

Das neue, preisgekrönte LVR-<br />

RömerMuseum, bietet mit Führungen<br />

über die Ausgrabungen,<br />

H<strong>an</strong>dwerksvorführungen und<br />

Aktionsprogrammen vielfältige<br />

Anreize, sich <strong>der</strong> Römerzeit mit<br />

allen Sinnen zu nähern.<br />

Größere Ver<strong>an</strong>staltungen wie<br />

das Römerfest „Schwerter, Brot<br />

und Spiele“ und die Sommerfestspiele<br />

in <strong>der</strong> Arena füllen<br />

den Park auf beson<strong>der</strong>e Weise<br />

mit Leben.<br />

Kontakt:<br />

LVR-Archäologischer Park X<strong>an</strong>ten<br />

Besucherservice<br />

Tel.: 02801/988-9213<br />

E-Mail:<br />

x<strong>an</strong>ten@kulturinfo-rheinl<strong>an</strong>d.de<br />

www.apx.lvr.de<br />

22. J<strong>an</strong>uar 1963<br />

Deutsch-fr<strong>an</strong>zösische<br />

Zusammenarbeit<br />

Der fr<strong>an</strong>zösische Staatspräsident Charles<br />

de Gaulle und Bundesk<strong>an</strong>zler Konrad<br />

Adenauer unterzeichnen in Paris den<br />

„Elysée-Vertrag“. Der Vertrag sieht unter<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>em eine Abstimmung bei<strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />

über außenpolitische <strong>Entscheidung</strong>en vor.<br />

Bei regelmäßigen Zusammenkünften sollen<br />

darüber hinaus Verteidigungsfragen<br />

beh<strong>an</strong>delt werden.<br />

27. J<strong>an</strong>uar 1973<br />

Rückzug aus Vietnam<br />

Vertreter <strong>der</strong> USA, Nord- und Südvietnams<br />

sowie <strong>der</strong> provisorischen Revolutionsregierung<br />

in Südvietnam unterzeichnen in<br />

Paris ein Waffenstillst<strong>an</strong>dsabkommen.<br />

Zudem wird am gleichen Tag <strong>der</strong> Rückzug<br />

<strong>der</strong> letzten US-Truppen vereinbart. In den<br />

Vereinigten Staaten von Amerika lösen<br />

<strong>der</strong> Tod von fast 60.000 US-Soldaten und<br />

<strong>der</strong> militärische Misserfolg eine gesellschaftliche<br />

Krise aus.<br />

25. Februar 1713<br />

Friedrich Wilhelm I.,<br />

<strong>der</strong> „Soldatenkönig“<br />

Friedrich Wilhelm I. wird König. Zur Leitlinie<br />

<strong>der</strong> Politik des preußischen Monarchen wird<br />

die fin<strong>an</strong>zielle Beschränkung <strong>der</strong> Hofhaltung<br />

zugunsten des Aufbaus eines stehenden<br />

Heeres in Preußen. Bis zu seinem Tod<br />

im Jahr 1740 reorg<strong>an</strong>isiert er das Heerwesen<br />

und erhält den Beinamen „Soldatenkönig“.<br />

Sein Sohn wird wenig später als<br />

Friedrich II. Geschichte schreiben.<br />

König Friedrich Wilhelm I.,<br />

Gemälde von Knobelsdorff.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Clausewitz 1/2013<br />

5


Clausewitz<br />

Magazin<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

ENGLISCHSPRACHIGES<br />

Söldner versus<br />

Terroristen<br />

„The Specialist –<br />

Sulliv<strong>an</strong>’s Revenge“<br />

Jack Sulliv<strong>an</strong> ist Söldner. Er<br />

trinkt gerne Johnny Walker<br />

Black Label Whisky und<br />

raucht Lucky Strike. Mit einer<br />

h<strong>an</strong>dverlesenen Truppe – darunter<br />

<strong>der</strong> blonde Hüne Bruno<br />

Rolff – begibt er sich auf einen<br />

privaten Rachefeldzug gegen<br />

den britischen Condottiere<br />

Colonel Thatcher. Der Geisteszust<strong>an</strong>d<br />

des Colonels pendelt<br />

irgendwo zwischen Exzentrik<br />

und Wahnsinn. In seinem Ausbildungslager<br />

trainiert er Terroristen<br />

und unterhält eine<br />

Truppe, die er <strong>an</strong><br />

Diktatoren und<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>e Unholde<br />

vermietet.<br />

Bei einem Anschlag<br />

in Südfr<strong>an</strong>kreich<br />

tötete<br />

die Org<strong>an</strong>isation<br />

des „Blue M<strong>an</strong>“<br />

die Geliebte von<br />

Jack Sulliv<strong>an</strong>.<br />

Schwere Waffen, hinterhältige<br />

Rednecks, eine Terroristen-Armee,<br />

Kneipenschlägereien,<br />

Verfolgungsjagden und Messerstechereien:<br />

„The Specialist<br />

– Sulliv<strong>an</strong>’s Revenge“ von<br />

1984 liefert das volle Programm<br />

und quillt nur so über<br />

vor Klischees: eine krude Mischung<br />

aus Arnold Schwarzenegger<br />

und James Bond. Die<br />

Action ist „larger th<strong>an</strong> life“<br />

wie in einem Söldnerfilm aus<br />

den 1980er-Jahren (die ja seit<br />

„The Expendables“ wie<strong>der</strong> in<br />

Mode kommen) – aber immer<br />

Unterhaltsam und mit einigen<br />

unerwarteten Wendungen.<br />

Es h<strong>an</strong>delt sich um den dritten<br />

B<strong>an</strong>d einer mehrteiligen<br />

Reihe des Autors John Cutter,<br />

die aber alle auch unabhängig<br />

vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> lesbar sind. Die<br />

Bücher können recht einfach<br />

und preiswert bei den großen<br />

Internet-Buchhändlern (<strong>an</strong>tiquarisch)<br />

bezogen werden.<br />

Amüs<strong>an</strong>tes Popcornkino zwischen<br />

zwei Buchdeckeln!<br />

AUSSTELLUNGSTIPP<br />

„War Games“ – Kriegsspielzeug aus 100 Jahren<br />

Das Volkskunde Museum Schleswig präsentiert eine sehenswerte Son<strong>der</strong>ausstellung von<br />

28. Oktober 2012 bis 14. April 2013<br />

D<br />

as Volkskunde Museum <strong>der</strong><br />

Stiftung Schleswig-Holsteinische<br />

L<strong>an</strong>desmuseen Schloss<br />

Gottorf widmet sich in seiner<br />

neuen Son<strong>der</strong>ausstellung dem<br />

Thema „Kriegsspielzeug“.<br />

Mit zum Teil noch nie gezeigten<br />

Objekten aus den eigenen<br />

Sammlungsbeständen sowie zahlreichen<br />

Leihgaben aus Museen<br />

und privaten Sammlungen dokumentiert<br />

die Ausstellung Kriegs-,<br />

Militär- und Kampfspielzeug aus<br />

den letzten 100 Jahren. Von <strong>der</strong> Ritterburg<br />

bis zum Laserschwert,<br />

vom Zinnsoldaten bis zum „Ego-<br />

Shooter“ reicht die B<strong>an</strong>dbreite<br />

<strong>der</strong> Exponate, die die ungebrochene<br />

Faszination aber auch die<br />

Gefahren dieser beson<strong>der</strong>en Spielzeuggattung<br />

erlebbar machen.<br />

In den vier Abteilungen<br />

„Kaiserzeit“, „Nationalsozialis-<br />

SAMMELTIPP<br />

Modellbausatz<br />

für Nostalgiker<br />

The Battle of Waterloo<br />

In den 1970er-Jahren brachte <strong>der</strong><br />

britische Hersteller AIRFIX einen<br />

inzwischen fast schon legendären<br />

Bausatz zur „Schlacht aller<br />

Schlachten“ auf den Markt − das<br />

Set zu Waterloo 1815 im Maßstab<br />

1:72.<br />

Im Jahre 2009 gab es d<strong>an</strong>n die<br />

l<strong>an</strong>gersehnte Neuauflage. In<br />

dem großen Karton sind enthalten:<br />

je ein Satz britische und<br />

fr<strong>an</strong>zösische Inf<strong>an</strong>terie, Kavallerie<br />

und Artillerie. Dazu schottische<br />

Hochl<strong>an</strong>d-Inf<strong>an</strong>terie sowie<br />

Napoleons Kaiserliche Garde.<br />

Blüchers Preußen sind mit<br />

einem Satz Inf<strong>an</strong>terie vertreten.<br />

Zwei Bodenplatten, ein<br />

Farmhaus (Bausatz) mit Figuren<br />

und Zubehör sowie Farben,<br />

Pinsel und Klebstoff vervollständigen<br />

das Set. Die Qualität<br />

<strong>der</strong> Figuren k<strong>an</strong>n sicherlich<br />

nicht mit aktuellen Produkten<br />

mus“, „Nachkriegszeit“ und<br />

„Gegenwart“ werden die wichtigsten<br />

Kriegsspielzeuge <strong>der</strong><br />

entsprechenden Epoche vorgestellt<br />

und in den Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

<strong>der</strong> zeitgenössischen Erziehungsideale<br />

gestellt.<br />

Neben <strong>der</strong> kleinen aber sehenswerten<br />

Son<strong>der</strong>ausstellung<br />

bietet das Museum auf dem Hesterberg<br />

seinen Besuchern ein<br />

www. AIRFIX .com<br />

Foto: Hornby Hobbies Ltd 2012<br />

von Herstellern wie Italeri o<strong>der</strong><br />

Zvezda mithalten. Der Nostalgie-<br />

und Kultfaktor speziell dieses<br />

Airfix-Bausatzes ist aber unschlagbar<br />

und für alle, die das<br />

Set noch aus ihrer Jugend kennen,<br />

eine schöne Kindheitserinnerung.<br />

Das Coverartwork ist beinahe<br />

so gut gelungen wie auf<br />

<strong>der</strong> Originalbox vor 40 Jahren.<br />

Wer schon immer einmal − bzw.<br />

wie<strong>der</strong> − in die Fußstapfen von<br />

Captain William Siborne (siehe<br />

„Wellington’s Smallest Victory“<br />

von Peter Hofschröer) treten<br />

wollte, <strong>der</strong> sollte sich auf die<br />

Suche nach diesem Kleinod machen.<br />

Lei<strong>der</strong> ist auch die Neuauflage<br />

schon wie<strong>der</strong> vergriffen<br />

und die Preise dafür haben erheblich<br />

<strong>an</strong>gezogen. Wer nicht<br />

wie<strong>der</strong> Jahrzehnte warten will,<br />

<strong>der</strong> sollte dennoch zugreifen.<br />

Ein P<strong>an</strong>zerwagen-Metallbaukasten<br />

<strong>der</strong> Firma<br />

Märklin aus den 1920er-<br />

Jahren.<br />

Foto: Stiftung Schleswig-<br />

Holsteinische L<strong>an</strong>desmuseen<br />

Schloss Gottorf<br />

vielfältiges Angebot zur Geschichte<br />

und Kulturgeschichte<br />

Schleswig-Holsteins.<br />

Kontakt:<br />

Volkskunde Museum Schleswig<br />

Suadic<strong>an</strong>istraße 46-54<br />

24837 Schleswig<br />

Info-Telefon: 04621 / 9676-0<br />

E-Mail:<br />

volkskunde@schloss-gottorf.de<br />

67<br />

Jahre und elfeinhalb Monate war<br />

<strong>der</strong> 1830 in Wien geborene Fr<strong>an</strong>z<br />

Joseph I. aus dem Hause Habsburg-<br />

Lothringen Kaiser von Österreich.<br />

Begleitet von <strong>der</strong> militärischen Nie<strong>der</strong>lage<br />

im Ersten Weltkrieg und<br />

durch das innere Zerbrechen des<br />

Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn<br />

läutete sein Tod im November 1916<br />

schließlich den Unterg<strong>an</strong>g <strong>der</strong><br />

österreichisch-ungarischen Monarchie<br />

im Jahr 1918 ein.<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

6


Briefe <strong>an</strong> die Redaktion<br />

Zu „Ulysses S. Gr<strong>an</strong>t und Robert E.<br />

Lee“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2012:<br />

Ich möchte Sie auf eine Ungereimtheit in<br />

dem Artikel von Michael Solka hinweisen.<br />

Er schreibt hier zunächst: „…was<br />

schließlich zu Lees Kapitulation im Gerichtsgebäude<br />

von Appomattox führte.“<br />

Und etwas später heißt es d<strong>an</strong>n in <strong>der</strong><br />

Bildunterschrift auf S. 79: „… Das Wohnhaus<br />

des Farmers McLe<strong>an</strong> wird ausgewählt,<br />

weil das örtliche Gerichtsgebäude<br />

geschlossen ist.“<br />

Meines Wissens stimmt die zweite Version<br />

[…]. Auf alle Fälle stehen sich die beiden<br />

Aussagen in diesem Artikel ja konträr<br />

gegenüber. Stef<strong>an</strong> Jenninger, per E-Mail<br />

Anm. d. Red.:<br />

Der Leser hat Recht. Robert E. Lee und<br />

Ulysses S. Gr<strong>an</strong>t trafen sich Privathaus<br />

<strong>der</strong> McLe<strong>an</strong>s.<br />

Zu „Warum die USA den Vietnamkrieg<br />

verloren“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2012:<br />

Mit Freuden habe ich den Artikel „Warum<br />

die USA den Vietnamkrieg verloren“ […]<br />

gelesen. Ich denke, dass <strong>der</strong> eigentliche<br />

Konflikt „Vietnam“ zu umf<strong>an</strong>greich ist, um<br />

ihn auf einer Seite ausreichend zu beschreiben.<br />

Dennoch hat Herr Feulner es<br />

aus meiner Sicht sehr gut hinbekommen<br />

und wirklich das Wesentliche erfasst.<br />

Ich selber habe mich auch ausgiebig mit<br />

dem Thema Vietnamkrieg beschäftigt und<br />

würde mich freuen, wenn m<strong>an</strong> auf die<br />

Frage, die sich in <strong>der</strong> Überschrift verbirgt,<br />

einmal ausführlicher in einer etwas längeren<br />

Abh<strong>an</strong>dlung eingehen könnte, da es<br />

– wie ich finde – ein sehr sp<strong>an</strong>nendes<br />

Thema ist, welches so (lei<strong>der</strong>) nicht oft<br />

abgeh<strong>an</strong>delt wird.<br />

Christi<strong>an</strong> Matthiesen, per E-Mail<br />

Ort großer Geschichte: Im „McLe<strong>an</strong> House“<br />

unterzeichnete General Lee am 9. April<br />

1865 die Kapitulation <strong>der</strong> Nord-Virginia-<br />

Armee. Foto: Verlag für Amerik<strong>an</strong>istik<br />

(Dietmar Kuegler)<br />

Zu „Warum die USA den Vietnamkrieg<br />

verloren“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 6/2012:<br />

Der Darstellung und den gezogenen<br />

Schlüssen aus dem dargestellten Sachverhalt<br />

k<strong>an</strong>n ich nicht folgen. Es wird [auf die]<br />

Internationalisierung des Konflikts auf beiden<br />

Seiten nicht genügend eingeg<strong>an</strong>gen.<br />

Der Autor stellt den Konflikt als eine Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />

zwischen den USA als Unterstützer<br />

des „westlichen“ Südvietnams<br />

auf <strong>der</strong> einen Seite und den kommunistischen<br />

Vietcong unterstützt vom „östlichen“<br />

Nordvietnam dar.<br />

Zu gering ist die Herausstellung <strong>der</strong> Unterstützung<br />

Nordvietnams durch die Volksrepublik<br />

China […], <strong>der</strong> Sowjetunion […]<br />

aber auch Nordkoreas […] sowie Kubas<br />

mit möglicherweise Tausenden Militärberatern<br />

[…]. Ebenfalls k<strong>an</strong>n die direkte<br />

Kriegsbeteiligung auf „westlicher“ Seite<br />

durch Südkorea […], Australien […], Thail<strong>an</strong>d,<br />

Philippinen, Neuseel<strong>an</strong>d und Laos<br />

nicht <strong>an</strong> die darstellerische Peripherie geschoben<br />

werden. Auch die fin<strong>an</strong>zielle Unterstützung<br />

Südvietnams durch die USA<br />

[und] Nordvietnams durch die Sowjetunion<br />

muss stark berücksichtigt werden.<br />

[…] Der militärische Sieg war auch ein<br />

Sieg <strong>der</strong> Volksrepublik China und <strong>der</strong> Sowjetunion,<br />

nicht allein o<strong>der</strong> sogar weniger<br />

Nordvietnams. Es h<strong>an</strong>delte sich mehr um<br />

einen Krieg zwischen den USA und <strong>der</strong><br />

Sowjetunion […]. […] Bei dieser Betrachtung<br />

stellt sich die Frage, wer l<strong>an</strong>gfristig im<br />

großen Rahmen <strong>der</strong> Sieger war. Die Ressourcen<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion wurden soweit<br />

überbe<strong>an</strong>sprucht, dass <strong>der</strong> Keim für den<br />

Nie<strong>der</strong>g<strong>an</strong>g <strong>der</strong>selben gelegt wurde. Die<br />

USA verloren zwar militärisch den Krieg,<br />

gew<strong>an</strong>nen aber im großen Rahmen wirtschaftlich<br />

den Kalten Krieg[…].<br />

Stef<strong>an</strong> Punct, Berlin, per E-Mail<br />

Antwort des Autors:<br />

[…] Die Konflikte in Vietnam passierten<br />

über einen Zeitraum von über 30 Jahren,<br />

die Ursachen dafür liegen jedoch noch<br />

weiter zurück, u.a. in den Kolonialbestrebungen<br />

<strong>der</strong> westlichen Welt. [Aufgrund<br />

des zur Verfügung stehenden Platzes]<br />

musste [ausgewählt] werden, was für die<br />

USA im „amerik<strong>an</strong>ischen Krieg“ wichtig<br />

ist. Der Vietnamkrieg war zweifelsohne <strong>der</strong><br />

Machtkampf <strong>der</strong> Blöcke Ost gegen West.<br />

Die [...] Aufzählung Verbündeter [...] bringt<br />

im Rahmen [...] <strong>der</strong> Fragestellung nicht<br />

viel, zumal diese Daten ja auch über<br />

schnell über [St<strong>an</strong>dardwerke] abgefragt<br />

werden können. Auch waren ursprünglich<br />

viele <strong>der</strong> verbündeten Truppen zur Ausbildung<br />

südvietnamesischer Truppen und<br />

zur Sicherung von Basen abgestellt, die<br />

d<strong>an</strong>n später auch durch Straßenpatrouillen<br />

und vollwertige Kampfeinsätze ergänzt<br />

wurden. Natürlich war Vietnam − wie auch<br />

heutige Kriegsschauplätze − einfach nur<br />

ein Trainingsplatz, um eigene Ausrüstung,<br />

Taktiken und Fähigkeiten etc. zu testen<br />

[…]. Die Unterstützer z.B. aus Südkorea<br />

kamen/kommen häufig in Publikationen<br />

Schreiben Sie <strong>an</strong>:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de o<strong>der</strong><br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

(o<strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> medialen Darstellung) zu<br />

kurz und werden damit lei<strong>der</strong> zu peripheren<br />

Erscheinungen, die unter „ferner liefen...“<br />

abgebucht werden. Natürlich wäre<br />

hier eine entsprechende Würdigung auch<br />

<strong>an</strong>gebracht […] – auch wenn <strong>der</strong>en Einsatz<br />

nur wenig zum Aufrechterhalten <strong>der</strong><br />

US-Präsenz beitrugen.<br />

In einem Krieg zählt oftmals die Menge <strong>an</strong><br />

Soldaten, die eine Armee in den Kampf<br />

schicken k<strong>an</strong>n […]. „Sozialistische Bru<strong>der</strong>hilfe“<br />

wird genauso wie „kapitalistische<br />

Entwicklungshilfe“ natürlich von jedem<br />

gerne genommen – und auch in Vietnam<br />

geschah das. Die Versorgungswege von<br />

China nach Nordvietnam und das Angriffsverbot<br />

bestimmter Anlagen und Regionen<br />

spielten natürlich dem Norden in die Hände.<br />

Der Vietcong war ab <strong>der</strong> fehlgeschlagenen<br />

Tet-Offensive für l<strong>an</strong>ge Zeit quasi<br />

kampfunfähig bzw. ausgelöscht, da sich<br />

die erhofften Aufstände im Süden nicht<br />

eingestellt hatten.<br />

Wenn Sie nach dem großen Rahmen und<br />

einem Sieger fragen, d<strong>an</strong>n lautet die Antwort<br />

eindeutig: USA. Die UdSSR konnte<br />

sich den g<strong>an</strong>zen Rüstungswettlauf […]<br />

nicht leisten […].<br />

[…]<br />

Im Großen und G<strong>an</strong>zen sehe ich doch,<br />

dass Sie meiner Meinung folgen und dass<br />

die <strong>an</strong>gesprochenen unterrepräsentierten<br />

Fakten in wirtschaftlicher, militärischer und<br />

politischer Hinsicht […] in meinem Artikel<br />

stecken. […] Fre<strong>der</strong>ick Feulner<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung <strong>der</strong> Redaktion wi<strong>der</strong>. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe aus Gründen <strong>der</strong> Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />

sinnwahrend zu kürzen.<br />

Zeitgeschichte<br />

In dieser Rehie berichten Augenzeugen<br />

von damals und machen in Briefen,<br />

Tagebüchern und Berichten Geschichte<br />

lebendig. Sachkundig kommentiert durch<br />

die Herausgeber, allesamt Historiker und<br />

Publizisten, entstehen so unmittelbare,<br />

fesselnde Darstellungen von Wegmarken<br />

<strong>der</strong> Geschichte.<br />

432 Seiten, Format 140 x 207 mm<br />

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Maria Theresia war die Gegenspielerin<br />

von Friedrich dem Großen und beide<br />

waren herausragende Herrschergestalten<br />

des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Ihre Kriege verän<strong>der</strong>ten<br />

das Gesicht des Alten Kontinents.<br />

Doch wie waren sie als Mensch, wie<br />

lebten, fühlten und dachten sie? Dieser<br />

Frage geht diese Reihe nach.<br />

553 Seiten, Format 140 x 205 mm<br />

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Titelgeschichte<br />

Kriegsjahr 1918 – Die Offensiven <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong><br />

Zum Erfolg<br />

8


verdammt<br />

21. März 1918: Unternehmen „Michael“ beginnt. Die Großoffensive soll den entscheidenden<br />

Durchbruch gegen die Alliierten erzwingen. Die deutsche Militärführung weiß:<br />

Scheitert <strong>der</strong> Angriff, d<strong>an</strong>n werden die Folgen verheerend sein... Von Bruno Thoß<br />

STURMANGRIFF:<br />

Deutsche Truppen erobern im Rahmen <strong>der</strong><br />

„Märzoffensive“ eine fr<strong>an</strong>zösische Stellung<br />

– unterstützt werden die Angreifer von einer<br />

Flammenwerfereinheit, vermutlich Filmfoto.<br />

Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

Clausewitz 1/2013<br />

9


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

VERWUNDET:<br />

Britische und deutsche Soldaten marschieren<br />

durch St. Quentin. Zehntausende alliierte<br />

Soldaten geraten während <strong>der</strong> deutschen<br />

„Frühjahrsoffensiven“ des Jahres 1918 in<br />

Gef<strong>an</strong>genschaft. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

10


Verlustreiche Angriffe<br />

FAKTEN<br />

Befehlshaber:<br />

Erich Ludendorff (Oberste Heeresleitung)<br />

Georg von <strong>der</strong> Marwitz (2. Armee)<br />

Otto von Below (17. Armee)<br />

Oskar von Hutier (18. Armee)<br />

Geschütze: circa 6.500<br />

Mörser: circa 3.500<br />

Flugzeuge: circa 740<br />

Deutsches Reich (St<strong>an</strong>d: „Michael-Offensive“)<br />

Stärke: 3 Armeen (insgesamt 42 Divisionen)<br />

Verluste: etwa 239.000 Gefallene und Verwundete<br />

Clausewitz 1/2013<br />

11


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

FAKTEN<br />

Befehlshaber:<br />

Philippe Pétain (Generalstabschef), Ferdin<strong>an</strong>d Foch (seit April<br />

1918 Oberbefehlshaber <strong>der</strong> alliierten Streitkräfte in Fr<strong>an</strong>kreich)<br />

Douglas Haig (Oberbefehlshaber British Expeditionary Force)<br />

Juli<strong>an</strong> Byng (Britische 3. Armee)<br />

Hubert Gough (Britische 5. Armee)<br />

Geschütze: circa 2.500<br />

Mörser: circa 1.400<br />

Flugzeuge: circa 600<br />

Alliierte (St<strong>an</strong>d: dt. „Michael-Offensive“)<br />

Stärke: Britische 3. und 5. Armee (insgesamt 35 Divisionen),<br />

Teile <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zösischen 5. Armee<br />

Verluste: circa 212.000 Gefallene und Verwundete<br />

circa 90.000 Gef<strong>an</strong>gene<br />

12


Massive Gegenwehr<br />

GESPANNTE ATMOSPHÄRE:<br />

Alliierte Soldaten sind hinter Eisenbahngleisen<br />

in Stellung geg<strong>an</strong>gen. Sie warten auf die<br />

deutschen Angreifer, die mit ihren Offensiven<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> die <strong>Entscheidung</strong> suchen.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection<br />

Clausewitz 1/2013<br />

13


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

ABWEHRBEREIT: Britische Artillerie nimmt<br />

die deutschen Angreifer unter Feuer.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/maxppp<br />

Ohne einen entscheidenden Sieg sind<br />

we<strong>der</strong> die extrem hohen Kriegsverluste<br />

zu rechtfertigen noch die politisch-territorialen<br />

For<strong>der</strong>ungen durchzusetzen,<br />

die m<strong>an</strong> als notwendige Faustpfän<strong>der</strong><br />

für die Zukunft des Deutschen Reiches als<br />

Weltmacht <strong>an</strong>sieht. Das ist die feste Überzeugung<br />

<strong>der</strong> deutschen militärischen Führung.<br />

Und Kaiser Wilhelm II. stimmt darin<br />

vorbehaltlos mit seinen militärischen Beratern<br />

überein.<br />

Tatsächlich stehen die militärischen Voraussetzungen<br />

für die Mittelmächte im<br />

vierten Kriegsjahr dafür günstiger<br />

als in allen vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>genen Jahren.<br />

Im Osten k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> dem geschlagenen<br />

Gegner in l<strong>an</strong>gwierigen<br />

Verh<strong>an</strong>dlungen weitreichende Friedensbedingungen<br />

diktieren. Auf<br />

dem Balk<strong>an</strong> mussten auch die Rumänen<br />

inzwischen die Waffen strecken.<br />

Mit deutscher Unterstützung<br />

wurde schließlich im Herbst 1917<br />

die jahrel<strong>an</strong>g festliegende Isonzo-<br />

Front durchbrochen und den Italienern<br />

eine schwere Nie<strong>der</strong>lage beigebracht.<br />

Damit sind die deutschen<br />

Verbündeten vorerst <strong>an</strong> allen Fronten<br />

militärisch abgesichert. Die deutsche<br />

Seite verfügt zudem erstmals<br />

seit Kriegsbeginn mit ihren 1,4 Millionen<br />

Soldaten <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> zumindest<br />

zeitweilig über ein Kräfteübergewicht.<br />

Wenn m<strong>an</strong> die gegnerische Front im Westen<br />

freilich strategisch auswertbar durchbrechen<br />

will, d<strong>an</strong>n ist das Zeitfenster dafür<br />

denkbar schmal. Mit dem Kriegseintritt <strong>der</strong><br />

USA auf Seiten <strong>der</strong> Entente1917 fließen seither<br />

nämlich nicht nur erhebliche wirtschaftliche<br />

Unterstützungen über den Atl<strong>an</strong>tik.<br />

Auch die militärische Aufrüstung in<br />

Amerika selbst kommt zunehmend vor<strong>an</strong>.<br />

Die bisl<strong>an</strong>g zur Ausbildung nach Fr<strong>an</strong>kreich<br />

verbrachten 287.000 US-Soldaten sind<br />

zwar längst noch nicht einsatzbereit. Im<br />

Laufe des Jahres 1918 werden die USA aber<br />

insgesamt zwei Millionen M<strong>an</strong>n nach<br />

Fr<strong>an</strong>kreich verschiffen. Für ihre Ausbildung<br />

und Ausrüstung sind jedoch zunächst<br />

26 Monate ver<strong>an</strong>schlagt.<br />

Warten auf die US-Truppen<br />

Aus alliierter Sicht erscheint daher erst das<br />

Kriegsjahr 1919 zur Kriegsentscheidung geeignet.<br />

Dafür spricht auch <strong>der</strong> Zust<strong>an</strong>d <strong>der</strong><br />

Ententetruppen. In <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Armee<br />

ist es 1917 bei den Frontdivisionen zu<br />

Meutereien gekommen, die Teile davon<br />

zeitweilig lahmlegten. M<strong>an</strong> sieht sich daher<br />

gezwungen, monatel<strong>an</strong>g zu einer die<br />

TRANSKRIPTION<br />

Angriffsbefehl für das<br />

Unternehmen „Michael“<br />

1.) Michael findet pl<strong>an</strong>mäßig statt.<br />

2.)Heeresgpe. Kronprinz Rupprecht u. Dt.<br />

Kprz. (Wilhelm) führen zu gepl<strong>an</strong>ten Stunden<br />

einen lebhaften Artilleriekampf auf den<br />

Georg-Erzengelfronten.<br />

3.)Heeresgpe. Dt. Kronprinz (Wilhelm) setzt<br />

Lauffeuer<strong>an</strong>griffe bei 7. 1. 3. Armee bis<br />

zum 24.3. und dabei Artill. Betg. breit fort.<br />

4.)Heeresgpe. Gallwitz lässt den Angriff auf<br />

Verdun erst am 22/3 abflauen und hält<br />

vom 22/3 abends ab schwere deutsche Artillerie<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Bahn zum Abtr<strong>an</strong>sport bereit.<br />

(...)<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

14


Entscheiden<strong>der</strong> Schlag<br />

vorh<strong>an</strong>denen Kräfte schonen<strong>der</strong>en Defensive<br />

überzugehen. Im Gegensatz dazu hat<br />

<strong>der</strong> britische Nachbar in <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte<br />

1917 seine Offensiven in Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n<br />

mit einem Durchbruchsversuch bei Ypern<br />

sogar noch intensiviert. Das Resultat ist ein<br />

verheeren<strong>der</strong> Kräfteverbrauch, ohne den<br />

<strong>an</strong>gestrebten Erfolg zu erringen. Auch die<br />

britischen Truppen müssen daher <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Jahreswende 1917/18 zur Defensive übergehen.<br />

Die Initiative k<strong>an</strong>n aus Sicht <strong>der</strong> Entente<br />

erst wie<strong>der</strong> ergriffen werden, wenn<br />

GROßE VERANTWORTUNG: Ferdin<strong>an</strong>d Foch,<br />

seit August 1918 „Marschall von Fr<strong>an</strong>kreich“,<br />

übernimmt im April 1918 den Oberbefehl<br />

über die alliierten Streitkräfte.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s Picture Library<br />

die US-Truppen voll einsatzbereit sind. Die<br />

Pl<strong>an</strong>ungen für eine deutsche Westoffensive<br />

im Frühjahr 1918, auch die „Große Schlacht<br />

in Fr<strong>an</strong>kreich“ o<strong>der</strong> die „Kaiserschlacht“<br />

gen<strong>an</strong>nt, beginnen in <strong>der</strong> Operationsabteilung<br />

<strong>der</strong> Obersten Heeresleitung (OHL) bereits<br />

im Herbst 1917. An<strong>der</strong>s als im Osten<br />

o<strong>der</strong> am Isonzo glaubt ihr Chef, Major Georg<br />

Wetzell, <strong>an</strong> <strong>der</strong> wesentlich stärker befestigten<br />

<strong>Westfront</strong> freilich nicht <strong>an</strong> einen<br />

einzigen <strong>Entscheidung</strong>sschlag. Er rät vielmehr<br />

zu einer Reihe von Groß<strong>an</strong>griffen, um<br />

die geeignete Durchbruchsstelle bei den<br />

Briten als dem schwächer eingeschätzten<br />

Teil <strong>der</strong> Ententetruppen herauszufinden.<br />

Geprüft werden dazu von Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n bis Verdun<br />

die unterschiedlichsten Frontbereiche.<br />

Bei <strong>der</strong> für den Hauptschlag vorgesehenen<br />

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von<br />

Bayern kritisiert m<strong>an</strong> diese weit ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>laufenden<br />

Vorstellungen jedoch als unzweckmäßig,<br />

würden die eigenen Kräfte<br />

bei den voraussichtlichen Verlusten<br />

schwerlich für mehrere Schlachten ausreichen.<br />

Risk<strong>an</strong>te Offensiven<br />

Und tatsächlich werden die etwa eine Million<br />

M<strong>an</strong>n <strong>an</strong> Verlusten <strong>der</strong> deutschen Seite<br />

bei ihren Angriffsschlachten vom Frühjahr<br />

bis Sommer 1918 ziemlich genau dem<br />

entsprechen, was zur gleichen Zeit <strong>an</strong> US-<br />

Truppen in die Ententefronten eingestellt<br />

werden k<strong>an</strong>n. Der schärfste Kritiker <strong>der</strong><br />

deutschen Pl<strong>an</strong>ungen, <strong>der</strong> bayerische General<br />

Konrad Krafft von Dellmensingen,<br />

dem <strong>der</strong> Durchbruch am Isonzo gelungen<br />

ist, vertraut denn auch schon im Februar<br />

1918 seinem Tagebuch <strong>an</strong>, dass letztlich <strong>der</strong><br />

„böse Geist Wetzells“ mit seinen Bedenken<br />

gegen einen konzentrierten <strong>Entscheidung</strong>sschlag<br />

über das „richtige Gefühl“ von Erich<br />

Ludendorff, Erster Generalquartiermeister<br />

und „wahrer“ Chef <strong>der</strong> OHL, obsiegt habe.<br />

Denn <strong>an</strong> <strong>der</strong> Jahreswende 1917/18 fallen<br />

die <strong>Entscheidung</strong>en für einen ersten Angriff<br />

bei St. Quentin, gefolgt von einer Serie<br />

weiterer Schlachten.<br />

In einer Befehlshaberbesprechung am 19.<br />

J<strong>an</strong>uar 1918 in Lille werden alle Risiken dieser<br />

Offensiven zur Sprache gebracht. Die<br />

dichte Ballung von Angriffskräften wird de-<br />

VERNICHTET: Deutsche Soldaten posieren <strong>an</strong> einem ausgeschalteten<br />

fr<strong>an</strong>zösischen T<strong>an</strong>k, vor dem ein getöteter Fr<strong>an</strong>zose<br />

liegt. An mehreren Frontabschnitten können die Deutschen im<br />

Frühjahr 1918 Erfolge erzielen, doch die Alliierten verfügen über<br />

eine große materielle Überlegenheit. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Clausewitz 1/2013<br />

15


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

ren Unterbringung und Versorgung sowie<br />

die Geheimhaltung erschweren. Probleme<br />

wirft auch die Versorgung während <strong>der</strong><br />

Schlachten auf, denn die deutschen Heerestruppen<br />

sind nur m<strong>an</strong>gelhaft motorisiert.<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> Komm<strong>an</strong>deure im Westen<br />

unterschätzt Ludendorff mit seinen ausschließlich<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Ostfront gemachten<br />

Kampferfahrungen zudem die Gefahren eines<br />

Steckenbleibens je<strong>der</strong> Großoffensive <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Westfront</strong>.<br />

Skeptische Nachfragen des Prinzen Max<br />

von Baden wird <strong>der</strong> General wenige Wochen<br />

später mit <strong>der</strong> fatalistischen Formel<br />

kontern: „Unsere Lage ist <strong>der</strong>art, dass wir<br />

entwe<strong>der</strong> siegen o<strong>der</strong> untergehen müssen“.<br />

Dass eine Division hier wie in Russl<strong>an</strong>d<br />

o<strong>der</strong> Italien mehrere Tage <strong>an</strong>griffsfähig<br />

bleibt, ist den Komm<strong>an</strong>deuren äußerst<br />

zweifelhaft. M<strong>an</strong> muss in jedem Falle<br />

schneller vor<strong>an</strong>kommen als in bisherigen<br />

Operationen und dazu ohne Rücksicht auf<br />

Verluste vorgehen.<br />

Der Sturm bricht los<br />

Auch muss das Artilleriefeuer eng mit den<br />

Angriffstruppen koordiniert und so geführt<br />

werden, dass dem Gegner <strong>der</strong> Angriffsschwerpunkt<br />

nicht durch vorzeitiges Einschießen<br />

verraten wird. Schließlich muss<br />

m<strong>an</strong> mit dem Angriffsbeginn warten, bis<br />

die Witterungsverhältnisse überhaupt<br />

großräumigere Operationen zulassen.<br />

Wetzell hat für den Durchbruch 30 Divisionen<br />

ver<strong>an</strong>schlagt, die seit Jahresbeginn<br />

für den ersten Groß<strong>an</strong>griff „Michael“ im<br />

Raum St. Quentin in <strong>der</strong> 2., 17. und 18. Armee<br />

zusammengezogen und unter das<br />

Komm<strong>an</strong>do ausgewiesener Offensivspezialisten<br />

gestellt werden. Das Einstellen <strong>der</strong><br />

Offensiven in Italien und Russl<strong>an</strong>d macht<br />

dazu Truppen <strong>an</strong> den Nebenfronten frei.<br />

Die ausgedehnten besetzten Gebiete im Osten<br />

zwingen jedoch zum Belassen umf<strong>an</strong>greicher<br />

Besatzungstruppen.<br />

KARTE<br />

Die deutschen Offensiven (links) und die alliierten Gegenoffensiven (rechts) 1918<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

AUF DEM WEG ZUR FRONT: Deutsche Inf<strong>an</strong>terie<br />

beim Vormarsch am Höhenzug<br />

Chemin des Dames im Mai 1918.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

16


Alliierte unter Druck<br />

HINTER DER FRONT: Ein Angehöriger<br />

einer deutschen S<strong>an</strong>itätseinheit<br />

versorgt einen verwundeten Kameraden.<br />

Pferdewagen spielen bei <strong>der</strong> Mobilität<br />

des deutschen Heeres <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Westfront</strong> eine wichtige Rolle.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

„Die Rücksicht auf die amerik<strong>an</strong>ische Gefahr<br />

ließ es geboten erscheinen, im Westen so früh<br />

wie möglich zuzuschlagen.“<br />

Erich Ludendorff in: Meine Kriegserinnerungen, Berlin 1919, S. 436<br />

Der beschränkte Angriffsraum und die begrenzten<br />

Kriegsmittel hätten im Westen allerdings<br />

auch gar keine größere Ballung <strong>an</strong><br />

Verbänden erlaubt. Die 2. und 17. Armee<br />

sollen den Durchbruch erzwingen, während<br />

die 18. Armee <strong>an</strong>gelehnt <strong>an</strong> die Somme<br />

<strong>der</strong>en linke Fl<strong>an</strong>ke sichern soll. Gelingt<br />

<strong>der</strong> Durchbruch schon hier, d<strong>an</strong>n trifft m<strong>an</strong><br />

die Nahtstelle zwischen Briten und Fr<strong>an</strong>zosen,<br />

so dass eine Koordination<br />

ihrer Abwehrkräfte<br />

erschwert wird.<br />

Bleibt m<strong>an</strong> mit „Michael“<br />

stecken, soll<br />

umgruppiert und<br />

mit einer Offensive<br />

in Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n gegen<br />

die Hauptkräfte<br />

<strong>der</strong> Briten <strong>an</strong>getreten<br />

werden.<br />

Das alles bleibt <strong>der</strong><br />

Entente natürlich<br />

nicht verborgen.<br />

Für den britischen Oberbefehlshaber<br />

Douglas Haig wäre eigentlich die Fortsetzung<br />

seiner Offensive in Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n das geeignete<br />

Gegenmittel. Doch er fügt sich<br />

<strong>der</strong> Skepsis seiner Frontkomm<strong>an</strong>deure,<br />

die ihre Truppen nach den letzten<br />

schweren Verlusten dazu außerst<strong>an</strong>de<br />

sehen. Im Übrigen versagt ihm Premierminister<br />

Lloyd George eine frühzeitige<br />

Verschiffung <strong>der</strong> in Engl<strong>an</strong>d<br />

vorh<strong>an</strong>denen Reserven auf den Kontinent.<br />

Wie die Fr<strong>an</strong>zosen richten sich daher<br />

seit Dezember 1917 auch die Briten<br />

auf eine längere Defensive ein, bis die<br />

Aufrüstung <strong>der</strong> Amerik<strong>an</strong>er die<br />

Kräfteverhältnisse wie<strong>der</strong> zugunsten<br />

<strong>der</strong> Entente umkehren wird. Und<br />

das erscheint nicht vor dem Sommer 1918<br />

möglich.<br />

Im Grundsatz ist m<strong>an</strong> sich einig, dass<br />

m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Tiefe verteidigen muss, um seine<br />

vor<strong>der</strong>sten Linien nicht <strong>der</strong> vollen Wucht<br />

<strong>der</strong> erwarteten deutschen Angriffe auszusetzen.<br />

Die Briten erwarten den deutschen<br />

Hauptstoß allerdings in Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n und konzentrieren<br />

deshalb hier zum Schutz <strong>der</strong> K<strong>an</strong>alhäfen<br />

ihre Reserven.<br />

Zusätzliche Probleme bereitet ihnen die<br />

Übernahme eines 40 Kilometer breiten<br />

Frontabschnitts von den Fr<strong>an</strong>zosen, genau<br />

des Raumes, in dem <strong>der</strong> deutsche Hauptschlag<br />

erfolgen wird. Die dortigen Feldbe-<br />

LUDENDORFFS PLÄNE<br />

Gescheitert<br />

Erich Ludendorff steht seit 1916 zusammen mit Generalfeldmarschall<br />

Paul von Hindenburg <strong>an</strong> <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> 3. Obersten Heeresleitung. Der<br />

von ihm erhoffte, den Krieg entscheidende Durchbruch im Westen<br />

misslingt, die deutsche Seite tritt im Herbst 1918 in Waffenstillst<strong>an</strong>dsverh<strong>an</strong>dlungen<br />

ein.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Sammlung Richter<br />

Clausewitz 1/2013<br />

17


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

her auch Klarheit über den<br />

Schwerpunkt einer Offensive<br />

am rechten Flügel <strong>der</strong> britischen Armee<br />

vorh<strong>an</strong>den sein können. Haig bleibt jedoch<br />

trotz entsprechen<strong>der</strong> Vorwarnungen bei<br />

seiner Annahme, dass die Deutschen eine<br />

<strong>Entscheidung</strong> in Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n suchen werden,<br />

um ihn von den K<strong>an</strong>alhäfen abzuschneiden.<br />

For<strong>der</strong>ungen nach rechtzeitiger Verstärkung<br />

<strong>der</strong> Britischen 5. Armee am äußersten<br />

rechten Flügel verhallen daher ungehört.<br />

festigungen sind wesentlich schlechter ausgebaut<br />

als <strong>an</strong> den übrigen britischen Frontabschnitten.<br />

Trotz genereller Vereinbarungen<br />

zwischen Haig und dem fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Oberbefehlshaber Philippe Pétain über<br />

wechselseitige Unterstützung bleiben im<br />

Übrigen auch die Vorbereitungen zur Abwehr<br />

in <strong>der</strong> alleinigen Verfügung des jeweiligen<br />

Oberbefehlshabers. Eine gemeinsame<br />

alliierte Reserve unter einheitlichem Oberbefehl<br />

gibt es ebenfalls noch nicht.<br />

Die britische Luftaufklärung hat seit Februar<br />

die Verlegung starker deutscher Kräfte<br />

nach vorn einschließlich ihrer getarnten<br />

Munitionslager erk<strong>an</strong>nt. Schon Tage vor<br />

Beginn <strong>der</strong> „Michael-Offensive“ hätte da-<br />

ERBEUTET: US-Soldaten übernehmen<br />

deutsche Maschinengewehre<br />

aus einem eroberten<br />

Depot im Frontbogen von<br />

St. Mihiel, September 1918.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Täuschung des Gegners<br />

Mittlerweile zeigt Ludendorff sein g<strong>an</strong>zes<br />

Org<strong>an</strong>isationstalent bei den Angriffsvorbereitungen.<br />

Bis in alle Einzelheiten hinein<br />

schwört er Komm<strong>an</strong>deure und Truppen auf<br />

seine große Offensive ein. Ruheräume und<br />

verbesserte Versorgung hinter <strong>der</strong> Front,<br />

Ausbildung in mo<strong>der</strong>neren Angriffsverfahren,<br />

Zusammenziehen <strong>der</strong> Artillerie hinter<br />

dem Angriffsschwerpunkt – durch diese<br />

Maßnahmen wird eine effiziente Angriffstruppe<br />

geformt. Ludendorff selbst lässt sich<br />

kurz hinter <strong>der</strong> Front in Avesnes ein vorgeschobenes<br />

Hauptquartier einrichten, das er<br />

am 18. März 1918 bezieht. Der Kaiser und<br />

Hindenburg verbleiben dagegen weit rückwärts<br />

in Spa, denn dies soll <strong>der</strong> persönliche<br />

„Der Augenblick ist gekommen, wo wir unser<br />

im Allgemeinen defensives Verhalten aufgeben<br />

müssen, zu dem uns bisher unsere<br />

Unterlegenheit <strong>an</strong> Zahl gezwungen hat,<br />

und wo wir zur Offensive übergehen.“<br />

Auszug aus einer Denkschrift vom Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> alliierten Streitkräfte, Ferdin<strong>an</strong>d Foch, vom 24. Juli 1918<br />

IN GEFANGENSCHAFT: Deutsche Soldaten<br />

tragen einen Verletzten auf dem Weg<br />

ins Hinterl<strong>an</strong>d. Die Besatzung des britischen<br />

T<strong>an</strong>ks bereitet sich <strong>der</strong>weil auf einen<br />

neuen Einsatz <strong>an</strong> <strong>der</strong> Front vor.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection<br />

18


Neuartige Sturmtruppen<br />

Sieg Ludendorffs – des „eigentlichen Kopfes“<br />

<strong>der</strong> 3. OHL – werden.<br />

Die Täuschung des Gegners über den<br />

Angriffsschwerpunkt gelingt. Als daher am<br />

21. März um 4:30 Uhr ohne vorheriges Einschießen<br />

das Vorbereitungsfeuer einsetzt<br />

und fünf Stunden später um 9:40 Uhr die<br />

Inf<strong>an</strong>terie zum Angriff <strong>an</strong>tritt, zeigt sich <strong>der</strong><br />

Gegner überrascht. Bei <strong>der</strong> Britischen 3.<br />

und 5. Armee gibt es nicht einmal eine<br />

Alarmbereitschaft. Ihre Soldaten müssen<br />

deshalb unter heftigem Artilleriefeuer ihre<br />

Stellungen beziehen und erleiden bereits<br />

dabei erhebliche Verluste. Gas<strong>an</strong>griffe<br />

zwingen sie zudem unter die Masken.<br />

Die gut vermessenen Artillerieschläge<br />

<strong>der</strong> Deutschen zerschlagen Vorfeldhin<strong>der</strong>nisse,<br />

Teile <strong>der</strong> Feldstellungen und Stabsquartiere<br />

und legen die Kommunikation<br />

lahm. Auch die rückwärtigen Reserven,<br />

Feldflugplätze und Verladebahnhöfe liegen<br />

unter stundenl<strong>an</strong>gem Feuer, um Führung<br />

und Verstärkungen beim Gegner zu unterbinden.<br />

Insgesamt fallen im Trommelfeuer<br />

<strong>der</strong> Artillerie wohl etwa 8.000 bis 9.000 Briten<br />

aus; circa 100.000 M<strong>an</strong>n können noch<br />

vor Beginn <strong>der</strong> Inf<strong>an</strong>terie<strong>an</strong>griffe ihre Stellungen<br />

beziehen.<br />

Briten mit hohen Verlusten<br />

Als am frühen Vormittag die Spitzen <strong>der</strong><br />

deutschen Sturmtruppen vorwärts kriechen,<br />

um die Hin<strong>der</strong>nisse für den Haupt<strong>an</strong>griff<br />

zu beseitigen, kommen sie erstaunlich<br />

gut vor<strong>an</strong>. Innerhalb einer Stunde<br />

sind auf einer Breite von 80 Kilometern<br />

nahezu alle britischen Vorposten überr<strong>an</strong>nt.<br />

Selbst die Verteidiger in <strong>der</strong> stärker<br />

befestigten Gefechtszone fühlen<br />

sich nach eigenen Bekundungen „geopfert“,<br />

weil sie weitgehend auf sich<br />

selbst gestellt sind und ohne Verstärkungen<br />

einer Übermacht <strong>an</strong> Angreifern<br />

gegenüberstehen.<br />

Die Deutschen bewegen sich flexibel<br />

auf dem Gefechtsfeld mit kleineren<br />

Sturmtrupps voraus und den Angriffsgruppen<br />

mit Maschinengewehren und<br />

beweglichen Minenwerfern unmittelbar<br />

dahinter. Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>dsnester <strong>der</strong><br />

Briten werden liegengelassen o<strong>der</strong><br />

umzingelt, bis sie von <strong>der</strong> nachgezogenen<br />

Artillerie sturmreif geschossen<br />

werden können.<br />

Die Angreifer, zunächst noch<br />

durch den Morgennebel geschützt,<br />

erzielen schon im Laufe des 21. März<br />

die größten Einbrüche <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong><br />

bisl<strong>an</strong>g. Die Briten verlieren fast<br />

20% ihrer Truppen, davon in den ersten<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>thalb Stunden allein 30% ihrer<br />

Inf<strong>an</strong>terie. Beson<strong>der</strong>s hart ist <strong>der</strong><br />

ÜBERRASCHT: Angehörige des britischen Devonshire-Regiments nehmen während <strong>der</strong><br />

Schlacht von Tardenois im Juli 1918 einen deutschen Soldaten gef<strong>an</strong>gen.<br />

linke Flügel <strong>der</strong> Britischen 5. Armee betroffen.<br />

General Hubert Gough entscheidet sich<br />

schließlich für großräumige Ausweichbewegungen,<br />

um seine Armee einer Katastrophe<br />

zu entziehen.<br />

Zumindest hat die Frontausbuchtung<br />

bei Flesquières den g<strong>an</strong>zen Tag gehalten.<br />

Auch die Deutschen müssen erhebliche<br />

PROPAGANDA: Die Deutschen greifen <strong>an</strong>, als sie schon<br />

geschlagen schienen. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s Picture Library<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection<br />

Verluste und Ausfälle hinnehmen, allein<br />

am ersten Tag etwa 78.000 M<strong>an</strong>n. Als sich<br />

<strong>der</strong> Nebel hebt, geraten sie nahezu ungeschützt<br />

in das britische Abwehrfeuer.<br />

Durch das Interesse <strong>der</strong> Soldaten <strong>an</strong> Beutegut<br />

in den eroberten Stellungen verl<strong>an</strong>gsamt<br />

sich das Angriffstempo.<br />

Außerdem sagen die Fr<strong>an</strong>zosen den Briten<br />

endlich Verstärkungen zu, um<br />

einen drohenden Durchbruch <strong>der</strong><br />

Angreifer zu verhin<strong>der</strong>n: immerhin<br />

drei Divisionen für die nächsten<br />

beiden Tage.<br />

Große Verwirrung<br />

Aus alliierter Sicht unzureichende<br />

Resultate erzielt dagegen vorerst<br />

die überlegene britische Luftwaffe<br />

mit ihren Bombenabwürfen und<br />

dem Feuer ihrer Bordwaffen. Dazu<br />

ist die Verwirrung am ersten Angriffstag<br />

zu groß. Wenn Feldmarschall<br />

Douglas Haig daher seinem<br />

Tagebuch am 22. März 1918 <strong>an</strong>vertraut:<br />

„Alle Meldungen zeigen, dass<br />

die Stimmung bei unseren Leuten<br />

großartig ist“, d<strong>an</strong>n ist dies kaum<br />

mehr als Zweckoptimismus.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach einer „weichen<br />

Stelle“ für einen schnellen Durchbruch<br />

lässt Ludendorff allerdings<br />

schon nach wenigen Tagen mehrere<br />

Richtungswechsel vornehmen, die seine<br />

Angriffsspitzen ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>führen.<br />

Außerdem wachsen auf dem völlig<br />

zerschossenen Gefechtsfeld schnell die<br />

Clausewitz 1/2013<br />

19


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

IM GLEICHSCHRITT: Deutsche Soldaten nach den Kämpfen bei Pinon. Kronprinz Wilhelm (1882-1951) nimmt die Parade <strong>der</strong> Soldaten <strong>der</strong><br />

Heeresgruppe „Deutscher Kronprinz“ ab.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

logistischen Probleme. Artillerie und Nachschub<br />

können <strong>der</strong> vorstürmenden Inf<strong>an</strong>terie<br />

kaum noch folgen.<br />

Als Haig auf <strong>der</strong> Konferenz von Doullens<br />

am 26. März endlich ein einheitliches<br />

alliiertes Oberkomm<strong>an</strong>do akzeptiert, können<br />

die Abwehroperationen <strong>der</strong> Entente<br />

koordiniert werden. Lloyd George gibt nun<br />

auch sofort die in Engl<strong>an</strong>d zurückgehaltenen<br />

Ersatzm<strong>an</strong>nschaften frei, die aber erst<br />

noch nach Fr<strong>an</strong>kreich verbracht und in die<br />

schwer <strong>an</strong>geschlagenen Verbände integriert<br />

werden müssen. Die tiefen Einbrüche<br />

<strong>der</strong> Deutschen gehen jedenfalls noch tagel<strong>an</strong>g<br />

weiter.<br />

Als „Sündenbock“ für diese Entwicklung<br />

muss General Gough herhalten, <strong>der</strong><br />

bereits am 28. März als Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> Britischen 5. Armee abgelöst wird.<br />

Erst am 5. April folgt Ludendorff dem<br />

Drängen seiner Komm<strong>an</strong>deure und lässt<br />

die erschöpften Verbände kurz vor Errei-<br />

FAKTEN<br />

den Rückzugskämpfen eingesetzt werden.<br />

Vor allem aber ist Ludendorff kein strategischer<br />

Erfolg gelungen, <strong>der</strong> die Ententetruppen<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Nahtstelle zwischen Englän<strong>der</strong>n<br />

und Fr<strong>an</strong>zosen ausein<strong>an</strong><strong>der</strong> gerissen hätte.<br />

Die Kritik des bayerischen Kronprinzen<br />

Rupprecht <strong>an</strong> zu viel Taktik und zu wenig<br />

strategischer Operation schmettert Ludendorff<br />

ab: „Das Wort ‚Operation‘ verbitte ich<br />

mir. Wir hauen ein Loch hinein. Das Weitere<br />

findet sich. So haben wir es in Russl<strong>an</strong>d<br />

auch gemacht.“<br />

Mit dieser „Büffeltaktik“ erzwingen die<br />

Deutschen zwar noch bis in den Sommer<br />

hinein weitere Frontausbuchtungen, erreichen<br />

aber keine strategisch verwertbaren<br />

Resultate. Das zeigt schon die am 9. April<br />

aufgenommene Offensive („Georgette“) in<br />

Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>n, wo Ludendorff die Früchte <strong>der</strong><br />

„Michael-Offensive“ zu ernten hofft. Seine<br />

Erwartung, dass den Briten jetzt keine ausreichenden<br />

Reserven mehr verblieben sind,<br />

trügt freilich. Zwar können auch hier binnen<br />

weniger Tage alle Eroberungen wettgemacht<br />

werden, für die Haig 1917 mehrere<br />

Monate benötigt hat. Doch schon am 20.<br />

April muss die Offensive wegen des enormen<br />

Kräfteverschleißes bei den Angriffstruppen<br />

erneut eingestellt werden.<br />

Die deutsche Ersatzlage spitzt sich dramatisch<br />

zu, während m<strong>an</strong> die alliierten Verchen<br />

des wichtigen Eisenbahnknotens<br />

Amiens <strong>an</strong>halten.<br />

Die Erfolge <strong>der</strong> Deutschen sind trotzdem<br />

besorgniserregend für ihre Gegner.<br />

Die deutschen Angriffsarmeen sind zwischen<br />

45 und 60 Kilometer tief in die britischen<br />

Stellungen eingedrungen und haben<br />

den Alliierten circa 212.000 M<strong>an</strong>n <strong>an</strong> Verlusten<br />

zugefügt. Darüber hinaus wurden<br />

1.300 Geschütze erobert.<br />

Zweifelhafte „Büffeltaktik“<br />

Der Preis dafür ist mit mehr als 230.000<br />

deutschen Gefallenen und Verwundeten<br />

sehr hoch. Und im Gegensatz zur Entente<br />

mit den nun schneller <strong>an</strong>wachsenden US-<br />

Truppen stehen den Mittelmächten kaum<br />

noch Ergänzungen zur Verfügung. Die auf<br />

Drängen <strong>der</strong> deutschen Militärführung zugesagten<br />

vier österreichischen Divisionen<br />

werden erst im Sommer 1918 <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong><br />

eintreffen und können nur noch in<br />

Inf<strong>an</strong>teriedivisionen <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong><br />

(St<strong>an</strong>d: 20. März 1918)<br />

Fr<strong>an</strong>zosen 98 Deutsche 192<br />

Briten (einschl. Empire) 57<br />

Amerik<strong>an</strong>er 6<br />

Belgier und Portugiesen 8<br />

Alliierte insgesamt 169 Deutsches Reich insgesamt 192<br />

20


Alliierte Gegenoffensiven<br />

luste mit 500.000 M<strong>an</strong>n weit überschätzt.<br />

Schon Mitte Mai warnt Kronprinz Rupprecht,<br />

„dass wir schwere Verluste nicht mehr<br />

ertragen können“. Deshalb müsse m<strong>an</strong> nunmehr<br />

<strong>an</strong> Friedensverh<strong>an</strong>dlungen aus militärisch<br />

noch günstiger Lage heraus denken.<br />

Trotzdem lässt Ludendorff zwischen Ende<br />

Mai und Mitte Juli seine <strong>an</strong>geschlagenen<br />

Verbände noch zu weiteren Großoffensiven<br />

<strong>an</strong>treten: vom 27. Mai bis 5. Juli bei Soissons<br />

und am Chemin des Dames, um Fr<strong>an</strong>zosen<br />

und Englän<strong>der</strong> zu trennen; vom 9. Juni bis<br />

25. Juni <strong>an</strong> <strong>der</strong> Marne in Richtung Paris;<br />

schließlich ein letztes Mal vom 15. Juli bis 18.<br />

Juli bei<strong>der</strong>seits von Reims.<br />

Der Sieg wird mehr und mehr zur Willensfrage,<br />

nicht mehr zum nüchtern berechneten<br />

militärischen Kalkül. Für Wilhelm<br />

Groener, <strong>der</strong> Erich Ludendorff Ende Oktober<br />

1918 als Erster Generalquartiermeister<br />

ablösen wird, baut Ludendorff seine Operationspläne<br />

von nun <strong>an</strong> auf dem Glauben<br />

<strong>an</strong> ein „Wun<strong>der</strong>“ auf. Dabei wie<strong>der</strong>holen<br />

sich die Abläufe von Offensive zu Offensive<br />

in immer drastischerer Form: große Anf<strong>an</strong>gserfolge,<br />

erkauft mit nicht ersetzbaren<br />

Verlusten insbeson<strong>der</strong>e bei den besten Angriffstruppen<br />

und zu geringe Beweglichkeit,<br />

um einen wirklichen Durchbruch zu<br />

erzielen.<br />

Vor allem aber sinkt <strong>der</strong> Kampfwille <strong>der</strong><br />

deutschen Soldaten, denen m<strong>an</strong> im März<br />

eine letzte, den Krieg entscheidende<br />

Schlacht versprochen hatte, von Monat zu<br />

Monat.<br />

Ch<strong>an</strong>ce zum Gegenschlag<br />

Bis Mitte Juli 1918 haben die deutschen Offensiven<br />

eine riesige Frontausbuchtung in<br />

die alliierte Front geschlagen, die alles bisl<strong>an</strong>g<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> Erreichte bei weitem<br />

übertrifft. Die taktischen Erfolge ohne strategische<br />

Ergebnisse werden dem Angreifer<br />

jetzt freilich zum Verhängnis. Überdehnte<br />

Fronten, kaum noch zu ersetzende Verluste<br />

und sinken<strong>der</strong> Kampfeswille <strong>der</strong> ausgebr<strong>an</strong>nten<br />

Truppe bieten <strong>der</strong> Entente die<br />

Ch<strong>an</strong>ce zur Gegenoffensive.<br />

Wohl treffen jetzt auch die österreichischen<br />

Divisionen zur Verstärkung ein.<br />

Doch das ist nicht mehr als ein Tropfen auf<br />

Literaturtipps<br />

Martin Middlebrook: Der 21. März 1918.<br />

Die Kaiserschlacht, Berlin, Fr<strong>an</strong>kfurt/M.,<br />

Wien 1979<br />

Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hrsg.):<br />

Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung,<br />

Nachwirkung, München 1999<br />

VERMISST: Jagdflieger Rudolf Windisch<br />

wird am 27. Mai 1918 während eines Luftkampfes<br />

vom Gegner abgeschossen und<br />

muss notl<strong>an</strong>den. Bis heute ist sein weiteres<br />

Schicksal ungeklärt. Posthum wurde er am<br />

6. Juni 1918 mit dem Orden „Pour le Mérite“<br />

ausgezeichnet. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

den heißen Stein, denn die Amerik<strong>an</strong>er<br />

werfen bereits 250.000 M<strong>an</strong>n monatlich <strong>an</strong><br />

die Front. „Der Augenblick ist gekommen,<br />

wo wir unser im allgemeinen defensives<br />

Verhalten aufgeben müssen“, verl<strong>an</strong>gt deshalb<br />

<strong>der</strong> gemeinsame Oberbefehlshaber <strong>der</strong><br />

Alliierten, Ferdin<strong>an</strong>d Foch. Und schon sein<br />

erster Gegenschlag wird für die Deutschen<br />

zur schweren Nie<strong>der</strong>lage. Am 18. Juli greift<br />

die Fr<strong>an</strong>zösische 6. Armee, die sich unbemerkt<br />

von den bei Reims vorgehenden<br />

Deutschen in den Wäl<strong>der</strong>n bei Villers-Cotterêts<br />

in <strong>der</strong>en Fl<strong>an</strong>ke aufgestellt hat, unterstützt<br />

von 400 P<strong>an</strong>zerfahrzeugen, einer<br />

überlegenen Luftwaffe und drei US-Divisionen<br />

<strong>an</strong> und erzwingt nahezu umgehend<br />

die Einstellung aller deutschen Angriffe.<br />

„Hun<strong>der</strong>t-Tage-Schlacht“<br />

Schon drei Wochen später bringt <strong>der</strong> nächste<br />

alliierte Angriff am 8. August bei Amiens,<br />

von Ludendorff später als „schwarzer Tag<br />

des deutschen Heeres“ eingestuft, die endgültige<br />

Wende. Jetzt durchbrechen die Englän<strong>der</strong><br />

mit starker T<strong>an</strong>kunterstützung und<br />

unter massivem Artilleriefeuer die deutsche<br />

Front.<br />

Trotzdem folgt Ludendorff auch jetzt<br />

noch nicht dem dringenden Rat seines Abwehrspezialisten,<br />

General Fritz von Loßberg,<br />

<strong>der</strong> einen geordneten Rückzug in die<br />

„Siegfriedstellung“ empfiehlt, um aus verkürzter<br />

Linie Kräfte für die weitere Abwehr<br />

freizumachen. Dabei kommt den Deutschen<br />

zunächst noch entgegen, dass die Briten<br />

ihren tiefen Einbruch nicht zum strategischen<br />

Durchbruch nutzen, son<strong>der</strong>n sich<br />

mit ihren ursprünglich gepl<strong>an</strong>ten begrenzten<br />

Zielen begnügen.<br />

Doch in <strong>der</strong> sogen<strong>an</strong>nten „Hun<strong>der</strong>t-Tage-Schlacht“<br />

vom 8. August bis 11. November<br />

1918 greifen die Alliierten mit ihren personell<br />

wie materiell mittlerweile weit überlegenen<br />

Kräften nahezu ununterbrochen <strong>an</strong><br />

und drängen die Deutschen systematisch<br />

von Stellung zu Stellung zurück. Dabei<br />

zeichnen sich vor allem die britischen Truppen<br />

aus, die seit April 1918 eine dreimonatige<br />

Erholungspause haben, weil <strong>der</strong> deutsche<br />

Angriffsschwerpunkt von Mai bis Juli<br />

1918 <strong>an</strong> dem von fr<strong>an</strong>zösischen Verbänden<br />

verteidigten Frontabschnitt liegt. Die alliierte<br />

waffentechnische Überlegenheit steigt<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei P<strong>an</strong>zern, Flugzeugen und<br />

Artillerie, so dass sie jetzt größere Verluste<br />

durch eine weitere Industrialisierung des<br />

Krieges auszugleichen vermögen. Demgegenüber<br />

verstehen es die immer schneller<br />

ins Gefecht geworfenen US-Amerik<strong>an</strong>er<br />

erst allmählich, ihre <strong>an</strong> den Bürgerkriegserfahrungen<br />

aus dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t orientierte,<br />

für die <strong>Westfront</strong> aber gänzlich ungeeignete<br />

offene Vorgehensweise den Notwendigkeiten<br />

im Weltkrieg <strong>an</strong>zupassen.<br />

Trotz aller wachsenden Kriegsmüdigkeit<br />

wehren sich aber auch die deutschen Truppen<br />

nach wie vor verbissen gegen jede<br />

Frontaufgabe. Beson<strong>der</strong>s wirkungsvoll<br />

sind dabei ihre Maschinengewehrscharfschützen-Abteilungen<br />

(MGSS-Abteilungen),<br />

die mit hoher Feuerkraft und großer<br />

Beweglichkeit <strong>an</strong> die beson<strong>der</strong>s bedrohten<br />

Frontabschnitte geworfen werden.<br />

Am 30. September 1918 muss aber<br />

schließlich auch Ludendorff einsehen, dass<br />

<strong>der</strong> Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Seine<br />

For<strong>der</strong>ung nach einem sofortigen Waffenstillst<strong>an</strong>d<br />

sucht er wenige Wochen später<br />

zwar noch einmal für einen letzten Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d<br />

zurückzunehmen. Doch die neue parlamentarische<br />

Regierung unter Max von Baden<br />

folgt ihm darin nicht mehr.<br />

Inzwischen sind nämlich alle deutschen<br />

Verbündeten militärisch „zusammengebrochen“,<br />

so dass ein Weiterkämpfen nur zusätzliche<br />

Blutopfer ohne militärischen Sinn<br />

bedeuten würde.<br />

Am 11. November 1918 schweigen<br />

schließlich die Waffen.<br />

Dr. Bruno Thoß, Jg. 1945, Leiten<strong>der</strong> Wissenschaftlicher<br />

Direktor a.D., 1979-2008 Militärhistoriker am Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt <strong>der</strong> Bundeswehr; 2001-<br />

2005 Leiter des Forschungsbereichs III „Militärgeschichte<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik im Bündnis“; 2005-2008 ständige<br />

Vertretung des Leiters Abteilung Forschung.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

21


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

Waffen und Taktik <strong>der</strong> Kriegsparteien<br />

Technische und<br />

taktische Neuerungen<br />

Frühjahr 1918: Mit <strong>der</strong> Einführung neuer Angriffsverfahren versucht die 3. Oberste Heeresleitung,<br />

den verlustreichen Stellungskrieg aufzubrechen und <strong>der</strong> materiellen Überlegenheit<br />

<strong>der</strong> Alliierten entgegenzuwirken...<br />

Von Bruno Thoß<br />

22


„Hindenburg-Programm“<br />

SCHUSSGEWALTIG: Deutsche 21-cm-<br />

Mörser nehmen die feindlichen Linien<br />

unter Feuer. Die schwere Artillerie<br />

spielt auch im Kriegsjahr 1918 eine<br />

wichtige Rolle in den Materialschlachten.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

das erprobte Mittel gefunden zu haben. Ihr<br />

größtes M<strong>an</strong>ko ist und bleibt freilich die<br />

technische Beweglichkeit auf dem Schlachtfeld.<br />

Denn Anf<strong>an</strong>gserfolge müssen ständig<br />

durch Nachschub genährt werden, wenn<br />

sie zum Durchbruch erweitert werden sollen.<br />

Je schneller die Angriffstruppen jedoch<br />

vor<strong>an</strong>kommen, um so schwieriger wird ihre<br />

Versorgung. Dazu muss m<strong>an</strong> Zonen<br />

stärkster Verwüstung durchfahren, wird<br />

das eigene Artilleriefeuer das Gefechtsfeld<br />

doch in eine unwegsame Kraterl<strong>an</strong>dschaft<br />

verw<strong>an</strong>deln.<br />

Zwar rüstet die OHL ihre Truppen mit<br />

zerlegbaren Holzbrücken aus, die leicht<br />

tr<strong>an</strong>sportiert und schnell aufgebaut werden<br />

können, um die zerschossenen Grabensysteme<br />

zu überbrücken. Das k<strong>an</strong>n freilich die<br />

Defizite <strong>der</strong> deutschen Kraftfahrzeuge<br />

nicht ausgleichen, <strong>der</strong>en 23.000 Lkw aus<br />

Gummim<strong>an</strong>gel in <strong>der</strong> Regel nur mit Eisenreifen<br />

ausgestattet sind. Vor allem fehlt ausreichend<br />

Kraftstoff. M<strong>an</strong> ist deshalb hauptsächlich<br />

auf Pferdekräfte als Besp<strong>an</strong>nungen<br />

für die Artillerie und die Tr<strong>an</strong>sportfahrzeuge<br />

<strong>an</strong>gewiesen.<br />

Fehlende P<strong>an</strong>zerwaffe<br />

Die technische Rückständigkeit des deutschen<br />

Westheeres zeigt sich am stärksten in<br />

<strong>der</strong> „T<strong>an</strong>k“-Frage. Die Schwerfälligkeit dieser<br />

Gefechtsfahrzeuge und die Erfolge bei<br />

ihrer Bekämpfung 1916/17 haben bei <strong>der</strong><br />

deutschen Führung zu einer Unterschätzung<br />

ihres Kampfwertes geführt. Da es<br />

selbst beim bisl<strong>an</strong>g größten britischen<br />

T<strong>an</strong>k<strong>an</strong>griff von Cambrai 1917 gelungen ist,<br />

die schwerfälligen Kolosse lahmzulegen,<br />

erhalten die deutschen Angriffsverbände<br />

jetzt im Frühjahr lediglich Spezialpatronen<br />

Seit dem Kriegsjahr 1916 ist die Materialschlacht<br />

das charakteristische Merkmal<br />

des Stellungskrieges <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong>.<br />

Das dichte Feuer von Maschinengewehren<br />

und Artillerie lähmt schon nach<br />

geringfügigen Geländegewinnen jeden Versuch,<br />

das Gefecht in Bewegung zu halten.<br />

Angesichts <strong>der</strong> wesentlich größeren Ressourcen<br />

<strong>der</strong> Entente ist abzusehen, dass die<br />

wirtschaftliche Kraft <strong>der</strong> Mittelmächte in naher<br />

Zukunft erschöpft sein wird. Auch das<br />

sogen<strong>an</strong>nte Hindenburg-Programm, mit<br />

dem die 3. Oberste Heeresleitung (OHL) die<br />

eigene Kriegswirtschaft zu voller Wirksamkeit<br />

entfalten will, k<strong>an</strong>n <strong>an</strong> diesem grundsätzlichen<br />

Befund nichts än<strong>der</strong>n.<br />

Waffen und Gerät werden zwar auf allen Seiten<br />

mo<strong>der</strong>nisiert. Dabei übersteigen aber in<br />

aller Regel die technischen Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Alliierten das deutsche industrielle Potential.<br />

Wenn sich die OHL dennoch dazu<br />

entschließt, im Frühjahr 1918 <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong><br />

die <strong>Entscheidung</strong> zu suchen, d<strong>an</strong>n bleiben<br />

ihr letztlich nur neue Angriffsverfahren<br />

als Ausweg. Vielleicht lässt sich ja mit beweglicheren<br />

Angriffstruppen die bisherige<br />

Erfahrung aushebeln, dass m<strong>an</strong> jede personelle<br />

Überlegenheit bereits nach wenigen<br />

Tagen unter <strong>der</strong> verheerenden Feuerwirkung<br />

des Gegners wie<strong>der</strong> einbüßt.<br />

Und die deutsche Führung glaubt dafür<br />

aus ihren Erfolgen <strong>an</strong> den Nebenfronten<br />

IN JUNGEN JAHREN: George S. Patton,<br />

<strong>der</strong> spätere berühmte US-General, bildete<br />

im Ersten Weltkrieg amerik<strong>an</strong>ische P<strong>an</strong>zerfahrer<br />

in Fr<strong>an</strong>kreich aus. Hier posiert<br />

er für ein Erinnerungsfoto vor einem fr<strong>an</strong>zösischen<br />

P<strong>an</strong>zer vom Typ Renault FT-17.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Clausewitz 1/2013 23


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

mit Stahlkernen, die T<strong>an</strong>ks <strong>an</strong> ihren verwundbaren<br />

Stellen durchschlagen sollen.<br />

Im übrigen mussten 1917 alle Rüstungskapazitäten<br />

auf den Bau von U-Booten konzentriert<br />

werden, glaubte m<strong>an</strong> mit dieser<br />

Waffe doch eine den Krieg entscheidende<br />

Wirkung auf dem Atl<strong>an</strong>tik erzielen zu können.<br />

Damit fehlen aber die nötigen Kapazitäten<br />

für eine nennenswerte Entwicklung<br />

von T<strong>an</strong>ks. So hat bis Ende 1917 ein einziges<br />

Modell, <strong>der</strong> Sturmp<strong>an</strong>zerwagen A7V mit<br />

einem Gewicht von mehr als 30 Tonnen<br />

und bewaffnet mit einer 57-mm-K<strong>an</strong>one<br />

und sechs Maschinengewehren, Serienreife<br />

erl<strong>an</strong>gt.<br />

RENAULT FT-17<br />

Wirksame „T<strong>an</strong>ks“<br />

Insgesamt verfügt das deutsche Heer 1918<br />

über g<strong>an</strong>ze 20 einsatzbereite A7V, von denen<br />

bei <strong>der</strong> „Michael-Offensive“ nur vier<br />

BEENGT: Seitenriss eines fr<strong>an</strong>zösischen Renault FT-17 „Char Mitrailleur Mosquito T<strong>an</strong>k“.<br />

Der leichte P<strong>an</strong>zer mit einem Gewicht von knapp sieben Tonnen und einer Länge von fünf<br />

Metern wies einen auf <strong>der</strong> W<strong>an</strong>ne montierten, drehbaren Turm und einen Heckmotor auf.<br />

Seit Sommer 1918 wurden die in großer Stückzahl produzierten FT-17 auch vom amerik<strong>an</strong>ischen<br />

Expeditionskorps eingesetzt. Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection<br />

eigene, verstärkt durch fünf erbeutete englische<br />

T<strong>an</strong>ks zum Einsatz kommen. Demgegenüber<br />

haben die Briten ihre wenig gefechtstüchtigen<br />

Urtypen („Mark“ I bis III)<br />

inzwischen in den Modellen „Mark“ IV<br />

und „Mark“ V technisch wesentlich verbessert.<br />

Diese Fahrzeuge verfügen mittlerweile<br />

führungstechnisch über eine eigene<br />

Funkausstattung und deutlich verbesserte<br />

Fahreigenschaften auf dem Gefechtsfeld.<br />

D<strong>an</strong>eben sind zusätzlich Versorgungs-<br />

und Brückenlegep<strong>an</strong>zer<br />

entwickelt worden.<br />

Bei <strong>der</strong> schweren deutschen<br />

Nie<strong>der</strong>lage am 8. August 1918 bei<br />

Amiens werden schließlich 500 britische<br />

P<strong>an</strong>zer zum geschlossenen Einsatz kommen.<br />

Schon drei Wochen zuvor haben aber<br />

auch bei Villers-Cotterêts über 400 fr<strong>an</strong>zösische<br />

Renault-P<strong>an</strong>zer wesentlich zum Überraschungserfolg<br />

<strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zosen beigetragen.<br />

Bis Kriegsende werden die Briten insgesamt<br />

1.865 T<strong>an</strong>ks und die Fr<strong>an</strong>zosen fast<br />

4.000 P<strong>an</strong>zerfahrzeuge produziert haben,<br />

die seit Sommer 1918 aus keiner alliierten<br />

Angriffsoperation mehr wegzudenken<br />

sind.<br />

Neue Sturmbataillone<br />

Wenn Ludendorff also das bisherige Dilemma<br />

aller deutschen Angriffe im Westen<br />

überwinden will, d<strong>an</strong>n reicht dazu die zeitweilige<br />

Überlegenheit <strong>an</strong> Verbänden gegenüber<br />

dem Gegner nicht aus. Die eigenen<br />

Angriffstruppen müssen vielmehr so ge-<br />

SPUREN DES KRIEGES: Ein britischer<br />

T<strong>an</strong>k „Mark“ IV im rückwärtigen Raum<br />

eines während <strong>der</strong> deutschen Frühjahrsoffensive<br />

im März 1918 umkämpften Frontabschnitts.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s/Robert Hunt Collection<br />

24


Materielle Überlegenheit <strong>der</strong> Alliierten<br />

schult und ausgerüstet werden, dass sie zu<br />

schnellen Operationen fähig sind. Die Erfahrungen<br />

<strong>an</strong> den Nebenfronten sollen dazu<br />

auf die <strong>Westfront</strong> übertragen werden.<br />

Seit 1917 werden die für den Angriff vorgesehenen<br />

Verbände Zug um Zug herausgelöst<br />

und <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d verbesserter Gefechtsvorschriften<br />

hinter <strong>der</strong> Front ausgebildet. Als<br />

entscheiden<strong>der</strong> Vorteil hat sich das unmittelbare<br />

Zusammenwirken leicht bewaffneter<br />

und beweglicher Sturmtruppen mit einer<br />

unmittelbar dahinter vorgehenden<br />

Feldartillerie erwiesen.<br />

Die schon bisher eingesetzten kleinen<br />

Stoßtrupps aus beson<strong>der</strong>s<br />

qualifizierten Soldaten und erfahrenen<br />

Führern werden für die Angriffe<br />

von 1918 zu größeren Sturmbataillonen<br />

erweitert. Sie setzen<br />

sich <strong>an</strong>teilig aus Inf<strong>an</strong>teristen und<br />

Pionieren zusammen und sind mit<br />

einer zweckmäßigen Mischung aus<br />

H<strong>an</strong>dwaffen und tragbaren Leichtgeschützen<br />

ausgestattet. Sie bewegen<br />

sich aufgelockert auf dem Gefechtsfeld<br />

vor<strong>an</strong>, um <strong>an</strong><strong>der</strong>s als bei<br />

Massen<strong>an</strong>griffen keine leicht zu bekämpfenden<br />

Ziele zu bieten. Der<br />

einzelne Sturmsoldat trägt neben<br />

seinem Sturmgepäck einen Patronengurt,<br />

zwei Beutel mit H<strong>an</strong>dgr<strong>an</strong>aten, Gasmaske,<br />

Stahlhelm und Gewehr. Jedes Bataillon<br />

glie<strong>der</strong>t sich in zwei eng zusammenwirkende<br />

Sturmkomp<strong>an</strong>ien, eine MG- und eine<br />

Minenwerferkomp<strong>an</strong>ie sowie einen Flammenwerferzug.<br />

Dadurch ist m<strong>an</strong> beim Nie<strong>der</strong>kämpfen<br />

kleinerer Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>dsnester<br />

weitgehend unabhängig von <strong>der</strong> l<strong>an</strong>gsamer<br />

folgenden Feldartillerie. Größere Stellungen<br />

sollen dagegen umg<strong>an</strong>gen und erst von<br />

den nachrückenden Angriffstruppen mit<br />

Artillerieunterstützung nie<strong>der</strong>gekämpft<br />

werden. So hofft m<strong>an</strong> schneller Tiefe zu gewinnen<br />

und schwer ersetzbare Verluste bei<br />

den Elitetruppen zu vermeiden.<br />

Entscheidend für die großen deutschen<br />

Anf<strong>an</strong>gserfolge wird das enge Zusammenwirken<br />

von Inf<strong>an</strong>terie und Artillerie, wie es<br />

<strong>der</strong> preußische Oberst Georg Bruchmüller<br />

STURMTRUPPEN<br />

Stillgest<strong>an</strong>den<br />

Deutsche Sturmtruppsoldaten mit Stahlhelm<br />

M1916 und Uniformrock M1915. Zu ihrer<br />

Ausrüstung zählen neben dem Karabiner<br />

98 mit kurzem Lauf vor allem Stielh<strong>an</strong>dgr<strong>an</strong>aten<br />

(in Leinenbeuteln) und Gasmaske (in<br />

<strong>der</strong> Tasche). Der Einsatz dieser Spezialeinheiten<br />

sollte den Kampf im Stellungskrieg<br />

beweglicher machen.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

(„Durchbruchmüller“) schon für die großen<br />

Durchbruchsoperationen im Osten entwickelt<br />

hat.<br />

LUFTKAMPF: Der k<strong>an</strong>adische Pilot Arthur Roy Brown attackiert<br />

mit seinem Doppeldecker vom Typ Sopwith Camel M<strong>an</strong>fred von<br />

Richthofen in seinem Dreidecker-Jagdflugzeug Fokker Dr.I, Gemälde<br />

von Charles H. Hubbell.<br />

Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/Everett Collection<br />

DER „ROTE BARON“: M<strong>an</strong>fred Freiherr von Richthofen, erfolgreichster<br />

Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, wurde am 21. April<br />

1918 <strong>an</strong> einem Frontabschnitt entl<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Somme in seinem<br />

Dreidecker Fokker Dr.I von einer Maschinengewehrkugel – vermutlich<br />

vom Boden aus abgefeuert – tödlich getroffen.<br />

Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s Picture Library<br />

Schwere Artillerie<br />

Um das Überraschungsmoment zu wahren,<br />

verzichtet die deutsche Artillerie auf ein genaueres<br />

Einschießen, son<strong>der</strong>n berechnet die<br />

Zieldaten wesentlich nach den Witterungsbedingungen<br />

und Aufklärungsergebnissen.<br />

Nach einem genauen Zeitpl<strong>an</strong> wird die Artillerie<br />

ihr Vorbereitungsfeuer mit Angriffsbeginn<br />

in Form einer Feuerwalze schrittweise<br />

in die Tiefe verlegen, um somit jeweils<br />

unmittelbar vor den Sturmtruppen Feuerunterstützung<br />

zu geben. Damit nimmt m<strong>an</strong><br />

freilich nicht unerhebliche Verluste <strong>der</strong> eigenen<br />

Truppe in Kauf, lassen sich <strong>der</strong>en Einbrüche<br />

doch nie genau vorherberechnen, so<br />

dass die vor<strong>der</strong>sten Teile nicht selten in eigenes<br />

Artilleriefeuer geraten.<br />

Das Feuer wird außerdem von Anf<strong>an</strong>g<br />

<strong>an</strong> über die Gefechtsstellungen des Gegners<br />

hinaus in seine rückwärtigen Räume gelenkt.<br />

Damit sollen Hauptquartiere, bereitgehaltene<br />

Reserven und Verkehrsknotenpunkte<br />

ausgeschaltet werden. M<strong>an</strong> zieht<br />

dazu mehr als die Hälfte <strong>der</strong> im Westen<br />

vorh<strong>an</strong>denen Artillerie – insgesamt 6.473<br />

Geschütze, davon 3.965 Feldgeschütze <strong>der</strong><br />

Kaliber 7,5 und 10 cm, 2.435 schwere Geschütze<br />

des Kalibers 15 cm und 73 schwerste<br />

Geschütze <strong>der</strong> Kaliber 21 cm und darüber<br />

– hinter dem gepl<strong>an</strong>ten Angriffsschwerpunkt<br />

zusammen. In einem fünfstündigen<br />

Trommelfeuer werden sie am 21. März 1918<br />

1,1 Millionen Gr<strong>an</strong>aten verschießen. Um<br />

den Gegner unter die Masken zu zwingen<br />

und vor allem seine Artillerie zu lähmen,<br />

werden Spreng- und Gasgr<strong>an</strong>aten gemischt<br />

verschossen. Auf das beson<strong>der</strong>s wirkungsvolle<br />

Senfgas verzichtet m<strong>an</strong> dabei, weil es<br />

am Boden haftet und damit die eigenen Angriffsverbände<br />

behin<strong>der</strong>n würde. Stattdessen<br />

sucht m<strong>an</strong> den Gegner zunächst durch<br />

Tränengas beim Aufsetzen <strong>der</strong> Masken zu<br />

behin<strong>der</strong>n, um ihn d<strong>an</strong>n möglichst schutzlos<br />

dem tödlich wirkenden Grünkreuz o<strong>der</strong><br />

Clausewitz 1/2013<br />

25


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

STAHLKOLOSS: Ein deutscher Sturmp<strong>an</strong>zerwagen<br />

A7V nach dem Gefecht bei Villers-<br />

Bretonneux im April 1918. Es wurden insgesamt<br />

nur 20 Exemplare dieses Typs, <strong>der</strong> ein<br />

Gefechtsgewicht von 32 Tonnen besaß, hergestellt.<br />

Foto: ullstein bild - Gircke<br />

Phosgen auszusetzen. Aus den zurückliegenden<br />

Schlachten haben freilich auch die<br />

Alliierten ihre Konsequenzen gezogen. Die<br />

vor<strong>der</strong>sten Stellungen sollen nur noch<br />

leicht verteidigt werden, um die eigenen<br />

Verluste zu min<strong>der</strong>n und den Angreifer erst<br />

in <strong>der</strong> gut befestigten Gefechtszone voll unter<br />

Beschuss zu nehmen. Nahe her<strong>an</strong> gehaltene<br />

Reserven sollen dazu den vor den eigenen<br />

Feldstellungen festliegenden Gegner<br />

in die Fl<strong>an</strong>ken fallen.<br />

A7V<br />

Char d’Assault St. Chamond<br />

Abmessungen und Gewicht<br />

Länge 7,35 m 8,83 m<br />

Breite 3,06 m 2,67 m<br />

Höhe 3,30 m 2,36 m<br />

Gefechtsgewicht 32 t 23 t<br />

Leistung<br />

Motor 2 x 4-Zyl.-Daimler-Benz 1 x 4-Zyl.-P<strong>an</strong>hard<br />

Motorleistung 2 x 100 PS 90 PS<br />

Höchstgeschwindigkeit Straße 12 km/h 8-12 km/h<br />

Reichweite 40-70 km 60 km<br />

Kampfkraft<br />

Besatzung (Einsatz) 16 (bis 22) M<strong>an</strong>n 8 (bis 9) M<strong>an</strong>n<br />

Bewaffnung<br />

Hauptwaffe 1 x Kaliber 5,7 cm 1 x Kaliber 7,5 cm<br />

Sekundärwaffen 6 x Kaliber 7,92 mm 4 x Kaliber 8,00 mm<br />

MG<br />

MG Hotchkiss<br />

UNGETÜM: Die P<strong>an</strong>zerfahrzeuge vom Typ<br />

Char d’Assault St. Chamond wiesen gravierende<br />

Mängel bei <strong>der</strong> Geländegängigkeit<br />

auf. Wegen <strong>der</strong> Länge ihrer W<strong>an</strong>ne war ihr<br />

taktischer Nutzen eher gering.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/Mary Ev<strong>an</strong>s Picture Library<br />

dichten Nebel und die schwachen Reserven<br />

hinter <strong>der</strong> Britischen 5. Armee, d<strong>an</strong>n sind<br />

die Aussichten für eine effiziente Abwehr<br />

alles <strong>an</strong><strong>der</strong>e als optimal.<br />

Mit Beginn <strong>der</strong> deutschen Offensiven<br />

zeigen sich bei allen Anf<strong>an</strong>gserfolgen jedoch<br />

bald auch die Grenzen <strong>der</strong> neuen Angriffsverfahren.<br />

Gerade die For<strong>der</strong>ung nach<br />

schnellem Vor<strong>an</strong>kommen ohne Rücksicht<br />

auf die kaum geschützten Fl<strong>an</strong>ken führt<br />

schon im März und April genau bei diesen<br />

Elitentruppen zu kaum ersetzbaren Verlusten.<br />

Zudem bleiben die gut ausgebildeten<br />

Sturmbataillone eine kleine Min<strong>der</strong>heit im<br />

deutschen Westheer. Die dahinter folgenden<br />

Kampftruppen sind mit ihren mitgeführten<br />

Minen- und Flamenwerfern zwar<br />

besser ausgerüstet, bewegen sich aber in<br />

<strong>der</strong> Regel noch in geballten Haufen vorwärts.<br />

Ludendorff ordnet deshalb bereits<br />

Ende März <strong>an</strong>, dass „unbedingt damit aufgeräumt<br />

werden [müsse], mit Masseneinsatz<br />

den Erfolg erzwingen zu wollen“.<br />

Hohe Verluste <strong>der</strong> Elitetruppen<br />

Die Deutschen können bei ihrem zeitlich<br />

begrenzten Vorbereitungsfeuer nicht damit<br />

rechnen, das gegnerische Stellungssystem<br />

nachhaltig zu zerschlagen. Tatsächlich<br />

werden davon am 21. März „nur“ 8.000<br />

bis 9.000 Gegner ausgeschaltet, die<br />

Masse <strong>der</strong> 100.000 Briten muss dagegen<br />

in ihren lediglich <strong>an</strong>geschlagenen<br />

Stellungen bekämpft werden. Dabei<br />

treffen die Angreifer auf ein dreigliedriges<br />

Stellungssystem: schwach besetzte<br />

und ausgebaute vor<strong>der</strong>ste Stellungen,<br />

eine stark befestigte Gefechtszone, die unter<br />

allen Umständen gehalten werden soll,<br />

und eine teilausgebaute rückwärtige Auff<strong>an</strong>glinie<br />

für den Ansatz von Gegen<strong>an</strong>griffen.<br />

Damit erreichen die Ententetruppen<br />

nicht nur größere Flexibilität in <strong>der</strong> Abwehr<br />

und verringern die hohen Verluste in vor<strong>der</strong>ster<br />

Linie bei Beginn einer Schlacht. Sie<br />

machen auch Truppen als Reserven für den<br />

weiteren Schlachtverlauf frei. Überraschen<strong>der</strong><br />

deutscher Kräfte<strong>an</strong>satz, personelle<br />

Überlegenheit <strong>an</strong> entscheiden<strong>der</strong> Stelle,<br />

neue Kampfverfahren und das enge Zu-<br />

Briten in Bedrängnis<br />

Der Nachteil bei den Briten ist allerdings,<br />

dass ihre von „Michael“ betroffene 5. Armee<br />

in einem Gebiet kämpfen muss, das sie<br />

erst seit Anf<strong>an</strong>g 1918 von den Fr<strong>an</strong>zosen<br />

übernommen hat und deswegen bis Angriffsbeginn<br />

nicht mehr voll ausbauen<br />

k<strong>an</strong>n. Über die rückwärtige dritte Linie, <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> sich ausweichende Truppenteile zum<br />

Gegen<strong>an</strong>griff sammeln sollen, schreibt ein<br />

britischer Hauptm<strong>an</strong>n: „Die Feldbefestigungen<br />

waren noch nicht fertig, als <strong>der</strong><br />

deutsche Vorstoß beg<strong>an</strong>n.“ Nimmt m<strong>an</strong> dazu<br />

den bis in den Vormittag <strong>an</strong>dauernden<br />

NACHSCHUB: Auf einen Zug verladene fr<strong>an</strong>zösische St.-Chamond-Sturmp<strong>an</strong>zer werden <strong>an</strong><br />

die Front bei Villers-Cotterêts tr<strong>an</strong>sportiert. Dieses seit 1916 gebaute Fahrzeug gilt als Vorläufer<br />

<strong>der</strong> Selbstfahrlafetten. Foto: ullstein bild - Photo 12<br />

26


Technischer Vorsprung<br />

ANFÄLLIG: Deutsche Soldaten<br />

bereiten einen Fesselballon für<br />

den Aufstieg vor. Die Ballons<br />

wurden zur Luftaufklärung o<strong>der</strong><br />

als Sperrballons gegen feindliche<br />

Flieger eingesetzt. Hochsp<strong>an</strong>nungsleitungen,<br />

Windstöße<br />

und Inf<strong>an</strong>teriebeschuss können<br />

den Ballons zum Verhängnis werden.<br />

Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

sammenwirken von Artillerie und Inf<strong>an</strong>terie<br />

fügen den Briten dennoch so schwere<br />

Verluste bei, dass die Entente zeitweilig eine<br />

entscheidende Nie<strong>der</strong>lage befürchten<br />

muss. Schon nach wenigen Tagen setzt sich<br />

d<strong>an</strong>n jedoch die überlegene Feuerkraft <strong>der</strong><br />

Verteidiger durch.<br />

An<strong>der</strong>s als die Deutschen können Briten,<br />

Fr<strong>an</strong>zosen und Amerik<strong>an</strong>er 1918 bereits die<br />

Masse ihrer Geschütze mit Fahrzeugen und<br />

nicht mehr mit Pferden bewegen. Sie sind<br />

dadurch in <strong>der</strong> Lage, ihre Feuerschwerpunkte<br />

schnell <strong>an</strong> die Brennpunkte einer<br />

Schlacht zu verschieben.<br />

Alliierte Luftüberlegenheit<br />

Deutsche Geschütze müssen in dem zerschossenen<br />

Gelände dagegen bald schon<br />

von den Soldaten vorwärtsgeschoben werden.<br />

Vor allem kommt 1918 aber <strong>der</strong> wesentliche<br />

Vorsprung bei <strong>der</strong> Munitionsherstellung<br />

voll zum Tragen. Die Westmächte<br />

setzen allein in diesem Jahr zwischen 50%<br />

und 60% ihres Gesamtmunitionsverbrauchs<br />

im Weltkrieg ein. Die Briten haben<br />

zudem ihre P<strong>an</strong>zerabwehr erheblich verstärkt,<br />

ohne dass diese allerdings von den<br />

geringen Zahlen deutscher T<strong>an</strong>ks gefor<strong>der</strong>t<br />

worden wäre.<br />

„Es sind schwere Kämpfe, in denen viele<br />

feindliche T<strong>an</strong>ks verwendet werden und ein<br />

Heer von Fliegern. Diese sausen alle<br />

Augenblicke her<strong>an</strong> und werfen Bomben.“<br />

Aus einem Brief des Oberbefehlshabers <strong>der</strong> Deutschen 2. Armee,<br />

General Georg von <strong>der</strong> Marwitz, <strong>an</strong> seine Frau vom 11. August 1918<br />

Neben ihrem Übergewicht bei den T<strong>an</strong>ks<br />

und <strong>der</strong> Artillerie verfügen die Alliierten bereits<br />

seit Ende März 1918 über eine eindeutige<br />

Überlegenheit in <strong>der</strong> Luft. Dafür bieten<br />

die deutschen Truppenkonzentrationen<br />

ideale Ziele. So verursacht etwa feindliche<br />

Fliegertätigkeit bei <strong>der</strong> Deutschen 2. Armee<br />

rund die Hälfte <strong>der</strong> Verluste. Durch PS-stärkere<br />

Motoren können auf allen Seiten nicht<br />

nur Gipfelhöhe und Reichweite gesteigert,<br />

son<strong>der</strong>n auch Nutzlasten erhöht werden.<br />

Dadurch erweitert sich das Einsatzprofil von<br />

Flugzeugen, die zusätzlich zu ihren Funktionen<br />

als Jagd- und Aufklärungsmaschinen<br />

jetzt auch als Bomber einsetzbar sind.<br />

Mit ihren Jagdflieger-Assen, allen vor<strong>an</strong><br />

dem „Roten Baron“ M<strong>an</strong>fred Freiherr von<br />

Richthofen, <strong>der</strong> im April 1918 über <strong>der</strong><br />

Somme abgeschossen wird, gelingen den<br />

Deutschen zwar immer noch spektakuläre<br />

Einzelerfolge in Luftkämpfen. Eine zu Brigaden<br />

zusammengefasste britische Luftmacht<br />

hat jedoch längst die Luftherrschaft<br />

übernommen. Diese Tatsache bekommen<br />

die Deutschen insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Luftaufklärung<br />

zu spüren, mit <strong>der</strong> seit April das<br />

Artilleriefeuer ihrer Gegner immer wirkungsvoller<br />

geleitet werden k<strong>an</strong>n. Die<br />

deutschen Angriffsarmeen müssen sich<br />

häufig noch mit Beobachtungsballons behelfen,<br />

die vom Boden aus mit 24 M<strong>an</strong>n<br />

Personal <strong>an</strong> Seilen dirigiert werden.<br />

Obwohl die deutsche Luftwaffe den Alliierten<br />

im August und September noch<br />

schwere Verluste zufügt, greifen diese sogar<br />

bereits mit Tieffliegern in die Bodenkämpfe<br />

ein. Diese immer wirksamere zahlenmäßige<br />

Überlegenheit macht den Deutschen<br />

ihre inzwischen erhebliche materielle<br />

Unterlegenheit endgültig bewusst. Im Spätherbst<br />

erlahmt die deutsche Gegenwehr<br />

aufgrund <strong>der</strong> hohen Verluste <strong>an</strong> Flugzeugführern<br />

und dem zunehmenden Treibstoffm<strong>an</strong>gel<br />

schließlich weitgehend.<br />

Der Erste Weltkrieg endet 1918, wie er<br />

im Jahr 1914 begonnen hat: mit dem klaren<br />

Übergewicht materieller Potentiale über<br />

vermeintliche militärische Führungskunst.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

27


Titelgeschichte | <strong>Westfront</strong> 1918<br />

Deutsche und alliierte Soldaten 1918<br />

Sinnloses Massensterben<br />

Anf<strong>an</strong>g 1918: Kriegsmüdigkeit ist das durchgängige Kennzeichen bei den Soldaten<br />

aller kriegführenden Nationen. Dennoch ist das Jahr 1918 geprägt von zahlreichen<br />

Großoffensiven...<br />

Von Bruno Thoß<br />

Selbst die Fr<strong>an</strong>zosen, <strong>der</strong>en „defensiver<br />

Patriotismus“ sie in <strong>der</strong> Verteidigung<br />

ihres eigenen Bodens bisher alle Strapazen<br />

und Entbehrungen durchhalten ließ,<br />

reagieren 1917 als Folge <strong>der</strong> blutigen „Nivelle-Offensive“<br />

bei zwei Dritteln ihrer Frontdivisionen<br />

mit Meutereien auf die inakzeptablen<br />

Massenverluste. Immerhin fünf <strong>der</strong> betroffenen<br />

Großverbände sind dadurch<br />

zeitweilig lahmgelegt. Eine Stimme wie die<br />

eines Soldaten des 82. fr<strong>an</strong>zösischen Inf<strong>an</strong>terie-Regiments<br />

ist längst kein Einzelfall mehr:<br />

„Wir befinden uns in einer absolut ausweglosen<br />

Lage. Die einzige Perspektive<br />

ist ein gegenseitiges, nicht enden wollendes<br />

Massaker“.<br />

Der Krieg wird Anf<strong>an</strong>g<br />

1918 allgemein als sinnlos<br />

empfunden; die For<strong>der</strong>ungen<br />

nach Frieden<br />

werden immer lauter;<br />

<strong>der</strong> eigenen politischen<br />

wie militärischen Führung bringt<br />

m<strong>an</strong> nur noch begrenztes Vertrauen entgegen.<br />

Ein fr<strong>an</strong>zösischer Artillerist verleiht<br />

dem grassierenden Fatalismus eine radikale<br />

Stimme: „Ich will Brot essen und arbeiten;<br />

ob wir siegen o<strong>der</strong> besiegt werden, ist<br />

mir egal.“ Briefzensur und drakonische<br />

Strafen verlieren da ihre abschreckende<br />

Wirkung. Der neue Oberbefehlshaber, Philippe<br />

Pétain, muss Anf<strong>an</strong>g 1918 sogar<br />

scharfe Weisungen gegen erste Verbrü<strong>der</strong>ungen<br />

zwischen Deutschen und Fr<strong>an</strong>zosen<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Front erlassen<br />

Ein deutliches Herabsinken<br />

<strong>der</strong> Kampfbereitschaft<br />

ist nach den kräftezehrenden<br />

Fl<strong>an</strong><strong>der</strong>noffensiven<br />

seit Spätherbst<br />

1917 sogar bei den<br />

Briten zu verspüren,<br />

<strong>der</strong>en<br />

sprichwört-<br />

liche Disziplin deutlich nachzulassen beginnt.<br />

Auch hier entfaltet eine harte Militärjustiz<br />

kaum noch die gewünschte Wirkung.<br />

Ein Beobachter ist geradezu erschrocken,<br />

als er einer singenden Kolonne britischer<br />

Militärgef<strong>an</strong>gener begegnet, die offenkundig<br />

lieber ins Gewahrsam als <strong>an</strong> die Front<br />

marschiert.<br />

Hungerrevolten<br />

Die Stimmung bei den deutschen Soldaten<br />

k<strong>an</strong>n dagegen durch die Erfolge im Kriegsjahr<br />

1917 noch vergleichsweise stabil gehalten<br />

werden – und dies trotz immer bedenklicherer<br />

Nachrichten aus <strong>der</strong> Heimat über<br />

das Aufflammen von Hungerrevolten. Diese<br />

Haltung ist auch bei ihnen nicht mehr allein<br />

auf den unbedingten Kampfeswillen<br />

zurückzuführen, als vielmehr auf die Hoffnung,<br />

dass die eigenen Siege den Krieg<br />

WAHNSINNIG: Ein deutscher Soldat<br />

in einem Schützengraben inmitten<br />

zahlreicher Gefallener. Das Entsetzen<br />

über den grausamen Kampf<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Front steht ihm ins Gesicht<br />

geschrieben. Foto aus dem Antikriegsfilm<br />

„<strong>Westfront</strong> 1918“ aus<br />

dem Jahr 1930.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/picture-alli<strong>an</strong>ce<br />

28


Nicht enden wollendes Massaker<br />

GEBLENDET: Verwundete alliierte Soldaten,<br />

die durch den Einsatz von Tränengas aus<br />

dem Schlachtfeld zeitweise ihr Sehvermögen<br />

eingebüßt haben.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

schließlich „verkürzen“ werden. Eine auf<br />

Hochtouren laufende Kriegspropag<strong>an</strong>da<br />

nutzt diesen Umst<strong>an</strong>d für die Frühjahrsoffensiven<br />

1918. Sie suggeriert den Soldaten,<br />

es ginge nur noch um eine letzte große<br />

Kraft<strong>an</strong>strengung, d<strong>an</strong>n sei <strong>der</strong> Krieg endlich<br />

vorbei. Bei den Fronttruppen verurteilt<br />

m<strong>an</strong> Anf<strong>an</strong>g 1918 deswegen die Streikenden<br />

zu Hause häufig als „Radaubrü<strong>der</strong>“<br />

und „Sauhunde“, die mit ihrem Defätismus<br />

die Ch<strong>an</strong>cen für einen deutschen Sieg <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> untergraben. Jetzt sei Einigkeit<br />

und nicht Zwietracht die Parole <strong>der</strong><br />

Stunde.<br />

„Sie werden nicht durchkommen“<br />

Wie sehr sich dabei die Stimmung bei den<br />

Deutschen und den Briten ähnelt, lässt sich<br />

vor Angriffsbeginn im März aus den Briefen<br />

britischer Soldaten <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>sten Stellungen<br />

ablesen. Früher als die eigene Führung<br />

erkennt m<strong>an</strong> hier zwar die deutschen<br />

Angriffsvorbereitungen, vertraut aber nach<br />

wie vor auf die eigenen Waffen und das<br />

sprichwörtliche Stehvermögen <strong>der</strong> eigenen<br />

Truppe.<br />

Wie bei den Fr<strong>an</strong>zosen 1916 vor Verdun<br />

geht bei ihnen <strong>der</strong> Trinkspruch um: „Sie<br />

werden nicht durchkommen!“ Ähnlich<br />

klingen bei allen kritischen Untertönen<br />

auch die mehrheitlichen Aussagen fr<strong>an</strong>zösischer<br />

Soldaten für die kommenden<br />

Kämpfe. Bei allem Fatalismus ist wirkliche<br />

Mutlosigkeit kaum auszumachen. M<strong>an</strong><br />

vertraut vielmehr aus den zurückliegenden<br />

ERLEBNISBERICHT<br />

Schil<strong>der</strong>ung des britischen Private<br />

Beardsell vom 21. März 1918<br />

„Ich kroch hinauf und bot dabei ein auffallendes Ziel. Auf halbem<br />

Wege drehte ich mich unwillkürlich um und hatte das Gefühl,<br />

mein rechter Arm sei von einem elektrischen Schlag getroffen<br />

worden. Jetzt hatte es mich erwischt. Aber ich dachte<br />

nur: ‚Gott sei D<strong>an</strong>k! Nun ist alles vorüber.‘“<br />

Erfahrungen auf die gut ausgebauten Stellungen<br />

und die starke Artillerieunterstützung.<br />

Unisono klingen deshalb Berichte vor<br />

Angriffsbeginn auf beiden Seiten, wird<br />

doch <strong>der</strong> erwartete deutsche Angriff endlich<br />

die nervenaufreibende Tatenlosigkeit<br />

<strong>der</strong> letzten Monate beenden.<br />

Ein deutscher Feldwebel beschreibt die<br />

Reaktion seiner Soldaten auf den Befehl<br />

zum Vormarsch in die Sturmausg<strong>an</strong>gsstellungen:<br />

„Die Stimmung war ausgezeichnet“.<br />

Bei den Briten ist m<strong>an</strong> am Vorabend<br />

<strong>der</strong> Schlacht ebenfalls froh, dass die l<strong>an</strong>ge<br />

Untätigkeit bei Kälte und Regen vorbei ist.<br />

Sorgen bereiten hier allerdings die schlecht<br />

ausgebauten Stellungen, die m<strong>an</strong> seit Jahresbeginn<br />

von den Fr<strong>an</strong>zosen übernommen<br />

hat. Wie bei den Deutschen werden in den<br />

Abendstunden des 20. März nochmals<br />

reichlich Verpflegung, Zigaretten und Getränke<br />

gefasst. Während die einen jedoch in<br />

absoluter Stille auf den Angriffsbefehl warten<br />

müssen, trinkt und singt m<strong>an</strong> bei den<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>en kräftig, denn die weit verbreitete<br />

Erwartung ist : „Wenn <strong>der</strong> Boche [fr<strong>an</strong>zösisch<br />

abwertend „Der Deutsche“] kommt,<br />

d<strong>an</strong>n werden wir es ihm schon geben!“ Das<br />

mischt sich freilich mit Besorgnis um das<br />

persönliche Schicksal im Gefecht. Einem<br />

deutschen Inf<strong>an</strong>teristen würde „eine leichte<br />

Verwundung nichts ausmachen,<br />

denn d<strong>an</strong>n käme<br />

ich in ein Lazarett nach<br />

Deutschl<strong>an</strong>d. Viele hofften<br />

das.“<br />

Auf <strong>der</strong> Gegenseite verlässt<br />

sich ein britischer Soldat<br />

einfach auf sein bisheriges<br />

Kriegsglück: „Ich war<br />

überzeugt, dass ich nicht getroffen<br />

werden könnte. Ich<br />

fühlte mich absolut kugelsicher.“ Doch das<br />

sind Einzelstimmen; generell ist m<strong>an</strong> auf<br />

beiden Seiten froh, wenn es endlich losgeht,<br />

denn das zermürbende Warten wird immer<br />

unerträglicher.<br />

Menschliches „Wrack”<br />

Mit Beginn des deutschen Artilleriefeuers<br />

in den frühen Morgenstunden des 21. März<br />

1918 driften d<strong>an</strong>n die Stimmungen bei Angreifern<br />

und Verteidigern allerdings ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>.<br />

Schon die ersten gut gezielten Salven<br />

lösen in den britischen Stellungen „erdbebenartige<br />

Erschütterungen“ aus. Ein<br />

BITTERES ENDE: Angehörige <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Armee bei <strong>der</strong> Identifizierung und Bestattung<br />

während <strong>der</strong> deutschen Großoffensive bei Reims gefallener alliierter Soldaten, Juli<br />

1918. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Clausewitz 1/2013 29


Historisch, authentisch, …<br />

Als junger Eisenbahnpionier im Inferno des Zweiten Weltkriegs: Packend<br />

und detailreich erinnert sich Willy Reinshagen <strong>an</strong> seine Erlebnisse auf<br />

dem Russl<strong>an</strong>dfeldzug, <strong>an</strong> Stalingrad, die L<strong>an</strong>dung <strong>der</strong> Alliierten in Fr<strong>an</strong>kreich<br />

und die Kapitulation. Er erzählt von Kameradschaft, vom harten<br />

Alltag <strong>an</strong> <strong>der</strong> Front und von vielem mehr. Ein authentischer Bericht eines<br />

<strong>der</strong> letzten Zeitzeugen <strong>der</strong> alten Reichsbahn. Reich illustriert mit zahlreichen<br />

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Titelgeschichte<br />

Hauptm<strong>an</strong>n im Stab <strong>der</strong> 172. britischen<br />

Brigade muss nach wenigen Minuten feststellen,<br />

dass selbst die zwei Meter tief eingegrabenen<br />

Fernsprechkabel durchgängig<br />

zerschossen sind. Verbindung zwischen<br />

Truppe und rückwärtiger Führung besteht<br />

jetzt wie auch in den kommenden Stunden<br />

nicht mehr. Von einem jungen Nachrichtenoffizier,<br />

<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Stellung geht, um sich<br />

ein Bild von <strong>der</strong> Lage zu machen, heißt es:<br />

„Achilles war als Jüngling hinausgeg<strong>an</strong>gen<br />

und kehrte als Greis zurück (...) Er hat sich<br />

von diesem Schock nie wie<strong>der</strong> erholt. Monatel<strong>an</strong>g<br />

konnte er nur im Flüsterton sprechen<br />

(...) Bis zu diesem Nervenzusammenbruch<br />

war er ein aufgeweckter, tüchtiger<br />

und furchtloser M<strong>an</strong>n. Aber am 21. März<br />

1918 wurde er zum Wrack und konnte als<br />

Soldat nicht mehr verwendet werden.“<br />

Die Stimmung sinkt<br />

In den deutschen Stellungen steht m<strong>an</strong><br />

zwar auch unter den Belastungen <strong>der</strong> stundenl<strong>an</strong>gen<br />

Feuerschläge, nur erhöhen sie<br />

hier die Erwartungen auf den eigenen Erfolg.<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n sich nur schwer vorstellen,<br />

dass <strong>der</strong> Gegner d<strong>an</strong>ach noch zu stärkerem<br />

Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d fähig sein wird. Euphorie<br />

herrscht jedoch auch hier – von Ausnahmefällen<br />

abgesehen – nicht. Ein Leutn<strong>an</strong>t aus<br />

dem 463. Inf<strong>an</strong>terie-Regiment schil<strong>der</strong>t die<br />

Stimmung so: „Die meisten Männer waren<br />

g<strong>an</strong>z still. M<strong>an</strong> hörte ein paar Scherzworte.<br />

Einer nahm einen Brief heraus und die Photographie<br />

seiner Frau. Wir dachten alle <strong>an</strong><br />

Zuhause. Vielleicht die Hälfte <strong>der</strong> Männer<br />

ging beiseite in einen ruhigeren Abschnitt<br />

des Grabens, um zu beten.“<br />

Das rasche Vor<strong>an</strong>kommen in den vor<strong>der</strong>sten,<br />

nur noch schwach verteidigten britischen<br />

Stellungen hebt die Stimmung naturgemäß<br />

bei den Angreifern. Dazu tragen<br />

in erheblichem Maße auch die größer werdenden<br />

Kolonnen von Gef<strong>an</strong>genen bei. Das<br />

Gefühl, in ihren schlecht ausgebauten Stellungen<br />

von <strong>der</strong> eigenen Führung und von<br />

<strong>der</strong> im Nebel zunächst nur schwach feuernden<br />

eigenen Artillerie im Stich gelassen zu<br />

werden, lässt den Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d in den verbliebenen,<br />

weit ausein<strong>an</strong><strong>der</strong> liegenden Stellungen<br />

schnell zusammenbrechen. Den<br />

Deutschen bieten sich ungewohnte Bil<strong>der</strong><br />

von den sonst so zäh kämpfenden Briten:<br />

„Sie warfen ihre Waffen weg und wollten<br />

sich ergeben“, berichtet ein deutscher Füsilier.<br />

In den ersten drei Wochen <strong>der</strong> deutschen<br />

Frühjahrsoffensiven muss die britische<br />

Armee die ungewöhnlich hohe Zahl<br />

von über 70.000 Gef<strong>an</strong>genen verkraften. Sie<br />

trotten oft fast teilnahmslos o<strong>der</strong> zumindest<br />

erleichtert dahin, werden nur wenig bewacht<br />

nach rückwärts durchgewunken


Tod als ständiger Begleiter<br />

…sp<strong>an</strong>nend.<br />

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TÖDLICH GETROFFEN: Von einer britischen Gr<strong>an</strong>ate zerstörtes deutsches Munitionsgesp<strong>an</strong>n,<br />

im Vor<strong>der</strong>grund ist ein toter deutscher Soldat zu erkennen. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

und erst hinter den deutschen Angriffsverbänden<br />

zu größeren Kolonnen zusammengefasst.<br />

In <strong>der</strong> Stadt St. Quentin werden sie<br />

d<strong>an</strong>n mehrfach um den Stadtplatz geführt,<br />

um für die deutsche Öffentlichkeit daheim<br />

fotografiert zu werden. Freilich müssen die<br />

deutschen Soldaten auch feststellen, wie<br />

„frisch und beson<strong>der</strong>s gut genährt“ ihre<br />

Gegner aussehen.<br />

Selbst bei den zunächst nicht <strong>an</strong>gegriffenen<br />

Fr<strong>an</strong>zosen sinkt die Stimmung im April<br />

1918 deutlich. Dabei ist auch das Vertrauen<br />

in den britischen Verbündeten starken Belastungen<br />

ausgesetzt, kritisiert m<strong>an</strong> doch<br />

dessen schnelles Zurückgehen. Ähnliche<br />

Skepsis werden britische und fr<strong>an</strong>zösische<br />

Soldaten im Sommer 1918 <strong>an</strong>fänglich den<br />

amerik<strong>an</strong>ischen Verbündeten entgegenbringen.<br />

Deren m<strong>an</strong>gelnde Kampferfahrung<br />

MAKABER: Fr<strong>an</strong>zösische Soldaten nehmen<br />

während einer Gefechtspause eine Mahlzeit<br />

ein und benutzen Särge als Tisch für ihr Essgeschirr.<br />

Der Tod ist ein ständiger Begleiter<br />

<strong>der</strong> Soldaten.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa<br />

lässt sie häufig mit großen Verlusten im Angriff<br />

scheitern. Erst im Sommer 1918 wird<br />

sich dies bei den Ententetruppen merklich<br />

än<strong>der</strong>n, als m<strong>an</strong> wie<strong>der</strong> Zuversicht in das eigene<br />

Durchhaltevermögen gewinnt.<br />

„Dolchstoßlegende“<br />

Umgekehrt beginnen jetzt bei den Deutschen<br />

die kritischen Stimmen lauter zu<br />

werden, die bei den hohen eigenen Verlusten<br />

und dem Ausbleiben des Zusammenbruchs<br />

des Gegners die bloße Verlängerung<br />

des Krieges beklagen. Jetzt rächt sich, dass<br />

m<strong>an</strong> seitens <strong>der</strong> Führung zu hohe Erwartungen<br />

geweckt hat, die für die Soldaten <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> Front immer eindeutiger wi<strong>der</strong>legt<br />

werden. Um dem zu begegnen, warnt Ludendorff<br />

Anf<strong>an</strong>g Oktober vor „weichlicher<br />

Beh<strong>an</strong>dlung bei Disziplinarvergehen“, weil<br />

damit geradezu „eine Prämie für nie<strong>der</strong>trächtiges<br />

Verhalten“ ausgestellt werde.<br />

Doch das, was in <strong>der</strong> neueren Forschung<br />

als „stiller Militärstreik“ in den deutschen<br />

Truppen beschrieben wird, ist damit längst<br />

nicht mehr aufzuhalten. Eine immer größere<br />

Zahl von Soldaten versucht, sich dem<br />

weiteren Kriegseinsatz zu entziehen – dabei<br />

kommt es nicht selten zu Selbstverstümmelungen<br />

und Befehlsverweigerungen.<br />

An<strong>der</strong>s als es die später von <strong>der</strong> deutschen<br />

politischen Rechten propagierte „Dolchstoßlegende“<br />

glauben machen will, ist es<br />

freilich nicht die Kriegsmüdigkeit <strong>der</strong> Heimat,<br />

son<strong>der</strong>n die Wucht <strong>der</strong> alliierten Angriffe,<br />

unter <strong>der</strong> die deutschen Fronttruppen<br />

allmählich ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>brechen und<br />

die zum Scheitern <strong>der</strong> deutschen Offensiven<br />

im Jahr 1918 führt.<br />

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Clausewitz 1/2013


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte<br />

GNADENLOSE SCHLACHT: Monatel<strong>an</strong>g tobt <strong>der</strong><br />

erbitterte Kampf am Fuße des Waldai.<br />

Später wird Hitler den Überlebenden den<br />

„Demj<strong>an</strong>skschild“ für die Verteidigung des<br />

Kessels stiften. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo<br />

32


Demj<strong>an</strong>sk 1942/43<br />

Umkämpftes<br />

Sumpfl<strong>an</strong>d<br />

8. J<strong>an</strong>uar 1942: Die sowjetische Nordwestfront beginnt<br />

ihre Offensive gegen den deutschen Frontvorsprung<br />

südlich des Ilmensees. Sechs Divisionen<br />

<strong>der</strong> deutschen 16. Armee werden bald darauf zehn<br />

Wochen l<strong>an</strong>g eingeschlossen. Dies ist aber nur <strong>der</strong><br />

Auftakt eines 14-monatigen für beide Seiten zermürbenden<br />

Kampfes. Von Christi<strong>an</strong> Th. Müller<br />

Blutige Kesselschlacht<br />

Truppenstärken am 8. J<strong>an</strong>uar 1942 und Verluste bis zum 20. Mai 1942<br />

Soldaten<br />

ca. 100.000<br />

ca. 400.000<br />

Tote<br />

✝ 48.000<br />

✝ ✝ ✝ ✝ ca. 200.000<br />

Wehrmacht und Waffen-SS<br />

Rote Armee<br />

Verwundete<br />

+ + + 140.000<br />

+ + + + + + + + ca. 400.000<br />

Die Verluste bis zum 20. Mai 1942 waren<br />

höher als die jeweiligen Ist-Stärken<br />

am 8. J<strong>an</strong>uar 1942. Das mag verwirrend<br />

erscheinen, erklärt sich aber (für<br />

die sowjetische Seite) durch den laufenden<br />

Personalersatz und für die deutsche<br />

Seite zudem noch durch den Umst<strong>an</strong>d,<br />

dass <strong>an</strong> den Kämpfen nicht nur<br />

die Truppen im Kessel selbst beteiligt<br />

waren.<br />

Clausewitz 1/2013 33


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte | Demj<strong>an</strong>sk 1942/43<br />

Die ausgedehnten Sumpfgebiete zwischen<br />

dem Südufer des Ilmensees und<br />

den Waldaihöhen gehören in den Jahren<br />

1942/43 zu den am längsten und am<br />

hartnäckigsten umkämpften Abschnitten<br />

<strong>der</strong> deutsch-sowjetischen Front.<br />

Im Herbst 1941 hatten Teile <strong>der</strong> deutschen<br />

16. Armee den Raum um die kleine<br />

Kreisstadt Demj<strong>an</strong>sk besetzt. Sie bilden das<br />

Bindeglied zwischen dem vor Leningrad<br />

stehenden Gros <strong>der</strong> Heeresgruppe Nord<br />

und <strong>der</strong> auf Moskau vorrückenden Heeresgruppe<br />

Mitte. Ihre durch riesige Wald- und<br />

Sumpfgebiete verlaufende Front ist hoff-<br />

KARTE<br />

Kriegsschauplatz Ilmensee und Seligersee<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

AUF BEOBACHTUNGSPOSTEN: Ein deutscher<br />

Soldat hält Ausschau nach dem<br />

Gegner. Das sumpfige Terrain k<strong>an</strong>n sehr<br />

unübersichtlich sein und erschwert nicht<br />

nur im Winter den Kampf immens.<br />

Foto: ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

nungslos überdehnt und besteht Ende 1941<br />

nur aus einer dünnen Linie von Posten und<br />

Stützpunkten. Wie gefährdet diese Position<br />

am Südflügel <strong>der</strong> Heeresgruppe Nord ist,<br />

wird im J<strong>an</strong>uar 1942 deutlich.<br />

Kaum ist <strong>der</strong> Schock <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Gegenoffensive vor Moskau überwunden<br />

und die Front wie<strong>der</strong> einigermaßen stabilisiert,<br />

geht die Rote Armee vom Ladogasee<br />

bis zur Krim zur allgemeinen Offensive<br />

über. Der bei<strong>der</strong>seits des Ilmensees stehenden<br />

sowjetischen Nordwestfront unter Generalleutn<strong>an</strong>t<br />

Kurotschkin fallen dabei<br />

zwei Aufgaben zu. Ihr Nordflügel soll im<br />

Zusammenwirken mit <strong>der</strong> Wolchowfront<br />

die deutsche 18. Armee von Leningrad abziehen<br />

und vernichten. Der Südflügel soll<br />

auf Staraja Russa und Cholm vorstoßen,<br />

um das deutsche II. und X. Armeekorps abzuschneiden<br />

sowie die Heeresgruppen<br />

Nord und Mitte vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu trennen.<br />

Die am 7. J<strong>an</strong>uar begonnene Offensive<br />

bringt die Heeresgruppe Nord in eine<br />

schwierige Lage. Mit Mühe k<strong>an</strong>n die 18. Armee<br />

die sowjetischen Angriffe zurückschlagen<br />

und die Blockade Leningrads aufrechterhalten.<br />

Ungünstiger entwickelt sich die<br />

34


Hitler verbietet jeden Rückzug<br />

FAHRT IN DIE KAMPFZONE:<br />

P<strong>an</strong>zerfahrzeuge auf dem Marsch<br />

ins Waldaigebiet. Aufnahme gegen<br />

Ende 1941.<br />

Foto: ullstein bild<br />

„Für die Heeresgruppe Nord und die 16. Armee<br />

hat <strong>der</strong> Raum um Demj<strong>an</strong>sk keine taktische und<br />

operative Bedeutung.“<br />

OB HGr Nord Leeb am 12. J<strong>an</strong>uar 1942 <strong>an</strong> OKW<br />

Lage im schwierigen Gelände zwischen<br />

Staraja Russa und Demj<strong>an</strong>sk. Bei strengem<br />

Frost rücken Skibataillone mit P<strong>an</strong>zerunterstützung<br />

auf Staraja Russa vor. Die sowjetischen<br />

Truppen sind hervorragend auf den<br />

Winterkrieg vorbereitet. Auf deutscher Seite<br />

fehlt es <strong>an</strong> Winterbekleidung. Eingefrorene<br />

Schmierstoffe machen Waffen und Fahrzeuge<br />

unbrauchbar. An eine bewegliche<br />

Kampfführung ist unter diesen Umständen<br />

nicht zu denken. So bleibt <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

nichts weiter übrig, als rings um die kurzerh<strong>an</strong>d<br />

zu „Festungen“ erklärten Verkehrsknotenpunkte<br />

und Versorgungszentren zu<br />

„igeln“. Zwischen diesen Stützpunkten sickern<br />

sowjetische Truppen hindurch. Im<br />

Hinterl<strong>an</strong>d greifen Partis<strong>an</strong>en die Rückwärtigen<br />

Dienste <strong>an</strong>.<br />

Im Oberkomm<strong>an</strong>do <strong>der</strong> Heeresgruppe<br />

Nord wird schon bald nach Angriffsbeginn<br />

erk<strong>an</strong>nt, dass die konzentrischen sowjetischen<br />

Angriffe südlich des Ilmensees darauf<br />

abzielen, die beiden südlichen Korps<br />

<strong>der</strong> 16. Armee einzukesseln. Bereits am 10.<br />

J<strong>an</strong>uar sieht Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall<br />

von Leeb keine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Möglichkeit,<br />

als das II. und X. Armeekorps hinter<br />

den Lowat zurückzunehmen. Die mehrfach<br />

durchbrochene Stellung hat aus seiner Sicht<br />

keinen militärischen Wert mehr, während<br />

ein partieller Rückzug die Möglichkeit böte,<br />

die Front zu begradigen und Kräfte für<br />

die Unterstützung <strong>der</strong> 18. Armee nördlich<br />

des Ilmensees zu gewinnen.<br />

Bei Hitler und dem Generalstabschef des<br />

Heeres, Generaloberst Fr<strong>an</strong>z Hal<strong>der</strong>, stößt<br />

er mit dieser Idee auf entschiedene Ablehnung.<br />

Am 16. J<strong>an</strong>uar wird Leeb entlassen<br />

und eine Rücknahme des beson<strong>der</strong>s gefährdeten<br />

II. Armeekorps untersagt. Nach Ansicht<br />

Hal<strong>der</strong>s hätte ein Rückzug nicht nur<br />

bedeutet, dass ein wesentlicher Ausg<strong>an</strong>gspunkt<br />

für die Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Angriffsoperationen<br />

1942 verloren geg<strong>an</strong>gen<br />

wäre. Aufgrund <strong>der</strong> massiven Tr<strong>an</strong>sportprobleme<br />

wären nicht allein die relativ gut<br />

ausgebauten Stellungen, son<strong>der</strong>n auch nahezu<br />

das gesamte schwere Gerät verloren<br />

geg<strong>an</strong>gen. So schien es fraglich, ob am Lowat<br />

tatsächlich eine stabile Verteidigung<br />

aufgebaut werden könnte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rückzug<br />

nicht vielmehr eine existentielle Gefahr<br />

für den benachbarten Nordflügel <strong>der</strong> Heeresgruppe<br />

Mitte heraufbeschwören würde.<br />

FEUERBEREIT: Deutsche leichte Feldhaubitze (lFH 18) im Kampf gegen die Rote Armee. Die Soldaten<br />

und ihr Gerät ringen aber auch mit Schnee und Frost. Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo<br />

„Festung“ Demj<strong>an</strong>sk<br />

Unaufhaltsam stoßen überlegene sowjetische<br />

Verbände <strong>der</strong> 11. Armee und <strong>der</strong> 3.<br />

Stoßarmee auf Staraja Russa, Cholm und<br />

den Lowat vor. Am 8. Februar sind vom<br />

X. Armeekorps die 290. Inf<strong>an</strong>teriedivision<br />

(ID), die 30. ID und die SS-Division „Totenkopf“<br />

sowie vom II. Armeekorps die 12., 32.<br />

und 123. ID mit insgesamt 96.000 M<strong>an</strong>n eingeschlossen.<br />

Die neue deutsche Hauptkampflinie<br />

bei Staraja Russa ist 35 Kilometer<br />

entfernt. Der Versuch, mit Teilen <strong>der</strong><br />

Clausewitz 1/2013<br />

35


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte | Demj<strong>an</strong>sk 1942/43<br />

DEUTSCHLAND<br />

ZUSÄTZLICH AUF DEUT-<br />

SCHER SEITE IM EINSATZ<br />

LEITET DEN AUSBRUCH:<br />

Generalleutn<strong>an</strong>t H<strong>an</strong>s<br />

Zorn (1891-1943), im<br />

März 1942 in den Kessel<br />

eingeflogen, um die<br />

Ausbruchsoperation<br />

„Fallreep“ durch die<br />

„Gruppe Zorn“ zu leiten.<br />

WIRD ABGELÖST:<br />

Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von<br />

Leeb (1876-1956) – Oberbefehlshaber <strong>der</strong><br />

Heeresgruppe Nord bis 16. J<strong>an</strong>uar 1942.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffm<strong>an</strong>n<br />

SCHAFFT DEN „BRÜCKEN-<br />

SCHLAG“: Generalleutn<strong>an</strong>t<br />

Walther von Seydlitz-Kurzbach<br />

(1888-1976), ab März<br />

1942 Führer <strong>der</strong> „Gruppe<br />

Seydlitz“. Foto: ullstein bild<br />

5. Jägerdivision (JD) zur am Nordwestr<strong>an</strong>d<br />

des Kessels stehenden 290. ID durchzubrechen,<br />

scheitert am 9. Februar unter hohen<br />

Verlusten. Weitere Entsatzversuche werden<br />

zunächst nicht unternommen. Die sechs<br />

eingeschlossenen Divisionen werden dem<br />

Generalkomm<strong>an</strong>do des II. Armeekorps unter<br />

General <strong>der</strong> Inf<strong>an</strong>terie Graf von Brockdorff-Ahlefeldt<br />

unterstellt und richten sich<br />

zur Rundumverteidigung ein. Die Front ist<br />

extrem dünn besetzt. M<strong>an</strong>chmal liegen<br />

zwischen den oft nur mit 15 bis 20 Soldaten<br />

besetzten Stützpunkten ein bis zwei Kilometer.<br />

Offiziell wird <strong>der</strong> Kessel dennoch als<br />

„Festung“ bezeichnet. Bei den L<strong>an</strong>dsern ist<br />

dagegen in Anspielung auf ihren Komm<strong>an</strong>dierenden<br />

General bald von <strong>der</strong> „Grafschaft<br />

Demj<strong>an</strong>sk“ die Rede. Diese hängt vollständig<br />

von <strong>der</strong> am 18. Februar eingerichteten<br />

Luftbrücke ab. Der gesamte Nachschubbedarf<br />

muss über zwei kleine Behelfsflugplätze<br />

von 800 mal 50 bzw. 600 mal 30 Metern<br />

eingeflogen werden. Als Problem erweisen<br />

sich dabei vor allem die sowjetische Luftüberlegenheit<br />

und die ständigen Luft<strong>an</strong>griffe<br />

auf die Start- und L<strong>an</strong>debahnen.<br />

Das Oberkomm<strong>an</strong>do <strong>der</strong> Nordwestfront<br />

setzt nun alles dar<strong>an</strong>, in einem doppelten<br />

Z<strong>an</strong>gen<strong>an</strong>griff, den Kessel weiter vom Gros<br />

<strong>der</strong> 16. Armee zu isolieren und aufzuspalten.<br />

Ab Anf<strong>an</strong>g März sickern sowjetische<br />

Luftl<strong>an</strong>detruppen und Skibataillone von<br />

Norden zwischen Pustynja und Wjasowka<br />

„Brückenschlag“ und „Fallreep“<br />

Inzwischen laufen die Vorbereitungen zum<br />

Entsatz des Kessels auf Hochtouren. Unter<br />

direkter Leitung des Oberkomm<strong>an</strong>dos <strong>der</strong><br />

Heeresgruppe Nord sollen zwei eigens für<br />

diesen Zweck gebildete Korpsgruppen die<br />

inzwischen stark befestigten sowjetischen<br />

Stellungen zwischen Redja und Lowat<br />

durchbrechen und eine L<strong>an</strong>dbrücke nach<br />

Demj<strong>an</strong>sk herstellen.<br />

Nach mehreren Verschiebungen des Angriffstermins<br />

beginnt „Unternehmen Brüin<br />

den Kessel ein. Die 30. ID droht von hinten<br />

umfasst zu werden. Sowjetische Fallschirmjäger<br />

unterbrechen die deutschen<br />

Nachschubwege und greifen die Rückwärtigen<br />

Dienste <strong>an</strong>. Pustynja wird eingeschlossen<br />

und belagert. In Nowinka wird um jedes<br />

Haus gekämpft. Getarnt mit Schneehemden<br />

arbeiten sich die Fallschirmjäger<br />

bei strengem Frost nach Süden vor. Skipatrouillen<br />

beherrschen das Gelände und vertreiben<br />

deutsche Spähtrupps. Die deutsche<br />

Aufklärung erkennt die von <strong>der</strong> eingesickerten<br />

sowjetischen Gruppierung ausgehende<br />

Gefahr so erst am 14. März.<br />

Deren Operation zielt auf das Herz des<br />

Kessels. Der Gefechtsst<strong>an</strong>d des II. Armeekorps<br />

in Dobrosli soll ausgehoben; die für<br />

die Versorgung lebensnotwendigen Flugplätze<br />

eingenommen und ausgeschaltet<br />

werden. In <strong>der</strong> Nacht zum 22. März erobern<br />

Fallschirmjäger Dobrosli. Nur knapp verfehlen<br />

sie das tags zuvor nach Borowitschi<br />

verlegte Generalkomm<strong>an</strong>do. Die Vorstöße<br />

auf die beiden Flugplätze werden in<br />

heftigen Kämpfen abgeschlagen. Während<br />

Ortschaften und Rollbahnen in deutscher<br />

H<strong>an</strong>d sind, beherrschen die eingesickerten<br />

sowjetischen Verbände das Sumpfl<strong>an</strong>d.<br />

Mit dem am 24. März einsetzenden<br />

Tauwetter geraten sie in eine schwierige Lage.<br />

In den kaum noch g<strong>an</strong>gbaren Sümpfen,<br />

abgeschnitten vom Nachschub, werden sie<br />

bis Ende April nach und nach von deutschen<br />

Jagdkomm<strong>an</strong>dos aufgespürt und<br />

aufgerieben.<br />

„Es kommt darauf <strong>an</strong>, die Knotenpunkte und<br />

das Höhengelände um Demj<strong>an</strong>sk bis in die Zeit <strong>der</strong><br />

Schneeschmelze zu halten“<br />

Tagesbefehl KdoGen II. AK vom 20. Februar 1942<br />

36


Der Entsatz des Kessels beginnt<br />

SOWJETUNION<br />

MACHT DRUCK: Marschall <strong>der</strong><br />

Sowjetunion, Semjon Konst<strong>an</strong>tinowitsch<br />

Timoschenko<br />

(1895-1970), Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> Nordwestfront (Oktober 1942<br />

bis März 1943). Foto: ullstein bild<br />

WEITERER SOWJETISCHER<br />

BEFEHLSHABER<br />

GIBT NICHT AUF: Generalleutn<strong>an</strong>t<br />

Pawel Alexejewitsch<br />

Kurotschkin (1900-<br />

1989) Oberbefehlshaber <strong>der</strong><br />

Nordwestfront (August 1941<br />

bis Oktober 1942).<br />

HÄLT DIE STELLUNG: General <strong>der</strong><br />

Inf<strong>an</strong>terie Walter Graf von Brockdorff-<br />

Ahlefeldt (1887-1943), Komm<strong>an</strong>dieren<strong>der</strong><br />

General des II. Armeekorps.<br />

Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung<br />

Photo/Scherl<br />

ckenschlag“ am 21. März 1942, um 7:30 Uhr,<br />

mit Artilleriefeuer und Stuka<strong>an</strong>griffen auf<br />

die sowjetischen Stellungen. Die aus <strong>der</strong> 5.<br />

und 8. JD, <strong>der</strong> 122. und 329. ID sowie <strong>der</strong> 18.<br />

ID (mot) bestehende Korpsgruppe Seydlitz<br />

unter Generalleutn<strong>an</strong>t von Seydlitz-Kurzbach<br />

kämpft sich in vier Wochen unter hohen<br />

Verlusten vor bis zum Lowat. Heftiger<br />

sowjetischer Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d und das nach Einsetzen<br />

des Tauwetters äußerst unwegsame<br />

Gelände bremsen den Vormarsch immer<br />

wie<strong>der</strong>. Am 30. März kommt er zwischenzeitlich<br />

vollends zum Erliegen. Nach Umgruppierung<br />

und Wie<strong>der</strong>aufnahme des Angriffs<br />

am 2. April wird <strong>der</strong> Lowat am 15.<br />

April erreicht.<br />

Zu diesem Zeitpunkt bezieht die mit<br />

dem „Unternehmen Fallreep“ beauftragte<br />

Korpsgruppe Zorn unter dem eigens für<br />

diese Aufgabe in den Kessel eingeflogenen<br />

Generalleutn<strong>an</strong>t H<strong>an</strong>s Zorn Position, um<br />

<strong>der</strong> Gruppe Seydlitz entgegenzustoßen.<br />

Für die Operation wurden alle irgendwie<br />

entbehrlichen Truppen aus den Kesselfronten<br />

herausgezogen. Unterstützt von Teilen<br />

<strong>der</strong> SS-Division „Totenkopf“ wird die Operation<br />

vor allem durch das aus insgesamt<br />

acht, zu diesem Zweck aus <strong>der</strong> 12., 30., 32.<br />

und 290. ID herausgelösten Bataillonen bestehende<br />

Angriffsregiment durchgeführt.<br />

Nach Einnahme <strong>der</strong> Ausg<strong>an</strong>gspositionen<br />

beginnt am 17. April <strong>der</strong> eigentliche Ausbruch.<br />

Oft stundenl<strong>an</strong>g nie<strong>der</strong>gehalten<br />

HINTERGRUND<br />

Unter Leitung des Generals <strong>der</strong> Tr<strong>an</strong>sportflieger,<br />

Oberst Fritz Morzik, wird <strong>der</strong> Kessel von<br />

Demj<strong>an</strong>sk ab dem 18. Februar 1942 aus <strong>der</strong><br />

Luft versorgt. Alle <strong>an</strong> <strong>der</strong> Ostfront verfügbaren<br />

Tr<strong>an</strong>sportfliegergruppen sowie Personal und<br />

Gerät aus dem Reichsgebiet werden dafür<br />

her<strong>an</strong>gezogen. Um den Bedarf von 200 Tonnen<br />

Nachschub zu sichern, müssen täglich<br />

im Durchschnitt 100 Ju 52 Demj<strong>an</strong>sk <strong>an</strong>fliegen.<br />

In <strong>der</strong> Regel ohne Jagdschutz und auch<br />

unter widrigen Witterungsbedingungen werden<br />

die Einsätze durchgeführt. Die beiden<br />

kleinen Behelfsflughäfen im Kessel verfügen<br />

kaum über Navigationshilfen. Um die L<strong>an</strong>debahnen<br />

nicht zu verfehlen, wird meist dicht<br />

über dem Boden geflogen. Bis Mai 1942 werden<br />

auf diese Weise 5.000 Flüge absolviert.<br />

Bis zur Räumung des Frontvorsprungs werden<br />

es insgesamt 33.086 Einsätze, bei denen<br />

64.844 Tonnen Material ein- und 35.400 Verwundete<br />

ausgeflogen werden.<br />

Die Verluste betragen mindestens 265<br />

Flugzeuge und bis zu 1.000 M<strong>an</strong>n fliegendes<br />

Personal. Da auch die Kapazitäten <strong>der</strong> Fliegerschulen<br />

für die Luftbrücke mobilisiert werden,<br />

entsteht zusätzlich zu den Verlusten<br />

eine gravierende Ausbildungslücke. Beides<br />

Luftbrücke mit fatalen Folgen<br />

zusammen führt dazu, dass die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> deutschen Tr<strong>an</strong>sportfliegerkräfte<br />

erheblich geschwächt wird.<br />

Für das Schicksal <strong>der</strong> seit dem 22. November<br />

1942 bei Stalingrad eingeschlossenen<br />

6. Armee hat die Luftbrücke von Demj<strong>an</strong>sk<br />

fatale Konsequenzen. Obschon <strong>der</strong> als<br />

Korpskomm<strong>an</strong>deur im Kessel <strong>an</strong>wesende<br />

Walter von Seydlitz-Kurzbach bereits am 25.<br />

November in einer Denkschrift darauf hinweist,<br />

dass es unmöglich sei, beinahe dreimal<br />

so viele Soldaten wie bei Demj<strong>an</strong>sk ausreichend<br />

aus <strong>der</strong> Luft zu versorgen, und auf<br />

einen sofortigen Ausbruch drängt, setzen Hitler<br />

und Göring auf das vermeintliche „Erfolgsmodell<br />

Demj<strong>an</strong>sk“. Göring verspricht, dass<br />

die Luftwaffe in <strong>der</strong> Lage sei, den täglichen<br />

Mindestbedarf von 500 Tonnen Nachschub<br />

einzufliegen. Tatsächlich liegt die höchste Tagesleistung<br />

bei 290 Tonnen. Im Tagesdurchschnitt<br />

sind es aufgrund unzureichen<strong>der</strong><br />

Tr<strong>an</strong>sportkapazitäten sogar nur 94 Tonnen.<br />

50 Prozent <strong>der</strong> eingesetzten Flugzeuge gehen<br />

verloren. Nach dem neuerlichen Verlust von<br />

495 Maschinen – zumeist mit Besatzung – ist<br />

die deutsche Tr<strong>an</strong>sportfliegertruppe nur noch<br />

ein Schatten ihrer selbst.<br />

SCHWIERIGE VERSORGUNGS-<br />

LAGE: Nachschub k<strong>an</strong>n über<br />

l<strong>an</strong>ge Zeit nur durch eine Luftbrücke<br />

in den Kessel gel<strong>an</strong>gen.<br />

Foto: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo<br />

Clausewitz 1/2013<br />

37


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte | Demj<strong>an</strong>sk 1942/43<br />

UNWEGSAMES GELÄNDE: Eine deutsche<br />

Einheit durchquert einen Fluss mitten im<br />

Winter. Die hier abgebildeten Inf<strong>an</strong>teristen<br />

ziehen sich aus Demj<strong>an</strong>sk zurück.<br />

Foto: akg-images/MPortfolio/Electa<br />

durch heftiges sowjetisches Artilleriefeuer<br />

arbeitet sich die Gruppe Zorn durch Wald<br />

und Sumpf nach Westen vor. Den Soldaten<br />

steht das Wasser dabei nicht selten bis zur<br />

Brust. Schwere Inf<strong>an</strong>teriewaffen können<br />

nur mit improvisierten Schwimmern tr<strong>an</strong>sportiert<br />

werden. Bis am 20. April <strong>der</strong> Lowat<br />

erreicht wird und eine erste Fährverbindung<br />

zum Westufer eingerichtet werden<br />

k<strong>an</strong>n, sind die Verluste so groß, dass die Bataillone<br />

mit 80 M<strong>an</strong>n kaum noch die Stärke<br />

schwacher Komp<strong>an</strong>ien aufweisen. Am 28.<br />

April ist die L<strong>an</strong>dbrücke entl<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Rollbahn<br />

Ramuschewo-Wassiljewschtschina<br />

gesichert. Die Truppe ist nun vollends erschöpft.<br />

Mit <strong>der</strong> gewonnenen 12 Kilometer l<strong>an</strong>gen<br />

und vier Kilometer breiten L<strong>an</strong>dbrücke<br />

wird die „Festung“ offiziell zum „Brückenkopf<br />

Demj<strong>an</strong>sk“. Damit sind aber we<strong>der</strong><br />

die Sorgen <strong>der</strong> Heeresgruppe Nord vorüber,<br />

noch hat sich die kritische Situation für<br />

die L<strong>an</strong>dser vor Ort verbessert. Die zu verteidigende<br />

Front hat sich nochmals verlängert.<br />

Kaum ist die L<strong>an</strong>dverbindung hergestellt,<br />

beginnt die Rote Armee mit einer Serie<br />

wüten<strong>der</strong> Angriffe auf den „Schlauch“.<br />

Die Verkehrswege zu L<strong>an</strong>de sind so<br />

schlecht und so gefährdet, dass die Luftversorgung<br />

weiter aufrecht erhalten werden<br />

muss. Der sofort begonnene Bau von Knüppeldämmen<br />

durch sowjetische Zw<strong>an</strong>gsarbeiter<br />

und die Vorbereitung von Auff<strong>an</strong>gstellungen<br />

sollen die taktische und Tr<strong>an</strong>sportlage<br />

stabilisieren.<br />

Längst sind sich alle beteiligten Stäbe einig,<br />

dass die Räumung des Frontvorsprunges<br />

mittelfristig die einzig sinnvolle Lösung<br />

ist. Am 4. Mai be<strong>an</strong>tragt die Heeresgruppe<br />

die Rücknahme des II. Armeekorps in die Lowat-Stellung.<br />

Doch am gleichen Tag verfügt<br />

ein „Führerbefehl“, dass <strong>der</strong> weite Bogen<br />

zwischen Cholm und Waldai zu halten sei.<br />

Es beginnt ein zermürben<strong>der</strong>, von einzelnen<br />

Großkampftagen unterbrochener<br />

Stellungskrieg. Monatel<strong>an</strong>g verbringen die<br />

Soldaten bei<strong>der</strong> Seiten in einem Gewirr von<br />

Gräben und Erdbunkern. Oft sind die gegnerischen<br />

Stellungen nur einen H<strong>an</strong>dgr<strong>an</strong>atenwurf<br />

vonein<strong>an</strong><strong>der</strong> entfernt. Sch<strong>an</strong>zarbeiten<br />

und kleinere Späh- und Stoßtruppunternehmen<br />

prägen den Alltag.<br />

Kennzeichnend für die deutsche Truppenführung<br />

ist <strong>der</strong> chronische M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong><br />

Kräften, <strong>der</strong> einen gegen alle Regeln geführten<br />

Kampf mit weit ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>gerissenen<br />

Verbänden bedingt. Nicht mehr g<strong>an</strong>ze<br />

Divisionen, son<strong>der</strong>n von Fall zu Fall<br />

zusammengewürfelte Kampfgruppen werden<br />

<strong>an</strong> die jeweiligen Brennpunkte geworfen.<br />

Dieser „Armeleutekrieg“ mit ständig<br />

wechselnden Unterstellungsverhältnissen<br />

wird ab Ende 1942 prägend für die gesamte<br />

Ostfront.<br />

Ein erbittertes Ringen<br />

Während das Generalkomm<strong>an</strong>do II sein<br />

Augenmerk auf eine sichere L<strong>an</strong>dverbindung<br />

durch Verbreiterung des „Schlauches“<br />

richtet, zielen die Anstrengungen <strong>der</strong><br />

Nordwestfront darauf, diesen einzudrücken,<br />

um schließlich den gesamten Frontvorsprung<br />

zu eliminieren. Im Sommer 1942<br />

gelingen <strong>der</strong> Roten Armee mehrere Einbrüche<br />

im Sumpfgebiet, die im Rahmen <strong>der</strong><br />

Unternehmen „Schlingpfl<strong>an</strong>ze“ und „Wintersport“<br />

nur zum Teil bereinigt werden<br />

können. Die im Frontvorsprung stehenden<br />

deutschen Truppen sind d<strong>an</strong>ach kaum<br />

noch zu eigenen Angriffsoperationen in <strong>der</strong><br />

Lage.<br />

So dauert es bis Ende September, dass<br />

mit massiver Luftunterstützung im Rahmen<br />

des „Unternehmens Michael“ die<br />

L<strong>an</strong>dbrücke auf bis zu zwölf Kilometer verbreitert<br />

werden k<strong>an</strong>n. Nun ist es endlich<br />

möglich, den „Brückenkopf“ ohne Feindeinsicht<br />

auf dem L<strong>an</strong>dwege zu erreichen.<br />

Neben <strong>der</strong> Straße entsteht bis November<br />

1942 eine 70 Kilometer l<strong>an</strong>ge Feldbahnlinie<br />

über die das II. Armeekorps relativ problemlos<br />

versorgt werden k<strong>an</strong>n.<br />

Da droht bereits die sowjetische Winteroffensive,<br />

<strong>der</strong>en Schwerpunkte bei Stalingrad<br />

und Demj<strong>an</strong>sk liegen. Der neue Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> Nordwestfront, Marschall<br />

Timoschenko, pl<strong>an</strong>t die L<strong>an</strong>dbrücke mit einem<br />

Z<strong>an</strong>gen<strong>an</strong>griff <strong>der</strong> 11. und 27. Armee<br />

von Norden und <strong>der</strong> 1. Stoßarmee von Süden<br />

zu kappen. Die Winterschlacht um<br />

Demj<strong>an</strong>sk beginnt am 28. November mit einer<br />

gewaltigen Artillerievorbereitung. Den<br />

sowjetischen Angriffen haben das II. und X.<br />

Armeekorps kaum etwas entgegenzusetzen.<br />

Der Korridor wird wie<strong>der</strong> auf teilweise<br />

nur vier Kilometer eingedrückt. Erst drei<br />

von <strong>der</strong> 18. Armee abgestellte Divisionen<br />

können die Lage bis zum 15. Dezember<br />

wie<strong>der</strong> stabilisieren.<br />

38


Eilige Räumung des Frontvorsprungs<br />

ERFORDERNISSE DES WINTERKRIEGS:<br />

Deutsche Soldaten in <strong>der</strong> Nähe von Waldai<br />

schnallen ein Maschinengewehr auf einen<br />

Schlitten. Das Foto wurde im Dezember 1942<br />

gemacht. Foto: ullstein bild - Heinrich Hoffm<strong>an</strong>n<br />

„Unternehmen Entrümpelung“<br />

Angesichts <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage von Stalingrad<br />

und <strong>der</strong> schwierigen Lage im „Brückenkopf“<br />

wird seit Mitte J<strong>an</strong>uar 1943 von <strong>der</strong><br />

Heeresgruppe Nord und dem Oberkomm<strong>an</strong>do<br />

des Heeres schwerpunktmäßig die<br />

Räumung von Demj<strong>an</strong>sk vorbereitet. Nun,<br />

wo ein Sieg über die Sowjetunion vollends<br />

unrealistisch geworden ist, hat auch <strong>der</strong><br />

Frontvorsprung jegliche Bedeutung für<br />

künftige deutsche Offensiven verloren. Am<br />

31. J<strong>an</strong>uar 1943 gibt Hitler endlich dem wochenl<strong>an</strong>gen<br />

Drängen des Chefs des Generalstabes<br />

des Heeres, General <strong>der</strong> Inf<strong>an</strong>terie<br />

Kurt Zeitzler, nach und genehmigt den<br />

Rückzug hinter den Lowat.<br />

Am 1. Februar beginnt die letzte Phase<br />

des Kampfes um Demj<strong>an</strong>sk. Binnen 70 Tagen<br />

soll <strong>der</strong> Frontvorsprung geräumt werden.<br />

Dafür wird extra ein strahlenförmig<br />

auf die L<strong>an</strong>dbrücke gerichtetes Straßennetz<br />

vorbereitet und alles nicht unmittelbar von<br />

<strong>der</strong> Truppe benötigte Material über die<br />

Feldbahn abtr<strong>an</strong>sportiert. Doch schon kündigt<br />

sich eine neue sowjetische Offensive<br />

<strong>an</strong>. Die Frist bis zur Räumung wird auf 40,<br />

d<strong>an</strong>n 20 Tage verkürzt.<br />

Mitten in die Vorbereitungen platzt am<br />

15. Februar die sowjetische Operation „Polarstern“.<br />

Sechs Schützendivisionen führen<br />

Groß<strong>an</strong>griffe gegen die L<strong>an</strong>dbrücke. Die<br />

Räumung wird nochmals vorverlegt. Am<br />

Nachmittag des 17. Februar wird das Stichwort<br />

„Ziethen“ ausgegeben. Etappenweise<br />

wird <strong>der</strong> Frontvorsprung nun von Ost nach<br />

West geräumt. Starke Nachhuten sichern<br />

die alte Hauptkampflinie, so dass sich das<br />

Gros <strong>der</strong> 32. und 329. ID in <strong>der</strong> Nacht zum<br />

18. Februar unbemerkt vom Gegner lösen<br />

k<strong>an</strong>n.<br />

Erst am 19. Februar wird <strong>der</strong> Rückzug von<br />

<strong>der</strong> sowjetischen Aufklärung erk<strong>an</strong>nt. Die<br />

Rote Armee nimmt sofort die Verfolgung<br />

auf. Es kommt zu heftigen Nachhutgefechten.<br />

Demj<strong>an</strong>sk selbst wird am 20. geräumt<br />

und <strong>an</strong>gezündet. In <strong>der</strong> Nacht zum 22. Februar<br />

ist <strong>der</strong> „Brückenkopf“ geräumt. Teile<br />

<strong>der</strong> 30. und 126. ID sowie die 8. JD halten<br />

die Robja-Stellung noch bis zum 27. Februar,<br />

bevor auch sie sich in die neue Hauptkampflinie<br />

absetzen.<br />

Das Ende<br />

Binnen zehn Tagen ist <strong>der</strong> Frontvorsprung<br />

geräumt. Die Front <strong>der</strong> Heeresgruppe Nord<br />

ist damit um 200 Kilometer kürzer. Nach einem<br />

zermürbenden, 14 Monate währenden<br />

Ringen hat die sowjetische Nordwestfront<br />

gesiegt. Der Frontvorsprung von Demj<strong>an</strong>sk<br />

ist beseitigt. Doch gewinnt die Rote Armee<br />

damit nur 1.000 km² von Bomben und Gr<strong>an</strong>aten<br />

zerpflügtes L<strong>an</strong>d, in dem fast alle<br />

Ortschaften dem Erdboden gleich gemacht<br />

worden sind.<br />

Dr. phil. habil. Christi<strong>an</strong> Th. Müller, Historiker, Arbeitsschwerpunkt:<br />

Militärgeschichte des 19. und 20.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, seit 2010 Privatdozent am Historischen<br />

Institut <strong>der</strong> Universität Potsdam.<br />

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E-Mail: redaktion@figuren-magazin.de – Internet: www.figuren-magazin.de


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte<br />

Falkl<strong>an</strong>dkrieg 1982<br />

Großbrit<strong>an</strong>nien<br />

schlägt zurück<br />

2. April 1982: Argentinische Truppen<br />

l<strong>an</strong>den auf dem britischen Überseegebiet<br />

<strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln im Südatl<strong>an</strong>tik.<br />

Der militärische H<strong>an</strong>dstreich<br />

lässt einen l<strong>an</strong>ge schwelenden Konflikt<br />

eskalieren, denn die britische<br />

Großmacht sieht nicht tatenlos zu...<br />

Von Lukas Grawe<br />

40


FAKTEN<br />

Ziel<br />

Einsatzverbände<br />

Großbrit<strong>an</strong>nien<br />

Rückeroberung <strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln,<br />

Aufrechterhaltung des Herrschafts<strong>an</strong>spruchs,<br />

Erhalt des Empire<br />

Royal Air Force, Royal Navy, Royal Marines,<br />

Airborne Inf<strong>an</strong>try (Paras),<br />

nepalesische Gurkhas,<br />

Einheiten des Special Air Service (SAS)<br />

Truppenstärke 28.000 Soldaten, davon 10.000<br />

Elitesoldaten, 44 Kriegs- und<br />

45 zivile Schiffe (darunter 2 Flugzeugträger)<br />

Verluste<br />

Oberbefehl<br />

258 Tote und 777 Verwundete,<br />

4 Kriegs- und 3 L<strong>an</strong>dungsschiffe,<br />

10 Kampfflugzeuge und 25 Hubschrauber<br />

Comm<strong>an</strong><strong>der</strong>-in-Chief <strong>der</strong> Flotte:<br />

Admiral Sir John Fieldhouse, Komm<strong>an</strong>deur<br />

<strong>der</strong> Kriegsflotte: Konteradmiral John Forster<br />

„S<strong>an</strong>dy“ Woodward, Komm<strong>an</strong>deur <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dungstruppen:Major-General<br />

Jeremy Moore<br />

Argentinien<br />

„Befreiung“ <strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln, Einglie<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Inseln in das argentinische Staatsgebiet,<br />

Prestigeerfolg für die Militärjunta<br />

Luftwaffe (Fuerza Aérea Argentina), Marine<br />

(Armada de la República Argentina), Heeresund<br />

Marineinf<strong>an</strong>terie, 900 Komm<strong>an</strong>doeinheiten,<br />

eine P<strong>an</strong>zeraufklärungsabteilung<br />

900 Soldaten (2. April), später ca. 14.000<br />

Soldaten, 9 Kriegsschiffe und mehrere zivile<br />

Versorgungsschiffe<br />

712 Tote und 1.060 Verwundete,<br />

ca. 14.800 Gef<strong>an</strong>gene, 1 Kriegsschiff und<br />

7 Nachschubschiffe, 1 U-Boot, 75 Flugzeuge<br />

und 30 Hubschrauber<br />

Komm<strong>an</strong>deur <strong>der</strong> Flotte: Admiral Jorge Anaya,<br />

Komm<strong>an</strong>deur <strong>der</strong> Bodentruppen:<br />

Brigadegeneral Mario Menéndez (ab 7. April),<br />

Komm<strong>an</strong>deur <strong>der</strong> Luftwaffe: Brigadegeneral<br />

Basilio Lami Dozo<br />

Kriegskosten 2 Mrd. Pfund 800 Mio. Dollar<br />

In den frühen Morgenstunden des 2.<br />

April 1982 l<strong>an</strong>den 900 argentinische<br />

Komm<strong>an</strong>doeinheiten bei Port Henriette<br />

und Mullett Creek auf Ost-Falkl<strong>an</strong>d, stürmen<br />

die leere britische Kaserne bei Moody<br />

Brook und dringen in Port St<strong>an</strong>ley ein. Das<br />

13.000 Kilometer von London entfernte britische<br />

Überseegebiet gilt als entlegener Außenposten<br />

und wird lediglich von 104 Soldaten<br />

beschützt. Diese können dem argentinischen<br />

H<strong>an</strong>dstreich nur einige Stunden<br />

Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d leisten und müssen noch am selben<br />

Tag kapitulieren. Einen Tag später erobern<br />

argentinische Truppen auch die 1.300<br />

Kilometer weiter östlich gelegene britische<br />

Insel Süd-Georgien. Damit ist erstmals seit<br />

dem Zweiten Weltkrieg ein Territorium, das<br />

britischer Souveränität untersteht, von fremden<br />

Truppen besetzt.<br />

EROBERT: Stolz hissen britische Soldaten die<br />

Flagge Großbrit<strong>an</strong>niens als Zeichen des Sieges<br />

über die Argentinier. Foto: ullstein bild - dpa<br />

Entsetzen in London<br />

Die beinahe unblutig verlaufene Besetzung<br />

löst in Buenos Aires großen Jubel aus. Die<br />

Bevölkerung schart sich hinter die Militärregierung<br />

um Leopoldo Galtieri, <strong>der</strong> auf einen<br />

<strong>der</strong>artigen Prestigeerfolg zur Sicherung<br />

seiner Herrschaft <strong>an</strong>gewiesen ist. Dagegen<br />

herrscht in London Bestürzung und<br />

Zorn über den argentinischen Coup, <strong>der</strong><br />

den l<strong>an</strong>ge schwelenden Konflikt nun eskalieren<br />

lässt.<br />

Die konservative Regierung unter Premierministerin<br />

Margaret Thatcher ist entschlossen,<br />

die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>an</strong>zunehmen<br />

und britisches Gebiet nicht kampflos<br />

Clausewitz 1/2013 41


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte | Falkl<strong>an</strong>d<br />

aufzugeben. Dabei erweist sich die Entfernung<br />

zu den Falkl<strong>an</strong>dinseln als großes Hin<strong>der</strong>nis.<br />

Ist es Großbrit<strong>an</strong>nien möglich, eine<br />

Armee über eine Strecke von weit mehr als<br />

10.000 Kilometern zu tr<strong>an</strong>sportieren und zu<br />

versorgen?<br />

Entsendung <strong>der</strong> „task force“<br />

An<strong>der</strong>s als von <strong>der</strong> argentinischen Führung<br />

erwartet, reagiert die britische Regierung sofort<br />

und umfassend. Unter großem logistischem<br />

und fin<strong>an</strong>ziellem Aufw<strong>an</strong>d bereitet<br />

sie die Entsendung einer Armada vor, welche<br />

die Falkl<strong>an</strong>dinseln zurückerobern soll. Bereits<br />

am 3. April laufen die ersten Schiffe aus,<br />

KARTE<br />

am 9. April umfasst die für den Südatl<strong>an</strong>tik<br />

vorgesehene britische Flotte 44 Kriegs- und<br />

45 zivile Schiffe mit insgesamt 28.000 Soldaten,<br />

darunter 10.000 aus Eliteeinheiten.<br />

Den Befehl über das Unternehmen erhält<br />

Konteradmiral John Forster „S<strong>an</strong>dy“<br />

Woodward. Das Problem <strong>der</strong> großen Dist<strong>an</strong>z<br />

löst <strong>der</strong> Flottenverb<strong>an</strong>d mit Hilfe <strong>der</strong><br />

britischen Atl<strong>an</strong>tikinsel Ascension, die auf<br />

halbem Weg zwischen London und Port<br />

St<strong>an</strong>ley als Stützpunkt dient.<br />

Die argentinische Militärjunta hat auf eine<br />

nachgiebige Haltung <strong>der</strong> britischen Regierung<br />

gehofft und muss sich nun die unerwartete<br />

Entschlossenheit Thatchers ein-<br />

Der Kampf um die Falkl<strong>an</strong>dinseln 1982<br />

gestehen. Die Zahl <strong>der</strong> argentinischen<br />

Truppen auf den Falkl<strong>an</strong>dinseln wird daher<br />

auf 14.000 M<strong>an</strong>n erhöht. Bei den Soldaten<br />

h<strong>an</strong>delt es sich allerdings hauptsächlich um<br />

18- bis 20-jährige Rekruten, die die rauen<br />

klimatischen Bedingungen auf den „Islas<br />

Malvinas“ nicht gewöhnt sind.<br />

Den Oberbefehl über die argentinischen<br />

Truppen übernimmt Brigadegeneral Mario<br />

Menéndez. Auch schweres Gerät wie Artillerie<br />

und Schützenp<strong>an</strong>zer werden auf die<br />

Falkl<strong>an</strong>dinseln verlegt. Diese sind seit dem<br />

12. April nur noch aus <strong>der</strong> Luft erreichbar,<br />

da Großbrit<strong>an</strong>nien eine militärische Sperrzone<br />

um die Inseln proklamiert hat.<br />

„The Empire strikes back“<br />

Unter Führung <strong>der</strong> USA und <strong>der</strong> Vereinten<br />

Nationen beginnen die Vermittlungsbemühungen<br />

um eine friedliche Beilegung des<br />

Konflikts, die <strong>an</strong> den unterschiedlichen<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> beiden Konfliktparteien<br />

scheitern.<br />

Keine Seite ist zu großen Zugeständnissen<br />

bereit, zumal <strong>der</strong> britische Flottenverb<strong>an</strong>d<br />

bereits am 25. April die Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

erreicht. Noch am selben Tag gelingt<br />

britischen Spezialeinheiten nach <strong>an</strong>fänglichen<br />

wetterbedingten Rückschlägen die<br />

Rückeroberung von Süd-Georgien.<br />

Die nahezu kampflose Einnahme <strong>der</strong> Insel<br />

ist vor allem ein psychologischer Erfolg<br />

für Großbrit<strong>an</strong>nien und ein schwerer<br />

Schlag für die Militärjunta in Buenos Aires.<br />

Die britischen Komm<strong>an</strong>dos machen 137<br />

Gef<strong>an</strong>gene, erbeuten Ausrüstung des Gegners<br />

und demonstrieren ihre Kampfbereitschaft.<br />

In Großbrit<strong>an</strong>nien hofft m<strong>an</strong> nun auf<br />

ein Einlenken <strong>der</strong> Argentinier, doch die Militärjunta<br />

lehnt eine Kompromisslösung ab.<br />

EROBERT: Britische Soldaten führen Angehörige<br />

<strong>der</strong> argentinischen Armee durch Port<br />

St<strong>an</strong>ley, das kurz zuvor eingenommen wurde.<br />

Foto: ullstein bild - AP<br />

KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

42


Heftige Kämpfe<br />

VERSENKT: Der argentinische Kreuzer ARA<br />

„General Belgr<strong>an</strong>o“ sinkt nach Torpedotreffern<br />

des britischen Atom-U-Bootes HMS „Conqueror“,<br />

im Vor<strong>der</strong>grund sind Rettungsschlauchboote<br />

zu erkennen.<br />

Foto: ullstein bild - AP<br />

nien und zur Verhärtung <strong>der</strong> Fronten. Die<br />

Versenkung des Kreuzers sichert <strong>der</strong> Royal<br />

Navy zwar die Seeherrschaft, da die argentinische<br />

Marine fort<strong>an</strong> keine großen Wagnisse<br />

mehr eingeht. Doch zwei Tage später<br />

müssen auch die Briten einen herben Verlust<br />

auf See hinnehmen. Einem argentinischen<br />

Marinebomber gelingt die Versenkung<br />

<strong>der</strong> HMS „Sheffield“ mit Hilfe einer<br />

Anti-Schiff-Rakete. Zwar k<strong>an</strong>n die Royal<br />

Navy einen Teil <strong>der</strong> Besatzung retten, doch<br />

finden 20 britische Matrosen während des<br />

Angriffs den Tod.<br />

Der oberste Elitesoldat ihrer Majestät:<br />

Jeremy Moore<br />

Jeremy Moore kommt 1928 in einer traditionsreichen<br />

Militärfamilie zur Welt. Bereits<br />

mit 19 Jahren tritt er den Royal Marines bei<br />

und bleibt für 36 Jahre dem Korps treu. Als<br />

Mitglied eines Elitekomm<strong>an</strong>dos nimmt er<br />

<strong>an</strong> Einsätzen in Malaysia, Indonesien,<br />

Zypern und Nordirl<strong>an</strong>d teil. Ab 1954 lehrt<br />

er zudem als Ausbil<strong>der</strong> <strong>an</strong> mehreren<br />

Offiziersschulen, darunter auch <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

britischen Militärakademie in S<strong>an</strong>dhurst.<br />

Mit <strong>der</strong> Operation „Black Buck“ läuten<br />

britische Bomber am 1. Mai die Rückeroberung<br />

<strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln ein. Von den Flugzeugträgern<br />

HMS „Hermes“ und HMS „Invincible“<br />

gestartete „Sea Harrier“-Senkrechtstarter<br />

und von <strong>der</strong> Insel Ascension<br />

aus operierende „Vulc<strong>an</strong>“-Bomber greifen<br />

die L<strong>an</strong>debahn des Flughafens von Port<br />

St<strong>an</strong>ley <strong>an</strong>.<br />

Dabei überwinden die „Vulc<strong>an</strong>“-Bomber<br />

eine Entfernung von 6.000 Kilometern.<br />

Dies ist nur durch mehrmaliges Auft<strong>an</strong>ken<br />

in <strong>der</strong> Luft möglich. Trotz des großen Propag<strong>an</strong>daerfolges<br />

wird das eigentliche Ziel,<br />

die Zerstörung <strong>der</strong> Startbahn, nicht erreicht,<br />

so dass die Ausg<strong>an</strong>gsbasis <strong>der</strong> argentinischen<br />

Luftwaffe erhalten bleibt. Am<br />

selben Tag kommt es zu ersten Luftkämpfen<br />

zwischen argentinischen „Skyhawk“-<br />

Jagdbombern und „Mirage“-Jägern und<br />

den britischen „Sea Harrier“, die den Flottenverb<strong>an</strong>d<br />

schützen sollen. Den britischen<br />

Marinefliegern gelingt dabei die Abschirmung<br />

<strong>der</strong> verwundbaren Kriegsschiffe gegen<br />

Angriffe aus <strong>der</strong> Luft.<br />

Aufgrund seiner großen Erfahrung wird er<br />

1979 zum Befehlshaber <strong>der</strong> gesamten<br />

Royal Marines ern<strong>an</strong>nt. An den britischen<br />

Pl<strong>an</strong>ungen zur Rückeroberung <strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

ist Moore als Mitglied des Pl<strong>an</strong>ungsstabs<br />

selbst beteiligt. Die von ihm mit<br />

entworfenen Pläne setzt Moore <strong>an</strong>schließend<br />

selbst im Südatl<strong>an</strong>tik um. Nach dem<br />

Krieg wird Moore auf eigenen Wunsch<br />

pensioniert. Hochdekoriert stirbt er 2007.<br />

Der Konflikt erreicht am 2. Mai seinen vorläufigen<br />

Höhepunkt. Als das britische<br />

Atom-U-Boot „Conqueror“ den Kreuzer<br />

„General Belgr<strong>an</strong>o“ torpediert sterben<br />

mehr als 360 argentinische Matrosen.<br />

Die hohen Verluste führen zu einem internationalen<br />

Aufschrei gegen Großbrit<strong>an</strong>-<br />

Der selbstern<strong>an</strong>nte Militärgouverneur:<br />

Mario Menéndez<br />

Der 1930 geborene Menéndez beginnt<br />

seine militärische Laufbahn als Kadett <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> staatlichen Militärakademie und steigt<br />

unter <strong>der</strong> argentinischen Militärjunta rasch<br />

auf.<br />

1981 ist er <strong>an</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagung <strong>der</strong><br />

separatistischen marxistischen Revolutionären<br />

Volksarmee beteiligt und wird 1982<br />

zum General ern<strong>an</strong>nt. Fort<strong>an</strong> fungiert er als<br />

Berater <strong>der</strong> Junta in militärischen und<br />

außenpolitischen Fragen. Direkt nach<br />

seiner Ankunft auf den Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

ernennt sich Menéndez am 7. April 1982<br />

Einsatz <strong>der</strong> SAS<br />

Die Zurückhaltung <strong>der</strong> argentinischen Marine<br />

nutzt die Royal Navy in <strong>der</strong> Nacht vom<br />

10. auf den 11. Mai zur Einfahrt in den Falkl<strong>an</strong>d-Sund,<br />

<strong>der</strong> West- von Ost-Falkl<strong>an</strong>d<br />

trennt und <strong>der</strong> von den argentinischen Verteidigern<br />

nicht vermint worden ist. Auf diese<br />

Weise werden die argentinischen Streitkräfte<br />

auf den beiden Inseln vonein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />

getrennt und eine Zusammenarbeit zwischen<br />

beiden Heeresteilen unmöglich gemacht.<br />

Zudem gelingt einem britischen<br />

Komm<strong>an</strong>dounternehmen <strong>der</strong> Eliteeinheit<br />

„Special Air Service“ (SAS) am 15. Mai die<br />

Zerstörung von elf argentinischen Flugzeugen<br />

und einem Munitionslager auf West-<br />

Falkl<strong>an</strong>d. Die immerhin 1.000 argentinischen<br />

Soldaten, die auf <strong>der</strong> westlichen Insel<br />

stationiert sind, spielen dadurch in den folgenden<br />

Kämpfen keine Rolle mehr.<br />

Nur wenige Tage später scheitert ein<br />

weiteres britisches Komm<strong>an</strong>dounternehmen,<br />

das den Hauptstützpunkt <strong>der</strong> argentinischen<br />

Luftwaffe in <strong>der</strong> Provinz Feuerl<strong>an</strong>d<br />

auf dem argentinischen Festl<strong>an</strong>d <strong>an</strong>greifen<br />

sollte.<br />

Unter dem Decknamen „Operation Palpas“<br />

beginnt am 21. Mai die eigentliche<br />

L<strong>an</strong>dung <strong>der</strong> britischen Truppen auf Ost-<br />

Falkl<strong>an</strong>d in <strong>der</strong> 80 Kilometer westlich von<br />

selbst zum Militärgouverneur, zwei Wochen<br />

später zum Komm<strong>an</strong>deur aller Truppen. Er<br />

pl<strong>an</strong>t einen Abnutzungskrieg gegen die<br />

Briten, was ihm nach dem verlorenen Krieg<br />

als taktischer Fehler vorgeworfen wird.<br />

Während des Konfliktes weist er seine<br />

Truppen trotz gegenteiliger Befehle aus<br />

Buenos Aires stets zur Defensive <strong>an</strong>, da er<br />

den jungen Wehrpflichtigen keine großen<br />

Leistungen zutraut. Nach <strong>der</strong> Kapitulation<br />

wird Menéndez für die Nie<strong>der</strong>lage ver<strong>an</strong>twortlich<br />

gemacht, er verliert sämtliche<br />

Ämter und wird kurzzeitig sogar inhaftiert.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

43


Schlachten <strong>der</strong> Weltgeschichte | Falkl<strong>an</strong>d<br />

ÜBERBLEIBSEL: Nach <strong>der</strong> Kapitulation<br />

von Goose Green ließen<br />

die argentinischen Soldaten ihre<br />

Helme auf einer Wiese zurück.<br />

Foto: ullstein bild - dpa<br />

„Auf <strong>der</strong> einen Seite ein Berufsheer mit einer<br />

überlegenen Ausrüstung […]. Auf <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Seite<br />

Wehrpflichtige im Alter von 18-20 Jahren,<br />

mit zum Teil nur zweimonatiger Ausbildung […].“<br />

Jürg Meister: Der Krieg um die Falkl<strong>an</strong>d-Inseln 1982, Osnabrück 1984, S. 208.<br />

Port St<strong>an</strong>ley gelegenen S<strong>an</strong>-Carlos-Bucht.<br />

Die britische Regierung ist nunmehr entschlossen,<br />

den Falkl<strong>an</strong>dkonflikt militärisch<br />

zu lösen, eher <strong>der</strong> nahende Winter die Moral<br />

<strong>der</strong> Soldaten untergräbt. Unter <strong>der</strong> Führung<br />

von Generalmajor Jeremy Moore betreten<br />

4.500 britische Eliteeinheiten – neben<br />

Royal Marines, Fallschirmjägern (Paras)<br />

und Gardetruppen auch nepalesische<br />

Gurkhas und SAS-Angehörige – <strong>an</strong> vier<br />

verschiedenen Abschnitten die Insel und<br />

treffen dabei nur auf geringen Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d.<br />

Die argentinischen Truppen ziehen sich ins<br />

Inselinnere zurück, verzichten auf energische<br />

Gegen<strong>an</strong>griffe und ermöglichen den<br />

Briten die Bildung eines Brückenkopfs.<br />

Mit Hilfe von L<strong>an</strong>dungsbooten und<br />

Hubschraubern bringen sie auch schweres<br />

Gerät wie Schützenp<strong>an</strong>zer und Artillerie <strong>an</strong><br />

L<strong>an</strong>d. Obwohl die Operation militärisch betrachtet<br />

fehlerlos verläuft, sterben<br />

auf britischer Seite dennoch 21<br />

Menschen bei Tr<strong>an</strong>sport- und<br />

Hubschrauberunfällen.<br />

Die argentinischen Gegenmaßnahmen<br />

beschränken sich in den folgenden Tagen<br />

auf Angriffe <strong>der</strong> Luftwaffe auf die L<strong>an</strong>dungsschiffe.<br />

Argentinischen „Skyhawk“-<br />

Bombern gelingt die Zerstörung <strong>der</strong> britischen<br />

Fregatte HMS „Ardent“, wobei 22<br />

Menschen getötet werden. Eine nicht explodierte<br />

Bombe auf <strong>der</strong> HMS „Antelope“ detoniert<br />

beim Versuch, sie zu entschärfen.<br />

Das Schiff sinkt.<br />

Britischer Vormarsch<br />

Der Zerstörer HMS „Coventry“ erhält drei<br />

Volltreffer und sinkt innerhalb von kurzer<br />

Zeit, so dass 19 Matrosen sterben. Trotz <strong>der</strong><br />

Verluste <strong>an</strong> Menschen und Material glückt<br />

den Briten die vollständige Ausschiffung<br />

<strong>der</strong> kriegswichtigen Ausrüstung. Zudem<br />

gelingt den britischen „Sea Harrier“ in den<br />

folgenden Luftkämpfen die beinahe vollständige<br />

Vernichtung <strong>der</strong> <strong>an</strong>greifenden argentinischen<br />

Flugzeuge. Der Ausbruch aus<br />

dem Brückenkopf beginnt am 27. April. Das<br />

sumpfige Terrain und <strong>der</strong> M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> befes-<br />

IM GEDENKEN: Denkmal zur<br />

Erinnerung <strong>an</strong> die argentinischen<br />

Gefallenen im Hafen von Comodoro<br />

Rivadavia (Patagonien).<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa<br />

tigten Straßen machen schnelle Truppenverschiebungen<br />

unmöglich, so dass die britischen<br />

Soldaten zu Fuß marschieren müssen.<br />

Das 2. britische Fallschirmjägerbataillon<br />

erobert Camilla Creek House, das den<br />

Ausg<strong>an</strong>gspunkt für weitere Operationen<br />

im Südwesten Ost-Falkl<strong>an</strong>ds bildet. Die argentinischen<br />

Truppen leisten auch hier nur<br />

hinhaltenden Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d und ziehen sich<br />

zurück. Einen Tag später beginnt <strong>der</strong><br />

Haupt<strong>an</strong>griff auf Darwin und Goose Green,<br />

das den Weg nach Lafonia, den südlichen<br />

Teil Ost-Falkl<strong>an</strong>ds, blockiert. Während die<br />

Einnahme Darwins problemlos verläuft,<br />

entbrennt um Goose Green ein harter und<br />

erbitterter Kampf.<br />

650 britische Paras müssen deckungsloses<br />

Gelände überqueren und rennen gegen<br />

die Feldbefestigungen <strong>der</strong> argentinischen<br />

Truppen <strong>an</strong>. Diese sind mehr als doppelt so<br />

zahlreich wie die britischen Soldaten. Doch<br />

die jungen und unerfahrenen Rekruten erweisen<br />

sich gegenüber den gut ausgebildeten<br />

britischen Eliteeinheiten als unterlegen.<br />

Die in 100-M<strong>an</strong>n-Gruppen vorgehenden<br />

Paras sind zudem <strong>an</strong> das kalte, windige<br />

und regenreiche Klima <strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

gewöhnt, während es bei den argentinischen<br />

Truppen vermehrt zu kr<strong>an</strong>kheitsbedingten<br />

Ausfällen kommt.<br />

Heftiger Kampf um Goose Green<br />

Am Abend des 28. Mai sind die argentinischen<br />

Verteidiger in Goose Green eingeschlossen.<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> Artillerie, umfassen<strong>der</strong><br />

Luftunterstützung und dem Bombardement<br />

<strong>der</strong> Schiffsartillerie gelingt den<br />

Briten am 29. Mai nach über 40 Stunden die


Britischer Zerstörer sinkt<br />

ENTWAFFNET: Ein britischer Fallschirmjäger<br />

mit einem gef<strong>an</strong>gen genommenen argentinischen<br />

Soldaten nach <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dungsoperation<br />

britischer Einheiten in <strong>der</strong> S<strong>an</strong>-Carlos-Bucht<br />

am 21. Mai 1982.<br />

Foto: ullstein bild - AP<br />

Eroberung des Ortes. 1.200 argentinische<br />

Soldaten ergeben sich den völlig erschöpften<br />

britischen Fallschirmjägern. Zudem<br />

fällt eine große Menge Ausrüstung in britische<br />

Hände. Die Eroberung des nur 70 Einwohner<br />

zählenden Ortes kostet die Briten<br />

17 Tote und 31 Verletzte. Die Argentinier<br />

haben 50 Tote und über 100 Verletzte zu beklagen.<br />

Nach <strong>der</strong> Erstürmung von Goose Green<br />

dringen Royal Marines von S<strong>an</strong> Carlos aus<br />

entl<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Nordküste vor und besetzen<br />

die Orte Douglas und Teal Inlet, ohne auf<br />

nennenswerten Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d zu stoßen. Die<br />

argentinischen Verteidiger beschränken ihre<br />

Operationen mittlerweile beinahe vollständig<br />

auf die Sicherung von Port St<strong>an</strong>ley.<br />

Der bisherige Verlauf <strong>der</strong> Kämpfe verdeutlicht<br />

den britischen Truppen die nachlassende<br />

Kampfmoral <strong>der</strong> argentinischen Soldaten,<br />

die sich zu Beginn des Konflikts<br />

HINTERGRUND<br />

UNTERLEGEN: Der argentinische Militärgouverneur<br />

<strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln, Mario Menéndez<br />

(li.), im Gespräch mit Marinekomm<strong>an</strong>deur<br />

Konteradmiral Carlos Büsser auf dem Flughafen<br />

von Port St<strong>an</strong>ley. Foto: ullstein bild - AP<br />

noch als „Befreier“ <strong>der</strong> „Malvinas“ sahen.<br />

Für die Freiheit <strong>der</strong> Inseln zu sterben sind<br />

sie jedoch nicht bereit. Am 31. Mai besetzen<br />

die Briten den Mount Kent, eine dominierende<br />

Erhebung etwa 16 Kilometer westlich<br />

des Hauptortes. Damit ist Anf<strong>an</strong>g Juni<br />

<strong>der</strong> Weg für die britischen Truppen zur Eroberung<br />

von Port St<strong>an</strong>ley frei.<br />

Schlacht um Port St<strong>an</strong>ley<br />

Um den Ring um den Hauptort auch im Süden<br />

Ost-Falkl<strong>an</strong>ds zu schließen, besetzen<br />

britische Truppen innerhalb von kurzer<br />

Zeit Fitzroy und Bluff Cove. Mittlerweile<br />

befinden sich acht britische Inf<strong>an</strong>teriebataillone<br />

mit fünf Artilleriebatterien auf <strong>der</strong><br />

Insel. Dennoch ist die Eroberung von Port<br />

St<strong>an</strong>ley kein leichtes Unternehmen, da Menéndez<br />

dort den Hauptteil <strong>der</strong> argentinischen<br />

Streitkräfte, etwa 8.000 M<strong>an</strong>n, zusammengezogen<br />

hat.<br />

Zur Geschichte <strong>der</strong> Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

Die ursprünglich unbewohnten, über 200 große<br />

und kleine Inseln umfassenden Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

(sp<strong>an</strong>isch: Islas Malvinas) werden<br />

1690 von dem englischen Seefahrer John<br />

Strong das erste Mal betreten. 70 Jahre später<br />

kommt es zur ersten Besiedlung durch<br />

Fr<strong>an</strong>zosen und Briten. 1769 treten die Fr<strong>an</strong>zosen<br />

alle Ansprüche <strong>an</strong> Sp<strong>an</strong>ien ab, das die<br />

bisherigen Rechte Großbrit<strong>an</strong>niens gar<strong>an</strong>tiert.<br />

Als sich Argentinien 1816 für unabhängig<br />

erklärt, betrachtet es sich als legitimen<br />

Nachfolger <strong>der</strong> sp<strong>an</strong>ischen Ansprüche.<br />

Dies sorgt von Beginn <strong>an</strong> für Konflikte mit<br />

den Briten, die sich 1833 fest auf den Falkl<strong>an</strong>dinseln<br />

etablieren und sie 1892 in den<br />

Status einer Kronkolonie erheben.<br />

Vor allem während <strong>der</strong> beiden Weltkriege<br />

fungiert die 13.000 Kilometer von London<br />

entfernte Inselgruppe als strategisch wichtiger<br />

Seestützpunkt.<br />

Argentinien erhebt auch im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Anspruch auf die nur 400 Kilometer<br />

von Feuerl<strong>an</strong>d gelegenen Inseln. In den Jahren<br />

vor Ausbruch des Falkl<strong>an</strong>dkrieges<br />

kommt es daher mehrmals zu diplomatischen<br />

Verh<strong>an</strong>dlungen zwischen Großbrit<strong>an</strong>nien<br />

und Argentinien, aber auch zu mehreren<br />

Zwischenfällen.<br />

Britische L<strong>an</strong>dungsschiffe versuchen daher<br />

am 8. Juni eine weitere Truppenl<strong>an</strong>dung bei<br />

Bluff Cove und werden dabei von <strong>der</strong> argentinischen<br />

Luftwaffe überrascht. Noch<br />

bevor die britischen Soldaten <strong>an</strong> L<strong>an</strong>d gehen<br />

können, werden die Schiffe „Sir Tristram“<br />

und „Sir Galahad“ schwer getroffen.<br />

Dabei sterben 49 britische Soldaten. Ein<br />

letztes Mal beweist die argentinische Luftwaffe<br />

ihre Gefährlichkeit, doch än<strong>der</strong>t dieser<br />

Erfolg nichts <strong>an</strong> <strong>der</strong> für Argentinien kritischen<br />

Gesamtsituation.<br />

Nur wenige Tage nach dem Desaster<br />

von Bluff Cove erobern britische Paras und<br />

Marines am 11. und 12. Juni die strategisch<br />

wichtigen Erhebungen Mount Longdon,<br />

Mount Harriet und Two Sisters wenige Kilometer<br />

vor Port St<strong>an</strong>ley, wobei sie 400 argentinische<br />

Soldaten gef<strong>an</strong>gen nehmen.<br />

Während die Angreifer 23 M<strong>an</strong>n verlieren,<br />

sind die argentinischen Verluste beinahe<br />

doppelt so hoch.<br />

Der britische Schluss<strong>an</strong>griff auf Port<br />

St<strong>an</strong>ley erfolgt am 13. Juni erneut in <strong>der</strong><br />

Nacht aus drei verschiedenen Richtungen.<br />

Unterstützt wird das Vorgehen <strong>der</strong> Truppen<br />

von umfassendem Artillerie- und<br />

Schiffsbombardement, das seine Wirkung<br />

insgesamt jedoch verfehlt, da nicht alle argentinischen<br />

Stellungen zerstört werden.<br />

Vor dem Mount Tumbledown kommt es zu<br />

heftigen Kämpfen, die teilweise sogar mit<br />

dem Bajonett ausgetragen werden. Eine<br />

zeitgleich stattfindende L<strong>an</strong>dung einer britischen<br />

Komm<strong>an</strong>doeinheit im Hafenbereich<br />

Port St<strong>an</strong>leys wird von den Argentiniern<br />

abgewehrt.<br />

Argentinien kapituliert<br />

Die Angreifer ziehen den Ring um Port<br />

St<strong>an</strong>ley immer enger. 30 britische Geschütze<br />

verschießen innerhalb von wenigen<br />

Stunden 15.000, die Schiffsgeschütze 5.000<br />

Gr<strong>an</strong>aten. Einzelne Truppen dringen am<br />

14. Juni in die R<strong>an</strong>dbezirke <strong>der</strong> Stadt ein.<br />

Daraufhin trifft <strong>der</strong> argentinische Militärgouverneur<br />

Mario Menéndez am Nachmittag<br />

desselben Tages mit dem britischen<br />

Oberbefehlshaber Jeremy Moore zusammen,<br />

um die Kapitulationsurkunde zu<br />

unterzeichnen. Zeitgleich mit Port St<strong>an</strong>ley<br />

kapitulieren auch die restlichen argentinischen<br />

Truppen auf Lafonia und West-Falkl<strong>an</strong>d.<br />

Die politischen Folgen des Konflikts zeigen<br />

sich sofort. Nur drei Tage nach <strong>der</strong> Kapitulation<br />

von Port St<strong>an</strong>ley tritt die argentinische<br />

Militärjunta zurück und macht den<br />

Weg frei für ein demokratisches System.<br />

Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

45


Meinung<br />

Die Zukunft<br />

Eine Interpretation <strong>der</strong> Fakten<br />

Von Herfried Münkler<br />

Wer sich auf ein so risk<strong>an</strong>tes Vorhaben<br />

wie Prognosen über die zukünftige<br />

Entwicklung von Politik und Gesellschaft<br />

einlässt, ist gut beraten, sich zunächst<br />

mit den Fehlschlägen früherer Prognosen zu<br />

beschäftigen und jene Texte zu studieren, <strong>der</strong>en<br />

Zukunft inzwischen Gegenwart o<strong>der</strong> bereits<br />

Verg<strong>an</strong>genheit geworden ist. So haben<br />

sich in dem von Arthur Brehmer im Jahre<br />

1910 herausgegebenen B<strong>an</strong>d „Die Welt in<br />

100 Jahren“ auch einige Autoren mit <strong>der</strong> Zukunft<br />

des Krieges beschäftigt bzw. die<br />

Schlachten <strong>der</strong> Zukunft beschrieben. Nicht<br />

in allem haben sie dabei falsch gelegen, aber<br />

im Hinblick auf den vier Jahre später beginnenden<br />

Ersten Weltkrieg lagen sie politisch<br />

wie militärtechnisch ziemlich d<strong>an</strong>eben: Einer<br />

ging für den Krieg <strong>der</strong> Zukunft von einer<br />

europäischen Koalition aus, die gegen<br />

die Mächte Ostasien, China und Jap<strong>an</strong>,<br />

kämpfen werde, und ein <strong>an</strong><strong>der</strong>er maß den<br />

deutschen Luftschiffen eine kriegsentscheidende<br />

Rolle zu, bei <strong>der</strong> sie britische Schlachtschiffe<br />

attackierten und dazu zw<strong>an</strong>gen, die<br />

Flagge zu streichen. Dem technischen<br />

Fortschritt wurde die Rolle zugedacht, die<br />

Blutbä<strong>der</strong> herkömmlicher Schlachten als<br />

„Auskunftsmittel“ (Clausewitz) über die<br />

physische und psychische Stärke <strong>der</strong> konfligierenden<br />

Parteien überflüssig zu machen<br />

und durch den Abgleich <strong>der</strong> waffentechnischen<br />

Möglichkeiten zu ersetzen. Sobald<br />

eindeutig war, welche Seite hier überlegen<br />

war, war die Sache entschieden.<br />

Bek<strong>an</strong>ntlich ist <strong>der</strong> Kriegsverlauf we<strong>der</strong><br />

im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg diesem<br />

Modell gefolgt, und auch die kleinen<br />

Kriege zwischen 1945 und 1989/90, viele<br />

davon Stellvertreterkriege im Rahmen <strong>der</strong><br />

Blockkonfrontation, haben keineswegs die<br />

waffentechnisch überlegene Seite immer<br />

als Sieger gesehen. Im Gegenteil: Zumeist<br />

hat die strategische und taktische Kreativität<br />

<strong>der</strong> waffentechnisch unterlegenen Seite<br />

dazu geführt, dass <strong>der</strong> „Schwache“ den<br />

„Starken“ vor immer neue und größere<br />

Probleme gestellt hat, so dass <strong>der</strong> „Starke“,<br />

wenn auch militärisch ungeschlagen, irgendw<strong>an</strong>n<br />

ermattet war und in seinem politischen<br />

Willen resignierte. Die Prognostiker,<br />

die auf die überlegene Militärtechnologie<br />

als kriegsentscheidenden Faktor<br />

setzten, unterschätzten nicht nur die Kreativität<br />

<strong>der</strong> Schwachen, son<strong>der</strong>n auch die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Ermattungsstrategie. Im Anschluss<br />

<strong>an</strong> Überlegungen von Clausewitz<br />

hat <strong>der</strong> Berliner Militärhistoriker H<strong>an</strong>s Delbrück<br />

um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

das Konzept <strong>der</strong> Ermattung als Alternative<br />

zu dem <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>werfung entwickelt<br />

und dabei die Bedeutung <strong>der</strong><br />

hinhaltenden Defensive neben <strong>der</strong> auf eine<br />

schnelle <strong>Entscheidung</strong> <strong>an</strong>gelegten Offensive<br />

herausgearbeitet.<br />

Liest m<strong>an</strong> die Prognosen zahlreicher<br />

Kriegstheoretiker aus den letzten zwei Jahrzehnten,<br />

so scheinen sie aus dem prognostischen<br />

Desaster zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

nichts gelernt zu haben: Die einschlägigen<br />

Texte zur sogen<strong>an</strong>nten „revolution in<br />

military affairs“ aus <strong>der</strong> Zeit vor dem letzten<br />

Irakkrieg zeigen ein grenzenloses Vertrauen<br />

in die Effektivität überlegener Militärtechnologie<br />

und eine frappierende Naivität<br />

bezüglich <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>dspotentiale entschlossener<br />

Gegenspieler. Die Faszination<br />

durchs technisch Mögliche scheint den Blick<br />

für die bedingungslose Entschlossenheit –<br />

o<strong>der</strong> aber Aufweichbarkeit – eines politischen<br />

Willens verstellt zu haben. Gerade<br />

postheroische Gesellschaften – und um die<br />

h<strong>an</strong>delt es sich bei den reichen Staaten, die<br />

sich das teure Equipment <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Waffentechnologie leisten können – weisen<br />

we<strong>der</strong> große Opferfähigkeit noch Opferbereitschaft<br />

auf, sol<strong>an</strong>ge es sich um für sie nicht<br />

existenzielle Konflikte h<strong>an</strong>delt. Sie können<br />

keine größeren Verluste ertragen, und deswegen<br />

dient die überlegene Waffentechnologie<br />

letzten Endes dazu, ihre geringe Opferbereitschaft<br />

zu kompensieren. Was in <strong>der</strong><br />

Umkehrung heißt: Selbst waffentechnisch<br />

dramatisch unterlegene Akteure können ihre<br />

Defizite durch gesteigerte Opferbereitschaft<br />

ausgleichen, und wenn sie das über<br />

einen längeren Zeitraum durchhalten, können<br />

sie schließlich auch ihren politischen<br />

Willen durchsetzen. Vor allem die USA haben<br />

dies zuletzt immer wie<strong>der</strong> schmerzlich<br />

erfahren müssen. Es gibt keinen Grund zu<br />

<strong>der</strong> Annahme, dass sich das in den nächsten<br />

Jahrzehnten än<strong>der</strong>n wird.<br />

Asymmetrische Kriege, so <strong>der</strong> allgemeine<br />

Oberbegriff, sind keineswegs durch die<br />

ausschließliche Überlegenheit <strong>der</strong> einen<br />

und die Ch<strong>an</strong>cenlosigkeit <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Seite<br />

gekennzeichnet. Diejenigen, die das so<br />

verst<strong>an</strong>den haben, haben entwe<strong>der</strong> nichts<br />

begriffen o<strong>der</strong> sind intellektuelle Einflussagenten<br />

einer Rüstungsindustrie, die mit<br />

dem Versprechen <strong>der</strong> Unbesiegbarkeit immer<br />

mehr Geld für Rüstungsausgaben mobilisieren<br />

möchte. Asymmetrierung des<br />

Krieges heißt vielmehr, dass die Konfliktakteure<br />

ihre Fähigkeiten nicht mehr, wie bei<br />

den klassischen Rüstungswettläufen, spiegelbildlich<br />

zuein<strong>an</strong><strong>der</strong> entwickeln, son<strong>der</strong>n<br />

ihre spezifischen Fähigkeiten ausnutzen,<br />

um die Gegenseite nicht dort, wo sie stark<br />

ist, zu attackieren, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong>en strategische<br />

Schwachpunkte hineinzustoßen.<br />

Wer dabei über den längeren Atem verfügt,<br />

hat die besseren Erfolgsch<strong>an</strong>cen. Auch dar<strong>an</strong><br />

dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten<br />

kaum etwas än<strong>der</strong>n.<br />

Der Denkfehler <strong>der</strong> sich ausschließlich <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> Waffentechnik orientierenden Kriegsprognostiker<br />

besteht darin, dass sie von<br />

den Möglichkeiten <strong>der</strong> Waffen und nicht<br />

von den politischen und sozioökonomischen<br />

Konfliktfel<strong>der</strong>n her denken und dass<br />

sie bei <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Möglichkeiten nur<br />

46


des Krieges<br />

ein einseitiges H<strong>an</strong>deln im Auge haben und<br />

die Dimensionen des Gegenh<strong>an</strong>delns übersehen.<br />

Ein guter Stratege o<strong>der</strong> tüchtiger<br />

Taktiker hat dieses Gegenh<strong>an</strong>deln immer<br />

auf <strong>der</strong> Rechnung. Eine belastbare Prognose<br />

hat darüber freilich noch hinauszugehen,<br />

indem sie die politischen und moralischen<br />

Restriktionen bei <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> waffentechnischen<br />

Möglichkeiten in Rechnung<br />

stellt und dabei beachtet, dass diese Restriktionen<br />

in verschiedenen Gesellschaften<br />

unterschiedlicher Art sind. In den reichen,<br />

in <strong>der</strong> Regel demokratischen Gesellschaften<br />

des Nordens sind sie sehr hoch, während<br />

sie bei schwachen Akteuren in <strong>der</strong> Regel<br />

gering sind. Bei letzteren k<strong>an</strong>n das, was<br />

möglich ist, fast immer auch praktiziert<br />

werden, während bei ersteren fast alle Waffensysteme<br />

weitgehenden moralischen und<br />

politischen Beschränkungen o<strong>der</strong> gar Verboten<br />

unterliegen.<br />

Die Folge ist, dass die waffentechnische<br />

Überlegenheit postheroischer Gesellschaften<br />

fast ausschließlich dazu dient, <strong>der</strong>en<br />

strategische Vulnerabilität infolge begrenzter<br />

Opferbereitschaft sowie demokratischer<br />

Respondenz und öffentlicher Kontrolle zu<br />

kompensieren. Dementsprechend gering<br />

ist die Bereitschaft dieser Gesellschaften,<br />

sich in friedenserzwingen<strong>der</strong> Absicht in<br />

den immer wie<strong>der</strong> auflo<strong>der</strong>nden „neuen<br />

Kriegen“ <strong>an</strong> <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> Wohlt<strong>an</strong>dszonen<br />

zu engagieren. Erschien es vor ein<br />

bis zwei Jahrzehnten plausibel, dass sich<br />

das Militär <strong>der</strong> demokratischen Staaten in<br />

eine Art „Weltpolizei“ verw<strong>an</strong>deln würde,<br />

die <strong>der</strong> Eindämmung und Beendigung dieser<br />

Kriege dienen sollte, so ist diese Hoffnung<br />

auf einen global pazifizierenden Interventionismus<br />

inzwischen verflogen. Das<br />

wie<strong>der</strong>um heißt, dass diese Kriege, <strong>der</strong>en<br />

Dauer nicht nach Monaten o<strong>der</strong> Jahren,<br />

„Der klassische Staatenkrieg, <strong>der</strong> die Szenarien<br />

des Kalten Krieges noch weithin geprägt hat,<br />

scheint zu einem historischen<br />

Auslaufmodell geworden zu sein.“<br />

Herfried Münkler in „Die neuen Kriege“<br />

son<strong>der</strong>n nach Jahrzehnten gerechnet wird,<br />

nicht bloß <strong>an</strong>dauern, son<strong>der</strong>n sich auch<br />

weiter ausbreiten werden.<br />

Aber wird es die gegenwärtigen Gründe<br />

für die Entstehung und l<strong>an</strong>ge Dauer dieser<br />

Kriege auch in Zukunft geben? Fast immer<br />

h<strong>an</strong>delt es sich bei dem Brennstoff, <strong>der</strong> diese<br />

Kriege speist, um Ressourcen, die knapp<br />

und in den reichen Gesellschaften heiß begehrt<br />

sind o<strong>der</strong> die, wie Kokain und Heroin,<br />

in ihnen illegalisiert, dennoch aber<br />

nachgefragt sind und mit <strong>der</strong>en Produktion<br />

und H<strong>an</strong>del sich darum beson<strong>der</strong>s hohe<br />

Gewinne erzielen lassen. Die örtlichen<br />

Kriegsakteure, zumeist keine Staaten, son<strong>der</strong>n<br />

Warlords, Rebellenführer o<strong>der</strong> revolutionäre<br />

Gruppierungen, gehen dabei mit<br />

<strong>der</strong> internationalen Kriminalität Koalitionen<br />

ein, durch die ihre Verbindungslinien<br />

bis tief in die Gesellschaften des reichen<br />

Was halten Sie von <strong>der</strong> Meinung Herfried Münklers? Schreiben Sie uns!<br />

Clausewitz, Inf<strong>an</strong>teriestr. 11 a, 80797 München o<strong>der</strong> <strong>an</strong> redaktion@clausewitz-magazin.de<br />

Nordens hineinreichen. Die Folge ist, dass<br />

diese Kriege wirtschaftlich attraktiv sind<br />

und kaum infolge ökonomischer Erschöpfung<br />

eines <strong>der</strong> beteiligten Akteure enden.<br />

Sie bleiben ein dauerndes Problem, stellen<br />

aber die Weltordnung nicht in Frage.<br />

An<strong>der</strong>s könnte dies bei Ressourcenkriegen<br />

<strong>der</strong> großen Mächte o<strong>der</strong> Wirtschaftsblöcke<br />

sein. Zwar spricht jede rationale<br />

Abwägung dagegen, bei Konflikten um<br />

strategische Ressourcen, wie Wasser, Erdöl,<br />

Erdgas o<strong>der</strong> seltene Metalle und Erden auf<br />

militärische Eskalation zu setzen, da <strong>der</strong>en<br />

Kosten den im besten Fall zu erwartenden<br />

Nutzen bei weitem übersteigen werden,<br />

aber bei einer Kombination von Prestigefragen,<br />

Druck im Innern durch hochkochenden<br />

Volkszorn und einer sich – scheinbar<br />

o<strong>der</strong> tatsächlich – bietenden guten Gelegenheit<br />

ist eine solche Entwicklung nicht<br />

auszuschließen, erst recht wenn ein Akteur<br />

o<strong>der</strong> Regime vor dem Kollaps steht und in<br />

<strong>der</strong> Flucht in den Krieg die letzte und einzige<br />

Überlebensch<strong>an</strong>ce sieht. Wie in <strong>der</strong> Ära<br />

des Kalten Krieges wird es also darauf <strong>an</strong>kommen,<br />

keinen <strong>der</strong> großen Akteure so in<br />

die Enge zu treiben, dass er sein Heil in einer<br />

solchen Flucht in den Krieg sieht. Die<br />

Prognose, die einigermaßen verlässlich sein<br />

dürfte, lautet darum: Es werden zahlreiche,<br />

von substaatlichen Akteuren geführte Kriege<br />

mit hohem Gewalteinsatz gegen die Zivilbevölkerung<br />

sein, die das Kriegsgeschehen<br />

<strong>der</strong> nächsten Jahrzehnte bestimmen,<br />

aber ein Krieg <strong>der</strong> großen Mächte ist eher<br />

unwahrscheinlich.<br />

Prof. Dr. Herfried Münkler ist Inhaber des Lehrstuhls<br />

„Theorie <strong>der</strong> Politik“ <strong>an</strong> <strong>der</strong> Humboldt-Universität zu Berlin.<br />

Er ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. „Die neuen Kriege“,<br />

„Der W<strong>an</strong>del des Krieges. Von <strong>der</strong> Symmetrie zur<br />

Asymmetrie“ und „Imperien: Die Logik <strong>der</strong> Weltherrschaft<br />

– vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten“.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

47


Der Zeitzeuge<br />

Eisenbahn-Pionier im Zweiten Weltkrieg<br />

Von Stalingrad in die<br />

Norm<strong>an</strong>die<br />

1941: Die Welt des jungen<br />

Willy Reinshagen gerät aus<br />

den Fugen. Durch die Einberufung<br />

zur Wehrmacht beginnt<br />

für ihn eine Odyssee,<br />

die erst im Jahre 1948 mit<br />

<strong>der</strong> Heimkehr aus russischer<br />

Kriegsgef<strong>an</strong>genschaft<br />

endet…<br />

Vorgestellt von Maximili<strong>an</strong> Bunk<br />

Diese polnische Lok Ty 23-156 bekam<br />

von <strong>der</strong> Reichsbahn die Betriebsnummer<br />

58 2403. Das warme Lokspeisewasser<br />

war für die Soldaten auf <strong>der</strong> l<strong>an</strong>gen<br />

Fahrt zur Front eine erfreuliche Zugabe<br />

für allfällige Reinigungszwecke.<br />

Foto: W. Hubert/Deutsches Lokbildarchiv<br />

Eigentlich will <strong>der</strong> 1922 in Düsseldorf geborene<br />

Willy Reinshagen nur seine Ausbildung<br />

bei <strong>der</strong> Reichsbahn beenden und<br />

damit in die Fußstapfen seines Vaters treten.<br />

Die Begeisterung und Leidenschaft für die Eisenbahn<br />

ist ihm in die Wiege gelegt. Mit dem<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ziehen düstere<br />

Wolken am Horizont auf und <strong>der</strong> ursprüngliche<br />

Pl<strong>an</strong> wird durch die Einberufung vereitelt.<br />

Immerhin: Reinshagen kommt zu den Eisenbahn-Pionieren<br />

und hat somit wenigstens<br />

hin und wie<strong>der</strong> Gelegenheit, den Lokomotiven<br />

und Gleisen auch in dieser entbehrungsreichen<br />

Zeit nahe zu sein. Er wird sowohl <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Ost- wie auch <strong>der</strong> <strong>Westfront</strong> eingesetzt, dient<br />

unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em in Russl<strong>an</strong>d, Fr<strong>an</strong>kreich, Belgien<br />

und Deutschl<strong>an</strong>d. So verschlägt es ihn<br />

und seine Kameraden z. B. kurz nach <strong>der</strong> Invasion<br />

<strong>der</strong> Alliierten in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die in die<br />

Kleinstadt Laigle, circa 140 Kilometer westlich<br />

von Paris <strong>der</strong> Geschützlärm von den<br />

Kämpfen <strong>an</strong> <strong>der</strong> Küste ist unüberhörbar. Die<br />

Pioniere kommen in einem verlassenen L<strong>an</strong>dsitz<br />

unter und sollen eine Brücke am Ortsr<strong>an</strong>d<br />

des Städtchens wie<strong>der</strong> benutzbar machen.<br />

Wer die Eisenbahnüberführung sabotiert hat,<br />

ist unklar: Entwe<strong>der</strong> waren es alliierte Kampfflugzeuge<br />

o<strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösische Partis<strong>an</strong>en. Willy<br />

Reinshagen erinnert sich <strong>an</strong> die damaligen<br />

Ereignisse wie folgt:<br />

„Die äußeren Umstände <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

des kleinen Brückenbauwerks<br />

entbehren nicht einer gewissen Ironie,<br />

was zunächst auch unter den hier Beteiligten<br />

für <strong>an</strong>haltenden Gesprächsstoff sorg-<br />

48


te. Denn bemerkenswert und merkwürdig<br />

war die Tatsache, dass zum<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong> Brückenfahrbahn<br />

Peine-Doppel-T-Träger vom Gerätelager<br />

des Eisenbahnpionier-Ersatz-Bataillons<br />

5 in Straßburg her<strong>an</strong>geschafft<br />

werden mussten. Mehr noch: Deren<br />

Tr<strong>an</strong>sport erfolgte mit den beiden im<br />

Besitz unserer Komp<strong>an</strong>ie befindlichen<br />

Straßen-Schienen-Lkw im Hinblick<br />

auf die Luftgefährdung auf <strong>der</strong> Straße,<br />

und das bei einer beachtlichen Entfernung<br />

von mehr als 600 Kilometern –<br />

bemerkenswerterweise wurde auch<br />

nur bei Nacht gefahren!<br />

Die <strong>an</strong>strengenden l<strong>an</strong>gen Nachtfahrten<br />

mit schwerem Brückengerät verliefen<br />

aber auch nicht ohne Blessuren <strong>an</strong> fremdem<br />

Eigentum. Die seitlich auskragenden<br />

schweren Hülsenpuffer <strong>an</strong> den<br />

Stirnseiten unserer Straßen-Schienen-<br />

Lkw verursachten in engen Ortsdurchfahrten<br />

– zum Ärger <strong>der</strong> Betroffenen –<br />

Gebäudeschäden. Da wurde in <strong>der</strong> Nacht<br />

unbeabsichtigt die eine o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>e Hausecke<br />

demoliert, wie einer unserer Fahrer,<br />

Paul Helms, berichtete.<br />

Bombenhagel<br />

Wir Männer vom dritten Komp<strong>an</strong>iezug<br />

unter Führung von Leutn<strong>an</strong>t Bail waren in<br />

Laigle <strong>an</strong>getreten, um hier Restarbeiten<br />

<strong>an</strong> einer offenbar unbedeutenden, aber<br />

dennoch strategisch wichtigen Brücke<br />

auszuführen. Der Garten unserer „Villa“<br />

grenzte <strong>an</strong> einen Hecken- und Wiesenweg,<br />

auf den wir einschwenkten und nach<br />

nur kurzer Laufzeit unseren Brückenarbeitsplatz<br />

erreichten.<br />

Nun aber war mit einem Schlag alles<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>s! Sprichwörtlich aus heiterem Himmel<br />

wurden wir in unvorstellbare Angstzustände<br />

versetzt. Von wegen heiterer<br />

Himmel! Wir waren gerade damit beschäftigt,<br />

am Bauwerk letzte H<strong>an</strong>d <strong>an</strong>zulegen,<br />

als wir, verborgen und unsichtbar hinter<br />

tief hängenden Wolken, Motorengeräusche<br />

eines sich schnell nähernden Flugzeugverb<strong>an</strong>des<br />

wahrnehmen konnten. Einer<br />

unter uns spottete noch:<br />

„Hört ihr, da oben sind sie wie<strong>der</strong><br />

und werden irgendwo ihre Bombenlast<br />

abladen!“ Natürlich<br />

dachten alle nur <strong>an</strong> einen Überflug.<br />

Und d<strong>an</strong>n geschah das Unfassbare;<br />

die ringsum herrschende<br />

Stille wurde mit einem Mal von<br />

einem fürchterlichen Pfeifen<br />

heimgesucht, und in Sekundenschnelle<br />

prasselten Bomben hernie<strong>der</strong>.<br />

Wir suchten schnellstens<br />

KURZ VOR STALINGRAD: Der junge Willy<br />

Reinshagen in Morosowskaja, im russischen<br />

Steppenl<strong>an</strong>d zwischen Donez und Don.<br />

unser Heil in <strong>der</strong> Flucht von <strong>der</strong> Baustelle.<br />

Den Tod vor Augen stürmten alle Männer<br />

die Bahnböschung hinunter und warfen<br />

sich auf die große Wiesenfläche, intuitiv<br />

von <strong>der</strong> Meinung beseelt, hier, nur 50 Meter<br />

von <strong>der</strong> Brücke entfernt, dem schlimmen<br />

Inferno entrinnen zu können. Und<br />

gerade hier f<strong>an</strong>den die Einschläge statt –<br />

links und rechts von mir; die Erde bebte<br />

unter dem Bombenhagel – ein Schutzengel<br />

st<strong>an</strong>d mir bei! Als die Hölle vorüber<br />

war, atmeten die Überlebenden erst einmal<br />

tief durch und sammelten sich. Zur<br />

„Stärkung“ wurde eine Zigarette geraucht.<br />

D<strong>an</strong>n wurde Bil<strong>an</strong>z gezogen mit<br />

dem Ergebnis, dass <strong>an</strong> Opfern sieben o<strong>der</strong><br />

acht tote Kameraden zu beklagen waren.<br />

Verwundete hatte es offensichtlich nicht<br />

gegeben. Fazit: Der große Wiesen<strong>an</strong>ger<br />

war mit Bombentrichtern übersät, und unsere<br />

Eisenbahnbrücke st<strong>an</strong>d auch weiterhin<br />

unbeschädigt <strong>an</strong> ihrem Platz, abgesehen<br />

davon, dass beachtliche<br />

Schlammmassen von<br />

Willy Reinshagen<br />

Von Stalingrad<br />

in die Norm<strong>an</strong>die<br />

Eisenbahn-Pionier im Zweiten Weltkrieg<br />

Foto: Sammlung Reinshagen<br />

WILLY REINSHAGEN<br />

Von Stalingrad in die<br />

Norm<strong>an</strong>die. Eisenbahn-<br />

Pionier im Zweiten Weltkrieg.<br />

224 Seiten,<br />

bebil<strong>der</strong>t mit circa 40<br />

Fotografien. Soeben<br />

erschienen.<br />

1944 gesprengter Eisenbahnviadukt am<br />

Iternberg bei Aachen. Foto: Sammlung B. Kreus<br />

Gewässer und Wiese das Bauwerk reichlich<br />

verunstaltet hatten.<br />

Für die folgenden Tage wurde unserer<br />

Truppe eine Ruhezeit vergönnt. Um im<br />

fünften Kriegsjahr unsere Ernährungsgrundlage<br />

etwas zu verbessern, machte<br />

ich mich in dieser Zeit am frühen Abend<br />

einige Male auf den Weg, um bei den im<br />

näheren Umfeld <strong>an</strong>sässigen L<strong>an</strong>dwirten<br />

nahrhafte Produkte einzukaufen. Das war<br />

ein kluger Einfall, <strong>der</strong> von unserem Leutn<strong>an</strong>t<br />

ausging, <strong>der</strong> in dieser von <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

vernachlässigten Gegend sicherlich<br />

sein Offiziers-Kasino vermisste.<br />

Abmarsch<br />

Bei den Bauersleuten f<strong>an</strong>d ich stets offene<br />

Türen, wozu auch die Art und Weise beitrug,<br />

wie ich meine Wünsche in fr<strong>an</strong>zösischer<br />

Sprache artikulierte. Alle Einkäufe<br />

wurden natürlich auf Heller und Pfennig<br />

in fr<strong>an</strong>zösischer Währung beglichen. Und<br />

nicht selten wun<strong>der</strong>ten sich die Leute, dass<br />

ein Deutscher vor ihrer Türe steht und mit<br />

ihnen Fr<strong>an</strong>zösisch spricht. Zurück kehrte<br />

ich mit Milchflaschen, Butter, Schinken,<br />

Wurst und Käse, und sah in meinem Kameradenkreis<br />

viele fröhliche und zufriedene<br />

Gesichter. Natürlich kam auch unser<br />

Leutn<strong>an</strong>t bei <strong>der</strong> Verteilung nicht zu kurz.<br />

Lei<strong>der</strong> früher als erwartet ereilte uns <strong>der</strong><br />

Marschbefehl. Der dritte Komp<strong>an</strong>iezug<br />

rückte aus Laigle ab und formierte sich irgendwo<br />

mit den übrigen Komp<strong>an</strong>iezügen<br />

auf einem l<strong>an</strong>gen Weg, die fr<strong>an</strong>zösische<br />

Hauptstadt als Ziel vor Augen. Wie nun<br />

dieser Pl<strong>an</strong> ablief, darüber besitze ich aus<br />

erklärbaren Gründen keine Kenntnisse.<br />

Die <strong>an</strong>gesp<strong>an</strong>nte Kriegslage seit <strong>der</strong> Invasion<br />

in <strong>der</strong> Norm<strong>an</strong>die schloss einen<br />

Tr<strong>an</strong>sport auf dem Schienenweg aus: Gefahr<br />

drohte aus <strong>der</strong> Luft (Jagdbomber) und<br />

am Boden (Résist<strong>an</strong>ce).”<br />

Nicht nur einmal entkommt Willy Reinshagen<br />

knapp dem Tod wie hier bei Laigle. Die<br />

detaillierten Erinnerungen eines <strong>der</strong> letzten<br />

Zeitzeugen <strong>der</strong> alten Reichsbahn sind fesselnd<br />

und sp<strong>an</strong>nend erzählt.<br />

Clausewitz 1/2013 49


Militär & Technik | Geländewagen<br />

BULLIG: Mit gut 75 Pferdestärken unter <strong>der</strong><br />

Motorhaube hat <strong>der</strong> P3 kaum Probleme im<br />

Gelände. Hier einer <strong>der</strong> wenigen restaurierten<br />

NVA-Oldtimer.<br />

Foto: Dirk Krüger<br />

Geländewagen MUNGA und IFA P3<br />

Legenden auf vier<br />

1960er-Jahre: Je<strong>der</strong> Bundeswehrsoldat kennt ihn, den kleinen geländegängigen<br />

MUNGA. Die NVA hingegen setzt zu dieser Zeit auf und abseits <strong>der</strong> Straßen auf den<br />

größeren und leistungsstärkeren P3...<br />

Von Jörg-M. Horm<strong>an</strong>n<br />

In stiller Mondscheinnacht ist es kilometerweit<br />

zu hören, das prägn<strong>an</strong>te<br />

Knattern des zweigetakteten Dreizylin<strong>der</strong>s.<br />

„Unser Komp<strong>an</strong>iechef ist mit dem<br />

MUNGA auf Kontrollfahrt“. Während des<br />

nächtlichen Übungsmarsches Mitte <strong>der</strong><br />

1960er-Jahre bedeutet das lauter werdende<br />

Motorengeräusch, runter vom marschbequemen<br />

Weg in den nächsten Graben<br />

o<strong>der</strong> hinter die nächste Hecke. Denn <strong>der</strong><br />

Chef will von seinen schwerbepackten,<br />

nach 20 Kilometern erschöpften P<strong>an</strong>zergrenadieren<br />

nichts sehen. D<strong>an</strong>k des „Mehrzweck<br />

Universal Geländewagen mit Allrad<strong>an</strong>trieb“,<br />

kurz MUNGA gen<strong>an</strong>nt, erhalten<br />

die Soldaten eine Art akustische Vorwarnzeit.<br />

Was dem Grenadier im M<strong>an</strong>över<br />

zugute kommt, ist für den Fahrer und die<br />

Besatzung von Fahrzeugen, die hinter einem<br />

solchen „Lkw 0,25 t gl.“, herfahren,<br />

zum Übelwerden.<br />

Sechszylin<strong>der</strong> im Aluminiumblock<br />

Der „Geländegängige Lkw P3“, das vergleichbare<br />

NVA-Pend<strong>an</strong>t zum Bundeswehr-MUNGA,<br />

bringt hingegen mit einem<br />

sechszylindrigen, viergetakteten Otto-Motor<br />

seine Kraft auf die Straße und setzt sie<br />

im Gelände um. Dass sich im ideologischen<br />

Großp<strong>an</strong>orama des Kalten Krieges das von<br />

DDR-Seite propagierte „fortschrittlicher<br />

und <strong>an</strong><strong>der</strong>s sein als <strong>der</strong> kriegstreiberische<br />

Westen“ auch hier auf technische <strong>Entscheidung</strong>en<br />

bei einem geländegängigen Komm<strong>an</strong>deurswagen<br />

nie<strong>der</strong>schlägt, bleibt eine<br />

Vermutung. Die nahezu ein halbes Jahrzehnt<br />

nach dem MUNGA vorgenommene<br />

Einführung des P3 nährt diesen Verdacht.<br />

Die Geschichte <strong>der</strong> kleinsten Lastkraftwagen<br />

(Lkw) im militärischen und zivilen<br />

Einsatz deutscher Nachkriegsarmeen beginnt<br />

unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Die Werke <strong>der</strong> bis dahin in Sachsen<br />

<strong>an</strong>sässigen Auto Union fallen <strong>an</strong> die sowjetische<br />

Besatzungsmacht. Die Führungskräf-<br />

50


ÜBEN FÜR DEN ERNSTFALL: Soldaten <strong>der</strong><br />

Bundeswehr durchqueren im Rahmen einer<br />

Übung <strong>der</strong> ABC-Abwehrschule Sonthofen mit<br />

ihrem MUNGA „kontaminiertes“ Gelände.<br />

Foto: BArch, B 145 Bild-F027390-0004/Beretty<br />

Rä<strong>der</strong>n<br />

te des Unternehmens setzen sich in die<br />

Westzonen ab und gründen im amerik<strong>an</strong>ischen<br />

Sektor im bayerischen Ingolstadt<br />

1947 die neue Auto Union GmbH, aus <strong>der</strong><br />

später die Audi AG erwächst.<br />

1949 steigt das junge Unternehmen in<br />

die Neuwagenfertigung ein und stellt den<br />

Lieferwagen DKW F 89 L in <strong>der</strong> 0,75-t-Klasse<br />

vor, dem ein Jahr später die Personenwagenvari<strong>an</strong>te<br />

als DKW Typ F 89 P folgt.<br />

Deutsche „Lösung” bevorzugt<br />

Nach dem Scheitern <strong>der</strong> Pläne einer Europäischen<br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG)<br />

im Jahr 1954 zeichnet sich die Mitgliedschaft<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d in<br />

<strong>der</strong> NATO ab, die im Mai 1955 vollzogen<br />

wird.<br />

Zu diesem Zeitpunkt hatte <strong>der</strong> Sicherheitsbeauftragte<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung,<br />

Theodor Bl<strong>an</strong>k, bereits die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

VARIANTE: P3 mit<br />

Scheinwerferaufbau-<br />

GLS 1500. Er<br />

kommt vor allem bei<br />

den Grenztruppen<br />

zum Einsatz.<br />

Foto: Archiv Jörg-M.<br />

Horm<strong>an</strong>n<br />

Fäden gezogen, um den Blick <strong>der</strong> deutschen<br />

Kraftfahrzeugindustrie auf das zukünftige<br />

militärische Potenzial zu lenken.<br />

Bl<strong>an</strong>k wird am 7. Juni 1955 <strong>der</strong> erste Minister<br />

für Verteidigung in seinem neuen Bundesverteidigungsministerium.<br />

Bereits 1953 stellte die Keimzelle des Ministeriums,<br />

die damalige „Dienststelle<br />

Bl<strong>an</strong>k“, beim Verb<strong>an</strong>d <strong>der</strong> deutschen Kraftfahrzeugindustrie<br />

die Anfrage: „Welche<br />

Hersteller sind in <strong>der</strong> Lage, ein leichtes und<br />

geländegängiges Kübelfahrzeug als Ersatz<br />

für das im Zweiten Weltkrieg genutzte Motorrad<br />

mit Beiwagen für militärische Zwecke<br />

zu bauen? (…) Aufgrund strengster<br />

Sparsamkeit werden deutsche Produkte gegenüber<br />

ausländischen wie dem Jeep o<strong>der</strong><br />

dem L<strong>an</strong>d Rover bevorzugt (…).“ Da lockt<br />

ein interess<strong>an</strong>ter Auftrag für die Automobilindustrie<br />

– zumal ein erster Bedarf von<br />

5.000 Fahrzeugen für die ersten fünf Jahre<br />

ver<strong>an</strong>schlagt wird.<br />

Clausewitz 1/2013 51


Militär & Technik | Geländewagen<br />

Hatten <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg und die verschiedenen<br />

Geländesituationen nicht gezeigt,<br />

dass reichlich „Pferdestärken“ auf<br />

den Allrad<strong>an</strong>trieb gebracht werden müssen,<br />

um durchzukommen? H<strong>an</strong>delt es sich<br />

um Sparsamkeit am falschen Platz, o<strong>der</strong> haben<br />

die Pl<strong>an</strong>er ein Kriegs- und Einsatzszenario<br />

auf den gut ausgebauten westdeutschen<br />

Straßen im Hinterkopf?<br />

Da wird in <strong>der</strong> etwa gleichzeitig verlaufenden<br />

Entwicklung für einen geländegängigen<br />

Komm<strong>an</strong>deurswagen mit weitergehenden<br />

Einsatzvari<strong>an</strong>ten in <strong>der</strong> DDR <strong>an</strong><strong>der</strong>s<br />

gedacht. Die Vorläufertypen zum P3<br />

<strong>der</strong> NVA sind durchweg mit sechszylindrigen<br />

Otto-Reihenmotoren ausgestattet und<br />

verfügen über die entsprechenden PS unter<br />

<strong>der</strong> Motorhaube.<br />

KONKURRENT: Der Porsche-Geländewagen vom Typ 597 k<strong>an</strong>n den MUNGA nicht verdrängen.<br />

Bei Testfahrten muss er vom MUNGA aus dem Dreck gezogen werden. Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa<br />

Die Auto Union GmbH in Ingolstadt bewirbt<br />

sich daher als erste deutsche Autofabrik<br />

um das Projekt in <strong>der</strong> ein Viertel-Tonnen-Nutzlastklasse.<br />

Als Wettbewerber sind<br />

noch Borgward aus Bremen und etwas später<br />

die Firma Porsche aus Stuttgart dabei.<br />

Die Ersteinsteiger bevorzugen Zweitaktmotoren<br />

als Antriebskraft aus ihrem Erfahrungspotenzial<br />

<strong>der</strong> Pkw-Produktion. Der<br />

DKW erhält einen Dreizylin<strong>der</strong>motor während<br />

Borgward sich sogar mit einem „Goliath“-<br />

Zweizylin<strong>der</strong>motor begnügt.<br />

Was ist ein „Kübel”?<br />

Doch was ist überhaupt ein „Kübelfahrzeug“,<br />

wie von <strong>der</strong> „Dienststelle Bl<strong>an</strong>k“ gefor<strong>der</strong>t<br />

und bereits im deutschen militärischen<br />

Sprachgebrauch des Zweiten Weltkriegs<br />

verwendet? Ein „Kübel“ ist erst<br />

einmal ein nach oben offener Behälter. Mit<br />

Fahrgestell, Motor, allradgetriebenen Rä<strong>der</strong>n<br />

und leichtem, faltbaren Stoffverdeck<br />

versehen, wird die offene Metallkarosserie<br />

eines Kübels zum geländegängigen Personenkraftwagen.<br />

Ursprünglich als flinker<br />

Stabs-, Kurier o<strong>der</strong> Komm<strong>an</strong>deurswagen<br />

verwendet, ergeben sich mit den Einsatzerfahrungen<br />

in bewaffneten Konflikten vielfältige<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Nutzung.<br />

Kübelfahrzeuge werden als Waffenträger,<br />

Verletztentr<strong>an</strong>sporter und Zugkraftwagen<br />

ins Gelände geschickt. Durch ihr relativ<br />

leichtes Gewicht und ihre Abmessungen<br />

sind bestimmte Modelle sogar mit dem<br />

Fallschirm absetzfähig. Ihre militärische<br />

Qualität haben sie mit ihrer Beweglichkeit<br />

abseits aller Wege und Straßen. Ihre offene<br />

Karosserie ohne Türen ermöglicht schnelles<br />

Einsteigen und Absitzen. Statt eines festen<br />

Daches hält ein herunterklappbares Verdeck<br />

den Blick in den Himmel Richtung<br />

feindlicher Tiefflieger o<strong>der</strong> Hubschrauber<br />

frei. Dass <strong>der</strong> Kübel dabei auch noch robust,<br />

geräumig, wartungsarm, im höchsten<br />

Maße zuverlässig und sparsam beim Treibstoffverbrauch<br />

sein sollte, lässt vermuten,<br />

FÜR PROPAGANDA-<br />

ZWECKE: P3 mit<br />

Beschallungs<strong>an</strong>lage<br />

für politische Agitation<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Westgrenze<br />

<strong>der</strong> DDR.<br />

LEGENDÄR: Die<br />

Geländegängigkeit<br />

des P3 (Foto links)<br />

begeistert auch<br />

heute noch die F<strong>an</strong>s<br />

<strong>der</strong> Szene.<br />

Fotos: Archiv Jörg-M.<br />

Horm<strong>an</strong>n<br />

52


Verschiedene Prototypen<br />

RARITÄT: Ein gut erhaltener und restaurierter<br />

P3 ist auf einem Oldtimertreffen<br />

immer noch ein Blickf<strong>an</strong>g und begehrtes<br />

Fotoobjekt.<br />

Foto: Dirk Krüger<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

dass den Konstrukteuren eines solchen<br />

Fahrzeuges eine nicht g<strong>an</strong>z einfache Aufgabe<br />

gestellt ist.<br />

Harter Wettbewerb<br />

Bereits im September 1953 werden die bei<br />

<strong>der</strong> Auto Union entwickelten Prototypen<br />

<strong>der</strong> sogen<strong>an</strong>nten ein Viertel-Tonnen-Klasse<br />

auf <strong>der</strong> Bonner Hardthöhe mit unterschiedlicher<br />

Karosserie und in unterschiedlicher<br />

Ausstattung vorgestellt. Einerseits h<strong>an</strong>delte<br />

es sich um eine verkleinerte Ausführung<br />

des „Horch“-Kübelwagens aus Kriegszeiten,<br />

mit vier Stahltüren. An<strong>der</strong>erseits um<br />

einen offenen W<strong>an</strong>nenaufbau mit Faltstoffverdeck<br />

– ähnlich dem späteren MUNGA,<br />

in schmalerer Ausführung. Weiterhin werden<br />

Versuchsfahrzeuge mit Kunststoffo<strong>der</strong><br />

Leichtmetallkarosserien vorgestellt.<br />

Sie werden den folgenden Dauerbelastungen<br />

jedoch nicht st<strong>an</strong>dhalten. Übrig bleiben<br />

h<strong>an</strong>dgefertigte Testfahrzeuge, die auf <strong>der</strong><br />

DKW Son<strong>der</strong>klasse F 91 mit Kastenprofilrahmen<br />

basieren.<br />

Über den ersten Vergleich <strong>der</strong> zukünftigen<br />

Bundeswehrfahrzeuge im J<strong>an</strong>uar 1955<br />

berichtet ein Chronist: „(...) in <strong>der</strong> ein Viertel-Tonnen-Klasse<br />

tummelten sich neben<br />

dem DKW nunmehr auch <strong>der</strong> Porsche (Typ<br />

597) sowie <strong>der</strong> ,Goliath’ als Vertreter des<br />

Borgward-Konzerns. Der bereits ziemlich<br />

ausgereifte DKW schlug seine zukünftigen<br />

Konkurrenten um Längen, da <strong>der</strong> ,Goliath’<br />

im Gelände ständig aufschlug und als Clou<br />

d<strong>an</strong>n auch noch die Auspuff<strong>an</strong>lage verlor.<br />

Lkw 0,25 t gl.<br />

(MUNGA) Bundeswehr<br />

Geländegängiger Lkw P3<br />

Nationale Volksarmee<br />

Maße und Gewichte<br />

Länge 3.445 mm 3.710 mm<br />

Breite 1.482 mm 1.950 mm<br />

Höhe 1.735 mm 1.950 mm<br />

Radst<strong>an</strong>d 2.000 mm 2.400 mm<br />

Leergewicht 1.060 kg bis 1.350 kg 1.860 kg<br />

Zuladung 400 kg bis 700 kg 700 kg<br />

Gesamtgewicht 1.450 kg bis 1.885 kg 2.560 kg<br />

Steigfähigkeit max. 70 % max. 65 %<br />

Watfähigkeit bis 500 mm bis 600 mm<br />

Motor<br />

Typ DKW F 93 P OM 6-35 L<br />

Arbeitsverfahren Zweitakt Viertakt-Otto<br />

Zylin<strong>der</strong><strong>an</strong>zahl 3 6 Reihe<br />

Treibstoff Zweitaktgemisch VK rot OZ 72<br />

Hubraum 900 bis 1.000 ccm (Vari<strong>an</strong>ten) 2.407 ccm<br />

Leistung 36 bis 44 PS (Vari<strong>an</strong>ten) 75 PS<br />

Verbrauch<br />

Kraftstoffverbrauch ca. 14,7 l/100 km (Straße) 23 l/100 km<br />

Höchstgeschwindigkeit 98 km/h 95 km/h<br />

geringste Dauergeschw.<br />

Produktion<br />

Hersteller<br />

3 km/h mit<br />

Getriebereduzierung<br />

Auto Union GmbH (Audi AG)<br />

Ingolstadt<br />

Stückzahl ca. 47.000 davon 28.000<br />

für die Bundeswehr<br />

3,5 km/h<br />

KZA Karl-Marx-Stadt und<br />

IWL Ludwigsfelde<br />

4.000 davon 570<br />

für die NVA<br />

Produktionszeit 1956 bis 1969 1962 bis 1966<br />

Clausewitz 1/2013<br />

53


Militär & Technik | Geländewagen<br />

NACHFOLGER: Geländewagen<br />

vom Typ GAZ-69 während <strong>der</strong> Parade<br />

zum 25. Jahrestag <strong>der</strong> Gründung<br />

<strong>der</strong> DDR am 7. Oktober<br />

1974 in Ost-Berlin. Der GAZ-69<br />

aus russischer Produktion ersetzte<br />

den P3 bei <strong>der</strong> NVA.<br />

Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willm<strong>an</strong>n<br />

In einem künstlichen, fünf Meter tiefen<br />

Bombentrichter sollte eine Wasserdurchfahrt<br />

bei 80 cm Wassertiefe demonstriert<br />

werden. Pech für Porsche seinerzeit, <strong>der</strong><br />

Wagen <strong>der</strong> Auto Union musste ihn mehrfach<br />

abschleppen. Bei weiteren Geländefahrten<br />

versuchte <strong>der</strong> Porsche offensichtlich<br />

mit Gewalt und Motorkraft seine Mängel<br />

wettzumachen, l<strong>an</strong>dete aber nach einem<br />

Sprung durch die Luft in <strong>der</strong> aufgeschreckten<br />

Zuschauermenge.“<br />

Den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>an</strong> ein leichtes, geländegängiges,<br />

viersitziges Fahrzeug für<br />

den M<strong>an</strong>nschaftstr<strong>an</strong>sport, zur Bergung<br />

von Verletzten sowie <strong>an</strong> ein Führungs- o<strong>der</strong><br />

Funkfahrzeug entspricht <strong>der</strong> DKW weitgehend.<br />

MUNGA erhält den Zuschlag<br />

Nach den weiteren Erprobungen <strong>der</strong> Testk<strong>an</strong>didaten<br />

durch den Bundesgrenzschutz<br />

in Lübeck wird die Stahlblechausführung<br />

des DKW für die Serienproduktion empfohlen.<br />

Abgeschlagen sind die Modelle von<br />

Borgward und Porsche sowie <strong>der</strong> in Lizenz<br />

zu fertigende Williams Jeep. Der erste offizielle<br />

Name des Geländewagens lautet<br />

„Geländewagen F 91/4“. Er bleibt die zukünftige<br />

Typbezeichnung, während in Ingolstadt<br />

<strong>der</strong> „M-Wagen“ aktenkundig<br />

wird. Übrigens das „M“ steht für Mehrzweck<br />

und nicht für Militär.<br />

Am 2. J<strong>an</strong>uar 1956 treten die ersten Freiwilligen<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr ihren Dienst <strong>an</strong>.<br />

Das Heereskontingent ist in An<strong>der</strong>nach stationiert.<br />

Beim dortigen Lehrregiment müssen<br />

auch die Testk<strong>an</strong>didaten <strong>der</strong> ein Viertel-<br />

Tonnen-Klasse in den Truppenversuch und<br />

vor <strong>der</strong> Abnahmekommission bestehen.<br />

54


Nachfolger aus russischer Produktion<br />

STÄRKEN UND SCHWÄCHEN<br />

Lkw 0,25 t gl. (MUNGA) Bundeswehr<br />

Geländegängiger Lkw P3 Nationale Volksarmee<br />

VORTEILE<br />

+ geringes Gewicht<br />

+ Geländegängigkeit<br />

+ Allrad<strong>an</strong>trieb<br />

+ wartungsfreundlich<br />

NACHTEILE<br />

– untermotorisiert<br />

– Zweitaktgemisch<br />

(Geruch)<br />

– Motorengeräusch<br />

– geringe Zugkraft<br />

VORTEILE<br />

+ hohe Antriebskraft<br />

+ sehr nutzlastvariabel<br />

+ Geländegängigkeit<br />

NACHTEILE<br />

– wartungsintensiv,<br />

Ersatzteilprobleme<br />

– keine bedarfsdeckende<br />

Fertigungsmenge<br />

– extreme Getriebegeräusche<br />

Abb. Archiv Jörg-M. Horm<strong>an</strong>n<br />

Die militärische Verwendungsfähigkeit des<br />

„M-Wagens“ ist unübertroffen. Eine zweckmäßige<br />

Karosserie mit hoher Bodenfreiheit<br />

und geringem Gewicht sprechen für sich.<br />

Ein simples Stoffverdeck, das in kürzester<br />

Zeit geöffnet o<strong>der</strong> geschlossen werden<br />

k<strong>an</strong>n, bietet den Insassen Schutz bei Wind<br />

und Wetter. Viele eingebaute Serienteile aus<br />

dem Personenwagenprogramm des Herstellers<br />

und die Austauschbarkeit <strong>der</strong> Komponenten<br />

unterein<strong>an</strong><strong>der</strong> – wie Blattfe<strong>der</strong>n,<br />

Sitze o<strong>der</strong> Halbachsen – beeindrucken die<br />

Fachleute in An<strong>der</strong>nach. Die Jury legt am<br />

18. Februar 1956 ihren Abschlussbericht<br />

vor, <strong>der</strong> als Schwachpunkt allerdings eine<br />

zu geringe Motorleistung attestiert. Darauf<br />

reagiert die Auto Union mit <strong>der</strong> Option eines<br />

Einliter-Motors mit 44 PS bei <strong>der</strong> Serienfertigung.<br />

Am 26. Juni 1956 erfolgt die endgültige<br />

Prototypabnahme bei <strong>der</strong> Auto Union<br />

GmbH durch das Bundesverteidigungsministerium,<br />

doch erst Anf<strong>an</strong>g Oktober 1956<br />

sind in Ingolstadt die ersten fünf Nullserienfahrzeuge<br />

fertig gestellt. Bis Ende des<br />

Jahres laufen 249 Stück DKW 0,25 t vom<br />

Montageb<strong>an</strong>d. Am Ende <strong>der</strong> Produktion<br />

1969 werden 28.000 Einheiten in drei Typvari<strong>an</strong>ten<br />

allein für die Bundeswehr die Bil<strong>an</strong>zen<br />

bei <strong>der</strong> Auto Union stabilisieren.<br />

Ab Februar 1966 wird über den Nachfolger<br />

des MUNGA im Bundesministerium<br />

für Verteidigung nachgedacht. Nach einer<br />

Zwischenlösung mit dem „VW-Kurierwagen<br />

181“ wird <strong>der</strong> MUNGA durch den<br />

„VW Iltis“ 1977 abgelöst. Der neue Geländewagen<br />

wird von <strong>der</strong> Audi AG auf MUN-<br />

GA-Basis entwickelt. Auch in <strong>der</strong> DDR<br />

sucht die Autoindustrie seit Beginn <strong>der</strong><br />

1950er-Jahre nach Lösungen für einen militärischen<br />

Geländewagen.<br />

„Geburtsstunde“ des P3<br />

Über die Ausg<strong>an</strong>gssituation in <strong>der</strong> DDR<br />

und die ersten Entwicklungen zum „Geländegängigen<br />

Lkw P3“ schreibt Wilfried Kopenhagen:<br />

„(...) nach den Auflagen <strong>der</strong><br />

Hauptverwaltung Fahrzeugbau im DDR-<br />

Ministerium für Maschinenbau im August<br />

1952 projektierte das Forschungs- und Ent-<br />

wicklungswerk (FEW) im damaligen Karl-<br />

Marx-Stadt das Son<strong>der</strong>fahrzeug P2M, <strong>an</strong><br />

dem beson<strong>der</strong>s Kraftfahrzeug-Fachleute<br />

<strong>der</strong> Kasernierten Volkspolizei (KVP) beteiligt<br />

waren [in <strong>der</strong> KVP sind die Wurzeln<br />

<strong>der</strong> späteren NVA zu sehen]. Das FEW war<br />

auf Regierungsbeschluss als zentrales Entwicklungswerk<br />

gebildet worden, um für<br />

die durch Krieg und Demontage sowie die<br />

Abw<strong>an</strong><strong>der</strong>ung in die Westzone stark in Mitleidenschaft<br />

gezogene, schrittweise im Auf-<br />

JUBILÄUM: Der 25.000 Geländewagen läuft 1962 im Werk <strong>der</strong> Auto Union in Ingolstadt<br />

vom B<strong>an</strong>d, hier bei einer Demonstrationsfahrt über eine Treppe.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa<br />

Clausewitz 1/2013<br />

55


Militär & Technik | Geländewagen<br />

bau befindliche Autoindustrie <strong>der</strong> DDR<br />

nach und nach das gesamte noch verbliebene<br />

Konstruktions- und Entwicklungspotenzial<br />

<strong>an</strong>zusiedeln. Zu den Aufgaben zählten<br />

die Pl<strong>an</strong>ung <strong>der</strong> Musterbau und die Erprobung<br />

<strong>der</strong> für die Produktion vorgesehenen<br />

Personen- und Nutzfahrzeuge, aber auch<br />

<strong>der</strong> Motoren und Aggregate. Einer <strong>der</strong> vielen<br />

Aufträge war die Entwicklung des Son<strong>der</strong>kraftfahrzeuges<br />

P2M für die vorgesehenen<br />

militärischen Formationen (…).“ Die<br />

Abkürzung P2M erklärt sich als Personenkraftwagen,<br />

Typ 2, Militärversion mit fünf<br />

Plätzen.<br />

Kurzer Produktionszeitraum<br />

Aus dem FEW entsteht <strong>der</strong> „VEB Kooperationszentrale<br />

Automobilbau Karl Marx-<br />

Stadt“, <strong>der</strong> in Weiterentwicklung des P2M<br />

den Geländewagen IFA P3 projektiert.<br />

Dieses Modell wird d<strong>an</strong>n Ende <strong>der</strong> 1950er-<br />

Jahre im Fahrzeugwerk in Zwickau/Hohenstein-Ernstthal<br />

entwickelt und <strong>an</strong>schließend<br />

im „VEB Automobilwerk Ludwigsfelde“<br />

gebaut. Ursprünglich ist dieser Betrieb<br />

für den Bau des Lkw W 50 zuständig. Die<br />

Realität sieht so aus, dass die einzelnen<br />

Baugruppen und Komponenten des P3 in<br />

den verschiedensten Betrieben innerhalb<br />

<strong>der</strong> DDR gefertigt werden und in Ludwigsfelde<br />

die Endmontage erfolgt.<br />

Nach den ersten zehn Versuchsmustern,<br />

die Ende <strong>der</strong> 1950er-Jahre entstehen, erfolgt<br />

<strong>der</strong> Bau von 30 Nullserien P3 im Jahr 1961.<br />

Ab 1962 läuft <strong>der</strong> „Geländegängige Lkw<br />

P3“, wie <strong>der</strong> P3 in <strong>der</strong> Dienstvorschrift<br />

47/18 <strong>der</strong> NVA von 1962 offiziell gen<strong>an</strong>nt<br />

wird, mit rund 1.000 Serienexemplaren pro<br />

Jahr bis zur Einstellung <strong>der</strong> Produktion im<br />

Jahr 1966 vom Montageb<strong>an</strong>d. Der dreitürige<br />

Geländewagen mit einem Sechszylin<strong>der</strong><br />

bietet Platz für bis zu sieben Personen.<br />

HINTERGRUND<br />

Nach gut 15 Betriebsjahren im Bundeswehrfuhrpark<br />

ist ein MUNGA in den 1970er-Jahren<br />

fällig zur Ausson<strong>der</strong>ung. Ab Mitte <strong>der</strong><br />

1960-Jahre besteht auch für Privatpersonen<br />

die Möglichkeit, einen gebrauchten MUNGA<br />

käuflich zu erwerben.<br />

BEEINDRUCKEND: Der P3 verfügt über einen Sechszylin<strong>der</strong>-Reihenmotor im Alu-Block und<br />

Drehstabfe<strong>der</strong>ung mit Einzelradaufhängung.<br />

Foto: Dirk Krüger<br />

Im Gegensatz zur Pkw-Sitzweise beim P2M<br />

sitzen beim P3 die Insassen – außer Fahrer<br />

und Beifahrer – längs zur Fahrtrichtung auf<br />

zwei Bänken. Auf <strong>der</strong> rechten Seite drei<br />

M<strong>an</strong>n und links zwei. Das erste Produktionslos<br />

des P3 verfügt über signifik<strong>an</strong>te Erkennungszeichen<br />

wie etwa den Kühlerdeckel<br />

vorn auf <strong>der</strong> Motorhaube und innen ein<br />

H<strong>an</strong>dschuhfach im Armaturenbrett. Bei späteren<br />

Baulosen verwendet m<strong>an</strong> die sogen<strong>an</strong>nte<br />

„Alligator-Motorhaube“.<br />

„Alligator-Motorhaube”<br />

Die taktisch technischen Daten des P3 verdeutlichen<br />

sein großes Leistungsvermögen<br />

mit einem heute noch beeindruckenden<br />

technischen Konzept: ein Sechszylin<strong>der</strong>-<br />

Sachsenring-Motor in Reihe im Alu-Block,<br />

Drehstabfe<strong>der</strong>ung mit Einzelradaufhän-<br />

Der MUNGA als „Oldtimer“<br />

Im Jahr 2011 waren in Deutschl<strong>an</strong>d mehr<br />

als 1.000 Fahrzeuge dieses Typs statistisch<br />

erfasst. Um diese relativ kleine Menge von<br />

Geländewagen scharen sich – ähnlich wie<br />

beim P3 – die Enthusiasten mit Schraubenschlüssel<br />

und Gebrauchs<strong>an</strong>leitung.<br />

Ihre Plattform ist die Internetseite:<br />

www.munga-ig.de<br />

AUSGESTELLT: Ein „ziviler“ MUNGA im<br />

AutoMuseum von Volkswagen in<br />

Wolfsburg, das 1985 eröffnet<br />

wurde. In <strong>der</strong> militärischen Vari<strong>an</strong>te<br />

wurde das Fahrzeug wurde<br />

bis Mitte <strong>der</strong> 1970er-Jahre bei<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr eingesetzt.<br />

Foto: ullstein bild – Yavuz Arsl<strong>an</strong><br />

gung und oben liegenden Lenkst<strong>an</strong>gen,<br />

Differenzialsperren vorn und hinten sowie<br />

synchronisierte Getriebe, um nur einige<br />

technische Details zu nennen.<br />

Insgesamt werden etwa 3.800 Exemplare<br />

des P3 hergestellt. Vorr<strong>an</strong>gig sind sie in<br />

<strong>der</strong> NVA in allen Teilstreitkräften und bei<br />

den Grenztruppen <strong>der</strong> DDR im Einsatz.<br />

Neben <strong>der</strong> Verwendung als Tr<strong>an</strong>sport- und<br />

Führungsfahrzeug gibt es den P3 auch als<br />

Funk- o<strong>der</strong> Werkstattwagen, als Ladestation,<br />

als Großlautsprecherstation GLS 1500,<br />

o<strong>der</strong> als Scheinwerferwagen.<br />

Auch als Waffenträger für Gr<strong>an</strong>atwerfer<br />

wird er umgerüstet. Etwa 20 Exemplare des<br />

P3 werden zu Komm<strong>an</strong>deursfahrzeugen<br />

mit vier Türen und Cabrio-Verdeck für Paraden<br />

und <strong>an</strong><strong>der</strong>e repräsentative Zwecke<br />

umgebaut. Sie sind später zurückgebaut<br />

worden und keiner von ihnen hat den Lauf<br />

<strong>der</strong> Zeit überst<strong>an</strong>den.<br />

In <strong>der</strong> Nationalen Volksarmee wird <strong>der</strong><br />

P3 schon in den 1970er-Jahren durch den<br />

GAZ-69 und später durch den UAZ-469 ersetzt.<br />

Bei den Grenztruppen erfolgte <strong>der</strong><br />

Einsatz des P3 noch bis 1987. Feuerwehren<br />

und <strong>der</strong> Zivilschutz gehören zu den nichtmilitärischen<br />

„Nutzern“ des P3 in <strong>der</strong> DDR.<br />

Heute besitzt diese Legende auf vier Rä<strong>der</strong>n<br />

eine Art Kultstatus, wie die liebevoll<br />

restaurierten Exemplare auf den unzähligen<br />

Oldtimertreffen und Technikschauen<br />

zeigen.<br />

Jörg-M. Horm<strong>an</strong>n, Jg. 1949, Freier Journalist und<br />

Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei<br />

<strong>der</strong> deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte<br />

mit über 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.<br />

56


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Militär & Technik<br />

ÄSTHETISCH: Eine Must<strong>an</strong>g I im Einflugbetrieb<br />

über Kalifornien im Oktober 1942. Foto: NAA<br />

P-51 Must<strong>an</strong>g<br />

Der gefürchtete<br />

US-Jäger<br />

1942-1945: Als die P-51 Must<strong>an</strong>g in den Luftkrieg eingriff, machte sie aus den einst br<strong>an</strong>dgefährlichen<br />

deutschen Jägern Gejagte, die sich von Einsatz zu Einsatz zittern mussten.<br />

Dem voraus, ging eine l<strong>an</strong>ge und beschwerliche Entwicklungsarbeit... Von Dietmar Herm<strong>an</strong>n<br />

58


Clausewitz 1/2013 59


Militär & Technik | P-51 Must<strong>an</strong>g<br />

BEEINDRUCKEND: Eine Must<strong>an</strong>g IA mit vier<br />

Hisp<strong>an</strong>o K<strong>an</strong>onen 20 mm bei einem Testflug<br />

im Oktober 1942 über dem Fabrikgelände in<br />

Inglewood (Kalifornien).<br />

Foto: NAA<br />

GENAUESTE ÜBERPRÜFUNG: Die zehnte XP-51 wird in L<strong>an</strong>gley<br />

Field Ende 1941 für NACA-Flugtests her<strong>an</strong>gezogen. Foto: NASA<br />

VIELFÄLTIG VERWENDBAR: Die amerik<strong>an</strong>ische Luftwaffe setzt die<br />

A-36A erfolgreich als Tief<strong>an</strong>griffsflugzeug ein.<br />

Foto: NAA<br />

Die Firma North Americ<strong>an</strong> Aviation<br />

(NAA) beginnt 1931 mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

eines Schulflugzeugs, <strong>der</strong> AT-6<br />

Tex<strong>an</strong>. Davon sollten später über 15.000<br />

Exemplare gebaut werden. 1938 kauft die<br />

Royal Air Force 400 als Harvard Mk. I bezeichnete<br />

Maschinen, denen weitere 1.050<br />

folgen. Da m<strong>an</strong> mit den Maschinen in Engl<strong>an</strong>d<br />

zufrieden ist, richten Anf<strong>an</strong>g 1940 die<br />

Briten eine Anfrage <strong>an</strong> NAA, ob m<strong>an</strong> den Jäger<br />

Curtiss P-40 für die Royal Air Force in<br />

Lizenz bauen könne. NAA teilt <strong>der</strong> Kommission<br />

mit, dass m<strong>an</strong> im eigenen Hause einen<br />

erstklassigen Jäger für die RAF entwickeln<br />

und bauen könnte, <strong>der</strong> die P-40 in allen Bel<strong>an</strong>gen<br />

in den Schatten stellen würde. Innerhalb<br />

kürzester Zeit wird <strong>der</strong> neue Jäger unter<br />

dem Chefkonstrukteur Edgar Schmued<br />

entworfen. Gleichzeitig bietet NAA diese<br />

Neuentwicklung auch <strong>der</strong> USAAF <strong>an</strong>, die<br />

aber keinerlei Interesse zeigt. Am 29. Mai<br />

1940 wird ein Vertrag über den Kauf von 320<br />

Jagdflugzeugen NA-73 abgeschlossen, einem<br />

Flugzeug, das zu diesem Zeitpunkt nur<br />

auf dem Reißbrett existiert. Bedingung ist,<br />

dass <strong>der</strong> Prototyp binnen vier Monaten hergestellt<br />

ist. NAA unterbietet diese For<strong>der</strong>ung<br />

sogar, nach nur 102 Tagen ist <strong>der</strong> Prototyp<br />

NA-73X im Werk Inglewood bei Los Angeles<br />

fertig. Er hat allerdings noch einen kleinen<br />

Schönheitsfehler: Der Motor fehlt noch,<br />

da Allison das bestellte Triebwerk V-1710<br />

nicht rechtzeitig liefern k<strong>an</strong>n. 20 Tage später<br />

wird es zugestellt und am 26. Oktober 1940<br />

startet d<strong>an</strong>n die NA-73X mit Testpilot V<strong>an</strong>ce<br />

Breese zum erfolgreichen Erstflug.<br />

Die NA-73 ist, wie viele mo<strong>der</strong>ne Jäger dieser<br />

Zeit, als Tiefdecker in G<strong>an</strong>zmetallbauweise<br />

ausgelegt − allerdings mit voll einziehbarem<br />

Heckradfahrwerk.<br />

Konstruktionsmerkmale<br />

Die Konstrukteure nutzen die neuesten Erkenntnisse<br />

aus Europa. Die NA-73 zeigt dabei<br />

auffallende Ähnlichkeiten zur deutschen<br />

Messerschmitt Bf 109. An<strong>der</strong>erseits<br />

beschreitet North Americ<strong>an</strong> durch die erstmalige<br />

Verwendung eines Laminarprofils<br />

für den Flügel Neul<strong>an</strong>d. Auch die Anordnung<br />

<strong>der</strong> Kühler als wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>dserhöhendes<br />

Element am Flugzeug lösen die Konstrukteure<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>s. Nach intensiven Versuchen<br />

wird er als Düsenkühler zentral unter<br />

dem Rumpf <strong>an</strong>gebracht. Eher konventio-<br />

60


Erprobung und Einführung durch die Royal Air Force<br />

KURZ VOR DEM START: Im<br />

Oktober 1942 werden neue<br />

P-51 Must<strong>an</strong>gs auf dem Flugfeld<br />

von NAA in Inglewood für<br />

die ersten Werksflüge vorbereitet.<br />

Foto: NAA<br />

nell gerät <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Kabine für den Piloten.<br />

Sie geht nach hinten in die Rumpfstruktur<br />

über, was gleichzeitig den Sichtverlust<br />

des Piloten nach hinten bedeutet.<br />

Der eingebaute 1.165 PS starke 12-Zylin<strong>der</strong>-<br />

Reihenmotor Allison V-1710 F3R verfügt<br />

nur über einen einstufigen La<strong>der</strong>, dessen<br />

Leistung zwar für niedrige Höhen ausreichend<br />

ist, in großen Höhen jedoch nur eine<br />

eingeschränkte Leistungsfähigkeit besitzt.<br />

Einführung in Engl<strong>an</strong>d<br />

Noch während <strong>der</strong> Erprobungsphase erhält<br />

NAA den ersten Lieferauftrag von 320 NA-<br />

73-Jägern <strong>an</strong> die RAF. Am 30. Juni 1941 folgt<br />

ein zweiter Auftrag über weitere als NA-91<br />

bezeichnete Jäger, die mit vier 20-mm-K<strong>an</strong>onen<br />

als Must<strong>an</strong>g IA für die RAF vorgesehen<br />

sind. Kurz darauf (am 3. Juli 1941) fliegt<br />

die erste Nullserienmaschine. Inzwischen<br />

HINTERGRUND<br />

Die britischen Piloten klagen<br />

über die schlechten Sichtverhältnisse<br />

<strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g nach<br />

hinten. Daher werden nahezu<br />

alle dort eingesetzten Must<strong>an</strong>g<br />

III mit <strong>der</strong> sogen<strong>an</strong>nten<br />

Malcolm-Haube ausgerüstet,<br />

die aus einem Stück gefertigt<br />

ist und durch ihren halbkreisförmigen<br />

Querschnitt bessere<br />

Sichtverhältnisse bietet.<br />

geht <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> ersten zehn Maschinen<br />

<strong>der</strong> Nullserie zügig vor<strong>an</strong>, so dass die<br />

Werkserprobung schnell abgeschlossen<br />

werden k<strong>an</strong>n. Am 24. Oktober 1941 treffen<br />

die ersten nun als „Must<strong>an</strong>g“ bezeichneten<br />

Maschinen in Engl<strong>an</strong>d ein. Sie werden dort<br />

ausgiebigen Flugversuchen durch die Royal<br />

Air Force unterzogen.<br />

Sehr schnell stellt sich heraus, dass <strong>der</strong><br />

neue Jäger jedem <strong>an</strong><strong>der</strong>en amerik<strong>an</strong>ischen<br />

Jäger überlegen ist. Selbst <strong>der</strong> Spitfire, dem<br />

besten britischen Jäger, ist die Must<strong>an</strong>g in<br />

geringen Höhen deutlich überlegen. Die<br />

allgemeinen Flugeigenschaften werden als<br />

durchweg gut beurteilt. Allerdings zeigt<br />

sich bei den Testflügen auch die Schwäche<br />

<strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g. Die Motorleistung des eingebauten<br />

Allison-Triebwerks lässt mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Höhe sehr schnell nach und dadurch<br />

wird die Must<strong>an</strong>g leistungsmäßig<br />

Rundumblick für die Briten<br />

deutlich schlechter. Damit sind die Einsatzmöglichkeiten<br />

für den neuen Typ beschränkt.<br />

Wegen ihrer überlegenen Geschwindigkeit<br />

am Boden und <strong>der</strong> starken<br />

Bewaffnung setzt die RAF die Must<strong>an</strong>g<br />

deshalb als schnellen Jagdaufklärer ein.<br />

Erstmals Feindberührung haben die neuen<br />

Jagdaufklärer während des britischen L<strong>an</strong>dungsunternehmen<br />

am 19. August 1942 bei<br />

Dieppe.<br />

Wenig Interesse <strong>der</strong> Amerik<strong>an</strong>er<br />

Zunächst zeigt sich die USAAF eher desinteressiert<br />

<strong>an</strong> dem neuen Jäger. Lediglich<br />

zwei Maschinen aus <strong>der</strong> Nullserie werden<br />

im amerik<strong>an</strong>ischen Testzentrum von<br />

Wright Field, Ohio begutachtet. Die Erprobungsergebnisse<br />

sind zwar gut und die Maschine<br />

erhält nun auch offiziell die neue Bezeichnung<br />

P-51, aber Bestellungen erfolgen<br />

zunächst nicht. Mit dem Angriff auf Pearl<br />

Harbor und dem Kriegseintritt <strong>der</strong> Vereinigten<br />

Staaten im Dezember 1941 än<strong>der</strong>t<br />

sich diese Situation. Die amerik<strong>an</strong>ische<br />

Luftwaffe ist aber eher <strong>an</strong> einer Version als<br />

Tief- und Sturz<strong>an</strong>griffsflugzeug interessiert.<br />

500 als A-36A bezeichnete Sturzkampfflugzeuge<br />

mit hydraulisch betätigten<br />

Sturzflugbremsen werden deshalb bestellt<br />

und bewähren sich sehr gut unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em<br />

im Mittelmeerraum bei <strong>der</strong> Invasion Siziliens<br />

im Juli 1943.<br />

Der A-36A folgen 310 Maschinen <strong>der</strong><br />

verbesserten Version NA-99, die als<br />

P-51A Jagdflugzeuge mit vier 12,7-<br />

Clausewitz 1/2013<br />

61


Militär & Technik | P-51 Must<strong>an</strong>g<br />

ACHILLESFERSE: Die Schwachstelle <strong>der</strong> B-17 F war die Bugbewaffnung.<br />

Das wussten auch die deutschen Piloten und flogen ihre Angriffe<br />

direkt von vorn.<br />

Foto: USAF<br />

IN LAUERSTELLUNG: Jäger des Typs North Americ<strong>an</strong> P-51 B , hier<br />

mit Invasionsstreifen, sind startbereit für den nächsten Einsatz. Sie<br />

gehörten zur 376. Fighter Squadron <strong>der</strong> 361. Fighter Group. Foto: USAF<br />

mm-Maschinengewehren ausgerüstet werden.<br />

50 davon gehen als Must<strong>an</strong>g II nach<br />

Engl<strong>an</strong>d. Inzwischen haben die Briten ihre<br />

Must<strong>an</strong>gs bei Jagdeinsätzen über Fr<strong>an</strong>kreich<br />

erfolgreich einsetzen können. Die britischen<br />

Must<strong>an</strong>gs sind auch die ersten einmotorigen<br />

Jagdflugzeuge, die ab Oktober<br />

1942 über Deutschl<strong>an</strong>d operieren können.<br />

Die Must<strong>an</strong>g wird neu motorisiert<br />

Auf britischer Seite versucht m<strong>an</strong> bereits zu<br />

einem frühen Zeitpunkt die unzureichende<br />

Höhenleistung <strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g zu verbessern.<br />

Dazu wird im April 1942 <strong>der</strong> Motorenhersteller<br />

Rolls-Royce eingeschaltet, <strong>der</strong> den<br />

Einbau des leistungsstärkeren Motors RR<br />

Merlin 61 in die Must<strong>an</strong>g empfiehlt. Rolls-<br />

Royce erhält den Auftrag fünf Must<strong>an</strong>gs,<br />

die als Must<strong>an</strong>g X bezeichnet werden, auf<br />

den Merlin-Motor umzubauen. Mit geringem<br />

Än<strong>der</strong>ungsumf<strong>an</strong>g startet die erste<br />

Maschine am 13. Oktober 1942 zu ihrem<br />

Erstflug und bestätigt die Erwartungen.<br />

Zwei <strong>der</strong> umgebauten Maschinen erhält<br />

auch die USAAF für weitere Tests. Kurz darauf,<br />

im November 1942, for<strong>der</strong>t General<br />

Arnold für die weitere Luftkriegsführung<br />

2.200 mit Merlin Motoren ausgerüstete P-51<br />

Must<strong>an</strong>gs als Jäger für die US-Luftwaffe.<br />

Der Merlin-Motor ist in den USA ab 1943<br />

vorh<strong>an</strong>den, da die Motorenfirma Packard<br />

ihn als Lizenzmotor V-1650 in Großserie<br />

baut. Gepl<strong>an</strong>t ist <strong>der</strong> V-1650-3, <strong>der</strong> über einen<br />

Zweistufenla<strong>der</strong> verfügt und für mittlere<br />

Höhen ausgelegt ist. Bei NAA beschränkt<br />

m<strong>an</strong> sich aber nicht nur auf den<br />

Austausch <strong>der</strong> Motoren, son<strong>der</strong>n m<strong>an</strong> unterzieht<br />

für diesen Einbau die gesamte Konstruktion<br />

einer umfassenden Überarbeitung.<br />

Daraus entsteht die komplett neue<br />

Version P-51B, <strong>der</strong>en erstes Muster am 30.<br />

November 1942 zum Erstflug startet. Äußerlich<br />

ist <strong>der</strong> Lufteinlauf für den Vergaser<br />

von <strong>der</strong> oberen Motorverkleidung unter<br />

den Rumpfbug verlegt worden, außerdem<br />

kommt eine Vierblattluftschraube zum Einbau.<br />

Die gesamte Zellenkonstruktion hat<br />

m<strong>an</strong> entsprechend verstärkt und aerodynamisch<br />

überarbeitet. Das Ergebnis ist beeindruckend:<br />

Die P-51B erreicht nun in 9.100<br />

Metern Höhe eine Höchstgeschwindigkeit<br />

von 710 km/h und ist damit zu einem <strong>der</strong><br />

schnellsten Jäger geworden.<br />

Wendepunkt „Double Strike“<br />

Den Amerik<strong>an</strong>ern wird sehr schnell klar,<br />

dass Schläge gegen die deutsche Flugzeug-<br />

HINTERGRUND<br />

Um die schlechten Sichtverhältnisse<br />

<strong>der</strong> P-51 grundlegend zu verbessern,<br />

überarbeitet North Americ<strong>an</strong> das<br />

„Bubble-Haube“<br />

Rumpfmittelteil <strong>der</strong> P-51B. Der abgeän<strong>der</strong>te<br />

Rumpf k<strong>an</strong>n dadurch mit einer<br />

neuen Vollsicht-Schiebehaube<br />

ausgerüstet werden. Die Tests mit<br />

umgebauten Maschinen verlaufen erfolgreich.<br />

M<strong>an</strong> entschließt sich, diese<br />

„Bubble-Haube“ für die Serie zu übernehmen.<br />

North Americ<strong>an</strong> liefert ab<br />

Mitte des Jahres 1944 die ersten<br />

Must<strong>an</strong>gs <strong>der</strong> neuen Baureihe P-51D<br />

nach Europa. Die P-51D wird mit fast<br />

8.000 Exemplaren zur meistgebauten<br />

Baureihe <strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g.<br />

VERTEIDIGUNGSBEREIT: Ein<br />

Schwarm deutscher Focke-Wulf<br />

Fw 190 startet zum Abwehreinsatz<br />

gegen die amerik<strong>an</strong>ischen<br />

schweren Bomber B-17.<br />

Foto: Sammlung Dietmar Herm<strong>an</strong>n<br />

62


Schwere Verluste <strong>der</strong> Amerik<strong>an</strong>er<br />

FRISCH AUS DEM WERK:<br />

Eine neue P-51 B, die erstmals<br />

mit dem in Lizenz gebauten<br />

Packard Merlin-Motor<br />

ausgerüstet ist. Foto: NAA<br />

PERFEKTE MECHANIK: Der von Packard in<br />

Lizenz gebaute Merlin-Motor eingesetzt in<br />

die Zelle <strong>der</strong> P-51 Must<strong>an</strong>g.<br />

Foto: Sammlung Dietmar Herm<strong>an</strong>n<br />

produktion entscheidend für den Gewinn<br />

des Luftkrieges sind. Unter dem Decknamen<br />

„Double Strike“ pl<strong>an</strong>t deshalb die<br />

amerik<strong>an</strong>ische Luftwaffe am 17. August<br />

1943 ihren ersten rein strategischen Bomben<strong>an</strong>griff<br />

gegen Deutschl<strong>an</strong>d. Der Angriff<br />

soll die Lebensa<strong>der</strong>n <strong>der</strong> deutschen Rüstungsindustrie<br />

treffen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

deutsche Flugzeugindustrie. Das erste Ziel<br />

ist Regensburg. Dort stellt Messerschmitt<br />

die erfolgreichen Bf-109-Jäger her. Der<br />

zweite Verb<strong>an</strong>d soll Schweinfurt <strong>an</strong>greifen,<br />

das Zentrum <strong>der</strong> deutschen Kugellagerindustrie.<br />

Beide Ziele liegen tief im deutschen<br />

Hinterl<strong>an</strong>d, was einen l<strong>an</strong>gen An- und<br />

Rückflug für die von Engl<strong>an</strong>d aus operierenden<br />

Bomber bedeutet. Und sie liegen<br />

zudem deutlich außerhalb <strong>der</strong> Reichweite<br />

<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Begleitjäger − die Bomber<br />

sind auf sich allein gestellt. Doch die<br />

Amerik<strong>an</strong>er haben Vertrauen zu ihrer Technik<br />

und zu den Besatzungen, die die schweren<br />

Maschinen fliegen.<br />

Am Morgen des 17. August nehmen 146<br />

Bomber Kurs auf Regensburg. Bis zum Erreichen<br />

<strong>der</strong> deutschen Westgrenze verläuft<br />

<strong>der</strong> Einsatz ohne große Probleme. Nachdem<br />

jedoch die P-47-Begleitjäger wegen<br />

Treibstoffm<strong>an</strong>gels abdrehen müssen, sind<br />

die Bomber den Angriffen <strong>der</strong> Luftwaffe<br />

ausgesetzt. Die Deutschen setzen nicht nur<br />

Jagdflugzeuge mit konventionellen Bordwaffen<br />

ein, son<strong>der</strong>n zum ersten Mal im großen<br />

Maßstab auch großkalibrige Luft-Luft-<br />

Raketen, gen<strong>an</strong>nt Wurfgr<strong>an</strong>ate WGr. 21.<br />

Gegen Mittag erreichen die Bomber ihr<br />

Ziel. Spreng- und Br<strong>an</strong>dbomben treffen<br />

rund 70% des Werksgeländes. Die Treffgenauigkeit<br />

<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Besatzungen<br />

ist gut: Die Produktionshallen werden<br />

schwer getroffen. Die Endmontage <strong>der</strong><br />

Me 109 ist praktisch zerstört. Doch ihre Produktion<br />

k<strong>an</strong>n schon bald wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

werden und im Dezember 1943<br />

wird wie<strong>der</strong> die Fertigungsquote vom Juli<br />

1943 erreicht. Insgesamt gehen bei dem Angriff<br />

auf Regensburg 24 B-17 Bomber mit ihren<br />

Besatzungen verloren. Der aus 230 B-<br />

17-Bombern bestehende zweite Angriffs-<br />

ABWEHRBEREIT: Jäger des Typs Messerschmitt<br />

Bf 109 G-6 mit geladenen Werferrohren<br />

sind für den nächsten Einsatz gerüstet.<br />

Foto: Sammlung Dietmar Herm<strong>an</strong>n<br />

verb<strong>an</strong>d gegen Schweinfurt soll eigentlich<br />

zehn Minuten später starten. Doch dichter<br />

Nebel auf den Flugplätzen verzögert den<br />

Start um drei Stunden – Zeit genug für die<br />

deutschen Jäger nachzut<strong>an</strong>ken und aufzumunitionieren.<br />

Die Begleitjäger müssen<br />

wie<strong>der</strong> über Belgien abdrehen. Über 300<br />

deutsche Jäger nehmen <strong>an</strong> dem Kampf teil.<br />

Im großen Maßstab fliegen zweimotorige<br />

Zerstörer des Typs Me 110 Angriffe mit<br />

WGr.-21-Raketen. Allein auf dem Hinweg<br />

gehen so 22 <strong>der</strong> schwer bewaffneten B-17<br />

verloren. 183 aber erreichen Schweinfurt<br />

und die Kugellagerindustrie wird schwer<br />

getroffen. Während des Rückfluges beginnt<br />

die Luftwaffe erneut die US-Bomber über<br />

Clausewitz 1/2013<br />

63


Militär & Technik | P-51 Must<strong>an</strong>g<br />

GUT GESCHÜTZT: P-51 Must<strong>an</strong>gs begleiten<br />

die schweren B-17-Bomber<br />

während des gesamten Einsatzes. Ab<br />

dem Frühjahr 1944 ein normales Bild<br />

am deutschen Himmel. Foto: USAF<br />

Westdeutschl<strong>an</strong>d und Belgien zu attackieren.<br />

Insgesamt werden bei dem Unternehmen<br />

„Double Strike“ 60 B-17 sowie einige<br />

Jagdflugzeuge von den Deutschen abgeschossen;<br />

etwa 600 Amerik<strong>an</strong>er lassen dabei<br />

ihr Leben. Die Luftwaffe verliert hingegen<br />

nur 25 ihrer eingesetzten Jäger und einige<br />

Besatzungsmitglie<strong>der</strong>.<br />

Die neue Raketenwaffe<br />

Als den Amerik<strong>an</strong>ern klar wird, dass <strong>der</strong><br />

Luft<strong>an</strong>griff gegen Schweinfurt im August<br />

nicht <strong>der</strong> entscheidende Schlag gegen die<br />

deutsche Kugellagerfabrikation war, entschließen<br />

sie sich zu einem weiteren schweren<br />

Angriff. Nur zwei Monate nach dem<br />

Unternehmen „Double Strike“ greifen sie<br />

am 14. Oktober 1943 erneut Schweinfurt <strong>an</strong>.<br />

Für die amerik<strong>an</strong>ische Luftwaffe endet dieser<br />

Tag als Fiasko. 60 „fliegende Festungen“<br />

werden abgeschossen. Dieser Angriff geht<br />

als „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte<br />

<strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Luftwaffe ein.<br />

Ein Großteil <strong>der</strong> Abschüsse geht erneut<br />

auf das Konto <strong>der</strong> mit WGr. 21 ausgerüsteten<br />

Verbände. Die Wirkung ist für die Amerik<strong>an</strong>er<br />

demoralisierend. Dieser Erfolg <strong>der</strong><br />

Luftwaffe führt kurzzeitig sogar zu einer<br />

Einstellung <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Angriffe<br />

ins deutsche Hinterl<strong>an</strong>d. Die Luftwaffe<br />

k<strong>an</strong>n erneut mehr als 300 Jäger aufbieten<br />

und verliert davon <strong>an</strong> diesem Tag 38 Maschinen.<br />

General Arnold als Oberbefehlshaber<br />

<strong>der</strong> USAAF gibt nach den schweren Angriffen<br />

auf Schweinfurt <strong>an</strong>, dass die Raketeneinsätze<br />

<strong>der</strong> Luftwaffe jetzt einen Punkt erreicht<br />

haben, <strong>der</strong> eine ernsthafte Gefahr für<br />

die eigenen Angriffs-Operationen darstellt.<br />

Er drängt, dass sofort Gegenmaßnahmen<br />

ergriffen werden müssen, um die Bomber<br />

zu schützen.<br />

Die Moral <strong>der</strong> amerik<strong>an</strong>ischen Besatzungen<br />

ist auf dem Tiefpunkt und das Vertrauen<br />

in die Fähigkeiten <strong>der</strong> eigenen Bomber<br />

erschüttert. Die deutschen Erfolge führen<br />

direkt zu Konsequenzen: Der schnellstmögliche<br />

Einsatz von L<strong>an</strong>gstreckenbegleitjägern<br />

soll die B-17 perm<strong>an</strong>ent schützen.<br />

Die neue P-51B bewährt sich<br />

Die USAAF hat die Must<strong>an</strong>g bisl<strong>an</strong>g nur<br />

als Erdkampfflugzeug gesehen. Doch in<br />

Kombination mit dem Merlin-Motor und<br />

den zwei internen 320-l-T<strong>an</strong>ks fällt die Wahl<br />

des neuen Begleitjägers auf die Must<strong>an</strong>g.<br />

Nach <strong>der</strong> Bestellung von 2.200 P-51B muss<br />

die Produktion für den neuen Jäger<br />

zw<strong>an</strong>gsläufig ausgeweitet werden. Neben<br />

dem kalifornischen Stammwerk läuft die<br />

AUFGERÜSTET: Den Begleitschutz übernehmen zunächst P-47 Thun<strong>der</strong>bolts.<br />

Deren interne Treibstoffkapazität ist aber nur gering. Daher<br />

werden sie mit abwerfbaren Zusatzt<strong>an</strong>ks bestückt. Foto: USAF<br />

VOM ANFANG BIS ZUM ENDE: Die Must<strong>an</strong>gs begleiten die eigenen<br />

schweren Bomber bis zum Ziel und wie<strong>der</strong> zurück. Hier eine P-51 B<br />

mit nachgerüsteter Malcolm-Haube.<br />

Foto: USAF<br />

64


Die P-51 setzt sich durch<br />

DETAILLIERT: Zeitgenössische perspektivische Zeichnung <strong>der</strong> P-51 C.<br />

Die Konstruktion wird den Gegebenheiten so gut <strong>an</strong>gepasst, dass aus<br />

<strong>der</strong> P-51 ein höchst effektiver Jäger wird. Abb.: Sammlung Dietmar Herm<strong>an</strong>n<br />

ERFOLGREICHE BILANZ: An einer P-51 B finden Wartungsarbeiten<br />

unter Feldbedingungen statt. Die Hakenkreuze am Rumpf <strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g<br />

stehen für Abschüsse von deutschen Maschinen. Foto: USAF<br />

HINTERGRUND 3 Allison V-1710<br />

Produktion ab Mitte 1943 in dem neuen<br />

Werk in Dallas, Texas <strong>an</strong>.<br />

Von <strong>der</strong> ersten Version <strong>der</strong> P-51 B-1 laufen<br />

400 Maschinen vom B<strong>an</strong>d, Dallas liefert<br />

350 als P-51C bezeichnete Jäger aus. Alle Jäger<br />

sind ausgerüstet mit dem Packard V-<br />

1650-3-Motor. Um die Reichweite zu vergrößern<br />

wird von den NAA-Ingenieuren<br />

noch zusätzlich ein 322-l-T<strong>an</strong>k hinter dem<br />

Pilotensitz <strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g eingebaut. Weitere<br />

800 P-51 B-5 folgen, die letzten 550 Maschinen<br />

davon erhalten den neuen Rumpft<strong>an</strong>k,<br />

die damit zur P-51 B-7 werden. Die Rumpft<strong>an</strong>ks<br />

werden nachträglich bei allen bereits<br />

ausgelieferten P-51B und C durch Frontwerften<br />

eingebaut. Mit Aufnahme <strong>der</strong> Produktion<br />

<strong>der</strong> P-51 C-5 k<strong>an</strong>n <strong>der</strong> leistungsmäßig verbesserte<br />

V-1650-7-Motor eingebaut werden.<br />

Insgesamt liefert NAA rund 2.000 in Inglewood<br />

gebaute P-51B aus, 1.750 weitere P-51C<br />

kommen aus Dallas dazu. Im Rahmen des<br />

Pacht- und Leihabkommens erhält auch die<br />

RAF 274 P-51B und 636 P-51C, die dort als<br />

Must<strong>an</strong>g III eingesetzt werden.<br />

Problematischer Begleitschutz<br />

Ab Mai 1943 übernimmt zunächst die Republic<br />

P-47 die Aufgabe für den Begleitschutz<br />

<strong>der</strong> Bomber. Ihr Eindringtiefe beträgt<br />

allerdings nur 280 km, also nur bis<br />

Der Allison V-1710 ist ein flüssiggekühlter<br />

12-Zylin<strong>der</strong>-V-Motor<br />

und <strong>der</strong><br />

einzige in den USA entwickelte<br />

Flugmotor dieser<br />

Bauart. Neben dem Einbau<br />

in <strong>der</strong> P-51 wird <strong>der</strong><br />

Motor auch für die Lockheed<br />

P-38, Bell P-39 und Curtiss P-40<br />

verwendet. Die meisten <strong>der</strong> Motoren<br />

sind mit Einstufenla<strong>der</strong> ausgerüstet,<br />

die nur für niedrige Höhen<br />

ausreichen. Mehr als<br />

70.000 werden davon<br />

bis Kriegsende<br />

gebaut.<br />

kurz über dem Ärmelk<strong>an</strong>al. Den Jägern fehlen<br />

Zusatzt<strong>an</strong>ks.<br />

Bereits Ende 1942 erkennen die Amerik<strong>an</strong>er,<br />

dass abwerfbare Zusatzt<strong>an</strong>ks die einzige<br />

Möglichkeit sind, die Reichweite ihrer<br />

Jäger zu erhöhen. Bis Anf<strong>an</strong>g 1943 geschieht<br />

allerdings wenig. Erst zu diesem<br />

Zeitpunkt wird die Möglichkeit geprüft,<br />

Zusatzt<strong>an</strong>ks in Engl<strong>an</strong>d bauen zu lassen.<br />

Bedingt durch die Materialknappheit dort<br />

schlagen die Briten den Bau von 108 Gallonen<br />

(409 l) fassenden Papert<strong>an</strong>ks vor. Diese,<br />

aus laminiertem und verleimtem Papier<br />

hergestellten T<strong>an</strong>ks halten nur für eine Mission.<br />

Sie sind dafür aber extrem leicht. Die<br />

ersten Lieferungen erfolgen im Juli 1943.<br />

Noch im August 1943 erhöht <strong>der</strong> Anbau des<br />

abwerfbaren Zusatzt<strong>an</strong>ks die Reichweite<br />

<strong>der</strong> P-47 auf 600 km. Im Februar 1944 k<strong>an</strong>n<br />

<strong>der</strong> Aktionsradius durch die Mitnahme von<br />

zwei 108-Gallonen-T<strong>an</strong>ks um weitere 160<br />

km gesteigert werden.<br />

Das alles wird noch übertroffen von <strong>der</strong><br />

neuen P-51. Ohne Zusatzt<strong>an</strong>ks fliegt diese<br />

Maschine soweit wie die demit schon bestückte<br />

P-47. Mit zwei 75-Gallonen-T<strong>an</strong>ks<br />

(284 l) ab März 1944 fliegt die Must<strong>an</strong>g<br />

1.040 km Begleitschutz und erstmals im<br />

gleichen Monat mit 108-Gallonen-Zusatzt<strong>an</strong>ks<br />

sogar 1.360 km.<br />

Von nun <strong>an</strong> begleiten die P-51 die Bomber<br />

zu jedem Angriffsziel. Es dauert allerdings<br />

noch bis zum Frühjahr 1944 bis die Anzahl<br />

<strong>der</strong> notwendigen Jäger dem tatsächlichen<br />

Bedarf entspricht. Laut General Eaker reduziert<br />

allein die Anwesenheit einer Begleitjägergruppe<br />

beim Aufein<strong>an</strong><strong>der</strong>treffen<br />

mit <strong>der</strong> Luftwaffe die Verluste um 75%. Erste<br />

P-51-Verbände werden Ende 1943 nach<br />

Engl<strong>an</strong>d verlegt. Den ersten Einsatz fliegen<br />

sie am 11. Februar 1944. Die P-51 entwickelt<br />

sich von da <strong>an</strong> sehr schnell zum bevorzugten<br />

L<strong>an</strong>gstreckenbegleitjäger und löst die<br />

P-47 relativ zügig ab.<br />

Die Luftüberlegenheit<br />

Bereits drei Monate nach Schweinfurt zeigen<br />

die amerik<strong>an</strong>ischen Maßnahmen Wirkung<br />

und das g<strong>an</strong>ze Geschehen beginnt sich<br />

zu Gunsten <strong>der</strong> Amerik<strong>an</strong>er zu än<strong>der</strong>n. Die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> L<strong>an</strong>gstreckenbegleitjäger<br />

in Kombination mit den neuen Zusatzt<strong>an</strong>ks<br />

ist die richtige Antwort auf die deutsche Taktik,<br />

die Bomber mit Raketen <strong>an</strong>zugreifen. Ab<br />

Februar 1944 begleiten immer mehr mo<strong>der</strong>ne<br />

P-51 die amerik<strong>an</strong>ischen Bomber zu ihren<br />

Zielen. Zu diesem Zeitpunkt besitzt die Luftwaffe<br />

keinen Jäger mehr, <strong>der</strong> die Leistungsklasse<br />

<strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g erreicht. Während sich<br />

die Verluste <strong>der</strong> wendigen amerik<strong>an</strong>ischen<br />

Begleitjäger in Grenzen halten, verlieren die<br />

Deutschen mehr und mehr ihrer Jäger und<br />

Zerstörer. Aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit<br />

und besserer Ausbildung ihrer Piloten<br />

erringen die Alliierten hauptsächlich mit<br />

<strong>der</strong> Must<strong>an</strong>g endgültig die Luftherrschaft<br />

über Deutschl<strong>an</strong>d.<br />

Dietmar Herm<strong>an</strong>n, Dipl. Ing. für Nachrichtentechnik<br />

aus Dortmund, Experte für deutsche Luftfahrtgeschichte<br />

und Verfasser zahlreicher Fachartikel und Bücher.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

65


Spurensuche<br />

Atomwaffen im Kalten Krieg<br />

Die Minutem<strong>an</strong> Missile<br />

Sites in den USA<br />

SCHLICHT: Die über den gesamten Mittleren<br />

Westen <strong>der</strong> USA verteilten unterirdischen<br />

LCC verbergen sich unter solchen<br />

unscheinbaren Gebäuden, wie jenes <strong>der</strong><br />

jetzigen Ronald Reag<strong>an</strong> Minutem<strong>an</strong> Missile<br />

State Historic Site bei Cooperstown in<br />

North Dakota.<br />

Alle Fotos: Autor<br />

Auf Basis des START-Vertrags werden<br />

die über den Mittleren Westen verstreuten<br />

Komm<strong>an</strong>dobunker und unterirdischen<br />

Raketensilos zerstört – mit zwei<br />

Ausnahmen, die in North und South Dakota<br />

zu Museen umfunktioniert werden.<br />

Nichts erinnert dar<strong>an</strong>, dass hier einst einer<br />

<strong>der</strong> heißesten Plätze des Kalten Krieges gewesen<br />

ist. Auch nicht das flache Gebäude<br />

auf einer Anhöhe nördlich des Interstate<br />

Highway 90, von wo aus die L<strong>an</strong>dschaft gut<br />

zu überblicken ist. Vom I-90, <strong>der</strong> sich wie<br />

eine Schl<strong>an</strong>ge durch die Prärie windet, fällt<br />

das Haus dagegen kaum auf. Am Horizont<br />

glitzern die rotbraunen Felsen des Badl<strong>an</strong>ds<br />

Nationalparks. Nur wenige Menschen leben<br />

hier in <strong>der</strong> Mitte von Nirgendwo. Die<br />

Gegend ist daher wie geschaffen für geheime<br />

militärische Anlagen.<br />

Geeignetes Gelände<br />

Um 1960 beginnt die U.S. Air Force, sich<br />

nach St<strong>an</strong>dorten für Silos und Komm<strong>an</strong>dobunker<br />

für die neuartigen, mit Festbrennstoff<br />

betriebenen Minutem<strong>an</strong>-Raketen<br />

umzuschauen. Es sollen möglichst viele Raketen<br />

untergebracht, aber auch ein Sicherheitsabst<strong>an</strong>d<br />

zwischen den Silos von mindestens<br />

fünf Kilometern eingehalten werden.<br />

Zudem gilt es, Sabotage weitgehend<br />

auszuschließen. Auch die Geländeform, die<br />

Bodenbeschaffenheit und Wasservorkommen<br />

– notfalls wird ein 900 Meter tiefer<br />

Brunnen gebohrt – spielen eine Rolle.<br />

Hinzu kommt die geografische Lage:<br />

Die ersten Vari<strong>an</strong>ten erreichen in <strong>der</strong> Praxis<br />

nicht die offizielle Reichweite von 5.500<br />

Meilen, also 8.800 Kilometern. So sind die<br />

<strong>an</strong>gedachten Ziele im europäischen Teil <strong>der</strong><br />

66


31. Juli 1991: George Bush und Michail Gorbatschow unterzeichnen den START-Vertrag<br />

zur Verringerung strategischer Waffen. In <strong>der</strong> Folge stellen die USA ihre 450 mit Atomsprengköpfen<br />

bestückten Interkontinentalraketen vom Typ Minutem<strong>an</strong> II außer Dienst.<br />

Von Walter Kreuzer<br />

WEGBEREITERIN:<br />

R<strong>an</strong>gerin Pamela Grisword,<br />

hier im LCC<br />

Delta 01, gehört zu<br />

den Pionieren unter<br />

den Mitarbeitern <strong>der</strong><br />

Minutem<strong>an</strong> Missiles<br />

National Historic Site.<br />

Sowjetunion kaum zu erreichen. Texas, Georgia<br />

o<strong>der</strong> Oklahoma kommen deshalb für<br />

eine Stationierung nicht mehr in Frage.<br />

M<strong>an</strong> konzentriert sich auf die Northern<br />

Plains. Dort werden North und South Dakota,<br />

Missouri, Mont<strong>an</strong>a, Wyoming, Colorado<br />

und Nebraska ausgewählt, was in diesen<br />

strukturschwachen ländlichen Regionen<br />

des Mittleren Westens enorme<br />

wirtschaftliche Auswirkungen hat.<br />

Zu den Luftwaffenstützpunkten, denen<br />

die Minutem<strong>an</strong> zugeordnet werden, gehören<br />

die Ellsworth Air Force Base nahe Rapid<br />

City im Südwesten von South Dakota<br />

sowie die Great Forks Air Force Base im<br />

Nordosten von North Dakota. Zumeist auf<br />

L<strong>an</strong>dstraßen geht es zwischen unendlichen<br />

Getreidefel<strong>der</strong>n und Weiden hindurch.<br />

D<strong>an</strong>n ist die Launch Facility November-33<br />

erreicht.<br />

Mitten im Nirgendwo<br />

Ein braunes Schild weist zu einem geschotterten<br />

Weg, <strong>der</strong> nach 150 Metern <strong>an</strong> einem<br />

Maschendrahtzaun endet. Das Gelände hat<br />

kaum die Größe eines Fußballplatzes. Umgeben<br />

ist es von Äckern und Schilfgras; Vögel<br />

zwitschern, <strong>der</strong> Wind bläst kräftig über<br />

das flache L<strong>an</strong>d.<br />

Hier also hatte US-Präsident John F.<br />

Kennedy sein „Ace in the hole“ versteckt.<br />

Ab 1966 ist November-33 eines jener „Löcher“,<br />

in denen die U.S. Air Force ihre als<br />

Ass im Rüstungswettlauf mit <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

erachteten Minutem<strong>an</strong> versteckt hält.<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Umsetzung des START-Abkommens<br />

wird die Anlage 1997 außer Betrieb<br />

gestellt. Nun ist sie Teil <strong>der</strong> Ronald<br />

Reag<strong>an</strong> Minutem<strong>an</strong> Missiles State Historic<br />

Clausewitz 1/2013 67


Spurensuche<br />

KALTER KRIEG HAUTNAH:<br />

Das Raketensilo Delta 09 in<br />

South Dakota gewährt den<br />

Blick auf eine Übungsrakete<br />

vom Typ Minutem<strong>an</strong> II.<br />

Site. Mehr als ein Dutzend Schautafeln geben<br />

Informationen zum Kalten Krieg und<br />

den Raketen, die noch immer den Kern <strong>der</strong><br />

amerik<strong>an</strong>ischen Atomstreitmacht ausmachen.<br />

Letzteres inzwischen in Form <strong>der</strong> Minutem<strong>an</strong><br />

III, die nicht unter den Abrüstungsvertrag<br />

von 1991 fallen.<br />

Gig<strong>an</strong>tisches Zerstörungspotenzial<br />

Im hinteren Bereich von November-33 ist<br />

eine 140 Zentimeter hohe, 80 Tonnen<br />

schwere und etwa sieben Meter große eckige<br />

Betonplatte zu sehen. Diese lässt sich offensichtlich<br />

auf Schienen bewegen. Es h<strong>an</strong>delt<br />

sich um die Abdeckung des Silos für<br />

die knapp 18 Meter l<strong>an</strong>ge Minutem<strong>an</strong> II.<br />

Ein Atomsprengkopf k<strong>an</strong>n damit 11.300 Kilometer<br />

weit tr<strong>an</strong>sportiert werden – bei einer<br />

maximalen Geschwindigkeit von<br />

29.030 Stundenkilometern. Die Sprengkraft<br />

wird mit mehr als 300 Kilotonnen <strong>an</strong>gegeben.<br />

Zum Vergleich: Hiroshima und Nagasaki<br />

wurden mit 13 beziehungsweise 21 Kilotonnen<br />

in Schutt und Asche gelegt. Viel<br />

mehr als eine Metallplatte über dem Einstieg<br />

für die Wartungsm<strong>an</strong>nschaften in das<br />

Silo und einige kerzengerade in den Himmel<br />

ragende Antennen ist hier nicht zu sehen.<br />

Auch keine Rakete.<br />

Das ist 700 Kilometer entfernt in South<br />

Dakota <strong>an</strong><strong>der</strong>s. Das Navigationsgerät führt<br />

auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Minutem<strong>an</strong> Missile<br />

National Historic Site zur Ausfahrt 116 des<br />

I-90 und über eine holprige Straße zum Silo<br />

Delta-09. Das Bild gleicht jenem bei November-33:<br />

Ein eingezäuntes Gelände inmitten<br />

einer weiten Ebene, die als Weidel<strong>an</strong>d<br />

für Rin<strong>der</strong> genutzt wird. Statt<br />

informativer Schautafeln gibt es hier unter<br />

einer Glasabdeckung eine echte Rakete – eine<br />

Übungsrakete vom Typ Minutem<strong>an</strong> II –<br />

im unterirdischen Betonsilo zu sehen.<br />

Eine Gepflogenheit aus <strong>der</strong> Zeit des Kalten<br />

Krieges scheint sich in abgew<strong>an</strong>delter<br />

Form erhalten zu haben. Wenngleich die<br />

Menschen in den Dakotas natürlich wissen,<br />

dass sich quasi in ihrem Vorgarten militärische<br />

Anlagen befinden, werden die genauen<br />

St<strong>an</strong>dorte <strong>der</strong> Bunker und Silos nicht <strong>an</strong><br />

die große Glocke gehängt. Ähnlich verhält<br />

es sich mit <strong>der</strong> Minutem<strong>an</strong> Missile National<br />

Historic Site. Diese wird seit 1999 vom Nationalparkservice<br />

verwaltet, Hinweisschil<strong>der</strong><br />

am Interstate sind allerdings M<strong>an</strong>gelware.<br />

Nächstes Jahr soll ein Besucherzentrum<br />

für 500.000 Gäste gebaut werden –<br />

„Ein Atomkrieg darf nicht geführt und k<strong>an</strong>n<br />

nicht gewonnen werden.“<br />

Michail Gorbatschow bei einem Treffen mit Ronald Reag<strong>an</strong> (1985)<br />

ähnliches wird vor Ort schon seit sechs Jahren<br />

erzählt. Geän<strong>der</strong>t hat sich seither lediglich,<br />

dass es nun zwei statt nur einen Bürocontainer<br />

gibt.<br />

Hier übernimmt Carl Engwall, <strong>der</strong> Facility<br />

Specialist des Parks die Führung. Mit<br />

dem Auto geht es drei Meilen zurück Richtung<br />

Westen. Auf einem Hügel, einen Kilometer<br />

vom Exit 128 entfernt, liegt Delta-01.<br />

Das Gelände ist durch einen Elektrozaun<br />

gesichert. Ein gep<strong>an</strong>zerter Wagen – im Air-<br />

Force-Jargon „Peacekeeper“ gen<strong>an</strong>nt – gibt<br />

einen Eindruck vom einst enormen Sicherheitsbedürfnis.<br />

Ein <strong>an</strong><strong>der</strong>es Beispiel hierfür<br />

steht 60 Meter vom Haus entfernt in einer<br />

Ecke des Freigeländes: Die eiserne Trommel<br />

mit Lüftungsschlitzen erinnert <strong>an</strong> einen<br />

verrosteten Kugelgrill. „Hier haben die<br />

Missileers ihren Code verbrennen müssen,<br />

wenn sie ihren Dienst beendeten“, erläutert<br />

Carl Engwall, selbst ehemaliger Air-Force-<br />

Pilot. Als „Missileers“ bezeichnet er jene<br />

jungen Offiziere, die im Bunker ihren<br />

Dienst taten.<br />

68


Sicherheitsmaßnahmen gegen Sabotage und Spionage<br />

GUT ÜBERSCHAU-<br />

BAR: Das Sicherheitscenter<br />

von Oscar 0<br />

bietet einen freien<br />

Blick über die Prärie<br />

von North Dakota.<br />

ZWISCHEN DEN EIN-<br />

SÄTZEN: Ihre Freizeit<br />

während <strong>der</strong> mehrtägigen<br />

Einsätze in Delta<br />

1 verbrachten die<br />

Soldaten zum Teil in<br />

diesem im Stil <strong>der</strong><br />

1970er-Jahre eingerichteten<br />

Aufenthaltsraum.<br />

Die Besatzung des LCC besteht hier oben<br />

aus acht Personen. Die sechs Wachsoldaten<br />

und <strong>der</strong> Koch bleiben für drei Tage, <strong>der</strong> für<br />

die Org<strong>an</strong>isation und Hausmeisteraufgaben<br />

zuständige Facility M<strong>an</strong>ager eine knappe<br />

Woche im LCC. Hier arbeiten und schlafen<br />

sie und verbringen ihre Freizeit. Dem<br />

Zeitvertreib dienen ein Volleyballfeld und<br />

ein Basketballkorb auf dem Hof sowie ein<br />

Aufenthaltsraum. Spiele wie Schiffe versenken,<br />

Billardtische, Tischtennisplatten,<br />

Kassettenrekor<strong>der</strong> und ab den 1980er-Jahren<br />

auch Fernseher sorgen für zusätzliche<br />

Abwechslung.<br />

Gut bewacht<br />

Der Bungalow, das Launch Control Facility<br />

Support Building, ist unscheinbar. Die Einrichtung<br />

<strong>der</strong> Zimmer entspricht dem Geschmack<br />

<strong>der</strong> 1970er- und 1980er-Jahre. Neben<br />

<strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>der</strong> Anlage von<br />

<strong>der</strong> Außenwelt – alle technischen Einrichtungen<br />

sind mehrfach gesichert – hat die Sicherheit<br />

oberste Priorität. Deshalb bilden<br />

die beiden Flight Security Controllers und<br />

die ihnen unterstellten Security Alert Teams<br />

den Kern <strong>der</strong> Besatzung. „Sie hatten Polizeiaufgaben,<br />

achteten darauf, dass niem<strong>an</strong>d<br />

auf das Gelände kam“, erzählt Nath<strong>an</strong>iel<br />

Clifton. Der Student führt Besucher<br />

durch Oscar Zero, jenen zumindest oberirdisch<br />

weitgehend identisch aufgebauten<br />

Launch Control Center nördlich des Städtchens<br />

Cooperstown in North Dakota, <strong>der</strong><br />

seit 2009 als Ronald Reag<strong>an</strong> Minutem<strong>an</strong><br />

Missile State Historic Site ebenfalls für Besucher<br />

zugänglich ist.<br />

Vom Security Center <strong>an</strong> <strong>der</strong> dem Tor zugew<strong>an</strong>dten<br />

Ecke des Gebäudes aus wird alles<br />

überwacht. „Besucher mussten ihr Auto<br />

abstellen und zur Tür kommen. Hier sind<br />

zwei Türen hinterein<strong>an</strong><strong>der</strong>. Bevor die zweite<br />

geöffnet wurde, mussten die Ausweispapiere<br />

durch einen Schlitz in den Security<br />

Center geschoben werden“, sagt Clifton<br />

weiter. Von hier oben wird <strong>der</strong> Kontakt zu<br />

den „Missileers“ im unterirdischen Komm<strong>an</strong>dost<strong>an</strong>d<br />

gehalten. Und die „Security<br />

Alert Teams“ werden mit dem „Peacekeeper“<br />

losgeschickt, wenn <strong>an</strong> einem <strong>der</strong> zehn<br />

durch armdicke luftdruckgesicherte<br />

HICKS-Kabel mit dem LCC verbundenen<br />

ZEITMASCHINE:<br />

In die 1960er-Jahre<br />

zurückversetzt fühlt<br />

sich <strong>der</strong> Besucher von<br />

Oscar 0 <strong>an</strong>gesichts<br />

dieser Computer- und<br />

Schaltschränke im<br />

unterirdischen LCC.<br />

Raketensilos eine Bewegung festgestellt<br />

wird. „Das passierte ständig, vor allem bei<br />

Stürmen o<strong>der</strong> Schneestürmen. Meistens<br />

h<strong>an</strong>delte es sich um falschen Alarm, aber<br />

die Sicherheitsleute oben mussten jem<strong>an</strong>den<br />

rausschicken“, ist zu erfahren.<br />

Unter <strong>der</strong> Erde<br />

Das Herzstück eines Launch Control Centers<br />

liegt gut versteckt etliche Meter unter<br />

<strong>der</strong> Erde. Um dorthin zu gel<strong>an</strong>gen, müssen<br />

sich die „Missileers“ gleich vier Mal autorisieren,<br />

wenn sie ihre 24-Stunden-Schicht<br />

<strong>an</strong>treten: am Tor, am Eing<strong>an</strong>g zum Gebäude,<br />

im Security Center und schließlich in einem<br />

kleinen Raum, <strong>der</strong> den Zug<strong>an</strong>g zu einem<br />

Aufzug gewährt.<br />

Während bei Delta-01 gerade einmal eine<br />

H<strong>an</strong>dvoll Personen Platz in dem rustikalen<br />

Lift finden, h<strong>an</strong>delt es sich bei Oskar<br />

Zero um einen relativ geräumigen Lastenaufzug<br />

mit mehr als vier Tonnen Tragfähigkeit.<br />

Vor dem Aufzug schließen sich<br />

zwei Gitter. Mit lautem Getöse setzt er sich<br />

in Bewegung – g<strong>an</strong>z l<strong>an</strong>gsam geht es abwärts.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

69


Spurensuche<br />

AMERIKANISCHE<br />

POPKULTUR: Der<br />

Arbeitsplatz des<br />

Komm<strong>an</strong>deurs von<br />

Oscar 0 wird von<br />

diesem Bugs Bunny<br />

bewacht.<br />

Hier unten wird<br />

schnell deutlich,<br />

warum in den beiden<br />

zugänglichen<br />

LCC unterschiedlich<br />

große Fahrstühle eingebaut sind: Bei<br />

Oskar Zero sind im Gegensatz zu Delta-01<br />

gleich zwei Kapseln vergraben. Beide sind<br />

schw<strong>an</strong>kend <strong>an</strong> Stoßabsorbern aufgehängt<br />

und können gut einen halben Meter in jede<br />

Richtung schwingen. Eine <strong>der</strong> Kapseln enthält<br />

das Launch Control Equipment Building<br />

(LCEB), also den Technikraum. Von<br />

hier aus wird die Versorgung des eigentlichen<br />

Kontrollst<strong>an</strong>des mit Energie und Luft<br />

geregelt. Gesichert ist er durch eine sieben<br />

Tonnen schwere Eisentür, die jedem Tresorraum<br />

einer Großb<strong>an</strong>k zur Ehre gereichen<br />

würde. Im LCEB ist ein sonores Brummen<br />

zu hören. Salzwasser für die Heizungs- und<br />

Kühlsysteme, Luftfilter, Diesel für die Generatoren<br />

und <strong>an</strong><strong>der</strong>es Gerät versprühen<br />

ADRESSEN<br />

Ronald Reag<strong>an</strong> Minutem<strong>an</strong> Missile Site<br />

Reag<strong>an</strong> Minutem<strong>an</strong> Missile State Historic Site<br />

555 113-1/2 Ave NE Hwy 45<br />

PO Box 6<br />

Cooperstown, ND 58425-0006<br />

Eintritt: 10 $, Kin<strong>der</strong> 3 $<br />

Öffnungszeiten: November bis 28. Februar: nur<br />

nach Anmeldung, 1. März bis 15. Mai und 16.<br />

September bis 31. Oktober: Montag und Donnerstag<br />

bis Samstag, 10 bis 18 Uhr, Sonntag<br />

10 bis 17 Uhr, 16. Mai bis 15. September: täglich<br />

10 bis 18 Uhr, Touren beginnen alle halbe<br />

Stunde.<br />

Internet: www.history.nd.gov/historicsites/<br />

minutem<strong>an</strong>missile<br />

den Charme <strong>der</strong> 1960er-Jahre. Sie sollten<br />

die „Missileers“ für mindestens 30 Tage unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Außenwelt machen. Die<br />

Türen werden nur bei einem Schichtwechsel<br />

geöffnet – ein H<strong>an</strong>drad wird gedreht<br />

und mit einer Metallst<strong>an</strong>ge werden ein<br />

Dutzend Stäbe hydraulisch in die in die<br />

W<strong>an</strong>d eingelassenen Löcher geschoben.<br />

Spezieller Sicherheitsmech<strong>an</strong>ismus<br />

Wenige Schritte weiter befindet sich eine<br />

weitere „Blast Door“, hinter <strong>der</strong> sich die<br />

Abschusszentrale für die Minutem<strong>an</strong> befindet.<br />

Sie ist fast identisch mit <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en.<br />

Allerdings k<strong>an</strong>n sie nur von innen bedient<br />

werden, wenn sie erst einmal geschlossen<br />

ist. Lediglich <strong>der</strong> Facility M<strong>an</strong>ager k<strong>an</strong>n sie<br />

Minutem<strong>an</strong> Missile National Historic Site<br />

Post<strong>an</strong>schrift:<br />

Minutem<strong>an</strong> Missile NHS<br />

1280 SD Hwy 240<br />

Philip, SD 57567<br />

Anfahrt: Alle geführten Touren beginnen <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Contact Station des Parks in <strong>der</strong> Nähe von Exit<br />

131 des I-90, neben <strong>der</strong> Conoco-T<strong>an</strong>kstelle.<br />

Eintritt: Gratis<br />

Öffnungszeiten:<br />

Contact Station: Täglich 8 bis 16:30 Uhr, November<br />

bis April <strong>an</strong> Wochenenden 9 bis 16 Uhr<br />

Führungen: November bis April: 10 und 14 Uhr,<br />

ab Mai täglich in dichteren Intervallen, Tickets<br />

sind <strong>an</strong> <strong>der</strong> Contact Station erhältlich.<br />

Internet: www.nps.gov/mimi<br />

im Notfall öffnen, was etwa 50 Minuten<br />

dauert. Bis zur „Last Alert“, <strong>der</strong> letzten<br />

Schicht, in Oskar Zero am 17. Juli 1997 galt<br />

hier die gleiche Vorschrift wie in allen <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

LCC: „No-Lone Zone two person concept<br />

applies“ steht in greller Farbe auf einem<br />

Schild. Eine gelbe Linie auf dem Boden<br />

unterstreicht die Anweisung zusätzlich.<br />

Wer auf die <strong>an</strong><strong>der</strong>e Seite möchte, muss von<br />

einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en Person begleitet und beaufsichtigt<br />

werden.<br />

Der Grund ist klar: Es muss unter allen<br />

Umständen verhin<strong>der</strong>t werden, dass „Missileers“<br />

eigenmächtig eine Atomrakete abfeuern.<br />

Dafür sind zahlreiche weitere Sicherungen<br />

ins System eingebaut. Das fängt bei<br />

<strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Soldaten für die Combat<br />

Crews <strong>an</strong>. Sie sollten zuverlässig, stabil und<br />

intelligent sein. Und m<strong>an</strong> musste sich darauf<br />

verlassen können, dass sie im Durchein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />

eines atomaren Krieges eine Minutem<strong>an</strong><br />

abschießen würden – aber nicht früher.<br />

Colonel Richard Butler von <strong>der</strong><br />

Personalabteilung des Strategic Air Comm<strong>an</strong>ds<br />

<strong>der</strong> USA (SAC) drückte es 1963 so<br />

aus: „Wir brauchen eine Art Einsiedler.<br />

Aber ein Einsiedler hätte nicht die Haupteigenschaften,<br />

die wir brauchen.“<br />

An<strong>der</strong>e Sicherheitsvorkehrungen gegen<br />

einen nicht autorisierten Raketenabschuss<br />

werden innerhalb <strong>der</strong> etwa vier Meter breiten<br />

und gut neun Meter l<strong>an</strong>gen Kapsel<br />

deutlich. Hinter <strong>der</strong> Betontüre gel<strong>an</strong>gt m<strong>an</strong><br />

durch einen tunnelähnlichen niedrigen<br />

Durchg<strong>an</strong>g und über eine Stahlplatte, die<br />

den Abst<strong>an</strong>d zwischen äußerer und innerer<br />

70


Beschaulicher Alltag<br />

EIGENWILLIGE KUNST: Schwarzen Humor<br />

demonstrierten die in Delta 01 eingesetzten<br />

Offiziere mit diesem Gemälde<br />

auf <strong>der</strong> tonnenschweren Tür zum unterirdischen<br />

Komm<strong>an</strong>dost<strong>an</strong>d.<br />

KOMMANDANTENPLATZ: Diese Kontrolleinheit<br />

befindet sich in Delta 01, am Kopfende<br />

<strong>der</strong> Abschusszentrale.<br />

Schale <strong>der</strong> Kapsel überbrückt, in das eigentliche<br />

LCC. Kaum eingetreten fühlt m<strong>an</strong> sich<br />

zurückversetzt in längst verg<strong>an</strong>gene Zeiten.<br />

Die Kommunikationsgeräte und Computerausstattung<br />

stammen aus den 1960er-<br />

Jahren. Auch wenn sie aus heutiger Sicht altertümlich<br />

erscheinen: Sie erfüllten bis in<br />

die 1990er-Jahre ihren Zweck.<br />

Kein „heißer“ Einsatz<br />

Der Komm<strong>an</strong>dost<strong>an</strong>d umfasst zwei Pulte<br />

mit einer Vielzahl <strong>an</strong> Schaltern, Knöpfen<br />

und Anzeigen. Diese dienten vor allem <strong>der</strong><br />

Kommunikation mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Launch Control<br />

Centers, dem Stützpunkt o<strong>der</strong> dem<br />

SAC. Die Plätze des Comm<strong>an</strong><strong>der</strong>s am Ende<br />

des Raumes und des Deputy Comm<strong>an</strong><strong>der</strong>s,<br />

rechts wenige Schritte vom Eing<strong>an</strong>g, sind<br />

etwa vier Meter ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>. Vor jedem<br />

Pult befinden sich rote Flugzeugsitze, die<br />

sich auf Schienen seitwärts bewegen lassen.<br />

Sie sind mit Becken- und Schultergurten<br />

ausgestattet. Der Zust<strong>an</strong>d <strong>der</strong> zehn von hier<br />

aus gesteuerten Raketen lässt sich je<strong>der</strong>zeit<br />

JAHRELANG IM EIN-<br />

SATZ: Ähnlich wie<br />

die in den Launch<br />

Control Centers verwendete<br />

Technik haben<br />

sich die Uniformen<br />

<strong>der</strong> in Oscar 0<br />

eingesetzten Soldaten<br />

kaum verän<strong>der</strong>t.<br />

kontrollieren. Bei Bedarf k<strong>an</strong>n auch auf einen<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>en Flight umgeschaltet werden.<br />

„Das wurde d<strong>an</strong>n gemacht, wenn die Kollegen<br />

aus einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en LCC für kurze<br />

Zeit nicht einsatzfähig waren“, erläutert<br />

Nath<strong>an</strong>iel Clifton in Oskar Zero diesen Secundary<br />

Flight Group Status.<br />

Direkt ins Auge sticht einem ein roter,<br />

damals mit zwei Vorhängeschlössern gesicherter<br />

Eisenkasten oberhalb des Deputy-<br />

Platzes: In diesem befindet sich das „Coockie“.<br />

Gemeint sind die zum Starten <strong>der</strong><br />

Raketen nötigen Schlüssel sowie <strong>der</strong> Autorisierungscode.<br />

Damit dieser funktioniert,<br />

ist ein passen<strong>der</strong> zweiter Teil notwendig,<br />

den nur <strong>der</strong> US-Präsident kennt.<br />

Um eine Rakete zu starten, muss sie<br />

durch den Comm<strong>an</strong><strong>der</strong> scharfgemacht<br />

werden. Beide „Missileers“ müssen innerhalb<br />

von zwei Sekunden ihren Schlüssel<br />

zeitgleich umdrehen, wenn sie für die <strong>an</strong>gegebene<br />

Rakete den entsprechenden Schalter<br />

umgelegt haben. Damit nicht genug:<br />

„Ein zweites Control Center o<strong>der</strong> das SAC<br />

muss ebenfalls das Startsignal geben. Erst<br />

d<strong>an</strong>n wird <strong>der</strong> Start wirklich ausgelöst. Von<br />

nun <strong>an</strong> gibt es keinen Weg zurück“, erzählt<br />

Clifton. Welches Ziel <strong>an</strong>gesteuert wird, ist<br />

im Bunker nicht bek<strong>an</strong>nt. Jede Minutem<strong>an</strong><br />

hatte acht Ziele. Die „Missileers“ mussten<br />

nur von Ziel 2 auf Ziel 3 umstellen. Carl<br />

Engwall betont in Delta-01: „Der Befehl<br />

k<strong>an</strong>n nur vom Präsidenten selbst gegeben<br />

werden.“ Hätte er diesen erteilt, wären bis<br />

zum Umdrehen <strong>der</strong> Schlüssel keine 60 Sekunden<br />

verg<strong>an</strong>gen.<br />

Dazu ist es gottseid<strong>an</strong>k nie gekommen.<br />

Entsprechend l<strong>an</strong>gweilig konnte eine 24-<br />

Stunden-Schicht werden. „Wir arbeiteten<br />

viel <strong>an</strong> unserem Master-Abschluss und übten<br />

für die nächste Prüfung“, erinnert sich<br />

<strong>der</strong> pensionierte Major Jim Boensch, <strong>der</strong><br />

heute Touristen durch Delta-01 führt. „Wir<br />

waren nicht nur hoch bezahlte Zeitschriftenleser,<br />

son<strong>der</strong>n auch hoch bezahlte Telefonisten.<br />

Häufig haben wir unsere Freunde<br />

<strong>an</strong>gerufen.“ Hinzufügen könnte m<strong>an</strong>, dass<br />

die „Missileers“ sich auch als hoch bezahlte<br />

Künstler versuchten. Vor allem in den<br />

Jahren nach Unterzeichnung des START-<br />

Abkommens verzierten sie die LCC mit ihren<br />

Gemälden. M<strong>an</strong>ches Werk beeindruckt<br />

durch schwarzen Humor. Ein beson<strong>der</strong>s<br />

beredtes Beispiel ist in Delta-01 zu sehen: Es<br />

zeigt die Schachtel eines Pizzadienstes mit<br />

einer Minutem<strong>an</strong> II Rakete. Der Text lautet:<br />

„Weltweite Lieferung in 30 Minuten o<strong>der</strong><br />

weniger – o<strong>der</strong> die nächste Lieferung ist<br />

frei.“<br />

Walter Kreuzer, Jahrg<strong>an</strong>g 1963, seit 1991 Tageszeitungsredakteur<br />

und Autor von Reisereportagen mit<br />

dem Schwerpunkt Nordamerika.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

71


Feldherren<br />

MANN GEGEN MANN: Szene aus <strong>der</strong> Schlacht von<br />

Pavia im Februar 1525, in <strong>der</strong> Frundsberg und die<br />

habsburgischen Truppen einen großen Erfolg gegen die<br />

Fr<strong>an</strong>zosen erringen können. Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

Georg von Frundsberg<br />

„Vater <strong>der</strong><br />

L<strong>an</strong>dsknechte“<br />

72


Am 27. April 1522 stehen sich deutsche<br />

L<strong>an</strong>dsknechte und Schweizer Söldner<br />

in fr<strong>an</strong>zösischen Diensten Aug’ in<br />

Aug’ gegenüber.<br />

Arnold von Winkelried, ein Feldhauptm<strong>an</strong>n<br />

<strong>der</strong> Schweizer, ruft seinem alten Bek<strong>an</strong>nten<br />

und Wi<strong>der</strong>sacher zu: „Du alter Gesell,<br />

find ich dich hier? Du musst von meiner<br />

H<strong>an</strong>d sterben!“ Der so Angesprochene<br />

erwi<strong>der</strong>t: „Das soll dir wi<strong>der</strong>fahren, will’s<br />

Gott!“ Im folgenden Zweikampf, einer Szene<br />

wie aus dem Troj<strong>an</strong>ischen Krieg, „erlegt<br />

er den Winkelried“ vor den Augen <strong>der</strong> aufmarschierten<br />

Heere, <strong>an</strong>geblich erschlägt er<br />

den Feldobristen <strong>der</strong> Schweizer, Albrecht<br />

von Stein, <strong>an</strong>schließend auch noch und 20<br />

weitere im ersten Glied stehende Offiziere<br />

<strong>der</strong> Schweizer. Die nennen den riesenhaften<br />

Kämpfer fort<strong>an</strong> „Leutfresser“.<br />

Die Rede ist von Georg von Frundsberg,<br />

dem „Vater <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte“. Er entstammt<br />

einem alten Tiroler Rittergeschlecht,<br />

das auch in Schwaben begütert ist.<br />

Am 24. Juli 1467 kauften die Brü<strong>der</strong> H<strong>an</strong>s<br />

und Ulrich von Frundsberg die Mindelburg<br />

(bei Mindelheim) von Bero II. von Rechberg.<br />

Hier wird am 24. September 1473 <strong>der</strong><br />

Sohn Ulrichs und seiner Frau Barbara von<br />

Rechberg, Georg, geboren. Er ist eines von<br />

14 Geschwistern. Der Junker beginnt, sich<br />

schon früh für militärische Dinge zu interessieren.<br />

Vater Ulrich, begleitet von seinem<br />

Sohn Georg, komm<strong>an</strong>diert 1492 als Feldhauptm<strong>an</strong>n<br />

ein kleineres Kontingent des<br />

Schwäbischen Bundes im Heer des Reichshauptm<strong>an</strong>nes<br />

Markgraf Friedrich von<br />

Br<strong>an</strong>denburg-Ansbach gegen Herzog Albrecht<br />

von Bayern. Dieser lenkt jedoch ein<br />

und so kommt es nicht zu Kampfh<strong>an</strong>dlungen.<br />

Es folgen sieben Friedensjahre.<br />

Im J<strong>an</strong>uar 1499 bricht zwischen den Eidgenossen<br />

einerseits und den Habsburgern<br />

beziehungsweise dem Schwäbischen Bund<br />

BIOGRAPHIE<br />

Georg von Frundsberg<br />

1473 Geburt in Mindelheim<br />

1492 Teilnahme am Aufmarsch des<br />

Schwäbischen Bundes gegen Herzog<br />

Albrecht von Bayern<br />

1499 Teilnahme am „Schweizerkrieg“<br />

1499 Teilnahme am Expeditionskorps<br />

Maximili<strong>an</strong>s zur Verstärkung des<br />

Mailän<strong>der</strong> Herzogs<br />

1500 Heirat mit Katharina von<br />

Schrofenstein<br />

1504-05 Teilnahme am L<strong>an</strong>dshuter Erbfolgekrieg<br />

als Obrist des Memminger<br />

Kontingents<br />

1504 Schlacht bei Wenzenbach,<br />

Ritterschlag<br />

1505 Teilnahme am Feldzug gegen den<br />

Herzog von Gel<strong>der</strong>n<br />

1511 Schlacht von Bologna,<br />

Sieg über päpstliche und<br />

venezi<strong>an</strong>ische Truppen<br />

1511 Eroberung von Peutelstein<br />

1512 Belagerung <strong>der</strong> Burg Hohenkrähen<br />

1513 Sieg über die Venezi<strong>an</strong>er bei Vicenza<br />

1517 Tod seiner Ehefrau Katharina<br />

1518 Erwerb von Schloss Mindelburg<br />

1519 Heirat mit Gräfin Anna Lodron<br />

1519 Reichexekution gegen Herzog Ulrich<br />

von Württemberg<br />

1521 Reichstag von Worms, Ernennung<br />

zum kaiserlichen Rat<br />

1521 Krieg gegen Fr<strong>an</strong>kreich, Unentschieden<br />

von Valenciennes<br />

1522 Sieg über die Fr<strong>an</strong>zosen bei Bicocca<br />

1522 Erstürmung Genuas<br />

1522 Herausgabe von „Trewer Rath und<br />

Bedencken“ (Autor wahrscheinlich<br />

Frundsberg)<br />

1525 Krieg gegen Fr<strong>an</strong>kreich, Schlacht bei<br />

Pavia<br />

1525 Einsätze im Bauernkrieg in Schwaben,<br />

Salzburg und Tirol<br />

1526 Feldzug in Oberitalien<br />

1527 Vormarsch auf Rom, Schlag<strong>an</strong>fall im<br />

Lager von Bologna<br />

1528 Tod in Mindelheim<br />

Anf<strong>an</strong>g des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts:<br />

Am Ausg<strong>an</strong>g des Mittelalters<br />

entsteht ein neuer Kriegertypus:<br />

<strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknecht. Beson<strong>der</strong>s ein<br />

M<strong>an</strong>n ist untrennbar verbunden<br />

mit den Erfolgen und dem Charakter<br />

<strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte: Georg<br />

von Frundsberg.<br />

Von Hagen Seehase<br />

BERÜHMT: Georg von Frundsberg<br />

als Feldhauptm<strong>an</strong>n <strong>der</strong><br />

L<strong>an</strong>dsknechte in kaiserlichhabsburgischen<br />

Diensten,<br />

zeitgenössische Darstellung<br />

von Christoph Amberger.<br />

Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/picture-alli<strong>an</strong>ce<br />

Clausewitz 1/2013 73


Feldherren<br />

Lehrjahre<br />

Frundsberg spielt in <strong>der</strong> Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />

keine entscheidende Rolle, allerdings<br />

soll diese Feldzugserfahrung für ihn prägend<br />

wirken. Die Schweizer haben die<br />

überragende Schlagkraft ihrer Wehrordnung<br />

und Taktiken erneut unter Beweis gestellt<br />

und sich den (zum Teil nach ihrem<br />

Vorbild geglie<strong>der</strong>ten) Aufgeboten des<br />

Schwäbischen Bundes und <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>österreichischen<br />

Herrschaften überlegen gezeigt.<br />

Dies mag den jungen Frundsberg bewegen,<br />

sich weiter am Vorbild <strong>der</strong> Schweizer<br />

zu orientieren. Es hat im „Schweizerkrieg“<br />

ja auch Beispiele gegeben, in denen<br />

erfahrene Feldhauptleute auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong><br />

Habsburger beachtliche Gefechtserfolge err<strong>an</strong>gen:<br />

Friedrich Kappler konnte am 1. Juni<br />

die Schweizer bei Altkirch besiegen, wenige<br />

Tage später bei Lauf. Die Domin<strong>an</strong>z<br />

<strong>der</strong> l<strong>an</strong>zenstarrenden Inf<strong>an</strong>terieformationen,<br />

wenn sie aus geschulten Kämpfern bestehen,<br />

wird offenbar. Diese Erkenntnis ist<br />

zu den politischen Ver<strong>an</strong>twortungsträgern<br />

durchgedrungen, wie ein Aufruf des<br />

Schwäbischen Bundes vom L<strong>an</strong>dtag zu<br />

Überlingen beweist, „m<strong>an</strong> solle die Bauern<br />

und Ungeübten zu Hause lassen und dafür<br />

Fußknechte schicken.“ In den folgenden<br />

Kriegszügen in Oberitalien bewährt sich<br />

Frundsberg als Feldkomm<strong>an</strong>deur. Der herkulisch<br />

gebaute und charismatische Schwabe,<br />

<strong>der</strong> seine L<strong>an</strong>dsknechte gewöhnlich mit<br />

„Sohn“ o<strong>der</strong> „Bru<strong>der</strong>“ <strong>an</strong>redet, gewinnt<br />

durch seine Führungsqualitäten wie durch<br />

seine Fürsorge für seine L<strong>an</strong>dsknechte den<br />

Respekt seiner Leute. Persönlich fromm,<br />

tapfer und ausgesprochen loyal verkörpert<br />

Frundsberg einen neuen Typus des Feldkomm<strong>an</strong>deurs.<br />

PROTEST: Im Feldlager von Bologna im Frühjahr 1527<br />

for<strong>der</strong>n die L<strong>an</strong>dsknechte von ihrem Anführer mit Waffengewalt<br />

die Auszahlung des Soldes. Der von den Strapazen<br />

<strong>der</strong> vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>genen Kämpfe erschöpfte Frundsberg<br />

erleidet einen Zusammenbruch.<br />

Abb.: ullstein bild<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits ein bewaffneter Konflikt aus,<br />

<strong>an</strong> dem auch Frundsberg teilnimmt. Der<br />

„Schweizerkrieg“ (o<strong>der</strong> „Schwabenkrieg“<br />

aus <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Perspektive) wird mit äußerster<br />

Härte und Grausamkeit geführt<br />

und for<strong>der</strong>t einen beträchtlichen Blutzoll –<br />

beson<strong>der</strong>s unter den Kontingenten des<br />

Schwäbischen Bundes, in denen Georg von<br />

Frundsberg dient.<br />

Die verheerende Nie<strong>der</strong>lage von Dornach<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> Birs am 22. Juli 1499 erzwingt<br />

die Verh<strong>an</strong>dlungsbereitschaft von den Gegnern<br />

<strong>der</strong> Eidgenossen. Der Frieden von Basel<br />

am 22. September 1499 beendet die<br />

Kampfh<strong>an</strong>dlungen und bedeutet das faktische<br />

Ausscheiden <strong>der</strong> Eidgenossenschaft<br />

aus dem Reichsverb<strong>an</strong>d.<br />

Frundsbergs „Husarenstück“<br />

Noch im Jahr 1499 dient Frundsberg in einem<br />

Expeditionskorps, das vom römischdeutschen<br />

König Maximili<strong>an</strong> dem Herzog<br />

von Mail<strong>an</strong>d (Ludovico Sforza) zur Hilfe<br />

im Kampf gegen die Fr<strong>an</strong>zosen geschickt<br />

wird. Allerdings erhält Frundsberg keine<br />

Gelegenheit, sich auf diesem Feldzug auszuzeichnen.<br />

Im Jahre 1500 heiratet er Katharina<br />

von Schrofenstein, mehrere Söhne<br />

aus dieser Ehe – insgesamt sind es sieben<br />

Kin<strong>der</strong> – werden später in die väterlichen<br />

Fußstapfen treten.<br />

Im L<strong>an</strong>dshuter Erbfolgekrieg (1504 bis<br />

1505) geht es um das Erbe des Herzogs Georg<br />

von Bayern-L<strong>an</strong>dshut, das sowohl von<br />

seinem Schwager Albrecht, Herzog von<br />

Bayern-München, als auch von seinem<br />

Schwiegersohn Rupprecht von <strong>der</strong> Pfalz<br />

be<strong>an</strong>sprucht wird. An <strong>der</strong> Seite Rupprechts<br />

kämpfen die Truppen seines Vaters Kurfürst<br />

Philipp von <strong>der</strong> Pfalz. In einem Krieg,<br />

<strong>der</strong> sich eher durch große Belagerungen<br />

(Kufstein, Burg Guttenfels) als durch Feldschlachten<br />

auszeichnet, nimmt Frundsberg<br />

im Aufgebot des Schwäbischen Bundes als<br />

Komm<strong>an</strong>deur des Memminger Kontingents<br />

teil. D<strong>an</strong>eben kämpfen noch verschieden<br />

Reichsfürsten und auch <strong>der</strong> römischdeutsche<br />

König Maximili<strong>an</strong> auf <strong>der</strong> Seite<br />

Albrechts. In <strong>der</strong> Schlacht von Wenzenbach<br />

(auch „Schlacht von Schönberg“ o<strong>der</strong><br />

„Schlacht am Staufferforst“ gen<strong>an</strong>nt) am<br />

74


Frundsbergs „Ritterschlag“<br />

MALERISCH: Die Mindelburg oberhalb <strong>der</strong><br />

schwäbischen Stadt Mindelheim in ihrem<br />

heutigen Zust<strong>an</strong>d. Hier stirbt Georg von<br />

Frundsberg im Jahr 1528.<br />

Foto: ullstein bild - imagebroker.net/Martin Siepm<strong>an</strong>n<br />

12. September 1504 gelingt Frundsberg ein<br />

Husarenstück. In dieser Schlacht stehen<br />

sich die alliierten Reichsfürsten einschließlich<br />

Maximili<strong>an</strong>s mit ihren Truppen den<br />

Böhmen gegenüber. Ein erster Reiter<strong>an</strong>griff<br />

des Markgrafen Kasimir von Br<strong>an</strong>denburg<br />

misslingt völlig.<br />

Weitere Reiter<strong>an</strong>griffe gegen die böhmische<br />

Schlachtlinie, die aus Hellebardieren<br />

und Büchsen- und Armbrustschützen hinter<br />

einem Wall von „Pavesen“ (Setzschilden)<br />

best<strong>an</strong>d, bringen keine <strong>Entscheidung</strong>.<br />

Erst die L<strong>an</strong>dsknechte, 4.000 M<strong>an</strong>n in 31<br />

Fähnlein, bezwingen die böhmische<br />

Schlachtordnung. Frundsberg gelingt die<br />

Eroberung einer Fahne des Gegners. Für<br />

diese Tat wird er zum Ritter geschlagen.<br />

Im Dienste Maximili<strong>an</strong>s<br />

Es folgen weitere Feldzüge, so 1505 gegen<br />

den Herzog von Gel<strong>der</strong>n in den Nie<strong>der</strong>l<strong>an</strong>den,<br />

d<strong>an</strong>n gegen die Republik Venedig in<br />

Oberitalien. Kaiser Maximili<strong>an</strong> lässt bei seiner<br />

Rückkehr aus Italien nach Tirol einige<br />

Truppenverbände unter dem Markgrafen<br />

Albrecht von Br<strong>an</strong>denburg in Verona zurück.<br />

Unter ihnen befindet sich auch Georg<br />

von Frundsberg als Obrist eines L<strong>an</strong>dsknechtsregimentes.<br />

Am 22. Mai 1511 kommt<br />

es zur Schlacht von Bologna, in <strong>der</strong> die<br />

L<strong>an</strong>dsknechte das päpstlich-venezi<strong>an</strong>ische<br />

Heer vollständig schlagen. Der siegreiche<br />

Frundsberg kehrt nach Deutschl<strong>an</strong>d zurück.<br />

Auf dem Rückmarsch erobert er mit<br />

1.800 M<strong>an</strong>n am 13. Oktober 1511 Peutelstein<br />

in den Dolomiten.<br />

Im November 1512 komm<strong>an</strong>diert Georg<br />

von Frundsberg die Truppen des Schwäbischen<br />

Bundes bei <strong>der</strong> Belagerung <strong>der</strong> Burg<br />

Hohenkrähen, die nach drei Tagen heftigen<br />

Beschusses und <strong>der</strong> nächtlichen Flucht des<br />

Burgherren eingenommen wird. Wenig<br />

später ist Frundsberg wie<strong>der</strong> auf dem oberitalienischen<br />

Kriegsschauplatz. Als sich das<br />

kombinierte päpstlich-neapolit<strong>an</strong>isch-sp<strong>an</strong>isch-kaiserliche<br />

Heer unter dem Befehl<br />

des Vizekönigs von Neapel, Ramon de Cardona,<br />

beim Vormarsch auf Venedig von einem<br />

numerisch überlegenen venezi<strong>an</strong>ischen<br />

Entsatzheer unter Alvi<strong>an</strong>o im Rücken<br />

bedroht sieht, ergreift Frundsberg die Initiative<br />

und tritt mit seinen deutschen Kontingenten<br />

dem Feinde entgegen.<br />

Am 7. Oktober 1513 besiegt er mit den<br />

Alliierten die venezi<strong>an</strong>ischen<br />

Truppen bei Vicenza (auch<br />

Schlacht von Creazzo gen<strong>an</strong>nt).<br />

Kaiser Maximili<strong>an</strong><br />

ernennt Frundsberg zum<br />

Obersten Feldhauptm<strong>an</strong>n<br />

von Tirol und übergibt ihm<br />

die Burghut <strong>der</strong> Burg<br />

Runkelstein (einer Residenz<br />

Maximili<strong>an</strong>s).<br />

Dort lebt er mit seiner<br />

Familie, bis er nach dem Tod seines<br />

älteren Bru<strong>der</strong>s Adam 1518 die<br />

Burg in Mindelheim erbt.<br />

Beim Versuch des <strong>der</strong><br />

Reichsacht verfallenen Herzogs<br />

Ulrich von Württemberg<br />

im Jahre 1519, seine Herrschaft<br />

über das Herzogtum zu halten,<br />

komm<strong>an</strong>diert Frundsberg als<br />

„öberster Hauptm<strong>an</strong>n des deutschen<br />

Fußvolks“ zusammen mit<br />

FARBENFROH: L<strong>an</strong>dsknechte zur<br />

Zeit <strong>der</strong> Reformation und des<br />

Bauernkriegs in zeitgenössischer<br />

Uniformierung.<br />

Abb.: Süddeutsche Zeitung Photo/Bl<strong>an</strong>c Kunstverlag<br />

Georg Truchseß von Waldburg als „leytener<br />

general auch über die reytter ym feldt“ unter<br />

dem Oberbefehl von Herzog Wilhelm<br />

von Bayern die Truppen des Schwäbischen<br />

Bundes: insgesamt 30.000 Fußsoldaten und<br />

8.000 Reiter. Da die eidgenössische Tagsatzung<br />

die Schweizer Söldner des Herzogs<br />

Ulrich zurückruft, entwickelt sich <strong>der</strong> Feldzug<br />

zu einer Reihe von Belagerungen. Bei<br />

<strong>der</strong> Belagerung von Hohentübingen wird<br />

Frundsberg das Barett vom Kopf geschossen.<br />

Es gelingt ihm schließlich, durch Verh<strong>an</strong>dlungen<br />

den Komm<strong>an</strong>d<strong>an</strong>ten <strong>der</strong> Festung<br />

zur Kapitulation zu überreden. Eine<br />

<strong>der</strong> stärksten Positionen des Herzogs, die<br />

Clausewitz 1/2013


Feldherren<br />

Festung Hohenasperg, wird durch Truppen<br />

unter Frundsbergs persönlichem Komm<strong>an</strong>do<br />

belagert und muss kapitulieren. Im August<br />

1519 meldet sich Herzog Ulrich aus<br />

<strong>der</strong> Verb<strong>an</strong>nung zurück. Von <strong>der</strong> Festung<br />

Hohentwiel aus unternimmt er den Versuch,<br />

sein Herzogtum zurückzugewinnen.<br />

Wie<strong>der</strong> wird Wilhelm von Bayern zum<br />

Oberkomm<strong>an</strong>dierenden des Schwäbischen<br />

Bundes bestellt, dieses Mal dient Frundsberg,<br />

<strong>der</strong> kein <strong>an</strong><strong>der</strong>es Komm<strong>an</strong>do erhält,<br />

als Adlatus des Herzogs.<br />

Militärische Erfolge<br />

Nach dem Tod Kaiser Maximili<strong>an</strong>s im Jahr<br />

1519 tritt Frundsberg in die Dienste von<br />

dessen Enkel und Nachfolger Karl V. Der<br />

bestätigt ihn auf dem Reichstag zu Worms<br />

1521 als obersten Feldhauptm<strong>an</strong>n von Tirol,<br />

ernennt ihn zu seinem Rat und verleiht ihm<br />

Län<strong>der</strong>eien.<br />

Literaturtipps<br />

Reinhard Baum<strong>an</strong>n: Georg von Frundsberg:<br />

Der Vater <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte und<br />

Feldhauptm<strong>an</strong>n von Tirol, München<br />

1991.<br />

Hugo Oertel: Georg von Frundsberg, „<strong>der</strong><br />

frommen L<strong>an</strong>dsknechte lieber Vater“:<br />

Ein Lebensbild, Wiesbaden 1882.<br />

Erich Richter: Frundsberg: Vater <strong>der</strong><br />

L<strong>an</strong>dsknechte, Feldherr des Reiches,<br />

München 1968.<br />

König Fr<strong>an</strong>z (Fr<strong>an</strong>çois) von Fr<strong>an</strong>kreich, <strong>der</strong><br />

sich ebenfalls um die deutsche Krone bemühte,<br />

fällt 1521 mit Heeresmacht in den<br />

Nie<strong>der</strong>l<strong>an</strong>den ein. Frundsberg mit ihm mit<br />

einem Heer entgegengeschickt. Bei Valenciennes<br />

steht er dem weit überlegenen fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Heer unter <strong>der</strong> persönlichen Führung<br />

des fr<strong>an</strong>zösischen Königs gegenüber.<br />

Als <strong>der</strong> mit dem Angriff zögert, ergreift<br />

Frundsberg die Gelegenheit und trennt seine<br />

Truppe durch einen äußerst geschickten<br />

Rückzug vom Feind.<br />

Im Februar 1522 zieht Frundsberg mit<br />

zwölf Fähnlein L<strong>an</strong>dsknechten über die Alpen<br />

in die Lombardei, vereinigt in Mail<strong>an</strong>d<br />

seine Truppen mit dort stehenden sp<strong>an</strong>ischen<br />

Verbänden. Frundsberg und <strong>der</strong> sp<strong>an</strong>ische<br />

Befehlshaber Pescara wählen eine<br />

topographisch sehr günstige Position beim<br />

Jagdschloss La Bicocca. Die Front ihrer<br />

Fähnlein beziehungsweise Tercios wird<br />

durch sp<strong>an</strong>ische „Arcabuseros“ (Schützen)<br />

gedeckt. Auf <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Seite hat <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösische<br />

Befehlshaber Lautrec Mühe, seine<br />

Schweizer Söldner im Zaum zu halten, <strong>der</strong>en<br />

Sold im Rückst<strong>an</strong>d ist.<br />

Am 27. April 1522 stoßen beide Heere<br />

aufein<strong>an</strong><strong>der</strong>. Mit dem Ruf „Geld o<strong>der</strong><br />

Schlacht“ rücken die Schweizer gegen<br />

Frundsbergs L<strong>an</strong>dsknechte vor, geraten<br />

aber bei <strong>der</strong> Durchquerung eines Hohlwegs<br />

in mör<strong>der</strong>isches Feuer. Den Hohlweg überwunden,<br />

sehen sie sich den gesenkten Piken<br />

<strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte gegenüber, es kommt zu<br />

dem eing<strong>an</strong>gs beschriebenen Zweikampf.<br />

Die Schweizer verlieren rund 5.000 M<strong>an</strong>n.<br />

Nach <strong>der</strong> Schlacht kapitulieren verschiedene<br />

oberitalienische Städte, <strong>an</strong><strong>der</strong>e wie Lodi<br />

und Genua werden gestürmt. Die Beute in<br />

Genua ist unermesslich. Frundsberg übergibt<br />

das Komm<strong>an</strong>do <strong>an</strong> seinen Stellvertreter<br />

(„Locotenent“) Rudolph Häll und seinen<br />

Sohn Kaspar (er wird „Oberster über das<br />

deutsche Fußvolk“). D<strong>an</strong>n kehrt er nach<br />

Mindelheim zurück.<br />

Schlacht von Pavia<br />

Die Kämpfe in Italien erleben eine Neuauflage,<br />

als König Fr<strong>an</strong>z im Frühjahr 1525 zur<br />

Unterstützung des mit ihm verbündeten<br />

Papstes mit 26.000 M<strong>an</strong>n nach Italien zieht.<br />

Die von Habsburger Kräften mit 6.000 M<strong>an</strong>n<br />

gehaltene Stadt Pavia wird von den Fr<strong>an</strong>zosen<br />

belagert. Um <strong>der</strong>en Fall zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

entsendet Karl V. ein 23.000 M<strong>an</strong>n starkes<br />

Heer, Deutsche und Sp<strong>an</strong>ier, unter Pescara<br />

und Frundsberg, nach Pavia. In den Reihen<br />

<strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Armee kämpfen viele<br />

Schweizer Söldner und auch die berüchtigte<br />

„Schwarze B<strong>an</strong>de“, 5.000 deutsche L<strong>an</strong>dsknechte.<br />

Sie wurden in Zeiten besserer Beziehungen<br />

zwischen den regierenden Königshäusern<br />

<strong>an</strong>geworben. Nun, da Krieg<br />

zwischen dem Reich und Fr<strong>an</strong>kreich tobt,<br />

sind sie <strong>der</strong> Reichsacht verfallen. Ihr Anführer<br />

bei Pavia ist <strong>der</strong> Augsburger Georg L<strong>an</strong>genm<strong>an</strong>tel.<br />

Sie kämpfen im Heeresflügel<br />

von Richard de la Pole, einem englischen-<br />

76


Frundsbergs Triumph<br />

„Unter deutschen Helden verdiente Georg von<br />

Frundsberg-Mindelheim, welcher zu dem Sieg<br />

von Pavia und Fr<strong>an</strong>z I. Gef<strong>an</strong>gennehmung vorzüglich<br />

beitrug, ein M<strong>an</strong>n von echter deutscher Kriegskunst,<br />

bie<strong>der</strong>m Sinne und einem echten Schwung des<br />

Charakters eine vorzügliche Stelle.“<br />

Joh<strong>an</strong>nes von Müller in einem Brief <strong>an</strong> den<br />

bayrischen Kronprinzen Ludwig im Jahre 1808.<br />

IMPOSANT: Zeitgenössische Darstellung<br />

<strong>der</strong> Schlacht von Pavia auf einem aufwendig<br />

gearbeiteten Bildteppich aus<br />

dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images/Erich Lessing<br />

Kronprätendenten aus dem Haus York. Die<br />

Legionäre <strong>der</strong> „Schwarzen B<strong>an</strong>de“ haben<br />

Bek<strong>an</strong>nte o<strong>der</strong> sogar Verw<strong>an</strong>dte in den Reihen<br />

<strong>der</strong> kaiserlichen L<strong>an</strong>dsknechte. Pardon<br />

wird nicht gegeben: Die L<strong>an</strong>dsknechte unter<br />

Frundsbergs Komm<strong>an</strong>do sind entschlossen,<br />

ihre Wi<strong>der</strong>sacher zu vernichten.<br />

Der Oberbefehlshaber des kaiserlichen<br />

Heeres Marchese Pescara ist gezwungen, eine<br />

Schlacht auch unter ungünstigen Bedingungen<br />

<strong>an</strong>zunehmen. Die Fr<strong>an</strong>zosen<br />

sind gut versch<strong>an</strong>zt, aber Pescara<br />

k<strong>an</strong>n seine Armee we<strong>der</strong> l<strong>an</strong>ge<br />

versorgen noch bezahlen. Er<br />

beginnt ein risk<strong>an</strong>tes M<strong>an</strong>över.<br />

In <strong>der</strong> stürmischen Nacht<br />

vom 23. zum 24. Februar<br />

durchbrechen seine Mineure<br />

(„Vastadores“) die<br />

Mauer des Parks von Certosa<br />

und das Jagdschloss<br />

von Mirabello k<strong>an</strong>n durch<br />

die Vorhut seines Heeres<br />

genommen werden.<br />

Damit stehen die Kaiserlichen<br />

überraschend<br />

im Norden <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösi-<br />

GEFEIERT: „Georg von<br />

Frundsberg“ als Reiter<br />

beim „Frundsbergfest“ in<br />

Mindelheim (Schwaben)<br />

im Sommer 2012.<br />

Foto: picture-alli<strong>an</strong>ce/dpa<br />

schen Versch<strong>an</strong>zungen. Die Fr<strong>an</strong>zosen nehmen<br />

die Schlacht außerhalb ihrer Versch<strong>an</strong>zungen<br />

<strong>an</strong>. Zunächst entwickelt sich das<br />

Schlachtgeschehen günstig für König Fr<strong>an</strong>z.<br />

Seine Artillerie, immerhin 55 Geschütze,<br />

k<strong>an</strong>n die Nachhut des kaiserlichen Heeres<br />

zersprengen, seine schwerer Reiterei (<strong>der</strong><br />

König mittendrin) schlägt die <strong>der</strong> Kaiserlichen.<br />

Dabei nehmen aber die fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Reiter ihrer Artillerie das Schussfeld, Pescara<br />

erkennt die Ch<strong>an</strong>ce. Er beor<strong>der</strong>t seine Arkebusiere<br />

– hauptsächlich Basken – nach<br />

vorne, gedeckt hinter den Bäumen des<br />

Parks beschießen sie die fr<strong>an</strong>zösischen Reiter.<br />

Jetzt gelingt <strong>der</strong> kaiserlichen Kavallerie<br />

ein Gegen<strong>an</strong>griff. D<strong>an</strong>ach kommt es zum<br />

Aufein<strong>an</strong><strong>der</strong>treffen die Fußtruppen. Die<br />

„Schwarze B<strong>an</strong>de“ gewinnt l<strong>an</strong>gsam die<br />

Überh<strong>an</strong>d über die sp<strong>an</strong>ischen Tercios.<br />

Frundsberg lässt vom <strong>an</strong><strong>der</strong>en Heeresflügel<br />

seine L<strong>an</strong>dsknechte eilig herbeimarschieren,<br />

fast 12.000 M<strong>an</strong>n.<br />

Bevor die 50 Glie<strong>der</strong> tiefen Gewalthaufen<br />

aufein<strong>an</strong><strong>der</strong>stoßen, for<strong>der</strong>t L<strong>an</strong>genm<strong>an</strong>tel<br />

Frundsberg und Herrn Marx<br />

Sittich von Embs zum Zweikampf<br />

heraus. Wütendes Arkebusenfeuer<br />

<strong>der</strong> deutschen L<strong>an</strong>dsknechte streckt<br />

den Verwegenen nie<strong>der</strong>. Im folgenden<br />

Nahkampf gelingt es Frundsberg,<br />

die „Schwarze B<strong>an</strong>de“ mit<br />

mehreren Fähnlein in die Z<strong>an</strong>ge<br />

zu nehmen, es gibt kaum ein<br />

Entkommen. Die Schweizer,<br />

8.000 M<strong>an</strong>n, die von<br />

entgegengesetzten Ende<br />

des fr<strong>an</strong>zösischen Lagers<br />

im Süden Pavias her<strong>an</strong>marschieren,<br />

können das<br />

Blatt nicht mehr wenden. Die<br />

Nachhut <strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>zosen unter<br />

dem Duc d’Alençon<br />

wendet sich zum eiligen<br />

Rückzug.<br />

Die Schlacht geht<br />

verloren, die fr<strong>an</strong>zösische<br />

Seite verliert fast<br />

20.000 M<strong>an</strong>n allein <strong>an</strong><br />

Gef<strong>an</strong>genen, darunter befindet sich auch<br />

<strong>der</strong> König, <strong>der</strong> sich mehrfach verwundet<br />

m<strong>an</strong>nhaft wehrte. Sein Prunkschwert erhält<br />

Frundsberg.<br />

Letzte Jahre<br />

Schon kurz nach <strong>der</strong> Schlacht von Pavia erhält<br />

Frundsberg von Erzherzog Ferdin<strong>an</strong>d<br />

von Österreich die Auffor<strong>der</strong>ung, zur Nie<strong>der</strong>schlagung<br />

des Bauernaufst<strong>an</strong>des nach<br />

Schwaben zurückzukehren. Tatsächlich näherte<br />

sich ein Bauernhaufen drohend Mindelheim,<br />

die frundsbergsche Burg ist aber<br />

ausreichend bem<strong>an</strong>nt. Seine Frau Anna org<strong>an</strong>isiert<br />

energisch die Verteidigung. Es<br />

kommt hier zu keinen Kampfh<strong>an</strong>dlungen.<br />

Mit Pavia ist die Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />

zwischen Fr<strong>an</strong>kreich und dem Habsburgerreich<br />

in Italien aber nicht beendet. Der fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Krone gelingt es, ein Bündnis mit<br />

<strong>der</strong> Kurie, dem Herzog von Mail<strong>an</strong>d, <strong>der</strong><br />

Republik Venedig und einigen kleineren<br />

norditalienischen Fürstentümern zu<br />

schmieden. L<strong>an</strong>dsknechte ziehen unter<br />

Frundsberg erneut nach Italien, um hier die<br />

sp<strong>an</strong>ischen Truppen aufzunehmen und<br />

d<strong>an</strong>n Richtung Süden nach Rom zu ziehen.<br />

Karl V. k<strong>an</strong>n das Heer nicht bezahlen, die<br />

Wut <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dsknechte entlädt sich in <strong>der</strong><br />

berüchtigten „Sacco di Roma“. Frundsberg<br />

hat dar<strong>an</strong> keinen Anteil.<br />

Vorher richteten meuternde L<strong>an</strong>dsknechte<br />

die Waffen gegen Frundsberg,<br />

obwohl <strong>der</strong> sogar sein eigenes Vermögen<br />

eingesetzt hatte, um seine Männer zu bezahlen.<br />

Seine Güter in Mindelheim und Tirol<br />

sind hochverschuldet. Der Vater <strong>der</strong><br />

L<strong>an</strong>dsknechte erleidet am 16. März 1527 im<br />

Lager von Bologna einen Schlag<strong>an</strong>fall, m<strong>an</strong><br />

muss ihn heimbringen. Frundsberg stirbt<br />

am 20. August 1528 in Mindelheim.<br />

Hagen Seehase, Jg. 1965, Studium <strong>der</strong> Germ<strong>an</strong>istik<br />

und Geschichte, Buchveröffentlichungen beson<strong>der</strong>s zur<br />

britischen Geschichte, darunter eine fünfbändige<br />

schottische Geschichte, Fachartikel in diversen Fachzeitschriften<br />

mit Schwerpunkt Militärgeschichte.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

77


Museum<br />

JAGDFLUGZEUG DES KALTEN KRIE-<br />

GES: Diese Gloster Javelin F(AW) 9<br />

XH767 war zwischen 1962 und 1965<br />

in Deutschl<strong>an</strong>d stationiert.<br />

Das Yorkshire Air Museum<br />

Gig<strong>an</strong>tische Sammlung<br />

auf historischem Boden<br />

Im englischen Elvington befindet sich das größte unabhängige<br />

Luftfahrtmuseum Großbrit<strong>an</strong>niens. Auf dem<br />

Flugfeld und in den geräumigen H<strong>an</strong>gars wird Luftfahrtgeschichte<br />

von den Gebrü<strong>der</strong>n Wright bis in die Gegenwart<br />

gezeigt.<br />

Von Fre<strong>der</strong>ick Feulner<br />

m<strong>an</strong>d sind heute Teil <strong>der</strong> nahen University<br />

of York.<br />

1953 sollte Elvington erneut Stützpunkt<br />

schwerer, mit Atomwaffen bestückter B-36<br />

Bomber werden, diesesmal <strong>der</strong> 3 rd US Air<br />

Force und <strong>der</strong> 7 th Air Division Strategic Air<br />

Comm<strong>an</strong>d, jedoch wurde nach einem erneuten<br />

Umbau und einer Verlängerung <strong>der</strong><br />

Betonpiste auf 3.094 Meter 1958 <strong>der</strong> Flugplatz<br />

nicht weiter aktiv genutzt. Er blieb<br />

BEEINDRUCKENDER BOMBER: Diese H<strong>an</strong>dley<br />

Page Halifax III wurde aus Einzelteilen<br />

komplett neu aufgebaut.<br />

Bereits beim Überfliegen <strong>der</strong> nordenglischen<br />

Grafschaft Yorkshire zeichnen<br />

sich zwischen Fel<strong>der</strong>n drei Dutzend<br />

verstreute Flugplätze ab. Zum Teil sind diese<br />

Anlagen noch gut sichtbar o<strong>der</strong> in Benutzung.<br />

Einige Bereiche wurden aber <strong>der</strong><br />

l<strong>an</strong>dwirtschaftlichen Nutzung wie<strong>der</strong> zugeführt.<br />

Diese Plätze wurden größtenteils<br />

im Zweiten Weltkrieg errichtet, um den<br />

zahlreichen alliierten Flugzeugen eine Basis<br />

zu geben. Einer von ihnen ist <strong>der</strong> vier Kilometer<br />

östlich von York gelegene Flugplatz<br />

Elvington, <strong>der</strong> <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> deutschen Bedrohung<br />

ab 1939/40 als Grasl<strong>an</strong>depiste aus<br />

dem Boden gestampft wurde. 1942 wurde<br />

das Flugfeld komplett umgebaut und mit<br />

einer festen Piste ausgestattet, um auch<br />

schwere Bomber aufzunehmen. Das Flugfeld<br />

wurde als Depend<strong>an</strong>ce des 4 th Group<br />

Bomber Comm<strong>an</strong>d im zehn Kilometer östlich<br />

gelegenen Pocklington eingerichtet. Elvington<br />

war einzige Basis <strong>der</strong> Freien Fr<strong>an</strong>zösischen<br />

Luftwaffe auf englischem Boden.<br />

Die Gebäude des Northern Bomber Comaber<br />

bis in die 1990er-Jahre ein Ausweichl<strong>an</strong>deplatz<br />

für die RAF-Stützpunkte<br />

Church Fenton und Linton-on-Ouse. Zudem<br />

war Elvington als Notl<strong>an</strong>deplatz für<br />

die Space Shuttles vorgesehen.<br />

Seit Mitte <strong>der</strong> 1980er ist auf dem Gelände<br />

das Yorkshire Air Museum beheimatet,<br />

dass die H<strong>an</strong>gars, Gebäude und Außenflächen<br />

für Ausstellungen nutzt. Der Control<br />

Tower und die Baracken wurden detailgetreu<br />

in den Zust<strong>an</strong>d <strong>der</strong> 1940er-Jahre zurückversetzt.<br />

Die eigentliche Ausstellung ist in einem<br />

großen H<strong>an</strong>gar untergebracht, <strong>der</strong> in Zukunft<br />

um einen Neubau erweitert werden<br />

soll. Hier finden sich Nachbauten und Originalflugzeuge;<br />

<strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen beim historischen<br />

Wright Flyer von 1903 und Flugzeugmodellen<br />

aus dem Ersten Weltkrieg bzw.<br />

<strong>der</strong> Zeit d<strong>an</strong>ach. Dazu zählen Doppeldecker<br />

wie die Avro 504k, Royal Aircraft<br />

Factory BE2c und SE5a o<strong>der</strong> die De Havill<strong>an</strong>d<br />

Gypsy Moth. Auch ungewöhnliche<br />

Modelle wie die Repliken des Cayley Gli-<br />

KONTAKT<br />

Yorkshire Air Museum<br />

Elvington, York, YO41 4AU<br />

Mehr Informationen zu Anfahrt, Öffnungszeiten,<br />

Eintrittspreisen etc. unter:<br />

http://www.yorkshireairmuseum.org/<br />

Fotos: Autor<br />

78


EINSATZ AUF DEM MEER: Das Modell WH991<br />

(Westl<strong>an</strong>d Sikorsky Dragonfly HR5) diente auf verschiedenen<br />

Flugzeugträgern.<br />

UMFASSEND: Der Nachbau des berühmten „Flyers“ <strong>der</strong> Gebrü<strong>der</strong> Wright dokumentiert<br />

die historische Tiefe <strong>der</strong> Ausstellung.<br />

VIELFÄLTIG: Diese Beagle (Auster) Terrier 2 wurde<br />

ursprünglich als Beobachtungsflugzeug gebaut, beendete<br />

ihren Dienst aber als ziviles Schleppflugzeug.<br />

<strong>der</strong>s o<strong>der</strong> eines Mignet HM.14 Flugzeugbausatzes<br />

sind zu sehen.<br />

Der Zweite Weltkrieg und die Luftschlacht<br />

um Engl<strong>an</strong>d nehmen auch bei den<br />

ausgestellten Flugzeugen einen großen<br />

Stellenwert ein. Nachdem m<strong>an</strong> bereits am<br />

Haupteing<strong>an</strong>g durch das 1:1-Modell einer<br />

Supermarine Spitfire I begrüßt wurde, vermitteln<br />

eine Douglas DC-3 Dakota in den<br />

Farben <strong>der</strong> Royal Air Force und eine Hawker<br />

Hurric<strong>an</strong>e, geparkt in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong><br />

zeitgenössischen Flugfeldgebäude, ein interess<strong>an</strong>tes<br />

Ambiente. Bei einem L<strong>an</strong>dungsgleiter<br />

WACO Hadri<strong>an</strong> CG-4A wurde <strong>der</strong><br />

Stahlrahmen <strong>an</strong>stelle <strong>der</strong> Stoff- und Holzverkleidung<br />

mit Plexiglas versehen, um das<br />

PREMIERE: Die Gloster Meteor F8<br />

war das erste britische Düsenflugzeug,<br />

das zur Einsatzreife gel<strong>an</strong>gte.<br />

Innenleben zu zeigen. Die vielseitige De<br />

Havill<strong>an</strong>d Mosquito DH98 NFII steht in unmittelbarer<br />

Nähe zur Replik <strong>der</strong> Messerschmidt<br />

Bf109G, gestaltet in den Farben des<br />

Jagdfliegers Herm<strong>an</strong>n Graf, <strong>der</strong> als erster<br />

Pilot 200 Luftsiege erringen konnte und bis<br />

heute zu den Top-Fliegerassen zählt.<br />

Das zentrale Schmuckstück ist zweifelsohne<br />

<strong>der</strong> gewaltige Bomber des Typs H<strong>an</strong>dley<br />

Page Halifax III in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Ausstellungshalle.<br />

Das ausgestellte Flugzeug basiert<br />

auf dem Rumpf einer Halifax II, die<br />

1945 eine Notl<strong>an</strong>dung machen musste und<br />

l<strong>an</strong>ge Zeit als Hühnerstall diente. Rekonstruiert<br />

mit Tragflächen einer <strong>an</strong><strong>der</strong>en Maschine,<br />

wurde <strong>der</strong> Bomber „Friday the 13 th “<br />

gen<strong>an</strong>nt – zu Ehren <strong>der</strong> Halifax LV907, die<br />

128 Einsätze überst<strong>an</strong>d. Das Yorkshire Air<br />

Museum bietet auch Extraführungen zu<br />

diesem Exponat <strong>an</strong>. Cut-away-Modelle von<br />

Bombercockpits im Maßstab 1:1 bezeugen<br />

die funktionale Enge militärischer Luftfahrzeuge.<br />

Die Air Gunner Collection ist den<br />

20.000 Bordschützen gewidmet, die ihr Leben<br />

im Zweiten Weltkrieg ließen. Sie umfasst<br />

eine Vielzahl <strong>an</strong> Waffen und die zugehörigen<br />

Drehtürme und dokumentiert die<br />

Techniken, die bei <strong>der</strong> Abwehr feindlicher<br />

Jagdmaschinen genutzt wurden.<br />

Auch die mo<strong>der</strong>ne Militärluftfahrt<br />

kommt nicht zu kurz. Auf den Außenflächen<br />

befinden sich zahlreiche Flugzeugmodelle<br />

aus dem Zeitraum zwischen Kaltem<br />

Krieg und Golfkrieg. Dazu gehören eine im<br />

Desert-Storm-Tarn lackierte Blackburn Bucc<strong>an</strong>eer<br />

S2 „Glen Elgin“, die zuletzt gegen<br />

den Irak 1991 für Tornados Ziele mit ihrem<br />

Laser markierte. Auch zwei Tornados GR1<br />

und GR4 sind Teil <strong>der</strong> Ausstellung. Zudem<br />

sind neben den Klassikern britischen Designs<br />

wie <strong>der</strong> English Electric C<strong>an</strong>berra T4,<br />

<strong>der</strong> Lightning F6, <strong>der</strong> De Havill<strong>an</strong>d Vampire<br />

DH115 T11 und diversen Mustern <strong>der</strong><br />

Gloster Meteor und <strong>der</strong> Hawker Hunter<br />

auch eine Mirage IIIF zu sehen. Bek<strong>an</strong>nte<br />

kleine Flugzeuge wie die Harrier GR3 stehen<br />

neben großen Maschinen wie <strong>der</strong><br />

H<strong>an</strong>dley Page Victor K2 o<strong>der</strong> einem <strong>der</strong><br />

neusten Zugänge, dem Hawker Siddeley<br />

Nimrod MR2 L<strong>an</strong>gstreckenseeaufklärer.<br />

Ein Gyrokopterbausatz <strong>der</strong> Firma Air<br />

Comm<strong>an</strong>d Sports Elite erinnert <strong>an</strong> James<br />

Bonds „Little Nellie“ aus dem Film „M<strong>an</strong><br />

lebt nur zweimal“ von 1967.<br />

PASSENDE BEGRÜßUNG: Dieses 1:1-Modell einer Hawker Hurric<strong>an</strong>e I „wacht“ am Eing<strong>an</strong>gstor.<br />

Dr. Fre<strong>der</strong>ick Feulner ist Marie Curie Research Fellow<br />

<strong>an</strong> <strong>der</strong> University of York, Engl<strong>an</strong>d.<br />

Clausewitz 1/2013<br />

79


Ein Bild erzählt Geschichte<br />

Triumph über Napoleon<br />

Die Preußen<br />

überqueren<br />

den Rhein<br />

Oktober 1813: Nach seiner desaströsen Nie<strong>der</strong>lage<br />

in <strong>der</strong> Völkerschlacht bei Leipzig muss<br />

Napoleon fliehen. Das Kernl<strong>an</strong>d seines Kaiserreichs<br />

wird jetzt von den nachrückenden<br />

Alliierten bedroht… Von Maximili<strong>an</strong> Bunk<br />

Beson<strong>der</strong>s Blücher – eine Galionsfigur<br />

des preußischen Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>des – ist<br />

Napoleon dicht auf den Fersen. Am<br />

Silvestertag 1813 schlägt er sein Hauptquartier<br />

in einem Hotel <strong>der</strong> Stadt Kaub auf, dem<br />

Zentrum des Aufmarschgebiets seiner aus<br />

Russen und Preußen bestehenden Armee.<br />

Im Raum zwischen Neuwied im Norden<br />

und M<strong>an</strong>nheim im Süden sammelt sich sein<br />

Heer für die Invasion Fr<strong>an</strong>kreichs. In <strong>der</strong><br />

ersten J<strong>an</strong>uarwoche 1814 ist es d<strong>an</strong>n soweit:<br />

Blüchers circa 50.000 M<strong>an</strong>n starke Streitmacht<br />

überquert bei Kaub den Rhein und<br />

dringt in Fr<strong>an</strong>kreich ein.<br />

Wilhelm Camphausen (1818-1885) verfertigt<br />

das Ölgemälde mit dem Titel „Blüchers<br />

Rheinüberg<strong>an</strong>g bei Kaub“ ein gutes halbes<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t nach dem historischen Ereignis.<br />

Der Künstler diente selbst eine Zeitl<strong>an</strong>g<br />

bei <strong>der</strong> Kavallerie und behielt sich von da<br />

<strong>an</strong> eine Vorliebe für militärische Sujets. So<br />

stammen von ihm Bil<strong>der</strong> wie „Begrüßung<br />

Blüchers und Wellingtons nach <strong>der</strong><br />

Schlacht bei Belle-Alli<strong>an</strong>ce“ (1862) o<strong>der</strong><br />

„Erstürmung <strong>der</strong> Düppeler Sch<strong>an</strong>ze“<br />

HISTORIENMALER AUS<br />

DÜSSELDORF: Der <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Akademie ausgebildete<br />

Camphausen ist bek<strong>an</strong>nt<br />

für seine Schlachtengemälde<br />

und Bil<strong>der</strong> zur englischen<br />

Geschichte. Er fertigte<br />

aber auch erfolgreich<br />

Porträts großer Staatsmänner<br />

<strong>an</strong> und zeichnete<br />

Karikaturen.<br />

Abb.: picture alli<strong>an</strong>ce/prismaarchivo<br />

(1867). Im Krieg von 1870/71 ist er offizieller<br />

Armeemaler und bringt in dessen Folge<br />

eine g<strong>an</strong>ze Reihe patriotischer Schlachtendarstellungen<br />

hervor – beson<strong>der</strong>s oft stehen<br />

dabei Feldherren im Zentrum seiner Kunst.<br />

Der alte Blücher bildet damit ein fast perfektes<br />

Thema, vereinigt er doch in seiner<br />

Person preußisch-deutschen Patriotismus,<br />

Volkstümlichkeit und natürlich militärischen<br />

Schneid. Auch <strong>der</strong> historische Moment<br />

ist mit Bedacht gewählt: Nie<strong>der</strong>lage<br />

Fr<strong>an</strong>kreichs und Rheinrom<strong>an</strong>tik gehen<br />

hier H<strong>an</strong>d in H<strong>an</strong>d. Im Zentrum des Gemäldes<br />

sitzt <strong>der</strong> Feldmarschall hoch zu<br />

Ross und blickt auf seine vorüberziehende<br />

Armee. Schnee und leichter Nebel hüllen<br />

die Szenerie in eine feierliche und fast<br />

80


MAGISCHER MOMENT:<br />

Vor rom<strong>an</strong>tischer Winterkulisse<br />

strömt Blüchers<br />

Heer über den Rhein nach<br />

Fr<strong>an</strong>kreich. Abb.: picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images<br />

märchenhafte Kulisse, die Grausamkeiten<br />

des Krieges sind noch weit entfernt. Die<br />

Soldaten machen einen zufriedenen und<br />

heiteren Eindruck und marschieren unter<br />

den Jubelrufen <strong>der</strong> Bevölkerung ins Feindesl<strong>an</strong>d<br />

– m<strong>an</strong> winkt und prostet sich zu.<br />

Zuversicht und Aufbruchsstimmung charakterisieren<br />

den Zug <strong>der</strong> Soldaten über<br />

den winterlichen Strom. Im Bildhinter-<br />

grund ist Burg Pfalzgrafenstein zu sehen,<br />

zu <strong>der</strong> russische Pioniere eine Pontonbrücke<br />

errichtet haben. Noch während <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />

Brücke gearbeitet wurde, setzte Inf<strong>an</strong>terie<br />

mit Kähnen auf das linke Rheinufer über,<br />

um dort einen Brückenkopf gegen eine etwaige<br />

fr<strong>an</strong>zösische Abwehr zu errichten.<br />

Camphausen hat die in Wirklichkeit chronologisch<br />

hinterein<strong>an</strong><strong>der</strong> ablaufenden Ereignisse<br />

in seiner Komposition zu einem<br />

einzigen Moment verschmolzen. Sein Gemälde<br />

wirkt durch die vielen Details und<br />

die realistische Ausführung unglaublich<br />

lebendig.<br />

Nach dem Übersetzen seiner Armee k<strong>an</strong>n<br />

Blücher Napoleon am 1. Februar bei La Rothière<br />

schlagen.<br />

Clausewitz 1/2013 81


<strong>Vorschau</strong><br />

Nr. 11 | 1/2013 | J<strong>an</strong>uar-Februar | 3.Jahrg<strong>an</strong>g<br />

Kursk 1943<br />

„Zitadelle“ – Hitlers letzte Großoffensive im Osten<br />

5. Juli 1943: Die Großoffensive beginnt. Unweit <strong>der</strong> Ortschaft<br />

Prochorowka stehen sich wenig später deutsche und<br />

sowjetische Kampfp<strong>an</strong>zer in <strong>der</strong> größten P<strong>an</strong>zerschlacht <strong>der</strong><br />

Geschichte gegenüber. Die Verluste <strong>der</strong> Roten Armee sind<br />

erheblich, doch ihre Soldaten wehren sich verbissen...<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Redaktions<strong>an</strong>schrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Inf<strong>an</strong>teriestr. 11a, 80797 München<br />

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Redaktion Dr. Tammo Luther (Ver<strong>an</strong>tw. Redakteur),<br />

Maximili<strong>an</strong> Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Markus Wun<strong>der</strong>lich (Redaktionsleiter)<br />

Berater <strong>der</strong> Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständige Mitarbeiter Dr. Joachim Schrö<strong>der</strong>,<br />

Dr. Bruno Thoß<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

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Schlacht auf dem<br />

Lechfeld 955<br />

Das Ende <strong>der</strong><br />

Ungarneinfälle<br />

955 n. Chr.: Dieser<br />

triumphale Sieg König<br />

Ottos I. über die Ungarn<br />

bei Augsburg beendet<br />

endgültig die g<strong>an</strong>ze<br />

L<strong>an</strong>dstriche verheerenden<br />

Raubzüge <strong>der</strong> heidnischen<br />

Reiter im<br />

Reich.<br />

Gesamt<strong>an</strong>zeigenleitung<br />

Helmut Kramer<br />

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Litho ludwigmedia, Zell am See (Österreich)<br />

Druck Stürtz GmbH, Würzburg<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Inf<strong>an</strong>teriestraße 11a,<br />

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Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />

Herstellungsleitung Zeitschriften S<strong>an</strong>dra Kho<br />

Vertriebsleitung Zeitschriften Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchh<strong>an</strong>del,<br />

Zeitschriftenh<strong>an</strong>del: MZV Mo<strong>der</strong>ner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

Fotos: ullstein bild - ullstein bild; picture-alli<strong>an</strong>ce/akg-images; Kaludow<br />

P<strong>an</strong>zerwerfer 42<br />

Raketenwerfer auf Ketten<br />

1942/43: Mit dem Mehrfachraketenwerfer<br />

verfügt die Wehrmacht über eine Artilleriewaffe,<br />

die trotz zahlreicher Mängel vom Gegner<br />

gefürchtet wird. Die Waffen-SS rüstet ihre<br />

Einheiten mit einer umgebauten Version<br />

des mobilen Raketenwerfers aus...<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Korea-Krieg 1950-1953. Der verlustreiche „Stellvertreterkrieg“.<br />

Generalfeldmarschall Erich von M<strong>an</strong>stein. Der Urheber des „Sichelschnitts“.<br />

Und viele <strong>an</strong><strong>der</strong>e Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? D<strong>an</strong>n empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr ver<strong>an</strong>twortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

von<br />

erscheint<br />

am 4. Februar 2013<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelvers<strong>an</strong>d jeweils zzgl. Vers<strong>an</strong>dkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausl<strong>an</strong>d zzgl. Vers<strong>an</strong>dkosten<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschl<strong>an</strong>d,<br />

in Österreich, in <strong>der</strong> Schweiz und in Luxemburg im<br />

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sowie direkt beim Verlag.<br />

ISSN 2193-1445<br />

© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />

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Gerichtsst<strong>an</strong>d ist München. Ver<strong>an</strong>twortlich<br />

für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; ver<strong>an</strong>twortlich<br />

für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />

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82


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