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CLAUSEWITZ 1940: Hitlers „€žverschenkter Sieg“ Dünkirchen (Vorschau)

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5/2013 September | Oktober €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Leichte<br />

105-mm-<br />

Haubitze<br />

der US-<br />

Army<br />

Militärtechnik<br />

im<br />

Detail<br />

<strong>1940</strong>: <strong>Hitlers</strong> „verschenkter <strong>Sieg“</strong><br />

<strong>Dünkirchen</strong><br />

Sechstagekrieg<br />

1967: Israel kämpft<br />

um seine Existenz<br />

George S. Patton<br />

Genial, erfolgreich,<br />

umstritten<br />

Die Adelsburg<br />

als Wehrbau<br />

Verteidigungsanlagen<br />

des Mittelalters<br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

Transportmaschinen von<br />

Bundeswehr und NVA<br />

Transall C-160<br />

Antonow An-26


Aus Liebe<br />

zum Detail<br />

Das neue<br />

Heft ist da.<br />

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Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

mit der französischen Hafenstadt<br />

<strong>Dünkirchen</strong> (Dunkerque) verbinden vor<br />

allem viele Briten das „Wunder“ des<br />

Jahres <strong>1940</strong> – die nicht für möglich<br />

gehaltene Evakuierung des militärisch<br />

geschlagenen Britischen Expeditionskorps<br />

aus Frankreich. In diesem Zusammenhang<br />

wird noch heute besonders<br />

eine Frage kontrovers diskutiert:<br />

Warum bekräftigte Hitler während des<br />

Vormarsches in Nordfrankreich den<br />

Befehl des Heeresgruppenchefs von<br />

Rundstedt, die nach <strong>Dünkirchen</strong> vorstoßenden<br />

Panzerverbände<br />

zu stoppen?<br />

Mehr als<br />

350.0000 alliierte<br />

Soldaten<br />

wären den Verbänden<br />

der<br />

Wehrmacht im<br />

Falle des weiteren<br />

Vordringens<br />

der Deutschen beinahe schutzlos<br />

ausgeliefert gewesen.<br />

Über den folgenreichen „Halt-Befehl“<br />

vom 24. Mai <strong>1940</strong> wurden in<br />

den vergangenen 73 Jahren verschiedene<br />

Thesen aufgestellt.<br />

Hitler selbst waren die verlustreichen<br />

Kämpfe in Frankreich durch seine<br />

Teilnahme an der ersten Flandernschlacht<br />

des Krieges von 1914–1918<br />

noch in Erinnerung. Damals hatten<br />

sich die Engländer und Franzosen für<br />

die Deutschen als hartnäckiger Gegner<br />

erwiesen, den man nicht niederringen<br />

konnte. Hatte Hitler zu viel<br />

Respekt vor den Ende Mai <strong>1940</strong> noch<br />

nicht vollständig besiegten Alliierten?<br />

Warum griff der deutsche Diktator in<br />

die operative Kriegführung ein?<br />

In unserer Titelgeschichte „Das<br />

Wunder von <strong>Dünkirchen</strong>“ erfahren Sie<br />

ab Seite 10 alles Wissenswerte zum<br />

überraschenden Verlauf der Kämpfe<br />

in Nordfrankreich und zur dramatischen<br />

Evakuierungsaktion der Alliierten.<br />

Selbstverständlich beschäftigen<br />

wir uns auch mit der Frage nach den<br />

Motiven für <strong>Hitlers</strong> „Halt-Befehl“, der<br />

nach Meinung vieler Militärexperten<br />

erhebliche Auswirkungen auf den weiteren<br />

Kriegsverlauf hatte.<br />

Eine erkenntnisreiche Lektüre<br />

wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

NEUE SERIE<br />

4. Folge<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Vorstoß ins Hinterland<br />

Revolutionäre Idee: Deutsche Sturmbataillone schlagen im Stoßtruppverfahren<br />

eine Bresche in feindliche Verteidigungsanlagen<br />

Als der Bewegungskrieg an der Westfront erstarrt,<br />

kommt die deutsche Führung 1915<br />

zu dem Schluss, dass der taktische Einsatz der<br />

Infanterie grundlegend verändert werden muss.<br />

Sturmbataillone werden als gemischte Formationen<br />

unter Einbeziehung von Granat- und<br />

Minenwerfern, leichten Maschinengewehren<br />

und Flammenwerfern aufgestellt. Beispielgebend<br />

ist das Sturmbataillon „Rohr“, welches<br />

aus dem Niederschlesischen Pionier-Bataillon<br />

Nr. 5 hervorgegangen ist. Nun bildet man in<br />

fast allen deutschen Armeen je ein eigenes<br />

Sturmbataillon, deren Mannschaften ausschließlich<br />

aus Freiwilligen bestehen. Vor jedem<br />

Einsatz sollen die Sturmabteilungen die<br />

gegnerischen Stellungen gründlich auskundschaften<br />

und dann mit der Grabeninfanterie<br />

des Abschnitts den Angriff durchführen. Beim<br />

Vorstoß gehen die Sturmsoldaten in kleinen,<br />

gut aufeinander eingespielten Trupps vor, die<br />

Stoßkraft des gesamten Bataillons soll nach<br />

Möglichkeit nicht verbraucht werden. Der<br />

Sturmsoldat trägt einen mit Tarnfarben<br />

versehenen Stahlhelm<br />

sowie spezielle<br />

Hosen, die an<br />

Knien und Gesäß mit<br />

Leder verstärkt sind.<br />

1916 werden Sturmsoldaten<br />

erstmals bei Verdun<br />

eingesetzt. Ihr Auftrag<br />

lautet vor allem, weit ins<br />

feindliche Hinterland vorzustoßen<br />

und dort Verwirrung<br />

zu stiften.<br />

Gut ausgerüstet: Dieser<br />

Sturmsoldat trägt einen<br />

Stahlhelm mit Tarnmuster,<br />

zusätzliche Stielhandgranaten<br />

und einen Karabiner<br />

ohne aufgepflanztes<br />

Bajonett.<br />

Illustration: Johnny Shumate<br />

Insgesamt werden 17 Sturmbataillone und zwei<br />

selbstständige Kompanien aufgestellt. Bei den<br />

laufenden Einsätzen der Sturmabteilungen<br />

geht es aber auch um die Einbringung von Gefangenen,<br />

um die Stärke der gegenüberliegenden<br />

Truppen festzustellen. Öfters kommt es<br />

vor, dass Sturmsoldaten in gegnerischen Unterständen<br />

Alkoholbestände vorfinden, die es bei<br />

den deutschen Truppen schon lange nicht mehr<br />

gibt. Häufig vermindert sich die Disziplin nach<br />

den Funden von Champagner und Whisky. Die<br />

Unternehmungen der Deutschen verlaufen<br />

meistens erfolgreich, aber nach und nach verstehen<br />

es Briten und Franzosen, sich der neuen<br />

Angriffstaktik anzupassen.<br />

FAKTEN<br />

Zeit: 1916–1918<br />

Uniform: Feldbluse M. 1915 (in der Regel),<br />

graue Hosen, Gebirgsschuhe und<br />

Wickelgamaschen<br />

Hauptwaffe: 7,9-mm-Karabiner<br />

98 und Bajonett 84/98<br />

Ausrüstung: geschwärztes Koppel,<br />

Handgranatenbeutel, Gasmaske<br />

in Behälter und Schaufel<br />

mit langem Stiel<br />

Wichtige Schlachten: Verdun,<br />

Somme<br />

Sturmbataillone im<br />

Film: Der blaue Max<br />

(1966)<br />

Clausewitz 5/2013


Inhalt<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Foto: ullstein bild<br />

Titelthema<br />

Das „Wunder von <strong>Dünkirchen</strong>“ ..............................................................................10<br />

Die Kämpfe in Nordfrankreich <strong>1940</strong>.<br />

Titelgeschichte<br />

Nordfrankreich <strong>1940</strong><br />

Das „Wunder von <strong>Dünkirchen</strong>“<br />

24. Mai <strong>1940</strong>: Die Wehrmacht ist unerwartet schnell bis zur Kanalküste vorgestoßen.<br />

Als den bei Du?nkirchen eingekesselten Alliierten die Vernichtung droht, trifft Hitler mit<br />

seinem „Halt-Befehl“ eine folgenschwere Entscheidung.<br />

Von Tammo Luther<br />

Mit dem Rücken zum Meer ..........................................................................................24<br />

Die alliierte Evakuierungsaktion.<br />

Der „Motor als Waffe“ ................................................................................................................28<br />

Deutsche und alliierte Panzer in Frankreich <strong>1940</strong>.<br />

UNTER BESCHUSS:<br />

Hunderttausende von britischen und französischen<br />

Soldaten harren entlang der Kanalküste bei<br />

<strong>Dünkirchen</strong> aus und hoffen auf ihre baldige Evakuierung.<br />

Dabei sind sie immer wieder Störfeuer<br />

ausgesetzt.<br />

10<br />

11<br />

Martialisch: Als „Glorreicher Rückzug“ untertitelte<br />

Propagandazeichnung aus der Publikation<br />

„Die Wehrmacht“, herausgegeben vom OKW,<br />

Berlin <strong>1940</strong>.<br />

Abb.: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher. .....................6<br />

Militär und Technik<br />

Burgen des Mittelalters .............................................................................................32<br />

Die Adelsburg als Wehrbau.<br />

Der Zeitzeuge<br />

Feldpost eines Badischen Leibgrenadiers .....................38<br />

Zeitgenössische Berichte von den Schlachtfeldern<br />

des Ersten Weltkriegs.<br />

Militärtechnik im Detail<br />

„Arbeitspferd“ ...................................................................................................................................42<br />

Amerikanische M2A1 105-Millimeter-Haubitze.<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

„Plattenseeoffensive“ 1945 ............................................................................44<br />

<strong>Hitlers</strong> Fehlschlag am Balaton.<br />

Militär und Technik<br />

Zwei „ungleiche Schwestern“ .......................................................................52<br />

Die Transportmaschinen Transall C-160 und<br />

Antonow An-26.<br />

Titelbild: Fotomontage: Britische und französische Soldaten am<br />

Strand von <strong>Dünkirchen</strong> im Juni <strong>1940</strong>.<br />

4


Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/TIPS-Images<br />

Foto: Archiv LTG 62<br />

Zeichnung: Andrea Modesti<br />

Foto:ISAF Public Affairs<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Abb.: Lehmann’s<br />

kulturhistorische Bilder<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Foto: Autor<br />

Foto: Autor<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Foto: National Archives<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Foto: National Archives<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II magazine“<br />

sowie der Weider History Group für die Zurverfügungstellung<br />

der Grafiken. Mehr Informationen<br />

unter www.HistoryNet.com.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Militär und Technik<br />

Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

POPULÄRE DARSTELLUNG: Ein Ritter in voller<br />

Rüstung mit einer „Ritterburg“ im Hintergrund.<br />

Burgen des Mittelalters<br />

Die Adelsburg<br />

18./19. Jahrhundert:<br />

Der Begriff „Ritterburg“ entstammt<br />

dem verklärten Mittelalterbild<br />

der Romantik. nennt man oft fälschlich „Wallburg” oder (lat. curtis) im Tal.<br />

Im 8. bis 11. Jahrhundert erbaute Burgen hen erbauter Großburgen einen Herrenhof<br />

Die heutige Burgenforschung „Ringwall”, weil verfallene Ringmauern wie Entgegen früherer Ansicht sind wenige<br />

Wälle wirken. Zwar gibt es Befestigungen frühmittelalterliche Burgen Refugien, die<br />

sagt „Adelsburg“ und meint aus geschichteter Erde, doch häufig sind nur bei Gefahr aufgesucht werden. Die meisten<br />

sind dauerhaft besiedelt und auf Initiati-<br />

damit einen wehrhaften, Umwallungen im Frühmittelalter durch<br />

Holzpfosten und Steinkonstruktionen stabilisiert.<br />

Vermittelt durch die Franken und ihstanden,<br />

insbesondere im Grenzgebiet zu<br />

ve oder mit Genehmigung der Könige ent-<br />

repräsentativen Adelswohnsitz<br />

des 11. bis 15. Jahrhunderts.<br />

Von Michael Losse Schutz der Tore haben diese teils überlap-<br />

vielfach ihnen anvertraute Burgen für eigene<br />

re Kenntnis antiker Bauten setzt sich die den feindlichen Sachsen. Gegen Ende des<br />

Technik des Mörtelmauerwerks durch. Zum Frühmittelalters nutzen Dynastenfamilien<br />

pende Mauerenden, oft mit Holzaufbauten. Zwecke.<br />

Häufig in karolingischer (800–911) und ottonischer<br />

Zeit (919–1024) sind Zangentore mit telgroße Bauten und bald darauf erste kleine<br />

Im 8. Jahrhundert entstehen einzelne mit-<br />

s existieren Sonderformen, die eher viertelkreisförmig nach innen abbiegenden Höhenburgen, die mit Ringmauer und<br />

„Militärbauten” sind als Adelsburgen, Mauern. Flankierende Wehrplattformen Wohnturm schon Eigenschaften hochmittelalterlicher<br />

Adelsburgen zeigen.<br />

zum Beispiel Kreuzfahrer-, Trutz- und kommen ab dem 10. Jahrhundert vereinzelt<br />

Belagerungsburgen. Die Adelsburgen selbst vor. Innenbebauungen bestehen aus eingeschossigen<br />

Holzbauten, Pfosten- und Gru-<br />

Turmburg und Motte<br />

sind Wohnsitze von Familien, deren Herrschaftsbasis<br />

Grundbesitz und Lehen bilden. benhäusern – neben Wohn- und Speicherbauten<br />

auch Handwerks- und Handelsbau-<br />

Noch im 10./11. Jahrhundert wohnen die<br />

(9. bis 11. Jahrhundert)<br />

Die Burg ist Zentrum ihrer Politik und Verwaltung,<br />

sie „besetzt” das Umland optisch ten. Großburgen sind Wehr-, Schutz- und meisten Adeligen auf Herrenhöfen. Umgeben<br />

von Palisaden stehen dort eingeschossi-<br />

und zeigt, wer herrscht. Die Burgenkunde Verwaltungsbauten, Handels- und Wirtschaftszentren,<br />

Produktions- und auch ge, ein- bis zweiräumige Holz- oder<br />

des 19. Jahrhunderts sieht Burgen als oft umkämpfte<br />

Wehrbauten, die ihr Umland militärisch<br />

„beherrschen”. Im Zentrum heute stesammlung<br />

und kirchlichen Organisation. gen. Schwäche der königlichen Zen-<br />

Münzstätten, Orte der Rechtsprechung, Ver-<br />

Steinhäuser mit ebenerdigen Eingänhen<br />

vielmehr die symbolische Funktion der Mancherorts findet man in der Nähe auf Hötralgewalt,<br />

Unsicherheit im Reich<br />

Bauten sowie ihre Bedeutung im jeweiligen<br />

und wachsender Repräsentationswille<br />

führen dazu, dass um 900<br />

geographisch-historischen Umfeld.<br />

VOLLER KLISCHEES: Dieses Schulbild<br />

(19. Jahrhundert) einer „Ritterburg im XIII.<br />

Dynasten verstärkt Wohnsitze auf<br />

Burgen im Frühmittelalter<br />

Jahrhundert“ vereinigt spätmittelalterliche<br />

Höhen bauen. Aus der Wende<br />

(8. bis 11. Jahrhundert)<br />

(15. Jhd.) und<br />

vom 9. zum 10. Jahrhundert stammen<br />

älteste erforschte adelige Hö-<br />

Schon vor den Adelsburgen gibt es Burgen: romantische (19. Jhd.)<br />

Für das 8. bis 10. Jahrhundert sind über 1.000 Elemente.<br />

henburgen. Um 1000 existieren<br />

Großburgen (1–5 ha und mehr) in Deutschland<br />

bezeugt. Sie entstehen aufgrund von<br />

präsentativ-wehrhafte<br />

viele Adelsburgen als re-<br />

Thronstreitigkeiten, Adelsaufständen, Fehden<br />

und Invasionen (Normannen, Sachsen,<br />

sind Höhenburgen<br />

Wohnsitze. Anfangs<br />

Slawen, Ungarn). Spätestens ab der Karolingerzeit<br />

steht das Recht, Burgen und Befestisetzte<br />

Herrenhöfe, wie<br />

S.32<br />

quasi auf Höhen vergungen<br />

zu bauen oder zu genehmigen dem<br />

Burg Salbüel/CH, deren<br />

hölzerne Gebäude<br />

König zu. Karl der Kahle befiehlt 864 für sein<br />

Westfrankenreich, illegal erbaute Burgen abzureißen.<br />

Letztlich haben die Könige aber<br />

12. Jahrhundert<br />

dem späten 10. bis<br />

kaum Mittel, den Adel zu kontrollieren. Das<br />

entstammen: Eine<br />

Palisade umgibt<br />

Burgbaurecht übertragen Könige an Herzöge<br />

und Markgrafen.<br />

oval ein Hallenhaus,<br />

E<br />

als Wehrbau<br />

„Arbeitspferd“<br />

Amerikanische M2A1<br />

105-Millimeter-Haubitze<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

ie M2A1 105-Millimeter-Haubitze war in die Lage, die Haubitze defensiv in Hinterhangstellung<br />

oder geschützt durch andere<br />

Ddas leichte Standardfeldgeschütz amerikanischer<br />

Artillerieeinheiten sowohl auf dem natürliche Deckungen zu positionieren und<br />

europäischen als auch auf dem pazifischen von dort die Geschosse mit einer steilen<br />

Kriegsschauplatz. Bei 1941 beginnender Produktion<br />

war die M2A1-Haubitze ein gewaltern,<br />

wenn erforderlich auch auf nicht ein-<br />

Schussbahn auf Ziele in acht bis elf Kilometiger<br />

Schritt nach vorn im Vergleich zur 75- sehbare Hinterhangstellungen, abzufeuern.<br />

Millimeter-Haubitze, die im Ersten Weltkrieg Um die 10.200 M2A1 wurden produziert.<br />

eingesetzt wurde. Die M2A1 war mobiler, Nach dem Krieg wurde die M2A1 dann als<br />

vielseitiger und zuverlässiger als die 75-Millimeter-Haubitze.<br />

Sie war doppelt so leisrend<br />

des Korea- als auch des Vietnamkrieges<br />

M101A1 bekannt und wurde sowohl wähtungsfähig,<br />

verschoss knapp 15 Kilogramm eingesetzt. Inzwischen schied dieses Arbeitspferd<br />

als Feldartilleriegeschütz bei der U.S.<br />

schwere Geschosse mit einer Reichweite von<br />

circa 11.100 Metern. Ein schwerer Lkw konnte<br />

die 2.260 Kilogramm schwere M2A1 beina-<br />

weiterhin im Einsatz steht.<br />

Army aus, obwohl es in anderen Ländern<br />

he überall hin bewegen. Auch war der mögliche<br />

steile Schusswinkel ein bedeutender<br />

Vorteil der Haubitze. Er versetzte Einheiten<br />

Zieloptik<br />

Optisches Festbrennweitensystem<br />

mit vierfacher Vergrößerung,<br />

10 Grad<br />

Sichtfeld, mechanischem<br />

Zählwerk zur<br />

Unterstützung des<br />

Richtschützen.<br />

Geschützrohr<br />

105 Millimeter Durchmesser; es<br />

lagerte auf einem hydropneumatischen<br />

Rückstoßmechanismus, der ähnlich<br />

einem Stoßdämpfer funktionierte.<br />

Doppelschild<br />

Gedacht, um Soldaten zu schützen,<br />

wenn die Haubitze als Nahunterstützungswaffe<br />

eingesetzt wurde.<br />

Höhenrichtrad<br />

Hiermit konnte das Rohr von minus zehn<br />

(wenn man beispielsweise von erhöhter<br />

Position nach unten schießen musste) bis zu<br />

plus 65 Grad Rohrerhöhung gerichtet werden.<br />

Seitenrichtrad<br />

Mit diesem ließ sich<br />

das Rohr links oder<br />

Ebenso wurde die M2A1 in Panzerdivisionen auf Selbstfahrlafetten<br />

verwendet. Im Bild sieht man die Selbstfahrlafette<br />

Spreizholm<br />

rechts maximal 46 Grad Manuell bedienter<br />

Abzugvorrichtung<br />

Linker und rechter Holm wurden in Feuerstellung schwenken.<br />

Schubkurbelverschluss<br />

Durch Ziehen an diesem Seil wurde<br />

M7 mit 105-Millimeter-Haubitze auf Sizilien. Diese basierte<br />

auseinander gezogen und im Boden verankert.<br />

Der Verschluss erlaubte aufgrund<br />

seiner nur hüfthohen<br />

ten dieses Gefährt „Priest“(Priester) aufgrund der kanze-<br />

der Schuss ausgelöst.<br />

auf dem Chassis des M4 Sherman-Panzers. Die Briten tauf-<br />

Dabei dienten die beiden Endsporne dazu, die<br />

Rückstoßkräfte aufzufangen, indem sie diese in den<br />

Position schnelles Nachladen.<br />

lähnlichen Drehringlafette für das Maschinengewehr an der<br />

Boden ableiteten. In Transportstellung wurden die<br />

rechten vorderen Fahrzeugseite.<br />

Holme dann wieder zusammengeführt.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Zugöse<br />

122 Millimeter M1938 (M-30)<br />

In dieser Serie bereits erschienen:<br />

Die Bedienung des Geschützes<br />

bestand aus Zugfahrzeuge zum Transport angehängt.<br />

Mit dieser wurde die Haubitze an<br />

Typ 11 100 Millimeter<br />

Reichweite: ca. 11.800 Meter;<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Reichweite: ca. 10.750 Meter;<br />

entwickelt 1938. Die M1938<br />

Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />

auf einem französischen<br />

acht Mann; dazu gehörten<br />

der Lade- und Richt-<br />

Standarddivisionsartillerie bis 1960.<br />

Maschinengewehr (MG)42 (4/2013)<br />

diente der Roten Armee als<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Entwurf basierend war diese leichte<br />

Feldhaubitze effektiv, aber lediglich 1.100<br />

schütze sowie der Geschützführer<br />

und der für<br />

Geschütz QF 25-Pfünder<br />

wurden seit 1931 gebaut, so dass nie Demnächst:<br />

Reichweite: ca. 12.250 Meter;<br />

genügend Geschütze im Bestand waren, „Swordfish“ Torpedobomber (6/2013)<br />

die Munition verantwortliche<br />

Kanonier. Die 105-<br />

des Zweiten Weltkriegs. Es verfügte über<br />

wohl das beste Artilleriegeschütz<br />

alle japanischen Divisionen mit ihm<br />

auszustatten.<br />

Millimeter-Haubitze verschoss<br />

eine große Muni-<br />

acht Schuss pro Minute und diente in<br />

Leichte Feldhaubitze 18<br />

eine Feuergeschwindigkeit von sechs bis<br />

S.42<br />

tionsvielfalt wie etwa<br />

der Britischen Armee bis in die 1960er. Reichweite: ca. 12.300 Meter;<br />

hochexplosive, panzerbrechende<br />

oder Brand-<br />

Haubitze 105/14 Modell 18<br />

(1928/29) war sie eigentlich<br />

entwickelt von Rheinmetall<br />

munition. Die maximale<br />

Reichweite ca. 8.150 Meter;<br />

eine verlängerte Version eines<br />

entwickelt aus einem WKI-Design.<br />

Feuergeschwindigkeit<br />

Entwurfs von 1916. Die mit der<br />

Es existierten sowohl bespannte als<br />

10,5-Zentimeter Leichten Feldhaubitze<br />

18M eingeführte Mün-<br />

betrug zehn Schuss pro<br />

auch Kraftzugvarianten. Nach Italiens<br />

Minute und bei Dauerfeuer<br />

drei Schuss je Minute.<br />

wurden einige Stücke erbeutet und von weite deutlich.<br />

Kapitulation im September 1943<br />

dungsbremse erhöhte die Reich-<br />

den Deutschen weiterverwendet.<br />

42 43<br />

Militär und Technik<br />

Schlachten der Weltgeschichte | Sechstagekrieg<br />

WELTWEIT: C-160 der Luftwaffe<br />

verrichten überall ihren Dienst.<br />

Hier im Landeanflug auf die Heimatbasis<br />

des Einsatzgeschwaders<br />

Mazar-e Sharif im Norden<br />

Afghanistans.<br />

ÜBUNGSFLUG: Eine<br />

Maschine vom Typ<br />

Antonow AN-26 in der<br />

Nähe von Dresden.<br />

Transportmaschinen Transall C-160 und Antonow AN-26<br />

Zwei „ungleiche Schwestern“<br />

1980er-Jahre: Bei Hilfseinsätzen in Afrika treffen die Transall C-160 der Luftwaffe und<br />

die AN-26 der NVA-Luftstreitkräfte aufeinander. Von 1990 bis 1994 fliegen sie dann<br />

Seite an Seite in der „Armee der Einheit“. Von Hans-Werner Ahrens und Mathias Brandt<br />

A<br />

ls man ab 1957 insgesamt 187 Transportflugzeuge<br />

des Typs ND 2501D „Norat-<br />

Beteiligt sind die Firmen „Weser Flugzeugter-Allianz“<br />

leitet sich der Name „Transall“<br />

Gemeinschaftsprojekt – die Transall C-160. Aus der deutsch-französischen „Transporlas“<br />

in die noch junge Luftwaffe der bau“ – später VFW in Lemwerder –, Hamburger<br />

Flugzeugbau (HFB) in Finkenwerder, einem „C“ für „Cargo“ und die „160“ aus den<br />

ab. Die Kurzbezeichnung C-160 setzt sich aus<br />

Bundeswehr einführt, ist bereits klar, dass diese<br />

den schnell steigenden Anforderungen im Prof. Dipl. Ing. W. Blume in Duisburg-Ruhrort,<br />

Nord-Aviation in Châtil-<br />

Nach Überwindung etlicher Hürden startet<br />

160 m² der beiden Tragflächen zusammen.<br />

militärischen Lufttransport nicht lange gerecht<br />

würden. So beginnen noch im selben Jahr erste<br />

Projektstudien für ein deutsch-französisches Hurel-Dubois.<br />

lun-Villaroche zu seinem Erstflug.<br />

lon und Süd-Aviation in<br />

der erste Prototyp am 25. Februar 1963 in Me-<br />

Produktion der Transall<br />

Ab März 1967 werden insgesamt 204 Transall<br />

gebaut, dabei die erste Serie von 1967 bis<br />

1971. Der Hersteller legt von 1981 bis 1989 eine<br />

zweite Serie (C-160NG) auf, aber nur für<br />

Frankreich und Indonesien. Auch die aufgrund<br />

fehlender Austauschteile durch die<br />

BESTAUNT: Transall-Versuchsmuster<br />

französische Luftwaffe eingeführten Kunststoffpropeller<br />

kommen in den deutschen<br />

V 3 auf dem Fliegerhorst<br />

Ahlhorn Transall nicht zum Einbau.<br />

DATEN Transall C-160<br />

Rolle:<br />

(Taktisches) Transportflugzeug<br />

im Jahr 1968. Mit der Produktion der Transall wird die<br />

Ursprungsland: Deutschland (D), Frankreich (F)<br />

Erfahrungen aus Grundlage für eine eigene deutsche, auch zivile<br />

Luftfahrtindustrie (heute Airbus) ge-<br />

Hersteller:<br />

„Transporter-Allianz“ (D/F)<br />

dem Truppenversuch<br />

flossen in die schaffen. Die Transall rollen aus den vier<br />

Erstflug:<br />

25. Februar 1963 (Melun-Villaroche)<br />

Indienststellung: 26. April 1968 (Übergabe in Ahlhorn)<br />

Serienproduktion: 1. Serie: 1967–1972 (D/F)<br />

Fertigung der Serienmaschinen<br />

ein. werder, Bourges und Toulouse, die dann au-<br />

Endmontagewerken in Lemwerder, Finken-<br />

2. Serie: 1981–1988 (F/Indonesien)<br />

Hauptbetreiber: Deutschland und Frankreich, Türkei (TUR),<br />

ßer in Deutschland und Frankreich auch in<br />

Südafrika<br />

der Türkei sowie (zeitweilig) auch in Südafrika,<br />

Indonesien und Gabun ihren Dienst<br />

Gebaute Stückzahlen: 1. Serie: (C-160 D/F): 90 D, 50 F, 20 TUR<br />

2. Serie (C-160 NG): 35 (Frankreich, Indonesien)<br />

verrichten.<br />

52<br />

Die Transall, die heute immer noch fliegen,<br />

sind verändert gegenüber jenen, die bis rem durch Einbau einer modernen Navigati-<br />

fortan die Umschulung und Ausbildung der<br />

Modernisierung des Cockpits, unter ande-<br />

Flugzeugführerschule „S“. Diese übernimmt<br />

Ende 1971 die Werkshallen verließen. Die onsanlage mit „Flight Management System“ Besatzungen aller drei Transall-Geschwader.<br />

einst nur für die Startphase vorgesehenen und Satellitennavigation (GPS), eines neuen Das am 1. April 1968 in Köln-Wahn aufgestellte<br />

und 1971 nach Münster verlegte Luft-<br />

zwei zusätzlichen Strahltriebwerke am äußeren<br />

Drittel der Tragflächen haben sich samten Kabelbäume macht die Transallflottransportkommando<br />

führt bis zu seiner Auf-<br />

Autopiloten sowie der Austausch der ge-<br />

schon in der Erprobungsphase nicht bewährt.<br />

Heute hängen an deren Befestigun-<br />

mit Transall aufgefüllten Lufttransportgete<br />

fit für das neue Jahrtausend.<br />

lösung im Jahr 2010 die bis 1972 komplett<br />

gen die Behälter für die Hitze-Täuschkörper Übergabe an die Bundeswehr schwader 61 und 63, die FFS „S und das 1986<br />

der für den Einsatz in Krisenregionen mit Drei Jahrzehnte zuvor: Am 26. April 1968 neu aufgestellte LTG 62, Wunstorf „aus einer<br />

Selbstschutzausrüstung (ESS) nachgerüsteten<br />

Transall.<br />

maligen Heimat des Lufttransportgeschwa-<br />

Deutschland, Frankreich, Belgien, den Nie-<br />

wird auf dem Fliegerhorst Ahlhorn, der da-<br />

Hand“. Ab Ende 2010 übernimmt das von<br />

Im Jahr 1986 beginnen die strukturellen ders (LTG) 62, durch den Inspekteur der derlanden und Luxemburg in Eindhoven<br />

Lebensdauer-Verlängerungsmaßnahmen, Luftwaffe, Generalleutnant Johannes Steinhoff,<br />

das jeweils erste Serienflugzeug der Command) die Planung und Führung von<br />

aufgestellte EATC (European Air Transport<br />

kurz LEDA I bis LEDA III genannt. Diese<br />

führen zu einer Erweiterung der bis dahin Transall C-160 an die beiden Luftwaffen Lufttransporteinsätzen und MEDEVAC.<br />

nur auf rund 6.000 Flugstunden ausgelegten übergeben. Zu diesem Zeitpunkt sitzt das Mit der Einführung der Transall ist man<br />

Rumpf- und Tragflächenstruktur der Transall<br />

auf eine Lebensdauer von 15.000 Flug-<br />

südfranzösischen Mont de Marsan bereits bis dahin ungewohnten Höhen und teilwei-<br />

zukünftige Führungs- und Lehrpersonal im in der Lage, neue, weiter entfernte Ziele in<br />

stunden. PUNIB (Periodische Untersuchung auf der Schulbank. Noch im gleichen Jahr se über schlechtem Wetter anzufliegen, länbislang<br />

nicht inspizierter Bereiche), auch LE- werden die ersten Flugzeuge an das LTG 63<br />

DA III genannt, dient der Erkennung und in Hohn zur Aufnahme der Ausbildung und BEWÄHRT: Die robuste Konstruktion wird<br />

Reparatur korrosionsgeschädigter Teile. Die des weltweiten Einsatzes ausgeliefert. 1969 noch bei den russischen Luftstreitkräften<br />

1992 begonnene und im Jahr 2000 beendete landet in Wunstorf die erste Transall für die eingesetzt. Foto: Igor Dvurekov<br />

DATEN Antonow AN-26 (NATO-Bezeichnung „Curl“)<br />

S.52<br />

Rolle:<br />

Taktischer Kampfzonentransporter<br />

Ursprungsland: Sowjetunion<br />

Hersteller:<br />

O.K. Antonow<br />

Erstflug: 25. Mai 1969<br />

Indienststellung: ab 1980 in die NVA-LSK<br />

Serienproduktion: 1969 bis 1986<br />

Hauptbetreiber: Russland, Ukraine, Vietnam, Usbekistan<br />

Gebaute Stückzahlen: 1.403<br />

53<br />

Sechs „Tage des Feuers“<br />

Der dritte arabisch- israelische Krieg<br />

Israel<br />

Truppenstärke<br />

Soldaten: 264.000<br />

Panzer: 800<br />

Flugzeuge: 400<br />

Verluste<br />

Tote: 776<br />

Verwundete: 4.517<br />

Panzer: 122 (Sinai), 112 (Westjordanland),<br />

160 (Golanhöhen)<br />

Flugzeuge: 46 (circa 20%), davon<br />

12 im Luftkampf<br />

Hauptgegner Israels (ohne Saudi-Arabien, Irak und Libanon)<br />

Truppenstärke<br />

Soldaten: 240.000 (Ägypten), 105.000 (Syrien), 58.000 (Jordanien)<br />

Panzer: 1.180 (Ägypten), 550 (Syrien), 200 (Jordanien)<br />

Flugzeuge: 450 (Ägypten), 120 (Syrien), 30 (Jordanien)<br />

Verluste<br />

Die angegebenen Verlustzahlen der arabischen Staaten weichen<br />

stark voneinander ab, liegen aber weit über denen der Israelis.<br />

Ägypten allein hat 10 bis 15.000 Tote zu beklagen und verlor 700<br />

Panzer. Die Toten der Syrer (2.500) und Jordanier (6.000) belegen<br />

ebenfalls einen extrem hohen Blutzoll dieser Länder.<br />

Sommer 1967: Für Israel steht die Existenz auf dem Spiel. Der kleine<br />

Staat ist auf drei Seiten von Feinden bedrängt und steht mit dem<br />

Rücken zum Meer. Mit einem gewagten Präventivschlag versucht das<br />

Land die drohende Niederlage abzuwenden… Von Frederick Feulner<br />

S.58<br />

IN STELLUNG: Jordanische Truppen<br />

verschanzen sich an der Grenze zu<br />

Israel. Jordanien gehört zusammen mit<br />

Ägypten und Syrien zu den<br />

Hauptgegnern Israels während des<br />

Sechstagekriegs. Foto: picture-alliance/dpa<br />

33<br />

Spurensuche<br />

Feldherren<br />

Maginot-Linie in Frankreich<br />

Bollwerk gegen<br />

Deutschland<br />

1920: Nach Ende des Ersten Weltkriegs<br />

gibt die französische Regierung Pläne für<br />

den Bau eines großangelegten Verteidigungssystems<br />

entlang der Grenze zum<br />

Deutschen Reich in Auftrag. Ziel ist es,<br />

einen erneuten deutschen Einmarsch zu<br />

verhindern.<br />

Von Jörg Fuhrmeister<br />

George S. Patton<br />

Feldherr mit zweifelhaften<br />

Ansichten<br />

1941–1945: Ohne Frage ist General Patton eine der facettenreichsten Persönlichkeiten<br />

des Zweiten Weltkrieges. Bis heute ist er ein Mythos, der sich nicht allein auf seine Leistungen<br />

als Kommandeur gründet, sondern vielmehr auf seine Sympathie für den deutschen<br />

Gegner.<br />

Von Michael Solka<br />

SEHENSWERT: Das Festungswerk Fermont<br />

(A2) der Maginot-Linie kann besichtigt werden.<br />

66<br />

A<br />

ls Elsass-Lothringen nach dem<br />

deutsch-französischen Krieg 1870/71<br />

an das neu gegründete Deutsche Reich<br />

fällt, beginnt Frankreich seine neuen Landesgrenzen<br />

unter dem Festungsbaumeister Séré<br />

de Rivières gegen mögliche Angriffe des östlichen<br />

Nachbarn zu schützen.<br />

Im Jahr 1919, nach Beendigung des Ersten<br />

Weltkriegs, rückt die französische Grenze zu<br />

Deutschland wieder nach Osten, jetzt liegen<br />

die errichteten Befestigungsanlagen zu weit<br />

weg von der Grenze. Vor allem das Ungleichgewicht<br />

in der Einwohnerzahl Frankreichs<br />

zu Deutschlands (etwa 42 zu 68 Millionen)<br />

erfordert aus Sicht der Franzosen eine<br />

neue Befestigung als „Schild und Schwert“<br />

der „Grande Nation“ gegen einen Angriff<br />

von Massenheeren.<br />

Bereits im Jahr 1920 beginnen Experten<br />

mit der Ausarbeitung von Plänen. 1926 wird<br />

eine Kommission zur Verteidigung der<br />

Grenzen gegründet. Dort werden die technischen<br />

Details, Gliederungen und Kosten<br />

festgelegt.<br />

EINGENOMMEN: Werkgruppe Hochwald,<br />

Bunker 16 für drei 7,5-cm-Kanonen, Foto<br />

vom August <strong>1940</strong>.<br />

UNBESCHÄDIGT: Viele Bunkeranlagen<br />

der Maginot-Linie fallen <strong>1940</strong> kampflos<br />

in deutsche Hand.<br />

Pläne zum Ausbau<br />

Im Januar 1929 – nach mehrfacher Überarbeitung<br />

– wird schließlich ein Konzept vorgelegt,<br />

nach dem lediglich zwei Festungsgebiete<br />

ausgebaut werden sollen:<br />

- Metz (von Longuyon bis St. Avold)<br />

- Lauter (von der Saar bis zum Rhein)<br />

Zudem soll anschließend das Rheinufer<br />

von Lauterburg bis Basel befestigt werden.<br />

Auch in den Alpen werden Befestigungsanlagen<br />

gebaut. Selbst auf der Mittelmeerinsel<br />

Korsika werden Bauwerke der Maginot-Linie<br />

errichtet.<br />

Der Ausbau in Frankreich endet zunächst<br />

an der Grenze zu Belgien, da man der Meinung<br />

war, dass der Verbündete im Norden<br />

selbst über eine moderne Landesbefestigung<br />

verfügt. Erst später kommen kompakte<br />

Kampfbunker, mit Pak und MG’s ausgestattet,<br />

als „verlängerte“ Maginot-Linie in Nordfrankreich<br />

hinzu.<br />

Verschiedene Bauperioden<br />

Die Errichtung des nach dem französischen<br />

Kriegsminister André<br />

S.66<br />

Maginot (1877–1932)<br />

benannten Verteidigungsgürtels lässt sich<br />

grob in drei Bauperioden einteilen:<br />

1. Von 1925 bis 1929 werden Versuchs- und<br />

Erprobungsanlagen erbaut.<br />

2. Die sogenannte CORF-Bauperiode von<br />

1930–1935 umfasst den Bau der großen Artillerie-<br />

und Infanteriewerke, der Kasematten<br />

für die Zwischenräume, Unter-<br />

67<br />

DEN FEIND IM AUGE: George Patton mit Feldstecher<br />

im Schützengraben. Nach der Landung<br />

der alliierten Truppen in Nordafrika („Operation<br />

Torch“) im November 1942 beobachtet „Old<br />

Blood and Guts“ die Stellungen des Gegners.<br />

72<br />

G<br />

eorge S. Patton entstammt einer Patrizierfamilie<br />

englischer und schottischirischer<br />

Herkunft. Sein Vater war mit<br />

John S. Mosby befreundet, einem bekannten<br />

Kavallerieoffizier und berüchtigtem Guerillaführer<br />

der Konföderierten. Der junge Patton<br />

will unbedingt Soldat werden und besucht<br />

1903/04 das virginische Militärinstitut. Anschließend<br />

wechselt er nach West Point. Dort<br />

zeichnet sich Patton als einer der besten Fechter<br />

aus.<br />

Am 11. Juni 1909 wird er zum Leutnant<br />

der Kavallerie ernannt und dient beim 15.<br />

Kavallerieregiment in Fort Sheridan, Illinois.<br />

Patton ehelicht 1910 Beatrice Banning Ayer,<br />

die Tochter eines Textilindustriellen, und<br />

leistet ein Jahr später seinen Dienst in Fort<br />

Myer, Virginia, ab. Aufgrund seiner guten<br />

sportlichen Leistungen darf Patton 1912 an<br />

DATEN George S. Patton<br />

1885 Geburt in San Gabriel,<br />

Kalifornien (11. November)<br />

1904 Kadett in West Point<br />

1909 Leutnant der Kavallerie<br />

1910 Heirat von Beatrice Banning Ayer<br />

1916 Motorisierter Angriff auf die<br />

Anhänger Pancho Villas<br />

1917 Ernennung zum Captain<br />

1918 Beförderung zum Oberstleutnant<br />

1941 Ernennung zum Generalmajor<br />

1943 Befehlshaber der 7. US-Armee<br />

1944 Kommandeur der 3. US-Armee<br />

1945 Beförderung zum General<br />

1945 Militärgouverneur von Bayern<br />

1945 Tod in Heidelberg (21. Dezember)<br />

den Olympischen Spielen in Stockholm teilnehmen.<br />

Er wird Fünfter im Modernen Fünfkampf.<br />

Dabei löst er eine Kontroverse wegen<br />

seiner Schießkünste aus: Patton schießt mit<br />

einer großkalibrigen Pistole und behauptete,<br />

einige seiner Treffer wären doppelt zu zählen,<br />

da er zweimal genau den gleichen Punkt<br />

getroffen habe.<br />

Der „Banditenkiller“<br />

1915 wird Patton mit Kompanie A des 8. Kavallerieregiments<br />

zum Patrouillendienst an<br />

der mexikanischen Grenze versetzt. Als im<br />

März 1916 mexikanische Aufständische die<br />

Grenzstadt Columbus im Bundesstaat<br />

New Mexico überfallen, wobei mehrere<br />

Amerikaner ums Leben kommen, nimmt<br />

Patton als Adjutant von John J. Pershing an<br />

der Strafexpedition gegen Pancho Villa teil.<br />

Im April erhält er die Erlaubnis, mit Trupp C<br />

des 13. Kavallerieregiments Jagd auf den Rebellenführer<br />

Villa zu machen. Seine erste<br />

Kampferfahrung macht er am 14. Mai 1916.<br />

Mit drei Dodge-Brother-Wagen überraschen<br />

Patton und zehn Soldaten mehrere von Villas<br />

Männern, der Anführer von Villas Leibgarde,<br />

Julio Cárdenas, und zwei weitere Mexikaner<br />

kommen ums Leben. Wenig später<br />

wird Patton von der Presse als „Banditenkiller“<br />

gefeiert. Die Strafexpedition wird aber<br />

PATTON UND PANZER: Während des Ersten<br />

Weltkriegs beginnt Patton sich für die neue<br />

Panzerwaffe zu interessieren.<br />

Das Foto zeigt ihn als Ausbilder<br />

in der Tankkorps-<br />

Schule der US-Armee in<br />

Langres im Juli 1918.<br />

S.72<br />

73<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Sechstagekrieg 1967 ....................................................................................................58<br />

Israels Kampf gegen Ägypten, Syrien und Jordanien.<br />

Buchvorstellung<br />

Kampfpanzer „Tiger“ ........................................................................................................64<br />

Die Analyse einer Legende.<br />

Spurensuche<br />

Bollwerk gegen Deutschland ........................................................................66<br />

Was brachte die Maginot-Linie wirklich?<br />

Feldherren<br />

George S. Patton .......................................................................................................................72<br />

Leben und Wirken des amerikanischen Panzergenerals.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Museen & Militärakademien<br />

Militärtechnik und Militärtheorie .........................................................78<br />

Die umfangreichen Bestände der Wehrtechnischen Studiensammlung<br />

(WTS) in Koblenz.<br />

Ein Bild erzählt Geschichte<br />

Callots Galgenbaum ..........................................................................................................80<br />

Eindringliche Illustration zum Dreißigjährigen Krieg.<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ...........................................................................................................................82<br />

Titelfotos: picture-alliance/akg-images; H. Ringlstetter; Hist. Dep. of US Milit. Accd.;<br />

WEIDER History GROUP; picture-alliance/dpa; picture-alliance/akg-images; picture-alliance,<br />

R. Harding World Imagery; TS24; Archiv LTG 62<br />

5


Magazin<br />

Zu besichtigen: U-995, ebenso wie das<br />

nun aufgespürte U-Boot-Wrack ein Boot<br />

der Klasse VII C, liegt heute bei Laboe<br />

als Museumsschiff.<br />

Foto: picture-alliance/Arco Images GmbH<br />

Wrack von U-580 entdeckt<br />

1941 gesunkenes U-Boot vor der Küste Litauens aufgespürt<br />

Ende des Jahres 1941 kollidierte ein deutsches<br />

U-Boot vor dem Hafen von Memel<br />

(Lit.: Klaipeda) mit einem Zielschiff.<br />

Zwölf Besatzungsmitglieder kamen damals<br />

ums Leben. Kürzlich entdeckten Taucher<br />

das bislang verschollene Wrack.<br />

Das Unglück ereignete sich im November<br />

1941: Oberleutnant zur See Hans-Günther<br />

Kuhlmann war mit U-580 auf Übungsfahrt<br />

in der Ostsee unterwegs. Aufgabe der<br />

Besatzung war es, einen Angriff auf das<br />

Zielschiff „Angelburg“ zu simulieren, einen<br />

ehemaligen Frachter, der als Hilfsschiff der<br />

U-Boot-Flotte der Kriegsmarine eingesetzt<br />

wurde.<br />

Unweit der Hafenstadt Memel kollidierte<br />

U-580 mit dem Zielschiff. Zwölf Besatzungsmitglieder<br />

kamen dabei ums Leben,<br />

32 konnten sich retten, darunter auch Kuhlmann.<br />

Mehr als 70 Jahre nach der Katastrophe<br />

haben Taucher vor dem litauischen<br />

Klaipeda den etwa 67 Meter langen Schiffskörper<br />

von U-580 in einer Tiefe von fast<br />

40 Metern entdeckt.<br />

Bei U-580 handelt es sich um ein Unterseeboot<br />

der in großen Stückzahlen gebauten<br />

Klasse VII C. Ein erhalten gebliebenes Exemplar,<br />

U-995, steht als Museumsschiff nahe<br />

des Marine-Ehrenmals Laboe bei Kiel und<br />

kann besichtigt werden.<br />

Sensationsfund im Ärmelkanal<br />

Bomber vom Typ Dornier Do 17 geborgen<br />

Ein deutsches Kampfflugzeug<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg ist<br />

nach mehreren fehlgeschlagenen<br />

Versuchen im Juni 2013 in einer<br />

großen Bergungsaktion von Mitarbeitern<br />

einer Spezialfirma aus<br />

dem Ärmelkanal geborgen worden.<br />

Die Aktion war rund drei Jahre<br />

geplant worden und kostet nach<br />

Angaben des britischen Senders<br />

BBC insgesamt etwa 700.000 Euro.<br />

Bei der Maschine vom Typ<br />

Dornier Do 17 handelt es sich<br />

vermutlich um die einzige ihres<br />

Typs, die noch existiert. Das<br />

Flugzeug der Luftwaffe war vor<br />

mehr als 70 Jahren vor der Küste<br />

von Kent abgeschossen worden<br />

und lag seither in rund 15 Metern<br />

Tiefe auf dem Grund des Ärmelkanals<br />

in der Straße von<br />

Dover. Es war bereits im Jahr<br />

2008 von Tauchern entdeckt worden.<br />

Nach Abschluss der Konservierungsmaßnahmen<br />

und der<br />

anschließenden Restaurierungsarbeiten<br />

soll die Maschine künftig<br />

im Royal Air Force Museum<br />

in London zu sehen sein (s. a.<br />

FLUGZEUG CLASSIC 9/2013).<br />

Der Generaldirektor des Museums,<br />

Peter Dye, sagte, das<br />

Wrack befinde sich in einem<br />

guten Zustand. „Die Entdeckung<br />

und Bergung der Dornier ist von<br />

Kompliziert: Experten<br />

einer Spezialfirma<br />

bergen mithilfe eines<br />

Wasserkrans und einer<br />

eigens entwickelten<br />

Konstruktion das Wrack<br />

der Do 17.<br />

Foto: picture-alliance/empics<br />

nationaler und internationaler<br />

Bedeutung“, so Dye. Es sei ein<br />

einzigartiges Erinnerungsstück.<br />

6


Foto: Jan Thorbecke Verlag<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

BUCHEMPFEHLUNG ENGLISCHSPRACHIGES<br />

Schlacht auf dem Lechfeld<br />

Umfassende Darstellung zu den Ereignissen des Jahres 955<br />

Der Sieg Ottos I. über die ins<br />

Reich einfallenden Magyaren<br />

war epochemachend. Den Ablauf<br />

und die militärischen Hintergründe<br />

dieser Entscheidungsschlacht<br />

interpretiert der Amerikaner<br />

Charles Bowlus in seinem Buch in<br />

einigen Punkten neu. In insgesamt<br />

sieben Kapiteln erfährt der Leser<br />

Wissenswertes unter anderem<br />

über die ungarische Kriegführung<br />

(z.B. über die Kunst des Bogenschießens)<br />

und die Militärreformen<br />

Heinrichs I. (Verteidigung<br />

durch gestaffelte Wehranlagen).<br />

Die militärhistorische Analyse<br />

zeigt die Schwächen der nomadischen<br />

Strategie und Taktik auf:<br />

logistische Probleme aufgrund<br />

der vielen mitgeführten Pferde<br />

sowie das Versagen des Bogenkampfes<br />

bei schlechtem Wetter.<br />

Bowlus verortet die Schlacht vom<br />

10. August allerdings nicht auf<br />

dem Lechfeld selbst sondern<br />

nahe des Rauhen Forstes. Der<br />

durchschlagende Erfolg ergab<br />

sich dann aber erst in den darauffolgenden<br />

Tagen – ottonische<br />

Verbände aus den tief gestaffelten<br />

Verteidigungsanlagen attackierten<br />

die fliehenden Ungarn immer<br />

wieder und rieben deren Streit-<br />

Interessante Rundumschau: Hintergründe,<br />

Verlauf und Auswirkung der Schlacht<br />

sind in dem aktuellen Werk detailliert<br />

beschrieben und beinhalten einige neue<br />

Thesen.<br />

macht völlig auf. Die anhaltenden<br />

Regenfälle machten den Reflexbogen<br />

der Reiterkrieger wirkungslos<br />

und über die Ufer<br />

tretende Flüsse behinderten den<br />

Rückzug zusätzlich.<br />

Wer mehr über die interessanten<br />

Thesen zu einer der wichtigsten<br />

militärischen Auseinandersetzungen<br />

in der deutschen<br />

Geschichte erfahren möchte, dem<br />

sei das Buch von Charles Bowlus<br />

empfohlen.<br />

Charles R. Bowlus: Die Schlacht auf<br />

dem Lechfeld. Ostfildern 2012. 280<br />

Seiten, 8 Karten. 26,99 EUR.<br />

42<br />

Zentimeter maß das Kaliber der „Dicken Bertha“ (auch: „Dicke Berta“).<br />

Dabei handelte es sich um 42-cm-Mörser, die vom Rüstungskonzern Krupp entwickelt<br />

und gebaut wurden. Die Geschütztypen des Ersten Weltkriegs<br />

wurden aus Tarnungsgründen als „Kurze Marine-Kanone“ bezeichnet,<br />

obwohl sie für den Einsatz an Land zur Bekämpfung von Festungsanlagen<br />

vorgesehen waren.<br />

Commando-Comics aus England<br />

Seit über 50 Jahren Action und Abenteuer<br />

In England sind die Hefte aus<br />

dem DC Thomson Verlag eine<br />

Institution. Jede Woche erscheint<br />

ein neues Abenteuer im Taschenbuchformat<br />

– und das seit<br />

1961. Inzwischen sind es fast<br />

5.000. Jede Geschichte ist in<br />

der Regel in sich abgeschlossen<br />

und besteht aus<br />

68 Seiten mit atmosphärischen<br />

Schwarz-Weiß-<br />

Zeichnungen und einem<br />

farbigen Cover. Die Handlung<br />

und die Charaktere<br />

sind zwar fiktiv, doch der<br />

historische Hintergrund,<br />

die Uniformen, Geräte und<br />

Waffen sind solide recherchiert.<br />

Der Zweite Weltkrieg<br />

dominiert als Thema,<br />

doch grundsätzlich werden<br />

alle Epochen behandelt:<br />

Von römischen Legionären<br />

über die Schlachtfelder<br />

der Napoleonischen<br />

Kriege und Vietnam bis<br />

hin zum Golfkrieg. Ein großer<br />

Pool an Autoren sorgt für Abwechslung<br />

und dafür, dass nach<br />

Tausenden von Heften immer<br />

noch überraschende und neue<br />

Abenteuer in die Hände der Leser<br />

geraten. Das „Personal“ einer<br />

jeden Geschichte könnte unterschiedlicher<br />

nicht sein:<br />

Es gibt die Tapferen und die<br />

Ängstlichen, die Mitfühlenden<br />

und die Grausamen – im Zentrum<br />

steht aber immer ein Charakter,<br />

der als moralisches Vorbild<br />

taugt. In den Weltkriegs-<br />

Geschichten wird natürlich<br />

meist der Blickwinkel der alliierten<br />

Soldaten eingenommen.<br />

Doch es gibt auch Hefte mit<br />

Deutschen, Italienern oder Japanern<br />

als Hauptakteure. Es geht<br />

um Verrat, Betrug, Rache und<br />

Heldentum. Schauplätze sind<br />

die Tiefen des Ozeans, die grüne<br />

Hölle des burmesischen<br />

Dschungels, die heißen Wüsten<br />

Afrikas oder der Himmel während<br />

der Luftschlacht um England<br />

– überall, wo einst gekämpft<br />

wurde. Heute<br />

Langlebig: 2017 wird Nummer 5.000<br />

veröffentlicht werden. Seit 2007 gibt<br />

es auch Neuauflagen alter Hefte.<br />

bekommen die Hefte natürlich<br />

Konkurrenz von DVDs und<br />

Computerspielen. Die hohen<br />

Druckauflagen der 1960er- und<br />

1970er-Jahre gehören der Vergangenheit<br />

an.<br />

Aber Commando hat überlebt<br />

und dies wohl nicht zuletzt<br />

wegen der anhaltend guten und<br />

einfach zu lesenden Geschichten.<br />

Eine spannende Lektüre –<br />

oder wie die Engländer sagen:<br />

„A cracking good read!“<br />

Commando-Comics sind weltweit<br />

als Abo zu beziehen. Außerdem<br />

gibt es eine digitale Variante als<br />

Download. Mehr Informationen<br />

auf der hervorragenden Internetseite<br />

www.commandocomics.com<br />

Die Redaktion und der Verlag sind stets<br />

auf der Suche nach kompetenten Autoren und Bildgebern zu militärhistorischen<br />

Themen. Sind Sie Kenner der Nationalen Volksarmee? Könnten<br />

Sie sich vorstellen, zu diesem Themenspektrum etwas zu veröffentlichen?<br />

Dann freuen wir uns über eine unverbindliche Kontaktaufnahme!<br />

Bitte schreiben Sie an lektorat@geramond.de unter dem Betreff »NVA«.<br />

Abb.: D. C. Thompson & Co. Ltd<br />

Clausewitz 5/2013<br />

7


Clausewitz<br />

Magazin<br />

„Königreich Pfalz“<br />

Sonderausstellung des Historischen Museums der Pfalz<br />

Bis zum 27. Oktober 2013 ist im Historischen<br />

Museum der Pfalz in<br />

Speyer die Ausstellung „Königreich<br />

Pfalz“ zu sehen.<br />

Nach Napoleons Niedergang wurden<br />

Grenzen und Staaten Europas<br />

durch den Wiener Kongress des Jahres<br />

1815 neu definiert und die Region<br />

der heutigen Pfalz fiel an Bayern.<br />

Damit regierten zwischen 1816 und<br />

1918 die bayerischen Könige auch<br />

über die linksrheinische Pfalz. Maximilian<br />

I. Joseph, der erste dieser Herrscher,<br />

stammte aus der Zweibrücker<br />

Linie des Adelsgeschlechts der Wittelsbacher,<br />

die nachfolgenden Könige<br />

und Regenten des bayerischen Königsreichs<br />

waren ausnahmslos seine<br />

Nachkommen. Unter und mit den<br />

Wittelsbacher Königen formte sich<br />

das Land zu dem, was es heute ist.<br />

Mit der Ausstellung „Königreich<br />

Pfalz“ erzählt das Historische Museum<br />

der Pfalz vom 3. März bis 27. Oktober<br />

2013 auf 900 Quadratmetern<br />

Ausstellungsfläche Geschichte(n) aus<br />

der Pfalz: von Kämpfern für die Freiheit,<br />

visionären Wissenschaftlern und<br />

Entdeckern, Sportlern von Weltrang,<br />

königstreuen Bürgerinnen und Bürgern,<br />

armen Schustern und reichen<br />

Weinbaronen.<br />

Mehr als 300 Objekte aus pfälzischen<br />

und bayerischen Museen gewähren<br />

einen einzigartigen Überblick<br />

über die Geschichte der Pfalz, als sie<br />

bayerisch war.<br />

Kontakt:<br />

Historisches Museum der Pfalz<br />

Domplatz 4, 67346 Speyer<br />

Info-Telefon: 06232/1325-0<br />

www.museum.speyer.de<br />

Berühmt: Ludwig I. von Bayern.<br />

Das Repräsentationsgemälde<br />

zeigt Ludwig I. im Jahr seiner<br />

Krönung 1825 im Krönungsornat<br />

und mit<br />

den Kroninsignien<br />

Krone, Zepter und<br />

Schwert.<br />

Foto: Historisches Museum<br />

der Pfalz/Peter Haag-<br />

Kirchner<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Die Fotocollage des russischen<br />

Fotografen Sergey Larenkov stellt<br />

eindrucksvoll visualisiert einen<br />

Brückenschlag zwischen Vergangenheit<br />

und Gegenwart her.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Nach der Niederlage des „Großdeutschen<br />

Reiches“ 1945 wird Österreich vorläufig<br />

in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Wien befindet<br />

sich als Viersektorenstadt in der sowjetischen<br />

Zone. Rotarmisten ziehen nach dem<br />

sowjetischen Sieg am Südostflügel der Wiener<br />

Hofburg vorbei. Das Eingangsportal zeugt noch<br />

von den Luftangriffen und Kämpfen 1944/45.<br />

Heute: Insgesamt hat die Wiener Hofburg den<br />

Krieg substantiell gut überstanden. Der Gebäudekomplex<br />

ist im Laufe von Jahrhunderten<br />

gewachsen und ein architektonisches<br />

Zeugnis habsburgischer Geschichte. Heute ist<br />

die Hofburg Amtssitz des Bundespräsidenten<br />

und beherbergt auch die Nationalbibliothek<br />

und mehrere Museen.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

8


4/2013 Juli<br />

seiner Zeit<br />

Foto: Ch. Links Verlag<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Wir bedanken uns bei den vielen Teilnehmern<br />

am Gewinnspiel in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

3/2013. Hier die Gewinner der Hauptund<br />

Sonderpreise:<br />

1. Preis: Junkers Chronograph<br />

Ervin Havic, Berlin<br />

2.-5. Preis: Buchpaket: Große Feldherren;<br />

50 Schlachten der Weltgeschichte, Der Krieg,<br />

Kampfpanzer Tiger<br />

Nicole Winkler, Brettin<br />

Wolf-Teja von Rabenau, Koblenz<br />

Jörg Reuter, Sankt Augustin<br />

Uwe Knoll, Berlin<br />

6.-8. Preis: Buchpaket: Kampfpanzer Tiger;<br />

Flieger-Asse und Kanonenfutter; Clausewitz<br />

Spezial Stalingrad<br />

Evelyne Marchsteiner, Wien<br />

Andreas Wischer, Potsdam<br />

Horst Pötschke, Leipzig<br />

9.-10. Preis: Flieger-Asse und Kanonenfutter;<br />

Clausewitz Spezial Stalingrad<br />

Dr. Gerd Zimmer, Salzburg<br />

Ingrid Lubetzky, Köln<br />

BUCHTIPP<br />

<strong>Hitlers</strong> Tor zum<br />

Atlantik<br />

Die deutschen Marinestützpunkte<br />

in Frankreich <strong>1940</strong>–1945<br />

Nachdem die Deutsche<br />

Wehrmacht im<br />

Mai/ Juni<strong>1940</strong> Frankreich<br />

militärisch besiegt<br />

hatte, erhielt die<br />

deutsche Kriegsmarine<br />

den lang ersehnten<br />

Zugang zum Atlantik.<br />

In Brest, Lorient,<br />

St. Nazaire, La Pallice<br />

und Bordeaux baute sie die bestehenden<br />

Häfen zu Stützpunkten aus. 45.000<br />

Arbeiter der Organisation Todt ließen<br />

dort gewaltige Bunkeranlagen entstehen,<br />

in denen bis zu 20 U-Boote gleichzeitig<br />

gewartet und repariert werden<br />

konnten.<br />

Der Marinehistoriker Lars Hellwinkel<br />

schildert die Geschichte dieser<br />

Stützpunkte von ihrer Entstehung <strong>1940</strong><br />

bis zu ihrem Untergang 1944/45 und<br />

auch ihre Nachnutzung. Dabei thematisiert<br />

er zugleich das ambivalente Verhältnis<br />

der französischen Bevölkerung<br />

zu den deutschen Besatzern.<br />

224 Seiten, 153 Abb. s/w, 9 Karten,<br />

Ch. Links Verlag, Berlin 2012<br />

Preis: 34,90 EUR<br />

Die Überreste der „Varusschlacht“<br />

Neue Erkenntnisse zum Umgang der Germanen mit der Kriegsbeute<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Zu „Deutschlands einziger<br />

,Tiger’“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 4/2013:<br />

Deutschlands einziger Tiger – das<br />

ist so nicht richtig!<br />

Es gibt sehr wahrscheinlich noch einen<br />

Zweiten – allerdings nicht auf,<br />

sondern in der Erde.<br />

Beim Rückzug (oder Flucht) vor<br />

den Alliierten hatte sich 1945 in<br />

Memmelsdorf bei Bamberg eine<br />

deutsche Einheit „aufgelöst“. Alles<br />

an Ausrüstung was nicht gebraucht<br />

wurde, oder für das kein Treibstoff<br />

mehr vorhanden war, blieb stehen.<br />

Die Dorfbewohner befürchteten<br />

natürlich Repressalien der vorrückenden<br />

Alliierten und ließen die Geräte<br />

verschwinden: Der eine nahm<br />

den Kübelwagen, der nächste Lkw<br />

und FlaK usw. Nur der „Tiger“ bereitete<br />

ernsthafte Sorgen. In einer gemeinschaftlichen<br />

„Blitzaktion“ vergruben<br />

die Bewohner das Teil.<br />

Im Laufe der Zeit gerieten die Ereignisse<br />

immer mehr in Vergessenheit,<br />

so dass man schließlich sogar<br />

ein landwirtschaftliches Gebäude<br />

auf diesem „Grab“ errichtete.<br />

Jahrzehnte später stand eines<br />

dieser Fahrzeuge zum Verkauf. Der<br />

Käufer kam aus größerer Entfernung<br />

angereist und blieb daher über<br />

Nacht in diesem Ort. Abends kam er<br />

mit dem Verkäufer und anderen älteren<br />

Leuten aus dem Dorf ins Gespräch<br />

und erfuhr obige Geschichte.<br />

Den Mann, von dem ich diese Geschichte<br />

gehört habe, halte ich persönlich<br />

für sehr glaubhaft, zumal er<br />

bei seiner Tätigkeit – dem Restaurieren<br />

von Oldtimern aller Art – des<br />

Öfteren mit ungewöhnlichen Geschichten<br />

konfrontiert wird.<br />

Allerdings war er sich nicht mehr<br />

sicher, ob es sich in Memmelsdorf<br />

selber oder in einer der angrenzenden<br />

kleinen Ortschaften ereignete<br />

(...). Klaus Welzhofer, per E-Mail<br />

Zu „Feldmarschall Radetzky –<br />

Österreichs erfolgreicher Heerführer“<br />

in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 4/2013:<br />

In der Ausgabe 4/2013 ist ein Artikel<br />

über den öserreichischen Heerführer<br />

Sie ging als Schlacht im Teutoburger Wald<br />

in die Geschichte ein, die sogenannte Varusschlacht,<br />

in der im Jahre 9 n. Chr. ein römisches<br />

Heer einem Bündnis germanischer<br />

Stämme unterlag. Seit nunmehr 25 Jahren<br />

wird in Kalkriese nördlich von Osnabrück<br />

ein ausgedehntes Kampfareal archäologisch<br />

erforscht, das sehr wahrscheinlich als Ort<br />

dieser militärischen Auseinandersetzung<br />

identifiziert werden kann. Erstmals bietet<br />

sich hier die Chance, eine antike Feldschlacht<br />

mit modernen Methoden zu untersuchen<br />

und damit Grundlagen für die neue archäologische<br />

Forschungsrichtung der Schlachtfeld-<br />

bzw. Konfliktarchäologie zu erarbeiten.<br />

Die Universität Osnabrück und die „Varusschlacht<br />

im Osnabrücker Land GmbH“<br />

legen nun erstmals eine Gesamtbewertung<br />

des Kalkrieser Fundmaterials unter diesen<br />

Gesichtspunkten vor.<br />

Aufschlussreich ist vor allem die sehr<br />

unterschiedliche Verteilung der verschiedenen<br />

Arten römischer Militaria. So lässt die<br />

Konzentration von Bruchstücken römischer<br />

Wurflanzen verstärkte Angriffe der Römer<br />

mit Fernwaffen gegen den östlichen Abschnitt<br />

der germanischen Wallanlage vermuten.<br />

Fragmente von Schienen- und Kettenpanzern<br />

kennzeichnen Plätze, an denen<br />

Gefallene nach den Kämpfen ihrer Ausrüstung<br />

beraubt wurden.<br />

Diese und weitere neue Forschungsansätze<br />

werden von den Archäologen Achim<br />

Rost und Susanne Wilbers-Rost in der Publikation<br />

„Kalkriese 6. Die Verteilung der<br />

Kleinfunde auf dem Oberesch in Kalkriese –<br />

Kartierung und Interpretation der<br />

römischen Militaria unter Einbeziehung der<br />

Befunde, (= Römisch Germanische Forschungen<br />

Band 70), Darmstadt/Mainz<br />

2012“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Schreiben Sie an:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

Clausewitz<br />

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MILITÄR & TECHNIK:<br />

Radetzky. Darin ist auf Seite 77 zu<br />

lesen, dass Radetzky am 2. März<br />

1831 fast 65-jährig von Kaiser Franz<br />

Joseph I. zum Generalkommandanten<br />

ernannt wird. Kaiser Franz Joseph<br />

I. ist 1830 erst geboren und<br />

war von 1848 bis 1916 Kaiser von<br />

Österreich.<br />

Michael Stöter, per E-Mail<br />

Anm. d. Red.: Der Leser hat Recht: Es<br />

muss Kaiser Franz I. und nicht Kaiser<br />

Franz Joseph I. heißen. Ersterer war<br />

Kaiser von Österreich bis 1835. Wir<br />

bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />

behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />

Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />

Clausewitz<br />

Das modernste<br />

Kamp flugzeug<br />

Messerschmitt<br />

Me 262<br />

Charkow 1943<br />

Letzter Ostfronterfolg<br />

der Wehrmacht<br />

Radetzky<br />

Österreichs<br />

legendärer<br />

Heerführer<br />

„Obersalzberg“<br />

Wohin Hitler vor der<br />

Realität floh<br />

„Völkerschlacht“ 1813<br />

Triumph über<br />

Napoleon<br />

Bergepanzer 2 der<br />

Bundeswehr<br />

Starke „Alleskönner“:<br />

Pionier- und Bergepanzer T-55T der NVA<br />

Die Universität<br />

Osnabrück legt<br />

erstmals eine<br />

Gesamtbewertung<br />

des Kalkrieser<br />

Fundmaterials zur<br />

Varusschlacht vor.<br />

Foto: Pressestelle<br />

Universität Osnabrück<br />

Generalfeldmarscha l Blücher:<br />

Energischster Gegner Napoleons<br />

Clausewitz 5/2013<br />

9


Titelgeschichte<br />

Nordfrankreich <strong>1940</strong><br />

Das „Wunder von<br />

24. Mai <strong>1940</strong>: Die Wehrmacht ist unerwartet schnell bis zur Kanalküste vorgestoßen.<br />

Als den bei Du?nkirchen eingekesselten Alliierten die Vernichtung droht, trifft Hitler mit<br />

seinem „Halt-Befehl“ eine folgenschwere Entscheidung.<br />

Von Tammo Luther<br />

10


<strong>Dünkirchen</strong>“<br />

UNTER BESCHUSS:<br />

Hunderttausende von britischen und französischen<br />

Soldaten harren entlang der Kanalküste bei<br />

<strong>Dünkirchen</strong> aus und hoffen auf ihre baldige Evakuierung.<br />

Dabei sind sie immer wieder Störfeuer<br />

ausgesetzt.<br />

Foto: ullstein bild<br />

Clausewitz 5/2013<br />

11


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

ERFOLGREICHER VORSTOß:<br />

Zurückgelassenes Kriegsgerät der Alliierten im<br />

belgischen Küstenort De Panne. Auf ihrem Rückzug<br />

vor der unablässig nachstoßenden Wehrmacht<br />

müssen die Briten und Franzosen nahezu ihr<br />

gesamtes Kriegsgerät zurücklassen.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

12


Durchbruch zur Kanalküste<br />

FAKTEN<br />

Deutsches Reich<br />

Strategische und taktische Zielsetzungen<br />

Einschließung des in und um <strong>Dünkirchen</strong> zusammengezogenen<br />

Britischen Expeditionskorps und der französischen 1. Armee;<br />

Einnahme der Hafenstadt an der Kanalküste, um die Evakuierung<br />

der Alliierten nach England zu verhindern.<br />

Befehlshaber<br />

Generaloberst Gerd von Rundstedt (Oberbefehlshaber HGr. A)<br />

Generaloberst Fedor von Bock (Oberbefehlshaber HGr. B)<br />

Clausewitz 5/2013<br />

13


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

FAKTEN<br />

Alliierte<br />

Strategische und taktische Zielsetzungen<br />

Abwehr des deutschen Vorstoßes auf <strong>Dünkirchen</strong><br />

und Verteidigung der Hafenstadt bis<br />

zum Abschluss der Evakuierung der britischen<br />

und französischen Soldaten über die<br />

Straße von Dover/Calais nach England.<br />

Befehlshaber<br />

Field Marshal Lord John Gort (Befehlshaber<br />

British Expeditionary Force; später Generalmajor<br />

Harold Alexander)<br />

General Maxime Weygand (Oberkommandierender<br />

der alliierten Streitkräfte in<br />

Frankreich)<br />

Admiral Jean-Marie Abrial (Stadtkommandant<br />

von <strong>Dünkirchen</strong>)<br />

Vice Admiral Bertram Ramsay<br />

(Hafenkommandant von<br />

Dover; Verantwortlicher für<br />

die Operation „Dynamo“)<br />

14


Flucht nach England<br />

DRAMATISCHE SZENEN:<br />

Die an der französischen Kanalküste bei <strong>Dünkirchen</strong><br />

zusammengedrängten Alliierten versuchen,<br />

den Widerstand so lange wir möglich aufrechtzuerhalten<br />

und über den Kanal nach England zu<br />

entkommen. Foto: ullstein bild – The Granger Collection<br />

Clausewitz 5/2013<br />

15


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

Ursprünglich wollte Hitler im Westen<br />

bereits Ende 1939 eine großangelegte<br />

Offensive starten, um nach Polen auch<br />

Frankreich in einem militärischen Feldzug<br />

niederzuwerfen und die britische Regierung<br />

zum Friedensschluss zu bewegen.<br />

Doch der Angriffstermin muss schließlich<br />

aus verschiedenen Gründen wiederholt verschoben<br />

werden, sodass die deutsche Offensive<br />

im Westen („Fall Gelb“) erst am 10. Mai<br />

<strong>1940</strong> – nach einem monatelangen „Sitzkrieg“<br />

ohne größere Kampfhandlungen – beginnen<br />

kann.<br />

„Fall Gelb“ basiert auf einem von Generalleutnant<br />

Erich von Manstein entworfenen<br />

Operationsplan und sieht einen Angriff der<br />

Heeresgruppe (HGr.) B unter Generaloberst<br />

Fedor von Bock auf die neutralen Staaten<br />

Belgien und Niederlande und einen Vorstoß<br />

der HGr. A unter Generaloberst Gerd von<br />

Rundstedt durch die Ardennen auf die französische<br />

Kanalküste vor. Die weiter südlich<br />

gegenüber der im wesentlichen bis 1936 er-<br />

GUT MOTORISIERT:<br />

Deutsche Panzer stoßen<br />

binnen weniger<br />

Tage weit ins Innere<br />

Frankreichs hinein<br />

und erreichen bereits<br />

am 20. Mai die Kanalküste.<br />

Die Panzerwaffe<br />

ist ein wichtiger<br />

Garant für den aus<br />

deutscher Sicht erfolgreichen<br />

Ausgang<br />

des „Westfeldzuges“.<br />

Foto: picture-alliance/Mary<br />

Evans Picture Library/Robert<br />

Hunt Collection<br />

richteten und stark befestigten Maginot-Linie<br />

stehende HGr. C soll vor allem Feindkräfte<br />

binden. Ziel ist es, die nördlich der<br />

Somme stehenden britischen und französischen<br />

Truppen vom übrigen Frankreich abzuschneiden<br />

(„Sichelschnittplan“).<br />

Abschnürung des Gegners<br />

Das strategische Ziel der Offensive wird in<br />

der Aufmarschanweisung für „Fall Gelb“,<br />

die in Form eines Befehls des Oberkommandos<br />

des Heeres überliefert ist, wie folgt beschrieben:<br />

„Der Angriff ,Gelb’ bezweckt,<br />

durch rasche Besetzung Hollands das niederländische<br />

Hoheitsgebiet dem Zugriff<br />

Englands zu entziehen, durch Angriff über<br />

belgisches und luxemburgisches Gebiet<br />

möglichst starke Teile des französisch-englischen<br />

Heeres zu schlagen und damit die Vernichtung<br />

der militärischen Machtmittel des<br />

Feindes anzubahnen.“<br />

Tatsächlich gelingt es den Panzerverbänden<br />

der HGr. A, mittels eines überraschenden<br />

HOFFEN AUF RETTUNG: Scheinbar endlose<br />

Schlangen von Soldaten bilden sich an den<br />

Küstenabschnitten um <strong>Dünkirchen</strong>. Hunderttausende<br />

warten auf die rettenden Schiffe<br />

aus England. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture<br />

Library/Robert Hunt Collection<br />

Vorstoßes nördlich der Maginot-Linie durch<br />

Luxemburg und die Ardennen sowie des erfolgreichen<br />

Durchbruchs in der Schlacht von<br />

Sedan (13. bis 15. Mai), den Gegner in schwere<br />

Bedrängnis zu bringen. Die Heeresgruppen-Verbände<br />

überqueren hier mit dem<br />

XIX. Armeekorps (1., 2. und 10. Pz.Div.) unter<br />

General der Panzertruppe Heinz Guderian<br />

die Maas mit der Absicht, von einem sicheren<br />

Maasübergang aus tief nach Nordwesten<br />

in Richtung Kanalküste anzugreifen.<br />

Ihr Ziel ist es, in den Rücken der gemäß dem<br />

alliierten „Dyle-Plan“ nach Belgien vorgerückten<br />

britisch-französischen Truppen vorzustoßen.<br />

Die Schlacht bildete den wichtigsten Baustein<br />

des deutschen Plans zur Einkreisung<br />

und Abschnürung der alliierten Armeen in<br />

Belgien und im Nordosten Frankreichs.<br />

Mitte Mai treiben die Deutschen die Einschnürung<br />

der alliierten Verbände voran.<br />

Auch die nördlich operierende HGr. B erzielt<br />

mit der Einnahme wichtiger strategischer<br />

Punkte entlang des Albert-Kanals und der<br />

Maas sowie mit dem Durchbruch durch die<br />

Dyle-Stellung große militärische Erfolge.<br />

Bereits wenige Tage nach Beginn der<br />

Großoffensive im Westen hat die Wehrmacht<br />

– unterstützt durch mehrere waghalsige<br />

Luftlandeunternehmen – die „Festung Holland“<br />

erstürmt und die Niederlande unter<br />

ihrem Oberbefehlshaber General Henri Winkelman<br />

am 15. Mai zur Kapitulation gezwungen.<br />

Auch Belgien ist militärisch hoffnungslos<br />

unterlegen und steht trotz örtlich<br />

erbitterten Kampfes schnell am Rand einer<br />

Niederlage.<br />

16


Überraschende Wucht des Angriffs<br />

MIT ERHOBENEN HÄNDEN: Britische Soldaten<br />

des Expeditionskorps ergeben sich.<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/<br />

Robert Hunt Collection<br />

Nicht nur die Alliierten, sondern auch die<br />

Generale der Wehrmacht selbst sind von der<br />

Wucht und Schnelligkeit des deutschen Angriffs,<br />

der sich stark auf die Luftwaffe und<br />

motorisierte Verbände stützt, überrascht.<br />

Während im Ersten Weltkrieg im Jahr<br />

1916 an der Somme in einem Stellungskrieg<br />

um jeden Meter Boden gerungen wurde und<br />

diese grausame Schlacht Hunderttausende<br />

von Opfern auf beiden Seiten forderte, erreichen<br />

die Spitzen der 2. Panzerdivision des<br />

XIX. Armeekorps (A.K.) unter General der<br />

Panzertruppe Heinz Guderian nur zehn Tage<br />

nach Beginn des Feldzuges, am 20. Mai<br />

<strong>1940</strong>, die Atlantikküste bei Noyelles unweit<br />

Abbéville.<br />

Vormarsch der Panzertruppe<br />

Allerdings können die Alliierten mit einem<br />

Gegenangriff bei Arras verhindern, dass die<br />

wichtigen Kanalhäfen Calais und <strong>Dünkirchen</strong><br />

vorzeitig von der Wehrmacht erobert<br />

werden. Dennoch verschlechtert sich die Lage<br />

der Verbündeten auch unter dem neuen<br />

Oberbefehlshaber General Maxime Weygand,<br />

der auf den glücklosen Maurice Gamelin<br />

folgt, zusehends. Denn die britische Expeditionsarmee<br />

unter Lord Gort sowie starke<br />

französische Kräfte stehen entlang der<br />

Kanalküste bei <strong>Dünkirchen</strong>. Für sie besteht<br />

die Gefahr, dem massiven Druck der HGr. B<br />

im Norden und der HGr. A im Süden nicht<br />

standhalten zu können. Die Ausschaltung<br />

beziehungsweise Vernichtung von Hunderttausenden<br />

alliierter Soldaten droht.<br />

Am 22. Mai starten die Panzer Guderians,<br />

die bereits während des Feldzuges gegen Polen<br />

durch schnelle Vorstöße wichtige Erfolge<br />

erzielten, den Angriff in Richtung Calais und<br />

stehen am 24. Mai weniger als 20 Kilometer<br />

vor <strong>Dünkirchen</strong>.<br />

BIOGRAPHIE<br />

Hermann Recknagel – „Eroberer von <strong>Dünkirchen</strong>“<br />

Im Jahr 1892 geboren, tritt Recknagel 1913 als<br />

Offiziersanwärter in das Infanterie-Regiment<br />

„von Wittich“ (3. Kurhessisches) Nr. 83 ein. Am<br />

6. August 1914 zum Leutnant befördert, kämpft<br />

er anschließend mit seinem Regiment an der<br />

Westfront, später dann auch im Osten.<br />

Nach seiner mit dem Kriegsende bedingten<br />

Entlassung tritt Recknagel in das Freikorps Maercker<br />

ein. 1920 übernimmt man ihn in die Reichswehr,<br />

in der er 1921 Adjutant im 12. Infanterie-Regiment<br />

wird. Als Chef der 14. Kompanie bringt er<br />

es am 1. Oktober 1926 zum Hauptmann. Bei<br />

gleichzeitiger Beförderung zum Major ernennt<br />

man ihn am 1. Oktober 1934 zum Kommandeur<br />

des II. Bataillons des Infanterie-Regiments 54 in<br />

Glogau. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wird<br />

Recknagel schließlich Kommandeur des Regiments,<br />

das er zunächst während des Polenfeldzuges<br />

befehligt. Recknagel, mittlerweile Oberst,<br />

führt sein Regiment ab Mai <strong>1940</strong> im Westfeldzug.<br />

Für die Eroberung der Stadt <strong>Dünkirchen</strong> durch die<br />

Soldaten seines Infanterie-Regiments 54 erhält er<br />

am 5. August <strong>1940</strong> das „Ritterkreuz des Eisernen<br />

Kreuzes“.<br />

Recknagel kämpft anschließend im Rahmen<br />

des „Unternehmens Barbarossa“ seit 1941 an<br />

der Ostfront, unter anderem seit 1942 als Kommandeur<br />

der 111. I.D. und 1944 als Kommandierender<br />

General des XXXXII. A.K. Er stirbt Anfang<br />

1945 bei Kämpfen in Polen.<br />

HOCHDEKORIERT: Hermann Recknagel erhält als<br />

Kommandeur des Infanterie-Regiments 54 für die<br />

Eroberung der Stadt <strong>Dünkirchen</strong> das „Ritterkreuz“.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

Clausewitz 5/2013<br />

17


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

Doch ein Befehl von höchster Stelle auf<br />

deutscher Seite sorgt dafür, dass die in erhebliche<br />

Bedrängnis geratenen Franzosen,<br />

Engländer und am Kampf bei <strong>Dünkirchen</strong><br />

beteiligten Belgier Zeit zum Durchatmen erhalten.<br />

Denn am 24. Mai <strong>1940</strong> trifft Hitler eine<br />

Entscheidung, die den weiteren Verlauf<br />

des Kampfes im Westen und vielleicht sogar<br />

des Zweiten Weltkrieges maßgeblich beeinflussen<br />

sollte.<br />

Hitler greift ein<br />

Während Guderian und das Oberkommando<br />

des Heeres unter Generaloberst Walther<br />

von Brauchitsch und seinem Stabschef General<br />

der Artillerie Franz Halder sich eindeutig<br />

für eine Fortsetzung des Vorstoßes auf <strong>Dünkirchen</strong><br />

aussprechen, entscheidet Hitler anders:<br />

Er folgt der Einschätzung Rundstedts,<br />

der sich für ein Anhalten der schnellen Truppe<br />

an der erreichten Kanallinie nordwestlich<br />

von Arras ausspricht, um den von der HGr. B<br />

gedrängten Feind als eine Art „Amboss“ aufzufangen.<br />

Diese Vorgehensweise würde es<br />

dem Oberkommando der HGr. A zudem ermöglichen,<br />

die Verbände neu zu ordnen und<br />

die nachrückenden Infanterieeinheiten zu<br />

den weit vorgerückten Panzerspitzen aufschließen<br />

zu lassen.<br />

Darüber hinaus hat der Oberbefehlshaber<br />

der Luftwaffe, Hermann Göring, noch am<br />

23. Mai in einem Ferngespräch mit Hitler gewohnt<br />

großspurig angekündigt, die deutsche<br />

Luftwaffe werde die in Nordfrankreich<br />

TRÜMMERLANDSCHAFT: Zwei Messerschmitt Bf 110 der Luftwaffe über dem zerstörten<br />

Zentrum von <strong>Dünkirchen</strong>.<br />

Foto: ullstein bild<br />

versammelte britisch-französische Armee<br />

zerschlagen.<br />

Der „Führer“ gibt schließlich am 24. Mai<br />

<strong>1940</strong> um 12:45 Uhr den folgenreichen Befehl,<br />

den Vormarsch auf <strong>Dünkirchen</strong> anzuhalten<br />

und die Linie Lens – Béthune – Aire – St.<br />

Omer – Gravelines nicht zu überschreiten.<br />

Was <strong>Hitlers</strong> Motiv für den sogenannten<br />

„Halt-Befehl“ vom 24. Mai betrifft, hat die<br />

ANGETRETEN: Morgenappell einer deutschen Einheit<br />

an der Wegekreuzung Lille/<strong>Dünkirchen</strong>. Im Hintergrund<br />

ist ein Flak-Beobachtungsstand zu erkennen.<br />

Foto: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter<br />

Historikerzunft auch fast sieben Jahrzehnte<br />

nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch<br />

keine eindeutige Erklärung gefunden.<br />

Folgenreicher „Halt-Befehl“<br />

Fürchteten Hitler und der Oberbefehlshaber<br />

der HGr. A Generaloberst von Rundstedt,<br />

dessen Verbände die Hauptlast des Angriffs<br />

trugen, eine Abschnürung der vorausgeeilten<br />

Panzerspitzen durch eine koordinierte<br />

Aktion des Gegners? Sahen sie die Gefahr,<br />

sich in einer Vernichtungsschlacht im sumpfigen<br />

Flachland von Flandern zu verzetteln,<br />

bevor die französische Hauptstreitmacht im<br />

18


EXKLUSIV<br />

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Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

VOLLTREFFER: Ein durch deutsche Sturzkampfbomber<br />

zerstörtes Schiff am Strand bei<br />

<strong>Dünkirchen</strong>. Obwohl die Luftwaffe zahlreiche<br />

Seefahrzeuge der Alliierten vernichten kann,<br />

erreichen viele Hundert Schiffe ihr Ziel an<br />

Englands Südküste. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Süden des Landes vollständig niedergerungen<br />

war? Wollte Hitler sich eine mögliche<br />

Verständigung mit Großbritannien durch eine<br />

Vernichtung des britischen Expeditionskorps<br />

nicht verbauen bzw. die eingeschlossene<br />

Expeditionsarmee als Unterpfand für<br />

Friedensverhandlungen einsetzen? Der Militärexperte<br />

Karl-Heinz Frieser spricht in diesem<br />

Zusammenhang von einer „Rebellion<br />

der Generäle im Oberkommando des Heeres<br />

gegen Hitler“. Seiner Ansicht nach ging es<br />

darum, wer bei operativen Entscheidungen<br />

das Sagen habe: der Generalstab oder Hitler.<br />

Der Diktator demonstrierte seinen hochrangigen<br />

Offizieren mit seiner Entscheidung seine<br />

Macht und griff – was sich auf deutscher<br />

Seite im weiteren Kriegsverlauf vielfach verhängnisvoll<br />

auswirken sollte – in die operative<br />

Kriegführung ein.<br />

Vieles spricht jedoch auch dafür, dass Hitler<br />

die Panzerkräfte für die eigentliche<br />

„Schlacht um Frankreich“ schonen wollte.<br />

Eine im Zusammenhang mit dem „Halt-<br />

Befehl“ aufkeimende „Vertrauenskrise“ –<br />

ausgelöst durch eine weder an Hitler noch<br />

an das Oberkommando der Wehrmacht<br />

(OKW) übermittelte, vom Oberkommando<br />

des Heeres (OKH) vorgenommene Änderung<br />

im Unterstellungsverhältnis der eingesetzten<br />

Panzerverbände – wird schließlich<br />

mit einer Anordnung des „Führers“ beendet.<br />

„Die Flotte brachte auf nahezu tausend Fahrzeugen<br />

aller Art über 335.000 Mann, Franzosen und Engländer,<br />

die sie dem Rachen des Todes und der Schande<br />

entrissen, herüber in ihr Heimatland...“<br />

Winston Churchill in seinen Erinnerungen über die Rettungsaktion von <strong>Dünkirchen</strong>.<br />

Ein Tagebucheintrag des Chefs des Wehrmachtführungsstabes<br />

im OKW, Generalmajor<br />

Alfred Jodl, mit Datum vom 24. Mai <strong>1940</strong><br />

belegt dies anschaulich.<br />

DOKUMENT<br />

„Um 11:30 Uhr trifft der Führer ein und<br />

lässt sich durch den O.B. [Oberbefehlshaber]<br />

der Heeresgruppe über die Lage unterrichten.<br />

Der Auffassung, dass ostwärts Arras<br />

von der Infanterie angegriffen werden<br />

müsse, die schnellen Truppen dagegen an<br />

der erreichten Linie – Lens – Bethune – Aire<br />

– St. Omer – Gravelines angehalten werden<br />

können, um den von Heeresgruppe B<br />

Darin heißt es unter anderem:<br />

„Führer fliegt mit mir und Schmundt [Oberst<br />

Rudolf Schmundt, Chefadjutant des Heeres<br />

beim ,Führer und Obersten Befehlshaber der<br />

Wehrmacht’] zur HGr. A nach Charleville. Ist<br />

sehr erfreut über die Maßnahme der HGr., die<br />

sich ganz mit seinen Gedanken decken. Er erfährt<br />

zu seiner Überraschung, dass OKH, ohne<br />

dem Führer und dem OKW Kenntnis zu<br />

geben, die 4. Armee und eine Reihe rückwärts<br />

folgender Divisionen der HGr. B unterstellt.<br />

Führer ist sehr unwillig und hält diese Regelung<br />

nicht nur militärisch, sondern auch psychologisch<br />

für falsch.“<br />

Allen Vermutungen und Querelen zum<br />

Trotz: Fest steht, dass der „Halt-Befehl“ den<br />

Briten und den Franzosen Ende Mai <strong>1940</strong><br />

wertvolle Zeit gibt, um einen wirksamen<br />

Verteidigungsring um <strong>Dünkirchen</strong> zu errichten<br />

und groß angelegte Maßnahmen zur Einschiffung<br />

ihrer Truppen zu ergreifen. Und<br />

tatsächlich bestätigt die Aufklärung der<br />

KTB-Eintrag (Auszug) HGr. A vom 24. Mai <strong>1940</strong><br />

gedrängten Feind ,aufzufangen’ stimmt er<br />

voll und ganz zu. Er unterstreicht sie durch<br />

die Betonung, dass es überhaupt notwendig<br />

sei, die Panzerkräfte für die kommenden<br />

Operationen zu schonen, und dass eine<br />

weitere Einengung des Einschließungsraumes<br />

nur eine höchst unerwünschte<br />

Einschränkung der Tätigkeit der Luftwaffe<br />

zur Folge haben würde.“<br />

20


Streit zwischen den Alliierten<br />

Luftwaffe, dass sich feindliche Kriegsschiffe<br />

im Hafen von <strong>Dünkirchen</strong> befinden, sodass<br />

die deutsche Seite von einer Einschiffungsaktion<br />

ausgehen muss.<br />

Der Vormarsch geht weiter<br />

Daraufhin erteilt Hitler am 26. Mai den Befehl<br />

zum weiteren Vorgehen, um – so von<br />

Brauchitsch nach einer Unterredung beim<br />

„Führer“ – „den Abtransport des Feindes“<br />

zu stoppen.<br />

Der Kampf um die Stadt <strong>Dünkirchen</strong> dauert<br />

vom 27. Mai bis zum 4. Juni an.<br />

Während der durch den „Halt-Befehl“ bedingten<br />

„Atempause“ errichteten die Alliierten<br />

ein tief gestaffeltes Verteidigungssystem,<br />

das das Vordringen der deutschen Verbände<br />

erheblich erschweren sollte. Churchill befiehlt<br />

dem neu ernannten Oberbefehlshaber<br />

des Britischen Expeditionskorps, Generalmajor<br />

Harold Alexander, den Verteidigungsring<br />

um <strong>Dünkirchen</strong> solange wie möglich zu<br />

halten, um die angelaufene Evakuierungsaktion<br />

„Dynamo“ fortführen zu können. Gemeinsam<br />

mit dem französischen Stadtkommandanten<br />

von <strong>Dünkirchen</strong>, Admiral Jean-<br />

Marie Abrial, versuchen Alexander und<br />

seine Soldaten – trotz aufkeimender ernsthafter<br />

Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />

der französischen und britischen Militärführung<br />

über Dauer und Umfang der<br />

Evakuierung –, dem Druck standzuhalten<br />

und die Einschiffung voranzutreiben.<br />

Als erschwerend für die Angreifer erweist<br />

sich, dass der Endkampf um den Kessel von<br />

<strong>Dünkirchen</strong> auf deutscher Seite offensichtlich<br />

unzureichend koordiniert ist und die<br />

Panzerverbände für die anstehenden Kämpfe<br />

im Süden Frankreichs abgezogen werden.<br />

Dennoch gelingt es der deutschen Artillerie<br />

von den mittlerweile eroberten Kleinstädten<br />

Gravelines und Nieuwpoort aus, die Hafeneinfahrt<br />

von <strong>Dünkirchen</strong> und die Schiffsrouten<br />

der alliierten Evakuierungsaktion mit<br />

Störfeuer zu belegen.<br />

Der Einschließungsring zieht sich immer<br />

stärker zu. Dies führt dazu, dass sich Briten<br />

und Franzosen auf einen mittlerweile nur<br />

KARTE<br />

noch wenige Kilometer breiten Streifen entlang<br />

des Kanals zurückziehen müssen. Die<br />

letzte Phase des Kampfes um <strong>Dünkirchen</strong><br />

hat begonnen.<br />

Die Schlinge zieht sich zu<br />

Zu diesem Zeitpunkt, am 2. Juni <strong>1940</strong>, gibt<br />

das OKW bekannt: „In hartem Kampf wurde<br />

der von den Engländern auch gestern zäh<br />

Kampf um <strong>Dünkirchen</strong> Mai/Juni <strong>1940</strong><br />

ABGESCHNITTEN: Die britisch-französischen Truppen werden am Küstenabschnitt um<br />

<strong>Dünkirchen</strong> eingekesselt. Ihnen bleibt nur die Flucht über den Seeweg.<br />

GESCHLAGEN:<br />

Der französische<br />

Oberbefehlshaber,<br />

General Maxime<br />

Weygand, muss sich<br />

dem Druck des<br />

Gegners beugen.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

akg-images<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

21


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

Sie können auf Hunderten von Seefahrzeugen<br />

unterschiedlichster Art zwischen<br />

dem 26. Mai und dem 4. Juni <strong>1940</strong> immerhin<br />

fast 340.000 Mann, davon etwa ein Drittel<br />

Franzosen, über den Kanal auf die Britischen<br />

Inseln retten und ihr angeschlagenes Heer<br />

im Anschluss wieder aufbauen. Görings<br />

vollmundige Ankündigung als Oberbefehlshaber<br />

der Luftwaffe, „den Gegner im flandrischen<br />

Kessel mit seiner Luftwaffe zu vernichten“,<br />

bleiben hingegen leere Worte.<br />

DICHT GEDRÄNGT: Britische Soldaten während der Operation „Dynamo“, der Evakuierung<br />

der Alliierten.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

verteidigte Küstenstreifen beiderseits <strong>Dünkirchen</strong><br />

von Osten her weiter eingedrückt.<br />

(...) Die Gefangenen- und Beutezahlen stiegen<br />

auch gestern erheblich. Allein bei einer<br />

Armee wurden 200 Geschütze aller Kaliber<br />

erbeutet.“<br />

Erfolgreiche Evakuierung<br />

Bis zur Einnahme der Stadt durch Soldaten<br />

des Infanterie-Regiments 54 (18. Infanteriedivision)<br />

vergehen noch weitere zwei Tage.<br />

Heeresgeneralstabschef Halder notiert am<br />

4. Juni <strong>1940</strong> in sein Kriegstagebuch: „Stadt<br />

und Küste in unserer Hand. Engländer/<br />

Franzosen sind weg.“<br />

Während die Evakuierung des Britischen<br />

Expeditionskorps und französischer Einheiten<br />

in der NS-Propaganda als „Glorreicher<br />

Rückzug“ und „Englands Flucht vom Kontinent“<br />

verspottet wird, feiern vor allem die<br />

Briten das Ergebnis der Operation „Dynamo“<br />

als „Wunder von <strong>Dünkirchen</strong>“.<br />

Großbritannien kämpft weiter<br />

Zwar kann die Wehrmacht rund zwei Wochen<br />

später den „Blitzkrieg“ gegen Frankreich<br />

siegreich beenden, doch insbesondere<br />

England erweist sich unter seinem unnachgiebigen<br />

Premierminister Winston Churchill<br />

als kampfbereiter und ernstzunehmender<br />

Gegner für das „Dritte Reich“. <strong>Hitlers</strong> Annahme,<br />

Großbritannien sei nach der Niederlage<br />

Frankreichs zu einem „Kompromissfrieden“<br />

mit Deutschland bereit, bewahrheitet<br />

sich nicht. Winston Churchill ist nicht bereit,<br />

einzulenken und die 1939/40 „erkämpfte“<br />

deutsche Weltmachtstellung so ohne weiteres<br />

hinzunehmen. Auf deutscher Seite wer-<br />

Literaturtipps<br />

Hans-Adolf Jacobsen: <strong>Dünkirchen</strong>. Ein Beitrag<br />

zur Geschichte des Westfeldzuges <strong>1940</strong>, Neckargemünd<br />

1958.<br />

Hans Umbreit: Der Kampf um die Vormachtstellung<br />

in Westeuropa, in: Das Deutsche Reich und<br />

der Zweite Weltkrieg, Bd. 2, hrsg. v. MGFA, Stuttgart<br />

1979, S. 235–327.<br />

22


Geplante Landungsoperation<br />

VOR ORT: Großadmiral Erich Raeder (im<br />

Ledermantel) macht sich in <strong>Dünkirchen</strong> ein<br />

Bild vom Ausmaß der Zerstörungen.<br />

Foto: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter<br />

den daher die bereits in das Jahr 1939 zurückreichenden<br />

Planungen für eine Invasion<br />

Englands wiederaufgenommen und<br />

nach dem Waffenstillstand mit Frankreich<br />

Ende Juni <strong>1940</strong> intensiviert. Schnell stellt<br />

sich heraus: Konkrete Pläne für eine über<br />

den Sieg im Westen hinausreichende Kriegführung<br />

existieren nicht.<br />

Am 27. Juni legt die Luftwaffenführung<br />

Hitler eine Studie über eine mögliche Luftlandeoperation<br />

in Südengland vor, die der<br />

„Führer“ jedoch verwirft. Noch immer hofft<br />

er auf eine politische Lösung des Konfliktes<br />

mit England.<br />

„Operation Seelöwe“<br />

Als sich immer stärker abzuzeichnen beginnt,<br />

dass eine friedliche Lösung unwahrscheinlich<br />

ist, lässt Hitler konkretere Pläne<br />

zu einer möglichen Landung auf den Britischen<br />

Inseln ausarbeiten.<br />

„Unter bestimmten Voraussetzungen,<br />

deren wichtigste ist, die Luftüberlegenheit<br />

zu erringen, kann eine Landung in England<br />

in Frage kommen. Der Zeitpunkt bleibt<br />

AUSGEBRANNT: Eine zerstörte alliierte<br />

Fahrzeugkolonne in einer von der Wehrmacht<br />

eroberten Ortschaft im Nordwesten Frankreichs.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

„Stadt und Küste in unserer Hand.<br />

Franzosen/Engländer sind weg.“<br />

Eintrag im Kriegstagebuch des Chefs des Generalstabs des Heeres,<br />

General Franz Halder, vom 4. Juni <strong>1940</strong>.<br />

demnach völlig offen. Vorbereitungen für<br />

die Durchführung zu einem möglichst frühen<br />

Zeitpunkt sind einzuleiten“, heißt es in<br />

einer Geheimen Kommandosache des<br />

OKW vom 2. Juli <strong>1940</strong> „Betr.: Kriegführung<br />

gegen England“.<br />

Zwei Wochen später erteilt Hitler die<br />

„Weisung Nr. 16 über die Vorbereitungen einer<br />

Landungsoperation gegen England“.<br />

Darin heißt es unter anderem:<br />

„Da England, trotz seiner militärisch aussichtslosen<br />

Lage, noch keine Anzeichen einer<br />

Verständigungsbereitschaft zu erkennen<br />

gibt, habe ich mich entschlossen, eine Landungsoperation<br />

gegen England vorzubereiten<br />

und, wenn nötig, durchzuführen.<br />

Zweck dieser Operation ist es, das englische<br />

Mutterland als Basis für die Fortführung<br />

des Krieges gegen Deutschland auszuschalten<br />

und, wenn es erforderlich sein sollte,<br />

in vollem Umfang zu besetzen.“<br />

Dass Hitler keine große Begeisterung für<br />

eine Landung in England (Tarnname: „Operation<br />

Seelöwe“) entwickelt, wird aus der<br />

Formulierung deutlich, eine Landungsoperation<br />

nur „wenn nötig“ durchzuführen.<br />

Auch Großadmiral Erich Raeder als Oberbefehlshaber<br />

der Kriegsmarine verweist immer<br />

wieder auf die mit einer möglichen Landung<br />

verbundenen Schwierigkeiten.<br />

Invasionspläne auf Eis gelegt<br />

Als Hitler am 19. Juli <strong>1940</strong> in seiner Reichstagsrede<br />

in Berlin ein „Friedensangebot“ an<br />

London – einen „Appell an die Vernunft in<br />

England“ – richtet und die britische Regierung<br />

darauf nicht eingeht, erteilt Hitler Anfang<br />

August <strong>1940</strong> die „Weisung Nr. 17 für die<br />

Führung des Luft- und Seekrieges gegen<br />

England“. Darin befiehlt er der deutschen<br />

Fliegertruppe, „mit allen zur Verfügung stehenden<br />

Kräften die englische Luftwaffe<br />

möglichst bald niederzukämpfen“.<br />

Doch diese von allen führenden Militärs<br />

formulierte Grundvoraussetzung für die<br />

Durchführung einer Landungsoperation<br />

lässt sich im Herbst des Jahres <strong>1940</strong> nicht erfüllen.<br />

Eine deutsche Luftüberlegenheit über<br />

dem Ärmelkanal ist illusorisch.<br />

Während der bereits stattfindenden<br />

„Luftschlacht über England“ muss sich die<br />

Luftwaffe der Royal Air Force geschlagen geben.<br />

Hitler entscheidet sich schließlich dafür,<br />

bis zur „weiteren Klärung der Gesamtlage“<br />

abzuwarten. Diese lässt eine Invasion Englands<br />

– auch infolge des „Wunders von <strong>Dünkirchen</strong>“<br />

– schließlich nicht mehr zu.<br />

Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher<br />

Redakteur von <strong>CLAUSEWITZ</strong>, freier Autor und Lektor<br />

in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts“.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

23


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

ZUVERSICHTLICH:<br />

Britische Soldaten warten<br />

auf einem aus Fahrzeugen<br />

provisorisch errichteten<br />

Pier am Strand von <strong>Dünkirchen</strong><br />

auf ihre Einschiffung.<br />

Foto: Ullstein bild – TopFoto<br />

24


Evakuierung der Alliierten nach England<br />

Mit dem Rücken<br />

zum Meer<br />

Ende Mai <strong>1940</strong>: Fast 400.000 britische und französische Soldaten harren bei <strong>Dünkirchen</strong><br />

an der Kanalküste aus und hoffen inständig auf ihre Evakuierung. Unterdessen zieht sich<br />

der deutsche Einschließungsring seit dem 27. Mai immer enger zu. Von Tammo Luther<br />

Zur gleichen Zeit auf der anderen Seite<br />

des Kanals: Der aus dem Ruhestand reaktivierte<br />

Bertram Ramsay, nun Hafenkommandant<br />

von Dover, leitet die Aktion,<br />

die das Gros der British Expeditionary Force<br />

(BEF) nach England holen und vor dem Zugriff<br />

der Deutschen retten soll.<br />

Zur Evakuierung im Rahmen der Operation<br />

„Dynamo“ werden alle verfügbaren<br />

Seefahrzeuge – vom Kriegsschiff über den<br />

Fischkutter bis zum Rettungsboot – eingesetzt.<br />

Insgesamt etwa 850 Schiffe, Boote, Fähren<br />

und andere Wasserfahrzeuge schickt<br />

Ramsay nach Frankreich, um Briten und<br />

auch Franzosen vor dem Tod, der Verwundung<br />

oder der Kriegsgefangenschaft zu bewahren.<br />

Die Ausgangslage für die auf engem<br />

Raum um die Hafenstadt <strong>Dünkirchen</strong> zusammengedrängten<br />

alliierten Soldaten ist alles<br />

andere als günstig: Denn als am 27. Mai<br />

heftige deutsche Luftangriffe auf den Hafen<br />

und die Stadt einsetzen, werden mehrere alliierte<br />

Schiffe versenkt. Schließlich müssen<br />

die auf ihre Evakuierung wartenden britisch-französischen<br />

Truppen das schwer getroffene<br />

Hafengebiet räumen.<br />

qualmenden Trümmerlandschaft des Hafens<br />

von <strong>Dünkirchen</strong> und der tief hängenden<br />

Wolken für die deutsche Luftwaffe erheblich<br />

beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass sich die<br />

Flieger der Royal Air Force (RAF) als unbequemer<br />

Gegner für Görings Luftwaffe erweisen,<br />

die die groß angelegte Evakuierungsaktion<br />

der Alliierten nicht wirksam unterbinden<br />

kann.<br />

Insgesamt fallen nun nur wenige Bomben<br />

auf das Hafengebiet von <strong>Dünkirchen</strong>, dessen<br />

Ostmole sich offensichtlich doch als An- und<br />

Ablegestelle für Kriegsschiffe eignet.<br />

Schätzungsweise fast 18.000 Soldaten<br />

können dadurch bis zum Abend des 28. Mai<br />

<strong>1940</strong> über die Straße von Calais in Richtung<br />

Britische Inseln transportiert werden, davon<br />

fast 12.000 Soldaten vom Hafen <strong>Dünkirchen</strong><br />

aus.<br />

In den folgenden Tagen bis zum 1. Juni<br />

<strong>1940</strong> gelingt es den Briten, die Zahl der Evakuierungen<br />

weiter zu steigern. Da das anhaltend<br />

schlechte Wetter keine größeren<br />

Luftangriffe zulässt, kommen die deutschen<br />

Heeresverbände gegen die trotz ihrer bedrängten<br />

Lage gut organisierten Verteidiger<br />

nur langsam voran. Zwar gelingt den Angreifern<br />

die Gefangennahme von mehreren<br />

Zehntausend vorwiegend französischen Soldaten,<br />

doch allein am 31. Mai sind es fast<br />

70.000 Briten und Franzosen, die sich dem<br />

deutschen Zugriff über den Seeweg entziehen<br />

können.<br />

Verluste der Royal Navy<br />

Diese Erfolge müssen jedoch mit zum Teil<br />

hohen Verlusten erkauft werden: Als die<br />

Royal Navy allein am 1. Juni vier Zerstörer<br />

und mehrere weitere Schiffe verliert, gibt Vice<br />

Admiral Bertram Ramsay den Befehl,<br />

<strong>Dünkirchen</strong> nur noch im Schutz der nächtlichen<br />

Dunkelheit anzulaufen.<br />

Dennoch: Drei Tage später, am 4. Juni<br />

meldet der britische Radiosender BBC:<br />

Riskante Evakuierungsaktion<br />

Auf britischer Seite sieht man nun keine<br />

Möglichkeit mehr, über die schwer beschädigten<br />

Hafenkais die Soldaten an Bord der<br />

Schiffe zu holen. Man entscheidet sich daher<br />

für eine Einschiffung über den Strandabschnitt<br />

zwischen <strong>Dünkirchen</strong> und dem Badeort<br />

De Panne im äußersten Westen Belgiens.<br />

Fehlende Landebrücken und Verladeeinrichtungen<br />

erschweren die Rettungsaktion<br />

erheblich, sodass bis in die Abendstunden<br />

des 27. Mai weniger als zehntausend Mann<br />

an Bord geholt werden können. Am 28. Mai<br />

sind die Sichtverhältnisse aufgrund der<br />

ZURÜCKGELASSEN: Fahrzeuge der alliierten Truppen am Strand von <strong>Dünkirchen</strong> nach dem<br />

Ende der Kämpfe Anfang Juni <strong>1940</strong>.<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection<br />

Clausewitz 5/2013<br />

25


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

ZUSAMMENGEDRÄNGT: Im Rücken der Feind, vor ihnen das Meer, harrten die Eingekesselten<br />

ihrer Rettung.<br />

Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection<br />

„Generalmajor Harold Alexander [neuer<br />

Oberbefehlshaber der BEF] vergewisserte<br />

sich heute morgen persönlich beim Strand<br />

von <strong>Dünkirchen</strong> von einem Motorboot aus,<br />

dass niemand am Strand zurückgelassen<br />

wurde, bevor er das letzte Schiff nach Großbritannien<br />

bestieg.“<br />

Misstöne zwischen den Alliierten<br />

Zu diesem Zeitpunkt befinden sich mittlerweile<br />

mehr als 300.000 Alliierte in Sicherheit.<br />

Der Erfolg der Rettungsaktion wird jedoch<br />

belastet durch Misstöne zwischen Briten<br />

und Franzosen: So sollen britische Soldaten<br />

ihren französischen Waffenbrüdern<br />

den Zugang zu den an der Operation „Dynamo“<br />

beteiligten Schiffen verweigert haben.<br />

Dieses heiklen Themas nimmt sich in<br />

den 1960er-Jahren auch der französisch-italienische<br />

Film „<strong>Dünkirchen</strong>, 2. Juni <strong>1940</strong>“<br />

(Originaltitel: Week-end à Zuydcoote) an,<br />

VERFILMT: Szene aus dem Film „<strong>Dünkirchen</strong>,<br />

2. Juni <strong>1940</strong>“ mit Jean-Paul Belmondo<br />

als Sergeant Julien Maillat.<br />

Foto: ullstein bild/United Archives/90061<br />

in dem Jean-Paul Belmondo die Hauptrolle<br />

spielt.<br />

Der Film handelt von Ereignissen während<br />

der Schlacht um <strong>Dünkirchen</strong> Anfang<br />

Juni <strong>1940</strong>. Auf ihrem Rückzug vor den Deutschen<br />

sammeln sich versprengte britische<br />

und französische Truppen rund um die Stadt<br />

<strong>Dünkirchen</strong>. Während die Briten von den<br />

umliegenden Strandabschnitten aus nach<br />

England eingeschifft werden, wird den französischen<br />

Soldaten der Zugang zu den Evakuierungsschiffen<br />

verwehrt.<br />

Moralischer Sieg der Alliierten<br />

Doch trotz dieser und ähnlicher Vorkommnisse<br />

werden immerhin insgesamt weit mehr<br />

als 100.000 französische Soldaten evakuiert,<br />

von denen sich viele im weiteren Verlauf des<br />

Krieges den neu formierten Freien Französischen<br />

Streitkräften unter ihrem Oberbefehlshaber<br />

Charles de Gaulle anschließen .<br />

Wenngleich die britischen Streitkräfte im<br />

Mai/Juni <strong>1940</strong> enorme Verluste an Kriegsmaterial<br />

hinnehmen müssen und nahezu ihre<br />

gesamten verbliebenen schweren Waffen<br />

an der französischen Kanalküste zurücklassen<br />

müssen, gelingt ihnen die in diesem Umfang<br />

nicht für möglich gehaltene Rettung des<br />

Großteils ihres Expeditionskorps.<br />

„Britische Soldaten! Schaut auf diese Karte:<br />

sie spiegelt Eure wahre Situation wider!<br />

Eure Truppen sind vollständig umzingelt – stellt den<br />

Kampf ein! Legt Eure Waffen nieder!“<br />

Text eines an die britischen Soldaten gerichteten deutschen Flugblatts<br />

(Übersetzung), abgeworfen über <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

Literaturtipp<br />

Winston S. Churchill: Reden in Zeiten des Kriegs,<br />

a. d. Engl. v. Walther Weibel, Hamburg 2002.<br />

GESCHAFFT: Britische und französische<br />

Soldaten auf einem Schiff, das sie in<br />

Sicherheit gebracht hat. Foto: ullstein bild<br />

Die Evakuierung dieser Soldaten wird in<br />

der britischen Öffentlichkeit als moralischer<br />

Sieg gefeiert und sollte in der Folgezeit die<br />

Reorganisation der scheinbar geschlagenen<br />

britischen Armee ermöglichen. Darüber hinaus<br />

wirkt sich das „Wunder von <strong>Dünkirchen</strong>“<br />

entscheidend auf den Durchhaltewillen<br />

Englands im Kampf gegen das nationalsozialistische<br />

Deutschland aus.<br />

Am 4. Juni <strong>1940</strong>, dem letzten Tag der Operation<br />

„Dynamo“, hält Premierminister<br />

Winston Churchill vor dem Unterhaus seine<br />

in England noch heute populäre Rede („We<br />

shall fight on the beaches“), die – so bekannte<br />

anschließend ein Labourabgeordneter –<br />

„soviel wert gewesen“ sei „wie tausend Kanonen<br />

und die Reden von tausend Jahren.“<br />

Darin bekräftigt Churchill in beschwörenden<br />

Worten, dass Großbritannien den Kampf<br />

gegen „Hitler-Deutschland“ unter keinen<br />

Umständen aufgeben werde. Mit dieser Aussage<br />

sollte er trotz der alliierten Niederlage<br />

in Frankreich recht behalten.<br />

26


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der US-<br />

Army<br />

Militärtechnik<br />

im<br />

Detail<br />

Sechstagekrieg<br />

1967: Israel kämpft<br />

um seine Existenz<br />

George S. Patton<br />

Genial, erfolgreich,<br />

umstritten<br />

Die Adelsburg<br />

als Wehrbau<br />

Verteidigungsanlagen<br />

des Mittelalters<br />

<strong>Dünkirchen</strong><br />

<strong>1940</strong>: <strong>Hitlers</strong> „verschenkter <strong>Sieg“</strong><br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

Transportmaschinen von<br />

Bundeswehr und NVA<br />

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Von Salamis über Waterloo nach<br />

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Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

Deutsche und alliierte Panzer in Frankreich <strong>1940</strong><br />

Der „Motor als Waffe“<br />

Mai <strong>1940</strong>: Als die deutschen<br />

Truppen die Grenzen zu<br />

Frankreich überschreiten,<br />

stehen dort den 4.200<br />

alliierten Panzern nur 2.500<br />

deutsche Kampfwagen gegenüber.<br />

Doch vor allem den<br />

deutschen Panzerverbänden<br />

gelingt der schnelle Vorstoß<br />

bis zur Kanalküste.<br />

Von Thomas Anderson<br />

Von den rund 2.500 deutschen Panzern<br />

sind sogar mehr als ein Drittel schwach<br />

bewaffnet. So trägt der Panzerkampfwagen<br />

(PzKpfw) I zwei MG, der PzKpfw II<br />

eine 2-cm-Kampfwagenkanone (KwK) und<br />

ein MG. Diese sind zur Bekämpfung der<br />

deutlich schwerer gepanzerten französischen<br />

Kampfwagen nicht oder nur bedingt geeignet.<br />

Der PzKpfw III, der die Hauptlast der<br />

Kämpfe tragen soll, ist mit einer 3,7-cm-Ka-<br />

none auch eher schwach bestückt. Die Panzerung<br />

der deutschen Panzer ist 1939 konzeptionsbedingt<br />

lediglich gegen SmK-Beschuss<br />

(Spitzgeschoss mit Kern, panzerbrechende<br />

Infanteriemunition mit Hartkern, Kaliber 7,92<br />

x 57 mm) sicher, nur der Hauptkampfpanzer,<br />

der PzKpfw III, zeigt 30 mm Frontalschutz.<br />

Eine der Erfahrungen des im Oktober 1939<br />

von der Wehrmacht beendeten Polenfeldzuges<br />

war, dass ein Mindestmaß an Beschuss-<br />

Alliierte und deutsche Panzer (Auswahl)<br />

GUT GERÜSTET: Der 1938 eingeführte Infantry<br />

Tank, Mk II, besser bekannt als Mathilda<br />

II, ist mit einem größeren Turm und vier<br />

Mann Besatzung ausgerüstet. Seine Panzerung<br />

von maximal 80 mm macht ihn sicher<br />

gegen alle deutschen Panzerkanonen. Das<br />

2-pdr-Geschütz (40 mm) ist eine durchaus<br />

schlagkräftige Waffe, kann jedoch keine Explosivgeschosse<br />

verfeuern. Foto: Slg. Anderson<br />

GERINGER KAMPFWERT: Die britischen<br />

Streitkräfte nutzen bis ins Jahr 1942 hinein<br />

noch Einsatzgrundsätze, die durch die Lage<br />

überholt sind. Zur direkten Unterstützung<br />

der Infanterie wird noch 1934 der Infantry<br />

Tank, Mk I entwickelt. Dieser 2-Mann-Panzer<br />

ist mit maximal 60 mm sehr stark gepanzert,<br />

seine aus einem MG bestehende Ausrüstung<br />

jedoch unzureichend. Foto: Slg. Anderson<br />

MIT SCHWÄCHEN: Der Somua S-35 zeigt<br />

einen hohen Panzerschutz bei guter Bewaffnung.<br />

Im Jahr <strong>1940</strong> gibt es keinen deutschen<br />

Panzer, der ihm auf mittlere Entfernungen<br />

gewachsen ist. Trotzdem ist der<br />

Panzer aufgrund seiner Konzeption wenig<br />

fortschrittlich. Besonders der Einmann-<br />

Turm schränkt den Gefechtswert beträchtlich<br />

ein.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

28


Ernsthafte Gefahr für deutsche Panzer<br />

AUSGESCHALTET: Hier rauscht ein PzKpfw III<br />

an einem abgeschossenen Cruiser Tank Mk IV<br />

vorbei. Der deutsche Panzer ist als Gesamtsystem<br />

deutlich überlegen, seine<br />

Besatzung von fünf Mann und die Funkanlage<br />

machen eine sehr effektive Führung<br />

möglich, sowohl operativ als auch im Panzer<br />

selbst. Spätere Versionen sollen eine<br />

5-cm-KwK erhalten.<br />

Foto: Anderson<br />

PZ.KPFW. III AUSF. F<br />

2 MG im Turm<br />

Funkausstattung in jedem<br />

deutschen Panzer<br />

3,7 cm KwK, stellt sich als<br />

zu schwach heraus<br />

Drei-Mann-Turm, ideale<br />

Aufgabenverteilung<br />

Leistungsfähiges<br />

Laufwerk bringt hohe<br />

Beweglichkeit<br />

festigkeit gegeben sein muss. Doch in bewaffneten<br />

Konflikten beginnt eine verhängnisvolle<br />

Spirale. Jede neue Waffe (oder jede Kampfwertsteigerung)<br />

wird eine Gegenmaßnahme<br />

hervorrufen. Die mit Verbesserungen oder<br />

Nachrüstungen verbundene Zunahme des<br />

Gewichts kann die Grenzen der Belastbarkeit<br />

eines Panzerfahrzeugs überschreiten.<br />

Technische Fortschritte<br />

Nichtsdestotrotz: Vor Beginn des Frankreich-<br />

Feldzuges beginnen Bestrebungen, die<br />

Frontpanzerung vor allem des PzKpfw II<br />

durch Zusatzplatten von 14,5 auf 34,5 mm<br />

zu verstärken. Die aktuelle Variante des<br />

PzKpfw IV, die Ausf D, zeigt statt des ursprünglichen<br />

14,5-mm-Frontpanzers eine<br />

verstärkte organische Panzerung von 30 mm,<br />

weitere Verbesserungen befinden sich in<br />

der Planung.<br />

Die vorhandenen Kampfpanzer tschechischer<br />

Herkunft sind mit ihrem frontalen<br />

Panzerschutz von 25 mm ebenfalls nur gegen<br />

Beschuss aus 2-cm-Waffen sicher – immer<br />

abhängig von der Schussentfernung.<br />

Frankreich wie auch Großbritannien hatten<br />

nach dem Ersten Weltkrieg ihre Rüstung<br />

weiter vorantreiben können. Zwar verfügen<br />

die Franzosen <strong>1940</strong> noch über viele veraltete<br />

Bug-MG für Funker<br />

zur Verteidigung<br />

Frontpanzerung von 30 mm<br />

ist nicht ausreichend<br />

Panzer aus der Zeit des „Großen Krieges“.<br />

Der technische Fortschritt führt in den<br />

1930er-Jahren jedoch zu mehreren Neukonstruktionen,<br />

von denen die Deutschen zum<br />

Teil überrascht werden.<br />

Die leichten Aufklärungspanzer vom Typ<br />

AMR sind ihrem taktischen Auftrag gemäß<br />

nur schwach bewaffnet und gepanzert. Stärker<br />

ins Gewicht fallen die mehr als 1.700<br />

leichten Panzer Renault R-35 und Hotchkiss<br />

H-39, deren Wanne und Turm in Stahlgussbauweise<br />

hergestellt werden. Die Fahrzeuge<br />

zeigen rundum eine starke Panzerung von<br />

bis zu 45 mm. Ihre 37-mm-Bewaffnung hingegen<br />

ist nicht sehr wirkungsvoll. Beide Panzer<br />

sind nur wenig beweglich. Ihr taktischer<br />

Auftrag ist die direkte Unterstützung der Infanterie,<br />

was dem Einsatz und der Aufgabe<br />

der Panzer im Ersten Weltkrieg entspricht.<br />

Sehr hohe<br />

Geschwindigkeit<br />

dank Maybach<br />

Variorex-Getriebe<br />

Die 300 Somua S-35 stellen hingegen eine<br />

ernsthafte Gefahr für die deutschen Panzer<br />

dar: Ähnlich gepanzert wie die R-35 und<br />

H-39, haben sie rundum einen hohen Panzerschutz,<br />

der für die Panzer des Gegners<br />

auf nahe bis mittlere Entfernungen nur<br />

schwer zu bekämpfen ist.<br />

Fehlende Funkausstattung<br />

Der Char B1 bis, von dem knapp 300 Fahrzeuge<br />

zur Verfügung stehen, ist noch schwerer<br />

gepanzert. Er führt wie der S-35 eine wirkungsvolle<br />

47-mm-Kanone im Turm und<br />

zusätzlich ein 7,5-cm-Geschütz in der Wannenfront.<br />

Das macht den B1 vielseitig einsetzbar.<br />

B1 und S-35 sind von ausreichender Beweglichkeit.<br />

Ihr tatsächlicher Kampfwert<br />

wird durch die bei den meisten französischen<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

„LEICHTGEWICHT“: Der Vickers Light<br />

Tank, hier ein Mk VI, wurde ursprünglich<br />

als Aufklärungsfahrzeug entwickelt. Werden<br />

diese leicht gepanzerten und schwach<br />

bewaffneten Fahrzeuge in der Rolle eines<br />

Kampfpanzers eingesetzt, so enden diese<br />

Einsätze zumeist mit großen Verlusten.<br />

Auch dieser Vickers Light Tank wurde vom<br />

Gegner ausgeschaltet. Foto: Sammlung Anderson<br />

GELÄNDETAUGLICH: Ein PzKpfw 38 (t)<br />

neben einem PzKpfw II (links). Diese beiden<br />

leichten Panzer sollen den durchschlagenden<br />

Erfolg von Rommels 7. Panzerdivision<br />

<strong>1940</strong> ermöglichen. Besonders der aus<br />

tschechischer Produktion stammende 38 (t)<br />

zeigt ein überragendes Laufwerk. Die Konstruktion<br />

ist wesentlich robuster als die der<br />

meisten anderen Panzer.<br />

Foto: NARA<br />

AUSDAUERND: Der PzKpfw 38 (t) war für<br />

einen leichten Panzer ausreichend bewaffnet.<br />

Das Fahrwerk stellte sich als sehr belastbar<br />

und ausdauernd heraus. Aufgrund<br />

der genieteten Bauweise und des spröden<br />

Stahls war die Panzerung eher schwach.<br />

Das Fahrwerk sollte bis Kriegsende als Basis<br />

für verschiedene Selbstfahrlafetten dienen.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Clausewitz 5/2013<br />

29


Titelgeschichte | <strong>Dünkirchen</strong> <strong>1940</strong><br />

OPERATIV EINSETZBAR: Der Cruiser Tank<br />

Mk I CS verfügt über ein langsam laufendes<br />

Fahrwerk (Höchstgeschwindigkeit um<br />

25 km/h), die Variante Mk I ist zudem mit<br />

15 mm sehr schwach gepanzert. Das Suffix<br />

„CS“ steht für „close support“ und beschreibt<br />

die 95-mm-Haubitze, die zur direkten<br />

Feuerunterstützung der mit 40-mm-Kanonen<br />

ausgerüsteten Mehrzahl der britischen<br />

Panzer eingebaut wird. Der Wagen verfügt<br />

vorne über zwei kleine Drehtürme mit je<br />

einem MG.<br />

Foto: Anderson<br />

Panzern fehlende Funkausstattung (zum<br />

Vergleich – jeder deutsche Panzer verfügt<br />

über ein Funkgerät) und die antiquierten<br />

Weltkriegs-Einsatzgrundsätze beschränkt.<br />

Auch die Tatsache, dass der Turm nur Platz<br />

für einen Mann bietet, sollte sich negativ<br />

auswirken: Der Kommandant muss den<br />

Panzer taktisch führen und die Kanone allein<br />

bedienen.<br />

Erfolgreiche Panzerwaffe<br />

Obwohl S-35 und B1 hinsichtlich ihrer technischen<br />

Eckdaten den deutschen Panzern<br />

überlegen sind, können sie den massiert angreifenden<br />

deutschen Panzern nicht standhalten.<br />

Englands Panzerwaffe fährt zweigleisig.<br />

Die sogenannten Cruiser Tanks vom Typ A13<br />

(und in geringerem Maße auch die A9 und<br />

A10) sind schnelle Fahrzeuge mit schwacher<br />

Panzerung, die aufgrund ihrer hohen Beweglichkeit<br />

zu raschen Geländegewinnen<br />

fähig sind. Die langsam laufenden Infantry<br />

Tanks hingegen verlassen sich auf ihre äußerst<br />

starke Panzerung. Der A12, besser bekannt<br />

als „Mathilda“, zeigt mit einer Panzerung<br />

von bis zu 80 mm wahre „Nehmerqualitäten“.<br />

Die britischen Panzer sind wahlweise mit<br />

einer 40-mm-Kanone zur Bekämpfung gepanzerter<br />

Ziele, oder einer 95-mm-Haubitze<br />

zur Feuerunterstützung ausgestattet. Dabei<br />

handelt es sich um eine eher ungeschickte<br />

Aufgabenverteilung.<br />

Immerhin: Anders als die französischen<br />

Panzer können die englischen Fahrzeuge<br />

aufgrund ihrer technischen Auslegung stetig<br />

weiterentwickelt werden.<br />

Der Feldzug gegen Frankreich verläuft<br />

für die deutsche Panzerwaffe erfolgreich.<br />

Die 29. Infanteriedivision bemängelt allerdings<br />

Defizite in der Ausrüstung und merkt<br />

in ihrem Erfahrungsbericht an:<br />

„Das Fehlen von Sturmgeschützen auf<br />

Selbstfahrlafette machte sich bei Angriff und<br />

Verteidigung bemerkbar...“<br />

Die wenigen während des Frankreichfeldzuges<br />

verfügbaren Sturmgeschütze werden<br />

ständig an Brennpunkten eingesetzt,<br />

noch ist ihre Zahl zu gering (30 im Frankreichfeldzug).<br />

Erfahrungsbericht der 1. Pz.Div.<br />

Auch die 1. Pz.Div. lässt nach dem beendeten<br />

Feldzug einen Erfahrungsbericht zur Qualität<br />

der feindlichen Panzer erstellen:<br />

„Im Kampf Panzer gegen Panzer zeigte<br />

sich die Überlegenheit der feindlichen Panzerung,<br />

der gegenüber unsere panzerbrechende<br />

3,7-cm-Kanone ebenso versagte wie<br />

die 2-cm-KwK. Die Feindpanzer unterlagen<br />

jedoch schließlich im Kampf unserem Masseneinsatz<br />

auch einzeln unterlegener Abwehrmittel.<br />

Gegen schwere Feindpanzer waren<br />

auch die 7,5-cm-Kanonen einzeln wirkungslos.<br />

Der geringe Angriffsgeist der<br />

Franzosen und die Verzettelung im Ansatz<br />

der Feindpanzer glichen diesen Mangel unsererseits<br />

völlig aus. Die 8,8-cm-FlaK hat sich<br />

zur Abwehr von Feindpanzern hervorragend<br />

bewährt (...).<br />

Bei dem Kampf Panzer gegen Panzer waren<br />

die hierzu eingesetzten eigenen Panzer<br />

dem Feind nach kurzem Feuergefecht stets<br />

überlegen. Dies ist auf folgende Gründe zurückzuführen:<br />

1. Unsere Waffen haben eine sehr hohe Treffsicherheit,<br />

auch auf mittlere Entfernungen.<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

PzKpfw II Ausf. A PzKpfw III Ausf. E PzKpfw IV Ausf. D PzKpfw 38 (t) Renault R-35 Somua S-35<br />

Gewicht 8,9 t 19,5 t 20 t 9,7 t 9,8 t 20 t<br />

Motorleistung Otto 140 PS Otto 265 PS Otto 265 PS Otto 125 PS Otto 82 PS Otto 190 PS<br />

Leistungsgewicht 16 PS/t 13,6 PS/t 13,2 PS/t 12,8 PS/t 8,4 PS/t 9,5 PS/t PzKp<br />

Besatzung 3 5 5 4 2 3 Aus<br />

Bodenfreiheit 0,35 m 0,38 m 0,40 m 0,40 m 0,32 m 0,42 m PzKpf<br />

Bodendruck 0,73 kg/cm² 0,92 kg/cm² 0,83 kg/cm² 0,57 kg/cm² 0,86 kg/cm² 0,85 kg/cm² Aus<br />

Höchstgeschwindigkeit 39,5 km/h 67,1 km/h 42 km/h 42 km/h 19 km/h 37 km/h PzKpf<br />

Max. Panzerung Front 35 mm 30 mm 30 mm 25 mm 32 mm, Turm 45 mm 35 mm, Turm 55 mm Ausf<br />

Hauptbewaffnung 2 cm 3,7 cm L/45 7,5 cm L/24 3,7 cm L/48.7 37 mm L/21 47 mm L/32<br />

PzKpf<br />

Max. Durchschlag 500 m 20-25 mm 64 mm mit PzGr 40 38 mm 64 mm 19 mm 33 mm (t<br />

Max. Durchschlag 1000 m 0 31 mm mit PzGr 40 35 mm 33 mm 0 26 mm Renau<br />

30


„Glu?cksgriff“ tschechische Panzer<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

CHAR B1 bis<br />

47-mm-Kanone im<br />

Turm zur Panzerbekämpfung<br />

75-mm-Kanone im Bug<br />

zur Feuerunterstützung<br />

Starker 60 mm<br />

Frontpanzer<br />

Mobilität ausreichend dank breiter Ketten<br />

Kommandant ist überfordert,<br />

da allein im Turm<br />

Turm in Gussbauweise,<br />

45 bis 55 mm<br />

Panzerung<br />

Seite und Heck 55 mm stark gepanzert,<br />

sehr gutes Schutzniveau<br />

2. Unsere Waffen haben eine sehr hohe Feuergeschwindigkeit.<br />

3. Der Einsatz der PzKpfw III und IV hatte<br />

selbst bei Feindpanzern, die nicht durchschlagen<br />

wurden, durch die dauernden<br />

Treffer solche moralische Wirkung, dass<br />

die Feindbesatzungen erschüttert meistens<br />

die weiße Flagge hissten.<br />

4. Die Führung und die Kampfmoral der eigenen<br />

Besatzungen war der der Feindpanzer-Besatzungen<br />

weit überlegen.<br />

5. Die Geschwindigkeit und Wendigkeit der<br />

eigenen Panzer war größer als die der<br />

feindlichen.<br />

Nachteilig wirkte sich die zu schwache Panzerung<br />

unserer Kampfwagen und die zu geringe<br />

Durchschlagskraft der 3,7- und 7,5-cm-<br />

Granate aus. Abhilfe: Einführung einer 5-cm-<br />

Waffe mit Sondermunition für Panzer III und<br />

einer Sondermunition für Panzer IV (...).<br />

Die feindlichen Panzerabwehr-Waffen erwiesen<br />

sich als äußerst wirkungsvoll. Die<br />

2,5-cm-PaK durchschlug auf Entfernungen<br />

unter 300 m alle deutschen Panzer, ebenso<br />

die seltener auftretende 4,7-cm-PaK, die jedoch<br />

schon auf weitere Entfernungen panzerbrechend<br />

wirkte...“<br />

Rommels 7. Panzerdivision war, wie auch<br />

die 6. und 8., mit tschechischem Gerät ausgerüstet.<br />

Da der Ausstoß an diesen Panzern<br />

nicht ausreichte, führt die Division <strong>1940</strong> neben<br />

91 PzKpfw 38 (t) als Hauptkampfpanzer<br />

noch 34 PzKpfw I, 68 PzKpfw II und zudem<br />

24 PzKw IV.<br />

Bewährter Panzer aus Tschechien<br />

Zum Erfolg des PzKpfw 38 (t) merkt die<br />

Division in einem Erfahrungsbericht vom<br />

14. Juli <strong>1940</strong> an:<br />

„Der deutsche Panzerwagen verfügt über<br />

gute Bewaffnung und gute Optik. Er scheint<br />

in dieser Beziehung sowohl dem französischen<br />

wie dem englischen Panzerwagen<br />

überlegen zu sein. Die Division hat auch den<br />

Eindruck, dass der deutsche Wagen schneller<br />

als der französische oder englische ist.<br />

Vielleicht wird aber dieser Schluss nur daraus<br />

gezogen, dass die Panzerangriffe bei<br />

der Division nur mit höchstmöglicher Geschwindigkeit<br />

gefahren wurden (...).“<br />

Diese Panzer aus tschechischer Produktion<br />

sind ein „Glücksgriff“ für die Deutschen.<br />

Und auch für Rommel, dessen betont schneidiger<br />

Angriffsstil nicht nur den Gegner wiederholt<br />

zur Verzweiflung treibt, sondern ihm<br />

auch harschen Tadel von den beteiligten Infanterieverbänden<br />

einbringt, die seinem<br />

Tempo nicht folgen können.<br />

Die 9. Pz.Div. fasst in ihrem Bericht zum<br />

Frankreich-Feldzug am 27. Juli <strong>1940</strong> zusammen:<br />

„Die feindlichen Panzer haben sich wegen<br />

ihrer geringen Geschwindigkeiten,<br />

schlechten Richtmitteln und der damit verbundenen<br />

mangelnden Treffgenauigkeit<br />

nicht als überlegen gezeigt.“<br />

Diese Einschätzung seitens des Siegers ist<br />

sicherlich nachvollziehbar, jedoch kennen<br />

die verantwortlichen Militärs die Realitäten.<br />

Die deutsche Panzerwaffe ist <strong>1940</strong> noch weit<br />

von den von ihnen gestellten Forderungen<br />

hinsichtlich der Stückzahlen und der Qualität<br />

der Ausrüstung entfernt.<br />

Die Leistungsdaten der alliierten schweren<br />

Panzer, aber auch der Panzerabwehrkanonen<br />

erweisen sich im Kampf mit den deutschen<br />

Panzern in einzelnen Bereichen als<br />

besser.<br />

Es zeigt sich aber auch, dass der menschliche<br />

Faktor nicht hoch genug eingeschätzt<br />

werden kann. Kampfgeist und Ausbildung<br />

und vor allem die Qualität der Führung auf<br />

allen Ebenen erweisen sich auf deutscher<br />

Seite als klar überlegen.<br />

Auch die zielführende Organisation der<br />

Panzertruppe und aller beteiligten Teileinheiten<br />

ist beim deutschen Vorstoß durch<br />

Frankreich bis nach <strong>Dünkirchen</strong> der des<br />

Gegners eindeutig überlegen.<br />

Thomas Anderson, Thomas Anderson, Jg. 1958, ist<br />

als freier Autor tätig und arbeitet für verschiedene<br />

Zeitschriften und Verlage im In- und Ausland.<br />

Außerdem unterstützt er namhafte Modellbau-Hersteller<br />

als Fachberater.<br />

Char B1 bis Cruiser Mk II A Cruiser Mk III Infantry Tank Mk II<br />

32 t 14,5 t 14,2 t 26 t<br />

Otto 300 PS Otto 150 PS Otto 340 PS 2 x 94 PS<br />

fw II 9,4 PS/t 10,3 PS/t 24 PS/t 7,2 PS/t<br />

f. A 4 5 4 4<br />

w III 0,45 m 0,44 m 0,44 m 0,48 m<br />

f. E 0,85 kg/cm² 0,94 kg/cm² 0,94 kg/cm² 1,12 kg/cm²<br />

w IV 28 km/h 28,7 km/h 48,3 km/h 24,1 km/h<br />

. D 60 mm, Turm 55 mm 30 mm 14 mm 78 mm<br />

w 38<br />

75 mm L/17 Wanne<br />

47mm L/32 Turm<br />

40 mm L/52 dto. dto.<br />

) dto., 7,5 cm unbek. 57 mm dto. dto.<br />

lt R- dto., 7,5 cm unbek. 40 mm dto. dto.<br />

GETROFFEN: Der R-35 ist ein leichter, jedoch gut gepanzerter<br />

Kampfwagen. Dieser R-35 erhielt einen Treffer am Turm.<br />

Im Hintergrund steht ein R-40, erkennbar am modifizierten<br />

Laufwerk und der längeren 37-mm-Kanone. Foto: Anderson<br />

Clausewitz 5/2013<br />

31


Militär und Technik<br />

POPULÄRE DARSTELLUNG:<br />

Ein Ritter in voller Rüstung<br />

mit einer „Ritterburg“ im<br />

Hintergrund.<br />

Zeichnung: Andrea Modesti<br />

32


Burgen des Mittelalters<br />

Die Adelsburg<br />

18./19. Jahrhundert:<br />

Der Begriff „Ritterburg“ entstammt<br />

dem verklärten Mittelalterbild<br />

der Romantik.<br />

Die heutige Burgenforschung<br />

sagt „Adelsburg“ und meint<br />

damit einen wehrhaften,<br />

repräsentativen Adelswohnsitz<br />

des 11. bis 15. Jahrhunderts.<br />

Von Michael Losse<br />

Es existieren Sonderformen, die eher<br />

„Militärbauten” sind als Adelsburgen,<br />

zum Beispiel Kreuzfahrer-, Trutz- und<br />

Belagerungsburgen. Die Adelsburgen selbst<br />

sind Wohnsitze von Familien, deren Herrschaftsbasis<br />

Grundbesitz und Lehen bilden.<br />

Die Burg ist Zentrum ihrer Politik und Verwaltung,<br />

sie „besetzt” das Umland optisch<br />

und zeigt, wer herrscht. Die Burgenkunde<br />

des 19. Jahrhunderts sieht Burgen als oft umkämpfte<br />

Wehrbauten, die ihr Umland militärisch<br />

„beherrschen”. Im Zentrum heute stehen<br />

vielmehr die symbolische Funktion der<br />

Bauten sowie ihre Bedeutung im jeweiligen<br />

geographisch-historischen Umfeld.<br />

Burgen im Frühmittelalter<br />

(8. bis 11. Jahrhundert)<br />

Schon vor den Adelsburgen gibt es Burgen:<br />

Für das 8. bis 10. Jahrhundert sind über 1.000<br />

Großburgen (ein bis fünf Hektar und mehr)<br />

in Deutschland bezeugt. Sie entstehen aufgrund<br />

von Thronstreitigkeiten, Adelsaufständen,<br />

Fehden und Invasionen (Normannen,<br />

Sachsen, Slawen, Ungarn). Spätestens<br />

ab der Karolingerzeit steht das Recht, Burgen<br />

und Befestigungen zu bauen oder zu genehmigen<br />

dem König zu. Karl der Kahle befiehlt<br />

864 für sein Westfrankenreich, illegal<br />

erbaute Burgen abzureißen. Letztlich haben<br />

die Könige aber kaum Mittel, den Adel zu<br />

kontrollieren. Das Burgbaurecht übertragen<br />

Könige an Herzöge und Markgrafen.<br />

als Wehrbau<br />

VOLLER KLISCHEES: Dieses Schulbild<br />

(19. Jahrhundert) einer „Ritterburg im XIII.<br />

Jahrhundert“ vereinigt spätmittelalterliche<br />

(15. Jhd.) und<br />

romantische (19. Jhd.)<br />

Elemente.<br />

Abb.: Lehmann’s<br />

kulturhistorische Bilder<br />

Im 8. bis 11. Jahrhundert erbaute Burgen<br />

nennt man oft fälschlich „Wallburg” oder<br />

„Ringwall”, weil verfallene Ringmauern wie<br />

Wälle wirken. Zwar gibt es Befestigungen<br />

aus geschichteter Erde, doch häufig sind<br />

Umwallungen im Frühmittelalter durch<br />

Holzpfosten und Steinkonstruktionen stabilisiert.<br />

Vermittelt durch die Franken und ihre<br />

Kenntnis antiker Bauten setzt sich die<br />

Technik des Mörtelmauerwerks durch. Zum<br />

Schutz der Tore haben diese teils überlappende<br />

Mauerenden, oft mit Holzaufbauten.<br />

Häufig in karolingischer (800–911) und ottonischer<br />

Zeit (919–1024) sind Zangentore mit<br />

viertelkreisförmig nach innen abbiegenden<br />

Mauern. Flankierende Wehrplattformen<br />

kommen ab dem 10. Jahrhundert vereinzelt<br />

vor. Innenbebauungen bestehen aus eingeschossigen<br />

Holzbauten, Pfosten- und Grubenhäusern<br />

– neben Wohn- und Speicherbauten<br />

auch Handwerks- und Handelsbauten.<br />

Großburgen sind Wehr-, Schutz- und<br />

Verwaltungsbauten, Handels- und Wirtschaftszentren,<br />

Produktions- und auch<br />

Münzstätten, Orte der Rechtsprechung, Versammlung<br />

und kirchlichen Organisation.<br />

Mancherorts findet man in der Nähe auf Höhen<br />

erbauter Großburgen einen Herrenhof<br />

(lat. curtis) im Tal.<br />

Entgegen früherer Ansicht sind wenige<br />

frühmittelalterliche Burgen Refugien, die<br />

nur bei Gefahr aufgesucht werden. Die meisten<br />

sind dauerhaft besiedelt und auf Initiative<br />

oder mit Genehmigung der Könige entstanden,<br />

insbesondere im Grenzgebiet zu<br />

den feindlichen Sachsen. Gegen Ende des<br />

Frühmittelalters nutzen Dynastenfamilien<br />

vielfach ihnen anvertraute Burgen für eigene<br />

Zwecke.<br />

Im 8. Jahrhundert entstehen einzelne mittelgroße<br />

Bauten und bald darauf erste kleine<br />

Höhenburgen, die mit Ringmauer und<br />

Wohnturm schon Eigenschaften hochmittelalterlicher<br />

Adelsburgen zeigen.<br />

Turmburg und Motte<br />

(9. bis 11. Jahrhundert)<br />

Noch im 10./11. Jahrhundert wohnen die<br />

meisten Adeligen auf Herrenhöfen. Umgeben<br />

von Palisaden stehen dort eingeschossige,<br />

ein- bis zweiräumige Holz- oder<br />

Steinhäuser mit ebenerdigen Eingängen.<br />

Schwäche der königlichen Zentralgewalt,<br />

Unsicherheit im Reich<br />

und wachsender Repräsentationswille<br />

führen dazu, dass um 900<br />

Dynasten verstärkt Wohnsitze auf<br />

Höhen bauen. Aus der Wende<br />

vom 9. zum 10. Jahrhundert stammen<br />

älteste erforschte adelige Höhenburgen.<br />

Um 1000 existieren<br />

viele Adelsburgen als repräsentativ-wehrhafte<br />

Wohnsitze. Anfangs<br />

sind Höhenburgen<br />

quasi auf Höhen versetzte<br />

Herrenhöfe, wie<br />

Burg Salbüel/CH, deren<br />

hölzerne Gebäude<br />

dem späten 10. bis<br />

12. Jahrhundert<br />

entstammen: Eine<br />

Palisade umgibt<br />

oval ein Hallenhaus,<br />

Clausewitz 5/2013<br />

33


Militär und Technik | Burgen des Mittelalters<br />

IMPOSANTER HAUPTTURM: Dieser Bergfried mit Hocheingang gehört<br />

zur Niederburg in Manderscheid (Rheinland-Pfalz). Foto: Michael Loose<br />

MASSIV: Dieser Wohnturm gehört zur Burg Lehmer Hof (Mosel) und<br />

stammt aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts. Foto: Michael Loose<br />

ein Grubenhaus und Nebengebäude. Um<br />

1000 entstehen Burgen mit steinernem<br />

Wohnturm, der einen Hocheingang im ersten<br />

Obergeschoss besitzt. Die meist quadratischen<br />

Türme (teils über zwölf Meter Seitenlänge,<br />

zwei bis drei Meter Mauerstärke) werden<br />

zu Symbolen adeligen Wohn- und<br />

Wehrbaus im salischen Zeitalter (1024–1125).<br />

Den Wohnturm und weitere Bauten umgibt<br />

eine polygonale Ringmauer. Etwa zeitgleich<br />

wie die Turmburg verbreitet sich die Motte<br />

(frz. la motte: Hügel). Den künstlich aufgeworfenen<br />

Hügel, der einen Wohnturm aus<br />

Holz, geschützt durch Palisaden, trägt, umgibt<br />

ein Wassergraben. Wahrscheinlich verbreitet<br />

sich die Motte von Frankreich ab dem<br />

10./11. Jahrhundert in Teilen Europas. Motte<br />

und Turmburg verfügen über eine Vorburg<br />

mit Wirtschaftsbauten. Das Grundmodell<br />

der Adelsburg ist ausgeprägt.<br />

Burgen im Hochmittelalter<br />

(11. bis 13. Jahrhundert)<br />

Neben dem Hochadel sind ab dem 11. Jahrhundert<br />

Edelfreie, Niederadelige und Ministeriale<br />

die Bauherren: Der Ritterstand zeigt<br />

seinen gesellschaftlichen Rang durch eine<br />

Burg als Statussymbol. Bauten aufstrebender<br />

Ministerialen der Stauferzeit gleichen teils<br />

Grafenburgen. Bauplätze sind Berggipfel<br />

oder -sporne; im Flachland entstehen Wasserburgen.<br />

Burgberge sind meist baumlos:<br />

Bewuchs erleichtert feindliche Annäherung<br />

und beeinträchtigt die Fernwirkung des<br />

HINTERGRUND<br />

Der Adel ist Hauptträger des Burgenbaues. Im<br />

Fränkischen Reich haben Grafen zivile und militärische<br />

Aufgaben. Als „Beamte” setzt sie<br />

der König in ihr Amt ein, das dann vererbt werden<br />

kann. Als das karolingische Königtum an<br />

Macht verliert, gelingt es einigen Hochadelsfamilien,<br />

das Grafenamt über Generationen zu<br />

behaupten.<br />

Bis zum 11. Jahrhundert entwickelt sich aus<br />

den Edelfreien der Reichsadel, den der König<br />

zu Diensten heranzieht. Mit Inanspruchnahme<br />

von Hoheitsrechten und ihrer Weitergabe in einer<br />

Familie entsteht eine kleine Gruppe von<br />

Dynastengeschlechtern, deren Angehörige princeps<br />

(Fürst) genannt werden. Ab etwa 1180<br />

existiert ein Reichsfürstenstand. Um 1250 gibt<br />

es 38 Fürsten. Kaiser Friedrich II. erlässt die<br />

Fürstengesetze (1220, 1231), die den Verzicht<br />

des Königtums auf wichtige Hoheitsrechte<br />

(Geleit-, Münz-, Zollregal) zugunsten kirchlicher<br />

Bauwerks. Für letztere ist die Farbigkeit der<br />

Gebäude bedeutend. Wenige hochmittelalterliche<br />

Burgen zeigen noch die Gesamtstruktur<br />

der Bauzeit. Oft lässt der Grundriss<br />

der Kernburg die Entstehung im Hochmittelalter<br />

erkennen: oval oder polygonal.<br />

Prägnantes Herrschaftssymbol ist der<br />

Bergfried, der dominierende Hauptturm; er<br />

löst den Wohnturm ab. Erste Bergfriede entstehen<br />

in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Daneben<br />

ist der Wohnbau oder Palas Bestandteil<br />

der Adelsburg; letzterer enthält Wohnräume<br />

und einen Saal. Eine Ringmauer beziehungsweise<br />

die einzelnen Gebäude verbindende<br />

Wehrmauern umschließen die<br />

Burg. Ein Mauertor, ein mehr oder weniger<br />

wehrhafter, repräsentativer Torbau oder ein<br />

Torturm mit Kapelle über der Durchfahrt bilden<br />

den Zugang. Äußere Gräben sichern die<br />

Burg zusätzlich, mancherorts zudem das Gebück,<br />

ein Hindernis aus verflochtenen (Dornen-)Hecken.<br />

Selten erlaubt das Baugelände<br />

Wer baut Adelsburgen?<br />

und weltlicher Reichsfürsten bringen. Das Befestigungsrecht<br />

mit Burgen- und Städtebau<br />

geht de jure vom König auf die Fürsten über.<br />

Wichtige Träger ritterlich-höfischer Kultur in<br />

Deutschland sind Ministeriale – ursprünglich<br />

meist Unfreie –, die im Verwaltungs-, Kriegsund<br />

Hofdienst höherrangiger Herren stehen<br />

und später teils in den Adel aufsteigen. Nachdem<br />

in Urkunden Edelfreie (nobiles) und Ministerialen<br />

(ministeriales) unterschieden werden,<br />

findet sich ab dem 13. Jahrhundert zunehmend<br />

der Begriff miles (Ritter, Krieger) für beide.<br />

Die Grenzen verschwimmen, da Edelfreie<br />

in die Ministerialität eines Grafen oder Reichsfürsten<br />

eintreten und ihnen der Dienst für den<br />

Dynasten größere soziale Sicherheit bringt.<br />

Mit dem Zerfall der königlichen Zentralgewalt<br />

beginnt im 10./11. Jahrhundert die eigentliche<br />

Phase der Adelsburg, die zwischen dem<br />

14. und 16. Jahrhundert endet.<br />

34


Verfall vieler Burgen im Spätmittelalter<br />

WEHRHAFT: Der Pulverturm in Andernach entsteht Ende des 15. Jahrhunderts<br />

und dient als Verstärkung der Stadtmauer. Foto: Michael Loose<br />

GIGANTISCH: Blick auf den Bergfried der Godesburg. Bergfriede<br />

sind weithin sichtbare Symbole der Herrschaft. Foto: Michael Loose<br />

„Burgen sind Natur und Geschichte in einem. Ihre<br />

Anwesenheit steigert die Landschaft und verwandelt<br />

sie zur Szenerie. Die Synthese von Natur und<br />

Menschenwerk wird immer die heimliche Liebe aller<br />

jener Seelen haben, die nicht in einem engen<br />

Rationalismus erstarrt sind.”<br />

José Ortega y Gasset, 1883–1955, spanischer Philosoph, Soziologe, Essayist<br />

bei Höhenburgen eine symmetrische Struktur;<br />

meist ist der Grundriss dem Gelände angepasst.<br />

Der größte Teil der Burgbauten ab dem<br />

12. Jahrhundert resultiert aus der zunehmenden<br />

Bedeutung der Burgenpolitik als Mittel<br />

zum Ausbau der Territorien weltlicher und<br />

geistlicher Reichsfürsten. Was eine Burg sei,<br />

definierten Rechtsbücher, schriftlich fixierte<br />

Sammlungen älterer Gesetze (Sachsen- und<br />

Schwabenspiegel). In ihnen ist festgelegt,<br />

wie tief beispielsweise ein Graben, wie hoch<br />

eine Ringmauer sein darf.<br />

Burgen im Spätmittelalter<br />

(13. bis 15. Jahrhundert)<br />

Bis Anfang des 15. Jahrhundert baut der<br />

Hochadel Burgen, um seine territoriale Herrschaft<br />

zu festigen. Burgen dienen nicht mehr<br />

dem Reich, sie sind Stützpunkte aufstrebender<br />

Partikulargewalten. Nach Konsolidierung<br />

der Territorien besteht kaum noch die<br />

Notwendigkeit zum Burgenbau. In der Silhouette<br />

prägen höhere Türme nun die Burg.<br />

Der Ringmauer werden Zwinger hinzugefügt,<br />

die eine zusätzliche Verteidigungslinie<br />

bilden. Zu den Zwingern gehören vielfach<br />

Flankierungstürme.<br />

In manchen Regionen entstehen nun wieder<br />

markante Wohntürme.<br />

FRANKREICHEXPORT:<br />

Dieses Schema einer Motte<br />

ist einer Darstellung auf<br />

dem Wandteppich von<br />

Bayeux (spätes 11. Jhd.)<br />

entnommen.<br />

Abb.: Piper<br />

Ein prägendes Element mancher Burg ist<br />

die Schildmauer, die bei Hanglage Schutz<br />

gegen Beschuss mit Wurfmaschinen von der<br />

Berg- oder Angriffsseite bietet. Separat stehend<br />

oder in die Ringmauer eingebunden,<br />

unterscheidet sie sich von jener durch Höhe<br />

und Stärke. Sie bietet anfangs nur Deckung<br />

und einen Wehrgang; erst ab dem 14. Jahrhundert<br />

wird sie verstärkt ein Defensivbau,<br />

indem sie Schießkammern erhält und sich<br />

mit Verbreitung der Feuerwaffen zur Geschützschildmauer<br />

wandelt. Manche Burgen<br />

kombinieren Schildmauer und Bergfried.<br />

Im 14./15. Jahrhundert beginnt das Burgensterben;<br />

rund 50 Prozent der um 1300<br />

bestehenden Burgen werden endgültig aufgegeben.<br />

Ursachen sind wirtschaftlicher<br />

Niedergang der Ritter nebst baulicher Vernachlässigung<br />

und politischer Druck expandierender<br />

Territorialherren. Zudem verliert<br />

die Burg als standesgemäße Behausung des<br />

Adels ab dem 15. Jahrhundert an Bedeutung<br />

gegenüber den Schlössern mit höherem<br />

Wohnkomfort. Auch tragen Zerstörungen<br />

von Burgen in Krieg und Fehde zum<br />

Burgensterben bei, so der Feldzug<br />

schwäbischer Städte gegen Adelige<br />

im Hegau 1441/42, der Schweizerkrieg<br />

1499 und der Bauernkrieg<br />

1524/25. Man muss<br />

hierbei unterscheiden, ob<br />

Angreifer die Absicht<br />

hatten Wehrbauten<br />

auszuschalten oder<br />

Clausewitz 5/2013<br />

35


Militär und Technik | Burgen des Mittelalters<br />

HINTERGRUND<br />

Kastellburgen französischen Typs (13./14. Jh.)<br />

VERTEIDIGUNGSTECHNIK: Über dem Tor<br />

sind Wurferker angebracht um es gegen heranstürmende<br />

Feinde besser schützen zu<br />

können.<br />

Foto: Michael Loose<br />

lediglich Machtsymbole zerstören wollten,<br />

um dem Selbstverständnis des Gegners einen<br />

Schlag zu versetzen.<br />

Viele Burgen sind Anfang des 16. Jahrhunderts<br />

baufällig oder Ruinen, doch bleiben<br />

einstige Burgstandorte – Burgstall genannt<br />

– wichtig, da Einkünfte, Rechte und<br />

Privilegien weiterhin daran gebunden sind.<br />

Angriff, Belagerung,<br />

Verteidigung<br />

Berichte über Burgbelagerungen liegen aus<br />

dem 10./11. Jahrhundert vor; sie sind auch<br />

auf dem Wandteppich von Bayeux (11. Jh.)<br />

dargestellt, der Englands Eroberung durch<br />

die Normannen zeigt. Seit dem späteren<br />

11. Jahrhundert gibt es zunehmend Berichte<br />

über Belagerungen. Zahlreich sind sie im<br />

Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen<br />

Neuzeit.<br />

Psychologische Faktoren gehören zu<br />

wichtigen Aspekten jeder Belagerung: Oft ergeben<br />

sich Belagerte, obwohl Waffen und<br />

Proviant vorhanden sind. Ungewissheit über<br />

Angriffe oder die Angst, ausgehungert zu<br />

werden, sind Gründe dafür. Stark variiert die<br />

Dauer von Belagerungen. Die Verteidiger der<br />

Die Grundrisse früh- und hochmittelalterlicher<br />

Burgen sind dem Gelände angepasst,<br />

im Spätmittelalter gibt es die Tendenz zu<br />

kompakten Burgen. Ein neuer architektonischer<br />

Typ ist die Repräsentation und Wehrhaftigkeit<br />

kombinierende Kastellburg: Mit<br />

runden Flankierungstürmen wird sie zur Zeit<br />

König Philippes II. Auguste von Frankreich<br />

(1180–1224) ein königlicher Burgentyp, den<br />

der Adel kopiert. Bedeutende Beispiele sind<br />

Kastellburgen Friedrichs II. (1212–1250) in<br />

Süditalien und Sizilien und englische Königsburgen<br />

in Wales (letztes Viertel 13. Jh.).<br />

In Deutschland sind Lahr (1218/25) und<br />

Neuleiningen (1238/41) frühe Kastellburgen.<br />

Ende des 15. Jahrhundert entstehen<br />

frühe Festungen als steinerne rechteckige<br />

Kastelle mit runden Ecktürmen.<br />

REKONSTRUKTIONSVERSUCH: Diese<br />

Zeichnung der Wasserburg Lahr zeigt eine<br />

Kastellburg der Stauferzeit. Abb.: List<br />

EFFEKTIVE WAFFE:<br />

Einsatz einer Blide<br />

beim Kampf um eine<br />

Burg. Umzeichnung<br />

einer hochmittelalterlichen<br />

Darstellung.<br />

Abb.: Piper<br />

Burg Nannstein übergeben jene 1523 nach<br />

neun Tagen; die Besatzung der Burg Rheinsberg<br />

hält sich 1279/80 fast ein Jahr, die der<br />

Burg Thurant 1246–48 fast zwei Jahre.<br />

Mittelalterliche Burgbelagerungen lassen<br />

sich mit neuzeitlichem Strategiedenken nicht<br />

erklären. Zwar sind Okkupations- und Garnisonsburgen<br />

ebenso wie befestigte Städte Militärstützpunkte.<br />

Anders die Adelsburg: Beim<br />

Angriff gilt es weniger, sie als Stützpunkt zu<br />

gewinnen, als vielmehr an sie gebundene<br />

Rechte zu erlangen oder Herrschaftsstrukturen<br />

der Gegner auszuschalten. Symbolwert<br />

hat das Burgenbrechen: Die Burgruine im<br />

Landschaftsbild ist Zeichen für die Macht der<br />

Sieger, etwa als Eidgenossen im Schweizerkrieg<br />

1499 das Burgenbrennen praktizieren.<br />

Bei einer Belagerung kommen, je nach<br />

Größe und Bedeutung der Burg sowie Stärke<br />

und Ausstattung der Angreifer, verschiedenste<br />

Geräte zum Einsatz. Neben Armbrust<br />

und Bogen (mit Brandpfeilen), Sturmleitern<br />

und Brandsätzen gibt es Antwerk genannte<br />

Belagerungsgeräte, darunter Katzen (fahrbare<br />

Holzhütten zur gedeckten Annäherung,<br />

durch feuchte Häute oder Bleche gegen<br />

Brandgeschosse der Verteidiger geschützt).<br />

Im Schutz der Katze kann die Burgmauer beschädigt<br />

oder zerstört werden. Ist der Graben<br />

überwunden, kommt Stoßzeug zum<br />

Einsatz, etwa der Rammbock (Widder) mit<br />

einem waagerecht aufgehängten, an der<br />

Spitze eisenbeschlagenen Balken, der gegen<br />

ABGESICHERT: Die Nürburg umgeben<br />

mehrere Verteidigungswälle<br />

und schützen sie somit gut gegen<br />

Angreifer. Foto: Michael Loose<br />

36


Mit Eisenkugeln gegen Steinmauern<br />

TRUTZBURG: Blick von der Burg Eltz auf die<br />

Burg Trutzeltz, die während der Belagerung<br />

in den 1330er-Jahren erbaut wird.<br />

Foto: Michael Klehm<br />

ABGEBRANNT: Von der einstmals prächtigen<br />

Höhenburg Küssaburg ist nur noch eine Ruine<br />

erhalten. Die Ostseite (Bild) ist aber immer<br />

noch sehr beeindruckend. Foto: Michael Loose<br />

ALLES IM BLICK: Eine gute Aussicht auf das<br />

Umland bietet sich vom Doppelturm der Kasselburg.<br />

Zinnen gewähren dem Verteidiger<br />

Schutz gegen Fernwaffen. Foto: Michael Loose<br />

die Mauer geschwungen wird. Zur Mauerzerstörung<br />

wird Wurfzeug (Blide, triboc)<br />

eingesetzt, das 25–75 Kilogramm schwere<br />

Steinkugeln 300–500 Meter weit schleudert.<br />

Außer Steinen verschießt man Bienenkörbe,<br />

Aas, Leichen oder Abfälle, um Krankheiten<br />

zu verursachen und die Verteidiger zu demoralisieren.<br />

Bei der Belagerung von Karlstein<br />

1422 bringen Hussiten Kloakenkot aus<br />

Prag und schleudern ihn in die Burg. Mit ungelöschtem<br />

Kalk wird versucht, die Infektionsgefahr<br />

zu reduzieren. Bisweilen werden<br />

Bergleute zum Bau von Belagerungsstollen<br />

eingesetzt: Hohlräume, von außen unter die<br />

Burg getrieben, bringt man zum Einsturz,<br />

um Mauern und Gebäude zu zerstören.<br />

In Mitteleuropa selten sind hölzerne, fahrbare<br />

Belagerungstürme. Sie kommen bei großen<br />

Belagerungen zum Einsatz, um Verteidiger<br />

aus überhöhter Stellung zu bekämpfen.<br />

Bei langen Belagerungen erbauen Angreifer<br />

in Sicht- und Schussweite Trutzburgen aus<br />

Holz und Erde (Thurant/Mosel 1246–1248)<br />

oder als Steinburg (Trutzeltz vor Burg Eltz<br />

1331–1336). Aus Belagerungsburgen können<br />

belagerte Burgen beschossen werden, etwa<br />

mit Bliden, wie Namen belegen (Bleidenberg<br />

bei Thurant/Mosel; Blideneck bei Rheinberg).<br />

Erste Belege für Feuerwaffen in Europa<br />

stammen aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts;<br />

1331–1336 wird Burg Eltz mit<br />

Literaturtipps<br />

Deutsche Burgenvereinigung (Hg.): Burgen in<br />

Mitteleuropa. Stuttgart 1999.<br />

Großmann, G. Ulrich (Hg.): Mythos Burg.<br />

Dresden 2010.<br />

Losse, Michael: Kleine Burgenkunde.<br />

Euskirchen 2011.<br />

Reclam – Wörterbuch der Burgen, Schlösser<br />

und Festungen. Stuttgart 2004.<br />

Zeune, Joachim: Burgen. Symbole der Macht.<br />

Regensburg 1996.<br />

HART UMKÄMPFT: Während des Dreißigjährigen Krieges wird die Festung Hohentwiel 1641<br />

belagert und beschossen. Kupferstich von 1643.<br />

Abb.: Merian<br />

Pfeilbüchsen beschossen. 1334 übersteht<br />

Meersburg eine vierzehnwöchige Belagerung.<br />

Größer als die Sachschäden ist die psychologische<br />

Wirkung der kaiserlichen Geschütze:<br />

Eine Chronik berichtet, es „vilent<br />

von dem harten Ton vil menschen halbtod<br />

und onmächtig um“. 1378 werden neben<br />

Wurfmaschinen große Steinbüchsen gegen<br />

Burg Mägdeberg eingesetzt. 1399 wird Burg<br />

Tannenberg mit Artillerie zerstört. Eisenkugeln<br />

kommen um 1415 auf. Die Möglichkeit,<br />

mit Kanonen schwere Kugeln mit bis dahin<br />

unbekannter Kraft und Zielgenauigkeit zu<br />

verschießen, befähigt Angreifer nun, Mauern<br />

zu zerstören. Es wird versucht, Burgen<br />

anzupassen, oft mit improvisierten Anlagen<br />

zur Verteidigung mit und gegen Feuerwaffen<br />

(Plattformen, Erker). Schlitzscharten<br />

(Schießscharten für Bogen und Armbrust)<br />

werden zu Schlüsselscharten für Büchsen<br />

umgestaltet. In der zweiten Hälfte des 15.<br />

Jahrhundert entstehen Geschütztürme. Um<br />

sich gegen Beschuss zu sichern, werden die<br />

Gräben verbreitert. Stärkere Mauern sind Reaktionen<br />

auf mauerbrechende Feuerwaffen.<br />

Eine wichtige Verteidigungswaffe bleiben<br />

bis ins 17. Jahrhundert Wurfsteine. Auch<br />

Dachziegel, Balken et cetera sind bei entsprechender<br />

Abwurfhöhe tödliche Geschosse.<br />

Dr. Michael Losse, Jg. 1960, ist Historiker, Kunsthistoriker,<br />

Burgen- und Festungsforscher. 1987–1997 im<br />

Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte,<br />

Universität Marburg; 1997–1999 Lehrstuhlvertreter<br />

an der Universität Kaiserslautern;<br />

1997–2006 Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft<br />

für Festungsforschung. Freier Dozent, Gutachter, Publizist.<br />

Mitglied mehrerer Wissenschaftlicher Beiräte (u.a.<br />

Deutsche Burgenvereinigung; EUROPA NOSTRA Scientific<br />

Council). Autor zahlreicher Fachbücher und Artikel<br />

über Burgen, Schlösser, Festungen.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

37


Der Zeitzeuge<br />

ERSTE GASANGRIFFE:<br />

Hermann Föller (stehend,<br />

2. v. links), 1915.<br />

In den kleinen Taschen<br />

an der linken Schulter<br />

befinden sich präparierte<br />

Tücher, die bei Gasangriffen<br />

zum Schutz über<br />

Nase und Mund gezogen<br />

werden. Später erhalten<br />

die Soldaten recht<br />

schnell Gasmasken.<br />

Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers 1914–1917<br />

31 Monate Front.<br />

919 Tage im Graben.<br />

360 Feldpostbriefe.<br />

1914–1917: Ein junger Mann, draußen auf dem mörderischen Schlachtfeld, hält Verbindung<br />

zur Familie. Am Ende holt ihn der Tod. Was bleibt sind zahlreiche Briefe und Feldpostkarten.<br />

Von Susanne Asoronye<br />

38


Alle Fotos: Susanne Asoronye<br />

Die Auseinandersetzung mit der jüngeren<br />

Vergangenheit – Hitler und dem<br />

Holocaust – ließ dem kollektiven Gedächtnis<br />

nur wenig Raum für die „Urkatastrophe<br />

des beginnenden 20. Jahrhunderts“.<br />

Der Erste Weltkrieg – das bedeutete Gemetzel,<br />

Grauen und Tod im Graben und bescherte<br />

unvorstellbares Leid. Fast 70 Millionen Soldaten<br />

wurden in den Kampf geschickt und<br />

rund neun Millionen starben – viele missbraucht<br />

als Kanonenfutter in einem sinnlosen<br />

Stellungskrieg.<br />

Hermann Friedrich Föller wird 1894 in<br />

Königsbach/Baden geboren. Im Oktober<br />

1914 nimmt der knapp 20-Jährige pflichtbewusst,<br />

jedoch ohne Begeisterung seinen<br />

Dienst im 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiment<br />

Nr. 109 auf. Während der Ausbildung<br />

in der Karlsruher Kaserne beschreibt er das<br />

Kasernenleben als Theaterstück: „Ach, wenn<br />

ich dran kam, waren die ganzen Herren Offiziere<br />

mit auf der Reitbahn und die haben<br />

sich alle amüsiert. Sie sagten, das wäre schöner<br />

wie im Zirkus. Mir haben sie nämlich ein<br />

zu kurzes Pferd gegeben, das hinten immer<br />

so schnell aus war. Und das klappte nicht,<br />

denn ich saß immer hinter dem Pferd. Von<br />

vorn habe ich mein Pferd überhaupt nicht<br />

kennengelernt. Ich glaube, das Luder hat gar<br />

keinen Kopp gehabt.“<br />

Schockerlebnis Front<br />

Mitte Januar 1915 kommt Hermann an die<br />

Westfront. Dort tobt die Loretto-Schlacht,<br />

eine der für den Ersten Weltkrieg typischen<br />

ergebnislosen Schlachten. Der junge Soldat<br />

ist offensichtlich geschockt über das Fronterleben,<br />

in das er so unvermittelt geraten<br />

ist. Er schreibt seinen Eltern: „Nun meine<br />

Lieben, bis jetzt bin ich noch gesund und<br />

Ihr hoffentlich auch. Seid nur froh, daß Ihr<br />

keine Ahnung vom Krieg habt, denn wie es<br />

hier im Feindesland aussieht davon macht<br />

Ihr Euch auch nicht im Entferntesten ein<br />

Bild. Gerade diese Woche haben die Franzosen<br />

ein Dorf in unserer Nähe in Brand geschossen<br />

und lichterloh stand alles in Flammen<br />

und leuchtete uns zu<br />

unserer Schanzarbeit. […]<br />

Wie das Feld aussieht, durchzogen<br />

von Schützengräben<br />

und Brandruine an Brandruine.<br />

Dazu die Hungersnot der<br />

Bewohner. O weh, wenn sich<br />

der Krieg auf deutschem Boden<br />

abgespielt hätte.“ Als im<br />

Juni 1915 die Offensive auf der<br />

Loretto-Höhe eingestellt wird,<br />

wird das Regiment in die<br />

Champagne verlegt. Diese be-<br />

BRIEF AN DIE ELTERN: Dieses<br />

Schreiben stammt vom Dezember<br />

1914. Hermann bittet darin<br />

um die Reinigung und Rücksendung<br />

von Wäsche und fragt nach<br />

seinem Weihnachtsgeschenk.<br />

schreibt Hermann folgendermaßen:<br />

„Was die Gegend hier anbetrifft, mag<br />

es wohl in Friedenszeit sehr schön gewesen<br />

sein. Aber jetzt! Die wenigen<br />

Dörfer in unserem Bereich sind bereits<br />

vom Erdboden verschwunden.<br />

Wir hausen in Baracken, die an Bergabhängen<br />

gebaut sind. Der Boden ist<br />

allenthalben aufgeweicht und wo wir<br />

auch unseren Fuß hinsetzen, überall<br />

versinken wir im Schlamm und<br />

Dreck, man kommt kaum vorwärts.<br />

Es ist nicht zu schildern.“<br />

In der Somme-Schlacht<br />

Bis Mitte August 1916 verbleiben die<br />

Grenadiere in der Champagne, danach<br />

werden sie an der Somme eingesetzt.<br />

Mit über einer Million getöteten, verwundeten<br />

und vermissten Soldaten ist die<br />

Somme-Schlacht die verlustreichste Schlacht<br />

des Ersten Weltkriegs und führt das deutsche<br />

Heer an den Rand der Erschöpfung.<br />

Hermann beschreibt nun immer mehr den<br />

Kriegsalltag: „Allerdings bin ich auch noch<br />

im schönsten Feuerbereich und ab und zu<br />

TRAGISCHES ENDE: Wie so<br />

viele seiner Generation kehrt<br />

Hermann Föller nicht von den<br />

Schlachtfeldern des Krieges<br />

nach Hause zurück. Das<br />

Schicksal des Grenadiers Föller<br />

beschert persönliche und<br />

tiefe Einblicke in den Frontalltag<br />

des Ersten Weltkriegs.<br />

EIN STÜCK GESCHICHTE:<br />

Feldpostkarte des Grenadiers<br />

Föller in die Heimat<br />

nach Königsbach. Links<br />

mit Vordruck zur korrekten<br />

Absenderangabe.<br />

geht es nachts vom Bett in den Keller, denn<br />

die Franzmänner machen fast täglich einige<br />

Häuser dem Erdboden gleich und wenn<br />

man nachts im schönsten Schlaf liegt und<br />

die Granaten pfeifen und heulen so übers<br />

Dach, so ist das doch ein anderes Gefühl als<br />

wenn ich in einem gewissen Eckhaus in Königsbach<br />

auf dem Sofa sitze. Wenn gar die<br />

Granaten in der Nähe einschlagen geht es<br />

eben schleunigst in den Keller. Oft die Hosen<br />

auf dem Arme, wenn man nicht vorzieht<br />

sich überhaupt nicht auszuziehen.<br />

Nun, man ist das so ziemlich gewöhnt. Es<br />

geht übrigens hier eben sehr brenzlich her.“<br />

Hunger und Verdruss<br />

Ende des Jahres 1916 wird die vorherige<br />

Stellung in der Champagne eingenommen.<br />

Hier erhält Hermann Föller das Eiserne<br />

Kreuz 2. Klasse für seinen Einsatz als Essenholer<br />

an der Somme. Ende 1916/Anfang<br />

Clausewitz 5/2013<br />

39


Der Zeitzeuge<br />

DAS LETZTE BILD: Hermann (ganz links) bei einem Maschinengewehr-Kurs im April 1917.<br />

Kurze Zeit später wird er verwundet und stirbt an seinen Verletzungen.<br />

UNPERSÖNLICH: Einlieferungsbenachrichtigung<br />

aus dem Feldlazarett No. 262 an Hermanns<br />

Eltern. Die Anzahl verwundeter Soldaten<br />

ist so groß, dass die Benachrichtigung<br />

der Angehörigen durch vorgedruckte und<br />

schnell auszufüllende Karten stattfindet.<br />

1917 bemerkt man in den Briefen die starke<br />

Sehnsucht nach dem Kriegsende. Er bemängelt<br />

das karge Essen und die Ungerechtigkeit<br />

bei der Urlaubsverteilung. Im Februar<br />

1917 schreibt er aus Ones bei Verdun:<br />

„Hauptsächlich das Paketchen mit dem<br />

Schinkenbrot kam mir sehr gelegen, denn<br />

ich habe Euch ja bereits geschildert wie’s<br />

mit dem Essen gegenwärtig aussieht, gerade<br />

heute Mittag war es wieder sehr minimal.<br />

Es sollte nämlich Sauerkraut sein, war<br />

aber in Wirklichkeit nur Brühe. Da kann<br />

man sich herausessen?? An Arbeit fehlt es<br />

aber dafür nicht. Ich kann nur sagen, daß es<br />

unter diesen Umständen bald aufhören<br />

möchte. Wenn Ihr mich so, wie ich jetzt im<br />

Loch sitze, sehen würdet, würdet<br />

Ihr mich wahrscheinlich<br />

nicht kennen. Ich habe nämlich<br />

heute Mittag Essen geholt. Das<br />

ist hier auch so eine Sache denn<br />

da wir seit acht Tagen Tauwetter<br />

haben, herrscht eine Schweinerei<br />

und man bleibt im Dreck fast stecken.<br />

Dazu Granaten, manchmal<br />

fast mehr wie Nudeln in der Nudelsuppe.<br />

[…] Wie es nun im Graben<br />

aussieht? Ich glaube kaum,<br />

daß Ihr es Euch vorstellen könnt. Wasser,<br />

Wasser u. nochmals Wasser und der dazugehörige<br />

Dreck fehlt natürlich auch nicht.<br />

Die Stiefel am Fuße bilden einen unförmigen<br />

Klumpen. Hosen und Mantel kann<br />

man bequem in die Ecke stellen. Die sichtbaren<br />

blanken Teile am Körper wie Gesicht<br />

und Hände sind oxidiert und zwar<br />

schwarz. Wie meine Füße oder erst noch<br />

meine Socken aussehen wenn ich mal wieder<br />

die Stiefel ausziehe – ich habe sie „erst“<br />

seit acht Tagen am Fuße.“<br />

Das bittere Ende<br />

Mitte 1917 wird der eingereichte Urlaub<br />

wieder einmal verschoben. In seiner letzten<br />

Karte vom 16. Juli 1917 macht sich Hermann<br />

Luft: „Ihr werdet bereits aus meinem<br />

Brief vom 12. erfahren haben, daß ich nicht<br />

kommen kann. Das ist der Dank für das<br />

ganze Kopfhinhalten!“ Am 20. Juli 1917<br />

wird Hermann von einer aus eigenen Reihen<br />

zu kurz geworfenen Miene verwundet.<br />

Die Wunden an Oberarm und Leistengegend<br />

stellen sich als nicht lebensgefährlich<br />

heraus. Sein Unteroffizier schreibt: „Nach<br />

einigen Tagen wird Hermann froh sein, daß<br />

er so davongekommen ist, was uns noch<br />

LESEN SIE DIE GANZE<br />

GESCHICHTE<br />

Feldpost eines Badischen<br />

Leib-Grenadiers von Susanne<br />

Asoronye, Format DIN A5,<br />

388 Seiten, Hardcover mit<br />

Fadenheftung, ca. 500 historische<br />

Fotos, Preis: 34,80<br />

Euro, zu bestellen auf<br />

www.feldpostbuch.de<br />

blüht, wissen wir nicht. Es ist jeder froh, lebend<br />

aus diesem Getöse zu kommen.“<br />

Doch Hermann fiebert, bekommt Schmerzen,<br />

und stirbt am 22. Juli 1917. Zurück bleiben<br />

verzweifelte Eltern, trauernde Geschwister<br />

und eine Verlobte, die ihrem Hermann<br />

zeitlebens die Treue hält.<br />

Das Buch<br />

25 Jahre lang liegen die Feldpostbriefe und<br />

-karten im Schrank von Susanne Asoronye<br />

– im Schuhkarton mit altem „Gruscht“, den<br />

sie von ihrer Großmutter Lydia vor deren<br />

Tod bekommen hat. Vor fast vier Jahren<br />

sichtet die geschichtsinteressierte Grafikerin<br />

die Briefe und erkennt, dass diese nicht<br />

wieder in der Versenkung verschwinden<br />

dürfen. Ihr Großonkel Hermann Föller war<br />

intelligent, sein Schreibstil einzigartig und<br />

seinen Humor und Wortwitz bewahrte er<br />

fast bis in das letzte Kriegsjahr. Susanne<br />

Asoronye veröffentlicht in dem Buch „Feldpost“<br />

nicht nur die interessantesten Briefe,<br />

sondern setzt sie in den geschichtlichen<br />

Kontext. Der Leser erfährt in zeitlich abgestimmten<br />

Zusammenfassungen, was Hermanns<br />

Bataillon der Badischen 109er im<br />

Krieg erlebte, während er die Briefe schrieb.<br />

Auch Beschreibungen des Frontalltags wie<br />

die Funktion der Feldbäckerei und der<br />

Feldpost oder die Truppenversorgung, die<br />

Entstehung des „Champagne-Kamerad“<br />

sowie die Situation zu Hause kommen<br />

nicht zu kurz. Das Buch ist mit zahlreichen<br />

Fotos versehen, solide recherchiert und<br />

hochwertig produziert. Die Autorin wurde<br />

dafür beim Landespreis für Heimatforschung<br />

Baden-Württemberg mit einer Anerkennungsurkunde<br />

für herausragende<br />

Leistungen ausgezeichnet.<br />

40


Legenden<br />

der Lüfte<br />

Jeden Monat<br />

neu am Kiosk!


Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

„Arbeitspferd“<br />

Amerikanische M2A1<br />

105-Millimeter-Haubitze<br />

Die M2A1 105-Millimeter-Haubitze war<br />

das leichte Standardfeldgeschütz amerikanischer<br />

Artillerieeinheiten sowohl auf<br />

dem europäischen als auch auf dem pazifischen<br />

Kriegsschauplatz. Die ab 1941 produzierte<br />

M2A1-Haubitze stellte einen gewaltigen<br />

Schritt nach vorn dar im Vergleich zur<br />

75-Millimeter-Haubitze, die im Ersten Weltkrieg<br />

eingesetzt wurde. Mobiler, vielseitiger<br />

und zuverlässiger als die 75-Millimeter-Haubitze,<br />

war die M2A1 doppelt so leistungsfähig,<br />

verschoss knapp 15 Kilogramm schwere<br />

Geschosse mit einer Reichweite von circa<br />

11.100 Metern. Ein schwerer Lkw konnte die<br />

2.260 Kilogramm schwere M2A1 beinahe<br />

überall hin bewegen. Auch der mögliche steile<br />

Schusswinkel stellte sich als äußerst vorteilhaft<br />

heraus. Er versetzte Einheiten in die<br />

Lage, die Haubitze defensiv in Hinterhangstellung<br />

oder geschützt durch andere natürliche<br />

Deckungen zu positionieren und von<br />

dort die Geschosse mit einer steilen Schussbahn<br />

auf Ziele in acht bis elf Kilometern,<br />

wenn erforderlich auch auf nicht einsehbare<br />

Hinterhangstellungen, abzufeuern.<br />

Um die 10.200 M2A1 wurden produziert.<br />

Nach dem Krieg wurde sie als M101A1 bekannt<br />

und man setzte sie sowohl während<br />

des Korea- als auch während des Vietnamkrieges<br />

ein. Inzwischen schied dieses Arbeitspferd<br />

als Feldartilleriegeschütz bei der<br />

U.S. Army aus, obwohl es in anderen Ländern<br />

weiterhin im Einsatz steht.<br />

Zieloptik<br />

Optisches Festbrennweitensystem<br />

mit vierfacher<br />

Vergrößerung, 10 Grad<br />

Sichtfeld, mechanischem<br />

Zählwerk zur<br />

Unterstützung des<br />

Richtschützen.<br />

Spreizholm<br />

Linker und rechter Holm wurden in Feuerstellung<br />

auseinander gezogen und im Boden verankert.<br />

Dabei dienten die beiden Endsporne dazu, die<br />

Rückstoßkräfte aufzufangen, indem sie diese in den<br />

Boden ableiteten. In Transportstellung wurden die<br />

Holme dann wieder zusammengeführt.<br />

Seitenrichtrad<br />

Mit diesem ließ sich<br />

das Rohr links oder<br />

rechts maximal 46 Grad<br />

schwenken.<br />

Manuell bedienter<br />

Schubkurbelverschluss<br />

Der Verschluss erlaubte aufgrund<br />

seiner nur hüfthohen<br />

Position schnelles Nachladen.<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

Die Bedienung des Geschützes<br />

bestand aus<br />

acht Mann; dazu gehörten<br />

der Lade- und Richtschütze<br />

sowie der Geschützführer<br />

und der für<br />

die Munition verantwortliche<br />

Kanonier. Die 105-<br />

Millimeter-Haubitze verschoss<br />

eine große Munitionsvielfalt<br />

wie etwa<br />

hochexplosive, panzerbrechende<br />

oder Brandmunition.<br />

Die maximale<br />

Feuergeschwindigkeit<br />

betrug zehn Schuss pro<br />

Minute und bei Dauerfeuer<br />

drei Schuss je Minute.<br />

Foto: National Archives<br />

Zugöse<br />

Mit dieser wurde die Haubitze an<br />

Zugfahrzeuge zum Transport angehängt.<br />

42


Doppelschild<br />

Gedacht, um Soldaten zu schützen,<br />

wenn die Haubitze als Nahunterstützungswaffe<br />

eingesetzt wurde.<br />

Geschützrohr<br />

105 Millimeter Durchmesser; es<br />

lagerte auf einem hydropneumatischen<br />

Rückstoßmechanismus, der ähnlich<br />

einem Stoßdämpfer funktionierte.<br />

Höhenrichtrad<br />

Hiermit konnte das Rohr von minus zehn<br />

(wenn man beispielsweise von erhöhter<br />

Position nach unten schießen musste) bis zu<br />

plus 65 Grad Rohrerhöhung gerichtet werden.<br />

Abzugvorrichtung<br />

Durch Ziehen an diesem Seil wurde<br />

der Schuss ausgelöst.<br />

Ebenso wurde die M2A1 in Panzerdivisionen auf Selbstfahrlafetten<br />

verwendet. Im Bild sieht man die Selbstfahrlafette<br />

M7 mit 105-Millimeter-Haubitze auf Sizilien. Diese basierte<br />

auf dem Chassis des M4 Sherman-Panzers. Die Briten tauften<br />

dieses Gefährt „Priest“(Priester) aufgrund der kanzelähnlichen<br />

Drehringlafette für das Maschinengewehr an der<br />

rechten vorderen Fahrzeugseite.<br />

Foto: National Archives<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

122 Millimeter M1938 (M-30)<br />

Reichweite: ca. 11.800 Meter;<br />

entwickelt 1938. Die M1938<br />

diente der Roten Armee als<br />

Standard-Divisionsartillerie bis 1960.<br />

Geschütz QF 25-Pfünder<br />

Reichweite: ca. 12.250 Meter;<br />

wohl das beste Artilleriegeschütz<br />

des Zweiten Weltkriegs. Es verfügte über<br />

eine Feuergeschwindigkeit von sechs bis<br />

acht Schuss pro Minute und diente in der<br />

Britischen Armee bis in die 1960er-Jahre.<br />

Haubitze 105/14 Modell 18<br />

Reichweite ca. 8.150 Meter;<br />

entwickelt aus einem WKI-Design.<br />

Es existierten sowohl bespannte als<br />

auch Kraftzugvarianten. Nach Italiens<br />

Kapitulation im September 1943<br />

wurden einige Stücke erbeutet und von<br />

den Deutschen weiterverwendet.<br />

Typ 11 100 Millimeter<br />

Reichweite: ca. 10.750 Meter;<br />

auf einem französischen<br />

Entwurf basierend war diese leichte<br />

Feldhaubitze effektiv, aber lediglich 1.100<br />

wurden seit 1931 gebaut, so dass nie<br />

genügend Geschütze im Bestand waren,<br />

um alle japanischen Divisionen mit ihm<br />

auszustatten.<br />

Leichte Feldhaubitze 18<br />

Reichweite: ca. 12.300 Meter;<br />

entwickelt von Rheinmetall<br />

(1928/29) war sie eigentlich<br />

eine verlängerte Version eines<br />

Entwurfs von 1916. Die mit der<br />

10,5-Zentimeter Leichten Feldhaubitze<br />

18M eingeführte Mündungsbremse<br />

erhöhte die Reichweite<br />

deutlich.<br />

In dieser Serie bereits erschienen:<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Flugzeugträger Independent-Klasse (3/2013)<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Maschinengewehr (MG)42 (4/2013)<br />

Demnächst:<br />

„Swordfish“ Torpedobomber (6/2013)<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II magazine“<br />

sowie der Weider History Group für die Zurverfügungstellung<br />

der Grafiken. Mehr Informationen<br />

unter www.HistoryNet.com.<br />

Clausewitz 5/2013 43


Schlachten der Weltgeschichte<br />

VERSTÄRKUNG: Kampfpanzer vom Typ<br />

„Panther“ rollen an die Front.<br />

Foto: ullstein bild – Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

44


„Plattenseeoffensive“ in Ungarn, 1945<br />

<strong>Hitlers</strong><br />

Fehlschlag am<br />

Balaton<br />

6. März 1945: Die Heeresgruppe Süd tritt am ungarischen Plattensee (Balaton)<br />

zur Großoffensive an. <strong>Hitlers</strong> Ziel ist es, die sowjetischen Linien zu durchbrechen, die<br />

Ölversorgung sicherzustellen und den Donauraum zurückzuerobern. Von Lukas Grawe<br />

Die deutsche Wehrmacht befindet sich<br />

zu Beginn des Jahres 1945 nach zahlreichen<br />

Rückschlägen und Niederlagen<br />

an der Ostfront längst auf dem Rückzug. In<br />

Ungarn ist es der Roten Armee gelungen,<br />

die Donau zu überqueren und dort Brückenköpfe<br />

zu bilden. Budapest ist mittlerweile in<br />

sowjetischer Hand.<br />

Zwar kann die Wehrmacht das weitere<br />

Vorstoßen der Roten Armee auf Wien durch<br />

Entlastungsangriffe verhindern, doch wird<br />

ein großer Teil des transdanubischen Raums<br />

von sowjetischen Verbänden gehalten.<br />

Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive<br />

im Westen will Hitler entgegen den<br />

Wünschen seiner Generäle die freigewordenen<br />

Truppen in Ungarn einsetzen, um zumindest<br />

den gesamten Raum westlich der<br />

FAKTEN<br />

Ziel<br />

Oberbefehl<br />

Einsatzverbände<br />

Truppenstärke<br />

6. März 1945<br />

Verluste<br />

Die Kriegsparteien im Überblick<br />

Wehrmacht<br />

Rückeroberung Ungarns; Sicherstellung<br />

der Ölversorgung; Verteidigung<br />

Wiens<br />

Maximilian von Weichs (Oberbefehlshaber<br />

Südost), Otto Wöhler (HGr. Süd),<br />

Alexander Löhr (HGr. E)<br />

6. Armee (Balck), 2. Panzerarmee (de<br />

Angelis), 6. SS-Panzerarmee (Dietrich),<br />

HGr. E (XV. Gebirgs-Armeekorps, XXXIV.<br />

und LXXXXI. Armeekorps)<br />

circa 300.000 Soldaten<br />

(25 Divisionen)<br />

circa 12.400 Gefallene, Vermisste<br />

und Verwundete, 31 Panzer<br />

Rote Armee<br />

Aufhalten der deutschen Offensive;<br />

anschließend Gegenoffensive bis zur<br />

Eroberung Österreichs<br />

Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin<br />

(3. Ukrainische Front)<br />

1. bulgarische Armee, 26. Armee,<br />

27. Armee, 57. Armee, 4. Gardearmee;<br />

ab 16. März auch 9. Gardearmee,<br />

6. Gardepanzerarmee<br />

circa 465.000 Soldaten<br />

(55 Divisionen); ab 15. März circa<br />

1.000.000 Soldaten<br />

circa 8.500 Tote und 24.500 Verwundete,<br />

etwa 150 Panzer und<br />

415 Panzerabwehrkanonen<br />

Clausewitz 5/2013<br />

45


Schlachten der Weltgeschichte | „Plattenseeoffensive“<br />

ZERSTÖRT: Ein deutscher<br />

Panzer vom Typ „Panther“<br />

passiert das Wrack eines<br />

während der Kämpfe in Ungarn<br />

im Frühjahr 1945 abgeschossenen<br />

sowjetischen<br />

Kampfpanzers.<br />

Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Donau von sowjetischen Truppen zu „säubern“<br />

und die Rohölversorgung des Deutschen<br />

Reichs aufrecht zu erhalten.<br />

HINTERGRUND<br />

Sicherung der Ölreserven<br />

In Ungarn befinden sich die letzten Ölquellen<br />

und Raffinerien, auf die das „Dritte Reich“<br />

noch Zugriff hat. Ohne sie kann Deutschland<br />

den Krieg nicht weiterführen. Da die dort stationierte<br />

deutsche Heeresgruppe Süd unter<br />

ihrem Befehlshaber General der Infanterie Otto<br />

Wöhler vollständig aus ungarischen Erdölvorkommen<br />

versorgt werden kann, fällt Hitler<br />

die Entscheidung für eine Offensive am<br />

Südflügel der Ostfront leicht. Dabei schweben<br />

ihm bereits feste Ziele für einen Angriff<br />

vor: Die Rückeroberung Budapests stellt für<br />

den Diktator das Minimum dessen dar, was<br />

mit einem massiven Kräfteansatz erreicht<br />

werden soll. In einer größeren Lösung hat<br />

Hitler sogar den Vorstoß über die Donau ins<br />

Auge gefasst. Für diese Vorhaben ist es jedoch<br />

zuvor unumgänglich, den Raum zwischen<br />

Drau, Donau und Plattensee zu sichern.<br />

Der deutsche Verbündete Ungarn<br />

Unter starkem deutschem Druck tritt Ungarn<br />

im November <strong>1940</strong> dem Dreimächtepakt<br />

zwischen Japan, dem Deutschen Reich und<br />

Italien bei und ist somit fortan zu militärischem<br />

Beistand verpflichtet. Ungarn beteiligt<br />

sich an der Besetzung Jugoslawiens und<br />

nimmt nur wenige Tage nach der deutschen<br />

Kriegserklärung an die Sowjetunion im Juni<br />

1941 mit Truppenkontingenten am Unternehmen<br />

„Barbarossa“ teil.<br />

Entsendet die ungarische Regierung anfangs<br />

nur wenige Truppen, so stellt sie später<br />

mit der 2. Ungarischen Armee einen<br />

200.000 Mann starken Verband. Nach den<br />

deutschen Niederlagen an der Ostfront versucht<br />

die ungarische Staatsführung, Kontakt<br />

zu den Westalliierten aufzunehmen und<br />

aus dem Krieg auszusteigen. Daraufhin besetzen<br />

deutsche Truppen im März 1944 das<br />

Land an der Donau, das Deutsche Reich<br />

richtet eine Marionettenregierung ein. Ungarn<br />

wird gezwungen, den Kampf mit verstärkten<br />

Kräften weiterzuführen. Viele Ungarn<br />

schließen sich daher der Roten Armee<br />

an, die im Oktober 1944 ihren Sturm auf <strong>Hitlers</strong><br />

Bündnispartner beginnt.<br />

Anfang 1945 ersucht die ungarische Gegenregierung<br />

um Waffenstillstand mit der<br />

Sowjetunion, der am 20. Januar 1945 in<br />

Moskau unterzeichnet wird. Erst Anfang<br />

April 1945 enden schließlich die letzten<br />

Kampfhandlungen auf ungarischem Boden.<br />

Die Planungen für einen deutschen Vorstoß<br />

in Ungarn reichen in den Februar 1945<br />

zurück. Die deutsche Militärführung hält ein<br />

Vorgehen nördlich und südlich des Plattensees<br />

für den wirksamsten Ansatzpunkt.<br />

Nördlich des Sees sollen die 6. Panzerarmee<br />

unter ihrem kommandierenden General SS-<br />

Oberstgruppenführer Josef Dietrich und die<br />

6. Armee unter ihrem Befehlshaber General<br />

der Panzertruppe Hermann Balck vorgehen,<br />

im Süden soll die 2. Panzerarmee unter dem<br />

österreichischen General der Artillerie Maximilian<br />

de Angelis den anderen Arm der Zange<br />

bilden. Beide Stoßrichtungen sollen sich<br />

östlich des Sees vereinigen und auf diese Weise<br />

mehrere sowjetische Armeen der 3. Ukrainischen<br />

Front einkesseln und vernichten.<br />

Weitreichende Pläne<br />

Während Dietrichs Vorgehen den Decknamen<br />

„Frühlingserwachen“ erhält und die Hauptlast<br />

des Angriffs zu tragen hat, erhält das Vorhaben<br />

der 2. Panzerarmee den Tarnnamen<br />

„Eisbrecher“. Zusätzlich zu diesen beiden<br />

Operationen soll südlich des Flusses Drau die<br />

Heeresgruppe E unter ihrem Befehlshaber<br />

Generaloberst Alexander Löhr nach Norden<br />

vorstoßen und sich mit der Heeresgruppe<br />

Süd vereinigen. Für das unter dem Namen<br />

„Waldteufel“ laufende Vorhaben sind jedoch<br />

nur geringe Kräfte veranschlagt.<br />

46


Witterungsbedingte Schwierigkeiten<br />

Nach erfolgreichem Verlauf des Angriffs<br />

sollen anschließend die sowjetischen Verbände<br />

vor Budapest zerschlagen werden.<br />

Hatte man auf deutscher Seite anfangs daran<br />

gedacht, beide Schritte gleichzeitig auszuführen,<br />

müssen diese Gedanken recht<br />

schnell aufgrund fehlender Kräfte verworfen<br />

werden. Die 6. Panzerarmee muss daher<br />

bei ihrem Vorgehen mit einer Bedrohung an<br />

ihrer linken Flanke durch die sowjetischen<br />

Truppen vor Budapest klarkommen. Trotz<br />

dieser Lage glaubt Hitler an einen Erfolg.<br />

Gegenüber Wöhler erklärt der Diktator, beim<br />

Erfolg der Offensive seien „große Brückenköpfe<br />

über die Donau zu bilden, um gegebenenfalls<br />

ostwärts der Donau auf Budapest<br />

zu stoßen.“ Mit einem „Führerbefehl“ gehen<br />

die endgültigen Anweisungen über die<br />

„Operation in Ungarn“ am 25. Februar an<br />

die ausführenden Armeen.<br />

KARTE<br />

Die Kampfhandlungen im Überblick<br />

OFFENSIVE- UND GEGENOFFENSIVE: Den deutschen Vorstößen in der 1. Märzhälfte<br />

1945 folgt wenig später der sowjetische Gegenschlag der 2. und 3. Ukrainischen Front.<br />

Fehlendes Überraschungsmoment<br />

In den Tagen vor dem angesetzten Angriffstermin<br />

haben massive Regenfälle die Wege<br />

und Straßen nahezu unpassierbar werden<br />

lassen. Die einsetzende Schneeschmelze verstärkt<br />

die witterungsbedingten Schwierigkeiten<br />

zusätzlich. Auf den wenigen Aufmarschstraßen,<br />

die von der Wehrmacht genutzt<br />

werden können, stauen sich die Fahrzeuge.<br />

Dies macht es der sowjetischen Luftaufklärung<br />

leicht, die Stoßrichtungen des deutschen<br />

Angriffs zu melden. Im sowjetischen<br />

IM NAHKAMPF: Soldaten der Roten Armee<br />

nehmen den Gegner während des<br />

Häuserkampfes in einer ungarischen Ortschaft<br />

unter Beschuss und geben sich<br />

Feuerschutz.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Clausewitz 5/2013<br />

47


Schlachten der Weltgeschichte | „Plattenseeoffensive“<br />

MOTORISIERT: Eine Artillerie-Batterie bahnt<br />

sich auf einer mit Matsch und Schlamm<br />

bedeckten Landstraße ihren Weg.<br />

Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

Hauptquartier ist man schon längst umfassend<br />

über das deutsche Vorhaben informiert.<br />

Die im Januar und Februar durchgeführten<br />

deutschen Entlastungsangriffe lassen keinen<br />

anderen Schluss zu, als dass der deutsche<br />

Schlag in Ungarn stattfinden wird.<br />

Der Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen<br />

Front, Marschall Fjodor Iwanowitsch<br />

Tolbuchin, erhält daher bereits im Februar<br />

MUSS SICH GESCHLAGEN GEBEN:<br />

SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst<br />

der Waffen-SS Josef<br />

Dietrich, Oberbefehlshaber<br />

der 6. SS-Panzerarmee,<br />

wird<br />

zum Rückzug<br />

aus Ungarn<br />

gezwungen.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

von Stalin den Befehl, Verteidigungsstellungen<br />

zu errichten und den deutschen Angriff<br />

abzuwehren. Erst danach sieht das sowjetische<br />

Oberkommando wieder eine Offensive<br />

in Richtung Wien vor.<br />

Ungünstige Wetterverhältnisse<br />

Die schlechten Wetterverhältnisse und das<br />

fehlende Überraschungsmoment lassen die<br />

Erfolgsaussichten des deutschen Vorhabens<br />

von Anfang an zweifelhaft erscheinen. Hinzu<br />

kommt die dramatische Unterlegenheit<br />

der Angreifer im Bereich der Artillerie. Auch<br />

die ungarischen Verbündeten raten den<br />

Kommandeur des Hauptschlags:<br />

Josef „Sepp“ Dietrich<br />

deutschen Truppen von einem Angriff ab, da<br />

sie mit dem schlammigen und von unzähligen<br />

Kanälen durchzogenen Gebiet vertraut<br />

sind. Doch Hitler, immer wieder auf die Abhängigkeit<br />

des Reiches von den riesigen Erdölvorkommen<br />

Ungarns verweisend, hält an<br />

der geplanten Offensive fest.<br />

Am 6. März beginnen um 1:00 Uhr nachts<br />

die Unternehmen „Waldteufel“ und „Eisbrecher“<br />

mit relativ bescheidenen Kräften. Drei<br />

Stunden später schlagen die Hauptkräfte<br />

zwischen Plattensee und Velece-See los. Elf<br />

Panzerdivisionen und sechs Infanteriedivisionen<br />

beginnen alleine im nördlichen An-<br />

Der 1892 geborene Josef Dietrich macht bereits im Ersten Weltkrieg als Mitglied einer Sturmpanzerwagen-Abteilung<br />

auf sich aufmerksam. Nach Kriegsende schließt er sich schon bald den Nationalsozialisten<br />

um Adolf Hitler an und nimmt auch am gescheiterten Putschversuch <strong>Hitlers</strong> und Ludendorffs<br />

1923 in München teil. In den folgenden Jahren betreibt er maßgeblich den Aufbau der SS. Zudem<br />

ist er als dessen „persönlicher Begleiter“ für die Sicherheit <strong>Hitlers</strong> zuständig. 1934 beteiligt<br />

er sich am „Röhm-Putsch“ und ist für die Erschießung einiger hochrangiger SA-Führer<br />

verantwortlich.<br />

Im Zweiten Weltkrieg befehligt Dietrich zuerst die zu einer Division ausgebaute „Leibstandarte“<br />

und wird für seine Führung des Verbandes mehrmals ausgezeichnet. Im<br />

Herbst 1944 übernimmt er den Oberbefehl über die 6. SS-Panzerarmee, die im Westen<br />

1944/45 an der Ardennenoffensive beteiligt ist. Zu Beginn der Offensiven in Ungarn<br />

wird die 6. SS-Panzerarmee an die Ostfront verlegt und nimmt gegen Ende des Krieges<br />

am Kampf um Wien teil. Dietrich gerät in amerikanische Gefangenschaft und wird zu lebenslanger<br />

Haft verurteilt, aus der er 1955 vorzeitig entlassen wird. Er stirbt 1966.<br />

48


Stalins Machtwort<br />

Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen Front:<br />

Fjodor I. Tolbuchin<br />

Als einfacher Sohn eines Bauern 1894 geboren,<br />

schließt sich Tolbuchin bereits früh der Armee des<br />

Zaren an. 1918 tritt er der Roten Armee bei und<br />

dient als Stabschef einer Division. Der spätere<br />

„Marschall der Sowjetunion“ erhält 1942 das Kommando<br />

über die 57. Armee, nachdem er zuvor als<br />

Chef des Stabes der Transkaukasus- und der Krimfront<br />

Erfahrungen sammeln konnte. Mit der 57. Armee<br />

nimmt Tolbuchin an der Schlacht um Stalingrad<br />

teil und empfiehlt sich mit seiner entschlossenen<br />

Führung für höhere Aufgaben.<br />

Ab August 1943 erhält er das Kommando über<br />

die Südfront und ist somit maßgeblich an der Rückeroberung<br />

der Halbinsel Krim beteiligt. Bis Kriegsende<br />

wird Tolbuchin schließlich die Führung über die<br />

3. Ukrainische Front anvertraut, mit der er in der<br />

Operation Jassy-Kischinew die Heeresgruppe Süd<br />

entscheidend schwächt und anschließend nach Jugoslawien<br />

vorstößt. Im Anschluss an seinen Einsatz<br />

in Ungarn zieht Tolbuchin am 13. April in Wien ein<br />

und trifft am 8. Mai in Niederösterreich auf amerikanische<br />

Truppen. Nach dem Krieg wird er Kommandeur<br />

des Transkaukasischen Militärbezirks und Mitglied<br />

des Obersten Sowjet der UdSSR.<br />

Er stirbt 1949.<br />

griffsabschnitt mit dem Sturm auf die sowjetischen<br />

Linien.<br />

Der 6. Panzerarmee sind die Hauptkräfte<br />

der eingesetzten Panzer unterstellt, um ihrem<br />

Angriff die größte Wirkung zu verleihen.<br />

Darunter befinden sich auch einige<br />

Kontingente der beinahe fabrikneuen und<br />

besonders kampfkräftigen „Königstiger“.<br />

Dieser scheinbare Vorteil erweist sich bei den<br />

vorherrschenden Wetterbedingungen jedoch<br />

als schwerer Nachteil. Obwohl die Wehrmacht<br />

für die „Plattenseeoffensive“ beinahe<br />

ein Drittel aller vorhandenen Panzer verfügbar<br />

macht, verhindern die Schlammmassen<br />

ihren wirkungsvollen Einsatz. Allen angreifenden<br />

deutschen Verbänden gelingen<br />

höchstens geringe Geländegewinne, sodass<br />

sich bereits am ersten Angriffstag der Misserfolg<br />

des Unternehmens abzeichnet. Neben<br />

die witterungsbedingten Probleme gesellen<br />

sich Aufmarschprobleme. So greift Dietrichs<br />

6. Panzerarmee ohne das II. SS-Panzerkorps<br />

in den Kampf ein, da letzteres am 6. März<br />

BEHÄLT DIE OBERHAND: Der<br />

Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen<br />

Front Fjodor Tolbuchin vereitelt<br />

die deutschen Pläne in Ungarn<br />

und holt im März/April<br />

1945 zur erfolgreichen Gegenoffensive<br />

aus. Foto: ullstein bild – rps<br />

noch nicht vollständig versammelt ist. Erst<br />

am Abend des 7. März tritt auch dieses<br />

Korps zum Angriff an. Dies ändert jedoch<br />

nichts am nur langsamen Vordringen der<br />

Angreifer.<br />

„Gen. d. Pz. Tr. Balck zeigt in der Beurteilung<br />

der Lage den bekannten Optimismus auch dort,<br />

wo er nicht am Platze ist.“<br />

Oberbefehlshaber der HGr. Süd, Wöhler,<br />

über den Kommandeur der 6. Armee, Balck, am 15. März 1945<br />

EINSATZBESPRECHUNG: Soldaten der<br />

6. SS-Panzerarmee beim Studium einer Karte<br />

vor dem Beginn der Kampfhandlungen.<br />

Auch in den folgenden Tagen kommen<br />

die deutschen Offensivkräfte kaum voran.<br />

Die sowjetischen Verteidigungsstellungen<br />

erweisen sich als nahezu unüberwindbar.<br />

Stellenweise haben die sowjetischen Pioniere<br />

2.500 bis 3.000 Panzerminen pro Frontkilometer<br />

vergraben, die Rote Armee kann bis<br />

zu 65 Geschütze und Granatwerfer sowie 28<br />

Panzerabwehrkanonen pro Kilometer einsetzen.<br />

Zudem verwendet die Rote Armee<br />

elektrischen Stacheldraht gegen die angreifende<br />

Infanterie. Bis zum 10. März kann der<br />

südliche deutsche Angriff der 2. Panzerarmee<br />

zwar einigen Boden gut machen, ein<br />

Vormarsch bis zu Donau bleibt jedoch außerhalb<br />

des Möglichen.<br />

Tolbuchin schwankt<br />

Trotz des nur geringen deutschen Raumgewinns<br />

beginnt aber auch die sowjetische Seite<br />

nervös zu werden. Tolbuchin schätzt die<br />

angreifenden Verbände, vor allem die 6. Panzerarmee<br />

mit ihren fünf Panzerdivisionen,<br />

wesentlich stärker ein als sie tatsächlich sind.<br />

Schon am 9. März bittet der Marschall daher<br />

das Hauptquartier, die 9. Gardearmee, die<br />

bisher noch als Reserve östlich von Budapest<br />

zurückgehalten wird, zur Verteidigung einsetzen<br />

zu dürfen. Sogar eine Rücknahme seiner<br />

Verbände über die Donau wird von Tolbuchin<br />

erwogen. Dieses Ansinnen stößt bei Stalin<br />

auf heftigen Widerspruch, zumal die 3.<br />

Ukrainische Front noch über ausreichende Reserven<br />

verfügt. Entschlossen weist der sowjetische<br />

Diktator den schwankenden Marschall<br />

auf die Tragweite seines Vorhabens hin: „Genosse<br />

Tolbuchin, wenn Sie denken, den Krieg<br />

noch um fünf bis sechs Monate zu verzögern,<br />

dann beordern sie doch ihre Truppen zurück.<br />

Dort wird es zweifelsohne ruhiger sein. Aber<br />

ich bezweifle, dass Sie das wollen. Deshalb ist<br />

es notwendig, sich am linken Ufer der Donau<br />

zu verteidigen […].“<br />

Stalins Beharrlichkeit erweist sich als richtig.<br />

Den deutschen Verbänden gelingt es<br />

Clausewitz 5/2013<br />

Foto: ullstein bild –<br />

Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl<br />

49


Schlachten der Weltgeschichte | „Plattenseeoffensive“<br />

gen vornehmen, um den kommenden sowjetischen<br />

Sturm abwehren zu können.<br />

Doch Hitler erlaubt diese Maßnahmen<br />

erst am 15. März, zu spät, um der Gefahr am<br />

linken Flügel begegnen zu können. Einen<br />

Tag später schlagen die 2. und die 3. Ukrainische<br />

Front mit einer zwölffachen artilleristischen<br />

Überlegenheit und mit mehr als<br />

1.000.000 Soldaten los. Schon am ersten Tag<br />

gelingt es der Roten Armee, tiefe Einbrüche<br />

am linken Flügel der Heeresgruppe Süd zu<br />

erzielen. Auch Balcks 6. Armee gerät in große<br />

Bedrängnis, doch verkennt ihr Kommandeur<br />

vollkommen den Ernst der Lage. Wöhler<br />

vermerkt über die realitätsferne Haltung<br />

seines Armeeführers sarkastisch: „Gen. d.<br />

Pz. Tr. Balck zeigt in der Beurteilung der Lage<br />

den bekannten Optimismus auch dort,<br />

wo er nicht am Platze ist.“<br />

GEFÜRCHTET: Ein mittlerer Panzerkampfwagen vom Typ „Panther“ während der Frühjahrsoffensive<br />

in Ungarn.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

verfügt somit in den folgenden Wochen<br />

über einen Brückenkopf für die nächste Offensive.<br />

Während die deutsche Offensive in den<br />

letzten Zügen liegt, bereitet das sowjetische<br />

Hauptquartier den eigenen Gegenschlag gegen<br />

den deutschen Südflügel vor. Unter<br />

strengster Geheimhaltung gruppieren sich<br />

vier Armeen östlich von Budapest, um den<br />

deutschen Verbänden, vor allem der 6. Armee<br />

und der 6. Panzerarmee, in die linke<br />

Flanke fallen zu können. Das IV. SS-Panzerkorps<br />

meldet bereits am 14. März eine beunruhigende<br />

Aktivität auf sowjetischer Seite,<br />

die auf eine bevorstehende Offensive hindeutet.<br />

Die Heeresgruppe Süd will aufgrund<br />

dessen den ohnehin erfolglos verlaufenen<br />

Angriff beenden und einige Umgruppierunnicht,<br />

die sowjetischen Verteidiger zur Donau<br />

zu drängen, geschweige denn einzukesseln.<br />

An wenigen Stellen beträgt die Tiefe des<br />

Vordringens maximal 40 Kilometer, bis zur<br />

Donau sind noch 20 Kilometer zurückzulegen.<br />

Die Truppen Tolbuchins stehen vielerorts<br />

noch in der zweiten Verteidigungslinie,<br />

die deutsche Offensive ist gescheitert.<br />

957 Schützenpanzern gelangen nur wenige<br />

zum Einsatz.<br />

Zwar fallen die sowjetischen Verluste mit<br />

32.000 Gefallenen, Verwundeten und Vermissten<br />

sowie 152 verlorenen Panzern wesentlich<br />

höher aus, doch kann die Rote Armee<br />

das Westufer der Donau halten und<br />

Sowjetischer Gegenschlag<br />

Trotz der bedrohlichen Lage verbietet Hitler<br />

Truppenrochaden von der 2. Panzerarmee<br />

an die bedrohte linke Flanke. Tolbuchins<br />

3. Ukrainische Front versucht in den folgenden<br />

Tagen, die 6. Panzerarmee einzukesseln<br />

und vollkommen aufzureiben. Dem deutschen<br />

Verband sind durch das Gelände nur<br />

wenige Ausweichmöglichkeiten gegeben,<br />

welche jedoch ab dem 20. März zögerlich genutzt<br />

werden können. Der deutsche Rückzug<br />

aus dem sich schließenden Kessel verläuft allerdings<br />

äußerst ungeordnet, sodass ein<br />

Großteil der schweren Waffen aufgegeben<br />

Verheerende Bilanz<br />

Trotz des hohen Aufwands fällt die Bilanz<br />

für die deutschen Angreifer somit verheerend<br />

aus. Die Heeresgruppe Süd verliert in<br />

der ersten Angriffswoche 12.400 Mann an<br />

Gefallenen, Verwundeten und Vermissten.<br />

Die geringen Verluste an Panzern – lediglich<br />

31 gehen verloren – beweisen, dass diese<br />

Waffe aufgrund der schlammigen Straßen<br />

kaum wirkungsvoll eingesetzt werden kann.<br />

Der Plan, mit massierten Panzerkräften<br />

mitten in der Tauwetterperiode durch die<br />

sowjetischen Linien zu brechen, krankt bereits<br />

an der Basis. Zudem sind von den nominell<br />

1.796 Panzern, über die die Heeresgruppe<br />

Süd am 15. März verfügt, nur 772<br />

einsatzbereit. Auch von den immerhin<br />

Literaturtipps<br />

Ungváry, Krisztián: Kriegsschauplatz Ungarn, in:<br />

Karl-Heinz Frieser (Hg.), Das Deutsche Reich<br />

und der Zweite Weltkrieg. Bd. 8: Die Ostfront:<br />

Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten,<br />

München 2007, S. 849–960.<br />

„Der Führer ist schon ungehalten, weil der<br />

Angriff der 6. Panzerarmee keine besseren<br />

Ergebnisse gebracht hat.“<br />

General der Infanterie Hans Krebs, Leiter der Operationsabteilung<br />

im Generalstab des Heeres, zu den Kämpfen in Ungarn Ende März 1945<br />

werden muss. Auch wenn die 6. Panzerarmee<br />

der völligen Vernichtung entgehen<br />

kann, ist ihre Kampfkraft doch zerschlagen.<br />

Große Teile der Heeresgruppe Süd befinden<br />

sich nun auf dem Rückzug in Richtung Wien.<br />

Im „Führerhauptquartier“ ist man zutiefst<br />

enttäuscht. Man macht die eigenen Armeeführer<br />

für die fehlgeschlagene Operation<br />

verantwortlich. An keiner Stelle der Ostfront<br />

sei das Kräfteverhältnis derart günstig<br />

gewesen wie im Abschnitt der Heeresgruppe<br />

Süd. Dass dieses vermeintlich so günstige<br />

Verhältnis dennoch nicht zu Erfolgen<br />

führt, verdeutlicht die aussichtslose Lage der<br />

Wehrmacht im Frühjahr des Jahres 1945.<br />

Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster.<br />

50


Legende und Meilenstein der deutschen Panzerwaff e<br />

TIGER II<br />

Panzerkampfwagen VI / Sd. Kfz. 182<br />

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Höhepunkt deutscher Panzerentwicklung<br />

Der Pz. Kpfw. „Tiger“ Ausf. B - für gewöhnlich mit „Tiger II“<br />

bezeichnet - ist eine Weiterentwicklung des „Tiger I“ unter<br />

nochmaliger Erhöhung des Panzerschutzes sowie Integration der<br />

leistungsstärksten deutschen Panzerkanone 8,8 cm KwK 43. Der<br />

„Tiger II“ steht bis heute für eine überlegene Panzertechnik.<br />

Doch der überschwere Kampfpanzer stand nicht mehr für das<br />

ursprüngliche Credo der deutschen Panzerwaffe im 2. Weltkrieg<br />

und das ihres Erfinders Heinz Guderian. Sein Grundsatz der<br />

Ausgewogenheit von Panzerung, Kanone und Schnelligkeit fand<br />

bei der Konstruktion des „Tiger II“ keine Anwendung mehr.<br />

Dokumentation der Extraklasse<br />

Die vorliegende Sammlerausgabe in der höchsten Münzqualität<br />

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CL


Militär und Technik<br />

WELTWEIT: C-160 der Luftwaffe<br />

verrichten überall ihren Dienst.<br />

Hier im Landeanflug auf die Heimatbasis<br />

des Einsatzgeschwaders<br />

Mazar-e Sharif im Norden<br />

Afghanistans. Foto: ISAF Public Affairs<br />

Transportmaschinen Transall C-160 und Antonow An-26<br />

Zwei „ungleiche<br />

1980er-Jahre: Bei Hilfseinsätzen in Afrika treffen die Transall C-160 der Luftwaffe und<br />

die An-26 der NVA-Luftstreitkräfte aufeinander. Von 1990 bis 1994 fliegen sie dann<br />

Seite an Seite in der „Armee der Einheit“. Von Hans-Werner Ahrens und Mathias Brandt<br />

Als man ab 1957 insgesamt 187 Transportflugzeuge<br />

des Typs ND 2501D<br />

„Noratlas“ in die noch junge Luftwaffe<br />

der Bundeswehr einführt, ist bereits klar,<br />

dass diese den schnell steigenden Anforderungen<br />

im militärischen Lufttransport nicht<br />

lange gerecht würden. So beginnen noch im<br />

selben Jahr erste Studien für ein deutsch-fran-<br />

zösisches Gemeinschaftsprojekt – die Transall<br />

C-160. Beteiligt sind die Firmen „Weser<br />

Flugzeugbau“ – später VFW in Lemwerder<br />

–, Hamburger Flugzeugbau (HFB) in Finkenwerder,<br />

Prof. Dipl. Ing. W. Blume in Duisburg-Ruhrort,<br />

Nord-Aviation<br />

in Châtillon und Süd-Aviation<br />

in Hurel-Dubois.<br />

Aus der deutsch-französischen „Transporter-Allianz“<br />

leitet sich der Name „Transall“<br />

ab. Die Kurzbezeichnung C-160 setzt sich<br />

aus einem „C“ für „Cargo“ und die „160“ aus<br />

den 160 Quadratmeter der beiden Tragflächen<br />

zusammen. Nachdem viele Hürden<br />

überwunden sind, startet der erste Prototyp<br />

am 25. Februar 1963 in Melun-Villaroche zu<br />

seinem Erstflug.<br />

DATEN Transall C-160<br />

Rolle:<br />

Ursprungsland:<br />

Hersteller:<br />

Erstflug:<br />

Indienststellung:<br />

Serienproduktion:<br />

Hauptbetreiber:<br />

(Taktisches) Transportflugzeug<br />

Deutschland (D), Frankreich (F)<br />

„Transporter-Allianz“ (D/F)<br />

25. Februar 1963 (Melun-Villaroche)<br />

26. April 1968 (Übergabe in Ahlhorn)<br />

1. Serie: 1967–1972 (D/F)<br />

2. Serie: 1981–1988 (F/Indonesien)<br />

Deutschland und Frankreich, Türkei (TUR),<br />

Südafrika<br />

Gebaute Stückzahlen: 1. Serie: (C-160 D/F): 90 D, 50 F, 20 TUR<br />

2. Serie (C-160 NG): 35 (Frankreich, Indonesien)<br />

BESTAUNT: Transall-Versuchsmuster<br />

V 3 auf dem Fliegerhorst<br />

Ahlhorn<br />

im Jahr 1968.<br />

Erfahrungen aus<br />

dem Truppenversuch<br />

flossen in die<br />

Fertigung der Serienmaschinen<br />

ein.<br />

Foto: Archiv LTG 62<br />

Produktion der Transall<br />

Ab März 1967 werden insgesamt 204 Transall<br />

gebaut, die erste Serie von 1967 bis 1971.<br />

Der Hersteller legt von 1981 bis 1989 eine<br />

zweite Serie (C-160NG) auf, aber nur für<br />

Frankreich und Indonesien. Auch die aufgrund<br />

fehlender Austauschteile durch die<br />

französische Luftwaffe eingeführten Kunststoffpropeller<br />

kommen in den deutschen<br />

Transall nicht zum Einbau.<br />

Mit der Produktion der Transall wird die<br />

Grundlage für eine eigene deutsche, auch zivile<br />

Luftfahrtindustrie (heute Airbus) geschaffen.<br />

Die Transall rollen aus den vier Endmontagewerken<br />

in Lemwerder, Finkenwerder,<br />

Bourges und Toulouse, die dann außer in<br />

Deutschland und Frankreich auch in der Türkei<br />

sowie (zeitweilig) auch in Südafrika, Indonesien<br />

und Gabun ihren Dienst verrichten.<br />

52


ÜBUNGSFLUG: Eine<br />

Maschine vom Typ<br />

Antonow An-26 in der<br />

Nähe von Dresden.<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Schwestern“<br />

Die Transall, die heute immer noch fliegen,<br />

sind verändert gegenüber jenen, die bis<br />

Ende 1971 die Werkshallen verließen. Die<br />

einst nur für die Startphase vorgesehenen<br />

zwei zusätzlichen Strahltriebwerke am äußeren<br />

Drittel der Tragflächen haben sich<br />

schon in der Erprobungsphase nicht bewährt.<br />

Heute hängen an deren Befestigungen<br />

die Behälter für die Hitze-Täuschkörper<br />

der für den Einsatz in Krisenregionen mit<br />

Selbstschutzausrüstung (ESS) nachgerüsteten<br />

Transall.<br />

Im Jahr 1986 beginnen die strukturellen<br />

Lebensdauer-Verlängerungsmaßnahmen,<br />

kurz LEDA I bis LEDA III genannt. Diese<br />

führen zu einer Erweiterung der bis dahin<br />

nur auf rund 6.000 Flugstunden ausgelegten<br />

Rumpf- und Tragflächenstruktur der Transall<br />

auf eine Lebensdauer von 15.000 Flugstunden.<br />

PUNIB (Periodische Untersuchung<br />

bislang nicht inspizierter Bereiche), auch LE-<br />

DA III genannt, dient dazu, korrosionsgeschädigte<br />

Teile zu erkennen und zu reparieren.<br />

Die 1992 begonnene und im Jahr 2000<br />

beendete Modernisierung des Cockpits, unter<br />

anderem durch Einbau einer modernen<br />

Navigationsanlage mit „Flight Management<br />

System“ und Satellitennavigation (GPS), eines<br />

neuen Autopiloten sowie der Austausch<br />

der gesamten Kabelbäume macht die Transallflotte<br />

fit für das neue Jahrtausend.<br />

Übergabe an die Bundeswehr<br />

Drei Jahrzehnte zuvor: Am 26. April 1968<br />

wird auf dem Fliegerhorst Ahlhorn, der damaligen<br />

Heimat des Lufttransportgeschwaders<br />

(LTG) 62, durch den Inspekteur der<br />

Luftwaffe, Generalleutnant Johannes Steinhoff,<br />

das jeweils erste Serienflugzeug der<br />

Transall C-160 an die beiden Luftwaffen<br />

übergeben. Zu diesem Zeitpunkt sitzt das<br />

zukünftige Führungs- und Lehrpersonal im<br />

südfranzösischen Mont de Marsan bereits<br />

auf der Schulbank. Noch im gleichen Jahr<br />

werden die ersten Flugzeuge an das LTG 63<br />

in Hohn ausgeliefert, um mit der Ausbildung<br />

zu beginnen und sie weltweit einzusetzen.<br />

1969 landet in Wunstorf die erste Transall<br />

für die Flugzeugführerschule „S“. Diese<br />

schult fortan die Besatzungen aller drei<br />

Transall-Geschwader um und bildet sie aus.<br />

Das am 1. April 1968 in Köln-Wahn aufgestellte<br />

und 1971 nach Münster verlegte Lufttransportkommando<br />

führt bis zu seiner Auflösung<br />

im Jahr 2010 die bis 1972 komplett<br />

mit Transall aufgefüllten Lufttransportgeschwader<br />

61 und 63, die FFS „S und das 1986<br />

neu aufgestellte LTG 62, Wunstorf „aus einer<br />

Hand“. Ab Ende 2010 übernimmt das von<br />

Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden<br />

und Luxemburg in Eindhoven<br />

aufgestellte EATC (European Air Transport<br />

Command) die Planung und Führung von<br />

Lufttransporteinsätzen und MEDEVAC.<br />

Mit der Einführung der Transall ist man<br />

in der Lage, neue, weiter entfernte Ziele in<br />

bis dahin ungewohnten Höhen und teilweise<br />

über schlechtem Wetter anzufliegen,<br />

BEWÄHRT: Die robuste Konstruktion wird<br />

heute noch bei den russischen Luftstreitkräften<br />

eingesetzt. Foto: Igor Dvurekov<br />

DATEN Antonow An-26 (NATO-Bezeichnung „Curl“)<br />

Rolle:<br />

Taktischer Kampfzonentransporter<br />

Ursprungsland: Sowjetunion<br />

Hersteller:<br />

O.K. Antonow<br />

Erstflug: 25. Mai 1969<br />

Indienststellung: ab 1980 in die NVA-LSK<br />

Serienproduktion: 1969 bis 1986<br />

Hauptbetreiber: Russland, Ukraine, Vietnam, Usbekistan<br />

Gebaute Stückzahlen: 1.403<br />

Clausewitz 5/2013<br />

53


Militär und Technik | Transportmaschinen<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

Transall C-160<br />

Länge<br />

32,40 m<br />

Flügelspannweite<br />

40,00 m<br />

Flügelfläche 160 m²<br />

Höhe<br />

12,36 m<br />

Leergewicht<br />

28.946 kg<br />

Max. Startgewicht<br />

49.150 kg<br />

Startgewicht (Behelfsbahn)<br />

44.200 kg<br />

Nutzlast (normal)<br />

8.000 kg<br />

Nutzlast (max.)<br />

15.000 bis 16.000 kg<br />

Kraftstoff (max.)<br />

ca. 13.000 kg<br />

Triebwerke 2 x PTL RR Tyne 20 Mk 22<br />

Leistung<br />

2 x 5.665 PS<br />

Propeller 2 x de Havilland - 4 Blatt /<br />

Ratier Forest<br />

Durchmesser<br />

5,50 m<br />

Reisegeschwindigkeit (max.)<br />

536 km/h<br />

Dienstgipfelhöhe<br />

8.500 m<br />

Ladefläche (ohne Rampe) 42,55 m²<br />

Ladefläche (mit Rampe) 54,20 m²<br />

Laderaum-Volumen (ohne Rampe) 115,30 m³<br />

Laderaum-Volumen (mit Rampe) 139,90 m³<br />

Passagiere (max.) 91<br />

Fallschirmspringer<br />

61 (mit Ausrüstung)<br />

MEDEVAC (Intensiv) 3 PTE (Patienten Transport Einheit)<br />

Besatzung 4–5 Mann (Pilot, Co-Pilot, Bordtechniker,<br />

Ladungsmeister, ggf. Taktischer<br />

System-Offizier, einst BNF.)<br />

SCHALTZENTRALE: Blick ins Cockpit einer C-160F (frz.).<br />

Foto: Archiv R. Korth<br />

längere Strecken schneller zurückzulegen<br />

und wesentlich größere Lasten und mehr<br />

Personen zu befördern.<br />

Eine Vorserienmaschine fliegt bereits 1968<br />

mit zivilen Besatzungen aus der Schweiz<br />

Hilfseinsätze zwischen Kamerun und dem<br />

sich von Nigeria zeitweilig abgespalteten<br />

Biafra. Dem folgen erste Hilfsflüge der Luftwaffe<br />

mit der Transall für Erdbebenopfer im<br />

Iran. Dann geht es Schlag auf Schlag: Somalia,<br />

die Türkei, der Sudan, Äthiopien. Flüge<br />

zur Weltausstellung in Osaka/Japan und mit<br />

„Leopard I“-Motoren nach Australien, oder<br />

der Europarakete nach Woomera schließen<br />

sich an.<br />

„Engel der Lüfte“<br />

Die Einsatzliste ist lang und führt schließlich<br />

dazu, dass man der Transall die liebevolle Bezeichnung<br />

„Engel der Lüfte“ verleiht. Kein<br />

Kontinent bleibt bis heute ausgespart. Vor allem<br />

die Hilfseinsätze und Routentransporte<br />

nach Afrika, Europa, USA und Kanada sollten<br />

das unruhige Transportfliegerleben prägen.<br />

Nicht zu vergessen ist die taktische Fliegerei<br />

im jährlichen TCTP (Tactical Combat Training<br />

Program), mit dem Absetzen von Fallschirmspringern<br />

und Lasten, Abwerfen von<br />

Jutesäcken aus extrem niedriger Höhe, Treffpunktaufgaben,<br />

Zweier- oder Dreier-Formationen,<br />

auch als enger Verbandsflug, Landung<br />

auf unbefestigten Behelfsflugplätzen<br />

(Sand, Schotter, Gras), Bekämpfung von<br />

Bränden aus der Luft, medizinische Evakuierung<br />

(MEDEVAC). Hinzu kommen unter<br />

anderem Transporte von Lufthansa-Trieb-<br />

ERFINDER UND NAMENSGEBER: Der russische<br />

Flugzeugkonstrukteur Oleg Antonow<br />

(1906–1984). Foto: ullstein bild – Novosti<br />

VERSORGUNG AUS DER LUFT: Eine Transall beim Abwurf von Hilfsgütern mit dem über<br />

Bosnien bewährten CDS-Verfahren (Container Delivery System). Der Bremsschirm stabilisiert<br />

die Last bis zum Auftreffen am Boden. Foto: Archiv LTG 62<br />

54


Ständige Weiterentwicklung<br />

„Tagtäglich lösen Transportflieger ein,<br />

was moralische Pflicht ist und wofür deutsche Politik<br />

steht – Verantwortung wahrnehmen und helfen,<br />

wenn Menschen in Not sind.“<br />

Tagesbefehl des (damaligen) Bundesministers der Verteidigung Volker Rühe vom<br />

7. Januar 1996 zum Ende der Luftbrücke nach Sarajevo<br />

werken, des Adenauer-Mercedes und von<br />

Kindernahrung nach Iwanowo in Russland.<br />

Die Tiefflüge sowohl im portugiesischen Beja<br />

als auch im kanadischen Goose Bay machen<br />

die Crews fit für Einsätze im Kalten<br />

Krieg, einst simuliert durch die Taktischen<br />

Überprüfungen (TacEVAL) am Heimatplatz.<br />

Bei reinen Hilfseinsätzen sollte es für die<br />

Transall nicht bleiben. Nach der logistischen<br />

Unterstützung der alliierten Streitkräfte im<br />

1. Golfkrieg ab 1991 folgt alsbald der Bürgerkrieg<br />

in Ex-Jugoslawien. Wieder sind auch die<br />

deutschen Transall dabei, als 1992 die internationale<br />

Luftbrücke vom kroatischen Zagreb,<br />

später vom italienischen Falconara aus in das<br />

eingekesselte Sarajevo anläuft und bis zum<br />

Januar 1996 mit vielen Unterbrechungen und<br />

Zwischenfällen andauert. Mit einer für Beschaffungsverfahren<br />

der Bundeswehr geradezu<br />

unglaublichen Geschwindigkeit und in<br />

direkter Zusammenarbeit zwischen Industrie<br />

und der Technik im Geschwader rüstet man<br />

einige Transall mit einer elektronischen<br />

Selbstschutzausstattung zur Abwehr von Boden-Luft-Raketen<br />

aus. Diese fortlaufend angepasste<br />

Ausrüstung macht die Transall gegenwärtig<br />

zu einem gut geschützten Transportflugzeug<br />

im weltweiten Einsatz.<br />

Seit 2001 vom Stützpunkt Termez in Usbekistan,<br />

danach aus Mazar-e-Sharif in<br />

Nord-Afghanistan heraus, versorgen bis<br />

heute – leider nur selten erwähnt – sechs bis<br />

acht Maschinen und Besatzungen die eigenen<br />

und NATO-Truppen im Rahmen der<br />

Operation ISAF. Darin enthalten ist eine als<br />

fliegende Intensivstation (MEDEVAC) ausgerüstete<br />

Transall, die sich in ständiger Bereitschaft<br />

befindet, um schwerstverletzte Patienten<br />

transportieren zu können.<br />

Bei tragischen Abstürzen der Transall auf<br />

Kreta, bei Lohr am Main und auf den Azoren<br />

verloren in den 50 Jahren nach dem Erstflug<br />

59 Angehörige der Bundeswehr während<br />

des Einsatzes ihr Leben.<br />

TECHNISCHE DATEN<br />

IM INNERN: Blick ins Cockpit einer<br />

An-26.<br />

Foto: TS24<br />

AUFGESETZT: Im Rahmen der mulinationalen<br />

Übung Volant Rodeo im Juni 1985 landet<br />

eine C-160D auf einer unbefestigten Piste.<br />

Foto: USAF<br />

Antonow An-26<br />

Die Antonow An-26<br />

Die Konstruktion der Antonow An-26 basiert<br />

auf der bewährten Antonow An-24<br />

(„Coke“), deren Entwicklung ins Jahr 1956<br />

zurückreicht. Die größtenteils übernommene<br />

Flugzeugzelle erhält eine Laderampe, die<br />

man ähnlich der Laderampe der Transall<br />

zum Be- und Entladen von sperrigen Gütern<br />

auf den Boden herunterlässt. Alternativ<br />

kann man sie im Flug unter den Rumpf fahren,<br />

um Fallschirmspringer oder Lasten abzusetzen.<br />

Zur Kompensation des höheren<br />

Gewichtes baut man in die rechte Triebwerksgondel<br />

ein zusätzliches Strahltriebwerk<br />

(Ru-19A-300) mit 7,85 kN Schub ein.<br />

Dies verkürzte einerseits die Startstrecken<br />

und verbesserte andererseits die Steigleistung.<br />

Ein Deckenkran, ein Transportband im<br />

Laderaum und eine Ladewinde ermöglichen<br />

das feldmäßige Be- und Entladen ohne externe<br />

Hilfsmittel. An den Seitenwänden des<br />

Rumpfes befinden sich Klappsitze für bis zu<br />

Länge<br />

23,80 m<br />

Flügelspannweite<br />

29,20 m<br />

Flügelfläche 75 m²<br />

Höhe<br />

8,32 m<br />

Leergewicht<br />

15.020 kg<br />

(je nach Ausrüstung)<br />

Max. Startgewicht 24.000 kg<br />

Landegewicht<br />

24.000 kg<br />

Nutzlast (normal)<br />

5.500 kg<br />

Nutzlast (max.)<br />

6.300 kg<br />

Kraftstoff (max.)<br />

5.500 kg<br />

Triebwerke 2 x PTL Iwtschenko AI-24WT<br />

1 Turbojet Tumanski<br />

RU-19A-300<br />

Leistung<br />

2 x 2.860 PS<br />

1x 7,85 kN<br />

Propeller 2 x AW 72-T<br />

Durchmesser<br />

3,90 m<br />

Reisegeschwindigkeit 440 km/h<br />

Dienstgipfelhöhe<br />

8.400 m<br />

Laderaum-Volumen<br />

60 m³<br />

(mit Rampe)<br />

Passagiere (max.) 39<br />

Fallschirmspringer 30 (mit Ausrüstung)<br />

Besatzung 4-5 Mann (Pilot, Co-Pilot,<br />

Bordtechniker, Steuermann)<br />

Clausewitz 5/2013<br />

55


Militär und Technik | Transportmaschinen<br />

39 Passagiere. Der mögliche Einbau von bis<br />

zu 24 Krankentragen dient der Evakuierung<br />

von Verwundeten oder Verletzten.<br />

Die Luftstreitkräfte (LSK) der Nationalen<br />

Volksarmee (NVA) beschaffen von 1980 bis<br />

1986 zwölf An-26 und setzen diese in der<br />

Transportfliegerstaffel 24 in Dresden-Klotzsche<br />

ein, zuweilen auch bei Hilfseinsätzen in<br />

Äthiopien und Mosambik. Die Crews werden<br />

in der Ukraine ausgebildet.<br />

Die Maschinen dienen als Ersatz für die<br />

1979 bis 1982 außer Dienst gestellten, von je<br />

zwei Sternmotoren angetriebenen IL-14<br />

(„Crate“). Man zieht wohl damals durchaus<br />

auch andere Flugzeuge sowjetischer Bauart,<br />

PRÄSENTIERT: Flugtage<br />

oder Pressetermine<br />

boten immer wieder<br />

Gelegenheit, die Transall<br />

eindrucksvoll in Szene<br />

zu setzen. Foto:LTG 61<br />

von der An-72 bis zur IL-76, in Betracht, aber<br />

es sprachen wohl politische und finanzielle<br />

Gründe dagegen.<br />

Sondermaschinen der An-26<br />

Das Besatzungskonzept der An-26 ähnelt<br />

dem der Transall. Auffällig ist jedoch, dass<br />

man im Gegensatz zur Luftwaffe auf den<br />

Einsatz eines Ladungsmeisters verzichtet.<br />

Seine Aufgaben übernehmen der Bordtechniker<br />

und der Copilot, vergleichbar mit der<br />

„Noratlas“. Auch der vom Hersteller vorgesehene<br />

und im sowjetischen Besatzungskonzept<br />

eingeplante Arbeitsplatz des Bordfunkers<br />

bleibt unbesetzt, die Aufgaben werden<br />

vom „Steuermann“ (NVA-Bezeichnung für<br />

den Navigator) und Bordtechniker mit übernommen.<br />

Der Steuermann ist nicht der verantwortliche<br />

Kommandant an Bord, auch<br />

wenn er über deutlich mehr Kompetenzen<br />

und andere Aufgaben innerhalb der Besatzung<br />

verfügt, als seine „westlichen“ Kollegen.<br />

Die Verantwortung und Entscheidungsgewalt<br />

liegt auch bei der An-26 beim vorne<br />

links sitzenden „Besatzungskommandanten“;<br />

dieser ist auch im „normalen“ Dienstbetrieb<br />

Vorgesetzter seiner Besatzung.<br />

Unter den zwölf An-26 erfüllen während<br />

des Kalten Krieges drei Maschinen und ihre<br />

Besatzungen spezielle Aufgaben. Ein Luftfahrzeug,<br />

mit entsprechen Sensoren ausgestattet,<br />

dient für Flüge zur elektronischen<br />

Aufklärung entlang der innerdeutschen<br />

Grenze. Die hierfür erforderliche Ausrüstung<br />

kommt in den Anfangsjahren im Wechsel<br />

in mehreren Maschinen zum Einsatz, ehe<br />

man sie fest in die extra hierfür beschaffte<br />

„373“ einrüstet. Die zweite „Sondermaschine“<br />

war die „369“, eine An-26SM. Dieses<br />

Flugzeug dient zur Flugvermessung militärischer<br />

Flugnavigationsanlagen bis hin zum<br />

ILS (Instrument-Landing-System). Sie steht<br />

heute im Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow.<br />

Von den restlichen Flugzeugen verfügen<br />

einige über eine „Salonvariante“. Darin sind<br />

im Vorderteil des Laderaums zwölf quer zur<br />

Flugrichtung angeordnete Sitze und Tische<br />

eingebaut – nur durch eine Zwischenwand<br />

vom hinteren Teil des Laderaums abgetrennt.<br />

Eine solche Maschine ist die „375“,<br />

die man heute im Technikmuseum in Speyer<br />

besichtigen kann. Leider entsprechen weder<br />

die derzeitige Bemalung noch die Angaben<br />

über die frühere Verwendung des Luftfahrzeuges<br />

der Realität. Anders als dort<br />

dargestellt, nutzte der Staatsratsvorsitzende<br />

Erich Honecker diese Salonvarianten nicht<br />

für seine VIP-Flüge.<br />

Einsätze der An-26<br />

Die weitaus bekannteren „Sondereinsätze“<br />

der An-26 zur Zeit des Kalten Krieges finden<br />

in Afrika statt. Von 1984 bis 1986 werden drei<br />

Maschinen mit bis zu sieben Besatzungen im<br />

Rahmen der Dürrehilfe in Äthiopien eingesetzt.<br />

Zur Verschleierung des Einsatzes militärischer<br />

Kräfte erhalten diese Maschinen eine<br />

„Interflug-Bemalung“ und eine zivile<br />

Kennung. Auch die Besatzungen erhalten zivile<br />

Fluglizenzen. Aber nicht nur diese drei<br />

Maschinen, sondern alle zwölf An-26 haben<br />

neben ihrer militärischen Kennung auch eine<br />

zivile Kennung (beginnend mit „DDR-SB“),<br />

um sie kurzfristig für ähnliche Aufgaben<br />

verwenden zu können. So bildet man unter<br />

anderem von 1986 bis 1990 eine „Fluggruppe“<br />

zum Einsatz einer An-26 in Mosambik.<br />

56


Transall vor der Ablösung<br />

Zu den regelmäßigen Standardeinsätzen<br />

zählen die Flüge in das ukrainische Lwiw<br />

(Lemberg) zum Transport der für den Aufbau<br />

der „Erdgastrasse“ erforderlichen Arbeitskräfte.<br />

Auch wenn diese Flüge als Charterflüge<br />

für die „Interflug“ mit Interflugrufzeichen<br />

durchgeführt werden, kommen hier<br />

„Schnell – sicher – weltweit – zuverlässig.”<br />

jedoch stets An-26 aus dem normalen Verfügungsbestand<br />

(normalerweise mit militärischer<br />

Kennung) und auch eindeutig als Militär<br />

erkennbare Besatzungen zum Einsatz.<br />

Das Einsatzspektrum der An-26 ist annähernd<br />

mit dem der C-160 vergleichbar, nicht<br />

aber mit Blick auf die Zuladung, die Reichweite<br />

und den Einsatz auf Behelfsflugplätzen.<br />

Hier ist die Transall deutlich überlegen.<br />

Das fliegerische Spektrum der An-26 reicht<br />

vom Instrumentenflug auf internationalen<br />

SONDERVARIANTE: Blick in den vorderen<br />

Teil des Laderaums einer An-26 mit „Salon“.<br />

Foto: TS24<br />

Motto des LTKdo (1968–2010)<br />

Luftstraßen im Passagier- und Lastentransport<br />

bis zum extremen Tiefflug in 25 Metern<br />

über Grund. Auch Flüge in geschlossener<br />

Formation – bei Tag und Nacht – gehören<br />

zum Standardtrainingsprogramm, ebenso<br />

Flüge zum Absetzen von Fallschirmspringern<br />

unter guter Sicht und bei Schlechtwetter.<br />

Das Aufgabenspektrum wird ergänzt<br />

durch den SAR-Einsatz, sowohl zur reinen<br />

Suche Schiffsbrüchiger als auch zum Abwerfen<br />

von Rettungsmitteln. Aufgrund der zu<br />

geringen Reichweite und hierfür fehlender<br />

Navigationsausstattung eignet sich die<br />

An-26 nicht für Langstreckenflüge.<br />

Außerdienststellung der An-26<br />

Nach der Wende entscheidet das Bundesverteidigungsministerium<br />

(BMVg), die am<br />

3. Oktober 1990 von der Luftwaffe übernommen<br />

An-26 aus logistischen Gründen langfristig<br />

nicht weiter zu betreiben. Bis Ende<br />

1990 stellt man bereits die ersten zwei Maschinen<br />

außer Dienst, 1992 folgt eine weitere<br />

An-26. Eine Maschine gilt nach einer zu harten<br />

Landung als Totalverlust.<br />

Mitte 1991 entscheidet das BMVg, bis Ende<br />

1992 den Flugbetrieb mit der An-26 endgültig<br />

einzustellen – mit Ausnahme der<br />

Flugvermessungsmaschine. Zu diesem Zeitpunkt<br />

ist die Umrüstung der von der Luftwaffe<br />

übernommen MiG-29 auf westliche<br />

Avionik noch nicht abgeschlossen, daher bedürfen<br />

die weiter im Betrieb stehenden „öst-<br />

ZUR SCHAU GESTELLT: Eine von der Luftwaffe<br />

der Bundeswehr nach 1990 übernommene<br />

An-26 auf dem Außengelände des Militärhistorischen<br />

Museums Flugplatz Berlin-<br />

Gatow.<br />

Foto: MHM Flugplatz Berlin-Gatow<br />

lichen“ Boden-Navigationsanlagen einer<br />

zwischenzeitlich fortgesetzten Flugvermessung.<br />

Von den einst zwölf An-26 wird schließlich<br />

eine Maschine verschrottet, vier Flugzeuge<br />

werden an deutsche Museen abgegeben<br />

sowie sieben Exemplare nach Russland<br />

verkauft. Letztere befinden sich noch heute<br />

im Einsatz, unter anderem bei den Luftwaffen<br />

des Sudan und Namibias.<br />

Die An-26 ist bereits „deutsche“ Geschichte,<br />

die Transall wird es bald sein. Die<br />

1957 begonnene Ära der zweimotorigen<br />

Transporter der Luftwaffe nähert sich ihrem<br />

Ende. Mit dem Zulauf der viermotorigen<br />

A400M als Nachfolgemuster der Transall<br />

wird die Luftwaffe wohl ab 2015 in die Lage<br />

versetzt, die steigenden Anforderungen im<br />

auch erweiternden Einsatzspektrum zu<br />

meistern. Doch auch dann gilt das seit über<br />

50 Jahren bewährte Motto unserer Transportflieger:<br />

„Schnell – sicher – weltweit – zuverlässig“!<br />

Hans-Werner Ahrens, Jg. 1948, Generalmajor a. D.,<br />

letzter Kommandeur des LTKdo, Münster; von 1970<br />

bis zum Ruhestand in 2010 über 4.500 Flugstunden<br />

auf der Transall. Autor von „Die Luftbrücke nach Sarajevo<br />

1992 bis 1996: Transportflieger der Luftwaffe und<br />

der Jugoslawienkrieg“.<br />

Mathias Brandt, Jg. 1964, Major, Fluglehrer und Flugsicherheitsstabsoffizier<br />

im LTG 62, Wunstorf; von<br />

1987–1992 (bis 1990 ex-NVA) circa 1.200 Flugstunden<br />

auf der An-26, circa 4.000 Flugstunden auf der<br />

Transall.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

57


Schlachten der Weltgeschichte | Sechstagekrieg<br />

Sechs „Tage des Feuers“<br />

Der dritte arabisch-<br />

Israel<br />

Truppenstärke<br />

Soldaten: 264.000<br />

Panzer: 800<br />

Flugzeuge: 400<br />

Verluste<br />

Tote: 776<br />

Verwundete: 4.517<br />

Panzer: 122 (Sinai),<br />

112 (Westjordanland),<br />

160 (Golanhöhen)<br />

Flugzeuge: 46 (circa 20%),<br />

davon 12 im Luftkampf<br />

Hauptgegner Israels (ohne Saudi-Arabien, Irak und Libanon)<br />

Truppenstärke<br />

Soldaten: 403.000 (240.000 Ägypten, 105.000 Syrien, 58.000 Jordanien)<br />

Panzer: 1.930 (1.180 Ägypten, 550 Syrien, 200 Jordanien)<br />

Flugzeuge: 600 (450 Ägypten, 120 Syrien, 30 Jordanien)<br />

Verluste<br />

Die angegebenen Verlustzahlen der arabischen Staaten weichen stark<br />

voneinander ab, liegen aber weit über denen der Israelis. Ägypten allein<br />

hat 10 bis 15.000 Tote zu beklagen und verlor 700 Panzer. Die Toten der<br />

Syrer (2.500) und Jordanier (6.000) belegen ebenfalls einen extrem<br />

hohen Blutzoll dieser Länder.<br />

58


israelische Krieg<br />

Sommer 1967: Für Israel steht die Existenz auf dem Spiel. Der kleine<br />

Staat ist auf drei Seiten von Feinden bedrängt und steht mit dem<br />

Rücken zum Meer. Mit einem gewagten Präventivschlag versucht das<br />

Land die drohende Niederlage abzuwenden… Von Frederick Feulner<br />

IN STELLUNG: Jordanische Truppen<br />

verschanzen sich an der Grenze zu<br />

Israel. Jordanien gehört zusammen mit<br />

Ägypten und Syrien zu den<br />

Hauptgegnern Israels während des<br />

Sechstagekriegs. Foto: picture-alliance/dpa<br />

Clausewitz 5/2013<br />

59


Schlachten der Weltgeschichte | Sechstagekrieg<br />

VORBEREITUNG FÜR<br />

DEN ERNSTFALL:<br />

Israelische Soldaten<br />

springen am Gazastreifen<br />

von ihrem<br />

Halbkettenfahrzeug.<br />

Der Gazastreifen wird<br />

von den Israelis im<br />

Laufe des Krieges erobert.<br />

Heute ist er ein<br />

palästinensisches<br />

Autonomiegebiet.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Israel ist 1967 400 Kilometer lang, an seiner<br />

weitesten Stelle 100 Kilometer, an seiner<br />

schmalsten lediglich 15 Kilometer<br />

breit. Es dauert nur Minuten, um mit einem<br />

Flugzeug jeden Punkt zu erreichen. Nach<br />

zwei von Israel gewonnenen Kriegen 1948<br />

und 1956 wird von den arabischen Nachbarn<br />

eine extrem antiisraelische Politik betrieben:<br />

Jüdische Siedlungen werden immer wieder<br />

von syrischen Stellungen auf dem Golan beschossen,<br />

Sabotageakte auf die Infrastruktur<br />

und Terrorangriffe sind häufig. Anhaltende<br />

Streitigkeiten um das Wasser heizen die Stimmung<br />

zusätzlich an. In Syrien und Libanon<br />

wird versucht, den Jordan umzuleiten, um<br />

die israelischen Siedler vom Wasser abzuschneiden.<br />

Zudem unterstützen beide Länder<br />

Jassir Arafats PLO. Mitte Mai 1967 remilitarisieren<br />

die Ägypter den Sinai zunehmend,<br />

die UN-Truppen ziehen sich zurück.<br />

Am 22. Mai schließt Ägypten die Straße von<br />

Tiran für den Schiffsverkehr – die wichtigste<br />

Route zu den Erdölimporten – und ermutigt<br />

seine Verbündeten Irak, Jordanien und Syrien<br />

dazu, ihre Truppen in Alarmbereitschaft<br />

zu versetzen. Damit ist für Israel die Zeit zum<br />

Handeln gekommen.<br />

Am Vorabend des Krieges<br />

Auf dem Sinai ist der Großteil der ägyptischen<br />

Armee stationiert, zwei gepanzerte<br />

und drei Infanteriedivision, zusammen<br />

100.000 Mann und 1.000 Panzer, massiv aufgerüstet<br />

mit sowjetischer Militärhilfe. Teilweise<br />

stehen die Ägypter im Gazastreifen,<br />

um diesen als Sprungbrett nach Israel nutzen<br />

„Wir werden Israel und seine Bewohner vernichten.<br />

Und für die Überlebenden – sofern es welche gibt –<br />

stehen Boote bereit, um sie zu deportieren.“<br />

PLO-Anführer Ahmad al-Shuqayri<br />

zu können. An der jordanischen Front stehen<br />

zwei gepanzerte und sieben Infanteriebrigaden<br />

bereit, fünf davon auf dem Westufer. Auf<br />

den strategisch wichtigen Golanhöhen haben<br />

sich 40.000 Mann syrische Truppen mit<br />

über 250 Panzern verschanzt.<br />

Auf ägyptischer Seite steht eine große,<br />

mit sowjetischer „Bruderhilfe“ ausgebaute<br />

Armee bereit. Zusammen mit den Verbündeten<br />

Jordanien, Syrien, Irak, sowie Kuwait,<br />

Algerien, Saudi-Arabien und Sudan kommt<br />

man auf über 400.000 Mann, 2.700 Panzer<br />

und über 700 Flugzeuge. Die Armee ist nach<br />

sowjetischem Vorbild in Divisionen organisiert<br />

und umfasst gut ausgebildete Fallschirm-<br />

und Kommandoeinheiten. Trotz eines<br />

dreijährigen Wehrdienstes mangelt es<br />

den durchschnittlichen ägyptischen Soldaten<br />

jedoch an Initiative, Fantasie und Bildung.<br />

Strategisch verfügen die Ägypter über<br />

Bomber, die zusammen mit den verbündeten<br />

Luftwaffen in einem Erstschlag über 500<br />

Tonnen Bomben hätten abwerfen können.<br />

Die Lufttransportkapazitäten ermöglichen<br />

simultane Landungen in Brigadestärke. Syrien<br />

und der Irak sind ebenfalls durch Waffenhilfe<br />

der UdSSR hochgerüstet. Dazu kommen<br />

die Truppen der kleinen, aber gut ausgebildeten<br />

und nach US-Vorbild ausgerüsteten<br />

jordanische Armee.<br />

Was hat Israel dem entgegenzu setzen? In<br />

Friedenszeiten verfügt der junge Staat über<br />

ein stehendes Heer von lediglich 2.000 Berufssoldaten<br />

und 72.000 Wehrdienstleistenden.<br />

Diese sind in ihren Basisformationen<br />

von sieben Brigaden (entspricht US-Regiment)<br />

organisiert, davon vier Infanterie-, eine<br />

Fallschirmjäger- und zwei gemischte Panzerbrigaden.<br />

Vollständig mobilisiert kann<br />

die Armee auf 31 Brigaden (je zwischen<br />

3.500-4.500 Mann) aufgestockt werden: 22<br />

Infanterie-, acht Panzer- und eine Fallschirmjäger-brigade,<br />

zudem einige Reservebrigaden.<br />

Mit einem Verhältnis von 50:50<br />

zwischen Kampf- und Vesorgungseinheiten<br />

ist die IDF sehr schlagkräftig (in Vietnam erreichen<br />

die USA nur einen Wert von 10:90).<br />

Aufgrund der aggressiv-offensiven Aufgaben<br />

sind alle Einheiten weitestgehend motorisiert<br />

und an die Wüste angepasst. Die israelische<br />

Luftwaffe hat vollmobilisiert circa<br />

20.000 Mann und etwa 450 Flugzeuge, meist<br />

französischer Herkunft. Die Marine beschränkt<br />

sich auf vier Zerstörer, zwei U-Boo-<br />

60


Israelische Luftüberlegenheit<br />

te, drei Landungsboote und kleinere Küstenfahrzeuge.<br />

Der stärkste Angriff Israels muss zuerst<br />

gegen den gefährlichsten Feind, Ägypten,<br />

geführt werden. Die Kämpfe an der syrischen<br />

und jordanischen Front sollen hinausgezögert<br />

werden. 1956 drangen die israelischen<br />

Truppen entlang des Golfs von Eilat<br />

über den südlichen Sinai vor. 1967 werden<br />

die Ägypter durch ein Täuschungsmanöver<br />

auf eine falsche Fährte gelockt. Zwei der drei<br />

Panzerbrigaden, die bei Kuntilla stationiert<br />

werden, bestehen aus Attrappen. Der<br />

Hauptangriff soll diesmal im nördlichen Sinai<br />

stattfinden. Der kleine Staat Israel kann<br />

sich keine längergehende Mobil- machung<br />

in Erwartung eines Angriffs erlauben, deshalb<br />

muss umgehend mit einem lange geplanten<br />

und im Geheimen durchexerzierten<br />

Erstschlag gehandelt werden.<br />

KARTE<br />

Der Angriff Israels<br />

Der israelische Erfolg des Sechstagekrieges<br />

ist jedoch im überraschenden Einsatz der<br />

Luftwaffe begründet. In den Morgenstunden<br />

des 5. Juni fliegen etwa 200 israelische<br />

Kampflugzeuge Angriffe auf 19 ägyptische<br />

Flugfelder auf dem Sinai und am Westufer<br />

des Suezkanals – Operation Moked hat begonnen.<br />

Dabei macht sich das rigorose Training<br />

bezahlt: Im Tiefflug und in Funkstille<br />

nähern sich die Maschinen unterhalb des Radarschirms<br />

über See und zerstörten dabei<br />

293 überwiegend moderne Maschinen sowjetischer<br />

Bauart. Zudem werden die Startbahnen<br />

durch Bomben unbrauchbar gemacht<br />

und auf dem Rückweg Gelegenheitsziele<br />

wie SAM-Stellungen angegriffen.<br />

Danach fliegen die Maschinen zurück, wo<br />

sie in einer Turnaround-Zeit von durchschnittlich<br />

acht Minuten betankt, aufmunitioniert<br />

und für die nächste Angriffswelle<br />

startklar gemacht werden. Zur Zeit der Angriffe<br />

befindet sich der ägyptische Oberbefehlshaber<br />

Amer in der Luft und wird vom<br />

gesamten Generalstab auf dem Sinai auf<br />

dem Flugfeld von Bir Thamada erwartet.<br />

Aufgrund mangelnden Vertrauens in die eigenen<br />

Truppen wird der Flugabwehr untersagt<br />

auf Flugzeuge zu schießen, solange<br />

Amers Flugzeug in der Luft ist. Es dauerte<br />

über 90 Minuten bis er schließlich auf dem<br />

Zivilflughafen Kairo landen kann. Binnen<br />

kurzer Zeit wird dadurch die totale Luftüberlegenheit<br />

über dem Sinai erlangt. Um<br />

10.45 Uhr hat ein Großteil der ägyptischen<br />

Luftwaffe faktisch aufgehört zu existieren.<br />

Vor allem die strategischen Bomber vom Typ<br />

Tu-16 „Badger“ hätten den israelischen Ballungszentren<br />

und Atomanlagen in der Negev-Wüste<br />

gefährlich werden können.<br />

Erstes Landziel, das unter allen Umständen<br />

genommen werden muss, ist der Gazastreifen,<br />

in dem sich zwei ägyptische Divisionen<br />

mit zahlreichen schweren Panzern und<br />

Panzerabwehrkanonen hinter einem tiefgestaffelten<br />

Minenfeld eingegraben haben.<br />

Zwei Panzerbatallione, bestehend aus M48<br />

Der Sechstagekrieg vom 5. bis 10. Juni 1967<br />

ZIVILES LEBEN HINTER SANDSÄCKEN: Einwohner<br />

der ägyptischen Stadt Suez während<br />

des Sechstagekrieges. Der Ort wird durch<br />

die Kampfhandlungen stark beschädigt und<br />

zeitweise sogar vollständig evakuiert.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Clausewitz 5/2013<br />

61


Schlachten der Weltgeschichte | Sechstagekrieg<br />

Anführer während des Konfliktes<br />

AUF ISRAELISCHER SEITE<br />

General Mosche Dayan (1915–1981)<br />

Erste Kampferfahrungen sammelt Dayan bereits<br />

im Alter von 14 Jahren als Untergrundkämpfer<br />

der „Hagana“, später kämpft er im<br />

paramilitärischen, jüdischen „Palmach“-Verband<br />

unter australischem Kommando gegen<br />

Vichy-französische Truppen im Libanon. Als<br />

Stabschef führt er Israel 1956 auf dem Sinai<br />

zum Sieg. Danach fungiert er als Landwirtschaftsminister,<br />

wird aber im Zuge der ansteigenden<br />

Spannungen am 2. Juli 1967 zum<br />

Verteidigungsminister und damit zum Oberbefehlshaber<br />

ernannt. In insgesamt vier Kriegen<br />

spielt der charismatische, brillante, häufig<br />

aber auch pessimistisch eingestellte Dayan<br />

eine wichtige Rolle. Neben seinen militärischen<br />

Erfolgen ist er als Außenminister auch<br />

an politischen Lösungen beteiligt.<br />

Generalmajor Jitzchak Rabin (1922–1995)<br />

Während des Zweiten Weltkrieges kämpft Rabin<br />

in der „Palmach“, wird später in die neue<br />

israelische Armee übernommen, wo er im Unabhängigkeitskrieg<br />

mit einer Eliteeinheit um<br />

Jerusalem kämpft. Als Generalmajor ist er mit<br />

dem Aufbau der Führungsakademie beauftragt<br />

und übernimmt 1964 das Resort als Stabschef,<br />

wo er für den Ausbau der Panzertruppe<br />

verantwortlich ist. Von 1974–1977 und<br />

1992–1995 ist er israelischer Ministerpräsident<br />

und erhält zusammen mit Shimon Peres<br />

und Jassir Arafat für sein Bemühen zur Lösung<br />

des Nahostkonfliktes den Friedensnobelpreis.<br />

Generalmajor Israel Tal (1924–2010)<br />

Tal beginnt seine Karriere in der britischen Armee,<br />

dient später als Offizier im Unabhängigkeitskrieg<br />

und während der Suezkrise 1956.<br />

Er entwickelt das rigorose Ausbildungsprogramm<br />

für die Panzereinheiten und führt<br />

1967 seine Panzertruppen blitzkriegartig<br />

durch den Gazastreifen entlang des nördlichen<br />

Sinai. Später leitet er das Entwicklungsteam<br />

des Merkava-Panzers.<br />

Generalmajor Avraham Joffe (1913–1983)<br />

Joffe wird bereits 1929 Mitglied der Hagana,<br />

kämpft in der Britischen Armee, bevor er in<br />

die IDF wechselt. Als General der Reserve<br />

wird er 1967 in der zentralen Sinaifront eingesetzt,<br />

wo er mit einem effektiven Vorstoss<br />

durch für Panzer unpassierbar geltendes Terrain<br />

die Ägypter überrascht und zum Sieg am<br />

Mitla-Pass beiträgt.<br />

Generalmajor Ariel Sharon (*1928)<br />

Bereits mit 14 ist Sharon Mitglied der Hagana,<br />

wechselt später zu den Fallschirmjägern,<br />

mit denen er bei Mitla unter relativ hohen<br />

Kosten einen Sieg erringen kann. Sharon<br />

kommandiert die südliche Sinaifront und<br />

überwindet einen stark verteidigten Stützpunkt<br />

bei Um Katef, bevor er die südliche<br />

Flanke sichern kann. Politisch agiert er als<br />

Landwirtschaftsminister,<br />

Verteidigungsminister<br />

und übernimmt<br />

das Amt des<br />

Ministerpräsidenten.<br />

POLITIKER MIT<br />

MILITÄRTRADITION:<br />

Der spätere Ministerpräsident<br />

Sharon<br />

als Soldat im Sechstagekrieg.<br />

Er ist auf<br />

der Sinai-Halbinsel<br />

im Einsatz.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

AUF SEITEN DER VEREINIGTEN ARABISCHEN REPUBLIK<br />

Präsident Gamal Abdel Nasser (1918–1970)<br />

Zuerst nationalistisch eingestellt, propagiert Nasser<br />

später einen Panarabismus unter ägyptischer Führung,<br />

im Zuge dessen sich seine antisraelische Rhetorik und<br />

Politik verstärkt und schließlich zum Sechstagekrieg<br />

führt. Mit dem innerlichen Vakuum nach der Niederlage<br />

weicht der arabische Nationalismus zunehmend islamisch<br />

fundamentalistischen Strömungen.<br />

ADVOKAT DES PANARABISMUS: Diese undatierte<br />

Aufnahme zeigt Gamal Abdel Nasser als Offizier<br />

des ägyptischen Militärs. Foto: picture-alliance/dpa<br />

Feldmarschall Abdel Hakim Amer (1919–1967)<br />

Seit 1939 in der ägyptischen Armee, wird Amer 1952<br />

zum Stabschef befördert, kämpft während der Suezkrise<br />

und im Jemen. 1964 wird er stellvertretender<br />

Oberkommandierender. Er lässt Präsident Nasser im<br />

Unklaren über die eigentliche Situation der ägyptischen<br />

Armee und gibt den Befehl zum Rückzug aus<br />

dem Sinai, der im Desaster endet. Als Folge des Krieges<br />

von 1967 wird er aller Ämter enthoben und unter<br />

dem Vorwand, einen Staatsstreich geplant zu haben<br />

vor die Wahl zwischen einer Anklage und einem Freitod<br />

gestellt. Er entschied sich für letzteres.<br />

Pattons und Centurions unter General Israel<br />

Tal, überwinden unter Verlusten den Sperrgürtel<br />

und treffen bei Rafah auf ein Hornissennest<br />

aus 150 IS-III-Panzern und 90 Geschützen.<br />

Die Ägypter können die Israelis<br />

zunächst für einige Stunden aufhalten, bis<br />

israelische Artillerie- und Luftunterstützung<br />

verfügbar ist und der Vormarsch entlang der<br />

Küste fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig<br />

„Wir werden hohe Verluste<br />

erleiden, aber wir haben keine andere Wahl.“<br />

IDF-Stabschef Jitzchak Rabin<br />

beschwört die israelische Regierung den König<br />

von Jordanien, nicht in den Krieg einzutreten.<br />

Dieser fühlt sich jedoch seinem Bündnis<br />

mit Ägypten verpflichtet und greift – von<br />

falschen Siegesmeldungen der Ägypter bestärkt<br />

– im Westjordanland in den Krieg ein.<br />

In der dritten und vierten Angriffswelle des<br />

6. Juni haben die Israelis auch die jordanische<br />

und syrische Luftwaffe weitestgehend<br />

ausgeschaltet und einen irakischen Stützpunkt<br />

angegriffen. Am Ende des ersten Tages<br />

hat die IAF 416 Flugzeuge zerstört, sie<br />

selbst verlor 26 Maschinen. Angesichts des<br />

Erfolges der israelischen Armee versuchen<br />

sich die Ägypter hinter den Suezkanal zurückzuziehen.<br />

Der Vormarsch im Norden<br />

des Sinai unter Generalmajor Tal wird jedoch<br />

bei El Arish zunächt gestoppt. Um den entscheidenden<br />

Schlag gegen Ägypten zu führen<br />

wird beschlossen, nicht den ägyptischen<br />

Verbänden hinterherzufahren, sondern sie<br />

an den strategischen Passstraßen von Mitla<br />

und Gidi im zentralen Sinai, sowie Bir Gifgafa<br />

im nördlichen Sinai abzufangen. Mit den<br />

letzten Treibstoffreserven erreichten Teile<br />

der Brigaden von Tal und Joffe am 7. Juni das<br />

Nadelöhr und verhinderten die Flucht, bis<br />

sich die nachrückenden Israelis unter der<br />

62


Eroberung Ostjerusalems<br />

Führung Sharons sammeln und die Ägypter<br />

in die Zange nehmen können. Die Kämpfe<br />

halten während der Nacht an, bis am Morgen<br />

die IAF eingreifen kann und tausende<br />

brennende ägyptische Fahrzeuge auf dem<br />

Schlachtfeld zurücklässt. Kurze Zeit später<br />

erreicht die israelische Armee den Suezkanal,<br />

und auch der Süden des Sinai mit der<br />

Straße von Tiran wird durch eine Landung<br />

von See her erobert – die ägyptische Besatzung<br />

von Sharm El Sheik hat bereits größtenteils<br />

den Rückzug angetreten. Ägyptens Präsident<br />

Nasser muss am 9. Juni den Waffenstillstand<br />

akzeptieren.<br />

Gegen Syrien und Jordanien<br />

Nachdem jordanische Artillerie am 5. Juni<br />

Vororte von Jerusalem und Tel Aviv beschossen<br />

hat, setzt die IDF ihre Pläne für das Westjordanland<br />

um: Vertreibung der gut ausgerüsteten<br />

Arabischen Legion König Husseins<br />

und Besetzung Ostjerusalems. Am 7. Juni<br />

wird, trotz anfänglicher Bedenken, die Altstadt<br />

von Jerusalem mit ihren heiligen Stätten<br />

von Fallschirmjägern im zähen Häuserkampf<br />

erobert; bereits einen Tag später sind<br />

auch die Reste der jordanischen Armee auf<br />

das Ostufer zurückgedrängt.<br />

Im Norden mischen sich syrische Truppen<br />

zunehmend in das Kriegsgeschehen ein<br />

und greifen am 6. Juni Siedlungen auf israelischem<br />

Gebiet an. Am 7. und 8. Juni wird<br />

das Grenzgebiet Ziel von andauernden Artillerieangriffen.<br />

Obgleich die syrische Luft-<br />

VON DER BESATZUNG ZURÜCKGELASSEN:<br />

Ein zerstörtes ISU-152 Sturmgeschütz aus<br />

sowjetischer Produktion. Das schwere<br />

Selbstfahrartilleriefahrzeug wurde von Josef<br />

Galili fotografiert.<br />

Foto: Sammlung Galili<br />

waffe schon in den ersten Tagen des Krieges<br />

ausgeschaltet ist, zögert die israelische Regierung<br />

mit einem Angriff auf die strategisch<br />

wichtigen Golanhöhen: Ein direkter Angriff<br />

auf einen gut verschanzten Feind an einem<br />

Steilhang hätte zu blutigen Verlusten führen<br />

können. Nachdem sich die Lage an der südlichen<br />

und mittleren Front jedoch positiv<br />

entwickelt, entscheidet man am 9. Juni, einen<br />

Angriff zu wagen. Luftangriffe und Artillerieschläge<br />

weichen die syrischen Befestigungen<br />

auf, und nach harten Kämpfen stehen<br />

am Abend bereits mehrere, teils aus dem Sinai<br />

herangeführte, Brigaden auf dem Golan.<br />

DEN GEFALLENEN<br />

GEWIDMET: Ein israelischer<br />

Soldat<br />

trauert vor einem<br />

schnell zusammengetragenen<br />

Steinhaufen<br />

in der Altstadt<br />

Jerusalems.<br />

An dieser spontan<br />

errichteten Gedenkstätte<br />

wird getöteten<br />

Soldaten die<br />

letzte Ehre erwiesen.<br />

Während des<br />

Sechstagekrieges<br />

erobert Israel ein<br />

Gebiet der dreifachen<br />

Größe des<br />

eigenen Landes.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

INMITTEN DER ZERSTÖ-<br />

RUNG: Josef Galili auf dem<br />

strategisch wichtigen Mitla-<br />

Pass. Hier fanden am 6. und<br />

7. Juni 1967 die schwersten<br />

Angriffe auf die fliehenden<br />

ägyptischen Truppen statt.<br />

Foto: Sammlung Galili<br />

Am nächsten Morgen befinden sich die Syrer<br />

auf dem Rückzug, während israelische Fallschirmjäger<br />

per Helikopter eingeflogen werden,<br />

um ohne nennenswerte Gegenwehr<br />

Schlüsselstellungen zu besetzen. Damit stehen<br />

die israelischen Truppen am Abend des<br />

10. Juni bereits 65 Kilometer vor Damaskus.<br />

Nachwirkungen<br />

Die Ägypter verlieren etwa 80 Prozent ihrer<br />

Ausrüstung, diese wird binnen weniger Monate<br />

durch die Sowjetunion ersetzt, die Doktrin<br />

überarbeitet – wie sich sechs Jahre später<br />

zeigt. Die israelische Armee hat jedoch nur geringe<br />

Verluste erlitten. Die arabische Welt ist<br />

nach einer anfänglichen Siegeshysterie erschüttert,<br />

in einer so kurzen Zeit eine so fatale<br />

Niederlage erlitten zu haben, was schließlich<br />

zum Abnutzungskrieg von 1968-70 und dem<br />

Yom-Kippur-Krieg von 1973 führen wird. Israel<br />

hat sich mit einem militärisch hervorragend<br />

ausgeführten Präventivschlag erneut behauptet<br />

und durch die enormen Gebietsgewinne<br />

auf dem Sinai, dem Westjordanland und den<br />

Golanhöhen eine wichtige strategische Tiefe<br />

erlangt. Durch den anhaltenden Siedlungsbau<br />

in diesen Regionen geht dieser Vorteil jedoch<br />

nicht nur verloren, sondern bringt außerdem<br />

noch weitere Probleme mit sich. Die aus<br />

Ägypten, Syrien und Jordanien auf israelisches<br />

Gebiet geführten Terroranschläge verringern<br />

sich merklich, jedoch erhält die PLO<br />

vor allem aus den zahlreichen palästinensischen<br />

Flüchtlingslagern regen Zulauf, was<br />

wiederum zu einer andauernden Spirale der<br />

Gewalt führt. Mit Wirkungen bis heute.<br />

Dr. Frederick Feulner Research Fellow an der University<br />

of York, England. Seine Spezialgebiete sind der Vietnamkrieg<br />

sowie die israelischen Armee. Er hat persönliche<br />

Kontakte nach Israel.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

63


Buchvorstellung | Kampfpanzer Tiger<br />

EINZIGARTIG: Es gibt nur<br />

einen Kampfeinsatz des<br />

Porsche-Tigers – 1944 in<br />

Russland. Zum Befehlswagen<br />

umgebaut, hat dieser Tiger<br />

außerdem einen Zimmerit-<br />

Schutzanstrich und eine<br />

Zusatzpanzerung am Bug.<br />

Foto: Münch<br />

Der bekannteste Panzer des Zweiten Weltkriegs<br />

Die Analyse einer<br />

Legende<br />

Tiger – allein das Wort packt den Leser,<br />

fasziniert und fesselt ihn. Kraft, Stärke<br />

und Eleganz werden damit verbunden.<br />

[…]. Der PzKpfw VI wurde als schwerer Panzer<br />

konzeptioniert. Seine Schöpfer standen<br />

vor der Herausforderung, einen überlegenen<br />

Kampfwagen zu konstruieren. Begriffe wie<br />

[…] Kraft, Durchsetzungsvermögen und Zähigkeit<br />

konnten damit verbunden werden.<br />

Als Bezeichnung bot sich nur etwas gleichwertiges<br />

an, der Name eines Tieres, das eben<br />

den gewünschten Eigenschaften entsprechen<br />

konnte. Tiger!“ So beginnt das Buch von Thomas<br />

Anderson und zieht den Leser sofort in<br />

seinen Bann. Der Autor ist Spezialist für die<br />

deutsche Militärgeschichte von 1933 bis 1945<br />

und verfällt nicht, wie so viele, in eine einsei-<br />

1942 bis 1945: Der PzKpfw VI „Tiger“ gilt heute<br />

noch als einer der kampfstärksten Panzer des<br />

Krieges. In seinem neuen Buch untersucht der<br />

Experte für deutsche Militärgeschichte, Thomas<br />

Anderson, diesen Mythos kritisch.<br />

Vorgestellt von Maximilian Bunk<br />

tige oder naive Betrachtung des Tigers. Denn<br />

einerseits wurde der PzKpfw VI bewusst als<br />

propagandistische „Wunderwaffe“ ausgeschlachtet<br />

– allein die Wahl des Namens ist<br />

hier offensiv. Attribute wie „unbesiegbar“<br />

oder „unverwundbar“ stammen oft aus den<br />

Erinnerungen ehemaliger Panzersoldaten –<br />

die unbestritten eine der wertvollsten Quellen<br />

für das damalige Geschehen darstellen.<br />

Anderson nutzt diesen Zugang, ist sich jedoch<br />

stets bewusst, dass das Gedächtnis als<br />

„kreativer Konstrukteur“ ungenau ist. Niemand<br />

kann sich nach Jahren genau erinnern<br />

– das Gehirn addiert spätere Erlebnisse, bewertet<br />

Altes neu und funktioniert darüber hinaus<br />

selektiv. Diesem Umstand dürfte dann<br />

auch das negative Klischee des Tigers, seine<br />

fast schon legendäre Unzuverlässigkeit, geschuldet<br />

sein. Um diese Problematik in seiner<br />

Analyse zu umschiffen, ohne auf die<br />

64


Die Legende lebt!<br />

PROBLEMATISCH: Das hohe Gewicht des Tigers kann zum logistischen<br />

Alptraum werden. Dieser Panzer hat eine Brücke beim Überqueren<br />

einstürzen lassen und muss nun geborgen werden. Foto: Kadari<br />

VERSCHIFFT: Dieser Tiger wird auf einen Marinefährprahm verladen.<br />

Diese Landungsschiffe sind leistungsfähig und vielseitig einsetzbar.<br />

Foto: Anderson<br />

EINSATZ IN ITALIEN: Dieser<br />

Tiger Ausf. E ist 1944 bei der<br />

s PzAbt 504 im Kampfeinsatz.<br />

Im schwierigen italienischen<br />

Terrain kann der Panzer nicht<br />

seine volle Schlagkraft entwickeln.<br />

Abb.: Claudio Fernandez Cerda<br />

wichtigen Augenzeugenberichte zu verzichten,<br />

reichert Anderson diese mit einer extensiven<br />

Recherche und Auswertung von Originaldokumenten,<br />

Primärquellen und Archivbeständen<br />

an. Er stützt sich somit nicht nur<br />

auf Sekundärliteratur, was in der Vergangenheit<br />

leider viel zu häufig nur zu Reproduktion<br />

und Verhärtung von Mythen und Klischees<br />

geführt hat.<br />

Standardwerk zum Tiger<br />

Eingeteilt ist das Buch in insgesamt fünf<br />

Kapitel – die Entstehungsgeschichte,<br />

das Waffensystem,<br />

die Organisation der<br />

Tiger-Einheiten, der Panzer<br />

im Gefecht sowie eine Betrachtung<br />

zur Instandsetzung.<br />

Hinzu kommen ein<br />

Vorwort, eine höchst interessante<br />

Abschlussbetrachtung<br />

sowie eine Galerie mit farbigen<br />

Rekonstruktionsgrafiken.<br />

Eingestreut sind authentische Erlebnisberichte<br />

von Zeitzeugen, Tabellen mit technischen<br />

Daten und Auszüge aus Originalquellen.<br />

Die Stärken und Schwächen des Tigers<br />

werden so Schritt für Schritt objektiv herausgearbeitet<br />

und mit den Fahrzeugen der Gegner<br />

verglichen. Eine hervorragende Auswahl<br />

von Fotos und zeitgenössischen Zeichnungen<br />

– viele davon bisher unveröffentlicht –<br />

ergänzen kongenial das inhaltliche Niveau.<br />

Anderson ist seinem eigenen Anspruch, die<br />

Legende nüchtern und realitätsbezogen zu<br />

LITERATURANGABEN<br />

Thomas Anderson: Kampfpanzer<br />

Tiger. Geschichte. Technik. Erfahrungsberichte.<br />

160 Seiten, zahlreiche<br />

Fotos, Zeichnungen und<br />

Grafiken. München 2013. 19,99<br />

EUR.<br />

hinterfragen, mehr als gerecht geworden.<br />

Im ganzen Dickicht der Tiger-Literatur<br />

sticht „Kampfpanzer Tiger. Geschichte.<br />

Technik. Erfahrungsberichte“ durch eine<br />

tiefgehende und immer nachvollziehbare<br />

Interpretation heraus.<br />

Ein „faszinierender“ Panzer<br />

Andersons Fazit lautet: „Im Ergebnis bleibt<br />

die Legende unangetastet. Der Tiger bleibt<br />

ein Faszinosum. Gut für die Besatzungen,<br />

die sich in ihm sicher fühlen durften. Ein<br />

Glücksfall für jede Propaganda. Eine wahrlich<br />

schlechte Meldung für den russischen<br />

Soldaten in seinem T-34.“ Wer wissen will,<br />

wie Anderson zu dieser Aussage kommt und<br />

darüber hinaus noch einiges mehr über den<br />

Tiger erfahren möchte, der sollte sich dieses<br />

gut zu lesende, vorzüglich recherchierte und<br />

reich bebilderte Buch zulegen.<br />

Ein überlegt eingesetzter Tiger konnte<br />

selbst in scheinbar aussichtlosen Situationen<br />

verblüffend große Erfolge erzielen!<br />

Clausewitz 5/2013<br />

65


Spurensuche<br />

Maginot-Linie in Frankreich<br />

Bollwerk gegen<br />

Deutschland<br />

SEHENSWERT: Das Festungswerk Fermont<br />

(A2) der Maginot-Linie kann besichtigt werden.<br />

Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/TIPS-Images<br />

66


1920: Nach Ende des Ersten Weltkriegs<br />

gibt die französische Regierung Pläne für<br />

den Bau eines großangelegten Verteidigungssystems<br />

entlang der Grenze zum<br />

Deutschen Reich in Auftrag. Ziel ist es,<br />

einen erneuten deutschen Einmarsch zu<br />

verhindern.<br />

Von Jörg Fuhrmeister<br />

EINGENOMMEN: Werkgruppe Hochwald,<br />

Bunker 16 für drei 7,5-cm-Kanonen, Foto<br />

vom August <strong>1940</strong>. Foto: Sammlung Jörg Fuhrmeister<br />

UNBESCHÄDIGT: Viele Bunkeranlagen<br />

der Maginot-Linie fallen <strong>1940</strong> kampflos<br />

in deutsche Hand. Foto: Sammlung Jörg Fuhrmeister<br />

Als Elsass-Lothringen nach dem<br />

deutsch-französischen Krieg 1870/71<br />

an das neu gegründete Deutsche<br />

Reich fällt, beginnt Frankreich seine neuen<br />

Landesgrenzen unter dem Festungsbaumeister<br />

Séré de Rivières gegen mögliche Angriffe<br />

des östlichen Nachbarn zu schützen.<br />

1919 rückt die deutsch-französische Grenze<br />

wieder nach Osten, jetzt liegen die errichteten<br />

Befestigungsanlagen zu weit weg von<br />

der Grenze. Vor allem das Ungleichgewicht<br />

in der Einwohnerzahl Frankreichs zu<br />

Deutschlands (etwa 42 zu 68 Millionen) erfordert<br />

aus Sicht der Franzosen eine neue Befestigung<br />

als „Schild und Schwert“ gegen einen<br />

Angriff von Massenheeren.<br />

Bereits 1920 beginnen Experten mit der<br />

Ausarbeitung von Plänen. 1926 wird eine<br />

Kommission zur Verteidigung der Grenzen<br />

gegründet. Dort werden die technischen Details,<br />

Gliederungen und Kosten festgelegt.<br />

Pläne zum Ausbau<br />

Im Januar 1929 – nach mehrfacher Überarbeitung<br />

– wird schließlich ein Konzept vorgelegt,<br />

nach dem lediglich zwei Festungsgebiete<br />

ausgebaut werden sollen:<br />

- Metz (von Longuyon bis St. Avold)<br />

- Lauter (von der Saar bis zum Rhein)<br />

Zudem soll anschließend das Rheinufer<br />

von Lauterburg bis Basel befestigt werden.<br />

Auch in den Alpen werden Verteidigungsanlagen<br />

errichtet und selbst auf der Mittelmeerinsel<br />

Korsika entstehen Bauwerke der<br />

Maginot-Linie.<br />

Der Ausbau in Frankreich endet zunächst<br />

an der Grenze zu Belgien, da man der Meinung<br />

war, dass der Verbündete im Norden<br />

selbst über eine moderne Landesbefestigung<br />

verfügt. Erst später kommen kompakte<br />

Kampfbunker, mit Pak und MG ausgestattet,<br />

als „verlängerte“ Maginot-Linie in Nordfrankreich<br />

hinzu.<br />

Verschiedene Bauperioden<br />

Die Errichtung des nach dem französischen<br />

Kriegsminister André Maginot (1877–1932)<br />

benannten Verteidigungsgürtels lässt sich<br />

grob in drei Bauperioden einteilen:<br />

1. Von 1925 bis 1929 werden Versuchs- und<br />

Erprobungsanlagen erbaut.<br />

2. Die sogenannte CORF-Bauperiode von<br />

1930–1935 umfasst den Bau der großen Artillerie-<br />

und Infanteriewerke, der Kasematten<br />

für die Zwischenräume, Unterstände<br />

und Beobachtungsstände. Bis 1936<br />

wurden die wichtigsten Teile der Verteidigungslinie<br />

gebaut.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

67


Spurensuche | Maginot-Linie<br />

IN MITLEIDENSCHAFT<br />

GEZOGEN: Artilleriewerk Metrich<br />

(A17), Munitionseingang<br />

mit Verwerfungen durch<br />

Gipsschichten im Boden.<br />

Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

NAHAUFNAHME: Artilleriewerk Billig (A18),<br />

Bunker 5 für zwei 7,5-cm-Kanonen. Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

MASSIV: Artilleriewerk<br />

Kalkofen<br />

(Four à Chaux),<br />

Bunker 6, 4,7-cm-<br />

Pak, Zwillings-MG<br />

und Panzerkuppel<br />

der Wache.<br />

Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

3. Bis <strong>1940</strong> wurden weitere Verstärkungen<br />

und Kriegsbauten – häufig in Form von<br />

„Sparversionen“ – vorgenommen.<br />

Mehr als 100 Baufirmen mit über 20.000 Arbeitskräften<br />

arbeiten Anfang der 1930er-Jahre<br />

gleichzeitig am Bau der Maginot-Linie,<br />

doch werden zahlreiche Bauvorhaben aus<br />

Sparzwängen nicht umgesetzt.<br />

Zudem werden ursprüngliche Bauplanungen<br />

zusammengestrichen, Werke und<br />

Werkgruppen verkleinert und andere erst<br />

gar nicht verwirklicht.<br />

Innerhalb von knapp elf Jahren werden<br />

schließlich erbaut:<br />

Ein linear angeordnetes System, in dem<br />

SCHUTZ DER<br />

FRANZÖSISCHEN<br />

OSTGRENZE: Darstellung<br />

zum Verlauf<br />

und Aufbau<br />

der Maginot-Linie<br />

aus einem deutschen<br />

Zigarettenbilder-Album<br />

der<br />

1930er-Jahre.<br />

Foto: ullstein bild -<br />

Archiv Gerstenberg<br />

die Artilleriewerke die Kernpunkte darstellen<br />

und von den Infanteriewerken gegen Angriffe<br />

gesichert werden.<br />

● 58 Werke und Werkgruppen im Norden<br />

und Nordosten.<br />

● 50 Werke und Werkgruppen in den Alpen<br />

gegen Italien.<br />

● mehr als 400 Kasematten, Unterstände für<br />

Infanterie und Beobachtungsbunker.<br />

Die Wand- und Deckenstärken der Bunker<br />

variieren von einem Meter bis 3,5 Meter<br />

– dabei sind die Frontseiten stärker ausgebildet<br />

als die Rückseiten.<br />

Es werden Bunker ausgestattet mit:<br />

● insgesamt 152 ausfahrbaren und um 360<br />

Grad drehbaren Panzertürmen (sogenannte<br />

Senkpanzer), die eingefahren mit der Bunkerdecke<br />

abschließen. Von diesen Festungspanzerbauteilen<br />

existieren acht verschiedene<br />

Modelle. Diese gliedern sich in Artillerietürme<br />

für 13,5-cm-Haubitzen und<br />

Geschütze Kaliber 7,5 cm Zwilling, für Gra-<br />

VOM GEGNER BESETZT: Werkgruppe Hochwald, Bunker 8, Munitionseingang,<br />

Foto vom August <strong>1940</strong>. Foto: Sammlung Jörg Fuhrmeister<br />

68


Grausamer Erstickungstod der Besatzung<br />

DEM BESCHUSS STANDGEHALTEN: Infanteriewerk Rohrbach<br />

(Fort Casso), Bunker 2, im Hintergrund rechts oben ist Bunker<br />

3 zu erkennen.<br />

Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

IM INNEREN: Der Maschinenraum des Artilleriewerks Simserhof<br />

mit Sulzer Dieselaggregaten 265 PS.<br />

Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

natwerfer Kaliber 8,1 cm und gemischte<br />

Türme für 2,5-cm-Pak und MG.<br />

Insgesamt war der Verteidigungsgürtel mit<br />

344 Geschützen und 500 Panzerabwehrkanonen<br />

– bezogen auf seine Gesamtlänge – artilleristisch<br />

eher dürftig ausgestattet.<br />

Umkämpftes Werk<br />

In die ausgedehnten Anlagen der Maginot-<br />

Linie, die jedoch keine durchgehende Befestigungslinie<br />

darstellen, werden auch die alten<br />

deutschen Festungsbauten aus den Jahren<br />

von 1898 bis 1916 integriert, da diese<br />

bereits aus Eisenbeton bestanden.<br />

Als am 10. Mai <strong>1940</strong> der deutsche Vormarsch<br />

nach Frankreich beginnt, werden<br />

auch die neutralen Staaten Belgien und Niederlande<br />

angegriffen. Kurz darauf überquert<br />

die Wehrmacht mit der Heeresgruppe A<br />

auch in den Ardennen die französische<br />

Grenze. Die verlängerte Maginot-Linie, auch<br />

Weygand-Linie genannt, wird überrannt. Sie<br />

ist nur schwach ausgebaut und besteht in der<br />

Hauptsache aus kleineren Infanteriebunkern.<br />

Am 19. Mai wird das Panzerwerk 505 „La<br />

Ferté“ der Maginot-Linie angegriffen. Nach<br />

massivem Beschuss auf Panzerkuppeln und<br />

Scharten mit Pak und 8,8-cm-Flakgeschützen<br />

fällt der Bunker. Mit einer 40-kg-Sprengladung<br />

wird der versenkbare Panzerturm<br />

aus seiner Verankerung gerissen und bleibt<br />

verkantet im Turmschacht hängen. Als die<br />

Verteidiger trotz der prekären Lage nicht<br />

aufgeben wollen, werfen die Angreifer<br />

Rauchkörper und Sprengladungen in den<br />

nun offenen Turmschacht. Die komplette Besatzung<br />

zieht sich in die Tiefe in den Verbindungshohlgang<br />

zurück, um den Rauchgasen<br />

zu entgehen.<br />

Dramatische Ereignisse<br />

Die Gasmasken sind gegen Rauchgase unwirksam,<br />

auch ein Notausgang ist nicht vorhanden.<br />

Das Schicksal der Besatzung ist besiegelt<br />

– alle 104 Männer erleiden den Erstickungstod.<br />

Drei sind in der Kuppel gefallen.<br />

Anfang Juni werden die Gefallenen aus dem<br />

Werk geboren und beerdigt. Die deutschen<br />

Verluste betrugen im Kampf um „La Ferté “<br />

90 Soldaten. Von allen Werken in der Maginot-Linie<br />

ist „La Ferté“ das einzige, das<br />

HINTERGRUND<br />

Dieses Baumuster verfügt über einen Mannschafts-<br />

und Munitionseingang und ist ausgestattet<br />

mit einem 4,7-cm- oder 3,7-cm-Panzerabwehrkanone<br />

des Modells 1934 und einem<br />

Zwillings-MG 7,5 mm, Modell Reibel,<br />

aus dem Jahr 1931. Dazu kommen jeweils<br />

zwei starre Panzerkuppeln mit MG für die<br />

Wachposten.<br />

Die Eingangsfront besitzt einen sogenannten<br />

Diamantgraben, der nur über eine Brücke<br />

überwunden werden kann. Gesichert ist dieser<br />

zusätzlich mit Auswurfrohren für Handgranaten.<br />

In den Eingangsbauwerken befinden<br />

sich zudem Scharten zur Nahverteidigung.<br />

Über einen Hohlgang (Galerie) gelangt man<br />

mit der Festungsschmalspurbahn zum Munitionslager,<br />

dem Kraftwerk mit vier starken<br />

Dieselaggregaten und zur Kaserne.<br />

Vom Haupthohlgang abzweigend gelangt<br />

man zu den Kampf- und Beobachtungsbunkern<br />

(Blocks), die Treppenhäuser mit Fahrstuhl<br />

führen aus durchschnittlich 30 Metern<br />

Tiefe in die zwei-, dreistöckigen Kampfanlagen.<br />

Aufbau eines Artillerie-Werkes („Gros Ouvrage“)<br />

Die Ausstattung der Artilleriebunker umfasste<br />

drei 7,5-cm-Kanonen Modell 1924 als<br />

Kasemattgeschütze in einem Bauwerk, Senkpanzertürme<br />

für 7,5-cm-Zwilling mit einer<br />

Reichweite von jeweils 12.000 Meter und einer<br />

13,5-cm-Haubitze in Kasematte und<br />

Senkpanzer mit einer Reichweite von 5.600<br />

Metern.<br />

Äußerst effektiv und gefährlich<br />

waren die 8,1-cm-Granatwerfer<br />

in der Kasematte oder<br />

im Senkpanzerturm mit einer<br />

Reichweite von 3.500 Metern.<br />

In einzelnen Werken kamen<br />

noch die „Gemischten<br />

Türme“ zum Einbau, die mit<br />

einer 2,5-cm-Pak und einem<br />

Zwillings-MG 7,5 mm ausgerüstet<br />

waren.<br />

Die Besatzung eines großen<br />

Artillerie-Werkes bestand aus<br />

800 bis 1.100 Mann, davon<br />

40 Prozent Artillerie und 30<br />

Prozent Infanterie und Festungspioniere.<br />

Die Führung eines solchen<br />

Werkes war einem Major oder Hauptmann anvertraut,<br />

unterstützt von etwa 25 Offizieren.<br />

Das größte Werk, der „Hackenberg“, konnte<br />

– vorausgesetzt alle Waffen würden gleichzeitig<br />

feuern – zwei Tonnen Munition pro Minute<br />

verschießen.<br />

ANSCHAULICH: Plan der Anlage „Hackenberg“.<br />

Abb.: Jörg Fuhrmeister<br />

Clausewitz 5/2013<br />

69


Spurensuche | Maginot-Linie<br />

RESTAURIERT: Der Mischwaffenturmunterbau<br />

im Infanteriewerk Rohrbach. Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

einen solch dramatischen Kampf während<br />

des deutschen Vormarschs in Frankreich<br />

überstehen musste.<br />

Heute ist das Werk nahe des Dorfes La<br />

Ferté-sur-Chiers, 24 Kilometer südöstlich<br />

von Sedan, für Besucher geöffnet.<br />

Als die Kampfhandlungen in Frankreich<br />

schließlich Ende Juni <strong>1940</strong> beendet werden,<br />

leisten lediglich große Werke und Werkgruppen<br />

weiterhin Widerstand und kämpfen bis<br />

Anfang Juli weiter. Erst jetzt erteilt der Oberbefehlshaber<br />

der Französischen 2. Armee<br />

General Huntziger den kategorischen Befehl,<br />

die weiße Fahne zu hissen.<br />

Nach der Kapitulation der insgesamt<br />

rund 25.000 Verteidiger ordnet Hitler an, die<br />

Maginot-Linie nicht verkommen zu lassen.<br />

Waffen und Munition verbleiben in den Werken.<br />

In die großen Anlagen ziehen ab 1943<br />

Rüstungsbetriebe ein, um eine bombensichere<br />

Produktion von Rüstungsgütern zu gewährleisten.<br />

Ausbau und Kämpfe 1944<br />

Etwa acht Monate vor Kriegsende, im August<br />

1944, befiehlt Hitler die Wiederbewaffnung<br />

und den Ausbau der deutschen Westbefestigungen<br />

einschließlich der einzubeziehenden<br />

Teile der Maginot-Linie.<br />

Die Heeresgruppe G ist zuständig für<br />

den Ausbau der Maginot-Linie im Abschnitt<br />

von Trier bis zur Schweizer Grenze. Das<br />

Oberkommando „Festungsbereich West“<br />

zeichnet verantwortlich für den Ausbau in<br />

und rückwärts dieser Linie. Die Stadt Metz<br />

mit ihrem Gürtel aus Festungen der Wilhelminischen<br />

Kaiserzeit wird zur Festung erklärt.<br />

Die Besatzungen dieser Anlagen leis-<br />

Literaturtipp<br />

Jean Bernard Wahl: Die Maginot-Linie im Elsaß –<br />

200 km Stahl und Beton, 1989 (neu aufgelegt).


Vandalismus und Plünderungen<br />

GUT ERHALTEN: Das<br />

Kleine Infanteriewerk<br />

Haut-Poirier, Bunker 3.<br />

Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

AUSGEFAHREN: Mischwaffenturm des<br />

Infanteriewerks Oberheid. Foto: Jörg Fuhrmeister<br />

Heute kann man im Elsass und in Lothringen<br />

insgesamt sieben Artillerie-Werkgruppen<br />

besichtigen. Ebenso sind neun Infanterie-Werkgruppen<br />

für Besucher geöffnet.<br />

Von den Zwischenbunkern, Bunkern,<br />

Unterständen und Beobachtungsstellungen<br />

sind rund 20 restauriert und begehbar.<br />

ZEITGENÖSSISCHES FOTO: Werkgruppe<br />

Hochwald, Bunker 14, Versenkturm für<br />

13,5-cm-Zwillingsgeschütz, Foto aus dem<br />

Jahr <strong>1940</strong>. Foto: Sammlung Jörg Fuhrmeister<br />

ten den US-Truppen kurz vor Kriegsende<br />

über einen Zeitraum von sechs Wochen erbitterten<br />

Widerstand. Selbst heftige Bombardements<br />

und massiver Artilleriebeschuss<br />

können die Werke und ihre Verteidiger nicht<br />

niederringen.<br />

Deutliche Spuren der Kampfhandlungen<br />

von 1944 sind heute vor allem noch an den<br />

Bunkern des Forts „Hackenberg“ zu sehen.<br />

Als sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

im heraufziehenden Kalten Krieg die<br />

Spannungen mit der Sowjetunion zu verschärfen<br />

beginnen, entschließt sich die französische<br />

Militärführung, die Maginot-Linie<br />

wieder instand zu setzen.<br />

Die infolge von Kriegseinwirkung und<br />

deutsche Nutzung als Produktionsstätten<br />

zum Teil stark in Mitleidenschaft gezogenen<br />

Artillerie- und Infanteriewerke werden von<br />

1950 bis 1955 modernisiert. Militärisch genutzt<br />

werden die Werke schließlich bis 1970.<br />

Der langsame Verfall der nicht mehr benötigten<br />

Befestigungssystems setzt ein.<br />

Mitte der 1970er-Jahre gründen sich verschiedene<br />

Vereine zum Erhalt der einzelnen<br />

Werkgruppen. Bereits 1976 eröffnet ein Verein<br />

die größte Anlage, die Artillerie-Werkgruppe<br />

„Hackenberg“ nahe Thionville.<br />

Großer Besucherandrang<br />

Informationen zu den unterschiedlichen Öffnungszeiten<br />

sowie weitere Informationen<br />

finden Interessierte im Internet unter dem<br />

Stichwort Maginot-Linie. Die großen Werke<br />

bieten deutschsprachige Führungen an. Es<br />

wird empfohlen, bei Begehungen von Bunkeranlagen<br />

warme Kleidung mitführen, da<br />

die Innentemperaturen bei circa elf Grad Celsius<br />

liegen. Mehr als 300.000 Besucher aus aller<br />

Welt besichtigen diese Anlagen jedes Jahr.<br />

Ein Besuch der nicht genutzten Werke<br />

und Werkgruppen ist hingegen nicht möglich.<br />

Infolge der stark gestiegenen Erlöse für<br />

Stahlschrott und Buntmetalle (Kupfer, Messing)<br />

wurden in jüngster Vergangenheit<br />

zahlreiche Werke aufgebrochen und systematisch<br />

geplündert. Die französische Armee<br />

als Eigentümer ließ die Anlagen daher zuschweißen.<br />

Doch auch diese Maßnahme schreckte<br />

Diebesbanden nicht ab; mit Schneidbrennern<br />

wurde sich immer wieder Zugang zu einzelnen<br />

Werken verschafft. In den letzten Jahren<br />

wurden daher die Eingänge und auch offene<br />

Scharten zum Teil meterhoch übererdet.<br />

Jörg Fuhrmeister, Jg. 1959, ist seit seiner Jugend im<br />

Denkmalschutz tätig. Sein besonderes Engagement<br />

gilt den Westwallbunkern und den Landesbefestigungen<br />

in Deutschland nach 1920. Von 2007 bis 2011<br />

war Fuhrmeister ehrenamtlicher Denkmalbeauftragter<br />

„Westwall“ beim Landesdenkmalamt des Saarlandes.<br />

Clausewitz 5/2013


Feldherren<br />

George S. Patton<br />

Feldherr mit<br />

Ansichten<br />

DEN FEIND IM AUGE: George Patton mit Feldstecher<br />

im Schützengraben. Nach der Landung<br />

der alliierten Truppen in Nordafrika („Operation<br />

Torch“) im November 1942 beobachtet „Old<br />

Blood and Guts“ die Stellungen des Gegners.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

72


zweifelhaften<br />

1941–1945: Ohne Frage ist General Patton eine der facettenreichsten Persönlichkeiten<br />

des Zweiten Weltkrieges. Bis heute ist er ein Mythos, der sich nicht allein auf seine Leistungen<br />

als Kommandeur gründet, sondern vielmehr auf seine Sympathie für den deutschen<br />

Gegner.<br />

Von Michael Solka<br />

George S. Patton entstammt einer Patrizierfamilie<br />

englischer und schottischirischer<br />

Herkunft. Sein Vater war mit<br />

John S. Mosby befreundet, einem bekannten<br />

Kavallerieoffizier und berüchtigtem Guerillaführer<br />

der Konföderierten. Der junge Patton<br />

will unbedingt Soldat werden und besucht<br />

1903/04 das virginische Militärinstitut. Anschließend<br />

wechselt er nach West Point. Dort<br />

zeichnet sich Patton als einer der besten Fechter<br />

aus.<br />

Am 11. Juni 1909 wird er zum Leutnant<br />

der Kavallerie ernannt und dient beim 15.<br />

Kavallerieregiment in Fort Sheridan, Illinois.<br />

Patton ehelicht 1910 Beatrice Banning Ayer,<br />

die Tochter eines Textilindustriellen, und<br />

leistet ein Jahr später seinen Dienst in Fort<br />

Myer, Virginia, ab. Aufgrund seiner guten<br />

sportlichen Leistungen darf Patton 1912 an<br />

den Olympischen Spielen in Stockholm teilnehmen.<br />

Er wird Fünfter im Modernen Fünfkampf.<br />

Dabei löst er eine Kontroverse wegen<br />

seiner Schießkünste aus: Patton schießt mit<br />

einer großkalibrigen Pistole und behauptete,<br />

einige seiner Treffer wären doppelt zu zählen,<br />

da er zweimal genau den gleichen Punkt<br />

getroffen habe.<br />

Der „Banditenkiller“<br />

1915 wird Patton mit Kompanie A des 8. Kavallerieregiments<br />

zum Patrouillendienst an<br />

der mexikanischen Grenze versetzt. Als im<br />

März 1916 mexikanische Aufständische die<br />

Grenzstadt Columbus im Bundesstaat<br />

New Mexico überfallen, wobei mehrere<br />

Amerikaner ums Leben kommen,<br />

nimmt Patton als Adjutant<br />

von John J. Pershing an der<br />

Strafexpedition gegen Pancho Villa teil. Im<br />

April erhält er die Erlaubnis, mit Trupp C<br />

des 13. Kavallerieregiments Jagd auf den Rebellenführer<br />

Villa zu machen. Seine erste<br />

Kampferfahrung gewinnt er am 14. Mai<br />

1916. Mit drei Dodge-Brother-Wagen überraschen<br />

Patton und zehn Soldaten mehrere<br />

von Villas Männern; der Anführer von Villas<br />

Leibgarde, Julio Cárdenas, und zwei weitere<br />

Mexikaner kommen ums Leben. Die Presse<br />

PATTON UND PANZER: Während des Ersten<br />

Weltkriegs beginnt Patton sich für die neue<br />

Panzerwaffe zu interessieren.<br />

Das Foto zeigt ihn als Ausbilder<br />

in der Tankkorps-Schule<br />

der US-Armee in Langres im<br />

Juli 1918.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

DATEN<br />

George S. Patton<br />

1885 Geburt in San Gabriel,<br />

Kalifornien (11. November)<br />

1904 Kadett in West Point<br />

1909 Leutnant der Kavallerie<br />

1910 Heirat von Beatrice Banning Ayer<br />

1916 Motorisierter Angriff auf die<br />

Anhänger Pancho Villas<br />

1917 Beförderung zum Hauptmann<br />

1918 Beförderung zum Oberstleutnant<br />

1941 Beförderung zum Generalmajor<br />

1943 Befehlshaber der 7. US-Armee<br />

1944 Kommandeur der 3. US-Armee<br />

1945 Beförderung zum General<br />

1945 Militärgouverneur von Bayern<br />

1945 Tod in Heidelberg (21. Dezember)<br />

Clausewitz 5/2013<br />

73


Feldherren | George S. Patton<br />

FAKTEN<br />

Gefechte und Schlachten<br />

1916 Mexiko<br />

1918 Saint Mihiel und Meuse Argonne<br />

1942 Marokko<br />

1943 El Guettar, Gela und Messina<br />

1944 Arracourt, Metz und Bastogne<br />

KAMPF UM BASTOGNE: Soldaten von Pattons<br />

3. Armee („Blitz-Army“) im Raum um das belgische<br />

Bastogne beim Aufstocken ihres Munitionsvorrates.<br />

Für Patton war es seine größte Schlacht.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

feiert Patton später als „Banditenkiller“. Die<br />

Strafexpedition wird aber aus politischen<br />

Gründen eingestellt.<br />

Tanks im Ersten Weltkrieg<br />

Zunächst überwacht Patton in Front Royal,<br />

Virginia, die Abstellung von Pferden für die<br />

Armee, aber nach dem Kriegseintritt der<br />

USA wird er Mitglied des Stabs von „Black<br />

Jack“ Pershing. Am 8. Juni 1917 trifft Patton<br />

in Liverpool ein – inzwischen zum Captain<br />

ernannt. In Paris nimmt er an der Ausbildung<br />

der amerikanischen Truppen teil und<br />

entdeckt allmählich sein Interesse für Tanks,<br />

Pershing jedoch möchte ihm das Kommando<br />

über ein Infanteriebataillon anvertrauen. In<br />

Champlieu fährt er einen Renault-Ft-Tank<br />

und testet die Möglichkeit des Fahrzeugs, einen<br />

Schützengraben zu überqueren. Am 3.<br />

April 1918 wird Patton zum Oberstleutnant,<br />

im August zum Kommandeur der 1. provisorischen<br />

Tank-Brigade ernannt. In der<br />

Schlacht von Saint Mihiel befehligt er die<br />

amerikanischen Renault-Tanks. Danach unterstützt<br />

seine Brigade am 26. September<br />

nördlich von Verdun das 1. US-Korps während<br />

der Meuse-Argonne-Offensive. Patton<br />

leitet selbst einige Tanks durch dichten Nebel.<br />

Gegen neun Uhr gerät er in ein Maschinengewehrfeuer<br />

und wird an der linken<br />

Hüfte verwundet. Sein Offiziersbursche rettet<br />

ihn. Zum Oberst ernannt, nimmt Patton<br />

seinen Dienst am 28. Oktober wieder auf.<br />

Affären und Alkohol auf Hawaii<br />

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges<br />

kommt Patton nach Camp Meade, Maryland.<br />

Er vertritt die Ansicht, dass Tanks nicht zur<br />

Unterstützung der Infanterie, sondern als unabhängige<br />

Kampftruppe eingesetzt werden<br />

sollten. Zusammen mit Oberstleutnant<br />

Dwight D. Eisenhower treibt er die Entwicklung<br />

gepanzerter Fahrzeuge voran. 1925<br />

übernimmt Patton in Hawaii die Verantwortung<br />

für die Verteidigung der pazifischen Inseln.<br />

Er verfasst einen Verteidigungsplan, der<br />

einen Luftangriff gegen Pearl Harbor vorhersieht.<br />

Im Mai 1927 wird er zum Kavalleriebüro<br />

nach Washington versetzt. Dort beginnt er,<br />

Konzepte der mechanisierten Kriegsführung<br />

zu entwickeln.<br />

Anfang 1935 wird Patton erneut<br />

nach Hawaii versetzt. Da ein neuer<br />

militärischer Konflikt offenbar nicht<br />

in Sicht ist, stürzt er sich aus Langeweile<br />

in Alkoholismus und Affären.<br />

1938 schließlich kommandiert er wieder<br />

das 3. Kavallerieregiment in Fort<br />

ILLUSTRE BEKANNTSCHAFT:<br />

Ein Freund der Familie Patton war<br />

Oberst John Singleton Mosby, der<br />

als „Gray Ghost“ (Grauer Geist)<br />

während des Sezessionskrieges für<br />

Furore sorgte und auf den sogar ein<br />

Kopfgeld ausgesetzt war.<br />

Foto: picture alliance/Everett Collection<br />

74


Eigenwilliger Umgang mit Untergebenen<br />

Myer. Dort trifft er den Stabschef des Heeres,<br />

George C. Marshall, der sich stark von ihm<br />

beeindruckt zeigt.<br />

Erfolge in Nordafrika<br />

1941 führt Patton mehrere erfolgreiche Manöver<br />

durch. Seine Untergebenen nennen<br />

ihn jetzt einfach „der alte Mann“. Im Sommer<br />

1942 nimmt er mit 24.000 Mann an der<br />

Landung der Amerikaner nahe Casablanca<br />

teil, und trotz hartnäckigem Widerstand der<br />

Vichy-Truppen nehmen seine Soldaten am<br />

Um die Insel Sizilien zu erobern, vertraut<br />

man Patton das Kommando über die 7. US-<br />

Armee an. Am 10. Juli 1943 landen seine<br />

Truppen bei Licata und errichten einen Brückenkopf.<br />

Gegenangriffe werden unter seiner<br />

Leitung zurückgeschlagen. Als General<br />

Bernard L. Montgomerys 8. britische Armee<br />

auf dem Weg nach Messina aufgehalten<br />

wird, erhält Patton die Erlaubnis, Palermo<br />

einzunehmen. Innerhalb von 72 Stunden legen<br />

die Amerikaner 160 Kilometer zurück<br />

und erreichen Palermo! Am 16. August fällt<br />

„Möge Gott Gnade mit meinen Feinden haben,<br />

denn ich werde sie nicht haben.“<br />

11. November die Stadt ein. Der marokkanische<br />

Sultan ist von dem dynamischen Panzergeneral<br />

so fasziniert, dass er ihm den<br />

Orden Ouissam Alaouite verleiht. Am<br />

6. März 1943 ersetzt Patton Generalmajor<br />

Lloyd Fredendall als Befehlshaber des<br />

2. Korps und wird zum Generalleutnant ernannt.<br />

Die 1. Infanteriedivision nimmt am<br />

17. März Gafsa ein und gewinnt die Schlacht<br />

von El Guettar. Während einer Besprechung<br />

mit britischen Offizieren greifen deutsche<br />

Kampfflieger das Gebäude an. Über die<br />

deutschen Piloten sagt Patton später: „Falls<br />

ich diese Hundesöhne ausfindig machen<br />

könnte, würde ich jedem eine Medaille verleihen.“<br />

Danach kehrt er nach Casablanca<br />

zum 1. Panzerkorps zurück.<br />

General George S. Patton<br />

GRUPPENFOTO MIT HUND: Patton in seinem<br />

Hauptquartier nach der Landung in der<br />

Normandie zusammen mit Omar Bradley<br />

(links) und Otto Weyland (Mitte) am 29.<br />

September 1944. Auf dem Sessel im Vordergrund<br />

vergnügt sich Pattons Hund Willie.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Messina. Dennoch können sich 40.000 deutsche<br />

und 70.000 italienische Soldaten mit<br />

10.000 Fahrzeugen auf das italienische Festland<br />

zurückziehen.<br />

Am 3. August 1943 ohrfeigt und beschimpft<br />

Patton den Soldaten Charles H.<br />

Kuhl, der offenbar erschöpft in einem Hospital<br />

liegt. Sieben Tage später schlägt er den<br />

Soldaten Paul G. Bennett unter gleichen Umständen.<br />

Eisenhower unterdrückt die Vorfälle<br />

in den Medien, doch der Journalist Drew<br />

Pearson berichtet darüber im Radio. Patton<br />

wird hart kritisiert, unter anderem von dem<br />

ehemaligen General „Black Jack“ Pershing.<br />

Andererseits setzt sich Kriegsminister Henry<br />

L. Stimson für Patton ein, da „seine aggressive,<br />

gewinnende Führung für die künftigen<br />

bitteren Schlachten vor dem Endsieg“<br />

nötig ist. Patton darf zunächst keine Kampftruppen<br />

kommandieren. Am 26. Januar 1944<br />

erhält er das Kommando über die 3. US-Armee,<br />

eine völlig unerfahrene Truppe. Zudem<br />

ist Patton maßgeblich daran beteiligt, der<br />

Wehrmacht eine Scheinlandung am französischen<br />

Pas de Calais vorzugaukeln. Da die<br />

Deutschen Patton für den fähigsten alliierten<br />

General halten, korrigieren sie ihren Irrtum<br />

selbst dann nicht, als die Verbündeten am<br />

6. Juni 1944 in der Normandie an Land gehen.<br />

EHRENVOLLE AUSZEICHNUNG: Patton wird vom marokkanischen Sultan im Palast von Rabat<br />

empfangen und bekommt von ihm einen Orden verliehen. Zuvor konnte Patton Casablanca<br />

den Vichy-Truppen entreißen.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

LAGEBESPRECHUNG: Patton unterhält sich<br />

mit dem Kommandanten des 30. Infanterie-<br />

Regiments, Lyle Bernard, bei Brolo auf Sizilien<br />

(1943). Auf deutscher Seite gilt der<br />

Amerikaner inzwischen als fähigster alliierter<br />

General.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Clausewitz 5/2013<br />

75


Feldherren | George S. Patton<br />

Pattons Armee stößt indes bei der Invasion<br />

Frankreichs auf weniger Widerstand als die<br />

anderen alliierten Truppen. Selbstfahrlafetten<br />

und Stoßtruppen decken deutsche Stellungen<br />

mit indirektem Beschuss ein. Pattons<br />

Absicht ist es, die Deutschen daran zu hindern,<br />

sich erneut zu formieren. Das Maschinengewehrfeuer<br />

der M2 Browning erweist<br />

sich als sehr effektiv, deutsche Panzerfaust-<br />

Gruppen werden oft ausgeschaltet. Dank der<br />

Luftaufklärung und dem taktischen Einsatz<br />

von Flugzeugen kommt die 3. US-Armee<br />

rasch voran. Jede Kolonne wird durch P-47-<br />

und P-51-Jagdbomber geschützt. In nur zwei<br />

Tagen legt seine Armee 97 Kilometer zurück.<br />

Ermöglicht wird der rasche Vormarsch auch<br />

durch die größere Anzahl von Lastwagen,<br />

zuverlässigere Panzer und eine bessere<br />

Funkkommunikation.<br />

Deutschland wäre. Ende September schlägt<br />

die 4. US-Panzerdivision in der Schlacht von<br />

Arracourt den Gegenangriff deutscher Panzer<br />

zurück. Im Oktober und November 1944 liefern<br />

sich die 3. US-Armee und die Deutschen<br />

während der Kämpfe um Metz ein Unentschieden.<br />

Mitte November fällt Metz schließlich<br />

doch an die Amerikaner. Patton setzt seine<br />

Divisionen nicht gerade aggressiv ein. Über<br />

den Vormarsch seiner Truppen ist er frustriert.<br />

Vom 8. November bis zum 15. Dezember legt<br />

seine Armee nur 64 Kilometer zurück.<br />

Ardennenoffensive<br />

Im Dezember 1944 massieren die Deutschen<br />

29 Divisionen an einer Schwachstelle der alliierten<br />

Linien, um durchzustoßen. Zu diesem<br />

Zeitpunkt ist die 3. US-Armee bei Saarbrücken<br />

in heftige Kämpfe verwickelt. Eisenhower<br />

weist Patton an, am 22. Dezember mit<br />

mindestens drei Divisionen in Richtung Bastogne<br />

anzugreifen. Schließlich setzt sich die<br />

3. US-Armee mit sechs Divisionen rasch in<br />

Bewegung, um die Belagerung des ostbelgischen<br />

Bastogne aufzuheben und um die<br />

Eingschlossenen zu befreien. Patton schlägt<br />

vor, gegen Koblenz vorzustoßen, doch der<br />

Vorschlag wird abgelehnt. Am 26. Dezember<br />

erreicht die Vorhut der 4. Panzerdivision der<br />

3. Armee Bastogne, um die eingeschlossenen<br />

Alliierten zu entsetzen – ein außerordentliches<br />

Unternehmen. Später schreibt Patton:<br />

„Die bislang brillanteste Operation haben<br />

wir durchgeführt. Sie ist meiner Ansicht<br />

nach die hervorragendste Leistung des Krieges.<br />

Sie ist meine größte Schlacht.“<br />

Abrupter Stillstand<br />

Die Offensive der 3. Armee kommt am 31. August<br />

zum Halten, da ihr außerhalb von Metz<br />

der Treibstoff ausgeht. Den nötigen Nachschub<br />

erhält Montgomerys 21. Armeegruppe<br />

für die Operation Market Garden. Patton ist<br />

der Ansicht, dass er mit 400.000 Gallonen<br />

Treibstoff innerhalb von zwei Tagen in<br />

„Wenn der Krieg einmal vorbei sein sollte, lege ich<br />

all meine Orden ab und lasse nur meine kurze Jacke<br />

an. Dann könnt ihr mich alle mal am Arsch lecken.“<br />

General George S. Patton<br />

Im Februar 1945 sind die deutschen Truppen<br />

in vollem Rückzug. Zwischen dem 29.<br />

Januar und dem 22. März nimmt die 3. US-<br />

Armee Trier, Koblenz, Bingen, Worms,<br />

Mainz, Kaiserslautern und Ludwigshafen<br />

ein. Über 140.000 deutsche Soldaten geraten<br />

in Kriegsgefangenschaft. Als Patton von der<br />

Einnahme Triers erfährt, sagt er bissig: „Wir<br />

haben Trier mit zwei Divisionen genommen.<br />

Soll ich die Stadt zurückgeben?“<br />

Nachdem eine Division der 3. US-Armee<br />

am 22. März den Rhein überquert hat, meint<br />

Patton trocken, er hätte dabei in den Fluss<br />

uriniert. Vier Tage später greift eine Einsatzgruppe<br />

von 314 Mann bei Hammelburg ein.<br />

Ihr Auftrag lautet: Amerikanische Kriegsgefangene<br />

sollen befeit werden. Einer der<br />

Insassen ist Pattons Schwiegersohn<br />

Oberstleutnant John K. Waters, der in<br />

Nordafrika in Kriegsgefangenschaft<br />

OPERATION HUSKY: Patton auf dem Weg<br />

nach Gela – der ersten italienischen Stadt, die<br />

von den Alliierten im Juli 1943 befreit wurde.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

76


Attentat oder Unfall?<br />

FILM<br />

Rebell in Uniform<br />

170 Minuten dauert die Verfilmung von<br />

Pattons Leben, die 1970 erschien. Regie<br />

führte Franklin J. Schaffner, das Drehbuch<br />

stammt von Francis Ford Coppola<br />

und Edmund H. North. Der Film zeichnet<br />

das Leben des umstrittenen Generals<br />

Patton nach, der trotz seiner militärischen<br />

Erfolge bei seinen Vorgesetzten als unbequem<br />

und zynisch gilt. Gedreht wird der<br />

Film im Frühjahr 1969. Das Budget beträgt<br />

an die zwölf Millionen Dollar. Allein<br />

in den USA erreicht der Film ein Einspielergebnis<br />

von nahezu 62 Millionen Dollar.<br />

Im folgenden Jahr gewinnt er sieben Oscars.<br />

2003 wird „Patton“ in das „National<br />

Film Registry“ aufgenommen.<br />

TRAGISCHES ENDE: Patton stirbt bei einem Verkehrsunfall. Das Bild zeigt seine Witwe<br />

nach der Trauerfeier in Heidelberg. Für den Kriegshelden ist es „die Hölle“, auf so profane<br />

Weise aus dem Leben zu scheiden.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

geraten ist. Der Vorstoß der Amerikaner ist<br />

jedoch ein Desaster: Nur 35 Soldaten überleben<br />

ihn, alle 57 Begleitfahrzeuge werden zerstört.<br />

Waters erhält einen Schuss ins Gesäß,<br />

ein internierter serbischer Arzt behandelt<br />

ihn. Zehn Tage später werden die Kriegsgefangenen<br />

schließlich doch noch befreit.<br />

Am 14. April 1945 wird Patton zum General<br />

ernannt. Der Vormarsch der Roten Armee<br />

missfällt ihm, aber Eisenhower lässt ein Vorrücken<br />

in Richtung Prag nicht zu.<br />

Literaturtipps<br />

Earle Rice: George Patton. Philadelphia 2004.<br />

Trevor Royle: Patton: Old Blood and Guts. London<br />

2005.<br />

FILMISCHES DENKMAL: George C.<br />

Scott als Patton in dem Film „Patton -<br />

Rebell in Uniform“. Das biographische<br />

Soldatenporträt basiert u.a. auf dem<br />

Buch „A Soldier‘s Story“ von General<br />

Omar Bradly, der auch als Berater am<br />

Film mitwirkte.<br />

Foto: picture alliance/United Archives<br />

Mysteriöser Tod<br />

Patton bittet um ein Kommando im Krieg<br />

gegen Japan, was er aber nicht erhält. Am<br />

7. Juni trifft er in Bedford, Massachusetts ein<br />

und nimmt Urlaub. Im Juli kehrt der alte<br />

Haudegen nach Europa zurück, um bei den<br />

Besatzungstruppen zu dienen. Patton wird<br />

Militärgouverneur Bayerns. Über seine neue<br />

Stellung ist er nicht gerade glücklich. Als<br />

Patton vom Ende des Krieges gegen Japan<br />

erfährt, zeigt er sich zunehmend launisch.<br />

Seine Position wird skeptisch beurteilt, nachdem<br />

er mehrere Mitglieder der NSDAP in<br />

Bayern politische Posten ausüben lässt. Zudem<br />

ist er von der Waffen-SS stark beeindruckt.<br />

Während einer Pressekonferenz in<br />

Bad Tölz am 28. September 1945 sagt Patton,<br />

er halte die von den Siegermächten verbotene<br />

NSDAP für eine Partei, die auch nichts<br />

anderes sei als eine Partei in den USA. Seine<br />

Einschätzung ist ohne Frage nicht passend.<br />

Der Vorwurf des Antisemitismus wird gegen<br />

ihn erhoben, und Eisenhower entzieht ihm<br />

sein Kommando.<br />

Am 7. Oktober verliert er die Führung der<br />

3. US-Armee. Zum Abschied sagt er: „Alle<br />

guten Dinge müssen zu einem Ende kommen.<br />

Das Beste, was mir jemals geschehen<br />

ist, ist die Ehre und das Privileg die 3. Armee<br />

kommandiert zu haben.“ Wahrscheinlich<br />

provozierte Patton bewusst, um seine Position<br />

klar zu stellen. Es gibt Hinweise, dass der<br />

General plante, die Herausforderungen der<br />

politischen Front anzunehmen. Er kennt Eisenhowers<br />

politische Ambitionen – von ihm<br />

hält er aber nicht viel.<br />

Am 8. Dezember 1945, zwei Tage vor Pattons<br />

geplanter Rückreise in die USA, lädt ihn<br />

sein Stabschef zur Fasanenjagd bei Speyer<br />

ein, um den General aufzumuntern. Am<br />

9. Dezember wird Pattons Cadillac gegen<br />

11.45 Uhr durch einen langen Güterzug zum<br />

Anhalten an einem Bahnübergang gezwungen.<br />

Von hinten rammt ein Lkw, den Sergeant<br />

Robert L. Thompson fährt, Pattons Wagen<br />

und schiebt ihn unter die Güterwaggons.<br />

Seine beiden Beifahrer und der<br />

Sergeant überleben den Unfall, schwer verletzt<br />

wird der General in ein Hospital gebracht.<br />

Verbittert beklagt er sich: „Dies ist die<br />

Hölle, um zu sterben.“ Am 21. Dezember<br />

stirbt Patton gegen 18.00 Uhr an Herzversagen<br />

im US-Hospital in Heidelberg. Beerdigt<br />

wird er im luxemburgisch-amerikanischen<br />

Friedhof in Hamm. Sein Wunsch lautet: „Ich<br />

möchte bei meinen Männern bestattet werden.“<br />

Pattons Tod ist bis heute ungeklärt –<br />

manche reden von einem Attentat.<br />

Michael Solka, M.A., Jg. 1953, studierte Geschichte<br />

und Amerikanistik in München und Eugene/USA; freier<br />

Autor und Redakteur; Verfasser zahlreicher Bücher.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

77


Museen & Militärakademien<br />

AUßERGEWÖHNLICH: Einer der Glanzpunkte<br />

der Ausstellung ist ein Schnittmodell vom<br />

Kampfpanzer Leopard 1 (Vorserie). Foto: Archiv WTS<br />

Wehrtechnische Studiensammlung (WTS) in Koblenz<br />

Militärtechnik und<br />

Militärtheorie<br />

Mit einer Ausstellungsfläche von mehr als 7.200 Quadratmeter gehört die Wehrtechnische<br />

Studiensammlung in Koblenz zu den großen Technik-Sammlungen in Deutschland. Außerdem<br />

verfügt die WTS über eine Fachbibliothek, die ihresgleichen sucht. Von Peter Többicke<br />

Im Jahr 1962 gegründet, ist die WTS seit<br />

1982 dem Bundesamt für Ausrüstung, Information<br />

und Nutzung der Bundeswehr<br />

in Koblenz zugeordnet. Sie ist außerdem<br />

Mitglied der internationalen Vereinigung<br />

von Waffen- und Militärgeschichtlichen Museen.<br />

Untergebracht sind die Sammlungen<br />

der WTS im historischen Gesamtkomplex<br />

von Anlagen des ehemaligen Korpsbekleidungsamtes<br />

des VIII. preußischen Armeekorps<br />

– der späteren Langemarck-Kaserne<br />

(1936–1945).<br />

Die Bestände umfassen eine große Auswahl<br />

an wehrtechnischem Gerät und Material.<br />

So kann eine Vielzahl von Waffensystemen<br />

aus dem Bereich der Handfeuer- und<br />

Maschinenwaffen, Artillerietechnik, Munition,<br />

Flugkörpertechnik, Panzerabwehrwaf-<br />

fen, Rad- und Kettenfahrzeuge, Pioniertechnik,<br />

Luftfahrzeug- und Marinetechnik sowie<br />

Fernmelde-, Elektronik- und optisches Gerät<br />

besichtigt werden. Hinzu kommen Exponate<br />

zur persönlichen Bekleidung und Ausrüstung<br />

von Soldaten.<br />

Einzigartige Bestände<br />

Die militärgeschichtliche Fachbibliothek bildet<br />

– zusammen mit der umfangreichen<br />

technischen Dokumentation – den Mittelpunkt<br />

der WTS. Die Bestände umfassen etwa<br />

100.000 technische Dienstvorschriften,<br />

Gerätebeschreibungen und Handbücher,<br />

25.000 Monographien und Zeitschriftenbände,<br />

8.000 Zeichnungssätze, Unterrichtstafeln<br />

und Zeichnungen, 16.000 Diapositive und<br />

Fotografien sowie 1.000 audiovisuelle Exponate<br />

(Filme, Tonbänder, CD-ROM usw.). Die<br />

Gerätebeschreibungen gehören zur amtlichen<br />

Dokumentation der deutschen Streitkräfte<br />

von 1871 bis 1945, der Bundeswehr<br />

(ab 1955) und der Nationalen Volksarmee<br />

(1955-1990).<br />

ANSEHNLICH: Die Wehrtechnische Studiensammlung<br />

von außen (Teilansicht).<br />

Foto: Archiv WTS<br />

78


LUFTFAHRTGERÄTETECHNIK: Der Erprobungsträger CCV (Control Configured Vehicle) mit<br />

Canard-Flügel auf dem Rumpfrücken auf Basis eines modifizierten Starfighters F-104 G<br />

(vorn) sowie der Prototyp V-2 vom leichten Erdkampfflugzeug VAK-191B (1971). Foto: Archiv WTS<br />

EINZIGARTIG: Seite aus dem<br />

Clausewitz-Manuskript „Vom Kriege“;<br />

rechts daneben eigenhändiger Brief von Clausewitz<br />

an den Kronprinzen von Preußen aus<br />

dem Jahr 1831, worin er sich für die Familie<br />

Gneisenaus verwendet. Noch 1831 erliegt<br />

Carl von Clausewitz selbst der Cholera. Der<br />

Brief wurde mit Nadeln als Desinfektionsmaßnahme<br />

durchstochen (Kreise). Foto: Archiv WTS<br />

Besonders wertvoll sind Bestände, die<br />

von Firmen, aus Nachlässen und Sammlungen<br />

übernommen wurden, handelt es sich<br />

hierbei doch um wahre „Fundgruben“ für jeden<br />

interessierten Besucher. Dazu zählt etwa<br />

das Historische Archiv der Firma Rheinmetall,<br />

das mit 60 laufenden Metern Akten und<br />

Gerätebeschreibungen, 10.000 Fotografien,<br />

Dias und Filmen usw. seit 2002 übernommen<br />

wurde. Hinzuweisen ist zudem auf folgende<br />

Nachlässe und Sammlungen: den Bestand<br />

Fritz Rausenberger (1868–1926), dessen<br />

Nachlass von den Krupp-Werken stammt.<br />

Rausenberger war technischer Direktor des<br />

Konzerns und beeinflusste die Entwicklung<br />

der schweren Heeresartillerie (Konstruktion:<br />

„Paris-Geschütz“); der Bestand Firmenarchiv<br />

Leiber, der die Entwicklung des deutschen<br />

Luftfahrzeugwesens dokumentiert<br />

(1935–1965); der Bestand Nachlass Fritz<br />

Hahn, dem Autor militärtechnischer Werke<br />

zur Geschichte der deutschen Luftwaffe und<br />

der Waffenentwicklung (1933–1945); schließlich<br />

der Bibliotheksbestand Runge mit 1.800<br />

Regiments- und Truppengeschichten, dazu<br />

600 militärgeschichtlichen Werken zur Entwicklungsgeschichte<br />

des Uniformwesens<br />

und der Ausrüstung des Soldaten im 19. und<br />

20. Jahrhundert.<br />

Umfangreiche Bibliothek<br />

In diesem Sammlungsensemble ist der Bestand<br />

Professor Werner Hahlweg (1912–<br />

1989) von herausragender Bedeutung. Der<br />

renommierte Clausewitz-Forscher und einstige<br />

Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte<br />

und Wehrwissenschaften prägte konzeptionell<br />

die WTS, wonach ihre Funktion, über<br />

die rein dokumentarische hinausgehend,<br />

auch in ihrer gesellschaftspolitischen Bedeu-<br />

tung von ihm erkannt und für die Wehrtechnik<br />

formuliert wurde. Seine Bibliothek (circa<br />

12.000 Bände), seine Handschriften- und<br />

Vorschriftensammlung, dazu das kunsthistorische<br />

Ensemble an Gemälden, verleihen<br />

der Studiensammlung eine eigene Note.<br />

Strategie, Taktik und Waffentechnik sind<br />

seit dem 16. Jahrhundert als Kriegskunst in<br />

wachsendem Maße thematisiert worden. In<br />

Kenntnis dessen hat Professor Hahlweg<br />

nicht nur für jene uns fern liegenden Zeiten<br />

Vollständigkeit für seine Bibliothek angestrebt,<br />

sondern dabei auch bibliophile Auswahlkriterien<br />

gelten lassen. Es versteht sich<br />

von selbst, dass Hahlweg, in profunder<br />

FARBENPRÄCHTIG: Blatt von Jacob de<br />

Gheyn aus seinem Werk „Waffenhandlvng<br />

von den Röhren, Mvsquetten vndt Spiessen“<br />

(1607). Foto: Archiv WTS<br />

Kenntnis des Werkes von Carl von Clausewitz<br />

(1780–1831), für dessen geistige Repräsentanz<br />

gesorgt hat. Seit der Herausgabe des<br />

Werkes „Vom Kriege“, das erstmals 1832 erschien,<br />

hat Hahlweg sich besonders um die<br />

textkritische Edition bemüht (1952) und das<br />

Werk in allen erdenklichen Ausgaben gesammelt.<br />

Bedeutende Spezialsammlung<br />

Schließlich hat Hahlweg, angeregt durch die<br />

Beschäftigung mit den Werken von Scharnhorst<br />

und Clausewitz, eine spezielle Sammlung<br />

von Monographien zu den Themen<br />

„Kleiner Krieg“, „Partisanen-“, „Guerilla-“<br />

und „Volkskrieg“ (heute: Asymmetrischer<br />

Krieg) angelegt, etwa 800 an der Zahl.<br />

Für all jene, die sich jedoch weniger für<br />

die Theorie interessieren: Allein der umfangreiche<br />

Bestand an Waffensystemen und Militärtechnik<br />

zur deutschen Militärgeschichte<br />

ist einen Besuch in der WTS wert.<br />

KONTAKT<br />

WTS – Wehrtechnische<br />

Studiensammlung<br />

Mayener Str. 85-87, 56070 Koblenz<br />

Tel.: 0261 / 400 1423<br />

E-Mail: wts@bundeswehr.org<br />

www.baain.de/wts oder www.vff-wts.de<br />

(Förderverein)<br />

Öffnungszeiten:<br />

Ganzjährig täglich 9:30–16:30 Uhr (geschlossen:<br />

24.12. bis 1.1. und Rosenmontag)<br />

Dr. Peter Többicke, Historiker, Veröffentlichungen zur<br />

deutschen Militär- und Zeitgeschichte.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

79


Ein Bild erzählt Geschichte<br />

Callots Galgenbaum: Die aufgeknüpften<br />

Plünderer aus der Bildreihe<br />

„Schrecken des Krieges“<br />

veranschaulichen die rohe Gewalt,<br />

die das Produkt einer jahrzehntelangen<br />

Auseinandersetzung<br />

ist. Der 18 Blätter umfassende<br />

zweite Zyklus entsteht 1633 und<br />

vermeidet jegliche marktschreierische<br />

Sensationsgier.<br />

Abb.: picture-alliance / akg-images<br />

Gespenstischer Galgenbaum aus dem Dreißigjährigen Krieg<br />

Die gehenkten Plünderer<br />

Eines der eindringlichsten Zeugnisse dieser<br />

grausamen Zeit stellen die „Schrecken<br />

des Krieges“ („Misères de la guerre“)<br />

dar, die in den Jahren 1632/1633 in zwei<br />

Folgen entstehen. Die Radierungen führen<br />

dem Betrachter die dunkelsten Seiten und<br />

bestialischen Auswüchse des Dreißigjährigen<br />

Krieges vor Augen: Überfälle, Hinrichtungen<br />

verschiedenster Art, Plünderungen,<br />

Zerstörungen und – natürlich – Krieg.<br />

Vor Goya und Dix<br />

Geschaffen hat dieses Panoptikum des<br />

Schreckens der französische Künstler<br />

Jacques Callot. Geboren wird er 1592 im<br />

lothringischen Nancy und kennt als Zeitgenosse<br />

den Krieg aus eigener Erfahrung.<br />

Seine Ausbildung zum Kupferstecher erhält<br />

er in Rom und ist anschließend von<br />

1611 bis 1621 Hofkünstler der Medici in Florenz.<br />

Danach lebt er bis zu seinem Tod 1635<br />

in seiner Geburtsstadt. Die Themen seiner<br />

Kreationen reichen von religiösen Stoffen<br />

über historische Ereignisse bis hin zu Szenen<br />

aus dem Volksleben. Callot begreift dabei<br />

die Radierung nicht als bloße Technik<br />

zur Reproduktion, sondern als eigenständige<br />

Kunst, die er dazu nutzt, seine aussagekräftigen<br />

Werke zu komponieren. In seinen<br />

„Schrecken des Krieges“ porträtiert er den<br />

Krieg als ein die Massen heimsuchendes<br />

80


Verse des Geistlichen Michel de Marolles<br />

(1600–1681) kommentieren die Zeichnungen Callots:<br />

bittlich Los vors himmlische Gericht.<br />

Uns zeigt das Diebsgesindel, das hier dicht gedrängt<br />

wie unheilvolles Obst an einem Baume hängt,<br />

dass das Verbrechen selbst (verrufne, finstre Sache)<br />

schon sei ein Instrument der Züchtigung und Rache;<br />

denn früher oder später stellt den Bösewicht<br />

ein unerbittlich Los vors himmlische Gericht.<br />

1618–1648: Teile Europas versinken in den Schrecken eines Konfliktes, der aus vielen Einzelkriegen<br />

besteht. Hunger, Seuchen und Gewalt sind eine Pein für die Bevölkerung und machen<br />

diesen Krieg zur gewaltsamsten Auseinandersetzung des Jahrhunderts. Von Maximilian Bunk<br />

Schicksal. Große Künstler wie Francisco de<br />

Goya mit seiner Grafik-Serie „Desastres de<br />

la Guerra“ (Kampf Spaniens gegen Napoleon)<br />

und Otto Dix mit seinen Bildern zum<br />

Grabenkrieg sind von Callot beeinflusst.<br />

Baumelnde Invaliden<br />

Das vielleicht bekannteste Blatt aus dem<br />

Kriegszyklus sind „Die Gehenkten“. Die<br />

abgebildete Szene trägt sich in einem Armeelager<br />

zu: Die Zelte im Hintergrund sowie<br />

die angetretenen Truppen links und<br />

rechts bilden den Rahmen für den gigantischen<br />

Galgenbaum im Zentrum. Priester<br />

leisten den Verurteilten letzten Beistand,<br />

während die Henker ihrem blutigen Handwerk<br />

nachgehen. Bei den zum Tode verurteilten<br />

handelt es sich um Plünderer – viele<br />

von ihnen sind durch den Krieg bereits zu<br />

Krüppeln geworden und tragen Prothesen<br />

oder verwendeten Krücken, die im Vordergrund<br />

liegen. Gerade hierin liegen die Tragik<br />

und der hohe Symbolgehalt dieser Abbildung.<br />

Die plündernde Soldateska, der<br />

hier der Prozess gemacht wurde, ist sowohl<br />

Täter als auch Opfer des Krieges. Die Grenzen<br />

zwischen Gut und Böse verschwimmen,<br />

und am Ende bleiben nur das Elend<br />

und das Grauen, welches Jacques Callot so<br />

eindrücklich für uns festgehalten hat.<br />

Clausewitz 5/2013<br />

81


<strong>Vorschau</strong><br />

Nr. 15 | 5/2013 | September-Oktober | 3.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Monte Cassino 1944<br />

Die „Vielvölkerschlacht“ in Italien<br />

Januar 1944: Eine der längsten und blutigsten Schlachten des Zweiten<br />

Weltkriegs entbrennt. Auf Seiten der zahlenmäßig weit überlegenen Alliierten<br />

kämpfen Soldaten verschiedenster Nationalitäten gegen die sich bei Monte<br />

Cassino verbissen verteidigenden deutschen Truppen.<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

Fax +49 (0) 89.130699.700<br />

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Redaktion Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Markus Wunderlich (Redaktionsleiter)<br />

Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständiger Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

Leserservice<br />

Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)<br />

Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.)<br />

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Helmut Kramer<br />

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Johanna Eppert<br />

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johanna.eppert@verlagshaus.de<br />

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1.1.2013.<br />

Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Infanteriestraße 11a,<br />

80797 München<br />

www.geramond.de<br />

Die Varusschlacht<br />

Roms Niederlage in den Wäldern<br />

Germaniens<br />

9 n. Chr.: Der Untergang von drei<br />

römischen Legionen geht als<br />

„Schlacht im Teutoburger Wald“ in<br />

die Geschichte ein und wird später<br />

oft als „Beginn der deutschen<br />

Geschichte“ interpretiert.<br />

Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />

Herstellungsleitung Zeitschriften Sandra Kho<br />

Vertriebsleitung Zeitschriften Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

SCHIFFClassic<br />

Fotos: ullstein bild, picture-alliance/picture-alliance, picture-alliance/akg-images<br />

„Nebelwerfer“<br />

Raketenwerfer der Wehrmacht<br />

1941: Die seit vielen Jahren erforschte Waffe<br />

wird schließlich zum Raketenwerfer weiterentwickelt<br />

und ist während des Zweiten Weltkrieges<br />

eine gefürchtete Artilleriewaffe.<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Winterschlacht in Masuren. Die dramatischen Ereignisse im Februar 1915.<br />

Oliver Cromwell (1599–1658). Der „Krieger Gottes“.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

von<br />

erscheint<br />

am 7. Oktober 2013<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausland zzgl. Versandkosten<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />

in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />

Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />

sowie direkt beim Verlag.<br />

ISSN 2193-1445<br />

© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />

in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts<br />

erwirbt der Verlag das ausschließliche<br />

Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte<br />

Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen.<br />

Gerichtsstand ist München. Verantwortlich<br />

für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />

für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />

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Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />

aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />

Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />

Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung<br />

über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />

die militärhistorische und wissenschaftliche<br />

Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft<br />

kopiert und sie propagandistisch im Sinne von<br />

§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />

Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich<br />

von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.<br />

82


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