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Interview Naomi Campbell und Kate Moss (Vorschau)

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DEZEMBER 2012<br />

JANUAR 2013<br />

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I LOVE YOU, KATE!<br />

<strong>Naomi</strong> CAMPBELL im Gespräch mit <strong>Kate</strong> MOSS<br />

Fotografi ert von<br />

Mert<br />

ALAS & Marcus PIGGOTT<br />

32 Seiten<br />

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2012


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INHALT<br />

DEZEMBER 2012 /<br />

JANUAR 2013<br />

START<br />

WOW<br />

Schöne Dinge, Make-up-Kunst, gute Filme,<br />

Helmut Newton <strong>und</strong> feine Wolle, die vor Geistern schützt –<br />

die Gebrauchs anweisung für den Jahreswechsel<br />

Seite 31<br />

SUPERSTARS<br />

Auf dem Weg nach vorn: Benh Zeitlin <strong>und</strong> Jessie Ware<br />

Seite 48<br />

SMALL TALK<br />

Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />

FRANÇOIS OZON, SARAH SILVERMAN,<br />

MICHAEL BUBLÉ, DANIEL CRAIG, TRAVIS PASTRANA,<br />

NANA MOUSKOURI<br />

Seite 56<br />

MONCLER<br />

Ach, du dicke Daune: 60 Jahre Moncler.<br />

Ein Gespräch mit Remo Ruffini<br />

Seite 60<br />

MARY KATRANTZOU<br />

Die junge Designerin hat sich mit ihren bunten, pharaonenhaft<br />

symmetrischen Prints einen Spitznamen erarbeitet – in London<br />

nennt man sie die Leonardo da Vinci des Photoshops<br />

Seite 62<br />

EUGENE SOULEIMAN<br />

Seine eigenen Haare sind ihm egal, er frisiert ja schon für Haider<br />

Ackermann, Calvin Klein, Prada <strong>und</strong> Jil Sander. Selbst bei Kunstwerken<br />

der Chapman Brothers schnitt Souleiman schon Spitzen<br />

Seite 68<br />

TIFFANY<br />

Das Geheimnis des American Cut <strong>und</strong> ein Phänomen namens<br />

Paloma Picasso: Anlässlich des 175. Geburtstags von Tiffany schenkt<br />

uns der Creative Director John Loring ein paar echte Perlen<br />

Seite 76<br />

Foto MERT ALAS & MARCUS PIGGOTT<br />

Styling PATTI WILSON<br />

Blume M&S SCHMALBERG<br />

Make-up LUCIA PIERONI FÜR<br />

CLÉ DE PEAU BEAUTÉ<br />

Haare CHRISTIAAN<br />

KATE MOSS<br />

DIE UNFEHLBARE<br />

JEFF WALL<br />

Leni Riefenstahl als Model: In der jüngsten Arbeit des kanadischen<br />

Künstlers geht es um ein jüdisches Kaufhaus in Berlin<br />

Seite 78<br />

HELENE HEGEMANN<br />

CLASSICS: Die Kolumne über das, was bleibt<br />

Seite 82<br />

<strong>Naomi</strong> & <strong>Kate</strong><br />

Foto MERT ALAS &<br />

MARCUS PIGGOTT<br />

Styling PATTI WILSON<br />

Make-up LUCIA PIERONI FÜR<br />

CLÉ DE PEAU BEAUTÉ<br />

Haare CHRISTIAAN<br />

Maniküre <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong><br />

LORRAINE GRIFFIN<br />

Maniküre <strong>Naomi</strong> <strong>Campbell</strong><br />

LIZA SMITH<br />

Hand (rechts unten)<br />

Foto MATT IRWIN<br />

Styling JULIA SARR-JAMOIS<br />

Ring (Zeigefi nger) FABERGÉ<br />

Ring (Mittel- <strong>und</strong><br />

Ringfi nger) CHAUMET<br />

15<br />

DON WINSLOW<br />

Sein Buch Zeit des Zorns bescherte Oliver Stone den besten<br />

Film seit Jahren – <strong>und</strong> auch mit seinem neuen Roman beweist der<br />

Amerikaner, dass er der klügste Thrillerautor unserer Zeit ist<br />

Seite 84<br />

BEAUTY<br />

SCHMUCK:<br />

Ring, Ring, Ring, Bling, Bling, Bling<br />

Seite 36<br />

KOLUMNE:<br />

Brad Pitt, französisch<br />

Seite 66<br />

NAIL & FINGER ART:<br />

Fotografiert von MATT IRWIN<br />

Seite 72<br />

YEAH!


STORIES<br />

inhalt<br />

NAOMI CAMPBELL & KATE MOSS<br />

Die schönsten Frauen Englands standen (<strong>und</strong> lagen) erstmals<br />

für ein deutsches Magazin gemeinsam vor der Kamera.<br />

Und: Geredet haben sie auch!<br />

Fotografiert von MERT AlAs & MARCUs PIGGOTT<br />

Seite 91<br />

IAN McKELLEN<br />

Kurz bevor der englische schauspieler als Zauberer<br />

GAnDAlF zurück nach Mittelerde kehrt,<br />

um in Der Hobbit erneut gegen das Böse zu kämpfen,<br />

hetzten wir ihm Gollum auf den Hals<br />

Von AnDY sERKIs<br />

Seite 106<br />

MICHELLE DOCKERY<br />

Ja, Mad Men war toll. Aber langsam reicht’s auch mit den<br />

rauchenden Werbespießern. An Weihnachten startet<br />

die preisgekrönte britische Kostümdramaserie Downton Abbey<br />

endlich in Deutschland<br />

Von ElIsABETH MOss<br />

Seite 114<br />

THEASTER GATES<br />

seine leinwand ist das Ghetto, seine Materialien schwarze<br />

Geschichte. Theaster Gates brachte den Gospel nach Kassel<br />

<strong>und</strong> krönte sein Jahr mit einer spektakulären schau in london.<br />

Hier erzählt er die Geschichten zu seinen wichtigsten Werken<br />

Von JÖRG HARlAn ROHlEDER<br />

Seite 120<br />

Foto: Mojo (sex Toy) 2002 – Myla/Courtesy of Marc newson limited<br />

LAURIE PENNY<br />

sind Frauen die größten Feinde ihrer selbst? Das jedenfalls<br />

behauptet die Feministin laurie Penny in ihrem<br />

Buch Fleischmarkt. Zeit für ein Gespräch unter Frauen<br />

Von lAURA EWERT<br />

Seite 126<br />

FLORIAN DAVID FITZ<br />

Wie spielt man Jesus? Florian David Fitz weiß das, denn er spielt<br />

den Wasserläufer in seinem neuen Film. Drehbuch <strong>und</strong> Regie<br />

hat Fitz bei Jesus liebt mich gleich mit übernommen.<br />

Aber das kann man von einem Heilsbringer schließlich<br />

auch erwarten<br />

Von HARAlD PETERs<br />

Seite 130<br />

FRIEDERIKE KEMPTER<br />

sie spielt im beliebtesten Tatort der Republik eine<br />

Kommissaranwärterin <strong>und</strong> bekommt nun eine eigene<br />

serie als Elitepolizistin auf den leib geschneidert.<br />

Vorher schickten wir sie auf ihre chlorreichste Mission<br />

ins Tropical Islands<br />

Von TOM sCHIllInG<br />

Seite 134<br />

MARC NEWSON<br />

seine Möbel erzielen Rekordpreise bei Auktionen <strong>und</strong> haben<br />

das Produktdesign revolutioniert. Es gibt also eigentlich keinen<br />

Gr<strong>und</strong> zu klagen für Marc newson – wäre er nur nicht in ein<br />

Tablett voller Champagnergläser gestürzt<br />

Von AZZEDInE AlAÏA<br />

Seite 142<br />

Foto GiaMPaolo SGUra, Styling KlaUS StocKhaUSen,<br />

rollkragenpullover StrellSon, armreif cartier<br />

Sex toy – Marc newSon<br />

toy Boy – Florian DaviD Fitz<br />

beST<br />

oF<br />

2012<br />

Fashion, Pop, Kunst, Film,<br />

Beauty, Wow & Visionen:<br />

Das erste Jahr<br />

InTERVIEW Deutschland<br />

als Remix. Seite 149<br />

eDitorial S. 23<br />

iMPreSSUM S. 24<br />

MitArBeiter S. 28<br />

ABonneMent S. 45<br />

17


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Foto: Oliver Helbig<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

editoriAl<br />

vor einigen Wochen wurde im Norden Londons ein Studiokomplex in<br />

einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Fenster wurden zum Schutz<br />

vor Paparazzi verklebt; aufgeregte Studio-Assistenten wimmelten<br />

Fernsehteams vor der Tür ab. Denn im Inneren wurden die zwei<br />

schönsten Frauen Englands erstmalig für eine deutsche Zeitschrift fotografiert:<br />

Die Modefotografen Mert Alas <strong>und</strong> Marcus Piggott inszenierten<br />

<strong>Kate</strong> MoSS <strong>und</strong> <strong>Naomi</strong> CAMPbeLL für INTeRVIeW; nackt, mondän,<br />

aber bitte mit Hut. oMG! Das Resultat können Sie ab S. 91 sehen.<br />

Unsere Warm-up-Phase – das erste Jahr! – ist nun vorbei, <strong>und</strong> wir lassen es<br />

im beST oF 2012 (S. 149) Revue passieren. Die nächste Ausgabe erscheint dann<br />

am 16. Januar!<br />

bis dahin streuen wir nicht nur Rosenblüten der Dankbarkeit auf unsere zwei<br />

Supermodels, sondern bedanken uns auch bei den Superautoren, Superfotografen<br />

<strong>und</strong> Superstylisten für ihre großartige Arbeit für INTERVIEW:<br />

Mert Alas, Nacho Alegre, Eyan Allen, Carlo Antonelli, Guy Aroch, Ondine Azoulay, Darcy Backlar, William Baker, Maxime Ballesteros,<br />

Jodie Barnes, Fabien Baron, Drew Barrymore, Anna Bauer, Oksana Baulina, H.P. Baxxter, <strong>Kate</strong> Bellm, Luc Besson, Klaus<br />

Biesenbach, Tim Blanks, Heike Blümner, BONAPARTE, Yves Borgwardt, Nora Bossong, Marc Brandenburg, Arno Brandl huber,<br />

Jan Brandt, Josh Brolin, Detlev Buck, David Burton, Sophie Caby, Michelle Cameron, Belen Casadevall, Maurizio Cattelan,<br />

Vanessa Chow, Larry Clark, Karen Clarkson, Lane Coder, Bob Colacello, Holly Copeland, Deborah Coughlin, Adrian Crispin,<br />

David Cronenberg, Cameron Crowe, Gro Curtis, Mike D, Daniele + Iango, Decida, Grant Delin, Anna Dello Russo, Albert Delpy,<br />

Patrick Demarchelier, Ronald Dick, August Diehl, Judy Doenges, Klaus-Helge Donath, Clint Eastwood, Dimitri Ehrlich, Sarah<br />

Ellison, Alec Empire, Max Farago, Katya Fedorova, Martin Fengel, Beth Fenton, Hans Feurer, David Fincher, Robert Fischer,<br />

F. Scott Fitzgerald, Nicola Formichetti, James Franco, Amos Fricke, Mary Gaitskill, Lukas Gansterer, Philip Gay, Zoë Ghertner,<br />

Thomas Girst, Roman Globan, Roman Goebel, Trevor Good, Kim Gordon, Jean-Paul Goude, Katie Grand, Steve Gullick, Chris<br />

Hanley, Emma Hardy, Gregory Harris, Attila Hartwig, Ryan Hastings, Helene Hegemann, Oliver “PAPA!” Helbig, Carsten Höller,<br />

Arianna Huffington, David Hughes, Benjamin Alexander Huseby, Tony Irvine, Matt Irwin, Bianca Jagger, Markus Jans, Mikael<br />

Jansson, Cécile Grâce Janvier, Willem Jaspert, <strong>Kate</strong>rina Jebb, Bent Angelo Jensen, Bjarne Jonasson, Dagmar Kallenberg, Kacper<br />

Kasprzyk, Kathi Kauder, Etgar Keret, Jina Khayyer, Sebastian Kim, Adam Kimmel, Steven Klein, Carsten Klemann, Sean<br />

Knight, Karl Anton Koenigs, Simone Konu, Dieter Kosslick, Markus Lambert, Oscar Lebeck, Serge Leblon, Catherine Ledner,<br />

Benjamin Lennox, Olympia Le-Tan, Namsa Leuba, Bella Lieberberg, Peter Lindbergh, Jonas Lindström, Barbara Linner,<br />

Thomas Lohr, Gunnar Lützow, Rich Machin, Thomas Macho, Sebastian Mader, Christopher Makos, Maryam Malakpour, Gerard<br />

Malanga, Miriam Mandelkow, Michael Martin, Sergej Mazaev, Craig McDean, Ryan McGinley, Alasdair McLellan, Annabel<br />

Mehran, Christopher Melton, Nicki Minaj, Elvis Mitchell, Lisa Moir, Sergey Molodzov, Jean-Baptiste Mondino, Mauro Mongiello,<br />

Dan Monick, Andreas Mühe, Michael Muller, Xevi Muntané, Eva Munz, Takashi Murakami, Ingo Nahrwold, Maike Maja Nowak,<br />

Benne Ochs, Mel Ottenberg, Nicolas Padron, Steven Pan, Sarah Jessica Parker, Martin Parr, Angelo Pennetta, Matteo Persivale,<br />

Richard Phillips, Leyla Piedayesh, Marcus Piggott, Ludivine Poiblanc, Daniel Radcliffe, Boris Radczun, Katja Rahlwes, Leif<br />

Randt, Bar Refaeli, Dusan Reljin, Andrew Richardson, Terry Richardson, Katja Riemann, Daniel Riera, Guy Ritchie, Jonathan<br />

Roberts, Robi Rodriguez, Palina Rojinski, Matthew Rolston, Natasha Royt, Jim Russi, Carolin Saage, Olivier Saillard, Sofia<br />

Sanchez, Johan Sandberg, Daniel Sannwald, Santiago + Mauricio, Anna Schiffel, Jason Schmidt, Charles Schumann, Sean + Seng,<br />

Jaïr Sfez, Giampaolo Sgura, Heji Shin, Keegan Singh, Andreas Sjödin, Kiki Smith, Niko Solorio, Mario Sorrenti, Sonnet Stanfill,<br />

Bruno Staub, Ana Steiner, Danko Steiner, Elizabeth Stewart, Sølve S<strong>und</strong>sbø, Elin Svahn, Kevin Tachman, Karl Templer, Neil<br />

Tennant, Wolfgang Tillmans, Ryan Trecartin, Tom Tykwer, Sonny Vandevelde, Vincent van de Wijngaard, David Vann, Egor<br />

Vasilyev, Frederick Vidal, Lukas von Monkiewitsch, Matthias Vriens-McGrath, Melanie Walz, Lukas Wassmann, Christian Werner,<br />

Thomas Whiteside, Kai Wiechmann, Sarah Wiig, Pharrell Williams, Patti Wilson, Stevie Wonder, Txema Yeste, Olivier Zahm<br />

Herzlichst<br />

Ihr Joerg Koch<br />

23


Editor in Chief Joerg Koch<br />

Executive Editors Jörg harlan RohledeR, Adriano SAcK<br />

Art Director Mike MeiRé<br />

Fashion Director Klaus StocKhAuSen<br />

Photography Director Frank Seidlitz<br />

Redaktion<br />

Editors laura eweRt, harald PeteRS, Beauty Editor Bettina BRenn<br />

Assistant Photography dorothea FiedleR, Assistant Fashion caroline leMBlé<br />

Praktikantin Katharina BÖhM<br />

digital<br />

Editor nina Scholz, Praktikant Sascha ehleRt<br />

International Editor Aliona doletSKAyA<br />

International Editor at Large naomi cAMPBell<br />

International Contributing Fashion Director Karen KAiSeR<br />

Art<br />

tim GieSen<br />

hannes AechteR, Agnes GRüB<br />

Chef vom Dienst dietmar BARtz<br />

Managing Editor Silke Menzel<br />

Textchefin elisabeth SchMidt<br />

Schlussredaktion ulrike MAtteRn, Ralph SchünGel, Kerstin SGoninA<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

Sofia AchAvAl, darcy BAcKlAR, Jodie BARneS, ludger BooMS, Avigail clAiRe, ulrich clewinG,<br />

holly coPelAnd, Anna dello RuSSo, Klaus-helge donAth, Sarah elliSon, Beth Fenton, Katie GRAnd, Sönke hAllMAnn,<br />

Alexandra hecKel, helene heGeMAnn, Friederike JunG, Sean KniGht, isabelle KountouRe, Maryam MAlAKPouR,<br />

elisabeth MoSS, ingo nAhRwold, Max PeARMAin, ludivine PoiBlAnc, Julia SARR-JAMoiS, Bettina SchneueR, Andy SeRKiS,<br />

Robbie SPenceR, elizabeth StewARt, John Jeremiah SullivAn, Patti wilSon<br />

Fotografen dieser Ausgabe<br />

Mert AlAS & Marcus PiGGott, Maxime BAlleSteRoS, dAniele + iAnGo, Anne coMBAz, Adrian cRiSPin,<br />

olivia dA coStA, Ronald dicK, Robbie FiMMAno, Robert FiScheR, Amos FRicKe, Albrecht FuchS, Boo GeoRGe, tim Gutt,<br />

Matt iRwin, Sven JAcoBSen, Markus JAnS, Mikael JAnSSon, Kacpar KASPRzyK, Robin KRAnz & volker hoBl,<br />

catherine ledneR, thomas lohR, Sebastian MAdeR, craig McdeAn, dan MonicK, James nAchtwey, Angelo PennettA,<br />

elena RendinA, Robi RodRiGuez, thomas RuFF, Stefan Ruiz, Alex SAinSBuRy, Sofia SAnchez & Mauro MonGiello,<br />

Johan SAndBeRG, daniel SAnnwAld, SeAn + SenG, Giampaolo SGuRA, heji Shin, Sølve S<strong>und</strong>SBø, wolfgang tillMAnS,<br />

Matthias vRienS-McGRAth, Jeff wAll, txema yeSte<br />

Produktion<br />

Lithografie MAx-coloR, wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />

Druck Mohn MediA MohndRucK GMBh, carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />

Manufacturing Director oleg noviKov<br />

verantwortlich für den redaktionellen inhalt<br />

Joerg Koch<br />

Board of directors interview Publishing house Germany<br />

vladislav doRonin, Bernd RunGe<br />

BMP Media holdings, llc<br />

Chairman Peter M. BRAnt<br />

www.iNterview.De<br />

24


Herausgeber <strong>und</strong> Geschäftsführer Bernd Runge<br />

Publishing Director Anja Schwing<br />

Anzeigen<br />

Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) iris gRäBneR<br />

Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />

Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, Österreich) Tanja SchRADeR<br />

Tel.: 089/35 63 77 44, tanja.schrader@atelier-publications.de<br />

Frankreich Valérie DeSchAMPS-wRighT<br />

escalier D, 2 étage gauche, 25–27 rue Danielle casanova, 75001 Paris<br />

Tel.: 00 33/6/04 65 26 51, valerie.deschamps-wright@interviewint.com<br />

Italien Fabio MonToBBio<br />

Rock Media, Largo cairoli, 2, 20121 Mailand<br />

Tel.: 00 39/02/78 26 08, info@rockmedia.it<br />

Advertising Service Manager Jacqueline ZioB (Ltg.), Susann BuchRoTh<br />

Tel.: 030/2000 89-121, jacqueline.ziob@atelier-publications.de<br />

Director of Marketing & Communications Stephanie FReSLe<br />

Project Managers Marketing & Special Projects charlotte wieDeMAnn<br />

Project Manager Sales wilkin SchRÖDeR<br />

Assistenz: Kathleen MASSieReR, Tel.: 030/2000 89-165<br />

IT Manager Patrick hARTwig<br />

Office Manager hilko RenTeL<br />

Verantwortlich für Anzeigen<br />

Atelier Publications Deutschland gmbh & co. Kg<br />

Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />

Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112<br />

Geschäftsführer Anja Schwing<br />

Vertrieb<br />

Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />

vertrieb@pressup.de<br />

einzelheftbestellungen<br />

Preise, Verfügbarkeit <strong>und</strong> Bestellungen unter www.interview.de/einzelheft,<br />

bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164<br />

Abonnentenbetreuung<br />

interview-Leserservice, Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />

abo@interview.de, Tel.: 0 40/41 448-480<br />

interview erscheint zehnmal im Jahr in der interview Ph gmbh.<br />

Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. September 2011.<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Für unverlangt eingesandtes Text- <strong>und</strong> Bildmaterial wird<br />

keine haftung übernommen.<br />

Andy warhol’s interview (TM). All rights reserved.<br />

interview germany is published <strong>und</strong>er a sublicense from LLc Publishing house interview;<br />

interview is a registered trademark of interview inc.<br />

Reproduction in any manner in any language in whole or in part<br />

without prior written permission is prohibited.<br />

interview Ph gmbh, Mommsenstraße 57, 10629 Berlin, Tel.: 030/2000 89-0<br />

26


MITARBEITER<br />

Tom SCHILLING<br />

Bekannt wurde Tom Schilling als pubertierender<br />

Teenager in der Romanverfilmung<br />

Crazy, das war vor zwölf Jahren, es folgten<br />

ungezählte Auftritte in Film <strong>und</strong> Fernsehen.<br />

Gerade ist der 30-jährige Berliner in der<br />

Hauptrolle von Oh Boy zu sehen. Dort macht<br />

er eine interessante Begegnung mit Friederike<br />

Kempter auf einem Klo, privat kennen<br />

sich die beiden allerdings kaum. Deswegen konnte<br />

Schilling im <strong>Interview</strong> viel Neues über seine Kollegin<br />

erfahren. Unter anderem verriet sie ihm den besten<br />

Tipp, um mit dem Rauchen aufzuhören.<br />

Seite 134<br />

John Jeremiah SULLIVAN<br />

Seine Essays über Axl Rose <strong>und</strong> Jesus-Freaks haben<br />

ihn in die Liga der großen amerikanischen Reporter<br />

befördert. Vor Kurzem erschien Pulphead, eine Sammlung<br />

seiner Texte, die seitdem von Amerikafans <strong>und</strong><br />

-zweiflern gleichermaßen verschlungen wird. Auf einer<br />

Lesereise kreuzten sich in Hamburg seine Wege<br />

mit denen eines anderen großen Beobachters der<br />

USA, dem Schriftsteller Don Winslow. Die beiden<br />

waren sich bisher noch nie begegnet, hatten noch nie<br />

voneinander gehört, fast merkwürdig, wenn man bedenkt,<br />

wie nah sich die beiden thematisch kommen.<br />

Die Freude, sich kennenzulernen, war beiden deutlich<br />

anzusehen. Uns auch.<br />

Seite 84<br />

Andy SERKIS<br />

Bei seinem Namen klingelt es nicht bei jedem sofort.<br />

Dabei war er es, der einen der bekanntesten Sätze der<br />

jüngeren Filmgeschichte sprach: „Wir müssen ihn haben,<br />

den Schatz.“ In Herr der Ringe lieh Serkis nicht<br />

nur Gollum die Stimme, sondern auch die unverwechselbare<br />

Körpersprache. Der 48-Jährige ist so etwas<br />

wie der King Louie der Motion-Capture-Technik.<br />

Sein Spezialgebiet: Affen <strong>und</strong> Primaten. Er war<br />

der King Kong in King Kong <strong>und</strong> der Schimpanse<br />

Caesar in Planet der Affen: Prevolution. Für Der Hobbit<br />

– Eine unerwartete Reise stand Serkis nun erneut mit<br />

Sir Ian McKellen, dem Darsteller von Gandalf, dem<br />

großen weißhaarigen Zauberer, vor der Kamera. Für<br />

<strong>Interview</strong> sprach Serkis mit McKellen über den gemeinsamen<br />

Film, Regisseur Peter Jackson <strong>und</strong> darüber,<br />

wie man die Welt verbessert.<br />

Seite 106<br />

Azzedine ALAIA<br />

Azzedine Alaïa ist zwar ein kleiner Mann, aber ein<br />

sehr großer Designer. Grace Jones, Michelle Obama,<br />

Lady Gaga <strong>und</strong> <strong>Naomi</strong> <strong>Campbell</strong> tragen die Kleider<br />

des 73-jährigen Tunesiers. Dass er vielseitig talentiert<br />

ist, beweisen die regelmäßigen Tanzwettbewerbe, die<br />

er offenbar mit seinen Mitarbeitern in seinem gigantischen<br />

Pariser Studio veranstaltet, <strong>und</strong> die Mehr-<br />

Gänge-Menüs, mit denen er dort alle verwöhnt. Nach<br />

einer gemeinsam durchfeierten Nacht lud er seinen<br />

Fre<strong>und</strong> Marc Newson, den weltberühmten Designer<br />

des Lockheed Lounge Chairs <strong>und</strong> vieler anderer Dinge,<br />

zum Lunch. Sie versicherten sich gegenseitig ihrer<br />

Bew<strong>und</strong>erung, erzählten sich Anekdoten <strong>und</strong> kicherten<br />

überhaupt sehr viel.<br />

Seite 142<br />

Elisabeth MOSS<br />

Über keine TV-Serie ist in den vergangenen Jahren so<br />

viel geschrieben worden wie über Mad Men. In der<br />

Show, die vom Alltag einer New Yorker Werbeagentur<br />

in den 60er-Jahren erzählt, spielt Elisabeth <strong>Moss</strong><br />

die Sekretärin Peggy Olson, der es gelingt, sich in der<br />

von Männern dominierten Welt ein wenig Respekt zu<br />

erarbeiten. Die 30-jährige Schauspielerin Elisabeth<br />

<strong>Moss</strong> war außerdem in den Serien The West Wing oder<br />

Grey’s Anatomy zu sehen <strong>und</strong> spielte neben Kristen<br />

Stewart in der Verfilmung des Jack Kerouac Klassikers<br />

On The Road. Für uns sprach sie mit Michelle<br />

Dockery, dem Star der ähnlich gefeierten britischen<br />

TV-Serie Downton Abbey.<br />

Seite 114<br />

Mert ALAS & Marcus PIGGOTT<br />

Ihr erstes Cover veröffentlichten sie Ende der 90er-<br />

Jahre für Dazed and Confused, mittlerweile gehören<br />

sie zu den wichtigsten Modefotografen weltweit.<br />

Mert & Marcus wurden 1971 geboren, der eine in der<br />

Türkei, der andere in Großbritannien. Mittlerweile<br />

haben sie so ziemlich alle interessanten weiblichen<br />

Popstars, Schauspielerinnen <strong>und</strong> Models fotografiert.<br />

Für Miu Miu inszenierten sie die Schauspielerinnen<br />

Lindsay Lohan <strong>und</strong> Kirsten Dunst, für Armani, Gucci<br />

<strong>und</strong> viele andere große Modehäuser produzierten sie<br />

wegweisende Kampagnen. Aber trotzdem fanden sie<br />

Zeit, für uns das Cover mit <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> <strong>und</strong> <strong>Naomi</strong><br />

<strong>Campbell</strong> zu fotografieren.<br />

Seite 91<br />

Dinos CHAPMAN<br />

Eigentlich ist es schwer, die Künstlerbrüder Jake <strong>und</strong><br />

Dinos Chapman zu trennen. Für <strong>Interview</strong> ist Dinos<br />

mal allein losgezogen <strong>und</strong> hat einen alten Bekannten<br />

getroffen, den Hair-Stylisten Eugene Souleiman. Mit<br />

ihm hat er über – klar – Haare <strong>und</strong> Kunst gesprochen.<br />

Der 1962 in London geborene Dinos <strong>und</strong> sein jüngerer<br />

Bruder arbeiteten einst als Assistenten von Gilbert<br />

<strong>und</strong> George <strong>und</strong> wurden mit verschiedensten, von<br />

Kontroversen begleiteten Arbeiten bekannt. Der Vorwurf<br />

der Geschmacklosigkeit ist ihr treuer Begleiter.<br />

Natürlich vollkommen ungerechtfertigt.<br />

Seite 68<br />

Mario EIMUTH<br />

Von einem Münchener Industriegebiet aus versorgt<br />

dieser Mann Menschen aus 78 Ländern mit Mode von<br />

250 Designern. 2004 startete er den Onlineshop<br />

stylebop.com, der sich auf Luxusmarken spezialisiert<br />

hat. Eimuth, der mal Philosophie, Literatur <strong>und</strong> Kunst<br />

studierte <strong>und</strong> dann einen Concept-Store leitete, ist<br />

Geschäftsführer des erfolgreichen Unternehmens,<br />

was ihn mehr als dazu befähigt, mit der De signerin<br />

Mary Katrantzou über Griechenland <strong>und</strong> Nostalgie<br />

zu sprechen.<br />

Seite 62<br />

Fotos: X Verleih AG; Stefan Klüter/Suhrkamp Verlag; Mert Alas & Marcus Piggott; Mark Von Holden/Getty Images; Samir Hussein/Getty Images; Johan Sandberg; Paul Zimmerman/Getty Images; Stylebop.com<br />

28


wow!<br />

Topas Titanium<br />

Germany Cologne, Munich, Italy Milan, Czech Republic Prague, Brazil São Paulo, Rio de Janeiro, Brasília, USA Las Vegas, Beverly Hills, Hawaii, Canada Toronto,<br />

China Beijing, Changsha, Chengdu, Chongqing, Hangzhou, Nanjing, Shanghai, Shenyang, Shenzhen, Suzhou, Tianjin, Hong Kong Hong Kong, Japan Osaka, Tokyo, Nagoya,<br />

South Korea Seoul, Macau Macau, Philippines Manila, Malaysia Kuala Lumpur, Singapore Singapore, Taiwan Taipei, Taichung, Tainan, Kaohsiung, Thailand Bangkok,<br />

Indonesia Bali, Vietnam Ho Chi Minh City.<br />

Find out more retailers on www.rimowa.com<br />

Foto: Ayami Nishimura / Rankin, Hair: Naoki Komiya/Julian Watson Agency, Model: Dasha<br />

Neues aus Kultur,<br />

Mode uNd<br />

wareNwelt<br />

Make-up-Artist Ayami Nishimura hat mit dem Fotografen Rankin eines der radikalsten Modebücher dieses Herbstes produziert.<br />

Jedes Bild erzählt eine rätselhafte, manchmal beunruhigende Geschichte, doch die Gr<strong>und</strong>stimmung ist neugierig, wagemutig, im allerbesten Sinne verspielt.<br />

Nishimura ließ sich von Londoner Nachtclubs, dem Schweizer Künstler HR Giger <strong>und</strong> afrikanischer Kunst inspirieren –<br />

sie entwirft Visionen für eine Zukunft jenseits ethnischer <strong>und</strong> kultureller Grenzen. Als Schminktipps ungeeignet, aber eine Anleitung,<br />

was alles möglich ist auf „einem flachen Gesicht mit viel Platz für Farbe“.<br />

31<br />

!<br />

wow<br />

Bild aus deM BuCH<br />

AyAmi NishimurA,<br />

ersCHieNeN Bei<br />

raNKiN PHotograPHy


LIEBE UND<br />

VERBRECHEN:<br />

WARUM WIR<br />

INS KINO GEHEN<br />

1<br />

„7 PSYCHOS”<br />

Weil die einigermaßen unabsehbaren Folgen<br />

einer gemeinen H<strong>und</strong>eentführung<br />

thematisiert werden, bei der ein niedlicher<br />

<strong>und</strong> auf der Leinwand nur selten gesehener<br />

Shih Tzu die Hauptrolle spielt – womit<br />

für eine einigermaßen originelle Filmidee<br />

eine ziemlich originelle Besetzung gef<strong>und</strong>en<br />

wurde (ab 6. Dezember).<br />

„ANNA KARENINA”<br />

Weil wir schon längst mal wieder ins<br />

Theater gehen wollten, zumal Keira<br />

Knightley (gewohnt leidend), Jude Law<br />

(ungewohnt schütter) <strong>und</strong> Aaron Taylor<br />

Johnson (unfassbar hübsch) mitspielen<br />

(ab 6. Dezember).<br />

WOW!<br />

JUNGS-<br />

FANTASIE<br />

In den Tagen, als Günter<br />

Netzer im Ferrari zum<br />

Training brauste, entstand<br />

eine ganze Generation<br />

von Concept-Cars: angetrieben<br />

von Testosteron,<br />

Zukunftsglauben <strong>und</strong><br />

übermütigem Design. Ein<br />

Bildband feiert nun diese<br />

Jungsfantasien, die von<br />

1-Liter-Autos aus dem<br />

Windkanal verdrängt wurden.<br />

70s Concept Cars,<br />

erschienen bei TeNeues.<br />

„LIFE OF PI: SCHIFFBRUCH<br />

MIT TIGER”<br />

Weil Ang Lee die interessante Geschichte<br />

eines Jungen erzählt, der nach einem<br />

Schiffbruch auf hoher See mit einem Bengalischen<br />

Tiger Boot fahren muss. Die<br />

Botschaft: Der Junge kann gut mit Tieren<br />

(ab 26. Dezember).<br />

„LUDWIG II.”<br />

Weil man von überspannten Monarchen<br />

mit Immobilientick nie genug bekommt<br />

(ab 26. Dezember).<br />

„ALEXANDRE AJAS MANIAC”<br />

Weil Elijah Wood einen Serienkiller mit<br />

Mut terkomplex spielt (gibt es Serienkiller,<br />

die keinen Mutterkomplex haben?),<br />

der ein Blut bad anrichtet, dem weniger der<br />

Mutterkomplex anzumerken ist als eine<br />

Überdosis von Dario-Argento-Filmen<br />

(ab 27. Dezember).<br />

„RED DAWN”<br />

Weil dieser Film uns viel über Moden,<br />

wirtschaftliche Zwänge <strong>und</strong> den Zeitgeschmack<br />

lehrt. In den Achtzigern war<br />

Red Dawn noch ein Film über die Invasion<br />

der Russen in Amerika. Im dies jährigen<br />

Remake wurden aus den Russen dann Chinesen,<br />

<strong>und</strong> als man merkte, dass ein Film<br />

mit finsteren Chinesen auf dem chinesischen<br />

Markt nur wenig Kasse machen<br />

würde (<strong>und</strong> die Chi nesen ärgert), wurden<br />

die Chinesen kurzerhand zu Nordkoreanern<br />

erklärt. Weil: Der nordkorea nische<br />

Markt ist für Hollywood eher vernachlässigenswert,<br />

<strong>und</strong> ärgern tun die sich eh<br />

ständig (ab 27. Dezember).<br />

„PARADIES: LIEBE”<br />

Weil es kaum Lebensbejahenderes gibt als<br />

die Filme des österreichischen Regisseurs<br />

Ulrich Seidl. Hier erzählt er von einer reiferen,<br />

stark übergewichtigen Frau, die Urlaub<br />

in Kenia macht, um sich am Strand einen<br />

sexy Afrikaner zu angeln (ab 3. Januar).<br />

„JACK REACHER”<br />

Weil Reacher der beste amtierende Superheld<br />

ist – <strong>und</strong> zu allem Überfluss von Tom<br />

Cruise gespielt wird, dem bekanntermaßen<br />

besten amtierenden Superstar (ab 3. Januar).<br />

GEGENZAUBER<br />

Die Renaissance der amerikanischen Firma Pendleton<br />

Woolen Mills hängt mit dem „Lebensgefühl Manufactum“<br />

zusammen. Das Traditionelle ist zum Gegenzauber<br />

gegen Zivilisationskrankheiten geworden. Als könnte<br />

das Chief Joseph-Muster, benannt nach einem legendären<br />

Häuptling, auf einer Wolldecke vor Elektrosmog <strong>und</strong> Burnout<br />

schützen. Andererseits sind die neuen Decken so farbenfroh<br />

<strong>und</strong> „mexikanisch“, dass sie einen mühelos durch<br />

einen noch so grauen Winter tragen könnten. Die eine zeigt<br />

Bilder vom día de los muertos, die andere ist eine Hommage<br />

an die Heilige von Guadalupe, Mittelamerikas christlichen<br />

Superstar. Perfekte Ergänzung: ein perlenbesetzter Totenkopf<br />

der Firma Our Exquisite Corpse (über ln-cc.com).<br />

Glasklare MACHTVERHÄLTNISSE<br />

Zugegeben, es ist keine Riesenüberraschung, dass in der Helmut Newton Stiftung in Berlin eine Helmut-Newton-<br />

Ausstellung eröffnet. Aber seine Bilder versprühen noch immer aggressiven Glamour <strong>und</strong> spielerische Perversion.<br />

Von heute aus absurd: die Empörung über Newtons Frauenbild. Klarer als auf diesem Bild für die französische Vogue<br />

von 1980 kann man Machtverhältnisse kaum illustrieren. World Without Men/Archives de Nuit, ab 7. Dezember.<br />

32<br />

DECKEN VON PENDLETON,<br />

TOTENKOPF VON<br />

OUR EXQUISITE CORPSE<br />

Fotos: © 70s CONCEPT CARS - YESTERDAY’S DREAMS OF THE FUTURE by Rainer W. Schlegelmilch, Pininfarina Fiat Abarth 2000 Scorpio, published by teNeues, - www.teneues.com.<br />

Photo © Rainer W. Schlegelmilch. All rights reserved.; Pendleton; Our Exquisite Corpse/ln-cc.com; Helmut Newton, French Vogue, Monte Carlo 1980, copyright Helmut Newton Estate


KÜNSTLERPAARE &<br />

FOOD ART:<br />

AUSSTELLUNGEN AB<br />

DEZEMBER/JANUAR<br />

2<br />

NEO RAUCH UND<br />

ROSA LOY<br />

16. Dezember 2012 bis 10. Februar 2013<br />

Kunstsammlungen Chemnitz<br />

„Don’t dip your pen in company ink“ – ein<br />

Gr<strong>und</strong>satz, an den sich Neo Rauch, der Star<br />

der Leipziger Schule, <strong>und</strong> seine Ehefrau,<br />

die Malerin Rosa Loy, offenbar nicht halten<br />

wollten. Nachdem sich das Paar im ver gangenen<br />

Jahr erstmals zu einer gemeinsamen<br />

Ausstellung entschloss, tun sie es 2012 gleich<br />

wieder. Die Ähnlichkeiten <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentalen<br />

Unterschiede ihrer Bilder welten sind<br />

im Direktvergleich sicher nicht ohne Reiz.<br />

„FOOD – BETRACHTUNGEN<br />

ZU MUTTER ERDE, LANDWIRT-<br />

SCHAFT UND ERNÄHRUNG”<br />

19. Dezember 2012 bis 24. Februar 2013<br />

Musée Ariana, Genf<br />

Arcimboldo tat es, Fischli <strong>und</strong> Weiss taten<br />

es, <strong>und</strong> Dieter Roth sowieso. Mit Nahrungsmitteln<br />

spielen – <strong>und</strong> Kunst schaffen.<br />

Eine Gruppenausstellung zeigt, was dabei<br />

herauskommt, wenn Marina Abramovic,<br />

Joseph Beuys oder Pipilotti Rist sich aus<br />

den unterschiedlichsten Perspektiven dem<br />

Thema Ernährung annähern.<br />

ERWIN WURM – DE PROFUNDIS<br />

12. Dezember 2012 bis 17. Februar 2013<br />

Albertina, Wien<br />

Spricht man von Ernährung, bekommt man<br />

es automatisch mit dem menschlichen Körper<br />

zu tun. Dieser steht auch im Fokus einer<br />

Werkschau, die sich den neuen Arbeiten des<br />

Österreichers Erwin Wurm widmet. Medienübergreifend<br />

setzt sich der Künstler mit dem<br />

Erscheinungsbild des Körpers im 21. h<strong>und</strong>ert auseinander <strong>und</strong> stellt dieses<br />

Jahrdem<br />

asketischen Ansatz der Gotik<br />

gegenüber. Wie immer bei Wurm<br />

geht das nicht ohne ein paar saftige<br />

<strong>und</strong> ein paar feinere Witzeleien.<br />

LOUVRE-LENS<br />

12. Dezember<br />

Der Louvre erhält Zuwachs im Norden<br />

von Paris. In Lens wird ein von den japanischen<br />

Stararchitekten Ryue Nishizawa <strong>und</strong><br />

Kazuyo Sejima entworfener Museumsneubau<br />

eröffnet. In dem überwiegend aus Glas<br />

<strong>und</strong> Metall bestehenden Bau sollen sowohl<br />

Kunstwerke von 3500 v. Chr. als auch<br />

Werke zeitgenössischer Künstler ausgestellt<br />

werden. Darunter befinden sich auch zahlreiche<br />

Arbeiten, die zum ersten Mal den<br />

Weg aus dem Lager des Pariser Louvre in<br />

die Öffentlichkeit finden. Trotz seiner<br />

Größe gilt der Bau als Gegenmodell zu<br />

Spektakelmuseen à la Bilbao.<br />

GEORG BASELITZ<br />

18. Januar 2012 bis 20. Mai 2013<br />

Essl Museum – Kunst der Gegenwart, Wien<br />

Den 75. Geburtstag eines der wichtigsten<br />

deutschen Künstler der Gegenwart feiert<br />

das Essl Museum mit einer Werkschau. Sie<br />

ist der Zusammenarbeit des Malers <strong>und</strong><br />

Bildhauers mit dem Sammlerehepaar Agnes<br />

<strong>und</strong> Karlheinz Essl zu verdanken.<br />

SPÖTTER<br />

verstummen<br />

Unvergesslicher Moment für Statusforscher<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e blutiger Komödien:<br />

die weiß glühende Wut des<br />

American Psycho-Helden Patrick<br />

Bateman, als einer seiner Kumpel beim<br />

Lunch eine imposantere Kreditkarte<br />

zückt. Hätte es damals schon dieses<br />

Kartenetui aus der neuen Transatlantique-Kollektion<br />

von Cartier<br />

gegeben, wären die späteren Morde<br />

Batemans womöglich noch exzessiver<br />

ausgefallen. Aus Sterlingsilber gefertigt<br />

<strong>und</strong> genau 104 x 63 Millimeter groß<br />

(Achtung also bei ausgefallenen<br />

Kartenformaten). In den Deckel im<br />

Briefumschlag-Look ist eine Briefmarke<br />

mit dem verschlungenen<br />

Doppel-C eingraviert. Deutschland ist<br />

ja womöglich das einzige Land, in dem<br />

das Über reichen einer Visitenkarte<br />

noch ironisch kommentiert wird.<br />

Mit diesem Accessoire bringen Sie<br />

Spötter zum Verstummen. Oder richtig<br />

in Rage. Was ja beides ungefähr<br />

gleich erstrebenswert ist.<br />

IST DIES EIN WAGEN<br />

FÜR EIN DATE,<br />

SEAN HENSTRIDGE?<br />

WOW!<br />

5 FRAGEN zum neuen<br />

RANGE<br />

ROVER<br />

34<br />

HUND ALS BAUHERR<br />

Kritiker behaupten, <strong>Interview</strong> habe eine allzu auffällige Schwäche für H<strong>und</strong>e.<br />

Mag schon sein, aber an dem Projekt des japanischen Artdirectors Kenya Hara<br />

kommt man auch mit humanozentrischem Weltbild nicht vorbei. Hara, der für<br />

das Erscheinungsbild des Lifestyle-Kaufhauses Muji verantwortlich zeichnet,<br />

bat einige der renommiertesten Architekten der Welt um Entwürfe für H<strong>und</strong>e.<br />

Pritzker-Preisträgerin Kazuyo Sejima etwa entwarf ein Wollknäuel zum Reinschlüpfen<br />

für einen Bichon Frisé. Der japanische Terrier auf diesem Bild wird<br />

von einem Kegeldach von NDC/Haruka Misawa behütet. Die Bausätze gibt es<br />

auf architecturefordogs.com zum Runterladen.<br />

Was für eine PFEIFE!<br />

Eine lang überfällige Neuinterpretation: die Pfeife, aber<br />

aus Plastik. Klassisch geformt, als stecke sie zwischen den<br />

Lippen des frühen Helmut Kohl, aber im Stück gegossen<br />

(über stiffonline.com).<br />

SPIELZEUG<br />

FÜR PRINZ PHILIP?<br />

DER NEUE<br />

RANGE ROVER<br />

Guten Tag, Herr Henstridge. Wovon haben Sie sich beim Entwurf inspirieren lassen? – Von klassischen Schnellbooten <strong>und</strong><br />

Architektur. Wir wollten aber keine Form kopieren, sondern eher ein bestimmtes Gefühl vermitteln, wie gute Produkte das<br />

tun. Das iPhone 3 ist so ein Objekt. Es liegt in der Hand wie ein glänzender Kieselstein. Was macht ein Auto heute sexy?<br />

– Bei sexy muss ich eher an Sportwagen aus den Sechzigern denken. Ein Auto muss einen unmittelbaren Reiz ausüben,<br />

es muss ja kein sexueller sein. Was für Menschen fahren einen Range Rover? – Die Queen zum Beispiel. Wir hören immer<br />

wieder tolle Geschichten, wenn die Royal Family unsere Wagen getestet hat. Eine besonders gute handelt von Prinz Philip …<br />

Aber auch Madonna <strong>und</strong> George Michael sieht man immer wieder aus Range Rover steigen. Würden Sie eine Frau<br />

zu einem Date in einem Range Rover abholen? – Oh, mein letztes Date ist lange her. Da hatte ich noch einen Mini.<br />

Wie würden Sie das denn finden? Ich würde mich fragen, ob Sie mich entführen wollen oder bereits vier Kinder haben. – Da kann<br />

man wirklich viel falsch machen. Man will nicht zu protzig daherkommen <strong>und</strong> trotzdem den Eindruck erwecken,<br />

das Dinner bezahlen zu können.<br />

Fotos: Cartier; Hiroshi Yoda; 2012 Stiff AB; Jaguar Land Rover


WOW!<br />

RENAISSANCE<br />

Herr der RINGE<br />

Ein Meisterstück dekonstruktiven Glamours. Dieser Ring aus der Serie<br />

„Le Grand Frisson“ von Chaumet wirkt wie ein Steinbruch aus Diamanten,<br />

vio letten Saphiren <strong>und</strong> Tsavorit, <strong>und</strong> er zitiert vage die Farben von Helmut<br />

Newtons Liz-Taylor-Porträt, das sie mit Smaragd-Collier <strong>und</strong> Papagei im Swimmingpool<br />

zeigt. Für Königinnen also. Und solche, die es werden wollen.<br />

HONEY<br />

RED<br />

Kostbar &,<br />

KRUSTIG<br />

Ein Erweckungserlebnis wie beim allerersten<br />

Tauchgang: Diese Clutches<br />

von Bulgari sind organisch,<br />

krustig, kostbar <strong>und</strong> gerade<br />

seltsam genug. Ideal für einen<br />

neumusikalischen Abend bei<br />

den Philharmonikern.<br />

BUTTERFLY<br />

RAINBOW<br />

CARMEN<br />

Bemerkenswerte<br />

Modelle aus dem<br />

Archiv von Salvatore<br />

Ferragamo gibt es<br />

jetzt als Anhänger.<br />

Unbedingt charmant<br />

<strong>und</strong> auch für<br />

längere Wegstrecken<br />

total bequem.<br />

NULL TANTENHAFT!<br />

Beim Thema Brosche heißt es: Achtsam sein <strong>und</strong> bloß nicht ins<br />

Tantenhafte kippen. Wie dies mühelos gelingt, zeigt die Camélia<br />

von Chanel. Handtellergroß <strong>und</strong> aus Metall, Strass <strong>und</strong> Stoff<br />

gefertigt, also demokratisch kalkuliert, scheint das Vorbild die<br />

diamantene Spitze einer Tunnelbohrmaschine zu sein, mit der man<br />

die Alpen durchlöchert.<br />

BROSCHE<br />

CAMÉLIA<br />

VON CHANEL<br />

WELTVERBESSERUNG plus Eigennutz<br />

Für jedes erworbene Stück aus der Kollektion IWISHUSUN wird einem Menschen in<br />

Bang ladesch eine Augenoperation bezahlt. Es handelt sich um ein Projekt der Geschwister<br />

Patrick Andrist, Inhaber des Textilherstellers Omnibrand in Hongkong, <strong>und</strong> Cathy Boom,<br />

Gründerin <strong>und</strong> Chefredakteurin von Style and the Family Tunes, <strong>und</strong> verbindet, ganz<br />

altmodisch, Weltverbesserung mit Eigennutz: Die Daunenjacken sind ultraleicht <strong>und</strong><br />

präzise geschnitten. Ab 28. November bei iwishusun.net<br />

36<br />

Fotos: Salvatore Ferragamo(6); Chaumer; Bulgari(2); IWISHUSUN; Chanel


Indiskret<br />

Diskretion ist nicht die Stärke<br />

dieser Tasche von Bally. Aber<br />

die konservative Gr<strong>und</strong>form<br />

wird hier effektvoll ins<br />

Schwingen gebracht.<br />

Schlangenhaft<br />

Das kann man nur schlangenhaft raffiniert<br />

nennen. Ein Cut-out-Necklace von Bally<br />

aus ineinander verschlungenen Lederbändern<br />

(zum Teil aus Python) <strong>und</strong> eine<br />

gelungene Mischung aus Jugendstil<br />

<strong>und</strong> Zaumzeug.<br />

BALLY EINS<br />

ZWEI<br />

BALLY<br />

GEKRÖNT<br />

Wie man einen Klassiker des Minimalismus aufmotzen<br />

<strong>und</strong> ihm trotzdem im Kern treu bleiben kann,<br />

zeigt der „Trinity Ruban“ von Cartier. Einer der drei<br />

diamantenbesetzten Ringe schlingt sich aus dem<br />

Ensemble herab, das von einem Kunzit gekrönt wird.<br />

WOW!<br />

EMPORIO ARMANI<br />

ZWIESPÄLTIG<br />

Allein über den gebändigten Schwung<br />

des Absatzes könnte man vermutlich Romane<br />

schreiben – im Mittelpunkt stünde eine<br />

glühende Heldin, die zwar am Abgr<strong>und</strong><br />

taumelt, aber das Gleichgewicht behält. Für<br />

die gleiche delikate Zwiegespaltenheit steht<br />

die Kombination von schwarzem Leder<br />

<strong>und</strong> Spitze. Von Emporio Armani.<br />

SKULPTURAL<br />

Wie eine Skulptur von Tony Cragg<br />

mutet dieser Armreif von Dior an:<br />

Kunstharz mit Roségoldfinish. Purer<br />

Formalismus, klare Schönheit.<br />

EMINEM, CHER<br />

UND TOKIO HOTEL:<br />

PLATTEN, AUF DIE<br />

WIR UNS IM<br />

NÄCHSTEN JAHR<br />

FREUEN<br />

3<br />

50 CENT<br />

„STREET KING IMMORTAL”<br />

Eigentlich sollte Street King Immortal zunächst<br />

Black Magic heißen <strong>und</strong> den besonderen<br />

Einfluss von Dance <strong>und</strong> Rock auf<br />

50 Cents Schaffen zum Thema haben. Das<br />

wiederum soll der Platten firma nicht gefallen<br />

haben (kluge Plattenfirma!), was<br />

50 Cent dazu brachte, das Konzept gr<strong>und</strong>legend<br />

zu ändern (merke: Er ist Konzeptkünstler).<br />

Das Ergebnis: Bei Street King<br />

Immortal wird es sich wohl um ein Gangsta-<br />

Rap-Album handeln. Überrascht uns<br />

jetzt nicht wirklich. Es ist allerdings überraschend,<br />

wie es dazu kam.<br />

Erscheint im Januar.<br />

CHER<br />

Wir wissen über dieses Album nichts, außer<br />

dass es wahrscheinlich erscheinen wird, sehr<br />

wahrscheinlich sogar. Aber da Cher sich in<br />

ihrer Karriere bereits sämtlichen Wahrscheinlichkeiten<br />

erfolgreich in den Weg<br />

stellen konnte, wissen wir nicht einmal das.<br />

Was wir wissen: Wenn es erst einmal da ist,<br />

höchstwahrscheinlich im Januar, werden<br />

wir es wahrscheinlich lieben.<br />

LADY GAGA „ARTPOP”<br />

Okay, der Albumtitel gibt wenig Anlass<br />

zur Hoffnung, andererseits kann es ja nur<br />

besser werden. Ein Veröffentlichungstermin<br />

steht noch nicht fest.<br />

www.kadewe.de<br />

CARTIER<br />

DIOR<br />

MARIAH CAREY<br />

Geht es Ihnen auch so, dass Sie manchmal<br />

heimlich die Homeshopping-Sendung<br />

(Schmuck, Düfte, Schuhe) von Mariah<br />

angeschaut haben, weil Madame mal wieder<br />

mit einer neuen Platte auf sich warten ließ?<br />

Und jetzt lässt sie uns schon wieder warten.<br />

Ein Erscheinungstermin steht jedenfalls<br />

noch nicht fest.<br />

EMINEM<br />

Was gibt es, was wir noch nicht über<br />

Eminem wissen, welche Gefühlsregung,<br />

welches Trauma hat er noch nicht zu einem<br />

Song verarbeitet? Wir werden es sehen,<br />

wenn er irgendwann im Laufe des Jahres<br />

das inzwischen vierte Album nach seinem<br />

eigentlichen Abschiedsalbum von 2003<br />

veröffentlicht.<br />

TOKIO HOTEL<br />

Bring it on, Bill!<br />

Die neue Schuh- <strong>und</strong> Accessoireswelt,<br />

ab jetzt in der 3. Etage<br />

Anya Hindmarch, Burberry, Chloé, Diane von<br />

Furstenberg, Dior, Fendi, Giuseppe Zanotti, Givenchy,<br />

Jimmy Choo, <strong>Kate</strong> Spade, Miu Miu, Mulberry, Prada,<br />

Rachel Zoe, Repetto, Salvatore Ferragamo, Tod’s,<br />

Tory Burch, Unützer, Victoria Beckham,<br />

Yves Saint Laurent<br />

u.v.m.<br />

Mit SCHWUNG die Schwerkraft ausgehebelt<br />

Was auf den allerersten Blick aussieht wie eine Ecke im Atelier von Anselm Reyle (Zivilisationsschrott in möglichst grellen<br />

Farben), ist tatsächlich ein kunstvoll arrangierter Haufen Schuhe, die der britische Architekt Julian Hakes entworfen<br />

hat. Angelehnt an die biomorphen Fantasien seiner Kollegin Zaha Hadid, hat der Mann kühn die Schwerkraft ausgehebelt.<br />

Der Prototyp war eine kleine Internetsensation, Hakes erhielt den Preis als „Bester Schuhdesigner 2012“ des Onlinemagazins<br />

Drapers. Nun wird an der Umsetzung des High Heels gearbeitet, dessen Fußbett frech in zwei Teile zerlegt wurde.<br />

Die Kollektion The Hakes Mojito soll pünktlich für die Frühjahrseinkäufe in den Läden sein.<br />

38<br />

MILEY CYRUS „METALLIC”<br />

Seit sie sich zu Halloween als Nicki Minaj<br />

verkleidet hat, halten wir große Stück auf<br />

sie. Und warum auch nicht: Sie ist mit Liam<br />

Hemsworth verlobt (Hammer!), ist das<br />

Patenkind von Dolly Parton (Killer!),<br />

kommt mit dem Kiffen klar (Yeah!), twittert<br />

ständig Bilder von ihrer Frisur (Baam!).<br />

BLACK SABBATH<br />

Und sie leben immer noch!<br />

Fotos: Bally; Emporio Armani; Bally; Cartier; Dior; Julian Hakes


BESSER ALS<br />

JEDE LAVALAMPE<br />

Die schönsten Kindheitserinnerungen leuchten bei<br />

Dunkelheit – seien es Gefechte mit dem Plastik-<br />

Laserschwert oder Nächte in einer Acid-House-<br />

Disco. Der New Yorker Designer Alexander Wang,<br />

ein begnadeter Kindskopf <strong>und</strong> Charmeur, zeigte<br />

seine Frühjahrs/Sommerkollektion in voller fluoreszierender<br />

Pracht bei Schwarzlicht. Er erwies sich<br />

damit, nicht zum ersten Mal, als genauer Beobachter<br />

dessen, was die Gemüter erhitzt <strong>und</strong> beglückt.<br />

Denn der „Glow in the Dark“-Effekt wird nicht nur<br />

bei ihm eingesetzt. Ein Nagellack von American<br />

Apparel trägt eben diesen Namen, <strong>und</strong> eine Tasche<br />

von Alexander Wang schimmert auch im echten<br />

Leben. Für den wirklichen Fan gibt es sogar ein<br />

Aquarium mit sanft leuchtenden Quallen.<br />

WOW!<br />

330<br />

Hello<br />

my name is<br />

Strawberry<br />

Cheesecake<br />

VIEL LEBENDIGER ALS EINE LAVALAMPE:<br />

QUALLENPOOL VON JELLYFISCH ART<br />

MODENSCHAU VON ALEXANDER<br />

WANG IN NEW YORK<br />

Pistazieneisgrün<br />

So grün wie ein Pistazieneis im Stadtpark Retiro:<br />

das Modell Madrid in Schlangenoptik der Firma<br />

Liebeskind Berlin. Perfekt für einen Nachmittag auf<br />

der Parkbank: Ein Kaltgetränk, ein mittelgroßes<br />

Buch, eine Schachtel Zigaretten (optional) <strong>und</strong> ein<br />

Lippenstift passen mühelos rein. Aus der Christmas<br />

Collection, also genau für jetzt.<br />

Herr Trussardi, welcher ist der erste Geruch, an den Sie sich erinnern können? – Als Kind war ich oft mit meinen<br />

Eltern in unserer Fabrik, dort roch es nach Leder <strong>und</strong> Klebemittel. Für unseren neuen Duft diente Leder als<br />

Ausgangsbasis, <strong>und</strong> auch der Flakon ist damit überzogen. Welchen Duft trägt Ihre Fre<strong>und</strong>in Michelle Hunziker?<br />

– Mittlerweile trägt sie „White“ von Trussardi. Tut sie das freiwillig? – (lacht) Ja, ihr gefällt der süße Geruch sehr<br />

gut. Das macht mich sehr glücklich. Würden Sie auch mal einen Damenduft tragen? – Höchstens zum Spaß, aber<br />

ehrlich gesagt würde ich lieber darauf verzichten. Viele Frauen benutzen heutzutage Männerparfüm, aber ich<br />

halte das lieber klassisch. Unser neuer Herrenduft ist daher sehr maskulin. Im dazugehörigen<br />

Werbespot spielen Sie die Hauptrolle. – Zuerst wollte ich das gar nicht. Aber als Wim Wenders<br />

zusagte, die Regie zu übernehmen, habe ich es gerne getan. Michelle hat ihn mir sehr ans<br />

Herz gelegt, sie hat auch schon mit ihm zusammengearbeitet. Fragen Sie sie in geschäftlichen<br />

Dingen manchmal um Rat? – Natürlich, sie ist meine Lady! Ich frage sie oft nach ihrer Meinung,<br />

wenn ich unsicher bin. Zu welchen Gelegen heiten sollte ein Mann Parfüm tragen? – Immer!<br />

Oft erkennt man doch schon am Duft, das eine bestimmte Person den Raum betreten hat.<br />

Der Duft wird zum Teil einer Person.<br />

40<br />

40<br />

TOMASO TRUSSARDI<br />

über den neuen DUFT “MY LAND”<br />

Fotos: Monica Feudi/FeudiGuaineri.com; Liebeskind Berlin; Jellyfish Art; Trussardi<br />

CREATED BY


WOW!<br />

Jetzt noch schneller.<br />

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Absolut<br />

empfehlenswert<br />

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Foto ROBIN KRANZ & VOLKER HOBL<br />

9 DUFTKERZEN <strong>und</strong> ein KORKENKNALL<br />

Im Uhrzeigersinn von oben links: „Noël“ duftet fruchtig nach Orange, Rosinen <strong>und</strong> Pinie. Von ANNICK GOUTAL, im Dreierset um 71 Euro „Mad about Gstaad<br />

Christmas Tree and Snowflake“ erinnert an einen kalten Wintertag. Von MEMO, um 45 Euro (über ludwigbeck.de) „Misto Bosco“-Hüttenzauber mit wilden Beeren<br />

<strong>und</strong> Piniennadeln. Von ETRO, um 53 Euro „Cuir Pleine Fleur Fine Leather“ von JAMES HEELEY um 45 Euro (über ausliebezumduft.de) „Bois d’Argent“<br />

mit holzigen Noten <strong>und</strong> florentinischer Iris. Von LA COLLECTION PRIVÉE CHRISTIAN DIOR, um 48 Euro „Aedes de Venustas“ mit Aromen von schwarzen<br />

Johannisbeeren <strong>und</strong> Vetiver. Von AEDES DE VENUSTAS, um 55 Euro „Aspen Evergreen“ dufted weihnachtlich nach Kiefer, Eukalyptus <strong>und</strong> Nelken.<br />

Von JONATHAN ADLER, um 38 Euro Profumo d’Ambiente „Legni“ versprüht Noten von Zedernholz <strong>und</strong> Patschuli. Von ACQUA DI PARMA, um 56 Euro<br />

Teewagen von Tecta, gesehen bei Kuball & Kempe, Hamburg Straußenfederschuh <strong>und</strong> Hardcase-Clutch (Teewagen unten) von Jimmy Choo <strong>und</strong> aufwendig<br />

bestickter High Heel von Prada Champagner: Dom Pérignon Millésime 2003, Limited Edition von David Lynch<br />

42<br />

KEILABSATZ-STIEFEL<br />

„GAGA”,<br />

KIDASSIA-PELZ<br />

VON CASADEI<br />

Fotos: Foto-Assistenz: Annemone Seidel, Retusche: Primate Postproduction; Casadei<br />

*Prozessor, Akku <strong>und</strong> Speicherkapazität im Vergleich zum HTC One X<br />

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<strong>und</strong> längerer Akkulaufzeit*<br />

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HTC Sense<br />

The clever stuff inside


RETROMANIA.<br />

DINGE<br />

VON GESTERN<br />

FÜR HEUTE<br />

BEETHOVEN<br />

Vor allem in einer High-Speed-Interpretation<br />

etwa von Sir Simon Rattle. Die rasante<br />

Abfolge widersprüchlicher, aber stets<br />

heftiger Emotionen (das klassische „Wechselbad“)<br />

lässt den Komponisten als ungeduldigen<br />

Hitzkopf mit äußerst knapper<br />

Aufmerksamkeitsspanne erscheinen. Also<br />

als einen von uns.<br />

DIE CONCORDE<br />

Gerade in der Vorweihnachtszeit wünscht<br />

man sich ein Flugzeug, mit dem man innerhalb<br />

weniger St<strong>und</strong>en zum Uniqlo-Store<br />

auf der 5th Avenue shutteln kann. Und<br />

jeder, der einmal das Vergnügen hatte,<br />

schwelgt in der Erinnerung an das letzte<br />

wirklich luxuriöse Transportmittel der<br />

Menschheit. Auch wenn Ticketpreise, Kerosinverbrauch<br />

etc. heute etwas exzessiv<br />

anmuten.<br />

WOW!<br />

4VORTEILS-<br />

ABONNEMENT<br />

MÄNNERTRÄNEN<br />

Als sich Barack Obama bei seinem Wahlkampfteam<br />

bedankte, schmolz der Eisberg.<br />

Wir hatten ganz vergessen, wie hübsch ein<br />

tränenfeuchtes Männergesicht ist.<br />

FLANELLBETTWÄSCHE<br />

Es ist wie mit einer italienischen Disco.<br />

Erst rümpft man die Nase, dann will man<br />

nie wieder raus. Gegen Flauschigkeit ist<br />

einfach kein Kraut gewachsen.<br />

TOM RIPLEY<br />

Ein Mensch ohne Skrupel oder emotionalen<br />

Ballast, dafür konstant besorgt um<br />

Nachschub in seinem Cocktailglas <strong>und</strong> die<br />

Pflanzen in seinem Garten. Der Romanheld<br />

von Patricia Highsmith ist 57 Jahre alt, aber<br />

wirkt wie ein blutjunger Elite-Uni-Absolvent<br />

mit eigenem Townhouse.<br />

CLAIRE DANES<br />

Natürlich hat ihr Leonardo DiCaprio damals<br />

in William Shakespeares Romeo & Julia<br />

die Show gestohlen … Wirklich? Ihr Lächeln,<br />

das der junge Montague durch ein<br />

Aquarium erblickt, nachdem er aus einem<br />

Ecstasytraum erwacht, ist das vielleicht<br />

schönste <strong>Kate</strong>rfrühstück der Filmgeschichte.<br />

Nach einer Auf-<strong>und</strong>-ab-Karriere ist sie<br />

nun wieder die Allergrößte, <strong>und</strong> zwar in<br />

ihrer Emmy-prämierten Rolle als bipolare<br />

CIA-Agentin in der US-Serie Homeland.<br />

Und das liegt vor allem an diesem Kinn, das<br />

kurz vorm Weinen anfängt zu beben, dem<br />

M<strong>und</strong>, der sich beim Weinen verformt wie<br />

ein Kaugummi, nein, eigentlich verformt<br />

sich ihr ganzes Gesicht wie ein Kaugummi.<br />

A BATHING APE<br />

Ach, Nullerjahre, BAPE, japanische Street-<br />

smartness, Nigo & Pharrell, die erste limitierte<br />

Turnschuh-Kollabo mit Adidas – jetzt<br />

als Neuauflage. Und jetzt noch smarter.<br />

ALS FILM NOCH KUNST WAR<br />

Ein Bildband, der nicht zum Schwelgen, sondern zum Denken<br />

anregt, ist diese Sammlung von Fotos <strong>und</strong> Filmstills des russischen<br />

Filmemachers Andrej Tarkovskij. Karg, symbolisch aufgeladen,<br />

ihrer ganz eigenen Mythologie folgend. Ohne jetzt<br />

weinerlich werden zu wollen: Heute werden Filme produziert,<br />

indem man jeden noch so abwegigen Superhelden in eine<br />

Verwertungskette verwandelt. Ein Mann wie Tarkovskij, <strong>und</strong> das ist auf<br />

jeder Seite dieses w<strong>und</strong>erbaren Buches zu spüren, konnte einfach nicht anders. Andrej Tarkovskij –<br />

Leben <strong>und</strong> Werk: Filme, Schriften, Stills <strong>und</strong> Pola roids, erschienen bei Schirmer/Mosel.<br />

44<br />

KOLJA BURLJAJEV IN DEM FILM IVANS KINDHEIT VON TARKOVSKIJ<br />

MODE OHNE<br />

ANGST<br />

Die Toten ruhen lassen ist heute<br />

schwieriger denn je, denn ein<br />

Name ist auch eine Marke <strong>und</strong><br />

so weiter. Nach dem rasenden<br />

Erfolg der Alexander-McQueen-<br />

Ausstellung lag es nahe, seine<br />

Nachfolgerin Sarah Burton machen<br />

zu lassen – <strong>und</strong> „Lee“ mal<br />

eine Weile in Ruhe. Dass Pietät<br />

nicht immer der richtige Ratgeber<br />

ist, zeigt das Buch Love Looks<br />

Not With The Eyes der Fotografin<br />

Anne Deniau (Knesebeck<br />

Verlag). Ihre Bilder zeigen die<br />

zartere Seite in McQueens<br />

Werk, die oft von seinem Hang<br />

zum Monströsen überschattet<br />

wurde. Eine Hommage an<br />

einen Mann, der auf dem<br />

Höhepunkt seiner Schaffenskraft<br />

das Leben nicht mehr<br />

ertrug. Und eine Feier dessen,<br />

was Mode vermag, wenn sie ohne<br />

Angst agiert.<br />

Schneller<br />

Die gewagtesten<br />

Sprünge sind die<br />

besten: Aus einem<br />

Hersteller für medizinische<br />

Produkte wurde<br />

die Lifestylemarke<br />

ITEM m6. Die strammen<br />

Strümpfe stimulieren<br />

die Blutzirkulation<br />

– plötzlich glaubt<br />

man, schneller denken<br />

zu können …<br />

Fotos: © Schirmer/Mosel, München 2012 (2); ITEM m6; Voss, September 2000 London, Anne Deniau/Knesebeck Verlag<br />

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Feuerstein trifft auf die grüne Energie des Urwalds<br />

<strong>und</strong> den anregenden Duft von Kräutern.<br />

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wow!<br />

EMILY, 2010 © EVAN BADEN<br />

46<br />

david hockney „yosemite i, october 5th 2011”, 2011<br />

dAvid hockneys leichthändige erhabenheit<br />

Man kann dem Künstler David Hockney nicht nachsagen, dass er ein furchtsamer Typ sei. Er trug schon blondierte Haare, als dies noch anrüchig war,<br />

<strong>und</strong> vor allem: Bis zum heutigen Tag probiert er neue Techniken <strong>und</strong> Vehikel für seine Kunst – seien es Faxgerät, Polaroids oder, wie hier, ein iPad.<br />

Dieses Bild ist Teil der grandiosen Ausstellung im Kölner Museum Ludwig, unterstützt von der Firma Rolex, in deren Alumni-Programm Hockney einst<br />

Mentor für junge Künstler war. Das Bild zeigt eine Landschaft im Yosemite-Park, den schon Ansel Adams in malerischen Fotografien festhielt.<br />

Hockney arbeitet mit leichterer Hand – die Welt ist erhaben genug.<br />

DaviD Hockney. a bigger picture ist bis zum 3. Februar 2013 im kölner museum ludwig zu sehen<br />

Foto: David Hockney „Yosemite I, October 5th 2011“, 2011, iPad-Zeichnung auf 6 Blättern Papier kaschiert auf Dibond, je 182,25 x 90,81 cm, gesamt, Exhibition Proof #1, © David Hockney<br />

SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT RÖMERBERG 60311 FRANKFURT AM MAIN WWW.SCHIRN.DE<br />

DIENSTAG, FREITAG–SONNTAG 10–19 UHR, MITTWOCH UND DONNERSTAG 10–22 UHR<br />

1. NOVEMBER 2012 – 3. FEBRUAR 2013<br />

GEFÖRDERT DURCH DIE<br />

MEDIENPARTNER


SUPERSTAR<br />

SUPERSTAR<br />

JESSIE WARE<br />

BENH ZEITLIN<br />

STIMME, HALTUNG,<br />

STRENGER BLICK:<br />

DIE WUNDERVOLLE<br />

BRITISCHE SÄNGERIN<br />

JESSIE WARE<br />

FÜR SEIN DEBÜT<br />

BEKOMMT DER<br />

FILMEMACHER<br />

BENH ZEITLIN<br />

EINEN PREIS NACH<br />

DEM ANDEREN.<br />

IN CANNES<br />

HAT ER SCHON<br />

ABGERÄUMT,<br />

EIGENTLICH FEHLT<br />

NUR NOCH<br />

DER OSCAR<br />

„SCHWERKRAFT AUSSER KRAFT GESETZT”, BENH ZEITLIN, HERBST 2012<br />

Benh Zeitlin ist außer Atem, als er beim <strong>Interview</strong><br />

ankommt. Er war bis zum frühen<br />

Morgen im Berghain. Dorthin haben ihn<br />

Fre<strong>und</strong>e mitgenommen, nachdem Beasts<br />

Of The Southern Wild, Zeitlins erster Spielfilm, seine<br />

Deutschlandpremiere gefeiert hatte.<br />

Er ist derzeit öfter außer Atem. Seit sein Debüt<br />

auf dem S<strong>und</strong>ance Film Festival 2012 den Grand Jury<br />

Prize gewonnen hat, war er ununterbrochen unterwegs:<br />

„Ich bin jeden Tag in einer anderen Stadt <strong>und</strong><br />

alle paar Wochen mal für zwei Wochen zu Hause.“<br />

Die wichtigste Station bisher war Cannes, wo er auf<br />

dem Filmfestival vier Preise gewonnen hat. Darunter<br />

die Goldene Kamera für den besten Erstling.<br />

Geboren wurde er in Queens, New York, wo seine<br />

Eltern heute noch als Ethnologen leben. Als Kind hat<br />

er gerne Puppentheater aufgeführt. Später studierte<br />

er Film am College. Seine Geschichte von einem<br />

mi kroskopisch kleinen Piraten, der in einem Ei<br />

wohnt, konnte aber nur als Animationsfilm umgesetzt<br />

werden. Diesem Format blieb er ein paar Jahre lang<br />

treu – bis es ihm zu einsam im Studio wurde.<br />

Ganz umstellen konnte <strong>und</strong> wollte er sich allerdings<br />

nicht: „Wenn ich mir eine Geschichte ausdenke,<br />

ist meine Vorstellung von Schwerkraft komplett außer<br />

Kraft gesetzt.“ Vielleicht ist Beasts Of The Southern<br />

Wild deswegen auch freier <strong>und</strong> fantasievoller als die<br />

meisten Filme, die im Kino laufen.<br />

Erzählt wird darin die Geschichte des Hurrikans<br />

Katrina, der 2006 New Orleans überflutet, aus der<br />

Perspektive der kleinen Hushpuppy, die mit ihrem<br />

Vater in einer Aussteigersiedlung im Bayou lebt. Die<br />

48<br />

Flut verknüpft sich in der Fantasiewelt des Mädchens<br />

mit der bedrohlichen Geisteskrankheit des alkoholkranken<br />

Vaters.<br />

Der Film basiert auf einem Theaterstück, das<br />

Zeitlin für seine eigene Filmsprache umgeschrieben<br />

hat. Aus der Hauptfigur, einem Jungen, wurde Hushpuppy,<br />

das Mädchen mit den krausen Haaren, aus drei<br />

dunkel gekleideten Männern wurden Auerochsen, die<br />

das Geschehen beobachten. Und die Handlung wurde<br />

von New York nach New Orleans verlegt, wo Zeitlin<br />

selbst seit ein paar Jahren lebt beziehungsweise eine<br />

Wohnung hat, die er zurzeit aber eben nicht besonders<br />

oft von innen sieht.<br />

Von NINA SCHOLZ<br />

BEASTS OF THE SOUTHERN WILD<br />

STARTET AM 20. DEZEMBER<br />

Foto: Ian Gavan/WireImage<br />

Jessie Ware behauptet, sie sei eigentlich gar<br />

kein Star, sie würde nur so tun. Dabei wirkt<br />

ihr glamouröses Auftreten weder unnatürlich<br />

noch gestelzt. Wenn die Londoner Sängerin<br />

in dem Video zu 110 % im bauchfreien Oberteil durch<br />

einen Park wandert <strong>und</strong> elegante Kleider spazieren<br />

trägt, dann vergisst man beinahe, dass in der kurzlebigen<br />

Popkultur von heute echte Superstars vom Aussterben<br />

bedroht sind. „Ich blicke auf zu den ganz Großen,<br />

zu denen, die immer fantastisch aussehen <strong>und</strong> live<br />

unglaublich viele Musiker um sich haben.“ Vor allem<br />

habe sich ihr der Moment eingebrannt, als Whitney<br />

Houston zu Beginn des Superbowls die Nationalhymne<br />

sang. „Sie war der perfekte Popstar.“<br />

Bevor Jessie Ware aber mit dem Singen begann,<br />

tat sie zunächst das „Richtige“ – sie beendete die<br />

Schule <strong>und</strong> ging zur Uni. Sie studierte brav Literatur<br />

<strong>und</strong> konzentrierte sich erst nach ihrem Abschluss voll<br />

auf die Musikkarriere, von der sie bereits träumte, als<br />

sie als kleines Kind mit ihrer Schwester Songs von<br />

Kylie Minogue <strong>und</strong> Jason Donovan trällerte. Sie ging<br />

mit einem Schulfre<strong>und</strong>, dem Sänger Jack Peñate, auf<br />

USA-Tour <strong>und</strong> lernte den Produzenten SBTRKT<br />

kennen. „Erst er machte mich zu einer eigenständigen<br />

Künstlerin.“ Vor knapp einem Jahr erschien dann<br />

ihre erste Single Strangest Feeling. Seitdem arbeitete<br />

Ware an ihrem Debüt Devotion (Universal), das nun,<br />

ziemlich genau ein Jahr später, erschienen ist. Auf<br />

den stärksten Stücken des Albums erinnert Ware an<br />

Sade, an Aaliyah <strong>und</strong> vielleicht sogar an die junge<br />

Mrs Houston – viel mehr kann man von einem Debüt<br />

nicht erwarten.<br />

49<br />

Und wenn man dann mit dieser charmanten<br />

29-Jährigen plaudert, auf die gemeinsame Vorliebe<br />

für den Größenwahn des Kanye West zu sprechen<br />

kommt <strong>und</strong> sie plötzlich anfängt, durchs Telefon einen<br />

seiner Songs zu singen, dann zweifelt man nicht<br />

mehr: Jessie Ware ist ein Star. „Ich war nicht darauf<br />

vorbereitet, wie viel Arbeit dieses Leben bedeutet,<br />

aber ich habe trotzdem den w<strong>und</strong>erbarsten Job der<br />

Welt“, sagt sie – <strong>und</strong> legt auf.<br />

Von SASCHA EHLERT<br />

Styling AVIGAIL CLAIRE<br />

Foto THOMAS LOHR<br />

Haare TEIJI UTSUMI/TERRIE TANAKA<br />

Make-up NOBUKO MAEKAWA<br />

Foto-Assistenz CHARLOTT COBLER


FashiOn<br />

Verstickt<br />

Verstickt<br />

Oben: Overall DOlce & Gabbana,<br />

Gürtel Diane vOn FurstenberG,<br />

Ohrringe PraDa, ring chanel Fine Jewellery<br />

unten: blazer Paul smith, top acne, hose raG & bOne,<br />

Kette PraDa, ring nOa Fine Jewellery<br />

50<br />

FOtOs<br />

elenA renDinA<br />

stylinG<br />

isAbelle KOuntOure


Fashion<br />

selten waren sich modedesigner so einig wie bei der<br />

renaissance der handarbeit. ganz vorn dabei: embroidery.<br />

verschwenderisch, sexy <strong>und</strong> irgendwie japanisch<br />

oben: Kleid proenza schouler,<br />

ohrringe <strong>und</strong> armbänder prada<br />

unten: Kleid barbara bui, Kleid (darunter getragen)<br />

mary Katrantzou, gürtel diane von Furstenberg,<br />

gürtel (darüber getragen) viKtor & rolF, ohrringe prada,<br />

Kette noa Fine jewellery, ringe dior joaillerie<br />

53<br />

Fotos elena rendina/streeters<br />

styling isabelle Kountoure<br />

haare panos papandrianos/clm mit<br />

produKten von bumble and bumble<br />

make-up dele olo<br />

casting piergiorgio del moro<br />

model hannah noble/elite london<br />

Foto-assistenz gary conway<br />

styling-assistenz zoe sinclair, natasha howard<br />

dank an snap studios london


„IN DER SCHULE<br />

HABE ICH<br />

IMMER HINTEN<br />

GESESSEN.<br />

DAS IST DER<br />

BESTE PLATZ.<br />

MAN SIEHT ALLE,<br />

ABER FÄLLT SELBST<br />

NICHT AUF”<br />

„WAREN SIE<br />

EIN STREBER?”<br />

Wie der Regisseur<br />

FRANÇOIS OZON<br />

einmal mit einem<br />

Aufsatz seine hässliche<br />

Lehrerin erzürnte<br />

INTERVIEW: Herr Ozon, Ihr neuer Film spielt<br />

in einer Schule. Was für ein Schüler waren Sie?<br />

FRANÇOIS OZON: Ein schlechter. Vielleicht lag es<br />

daran, dass meine Eltern Lehrer waren <strong>und</strong> ich dagegen<br />

rebellieren wollte. Als ich mit dem Filmstudium<br />

angefangen habe, hat sich das geändert, weil<br />

ich da zum ersten Mal etwas gemacht habe, das<br />

mich wirklich interessiert.<br />

INTERVIEW: Wurden Sie dann zum Streber?<br />

OZON: An der Uni waren wir so wenige, da musste<br />

man kein Streber sein, um aufzufallen. Aber in der<br />

Schule habe ich immer ganz hinten gesessen. Das<br />

ist der beste Platz. Man sieht alle anderen, aber fällt<br />

selbst nicht auf.<br />

INTERVIEW: Was würden Sie gerne noch lernen?<br />

OZON: Ich bin immer etwas unzufrieden <strong>und</strong> will<br />

weiter lernen. Das Leben steckt voller Überraschungen,<br />

da gibt es hoffentlich noch einiges zu lernen.<br />

Sonst kann man sich gleich umbringen.<br />

INTERVIEW: Ach nein, lieber nicht. Haben Sie schon<br />

als Junge Geschichten geschrieben?<br />

SMALLTALK<br />

KLEINE GESPRÄCHE MIT GROSSEN LEUTEN:<br />

FRANÇOIS OZON, SARAH SILVERMAN, MICHAEL BUBLÉ,<br />

DANIEL CRAIG, TRAVIS PASTRANA, NANA MOUSKOURI<br />

OZON: Ja. Eine Lehrerin bestellte meine Eltern<br />

deshalb sogar mal in die Schule: „Ihr Sohn hat zwar<br />

viel Fantasie, aber er schreibt ziemlich freche Sachen.“<br />

Einmal sollten wir einen Aufsatz über einen<br />

Mitschüler schreiben. Meiner handelte von einer<br />

gewissen Marie Georgette. Es gab in unserer Klasse<br />

aber gar niemanden, der so hieß. Allerdings glaubte<br />

meine Lehrerin, sich in dieser Figur wiederzuerkennen,<br />

<strong>und</strong> das hat ihr nicht sehr gefallen.<br />

INTERVIEW: Hatte Sie mit dieser Vermutung Recht?<br />

OZON: (lacht) Diese Marie Georgette aus meiner<br />

Geschichte war sehr hässlich. Gleiches traf auch auf<br />

meine Lehrerin zu. Vermutlich dachte sie deswegen,<br />

es ginge um sie. Irgendwann wurde sie krank,<br />

<strong>und</strong> wir bekamen eine neue, jüngere Lehrerin, die<br />

mir viel bessere Noten gegeben hat. Das war übrigens<br />

der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass meine<br />

Arbeit niemals allen gefallen wird.<br />

INTERVIEW: Haben Ihre Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Verwandten<br />

manchmal die Befürchtung, sich in einem Ihrer<br />

Filme wiederzufinden?<br />

OZON: Meine Werke sind nicht sehr biografisch,<br />

ich vermische Fiktion <strong>und</strong> Realität eigentlich<br />

nicht. Wenn das doch mal vorkommt,<br />

fühlen sich die Leute meistens eher geschmeichelt<br />

… nicht so wie meine Lehrerin.<br />

INTERVIEW: Sie haben mal gesagt, Filme über Männer<br />

seien langweiliger als über Frauen. Hat sich da<br />

Ihre Meinung geändert?<br />

OZON: Ich finde es einfacher, mit Schauspielerinnen<br />

zu drehen, weil die meistens nicht so große<br />

Egos haben wie ihre männlichen Kollegen. Frauen<br />

sind es wohl eher gewöhnt zu verführen.<br />

Männer sind oft Dickköpfe.<br />

<strong>Interview</strong> KATHARINA BÖHM<br />

JETZT IM KINO:<br />

IN IHREM HAUS VON FRANÇOIS OZON<br />

„WOVOR<br />

HABEN<br />

SIE ANGST?”<br />

Die Komikerin<br />

SARAH SILVERMAN<br />

spricht übers Bettnässen<br />

<strong>und</strong> ihre Liebe zu Jesus<br />

INTERVIEW: Hallo, Frau Silverman, hören Sie mich?<br />

SARAH SILVERMAN: Ja, hier ist Sarah! Wie geht es<br />

Ihnen?<br />

INTERVIEW: Danke, gut. In der Leitung liefen Disney-Songs,<br />

während ich gewartet habe.<br />

SILVERMAN: Ja, die habe ich auch gehört. Ganz<br />

schön peppig.<br />

INTERVIEW: Welchen Disney-Film mögen Sie am<br />

liebsten?<br />

SILVERMAN: Oh my gosh! Obwohl, warten Sie mal:<br />

Von den neueren mochte ich Up sehr gerne. Ansonsten<br />

gefällt mit der ganze Micky- <strong>und</strong> Minnie-Maus-<br />

Fantasiekram. Die Schöne <strong>und</strong> das Biest war auch sehr<br />

schön.<br />

INTERVIEW: Und ihre liebste fiktive Figur?<br />

SILVERMAN: Von Disney?<br />

INTERVIEW: Wie Sie möchten.<br />

SILVERMAN: Hmm. Meine liebste fiktive Figur ist<br />

dann wohl Jesus. Und natürlich meine eigene Rolle<br />

Vanellope von Schweetz! Es hat großen Spaß gemacht,<br />

sie zu spielen.<br />

INTERVIEW: Vanellope, der Sie in dem neuen Pixar-<br />

Film Ralph reicht’s Ihre Stimme geben, sieht Ihnen<br />

ein bisschen ähnlich.<br />

SILVERMAN: Ja, als ich sie das erste Mal sah, mit diesen<br />

Augenbrauen, dem Pferdeschwanz <strong>und</strong> dem Kapuzenpulli,<br />

kam es mir vor, als würde ich die Tochter<br />

treffen, die ich vergessen habe zu bekommen.<br />

INTERVIEW: Vanellope lebt in einem Videospiel.<br />

Spielen Sie selbst auch?<br />

SILVERMAN: In letzter Zeit weniger, aber ich bin damit<br />

aufgewachsen. In meiner Heimatstadt hatten wir<br />

einen Spielautomaten, mit dem wir immer gespielt<br />

haben. Einen Atari hatten wir auch. Heute lasse ich<br />

lieber die Finger von solchen Sachen. Vor ein paar<br />

Jahren war ich allerdings abhängig von dem Spiel<br />

Golden Eye von Nintendo. Irgendwann wurde<br />

es etwas unges<strong>und</strong>.<br />

INTERVIEW: Haben Sie weitere Gemeinsamkeiten<br />

mit Ihrem Filmcharakter?<br />

SILVERMAN: Vanellope möchte Rennfahrerin<br />

sein, aber man lässt sie nicht, weil<br />

sie eine Störung hat <strong>und</strong> nicht fahren<br />

kann. Dafür schämt sie sich.<br />

Ich kann mich damit identifizieren.<br />

Ich war Bettnässerin,<br />

bis ich Teenager<br />

war, irgendwann musste<br />

ich in ein Ferienlager,<br />

es war sehr erniedrigend.<br />

Vanellope versucht im Film,<br />

ihre Schwäche zu ihrer Stärke<br />

werden zu lassen. Es ging mir<br />

ähnlich, als ich angefangen habe,<br />

Stand-up-Comedy zu machen. Mich<br />

vor fremde Leute<br />

zu stellen war<br />

nichts mehr im<br />

Vergleich mit dem<br />

Bettnässen. Danach<br />

war ich erst mal ziemlich<br />

furchtlos.<br />

INTERVIEW: Und<br />

wovor haben Sie<br />

heute Angst?<br />

SILVERMAN: Heute<br />

wäre meine größte<br />

Angst wahrscheinlich,<br />

dass mir meine Rechte als<br />

Frau aberkannt werden<br />

oder meine Fre<strong>und</strong>e nicht<br />

Fotos: MUSIC BOX FILMS/Kobal Collection/fotofinder; Taylor Hill/Getty Images; Jeff Kravitz/Getty Images; 2012 Sony Pictures Releasing GmbH; Dave J Hogan/Getty Images<br />

dieselben Rechte haben wie ich. Und ich habe immer<br />

noch ein bisschen Flugangst.<br />

INTERVIEW: Oh, wie sind Sie denn nach New York<br />

gekommen?<br />

SILVERMAN: Ich bin geflogen (lacht). Ich greife meistens<br />

nach dem Arm meines Sitznachbarn oder mache<br />

etwas Yoga.<br />

INTERVIEW: Im Flugzeug?<br />

SILVERMAN: Nein, davor. Ich bin eine von diesen<br />

Verrückten, die in der Warteschlange stehen <strong>und</strong><br />

sich dehnen.<br />

<strong>Interview</strong> KATHARINA BÖHM<br />

RALPH REICHT’S STARTET AM 6. DEZEMBER<br />

„WER KAUFT DIE<br />

GESCHENKE?”<br />

Der kanadische Sänger<br />

MICHAEL BUBLÉ<br />

ist vernarrt in deutsche<br />

Weihnachtsmärkte<br />

<strong>und</strong> Lebkuchenherzen<br />

INTERVIEW: Michael, stimmt es, dass bei Ihnen die<br />

Weihnachtssaison bereits nach Halloween beginnt?<br />

MICHAEL BUBLÉ: Was? (lacht) Obwohl, das kommt<br />

hin, wobei, eigentlich fängt es schon früher an. Ich<br />

würde sagen, Weihnachten beginnt bei mir im Juni,<br />

da fange ich an, mich darauf zu freuen. Die Nachwirkungen<br />

dauern bei mir auch einige Monate. Also<br />

wenn man es genau nimmt, könnte man sagen, dass<br />

ich eigentlich immer in Weihnachtsstimmung bin.<br />

INTERVIEW: Ist das nicht ein wenig übertrieben?<br />

BUBLÉ: Nein, überhaupt nicht. Weihnachten ist doch<br />

toll. Die Leute sind nett zueinander. Man hat viele<br />

Gäste, man isst zu viel, man trinkt zu viel Alkohol, es<br />

gibt Geschenke. Ich sehe nichts, was daran schlecht<br />

wäre.<br />

INTERVIEW: Wie viele Gäste haben Sie denn?<br />

BUBLÉ: Im vergangenen Jahr waren wir 80.<br />

INTERVIEW: Wie viele?<br />

BUBLÉ: Ja, die Familie meiner<br />

Frau aus Argentinien, meine<br />

Familie <strong>und</strong> dann noch<br />

Fre<strong>und</strong>e aus aller Welt.<br />

INTERVIEW: Und kriegen die alle<br />

Geschenke? Und wenn ja, wer<br />

kauft die?<br />

BUBLÉ: Nein, nicht alle. Bei der Bescherung<br />

sind nur noch 20, 30 Leute<br />

dabei.<br />

INTERVIEW: Das sind immer noch<br />

eine Menge Geschenke, man hat ja<br />

nicht für jeden Einzelnen die zündende<br />

Idee.<br />

BUBLÉ: Ja, aber die Geschenke sind eigentlich<br />

nicht so wichtig. Da geht es eher<br />

um die Geste. Wir haben doch schon alles,<br />

was wir uns jemals gewünscht haben.<br />

INTERVIEW: Was denken Sie, wenn man Ihnen<br />

seltsame Geschenke macht?<br />

SMALLTALK<br />

BUBLÉ: Ich freue mich trotzdem. Außerdem schenke<br />

ich viel lieber, als dass ich Geschenke bekomme.<br />

INTERVIEW: Michael, ich glaube, Sie sind zu nett.<br />

BUBLÉ: Aber geht es nicht allen so, dass sie lieber<br />

schenken?<br />

INTERVIEW: Ich glaube nicht. Was hören Sie denn an<br />

Weihnachten für Musik? Doch nicht Ihre eigene<br />

Weihnachtsplatte, oder?<br />

BUBLÉ: Nein, die lief vergangenes Jahr die ganze<br />

Zeit. Daran war aber meine Mutter schuld. Ich mag<br />

sonst die Weihnachtsplatten von Elvis <strong>und</strong> Bing<br />

Crosby <strong>und</strong> Nat King Cole.<br />

INTERVIEW: Gibt es ein Weihnachtslied, das Sie<br />

partout nicht ausstehen können?<br />

BUBLÉ: Lassen Sie mich überlegen … (fängt an zu singen)<br />

„Grandma got run over by a reindeer“.<br />

INTERVIEW: Oh Gott, ja, das klingt wirklich nicht<br />

nett. Das kommt bestimmt auch bei Großmüttern<br />

nicht besonders gut an.<br />

BUBLÉ: Genau. Aber wenn ich schon mal jemanden<br />

aus Deutschland am Telefon habe, muss ich Ihnen<br />

erzählen, was bei mir gut ankommt: deutsche Weih-<br />

nachtsmärkte!<br />

INTERVIEW: Was?<br />

BUBLÉ: Ja, im Ernst. Ich liebe deutsche Weihnachtsmärkte.<br />

Ich liebe die Stimmung dort, ich liebe es, mit<br />

meinen Fre<strong>und</strong>en Glühwein zu trinken.<br />

INTERVIEW: Ach!<br />

BUBLÉ: Ja, ich freue mich schon darauf, wieder<br />

auf den Weihnachtsmarkt zu gehen.<br />

Meine Frau will auch mitkommen.<br />

Und ich bin gerade dabei, meine<br />

Schwiegermutter zu überreden.<br />

Es ist magisch.<br />

INTERVIEW: Ich kann das<br />

kaum glauben.<br />

BUBLÉ: Doch, es stimmt aber.<br />

Dion, bist du mit in der Leitung?<br />

Hast du uns zugehört?<br />

DION SINGER (VICE PRESIDENT WARNER<br />

MUSIC): Ja, ich war zwar gerade auf YouTube,<br />

aber ich habe mitgehört.<br />

BUBLÉ: Dann erklär doch bitte Harald, dass ich<br />

keinen Quatsch erzähle.<br />

SINGER: Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich in ein<br />

paar Wochen nach Deutschland reise<br />

<strong>und</strong> der Besuch auf einem Weihnachtsmarkt<br />

fest eingeplant ist.<br />

BUBLÉ: Sehen Sie?! Ich bin nicht der<br />

Einzige. Ich liebe Bratwurst <strong>und</strong> diese<br />

riesigen Lebkuchen mit dem langen<br />

Band <strong>und</strong> dem Spruch drauf.<br />

SINGER: Unsere deutschen<br />

Fre<strong>und</strong>e machen<br />

immer Witze über uns,<br />

weil wir die Dinger<br />

essen.<br />

INTERVIEW: Sie essen<br />

die? Die sind<br />

nicht zum Essen!<br />

BUBLÉ: Ja, das wissen<br />

wir jetzt auch.<br />

Aber wir finden das<br />

alles so toll.<br />

<strong>Interview</strong><br />

HARALD PETERS<br />

MICHAEL BUBLÉS<br />

CHRIST-<br />

MAS<br />

ERSCHIEN 2011<br />

„KEINE CHANCE<br />

FÜR EINEN<br />

SCHWULEN<br />

BOND?”<br />

Der Schauspieler<br />

DANIEL CRAIG<br />

verrät, warum er<br />

in <strong>Interview</strong>s gerne lügt<br />

INTERVIEW: Mr Craig, James<br />

Bond hat in den vergangenen<br />

Jahren einige Veränderungen<br />

durchmachen müssen.<br />

Er trinkt mittlerweile<br />

nicht<br />

mehr nur<br />

Wodka-Martini,<br />

sondern auch<br />

Heineken. Wird er<br />

bald Tee oder<br />

Milch trinken?<br />

VOLL SCHWUL: JAMES BOND<br />

AUF EINEM MOTORRAD<br />

DANIEL CRAIG: Vielleicht, wenn ein Schluck<br />

Brandy drin ist.<br />

INTERVIEW: Was ist schwieriger, einen Betrunkenen<br />

zu spielen oder eine Liebesszene?<br />

CRAIG: Einen Betrunken in einer Liebesszene mit<br />

Explosionen im Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> jemand klopft an<br />

die Tür (lacht).<br />

INTERVIEW: Wird es in einem zukünftigen Bond-<br />

Film jemals …<br />

CRAIG: … fliegende Autos geben? Ja, das wird es<br />

(lacht).<br />

INTERVIEW: … jemals einen männlichen Bösewicht<br />

geben, mit dem Bond wirklich ins Bett gehen wird?<br />

CRAIG: Nein.<br />

INTERVIEW: Aber in Skyfall spricht er doch darüber,<br />

dass er mal mit einem Mann im Bett war. Immerhin<br />

fummelt sein Gegenspieler Silva ganz schön an ihm<br />

herum.<br />

CRAIG: Aber da reden wir doch alle drüber (lacht).<br />

INTERVIEW: Keine Chance für einen schwulen Bond?<br />

CRAIG: Das würde ich so nicht sagen. Aber meine<br />

Version von ihm ist nicht schwul. Und ich glaube<br />

auch nicht, dass Javier Bardems Silva schwul ist.<br />

INTERVIEW: Hatten Sie Angst vor der Reaktion des<br />

Publikums?<br />

56<br />

57


CRAIG: Nein, für mich ist die Szene ein weiterer<br />

Beweis dafür, dass Bond sehr selbstsicher ist. Er<br />

versteht seinen Gegner <strong>und</strong> behält Oberwasser.<br />

Übrigens mussten Javier <strong>und</strong> ich viel kichern, als wir<br />

sie gespielt haben.<br />

INTERVIEW: Und wie fühlte es sich an, die Queen als<br />

Bond-Girl bei der Eröffnung der Olympiade an Ihrer<br />

Seite zu wissen?<br />

CRAIG: Die Queen als Bond-Girl … Ich bin mir<br />

nicht sicher, ob sie diesen Titel wirklich mögen würde!<br />

(lacht)<br />

INTERVIEW: Aber wie war die Queen denn nun?<br />

CRAIG: Sie war lustig <strong>und</strong> liebenswürdig. Sehr professionell.<br />

Pünktlich. Wir haben ein wenig improvisiert,<br />

dann fiel die Klappe, <strong>und</strong> sie war zurück in ihrem<br />

Wohnwagen.<br />

INTERVIEW: Das letzte Mal, als Sie in Berlin waren,<br />

haben Sie erzählt, dass Sie ab jetzt nur noch Mikael<br />

Blomkvist aus Stieg Larssons Trilogie spielen<br />

werden <strong>und</strong> James Bond. Sonst nichts. Ist das noch<br />

aktuell?<br />

CRAIG: Habe ich das erzählt? Ich lüge in <strong>Interview</strong>s.<br />

Ich erfinde gerne Antworten, wenn ich nicht weiß,<br />

was ich sagen soll.<br />

<strong>Interview</strong> NINA SCHOLZ<br />

JETZT IM KINO:<br />

SKYFALL<br />

„WAS<br />

SAGT<br />

IHRE<br />

MUTTER<br />

DAZU?”<br />

Motocrosser<br />

TRAVIS<br />

PASTRANA<br />

springt<br />

ohne<br />

Fallschirm<br />

in die<br />

Tiefe<br />

SMALLTALK<br />

INTERVIEW: Sie haben zehnmal Gold bei den<br />

X-Games gewonnen, sind der erste Mensch, der einen<br />

doppelten Rückwärtssalto mit dem Motorrad<br />

sprang <strong>und</strong> touren durch die Welt mit einer Horde<br />

Adrenalinjunkies, die sich Nitro Circus nennen –<br />

welcher Teil Ihres Körpers schmerzt heute besonders?<br />

TRAVIS PASTRANA: Nur die Schulter. Nachdem ich<br />

sie mir jeden dritten Tag ausgekugelt hatte, wurde es<br />

Zeit für einen Eingriff.<br />

INTERVIEW: Welche Knochen haben Sie denn noch<br />

nicht gebrochen?<br />

PASTRANA: Schädel <strong>und</strong> Genick. Ansonsten wurde<br />

schon überall operiert: linker Fuß, rechtes Schienbein,<br />

beide Knie, Hüfte, Becken, Wirbelsäule, so<br />

ziemlich alle Rippen, Handgelenke, Elle, Speiche,<br />

beide Ellenbogen, beide Schultern <strong>und</strong> Schlüsselbeine.<br />

Wenn man sich das so als Liste anschaut, klingt<br />

es, als wäre ich ein Krüppel (lacht).<br />

INTERVIEW: Was Sie nicht davon abgehalten hat, mit<br />

dem Motorrad in den Grand Canyon zu springen.<br />

PASTRANA: Nein, zumal das wirklich Spaß bringt!<br />

Erst mit Vollgas über die Rampe, dann irgendwann<br />

loslassen <strong>und</strong> den Fallschirm ziehen. Leider habe ich<br />

bei einem Sprung zu lange dem Motorrad nachgeschaut<br />

<strong>und</strong> erst, als das unter mit zerschellte, die<br />

Reißleine gezogen. Als sich der Fallschirm endlich<br />

geöffnet hatte, polterte ich schon den Hang runter.<br />

INTERVIEW: Was hat denn Ihre Mutter dazu gesagt?<br />

PASTRANA: Sie hat sich daran gewöhnt. Als ich mir<br />

mit 14 bei einem Sturz die Wirbelsäule zwei Zentimeter<br />

ins Becken reingerammt hatte <strong>und</strong> komatös im<br />

Krankenhaus lag, fragte sie mich sehr besorgt: „Travis,<br />

ist es das wert?“ Woraufhin ich immer nur murmelte:<br />

„Ja, Mom, ich muss das machen.“ Seither lässt<br />

sie mich in Ruhe.<br />

INTERVIEW: Sie hätten im Rollstuhl landen können.<br />

PASTRANA: Da saß ich ziemlich lang drin. Es gibt<br />

meines Wissens nur drei Menschen in Amerika, die<br />

nach dieser Verletzung wieder laufen gelernt haben.<br />

INTERVIEW: Um dann, zehn Jahre später, ohne Fallschirm<br />

aus einem Flugzeug zu springen.<br />

PASTRANA: Das war in der Tat ein wenig krass. Man<br />

sieht es im Video nicht wirklich – aber da hatte ich<br />

schon Schiss. Die Idee war, dass ich mich irgendwann<br />

bei einem Kumpel einhake <strong>und</strong> er mich wie bei<br />

einem Tandemsprung heil mit nach unten bringt.<br />

INTERVIEW: Würden Sie das noch mal wagen?<br />

PASTRANA: Eher nicht.<br />

INTERVIEW: Ihr Kollege Felix Baumgartner stürzte<br />

sich gerade aus einem Ballon von Rande des Alls<br />

zurück auf die Erde. Was halten Sie von so einem<br />

Stunt?<br />

PASTRANA: Eine geniale PR-Aktion! Für Felix <strong>und</strong><br />

für Red Bull. Persönlich finde ich manche seiner<br />

Base-Jumps krasser, auch wenn diese nicht so medial<br />

ausgeschlachtet wurden.<br />

INTERVIEW: Vielleicht können Sie ja ihren Sponsoren,<br />

den Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz,<br />

überreden, dass er Sie zum Mond fliegt, um dort ein<br />

paar Rückwärtssaltos zu versuchen.<br />

PASTRANA: Wenn er mich hochfliegt, breche ich alle<br />

Rekorde. Zehnfach, zwölffach, zwanzigfach – egal,<br />

dann geht alles!<br />

<strong>Interview</strong><br />

JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

400 MILLIONEN PLATTEN:<br />

NANA MOUSKOURI!<br />

„AM GANG<br />

ODER<br />

FENSTER?”<br />

Die Sängerin<br />

NANA MOUSKOURI<br />

erzählt, dass sie<br />

nie Schnecken <strong>und</strong><br />

Knoblauch im<br />

Kühlschrank hat<br />

INTERVIEW: Wo wohnen Sie dieser Tage?<br />

NANA MOUSKOURI: In Genf, Paris <strong>und</strong> Athen.<br />

INTERVIEW: Was bevorzugen Sie: Haus oder<br />

Wohnung?<br />

MOUSKOURI: Am liebsten beides: Haus <strong>und</strong><br />

Wohnung!<br />

INTERVIEW: Wie viele Zimmer brauchen Sie?<br />

MOUSKOURI: Ein paar Zimmer.<br />

INTERVIEW: Wie viele Badewannen?<br />

MOUSKOURI: Mehrere.<br />

INTERVIEW: Haben Sie Haustiere?<br />

MOUSKOURI: Nö.<br />

INTERVIEW: Wie reisen Sie am liebsten?<br />

MOUSKOURI: Im Auto. Oder im Bus.<br />

INTERVIEW: Was für ein Auto steht in Ihrer Garage?<br />

MOUSKOURI: Ich fahre nicht selbst.<br />

INTERVIEW: Was nehmen Sie mit auf einen Langstrec<br />

k e n fl u g ?<br />

MOUSKOURI: Mein Gepäck.<br />

INTERVIEW: Am Gang oder am Fenster?<br />

MOUSKOURI: Am Gang.<br />

INTERVIEW: Der beste Ort für einen Sun-Downer?<br />

MOUSKOURI: Der Tempel des Zeus in Sounion.<br />

INTERVIEW: Last Drink?<br />

MOUSKOURI: Ein Glas Milch.<br />

INTERVIEW: Was hilft gegen den <strong>Kate</strong>r am nächsten<br />

Tag?<br />

MOUSKOURI: Nicht trinken.<br />

INTERVIEW: Was sollte man auf dem roten Teppich<br />

vermeiden?<br />

MOUSKOURI: Hinfallen.<br />

INTERVIEW: Was darf in Ihrem Kühlschrank nicht<br />

fehlen?<br />

MOUSKOURI: Milch.<br />

INTERVIEW: Was wird man nie darin finden?<br />

MOUSKOURI: Knoblauch <strong>und</strong> Schnecken.<br />

INTERVIEW: Essen Sie lieber im<br />

Restaurant oder zu Hause?<br />

MOUSKOURI: Zu Hause. Wenn<br />

mein Mann kocht.<br />

<strong>Interview</strong><br />

JÖRG<br />

HARLAN<br />

ROHLEDER<br />

Fotos: David Becker/Getty Images; Mark Shenley/Camera Press/Picture Press<br />

www.interview.de<br />

Making-Of/Shooting:<br />

FLORIAN DAVID FITZ<br />

58


Fashion<br />

Remo<br />

Ruffini<br />

Seit 60 Jahren werden<br />

die Daunenjacken<br />

von Moncler in<br />

luxuriösen Wintersportorten<br />

getragen.<br />

2003 entschied<br />

Remo Ruffini, dass seine<br />

Kleidung auch in<br />

flachere Landschaften<br />

passt – in die Mailänder<br />

Oper oder auf die<br />

Pariser Modewoche –,<br />

<strong>und</strong> lud die Designer<br />

Thom Browne <strong>und</strong><br />

Giambattista Valli zur<br />

Zusammenarbeit ein<br />

von<br />

AlionA DoletskAyA<br />

remo ruffini: Hallo. Von wo aus rufst du an?<br />

interview: Von der Datscha.<br />

ruffini: Aha. Ich fliege auch gleich nach unserem<br />

Gespräch nach Marrakesch. Über die Feiertage will<br />

ich mich ein bisschen aufwärmen.<br />

interview: Was hat dich bewogen, die Firma<br />

Moncler zu kaufen?<br />

ruffini: Mein erstes Business war ja eine kleine<br />

Marke mit Herrenoberhemden, die ich New England<br />

nannte – inspiriert von einer Rallye, die ich<br />

1983 von New York nach Kanada veranstaltet hatte.<br />

Ich wollte damals unbedingt durch diese malerische<br />

Landschaft am Ufer des Atlantiks entlang bis nach<br />

Boston, New port <strong>und</strong> Martha’s Vineyard fahren. Ich<br />

liebe den Nordosten der USA, der ja auch noch Neuengland<br />

heißt. Ich war damals 21 oder 22 Jahre alt<br />

<strong>und</strong> schielte nur nach einem: John Kennedy, dem ich<br />

dann sogar meine erste Kollektion widmete. Anfang<br />

2000 habe ich mein Geschäft verkauft, weil ich mich<br />

ein paar Jahre erholen <strong>und</strong> mich dann von Neuem<br />

finden wollte.<br />

interview: Und da stand die Kultmarke Mon cler<br />

zum Verkauf …<br />

ruffini: Genau. Ich war schon lange ein Fan von<br />

ihr. Meine erste Jacke habe ich noch Mitte der 70er-<br />

Jahre gekauft, als ich mich noch in der hippen Mailänder<br />

Jugendszene bewegte. Man nannte uns „Paninari“,<br />

weil wir Tag <strong>und</strong> Nacht in so einem angesagten<br />

Café rumhingen, das Panini verkaufte. Jacken von<br />

Moncler waren in unserem Kreis ein Statussymbol.<br />

Solche Sachen vergisst man nicht, <strong>und</strong> als der Vorschlag<br />

kam, die Marke zu kaufen, habe ich nicht lange<br />

nachgedacht. Es war unglaublich interessant, sich<br />

mit einer Firma zu befassen, die eine lange Tradition<br />

hat, <strong>und</strong> gleichzeitig neue Technologien einzusetzen.<br />

Die Jacken wogen ja mehr als drei Kilogramm, wir<br />

mussten sie leichter <strong>und</strong> modischer machen, ohne die<br />

DNA der Marke preiszugeben.<br />

interview: Und warum hast du aus einer Firma,<br />

die teure Sportkleidung herstellt, eine hypermodische<br />

gemacht?<br />

ruffini: So einfach ist das nicht. Schon vor meinem<br />

Eintritt haben sie Kollektionen mit 600 Einzelstücken<br />

hergestellt – von Pullovern über Hemden<br />

bis zu Pelzmänteln. Ich wollte mich von alldem freimachen<br />

<strong>und</strong> auf den Kern Monclers konzentrieren.<br />

Anspruch auf irgendein Modischsein habe ich aber<br />

nie erhoben. Ich finde es heute immer noch komisch,<br />

wenn Leute unsere Jacken „modisch“ nennen.<br />

interview: Aber warum arbeitest du dann mit so<br />

bekannten Designern wie Thom Browne oder Giambattista<br />

Valli zusammen?<br />

ruffini: Giambattista ist kein Designer, eher<br />

ein Träumer. Er hat eine klare Vorstellung von einem<br />

glamourösen Mädchen aus den 50er- <strong>und</strong> 60er-<br />

Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts – von jenem<br />

moncler-Chef remo ruffini<br />

Porträt milan vukmiroviC<br />

60<br />

Typ, der im Sommer auf Capri Urlaub macht <strong>und</strong> im<br />

Winter in Gstaad. Tom ist wiederum ganz anders. Er<br />

arbeitet großartig mit dem Schnitt, verändert klassische<br />

Silhouetten unter Zuhilfenahme von aktuellen<br />

Proportionen, macht dies aber mit Ironie. Was für<br />

verrückte Shows haben wir zusammen entworfen!<br />

Das ist aber alles nur Verpackung. Die Bedürfnisse<br />

unserer K<strong>und</strong>en von der Straße sind mir viel wichtiger<br />

als die Meinung von Kritikern. Ich möchte, dass<br />

die Leute unsere Jacken vier, fünf Jahre lang tragen<br />

<strong>und</strong> dann, ohne nachzudenken, auf unsere neuen<br />

zurückgreifen. Supermodische Kleidung kann man<br />

doch nach einer Saison nicht mehr sehen.<br />

interview: Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit<br />

mit Bruce Weber? Mir gefällt, dass eure<br />

Werbekampagnen eine bestimmte Stimmung schaffen<br />

<strong>und</strong> nicht nur schreien: „Kauf mich, kauf!“<br />

ruffini: Ich habe mich schon in den Achtzigern<br />

in Bruce verliebt, als ich zum ersten Mal seine Aufnahmen<br />

sah. Wir beide mögen den Stil vom Ostufer<br />

der USA: all diese Seen, die H<strong>und</strong>e, der klassische<br />

amerikanische Stil eben. Ihm muss man nichts mehr<br />

erklären. Warum soll ich mich in seine Arbeit einmischen,<br />

wenn ich so ein ideales Resultat erhalte?<br />

interview: Sag mal ehrlich, findest du – als<br />

Mann –, dass eine Frau in einer Daunenjacke sexy<br />

aussehen kann?<br />

ruffini: Ehrlich? Nein. Dafür ist sie aber sehr bequem.<br />

Natürlich, wenn ich einen gut geschnittenen<br />

Mantel trage, fühle ich mich attraktiver. Aber schau<br />

dir an, wie der aussieht, wenn du im Flugzeug gesessen<br />

hast. Der Daunenjacke von Junya Watanabe, die<br />

ich vor ungefähr zehn Jahren gekauft habe, ist nichts<br />

anzusehen – egal, was du mit ihr machst. Außerdem<br />

haben wir in der Zwischenzeit so viele verschiedene<br />

Modelle entworfen: Daunenjacke mit Businessanzug<br />

oder Abendkleid, damit braucht man sich auch in der<br />

Scala nicht zu schämen.<br />

interview: Was hältst du von den leichten Jacken<br />

der Marke Uniqlo, die denen Monclers sehr<br />

ähnlich sind, aber um einiges weniger kosten?<br />

ruffini: Weißt du, vor Kurzem war ich in einem<br />

ihrer Geschäfte <strong>und</strong> muss gestehen: Für das Preissegment<br />

machen sie gute Arbeit. Mich beunruhigt<br />

das nicht, weil wir keine Konkurrenten sind.<br />

interview: Du sprichst viel von Onlineverkauf.<br />

Kaufst du selbst im Internet ein?<br />

ruffini: Lach bloß nicht … Ja, ich habe ein eigenes<br />

Onlinegeschäft, persönlich ziehe ich aber traditionelles<br />

Shopping vor. Wahrscheinlich werde ich<br />

alt. Meine Kinder kaufen schon alles online. Ich mag<br />

jedoch flanieren, anprobieren <strong>und</strong> befühlen.<br />

interview: Hast du eigentlich irgend so ein neumodisches<br />

Gadget, ohne das du nicht mehr leben<br />

möchtest?<br />

ruffini: Ach nein! Dafür habe ich aber ein anderes<br />

Ding schon seit Jahren in der Hosentasche. Soll<br />

ich es zeigen?<br />

interview: Was ist das? Roter Pfeffer?<br />

ruffini: Nein, eine Koralle, die ich in meiner<br />

Jugend auf Capri gekauft habe. Die trage ich auch<br />

heute noch mit mir herum.<br />

interview: Kennst du eigentlich den Astronomen<br />

<strong>und</strong> Professor für theoretische Physik, der auch<br />

Remo Ruffini heißt?<br />

ruffini: Ja, aber nicht persönlich. Ich habe mal<br />

der Financial Times ein <strong>Interview</strong> gegeben, <strong>und</strong> das<br />

haben sie dann mit einem Foto von ihm illustriert.<br />

Er ist 20 Jahre älter als ich <strong>und</strong> hat einen langen<br />

Bart.<br />

Foto (linke Seite): Courtesy of Moncler<br />

Hair BrenT laWler/sTreeTers using oriBe<br />

make-up alice lane/Jed rooT, inc.<br />

using m.a.c cosmeTics<br />

model irina kraVcHenko/Ford models<br />

casting Piergiorgio del moro/sTreeTers<br />

special thanks Villain llc.<br />

61<br />

FoTo<br />

roBBie FimmAno<br />

sTYling<br />

sArAH ellison<br />

kleidung & accessoires<br />

moncler gAmme rouge<br />

HerBsT/WinTer 2012/2013


MARY<br />

KATRANTZOU<br />

ANTZOU<br />

VON<br />

MARIO EIMUTH<br />

PORTRÄT<br />

ALEX SAINSBURY<br />

Sie selbst trägt,<br />

seit sie 15 ist, nur Schwarz.<br />

Aber das sieht man<br />

den Entwürfen von<br />

MARY KATRANTZOU<br />

nicht an. Im Gegenteil:<br />

Die junge Designerin<br />

hat mit ihren bunten,<br />

pharaonenhaft symmetrischen<br />

Prints dem guten Geschmack<br />

den Kampf angesagt –<br />

<strong>und</strong> sich einen interessanten<br />

Spitznamen erarbeitet:<br />

die Leonardo da Vinci<br />

des Photoshop<br />

62<br />

ALLE KOLLEKTIONSTEILE<br />

(GESEHEN BEI STYLEBOP.COM)<br />

Fotos: STYLEBOP.com<br />

MARY KATRANTZOU<br />

HERBST/WINTER 2012/2013 63


MARIO EIMUTH: Es gibt eine Reihe von Dingen, die<br />

ich dich schon immer fragen wollte.<br />

MARy KATRAnTzOU: Ich kann’s kaum erwarten<br />

(lacht).<br />

EIMUTH: Es fängt mit deinem Namen an, von<br />

dem viele nicht wissen, woher er stammt.<br />

KATRAnTzOU: Jaja – oder wie sie ihn aussprechen<br />

sollen.<br />

EIMUTH: Wenn so viel Klischee erlaubt ist: Was<br />

ist typisch griechisch an dir?<br />

KATRAnTzOU: Ich lebe ja seit Langem in England,<br />

<strong>und</strong> es ist ein bisschen schwierig, sich von außen<br />

zu betrachten <strong>und</strong> die griechischen Charakterzüge<br />

zu erkennen. Aber die ersten 25 Jahre meines Lebens<br />

habe ich fünf Monate im Jahr auf einer griechischen<br />

Insel verbracht, die Freiheit <strong>und</strong> das Meer genossen.<br />

Das hat sich mit meinem Umzug nach London <strong>und</strong><br />

dem Studium geändert. Ich bin aber immer noch<br />

ziemlich spontan <strong>und</strong> habe ein offenes Herz. Das<br />

könnte man vielleicht griechisch nennen. Was meine<br />

Arbeit als Designerin betrifft, würde ich sagen, ich<br />

habe einen gewissen Sinn für Proportionen <strong>und</strong><br />

Symmetrie.<br />

EIMUTH: Allerdings.<br />

KATRAnTzOU: Und ich spreche schnell. Das ist<br />

auch sehr griechisch.<br />

EIMUTH: Wie bist du zur Mode gekommen?<br />

KATRAnTzOU: Ich bin jedenfalls nicht dazu erzogen<br />

worden, Modedesignerin zu sein. Aber meine<br />

Mutter war Innenarchitektin, also habe ich früh mitbekommen,<br />

was gute Gestaltung ist, auch durch<br />

Zeitschriften wie AD <strong>und</strong> The World of Interiors.<br />

Mein Vater hatte zwar eine Ausbildung als Textilingenieur<br />

<strong>und</strong> hat Strickmaschinen gebaut, dann<br />

aber einen komplett anderen Weg eingeschlagen. Als<br />

ich groß wurde, war er der Besitzer eines Versicherungsunternehmens.<br />

EIMUTH: Gab es Nachbarn oder Familien mitglieder,<br />

deren Modegeschmack dich geprägt hat?<br />

KATRAnTzOU: (lacht sehr laut) Meine Mutter ist<br />

eher der klassische Typ, der zu einem Businessmeeting<br />

ein Kostüm von Chanel anzieht. Die Griechen<br />

haben eine Schwäche für perfekte Looks. Alles<br />

muss zusammenpassen: Fingernägel, Lippenstift,<br />

Tasche <strong>und</strong> Frisur. Das ist hier in London ganz anders<br />

<strong>und</strong> wesentlich exzentrischer.<br />

EIMUTH: Was ist das erste wichtige Kleidungsstück,<br />

an das du dich erinnerst? Irgendwas, ein gelber<br />

Regenmantel zum Beispiel …<br />

KATRAnTzOU: Ah, der gelbe Regenmantel! Ich<br />

hatte einen von Disneyland. Aber ehrlich gesagt: Seit<br />

ich 15 Jahre alt bin, habe ich ausschließlich Schwarz<br />

getragen.<br />

EIMUTH: Wer waren deine Vorbilder <strong>und</strong> Stilikonen?<br />

KATRAnTzOU: In den Achtzigern war Versace in<br />

Griechenland richtig groß. Die Leute zogen sich<br />

sehr auffällig <strong>und</strong> extravagant an: goldene Ohrringe,<br />

sonnenblonde Haare, verrückte Farben. Bei Popstars<br />

ist es ein bisschen schwierig …<br />

EIMUTH: Gibt es überhaupt griechische Popstars?<br />

KATRAnTzOU: Ich für meinen Teil habe Nirvana<br />

<strong>und</strong> The Smiths gehört. Und dann gab es natürlich<br />

noch Britney (Spears). Bei uns in Griechenland kam<br />

alles mit zwei Jahren Verspätung an.<br />

EIMUTH: War das einer der Gründe für dich,<br />

nach London zu gehen? Hast du dich ins Nachtleben<br />

gestürzt?<br />

KATRAnTzOU: Keine Zeit. Das Studium am<br />

St. Martins war superanstrengend, <strong>und</strong> als ich meine<br />

eigene Firma gegründet habe, ging es sowieso nicht<br />

mehr. Ich bin seit zehn Jahren mit meinem Fre<strong>und</strong><br />

zusammen <strong>und</strong> wollte es auch bleiben. Irgendetwas<br />

muss man opfern. In meinem Fall ist es das Partyleben<br />

in London. Ich komme höchstens mal vor die<br />

Tür, wenn mich jemand zu einem Geburtstag mitschleppt.<br />

EIMUTH: Woher hattest du das Selbstvertrauen, direkt<br />

nach dem Studium dein eigenes Label zu gründen?<br />

KATRAnTzOU: Hatte ich ja nicht. Das war vielleicht<br />

der Trick.<br />

EIMUTH: Du zählst zu einer neuen Generation von<br />

“<br />

radikalen neuen Designern, die man extremists nennt …<br />

KATRAnTzOU: Ich bin keine Extremistin. Und<br />

auch keine Maximalistin, wie viele glauben. Ich selbst<br />

würde mich als Modernistin bezeichnen. Natürlich<br />

ist meine Mode dekorativ, wegen der Farben <strong>und</strong> der<br />

Es gibt keine<br />

klar definierten Trends<br />

mehr in der Mode.<br />

Davon profitieren<br />

wiedererkennbare<br />

Designer. Obwohl ich<br />

eine Newcomerin<br />

bin, ist meine Mode<br />

unverwechselbar<br />

”<br />

– Mary Katrantzou<br />

Muster. Aber ich mag es nicht funky, sondern clean,<br />

modern <strong>und</strong> architektonisch.<br />

EIMUTH: Man hat dich den Leonardo da Vinci<br />

des Photoshop genannt …<br />

KATRAnTzOU: Was für ein unglaublicher Spitzname!<br />

EIMUTH: Wann hast du dich in den Computer<br />

verliebt?<br />

KATRAnTzOU: Das war in meinem letzten Studienjahr,<br />

als ich merkte, dass ich mit normaler Drucktechnik<br />

nicht die Bilder hinkriege, die ich im Kopf<br />

hatte. Ich habe mir dann Photoshop selbst beigebracht.<br />

Deswegen treffe ich auch immer wieder Leute,<br />

die in 20 Minuten das machen können, wofür ich<br />

drei Tage brauche. In gewisser Weise arbeite ich sehr<br />

altmodisch. Als ich meinen Fre<strong>und</strong> kennenlernte,<br />

hatte ich noch nicht einmal einen E­Mail­Account –<br />

<strong>und</strong> das war im Jahr 2002! Ich habe mich an die moderne<br />

Technik gewöhnt <strong>und</strong> arbeite damit, aber<br />

64<br />

wenn du meinen Fre<strong>und</strong> fragst, bin ich technologisch<br />

total zurückgeblieben.<br />

EIMUTH: Auf den Prints deiner neuen Kollektion<br />

sind alte Briefmarken <strong>und</strong> Banknoten zu sehen. Bist<br />

du eine verkappte Nostalgikerin?<br />

KATRAnTzOU: Das hat mir bis zu dieser Kollektion<br />

wirklich noch niemand vorgehalten. Natürlich<br />

sind alte Banknoten aus fernen Ländern irgendwie<br />

nostalgisch. Aber mir ging es darum, etwas, das<br />

nichts mit unserer Gegenwart zu tun hat, doch wieder<br />

gegenwärtig aussehen zu lassen – in die Zukunft<br />

zu schauen, indem ich die Vergangenheit betrachte.<br />

EIMUTH: Du hast einige Couture­K<strong>und</strong>innen,<br />

was bei einer Designerin deiner Generation ein bisschen<br />

ungewöhnlich ist. Wo hast du die gef<strong>und</strong>en?<br />

Und wozu braucht man heute noch Haute Couture?<br />

Katrantzou: Man könnte eher sagen, die haben<br />

uns gef<strong>und</strong>en. Das läuft meist über Geschäfte,<br />

mit denen wir zusammenarbeiten. Diese K<strong>und</strong>innen<br />

sind Frauen, die ein Kleid als ein Kunstwerk begreifen.<br />

Sie tragen es vielleicht nur einmal, aber sie bew<strong>und</strong>ern<br />

die Arbeit <strong>und</strong> Mühe, die darin stecken.<br />

EIMutH: Bei Stylebop analysieren wir sehr genau<br />

die sogenannten buying patterns. Dabei haben wir bemerkt,<br />

wie wichtig Individualismus <strong>und</strong> Einzigartigkeit<br />

bei Kaufentscheidungen geworden sind …<br />

Katrantzou: Das glaube ich sofort. Es gibt keine<br />

klar definierten Trends mehr in der Mode. Davon<br />

profitieren die herausragenden, wiedererkennbaren<br />

Designer. Bei mir kam dazu, dass ich mit diesen starken<br />

Prints arbeite. Obwohl ich eine Newcomerin<br />

bin, ist meine Mode unverwechselbar.<br />

Mary Katrantzou In IHrEM atElIEr,<br />

london, IM HErbst 2012<br />

EIMutH: Durch das Internet hat jeder Zugang zu<br />

Informationen <strong>und</strong> kann Produkte aus der ganzen<br />

Welt bestellen. Wie verändert das die Mode?<br />

Katrantzou: Deine Kollektion wird nicht nur<br />

von professionellen Modekritikern gesehen <strong>und</strong> besprochen,<br />

sondern von der ganzen Welt. Meine Generation<br />

kennt es nicht anders. Und als Designerin<br />

bin ich viel näher an meinem Publikum: Man kann<br />

meine Kleider überall kaufen, <strong>und</strong> ich kriege viel direkteres<br />

Feedback.<br />

EIMutH: Was sind deine schlimmsten Eigenschaften?<br />

Katrantzou: Ich bin stur, fordernd <strong>und</strong> ein absoluter<br />

Kontrollfreak.<br />

EIMutH: Das ist doch aber ganz gut fürs Geschäft<br />

…<br />

65<br />

Katrantzou: Weiß nicht. Neulich im Urlaub<br />

hatte ich eine Ohrenentzündung <strong>und</strong> konnte nichts<br />

hören. Das hat mich wahnsinnig gemacht, weil ich<br />

meine Umgebung nicht im Griff hatte.<br />

EIMutH: Na ja, das wird schon. Wie <strong>und</strong> wann<br />

<strong>und</strong> womit entspannst du?<br />

Katrantzou: Nie. Oder im Flugzeug.<br />

EIMutH: Was ist dein Erfolgsgeheimnis?<br />

Katrantzou: Große Pläne. Und trotzdem die<br />

kleinen Dinge schätzen. Das klingt ein bisschen<br />

schlicht, fürchte ich. Aber ein größeres Motto habe<br />

ich noch nicht gef<strong>und</strong>en.<br />

EIMutH: Danke. Das war’s.<br />

Katrantzou: (lacht) Das habe ich mir schlimmer<br />

vorgestellt.


Beauty<br />

Entscheidungshilfe<br />

von Brad Pitt<br />

Diskutiert werDen:<br />

Der Vorteil Von 30-ml-Flakons,<br />

Das allererste testimonial<br />

Der DuFtBranche unD missglückte<br />

olFak torische kampagnen<br />

in Fahrstühlen<br />

Im Uhrzeigersinn:<br />

delUxe ParfUm ComPaCt<br />

von Bottega Veneta, um 150 euro<br />

ValentIna Body SCrUB<br />

von ValentIno, um 65 euro<br />

neCklaCe and SolId PerfUme<br />

von Chloé, um 60 euro, limitiert<br />

PaPIer enCenS aqUa UnIVerSalIS<br />

von maISon franCIS kUrkdjIan,<br />

um 22 euro<br />

VaPorISateUr Cadena kann mit den<br />

7,5-ml-extraits von “24 faubourg”, “kelly<br />

Calèche”, “eau des merveilles” <strong>und</strong> “Calèche”<br />

befüllt werden. Von hermèS, Schloss um<br />

68 euro, füllung je um 80 euro<br />

Body PUrSe SPray<br />

von BUrBerry, 3 x 15 ml, um 60 euro<br />

Pouf von ernSt SChwadron<br />

über wohnkultur66.de<br />

Foto roBin kranz & Volker hoBl<br />

66<br />

eine kolumne von Bettina Brenn<br />

Zum Jahresende duftet die Welt nicht nur nach Lebkuchen,<br />

Gänsebraten <strong>und</strong> überzogenen Kreditkarten. Sondern<br />

auch nach Jasmin, Vanille, Orangenblüten <strong>und</strong> Amber.<br />

Weil duftende Geschenke vor allem neu sein sollten, werden<br />

jährlich um 250 Parfums lanciert. Und weil ein Parfum so ungeheuer<br />

persönlich ist (<strong>und</strong> damit die Fehlerquote bei verschenkten<br />

Düften eher hoch), verkaufen sich die kleinen 30-ml-Flakons besonders<br />

gut – es handelt sich dabei also auf keinen Fall um Geiz,<br />

sondern um Risikominimierung.<br />

In den vergangenen Jahren hat sich die fürsorgliche Beautybranche<br />

um Entscheidungshilfen bemüht: Bei den großen Duftkampagnen<br />

haben internationale Filmstars klassische Models abgelöst.<br />

Ist die Beschenkte vielleicht Fan der Twilight-Saga? Dann<br />

passt möglicherweise der neue Balenciaga-Duft „Florabotanica“ zu<br />

ihr, für den Kristen Stewart wirbt. Oder ist sie kompromisslos wie<br />

Shootingstar Jessica Chastain? Dann wäre YSLs „Manifesto“ zu<br />

empfehlen. Aber vielleicht liebt sie es auch so glamourös wie Hollywood-Darling<br />

Julia Roberts mit „La vie est belle“ von Lancôme.<br />

Ganz neue Wege geht das stets richtungsweisende Label aus der<br />

Rue Cambon: Chanel. Marilyn Monroe, die in einem <strong>Interview</strong><br />

verriet: „Im Bett trage ich nichts außer einem Hauch ‚Chanel<br />

No. 5‘“, lieferte die Vorlage für die Kampagnen eines der erfolgreichsten<br />

Parfums der Duftgeschichte. In den Jahrzehnten danach<br />

folgten Diven wie Catherine Deneuve, Carole Bouquet oder Nicole<br />

Kidman. Inzwischen ist der Mythos dieses Dufts so gigantisch, dass<br />

man sich fragt, wer hier eigentlich wem hilft.<br />

Dieses Jahr jedoch ist es kein weiblicher Superstar, sondern<br />

Brad Pitt, der als erster Mann für ein Frauenparfum wirbt – inszeniert<br />

in einem sphärischen Spot des britischen Kult-Regisseurs Joe<br />

Wright. Und ja, man möchte die Frau sein, die den Duft trägt, von<br />

dem Brad Pitt mit seiner rauchigen Stimme schwärmt. Nur das<br />

Wort am Ende bereitete mir persönlich Schwierigkeiten, denn ich<br />

habe es auch beim x-ten Mal nicht verstanden. Zum Glück ist der<br />

Spot mit Untertiteln versehen: Inevitable – englisch für „unumgänglich“<br />

– klingt bei Pitt beinahe französisch! Das ist fast eine neue<br />

Dimension des Method-Acting!<br />

Brad Pitt beschreibt, dass, egal wo er hingeht, bereits ein Hauch<br />

von „No. 5“ in der Luft liegt. Erstaunlich, wie viele Menschen nicht<br />

zwischen einem Hauch <strong>und</strong> einer Wolke unterscheiden. Man kennt<br />

die Situation: Ein voll besetzter Fahrstuhl, <strong>und</strong> eine Person steigt<br />

zu – Schnappatmung! Die Menge der duftenden Moleküle scheint<br />

den Sauerstoff zu überlagern. Ganz egal, wie erlesen ein Duft sein<br />

mag. Die Marke Abercrombie & Fitch hat es geschafft, eine neue<br />

Dimension der Geruchsbelästigung im öffentlichen Raum zu schaffen.<br />

Unendliche Schlangen vor der Tür, umrahmt von gut gebauten,<br />

halb nackten Männermodels – <strong>und</strong> ein Parfumwind, der einem<br />

von Weitem entgegenweht: Welcome to the World of Abercrombie<br />

& Fitch! Über der Tür eingebaute Düsen versprühen in regelmäßigen<br />

Abständen den Duft „Fierce“ auf den Bürgersteig. So auch<br />

in der Poststraße in der Hamburger Innenstadt. Das passte den<br />

Kaufeuten <strong>und</strong> Anwohnern im Umkreis gar nicht. Sie führten eifrig<br />

Duftprotokolle <strong>und</strong> erreichten, dass A & F seine großfächige<br />

(Außen-)Raumbeduftung zurückfahren musste. Die Amerikaner<br />

hätten den französischen Großmeister Francis Kurkdjian um Rat<br />

fragen sollen, der mit duftenden Opern, Wasserfontänen <strong>und</strong> Seifenblasen<br />

die Menschen nicht belästigt, sondern verzaubert (wir<br />

berichteten darüber). Wer weiß, vielleicht hätte Herr Kurkdjian<br />

den Hamburgern ja eine duftende Alster-Fontäne beschert …<br />

Foto-assistenz annemone seiDel<br />

retusche primate postproDuction


von<br />

Dinos chapman<br />

Fotos<br />

crAig mcdeAn<br />

styling<br />

kArl templer<br />

hair<br />

eugene souleimAn<br />

eugene<br />

Jacke<br />

SAcAi<br />

kopfSchmuck<br />

ANN<br />

DemeulemeeSter<br />

souleimAn<br />

69


EugEnE SoulEiman<br />

zählt zu den originellsten<br />

Haar-Stylisten, hat für<br />

Designer wie Haider Ackermann,<br />

Calvin Klein, Missoni, Prada<br />

<strong>und</strong> Jil Sander gearbeitet.<br />

Dabei ist er rein zufällig<br />

Friseur geworden, wie er<br />

DinoS CHapman verriet<br />

DINOS CHAPMAN: Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hattest du ziemlich<br />

kurzes Haar.<br />

EUGENE SOULEIMAN: Ich frisiere ständig andere Leute, deswegen will ich<br />

das nicht auch noch bei mir selbst tun. Ich mache mich nicht gerne zurecht.<br />

CHAPMAN: Das ist lustig.<br />

SOULEIMAN: Früher habe ich meine Haarfarbe ständig gewechselt. Ich hatte<br />

sie sogar mal im Leopardenmuster gefärbt. Irgendwann hat es gereicht.<br />

CHAPMAN: Du bist gerade in Melbourne, aber eigentlich lebst du in New<br />

York, oder?<br />

SOULEIMAN: Ja. Wir haben überlegt, zurück nach London zu ziehen, aber<br />

ich bekomme dort keine Aufträge.<br />

CHAPMAN: Wirklich? Was ist schiefgelaufen?<br />

SOULEIMAN: England ist eine unglaubliche Talentschmiede, aber tut sich<br />

schwer damit, die Talente dann zu halten. Sobald man Erfolg hat oder die Insel<br />

verlässt, hat man andere Ziele vor Augen.<br />

CHAPMAN: Ich habe manchmal Angst, dass ich mehr an London hänge, als<br />

mir guttut. Ich beneide Leute, die überall leben können <strong>und</strong> dort genauso gut<br />

funktionieren.<br />

SOULEIMAN: Bei mir wechselt der Arbeitsplatz ständig. Ich liebe das.<br />

CHAPMAN: Ich denke schon lange darüber nach, als Künstler in New York<br />

zu leben. Aber es verwirrt einfach, zu vielen Reizen ausgesetzt zu sein. Wenn jemand<br />

sagt: „Du machst immer die gleichen Sachen“, antworte ich: „Das ist eben<br />

mein Ding.“<br />

SOULEIMAN: Für mich ist es eine Genugtuung, wenn ich etwas richtig schnell<br />

mache. Wie zum Beispiel bei Lady Gaga. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der<br />

sich so viel bewegt, während er auf einem Stuhl sitzt. Ich habe ihr gesagt: „Deine<br />

Haare sind völlig kaputt von all den Perücken. Lass sie uns abschneiden.“ Es hat<br />

zehn Minuten gedauert.<br />

CHAPMAN: Wann hast du dir überlegt, dass du Haare schneiden willst?<br />

SOULEIMAN: Ich habe mir das nie überlegt. Du hast doch auch nie beschlossen,<br />

Künstler zu werden, oder?<br />

CHAPMAN: Ich wollte immer Künstler werden. Ich wusste nur nie, was das<br />

eigentlich heißt. Es war der Weg des geringsten Widerstands.<br />

SOULEIMAN: Bei mir war es genauso. Ich war arbeitslos, bin zum Amt gegangen<br />

<strong>und</strong> musste einen Fragebogen ausfüllen. Danach hieß es: „Sie wären ein<br />

toller Friseur.“<br />

CHAPMAN: Wahnsinn.<br />

SOULEIMAN: Warst du auf dem Goldsmiths College?<br />

CHAPMAN: Ich war auf dem Ravensbourne College of Arts. Keine besonders<br />

tolle Schule. Sie ist voll von Leuten, die sich nicht getraut haben, sich am Central<br />

Saint Martins College zu bewerben. So wie ich also.<br />

SOULEIMAN: Es hat dir anscheinend nicht geschadet. Warst du ein guter<br />

Schüler?<br />

CHAPMAN: Ich habe mich sehr angestrengt, aber niemand hat mit mir gesprochen.<br />

Ich stand jeden Tag vor dem Rektorat, wegen meiner Haare. Meine<br />

Eltern haben sich geweigert, sie abzuschneiden. Der Rektor hat immer versucht,<br />

mich deswegen vor den anderen runterzuputzen. Ich habe die Schule gehasst.<br />

SOULEIMAN: Du <strong>und</strong> dein Bruder Jake, Ihr seid tolle Künstler. Ihr habt so<br />

viele verschiedene Dinge gemacht – Skulpturen, Holzschnitte, Radierungen,<br />

Malerei, Zeichnungen, Maschinen. Es gibt nicht viele Künstler, die das können.<br />

CHAPMAN: Irgendwie sagt das mehr über andere Künstler aus als über uns<br />

selbst. Meiner Meinung nach sollte jeder Künstler alles ausprobieren.<br />

SOULEIMAN: Solange man nicht bereit ist, Fehler zu machen, wird man niemals<br />

etwas Neues erschaffen. Man muss darauf gefasst sein, sich zu blamieren.<br />

CHAPMAN: Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, Grenzen zu überschreiten. Das<br />

Leben wäre sonst ziemlich langweilig. Deshalb hat es sich auch gelohnt, mit einer<br />

dämlichen Frisur vor dem Rektorat rumzustehen.<br />

SOULEIMAN: Ich habe mich schon immer von dem inspirieren lassen, was<br />

andere Leute als geschmacklos empfinden. Ich glaube, in diesem Punkt ähneln<br />

wir uns. Guter Geschmack ist einfach nur guter Geschmack, da gibt es keine<br />

Überraschungen.<br />

CHAPMAN: Dinge, die etwas daneben sind, gefallen mir. Manchmal sind die<br />

Frisuren das Auffälligste bei einer Modenschau.<br />

SOULEIMAN: Ich finde es immer sehr amüsant, Leuten dabei zuzuhören, wie<br />

sie sich über Kunst unterhalten. Einmal habe ich in der Saatchi Gallery gehört, wie<br />

sich jemand über eines eurer Werke beschwert hat: „Das ist ja abstoßend! Nicht zu<br />

fassen.“ Ich saß grinsend daneben. Ich kam mir ein bisschen arrogant vor.<br />

CHAPMAN: Diese Leute sind schon beleidigt zur Welt gekommen. Wir<br />

schleichen uns manchmal in unsere Ausstellungen rein, um zu hören, was die<br />

Leute darüber reden. Manchmal würde man am liebsten zu ihnen gehen <strong>und</strong> sagen:<br />

„Brillant, so habe ich es noch gar nicht gesehen!“<br />

SOULEIMAN: Kunst sollte die Wertschätzung von Schönheit verändern.<br />

CHAPMAN: Genau. Wenn es nur darum geht, den kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner zu finden, kann man es sofort sein lassen.<br />

SOULEIMAN: Oder man fängt gar nicht erst damit an.<br />

Hair EUGENE SOULEIMAN FOR WELLA PROFESSIONALS/STREETERS<br />

Make-up PEP GAY FOR CHANEL/STREETERS<br />

Models MARIE PIOVESAN/MARILYN, HENNA<br />

LINTUKANGAS/FORD, MEGHAN COLLISON/NEXT<br />

Casting MICHELLE LEE/KCD, INC<br />

Photo Assistants SIMON RObERTS,<br />

HUAN NGUYEN, TEPPEI MARUOKA<br />

Styling Assistants ELLIE CAMPAGNA, KADEEM GREAVES<br />

Hair Assistants PAMELA bAUMGARTNER, YOKO SATO<br />

Retouching GLOSS STUDIO NEW YORK<br />

Special thanks INDUSTRIA SUPERSTUDIO<br />

Top<br />

Yves sAinT LAurenT<br />

70 71


Styling<br />

juliA SArr-jAmoiS<br />

Linke seite<br />

Hand oben: Blumenring „Diorette” mit<br />

verschiedenen edelsteinen Dior joaiLLerie,<br />

ring in Weißgold mit blauem topas BULGari<br />

Hand unten: Blumenring „Diorette” mit<br />

verschiedenen edelsteinen <strong>und</strong> armband<br />

„Diorette” mit Gänseblümchen Dior joaiLLerie,<br />

armband mit verschiedenen edelsteinen<br />

BULGari, sticker papercHase<br />

Diese seite<br />

Linke Hand (von links nach rechts):<br />

ringe in Weißgold mit Diamanten cHaUmet<br />

ring mit weißen Diamanten FaBerGé<br />

armband mit Diamanten<br />

<strong>und</strong> rubinen Harry Winston<br />

rechte Hand: selbe ringe,<br />

nur umgekehrt<br />

Fotos<br />

Matt irwin<br />

Mit<br />

spitzen<br />

Fingern<br />

Der Begriff “ausdrucksstarke Hände”<br />

wird hier umdefiniert:<br />

mit neuem Schmuck, Lackierungen<br />

zwischen Hippie, panDa <strong>und</strong><br />

regenBogen –<br />

<strong>und</strong> den zickigsten Krallen der Saison<br />

72<br />

73


Maniküre Sophy RobSon/StReeteRS<br />

Mit pRodukten von MAC<br />

Make-up AyAMi niShiMuRA/JuliAn WAtSon<br />

AgenCy Mit pRodukten von MAke<br />

Models ninA/hiRed hAndS, kAti elliot<br />

Foto-Assistenz/digital operator RokAS dARuliS<br />

Styling-Assistenz RoChelle bRAdy,<br />

Alex viRAthAM pulSAWAtdi<br />

Make-up-Assistenz Miyuki iShizukA<br />

Linke Seite:<br />

Hand oben: Blumenring „Diorette” mit<br />

verschiedenen edelsteinen Dior joaiLLerie<br />

ring in Weißgold mit<br />

Chalzedon tamara ComoLLi


FASHION<br />

Diamantenfieber<br />

Auch eine Brosche hat<br />

revolutionäres Potenzial.<br />

Zum 175. Geburtstag<br />

von TIFFANY erklärt<br />

der Spokesman<br />

JOHN LORING das<br />

Geheimnis des American<br />

Cut <strong>und</strong> das Phänomen<br />

Paloma Picasso<br />

INTERVIEW: Mr Loring, Sie waren 30 Jahre Creative<br />

Director von Tiffany <strong>und</strong> haben lange für Architectural<br />

Digest gearbeitet. Was hat Architektur mit Schmuck<br />

gemein?<br />

JOHN LORING: Proportionen, Farben, Harmonie,<br />

Originalität.<br />

INTERVIEW: Was ist die größere kulturelle Errungenschaft:<br />

das Haus Fallingwater von Frank Lloyd Wright<br />

oder der Tiffany-Verlobungsring von 1880?<br />

LORING: Es geht nicht um größer oder kleiner.<br />

Mr Wright hat natürlich ein überwältigendes Werk<br />

hinterlassen. Was an dem Verlobungsring so besonders<br />

ist, ist nicht das Design. Aber er ist die perfekte<br />

Ergänzung für den American Cut, einen speziellen<br />

Diamantenschliff, den Tiffany erf<strong>und</strong>en hat. Der Stein<br />

wird nicht in eine Kronenfassung gesetzt, sondern so<br />

gehalten, dass ein Maximum an Licht einfällt. Es ist<br />

ein extrem einfaches Design – <strong>und</strong> es antwortet auf<br />

ein mathematisches Problem. Wir hatten den Trick<br />

raus, wie man einen Stein schneidet. Jetzt brauchten<br />

wir die Form, die am meisten Licht zuließ. Bisher hat<br />

niemand eine bessere Lösung gef<strong>und</strong>en.<br />

INTERVIEW: Was ist das Besondere an Diamanten?<br />

Das ewige Leben?<br />

LORING: Ein Diamant ist hart <strong>und</strong> klar, der Edelstein<br />

der Moderne. Und er wurde erst sehr spät so populär.<br />

Der Ring, den Kaiser Maximilian I. im Jahr 1477 der<br />

Prinzessin Maria von Burg<strong>und</strong> schenkte, war der erste<br />

Diamantenverlobungsring der Welt. Ansonsten sieht<br />

man in den Gemälden aus der Renaissance keine Diamanten,<br />

sondern Perlen. Das liegt daran, dass man<br />

Perlen gut malen kann, Diamanten aber nicht.<br />

INTERVIEW: Wie behält eine globalisierte Firma ihre<br />

Identität?<br />

LORING: Design ist keine Frage der Stückzahlen. Und<br />

beim Design machen wir bis heute keine Kompromisse.<br />

Es gab schon Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts eine<br />

DIE DESIGNERINNEN PALOMA PICASSO UND ELSA PERETTI,<br />

TIFFANYS CREATIVE DIRECTOR JOHN LORING<br />

Tiffany Design School. Bis heute<br />

haben wir mit den berühmtesten<br />

Schmuckkünstlern der Welt gearbeitet:<br />

Jean Schlumberger, Elsa<br />

Peretti, Paloma Picasso.<br />

INTERVIEW: Wie ist Paloma Picasso?<br />

LORING: Sie brachte eine Sinnlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit<br />

ins Design, die man vorher nicht kannte. Wir<br />

haben in Amerika keine 2000 Jahre Kunstgeschichte,<br />

auf die wir zurückgreifen können. Paloma bediente<br />

sich bei der Natur, ihre Entwürfe sind natürlich <strong>und</strong><br />

organisch. Sie machte Kollektionen, die durchdacht<br />

<strong>und</strong> sorgfältig erarbeitet waren, aber auf einem Preisniveau,<br />

das für viele bezahlbar war. Und sie sprach<br />

eine neue Generation von Frauen an.<br />

INTERVIEW: Plötzlich gingen Frauen zur Arbeit,<br />

konnten ihre Sexualität selbst bestimmen, waren unabhängiger.<br />

Entwarf Paloma Picasso für Frauen, die<br />

ihren Schmuck aus eigener Tasche bezahlten?<br />

LORING: Absolut. Genau. Wissen Sie, ich kannte<br />

Paloma schon, als sie ein Teenager war. Ich bin sehr<br />

gut mit ihrer Mutter befre<strong>und</strong>et, Françoise Gilot,<br />

eine w<strong>und</strong>erbare Frau.<br />

INTERVIEW: Sie hat dieses tolle Buch über ihr Leben<br />

mit Picasso geschrieben. Auf dem Cover trägt er ihren<br />

Sonnenschirm, <strong>und</strong> sie sieht aus wie eine Prinzessin.<br />

LORING: … <strong>und</strong> sie malt immer noch. Sie hatte gerade<br />

eine hervorragende Show bei Gagosian in New<br />

York. Ich habe Paloma <strong>und</strong> ihre Mutter bei Peggy<br />

Guggenheim in Venedig kennengelernt, im Sommer<br />

1967. Da war Paloma 17 Jahre alt. Wir wurden<br />

Fre<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> die nächsten Jahre konnte ich ihre Entwicklung<br />

beobachten. Nach ihrem Studium arbeitete<br />

sie bei Saint Laurent, ich hatte sie dorthin vermittelt.<br />

Sie war <strong>und</strong> ist eine sehr eigensinnige Frau mit ihrem<br />

ganz eigenen Sinn für Mode <strong>und</strong> Stil. Und schon bald<br />

war klar: Was Paloma mag, mögen sehr, sehr viele<br />

Frauen. Denn es gibt viele unabhängige, starke Frauen<br />

wie Paloma. Als sie 1980 zu Tiffany kam, brachte<br />

sie genau das mit, was wir brauchten: Sie half Tiffany<br />

ins 21. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

INTERVIEW: Tragen Sie eigentlich etwas von Tiffany<br />

in diesem Moment?<br />

LORING: Ich bin nicht so der Schmucktyp. Ich bin<br />

1,92 groß <strong>und</strong> wiege 85 Kilo. Schmuck würde an mir<br />

aussehen wie ein Rock an einer Kuh. Kennen Sie diese<br />

französische Redensart? Außerdem entwerfe ich<br />

nicht für mich selbst. Das Einzige, was ich trage, ist<br />

eine Uhr, die ich selbst entworfen habe.<br />

INTERVIEW: Warum geben Männer nur Geld für mechanische<br />

Dinge aus?<br />

LORING: Männer interessieren sich für Dinge, die<br />

sich bewegen. Das muss so eine Art Instinkt sein. Autos,<br />

Motorboote, Flugzeuge – Männerspielzeug eben.<br />

Das ändert sich aber. Man sieht durchaus junge Männer<br />

mit ein paar Ketten oder Armbändern. Mal sehen,<br />

bis zu welchem Alter. Ich glaube, dass beispielsweise<br />

die Armeeplaketten als Anhänger, die ziemlich beliebt<br />

sind, irgendwann ein bisschen albern aussehen.<br />

INTERVIEW: Haben Sie jemals darüber nachgedacht,<br />

das berühmte Tiffany-Blau zu ändern?<br />

LORING: Sie stellen Fragen! Die Gesetze der Schwerkraft<br />

ändern sich ja auch nicht. Und wenn ich morgen<br />

früh aufwache, ist der Himmel auch wieder blau.<br />

<strong>Interview</strong> ADRIANO SACK<br />

Fotos: Tiffany Setting Ring/Tiffany & Co.; The Diamond In Jean Schlumberger’s Whimsical Bird On A Rock Setting/Carlton Davis; Paloma Picasso drawing jewelry designs in the top floor of her grandmother’s house in Paris, early 1970s, Burlot/SIPA; Michals/Vogue/Condé Nast Archive. © Condé Nast; Seiji Kakizaki<br />

GAMA<br />

DIE ZIMMER<br />

16. November 2012 – 05. Januar 2013<br />

Michael Fuchs Galerie<br />

Auguststraße 11–13<br />

10117 Berlin<br />

T + 49 30 2200 2550<br />

www.michaelfuchsgalerie.com<br />

77


Bilder, Jäger,<br />

Sammler<br />

Der kanadische Künstler Jeff Wall ist berühmt<br />

für seine leuchtkastenfotos, oft sehr aufwendig<br />

produziert <strong>und</strong> voller Verweise auf die Kunstgeschichte.<br />

In seiner jüngsten arbeit geht es um das ehemalige<br />

jüdische Kaufhaus Nathan Israel in Berlin,<br />

leNI RIefeNStahl als fotomodell, ein w<strong>und</strong>ersamerweise<br />

erhaltenes herrenunterhemd von 1932<br />

<strong>und</strong> den Modehistoriker ClauS JahNKe,<br />

der diese ganze Geschichte zusammengetragen hat<br />

von<br />

AdriAno sAck<br />

porträt<br />

Albrecht fuchs<br />

Jeff WAll in vAncouver<br />

AuthenticAtion. clAus JAhnke,<br />

costume historiAn, exAmining<br />

A document pertAining to<br />

An item in his collection, 2010<br />

(detAil), ink-Jet print, Ausschnitt<br />

der vierteiligen Arbeit<br />

78 79


Jeff Wall gilt als jemand, der seine Gespräche genauso akribisch führt, wie er seine<br />

Bilder produziert. Zur Präsentation seiner Arbeit Authentication, die auf der<br />

Kunstmesse abc art berlin contemporary von der Galerie Johnen gezeigt wurde,<br />

kam er nicht in die deutsche Hauptstadt. Aber über die Reaktionen auf das Werk<br />

<strong>und</strong> Hintergründe ist er genauestens informiert. Er spricht darüber am Telefon,<br />

während sein Blick aus einem Fenster über den Pazifik schweift.<br />

IntervIew: Über Ihre Arbeit Authentication schrieb die B.Z. während der Berliner<br />

Kunstmesse abc: „Dies ist das interessanteste Kunstwerk in der Stadt.“ Hat Sie das<br />

überrascht?<br />

Jeff wall: Normalerweise wird in Boulevardzeitungen nichts über Kunst geschrieben.<br />

Der Autor muss meine Arbeit also wirklich gemocht haben. Ich fand das<br />

sehr nett, weil ich gr<strong>und</strong>sätzlich gar nichts erwarte.<br />

IntervIew: Eines der Fotos zeigt Claus Jahnke in seiner Wohnung in Vancouver.<br />

Er sammelt alte Kleidung aus Deutschland <strong>und</strong> Österreich. Woher kennen Sie ihn?<br />

wall: Das ist so lange her, dass ich es gar nicht mehr genau weiß. Claus <strong>und</strong> sein<br />

enger Fre<strong>und</strong> Ivan Sayers, den ich auch erst vor Kurzem fotografiert habe, leben<br />

wie ich in Vancouver. Ivan kannte ich schon, als wir noch Studenten waren, also<br />

seit den späten 60ern. Meine Frau Jeanette interessiert sich für Kleidung <strong>und</strong><br />

Mode, möglicherweise habe ich durch sie irgendwann Claus kennengelernt.<br />

IntervIew: Was finden Sie daran so spannend, historische Kleidung zu sammeln?<br />

wall: Vancouver ist ein Ort, an dem man das nicht erwartet. Es gibt hier keine<br />

große Modeindustrie, kein Kostümmuseum, <strong>und</strong> die Stadt ist ein bisschen ab vom<br />

Schuss. Aber es reicht, wenn eine einzige Person sich mit Leidenschaft <strong>und</strong> Hingabe<br />

einem Thema widmet, um die Vorstellung zu verändern, was ein Bewohner<br />

von Vancouver tun kann. Ich finde es wichtig, dass Menschen Dinge tun, für die es<br />

keine Vorbilder, keine Förderer, keine offizielle Unterstützung gibt. Für mich ist<br />

Claus ein Held. Er tut etwas, was anderen nicht im Traum einfiele.<br />

IntervIew: Warum haben Sie ihn fotografiert?<br />

wall: Anlass war das Foto, das ich vorher gemacht hatte. Es zeigt Ivan Sayers,<br />

ebenfalls ein Experte für Kostümgeschichte, bei einem Vortrag. Neben ihm steht<br />

eine Frau in einem historischen Kleid. Ich war mit meiner Frau dort, <strong>und</strong> sie sagte:<br />

„Das solltest du fotografieren.“ Also haben wir den Moment nachgestellt. Es war<br />

eine komplizierte Produktion mit vielen Beteiligten. Wir haben über einen Monat<br />

daran gearbeitet, <strong>und</strong> ich war sehr glücklich mit dem Ergebnis. Während der Produktion<br />

kam Claus immer mal wieder vorbei. Mir fiel wieder auf, was für ein<br />

an genehmer Mensch er ist, <strong>und</strong> mir kam die Idee, mit ihm ein Bild zu machen,<br />

quasi als Ergänzung zu dem mit Ivan. Wir probierten ein paar Sachen. Und ganz<br />

allmählich nahm das Bild Form an. Ich hatte das vorher in keiner Weise geplant.<br />

Das tue ich nie. Ich habe das Bild nicht gemacht, weil ich ein Statement<br />

über Kleidersammler abgeben wollte. Obwohl das ein tolles Thema ist. Mich<br />

interessierte seine Arbeit, weil ich das Gefühl hatte, es könnte ein Bild für mich<br />

drinstecken.<br />

authentIcatIon. claus Jahnke, costume hIstorIan, examInIng<br />

a document pertaInIng to an Item In hIs collectIon, 2010 (detaIl),<br />

Ink-Jet prInt, ausschnItt der vIerteIlIgen arbeIt<br />

80<br />

“<br />

Das ist das<br />

Faszinierende an Fotografie.<br />

Die Kamera berührt das Objekt<br />

nicht, <strong>und</strong> man hat keine<br />

wirkliche Kontrolle<br />

”<br />

IntervIew: Ich habe ja nur Ihr Foto von Claus Jahnkes Wohnung gesehen <strong>und</strong><br />

dann versucht, mir vorzustellen, wie es dort aussieht. Sind die alten Kleider dabei,<br />

den ganzen Raum zuzuwuchern?<br />

wall: Irgendwie schon (lacht). Er lebt mit seiner Sammlung. Es ist ein faszinierender<br />

Ort: Wenn man die Wohnung betritt, fühlt man sich, als würde man in die<br />

Vergangenheit eintreten.<br />

IntervIew: Gibt es eine spezielle Klimaanlage, um die empfindlichen alten Stoffe<br />

zu schützen?<br />

wall: Das müssten Sie Claus fragen. Ich bin mir nicht sicher, ob das Geheiminformationen<br />

sind. Aber natürlich geht er sehr vorsichtig mit seiner Sammlung<br />

um. Da es aber kein Modemuseum in Vancouver gibt, muss er alles selbst machen.<br />

IntervIew: Im Vergleich zu vielen Ihrer bekannten Arbeiten wirkt das Foto von<br />

Claus Jahnke sehr einfach <strong>und</strong> intim.<br />

wall: Zunächst wollte ich eine Gesamtansicht des Raumes machen. Als wir das<br />

probierten, hatte ich das Gefühl, die Komposition würde meinem Bild After<br />

‚Invisible Man‘ zu sehr ähneln. Auch da haben Sie ja einen Raum, der mit Gegenständen<br />

zugewuchert ist. Das wollte ich auf keinen Fall, denn das habe ich ja schon<br />

mal gemacht. Technisch war Authentication natürlich viel einfacher als einige andere<br />

Fotos. Einfach oder zufällig ist es allerdings nicht, denn ich benutzte für jedes<br />

Motiv eine andere Kamera. Ich machte die Fotos an verschiedenen Tagen, aber zur<br />

selben Tageszeit, damit das Gefühl von Gleichzeitigkeit entsteht.<br />

IntervIew: Gab es eine Entwicklung in Ihrer Arbeit hin zu weniger aufwendigen<br />

Fotos?<br />

wall: Nein. Ich habe immer verschiedene Arten von Fotos gemacht: intime,<br />

dokumentarische, kinematografische. Die aufwendigeren Bilder sind vielleicht einfach<br />

nur die berühmtesten.<br />

IntervIew: War es Ihre Entscheidung, diese Arbeit ausgerechnet in Berlin zu zeigen?<br />

wall: Nein. Das wollte mein Galerist. Und ich fand seine Idee großartig, die Arbeit<br />

mit einigen Kleidern aus der Sammlung von Claus zu zeigen.<br />

IntervIew: Die Geschichte des jüdischen Kaufhauses N. Israel spielte für Sie also<br />

keine entscheidende Rolle?<br />

wall: Ich war bei Claus in der Wohnung <strong>und</strong> wollte natürlich seine Sammlung<br />

sehen. Er zeigte mir ein weißes Hemd, auf das er sehr stolz war. Diese Art von<br />

Hemden überlebt normalerweise nicht. Man zieht sie an, bis sie alt sind …<br />

IntervIew: … <strong>und</strong> putzt dann seine Schuhe damit.<br />

wall: Man bewahrt sie jedenfalls nicht auf. Ein Pelz oder ein schönes Kleid hat<br />

viel bessere Chancen, erhalten zu bleiben. Da auf dem Bild mit Ivan schon ein<br />

aufwendiges Kostüm zu sehen ist, wollte ich so etwas nicht nochmals fotografieren.<br />

Hatte ich ja gerade schon gemacht. Claus zeigte mir das weiße Hemd, das intakte<br />

Label <strong>und</strong> den Katalog des Kaufhauses, anhand dessen man die Echtheit des Hemdes<br />

nachweisen konnte. Für Claus ist dies ein wichtiger Teil seiner Sammlung.<br />

Und der Katalog gefiel mir auch. Das 30er-Jahre-Design, der blaue Druck.<br />

IntervIew: Sie wussten, dass die großen Kaufhäuser in Berlin meist jüdischen Familien<br />

gehörten, die dann alle enteignet, vertrieben oder getötet wurden?<br />

wall: Claus hatte zu diesem Thema vor einigen Jahren eine Ausstellung in Vancouver<br />

gemacht. Insofern wusste ich zumindest ein bisschen was darüber, auch<br />

wenn ich natürlich kein Experte bin. Seine Ausstellung, sie hieß Broken Threads,<br />

hätte es verdient, um die Welt zu reisen. Wir überlegen gerade, wie wir das hinbekommen.<br />

Kleidung berührt die Menschen in einer sehr speziellen Art. Sie ist etwas<br />

sehr Persönliches.<br />

IntervIew: Haben Sie das weiße Hemd anprobiert?<br />

wall: (lacht) Oh nein! Das würde Claus niemals erlauben.<br />

IntervIew: Auf dem Cover des Kataloges des Kaufhauses N. Israel von 1932 posiert<br />

Leni Riefenstahl.<br />

Fotos (vorherige <strong>und</strong> diese Doppelseite): Courtesy Johnen Galerie Berlin and the artist<br />

authentIcatIon. claus Jahnke, costume hIstorIan, examInIng a document pertaInIng to an Item In hIs collectIon, 2010 (detaIl),<br />

Ink-Jet prInt, ausschnItt der vIerteIlIgen arbeIt<br />

Wall: Ja, komischer Zufall, oder?<br />

IntervIeW: Komisch <strong>und</strong> sehr düster. Was halten Sie von ihr als Fotografin?<br />

Wall: Nicht viel. Ihre Fotos sind monumental <strong>und</strong> aufdringlich. Zu bemüht <strong>und</strong><br />

gleichzeitig ohne Nuancen. Ich fand den historischen Hintergr<strong>und</strong> faszinierend.<br />

Aber auch ohne ihn wäre der Aufbau meiner Arbeit genau derselbe. Es könnte ein<br />

anderes Hemd, ein anderer Laden, ein anderer Katalog sein. Ich habe nur die Beziehung<br />

zwischen einem F<strong>und</strong>stück <strong>und</strong> seinem Sammler arrangiert. Darum ging<br />

es mir. Das Drama dahinter ist für mich zweitrangig. Die Kunst wäre genauso gut,<br />

wenn Claus chinesische Kleidung aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert sammeln würde.<br />

IntervIeW: Dann würde man vielleicht darüber nachdenken, was die Arbeit über<br />

die Rolle Chinas sagt, über Kolonialismus, über Vancouver als eine Stadt, in der<br />

sehr viele Asiaten leben.<br />

Wall: Stimmt. Und die B.Z. hätte es nicht die interessanteste Arbeit von Berlin<br />

genannt.<br />

IntervIeW: Haben Sie nach dieser Arbeit Berlin mit anderen Augen gesehen?<br />

Wall: Ich war lange nicht mehr dort. Das erste Mal war ich in Berlin in den frühen<br />

70ern, ich bin sogar nach Ostberlin gefahren. Damals fühlte sich die Stadt noch<br />

direkt an wie nach dem Krieg. Zwischen den Kriegen muss es eine aufregende<br />

Stadt gewesen sein. Vielleicht nicht ganz so vergnügt wie heute …<br />

IntervIeW: Nach allem, was man liest, hatten die damals auch eine Menge Spaß …<br />

Wall: … <strong>und</strong> eine Menge Armut <strong>und</strong> Probleme.<br />

IntervIeW: Ist Vancouver eine gute Stadt für einen Künstler?<br />

Wall: Ich bin hier geboren, insofern habe ich mir die Stadt nicht ausgesucht. Aber<br />

natürlich hätte ich schon oft woanders hinziehen können <strong>und</strong> habe es nicht getan.<br />

Keine Ahnung, was das bedeutet. Ich weiß selbst nicht, was ich in Vancouver verloren<br />

habe.<br />

81<br />

IntervIeW: Das macht das Leben doch interessant, wenn man sich selbst ein<br />

Rätsel ist.<br />

Wall: Na ja. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich den Pazifik …<br />

IntervIeW: Mit Walen drin?<br />

Wall: Da sind welche, aber ich kann sie gerade nicht sehen.<br />

IntervIeW: Haben Sie eigentlich die Leuchtkastenbilder für immer aufgegeben?<br />

Wall: Nicht zwingend. Aber ich habe lange damit gearbeitet. Und sie zwangen<br />

mich, auf eine Art zu arbeiten, die ich satthatte.<br />

IntervIeW: Wozu haben die Leuchtkästen Sie gezwungen?<br />

Wall: Das ist eine langweilige Frage, denn die Antwort wollen Ihre Leser garantiert<br />

nicht wissen.<br />

IntervIeW: Sie haben gesagt, dass Sie Ihre Bilder nicht planen. Das kann man sich<br />

nur schwer vorstellen, wenn man an die aufwendigen Tableaus wie die Leute vor<br />

dem Nachtclub denkt.<br />

Wall: Was ich damals wollte, war im Gr<strong>und</strong>e ein Schnappschuss, um die Energie<br />

festzuhalten, die Leute in dieser Situation ausstrahlen. Man kann ein solches Bild<br />

nicht vor einem echten Nachtclub machen, also haben wir ihn nachgebaut. Nachdem<br />

ich sieben Tage fotografiert <strong>und</strong> mit den Leuten gearbeitet hatte, habe ich mir<br />

das Resultat angeschaut: Ich hatte gar nichts erreicht! Erst war ich total an gespannt,<br />

<strong>und</strong> dann fiel mir auf: Das ist es, was mir am meisten Spaß macht. Es gibt keine<br />

Regeln <strong>und</strong> keine Formel, aber du musst es irgendwie hinkriegen. Das ist das Faszinierende<br />

an der Fotografie: Die Kamera berührt das Objekt nicht, <strong>und</strong> man hat<br />

keine wirkliche Kontrolle. Ich habe den Ruf, alles bis ins Details zu planen, aber<br />

das ist einfach nicht wahr.<br />

IntervIeW: Was haben Sie getan, um das Nachtclubfoto doch noch hinzukriegen?<br />

Wall: Mehr Musik. Und mehr Marihuana.


KÖPFE in EIMERN,<br />

REIN <strong>und</strong> wieder RAUS<br />

C LA SS IC S<br />

Die Kolumne von Helene Hegemann<br />

Ich sitze grade in der Strafvollzugsanstalt Eberswalde, esse Toffifee <strong>und</strong> beschließe,<br />

euch wenige verbliebene Leser zur Abwechslung NICHT mit nem<br />

ausufernden Vergleich der pathologischen Störungsmuster Strindbergs <strong>und</strong><br />

van Goghs zu behelligen – die waren halt beide irre. Stattdessen back to the<br />

roots mit den Classics. Um meine Gasrechnung begleichen zu können, werde<br />

ich ab <strong>und</strong> zu in Theaterstücke gesetzt, die ich dann am nächsten Tag mit<br />

jugendlich frischer Ausstrahlung fürs Radio analysieren muss. Zugegebenermaßen<br />

fällt mir das manchmal nicht leicht, dazu später mehr. Das letzte zu<br />

bearbeitende Stück wäre das beim Foreign-Affairs-Festival gezeigte Gólgota<br />

Picnic gewesen, das (angeblich skandalös, weil mit Mitteln blasphemischer<br />

Pornoabhandlungen) das Böse im Menschen thematisiert. Ich laufe also hin<br />

zum Haus der Berliner Festspiele, kriege eine Karte in die Hand gedrückt<br />

<strong>und</strong> setze mich rein. Alles was ich im Vorhinein rausgef<strong>und</strong>en habe ist, dass<br />

es ca. 17 St<strong>und</strong>en dauert, keine Pause hat <strong>und</strong> der mir von früheren Arbeiten<br />

bekannte Regisseur Rodrigo García aus Argentinien kommt. Zwar sehen die<br />

Leute auf der Bühne nicht unbedingt südamerikanisch aus, sie sind alle blond,<br />

das w<strong>und</strong>ert mich aber nicht im Geringsten.<br />

Es geht los – ein Mann im Norwegerpulli sitzt apathisch vor einer Art<br />

Teich, die Abtrennung zum größeren hinter ihm liegenden Teil der Bühne<br />

wird hochgefahren. Einige kleine Häuserattrappen erstrecken sich bis zum<br />

Ende der mit Tannen ausgestatteten Elendslandschaft, alles sehr dunkel,<br />

erinnert an die Starrheit „eines jungen Lars von Trier“ <strong>und</strong> schlechte Interpretationen<br />

von Marthaler-Stücken. Für den Dolly ist ein Schienenkreis<br />

gebaut worden, der das komplette Szenario umr<strong>und</strong>et – ein Videokünstler<br />

<strong>und</strong> seine drei Assistenten fahren die gesamt Aufführung hindurch<br />

mit im Kreis <strong>und</strong> sind damit für die auf eine Leinwand projizierten<br />

Kamera bilder verantwortlich, die ein bisschen zu verwackelt sind, um die<br />

drei Assistenten zu rechtfertigen. Man sieht auf der Leinwand das, was in<br />

den offen stehenden <strong>und</strong> dadurch einsehbaren Häusern geschieht.<br />

Wen haben wir da also: eine Familie beim Abendessen, sehr trist, zwei<br />

traurige Kinder, von denen eines bei der nächsten Kamera-Umr<strong>und</strong>ung<br />

bereits angefangen hat, eine Taube zu quälen. Ein symbolkräftiges, als unges<strong>und</strong><br />

zu bezeichnendes Mutter-Tochter-Symbiose-Verhältnis mit Klavier<br />

<strong>und</strong> Blut in der Badewanne. Eine Gruppe präpotenter Jungs, die einen<br />

devoten anderen Jungen mit Dartpfeilen bewerfen. Einen weiteren Jungen,<br />

der lieber mit Explosionseffekten in einer kleinen Modelllandschaft<br />

seines Dorfes experimentiert, anstatt sich zu integrieren, <strong>und</strong> im Laufe des<br />

Abends beinahe Sex mit dem erwähnten Muttersymbiose-Mädchen hat,<br />

was dann aber scheitert, weil das Mädchen offenbar traumatisiert ist <strong>und</strong><br />

plötzlich eklige schlangenartige Glibberteile auf seinem nackten Körper<br />

liegen sieht. Zugegebenermaßen ein ausgesprochen guter Effekt. Es wird<br />

die komplette Zeit über nicht gesprochen, es geht um die Bilder, die damit<br />

zu demonstrierende unfassbare Tristesse <strong>und</strong> grandiose (!) Musikeinsätze.<br />

Ab <strong>und</strong> zu bewegen sich alle aus ihren Häusern raus, zum Beispiel weil<br />

irgendwo ein Schuss ertönt oder ein totes Schaf aus dem erwähnten Teich<br />

rausgezogen wird. Mit einem Fluggurt. Ich liebe Fluggurte. Und das hängt<br />

dann da, den ganzen Abend, das tote nasse Schaf, während die Protagonisten<br />

schon längst wieder in ihren Häuschen sitzen <strong>und</strong> darüber nach denken,<br />

was sie jetzt anfangen sollen mit ihren angebrochenen Scheißleben. Unangenehm<br />

sind einzig die Momente, in denen die Kamera am Haus eines<br />

Mannes vorbeifährt, der sich am Telefon einen runterholt, während seine<br />

Frau neben ihm auf dem Klo sitzt <strong>und</strong> eine Muschel auskackt – unangenehm<br />

nicht deshalb, weil das als Bild nicht funktionieren würde, sondern<br />

weil das Bildungsbürgertum im Zuschauerraum aus tiefstem Herzen darüber<br />

lachen kann. Da fragt man sich dann, meine Herren, warum die sich<br />

zwei St<strong>und</strong>en später über den Qualitätsverlust des deutschen Fernsehens<br />

beschweren werden, aber egal, da müssen wir jetzt durch.<br />

Problem an den ganzen, sehr professionell abgefilmten elendigen<br />

Schicksalen ist einzig <strong>und</strong> allein, dass deren Klischeehaftigkeit sehr nervt.<br />

Was ausgestellt wird, ist Traurigkeit, Schweigsamkeit, Ekelerregendes in<br />

Bildern, die man längst kennt, <strong>und</strong> nichts, was einen durch inhaltliche Besonderheit<br />

unterhalten könnte. Die Besonderheit der Herangehensweise<br />

ans Theater ist trotzdem da, <strong>und</strong> zwar auf einem sehr stilvollen Level.<br />

Nach anderthalb St<strong>und</strong>en frage ich mich langsam, wann das Blut<br />

kommt, der Skandal, der Porno, das Drogenkartell, das im Titel erwähnte<br />

Picknick <strong>und</strong> die Gotteslästerung – denke jedoch, wie gesagt, dass es noch<br />

unangenehm lang weitergehen <strong>und</strong> sich in die vorgegebene Richtung entwickeln<br />

wird. Stattdessen passiert Folgendes: Die Schauspieler stecken<br />

plötzlich ihre Köpfe in mit Wasser gefüllte Eimer. Vielschichtiger kann ich<br />

diesen Vorgang schlechterdings nicht beschreiben. Mit den Köpfen in den<br />

Eimern treten sie dann nacheinander raus, auf den als eine Art Marktplatz<br />

zu bezeichnenden mittleren Teil der Bühnenbildidee. Ein Song setzt ein.<br />

Mit großem Vergnügen stelle ich fest, dass es sich um Sinnerman von<br />

Nina Simone handelt, eine der wildesten, weil prägnantesten <strong>und</strong> sich<br />

steigernden Melodien, die ich kenne. Aus einem rhythmischen Den-Kopfin-den-Wassereimer-rein-<strong>und</strong>-wieder-raus-Stecken<br />

entwickelt sich eine<br />

simple Choreografie. Sieben Tanzschritte auf sechs Minuten Soulpunkcrossovermusik.<br />

Ich drehe völlig durch, weil es scheinbar nicht sehr viel<br />

mehr braucht als gute Musik, zu der sich gut aussehende Leute, die zuvor<br />

anderthalb St<strong>und</strong>en nicht sehr viel mehr getan haben, als blöd zu gucken,<br />

zusammen im vorgegebenen Takt bewegen. Mit teilweise symbolkräftigen<br />

Gesten wie angedeutetem Bekreuzigen zwar, aber okay. Sechs Minuten.<br />

Dann kommt plötzlich, man glaubt es kaum, ein 80-köpfiges Heer von (vermutlich)<br />

für wenig Geld engagierten Theaterwissenschaftsstudenten <strong>und</strong><br />

tanzt für weitere zwei Minuten mit. Dann ist das Lied zu Ende <strong>und</strong> das<br />

Stück auch. Alle jubeln <strong>und</strong> sind sehr begeistert bzw. erleichtert, weil sie an<br />

diesem zähen Abend genug gelitten haben, um dieses Wahnsinnsfinale (das<br />

wirklich Wahnsinn war, ich weiß, das geht nicht wirklich hervor aus meiner<br />

runtergezerrten Wiedergabe, aber glaubt mir das einfach) nicht als „effekthascherisch“<br />

entkräften zu müssen, sondern es einfach ohne den Gestenblödsinn<br />

von Unterhaltungsfeindlichkeit genießen konnten.<br />

Ich jubele zuerst mit <strong>und</strong> stelle dann Folgendes fest: dass ich hier völlig<br />

falsch bin. Dass das nicht Gólgota Picnic gewesen sein kann, weil dafür war<br />

es zu kurz, sondern dass es sich um ein Stück der jungen belgischen<br />

Theater gruppe FC Bergman handelte, das 300 el x 50 el x 30 el heißt –<br />

auch ganz klar nicht in Südamerika angesiedelt ist, sondern im „Arsch der<br />

Welt“-Alarm irgendeiner Nordpollandschaft.<br />

Ich hatte mich in der Woche geirrt.<br />

Und das ist vielleicht das Einzige, das einem passieren kann, <strong>und</strong> damit<br />

auch die Moral von der Geschichte hier, also wenn man sich unzureichend<br />

auf einen „THEATERABEND“ vorbereitet: dass man plötzlich im falschen<br />

Stück sitzt.<br />

Gólgota Picnic hab ich dann irgendwann später auch noch gesehen <strong>und</strong><br />

für okay bis super gehalten, mehr dazu irgendwann mal oder auch nicht.<br />

Außerdem lege ich euch wärmstens ans Herz, vor Beginn des nächsten<br />

Jahres noch mal schnell „Riesenfaultiere“ zu googeln. Die gab es vor<br />

17 000 Jahren, <strong>und</strong> sie waren so groß wie Elefanten, das hat mich<br />

grade sehr beeindruckt. Gute Nacht <strong>und</strong> bis später!<br />

Foto: Alamy; Illustration: Sandra Buergel<br />

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82


Der DrOgeNkrieg maCht müDe:<br />

DON WiNSlOW iN hamBurg, NOVemBer 2012<br />

Don<br />

WinsloW<br />

VON<br />

JOhN JeremiAh SulliVAN<br />

fOtOS<br />

SVeN JACOBSeN<br />

Es gibt Menschen, die behaupten,<br />

Don Winslow sei der klügste<br />

Thrillerautor unserer Zeit. Sein Buch<br />

„Zeit des Zorns“ bescherte Oliver Stone<br />

gerade den besten Film seit Jahren.<br />

Und auch Winslows neuer Roman<br />

„Kings of Cool“ ist so aufpeitschend<br />

wie Kokain. Seine Leinwand: Kalifornien.<br />

Sein Personal: Sheriffs, Surfer,<br />

Starlets. Sein Gesprächspartner: der<br />

amerikanische Reporter <strong>und</strong> Südstaatenchronist<br />

John Jeremiah Sullivan<br />

85<br />

John Jeremiah Sullivan: Vielleicht führen wir<br />

unser Gespräch von gerade einfach fort, plaudern<br />

noch ein wenig über die Arbeit.<br />

Don WinSloW: Ja, gerne.<br />

Sullivan: Ihre Bücher spielen in Kalifornien,<br />

sind Sie dort auch aufgewachsen?<br />

WinSloW: Nein, in Rhode Island. In einem dieser<br />

kleinen Fischerdörfer, die gestern von Sandy erwischt<br />

wurden, ich mache mir ein wenig Sorgen.<br />

Sullivan: Diese Art von Hurrikan werden wir<br />

wohl nun öfter erleben. Haben Sie diesen Artikel im<br />

Guardian gelesen? Demnach haben wir noch vier<br />

Sommer, bis das arktische Meereis geschmolzen ist.<br />

WinSloW: Beängstigend. Ich lese den Guardian<br />

gerne wegen der Fußballartikel.<br />

Sullivan: Die haben die besten! Wie sind Sie eigentlich<br />

Fußballfan geworden, wenn Sie von der<br />

Ostküste kommen?<br />

WinSloW: Ich habe mir irgendwann die Frage<br />

gestellt, warum Millionen von Menschen diesen<br />

Sport lieben, nur ich nicht. Und nun lese ich den<br />

Guardian. Die haben mit dem Rolling Stone zusammen<br />

auch die besten politischen Reportagen über<br />

Amerika.<br />

Sullivan: Da stimme ich zu. Wie sind Sie denn<br />

von der Ostküste nach Kalifornien gekommen?


WinsloW: Über Umwege. Mein Vater brachte<br />

mir ein Buch über Kenia mit, über einen Safari-<br />

Führer, ich habe es geliebt <strong>und</strong> wollte deswegen<br />

unbedingt einmal nach Kenia.<br />

sullivan: Und waren Sie?<br />

WinsloW: In den späten Siebzigern war ich als<br />

Student in Afrika, habe in Kapstadt studiert <strong>und</strong> für<br />

eine Zeitung gearbeitet. Ich habe Abschlüsse in afrikanischer<br />

Geschichte <strong>und</strong> Militärgeschichte, beruflich<br />

war ich also unvermittelbar. Als ein Fre<strong>und</strong> von<br />

mir ein Safari-Unternehmen gründete, stieg ich ein<br />

<strong>und</strong> leitete fünf Jahre lang Fotosafaris in Kenia.<br />

sullivan: Verlangt das Schreiben nicht viel<br />

mehr Stetigkeit?<br />

WinsloW: Ich habe das Schreiben nie so ernst<br />

genommen. Erst als ein Fre<strong>und</strong> mich fragte, warum<br />

ich immer nur darüber reden würde, ein Buch zu<br />

schreiben, begann ich, mir Gedanken zu machen.<br />

Ich saß um fünf Uhr morgens in Kenia mit Malaria-<br />

Symptomen an einem Feuer <strong>und</strong> nahm mir vor, jetzt<br />

mal besser anzufangen. Von da an schrieb ich fünf<br />

Seiten pro Tag, wo auch immer ich war, Kenia oder<br />

Kalifornien, wo ich später als Privatdetektiv arbeitete.<br />

Und ein paar Jahre später war dann mein erstes<br />

Buch fertig.<br />

sullivan: Wie hat der Job als Privat detektiv Sie<br />

als Autor weitergebracht?<br />

WinsloW: Ich wurde ein besserer <strong>Interview</strong>er.<br />

Man stellt meist sehr knappe Fragen, die man aus<br />

vorgefertigten Urteilen ableitet. Ich habe gelernt,<br />

viel offenere Fragen zu stellen <strong>und</strong> so herauszukriegen,<br />

was der entscheidende Aspekt für den Befragten<br />

ist.<br />

sullivan: Wenn ich also angefangen hätte: „Erzählen<br />

Sie mal“ – welche Richtung hätte das genommen?<br />

WinsloW: (lacht) Vielleicht wären wir auf<br />

Deutschland zu sprechen gekommen. Die Lesereise<br />

ist bisher sehr interessant für mich.<br />

„Der sogenannte ,war<br />

on drugs‘ wird jetzt<br />

seit 40 Jahren<br />

geführt, <strong>und</strong> Drogen<br />

sind heute billiger<br />

<strong>und</strong> einfacher zu<br />

bekommen als je<br />

zuvor. Entschuldigen<br />

Sie, ich nerve die<br />

Leute schnell mit<br />

diesem Thema“<br />

– Don Winslow<br />

New York oder nach Peru. Warum sind Sie eigentlich<br />

an die Westküste gezogen?<br />

WinsloW: Wir haben uns ein Kind gewünscht,<br />

da war ein Zelt in Kenia nicht unbedingt der beste<br />

Ort, darum gingen wir zurück in die Staaten. Ich<br />

brauchte also einen neuen Job. Ein früherer Professor<br />

von mir hat eine Firma gegründet: Forensic<br />

Anthropology, Inc.<br />

sullivan: Das klingt wie aus einem Ihrer Bücher.<br />

WinsloW: Er hat sich mit Körpersprache <strong>und</strong> so<br />

Dingen befasst <strong>und</strong> suchte einen Mitarbeiter in Kalifornien.<br />

Damals war die Region Hochburg für<br />

Brandstiftungen <strong>und</strong> Versicherungsbetrug, <strong>und</strong> so<br />

Routine, Waffen besorgen <strong>und</strong> sie uns gegenseitig in<br />

FedEx-Kartons hinterlassen, weil wir sie nicht mit<br />

ins Flugzeug nehmen konnten.<br />

sullivan: Und Ihre Frau hat das alles mitgemacht?<br />

WinsloW: Sie ist sehr stark. Das Einzige, was ich<br />

richtig gemacht habe, war, diese Frau zu heiraten. Aber<br />

wir reden hier nur über mich.<br />

sullivan: Ich kann mit Ihren Geschichten auch<br />

nicht mithalten. Wie sind Sie denn auf Drogen als<br />

literarisches Thema gekommen?<br />

WinsloW: Wir wohnten etwa 30 Meilen von der<br />

mexikanischen Grenze entfernt.<br />

sullivan: Ihre Ranch, von der Sie mir heute<br />

Mittag erzählt haben?<br />

WinsloW: Ranch klingt jetzt so groß, wir haben<br />

nur 30 Morgen Land, aber darauf wächst eine bestimmte<br />

Grassorte, ich meine richtiges Gras, <strong>und</strong><br />

diese Sorte ist besonders gut für dreijährige Pferde.<br />

sullivan: Ich habe keine Ahnung, welches Gras<br />

dreijährige Pferde fressen.<br />

WinsloW: Eben. Ab <strong>und</strong> an bringen Leute ihre<br />

dreijährigen Pferde zu uns zum Grasen. Von den<br />

Hügeln kann man bis nach Mexiko schauen. Jedenfalls<br />

las ich eines Morgens von diesen 90 Männern,<br />

Frauen <strong>und</strong> Kindern, die dort von einem Drogenkartell<br />

massakriert wurden.<br />

sullivan: Die erste Szene in Ihrem Buch Tage<br />

der Toten.<br />

WinsloW: Genau. Ich hatte nie vor, darüber zu<br />

schreiben, ich habe angefangen, mehr <strong>und</strong> mehr zu<br />

dem Thema zu lesen, weil ich verstehen wollte, wie<br />

so was passieren kann. Das verdammte Buch hat<br />

mich fünfeinhalb Jahre gekostet. Es hat fast meine<br />

Karriere zerstört!<br />

sullivan: Wieso das?<br />

WinsloW: Wenn man so eine lange Zeit schreibt,<br />

muss es verdammt gut werden.<br />

sullivan: Aber das ist es.<br />

Fotos: Rex Features/Photoshot; IXTLAN/Kobal Collection; Rex Features/Photoshot; IXTLAN/Kobal Collection; Rex Features/Photoshot (2)<br />

die Zeit, als ein paar Typen in eine Bar kamen <strong>und</strong><br />

einen Sack voller abgetrennter Köpfe auskippten.<br />

WinsloW: Ich hätte Ihnen geraten, von dort zu<br />

verschwinden. Mein Verleger hat mir damals Anmerkungen<br />

in mein Manuskript geschrieben: „Das ist<br />

übertrieben.“ Und ich konnte nur antworten: „Ich<br />

gebe dir recht, aber das ist so wirklich passiert.“ In Tage<br />

der Toten dachte ich, ich beschreibe das Schlimmste des<br />

Schlimmen, aber ich habe mich geirrt.<br />

sullivan: Ein erschreckender Gedanke, in einer<br />

Gesellschaft zu leben, in der Gewalt in solchem Ausmaß<br />

passiert.<br />

WinsloW: Wir nennen es zwar das mexikanische<br />

Drogenproblem, aber das ist falsch, es ist ein<br />

amerikanisches Drogenproblem. Ohne den Käufer<br />

gibt es keinen Verkäufer. Mexiko wird beherrscht<br />

von Gewalt <strong>und</strong> Korruption, aber wir sorgen für das<br />

nötige Geld dafür.<br />

sullivan: Und glauben Sie, dass wir das wirklich<br />

beenden wollen? Wenn die Einkünfte aus dem Drogengeschäft<br />

wegfallen würden, hätten wir es dann<br />

nicht mit einem weitaus gefährdeteren Staat zu tun?<br />

WinsloW: Das hatten wir bereits mit der Peso-<br />

Krise in den Neunzigern, die letztlich auch auf den<br />

Drogenhandel zurückzuführen ist. Hätten wir nicht<br />

den Peso gerettet, wäre die amerikanische Wirtschaft<br />

direkt mit der mexikanischen zusammengebrochen.<br />

sullivan: Jesus. Das ist verrückt.<br />

WinsloW: Wir glauben, die Grenzen würden<br />

Menschen voneinander trennen, aber an Grenzen<br />

kommen Menschen zusammen. San Diego <strong>und</strong> Tijuana<br />

bilden eine große Stadt. Die Kinder der Upperclass<br />

in Tijuana schicken ihre Kinder auf amerikanische<br />

Privatschulen, die Autos in den<br />

Tiefgaragen der Einkaufszentren haben mexikanische<br />

Kennzeichen.<br />

sullivan: Was machen wir also?<br />

Geschichte gelesen, zurückgehend bis ins 14. <strong>und</strong><br />

15. Jahrh<strong>und</strong>ert. Ich habe DEA- <strong>und</strong> CIA-Berichte<br />

studiert, Gerichtsprotokolle. Ich könnte die ganze<br />

Zeit forschen <strong>und</strong> überhaupt nicht schreiben.<br />

sullivan: Das macht Spaß, oder? Es ist schwer,<br />

ein Ende zu finden.<br />

WinsloW: Und wie! Es ist diese Jagd, nur noch<br />

ein Dokument, nur noch dieses eine <strong>Interview</strong>.<br />

sullivan: Etwas zu entdecken, das noch keiner<br />

gesehen hat, dieser Kick kann süchtig machen.<br />

Haben Sie auch Menschen in Mexiko interviewt?<br />

WinsloW: In Tijuana. Die Leute zum Sprechen<br />

zu bekommen hat Zeit gekostet. Und ich kannte ein<br />

paar Polizisten von dort aus meiner Zeit als Ermittler.<br />

sullivan: Haben Sie den Cops vertraut?<br />

WinsloW: Das müssen Sie. Aber Vertrauen gehört<br />

nicht zu meinen großen Stärken. Man kommt<br />

irgendwann zu der notwendigen Schlussfolgerung,<br />

dass jeder lügt.<br />

sullivan: Am Ende des Tages sind wir alle verrückte<br />

Affen.<br />

WinsloW: Affen mit Waffen.<br />

sullivan: (lacht) So ist es! Haben Sie da unten<br />

eigentlich Ihr Leben riskiert?<br />

WinsloW: Nein, ich hatte Leute, die mir Geschichten<br />

erzählt haben, ohne dass ich mittendrin<br />

sein musste. Woran arbeiten Sie denn gerade? Wenn<br />

ich Sie auffordern würde: „Erzählen Sie mal“ …<br />

sullivan: … würde ich über Deutschland sprechen,<br />

so wie Sie. Es gibt dieses Buch, an dem ich seit<br />

15 Jahren arbeite.<br />

WinsloW: Seit 15 Jahren?<br />

sullivan: Ja, <strong>und</strong> das von einem deutschen Verwaltungsbeamten<br />

handelt, der um 1730 aus seiner<br />

Heimat Sachsen nach South Carolina ging. Er hat<br />

sechs Jahre unter Cherokee-Indianern gelebt <strong>und</strong><br />

WinsloW: Ich kann es kaum erwarten, es zu lesen.<br />

sullivan: Sollte es nicht gut werden, ist das ein<br />

Verbrechen, denn das Material ist so gut. Ich muss<br />

schnell schreiben <strong>und</strong> versuchen, meinen Verstand<br />

zu bewahren.<br />

WinsloW: Das ist nicht immer einfach. Geht es<br />

Ihnen auch so, dass Sie sich sehr tief in den Stoff hineintreiben<br />

lassen?<br />

sullivan: Ja, es kann zum regelrechten Abgr<strong>und</strong><br />

werden. Aber ist der war on drugs immer noch ein<br />

ergiebiges Thema für Sie?<br />

WinsloW: Ja, ich denke schon.<br />

sullivan: Haben Sie jemals mit jemandem gesprochen,<br />

der politisch verantwortlich ist?<br />

WinsloW: Nein.<br />

sullivan: Die rufen Sie nicht an?<br />

WinsloW: Irgendwie nicht. Aber es gibt auch<br />

viel größere Experten als mich.<br />

sullivan: So, ich muss jetzt leider zum Zug. Dabei<br />

könnte ich den ganzen Tag mit Ihnen reden.<br />

WinsloW: Kommen Sie nach Kalifornien! Wir<br />

haben ein Haus am Strand, bringen Sie Ihre Kinder<br />

mit.<br />

sullivan: Danke, aber das werden Sie vielleicht<br />

bereuen.<br />

WinsloW: Überhaupt nicht, Sie können auch in<br />

unser anderes Haus kommen, <strong>und</strong> wir machen das<br />

Cowboy-Programm. Wir haben ein paar Pferde, die<br />

bei uns in Rente sind, die wurden genutzt, um Drogen<br />

über die Grenze zu schmuggeln.<br />

KingS of Cool von don WinsloW<br />

<strong>und</strong> PulPhead von John Jeremiah sullivan<br />

sind bei suhrkamp erschienen<br />

sullivan: Sie waren aber schon mal hier, oder?<br />

WinsloW: Nur einmal. Und Sie?<br />

sullivan: Für mich ist es auch der zweite Besuch.<br />

Aber diesmal reise ich das erste Mal durchs<br />

Land. Das ist überwältigend.<br />

WinsloW: Wie kamen Sie denn zum Schreiben?<br />

sullivan: Mein Vater ist Reporter, meine Mutter<br />

Englischlehrerin, es gab also für mich keine andere<br />

Wahl. Wäre ich nicht Schriftsteller geworden,<br />

hätten sie mich wohl zum Therapeuten geschickt.<br />

WinsloW: (lacht) Und Sie kommen aus Kentucky?<br />

sullivan: Ich bin in einer kleinen Stadt in<br />

Indiana aufgewachsen. Dann öfter umgezogen, nach<br />

wurde ich Experte für Brände. Ich war<br />

sozusagen ein Ermittler für Anwälte von Versicherungsfirmen.<br />

sullivan: Das klingt nach einem guten Training<br />

für Schriftsteller. Vor allem das mit der Körpersprache.<br />

WinsloW: In einem Fall, an dem wir arbeiteten,<br />

ging es um einen geistig behinderten Mann, der im<br />

Gefängnis zu Tode geprügelt wurde. Mein Kollege<br />

war ziemlich nervös deswegen, weil das ein Prozess<br />

gegen Sheriffs des L. A. County war. Wir wohnten in<br />

merkwürdigen Bed & Breakfasts in Venice, weil er<br />

die für einen sicheren Unterschlupf hielt. Im Schrank<br />

hatte er eine Tasche voller Waffen. Das war unsere<br />

WinsloW: Ich wäre der Letzte, der das beurteilen<br />

könnte.<br />

sullivan: Ich glaube, darüber herrscht allgemeines<br />

Einverständnis. Ich habe einmal eine Reportage<br />

in Mexiko gemacht, die Recherche war schwierig,<br />

niemand wollte mit mir reden. Mein Spanisch ist<br />

recht schlecht, das dachte ich zumindest, bis ich mal<br />

in der Notaufnahme in Peru saß <strong>und</strong> niemand Englisch<br />

sprach, da konnte ich meine Symptome plötzlich<br />

erstaunlich flüssig erläutern.<br />

WinsloW: (lacht)<br />

sullivan: Wie auch immer, heute bin ich verdammt<br />

froh, heil aus Mexiko rausgekommen zu sein.<br />

Wir waren in Nayarit. Erinnern Sie sich? Das war um<br />

WinsloW: Drogen legalisieren.<br />

sullivan: Können Sie sich das wirklich vorstellen?<br />

Könnte die Weltbevölkerung das akzeptieren?<br />

WinsloW: Ich weiß es nicht. Könnten die Amerikaner<br />

das? Ich werde immer gefragt, ob ich will,<br />

dass unsere Kids auf Drogen sind. Ich möchte allerdings<br />

auch nicht, dass mexikanische Kinder abgeschlachtet<br />

werden. Der sogenannte war on drugs wird<br />

jetzt seit 40 Jahren geführt, <strong>und</strong> wie Sie wissen, sind<br />

Drogen billiger <strong>und</strong> einfacher zu bekommen als je<br />

zuvor. Entschuldigen Sie, ich nerve die Leute schnell<br />

mit diesem Thema.<br />

sullivan: Mich nicht. Ich nehme an, Ihre Recherche<br />

hat Jahre gedauert?<br />

WinsloW: Ich habe über die mexikanische<br />

versuchte, mit ihnen <strong>und</strong> entflohenen Sklaven eine<br />

Art Utopia der Aufklärung aufzubauen. Philosophisch<br />

war er seiner Zeit um Jahrzehnte voraus. Ich<br />

habe gerade in dieser Woche das Exposé verkauft, es<br />

erscheint voraussichtlich im nächsten oder übernächsten<br />

Jahr. Jetzt werde ich also den Rest des Jahres<br />

damit verbringen, Ordnung zu schaffen.<br />

WinsloW: Herzlichen Glückwunsch! Wie gehen<br />

Sie das genau an? Entschuldigen Sie, ich hasse es<br />

selbst, wenn man mich so was fragt.<br />

sullivan: Ich werde in meinem ekligen Büro sitzen,<br />

das ich so ungemütlich halte wie möglich, damit<br />

auch ja niemand reinkommt, <strong>und</strong> mich in die Arbeit<br />

stürzen. Meine Tochter erzählt ihren Fre<strong>und</strong>en in der<br />

Schule von diesem gruseligen Keller, in dem ihr Vater<br />

arbeitet.<br />

szenen aus SavageS<br />

von oliver stone,<br />

einer adaption von<br />

don WinsloWs<br />

roman Zeit deS ZornS<br />

86<br />

87


PARTY<br />

POLISH<br />

MULE<br />

50 ml<br />

Belvedere Vodka<br />

Dash<br />

Elderflower Syrup<br />

2 ds.<br />

Angostura Bitter<br />

TH<br />

Spicy Ginger<br />

Lexi & Rexi<br />

David Nicholson, Jen Gilpin & John Isaacs<br />

Jeremy Shaw & Sada Leigh<br />

Karl Lagerfeld<br />

André Saraiva & Vincent Darré<br />

BERLIN<br />

INTERVIEW-Fotograf Maxime<br />

Ballesteros lud zu seiner Vernissage<br />

Love Me – I’m Trying ein, ebenso<br />

Nina Pohl zu ihrer Ausstellung<br />

in der Galerie Sprüth Magers.<br />

Ansonsten: Halloween in den<br />

Clubs Flamingo <strong>und</strong> King Size<br />

FOTOS<br />

MAXIME BALLESTEROS<br />

Yeah!<br />

David Ducaruge & Baby<br />

Lorem Party<br />

Ausstellung: „The Little Black Jacket“ Anja Rubik & Theophilus London Charlotte Casiraghi<br />

CC<br />

Bonnie Strange<br />

PARIS<br />

THE LITTLE BLACK JACKET<br />

Der Meister rief, <strong>und</strong> die Jünger<br />

kamen: Charlotte Casiraghi, Frank<br />

Ocean, Carine Roitfeld, Anja Rubik,<br />

Theophilus London, Laetitia Casta<br />

<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>und</strong> – wo waren Sie?<br />

Fotos: PATRICK KOVARIK/AFP/Getty Images; Olivia da Costa (4); Anne Combaz<br />

Nina Pohl<br />

Frank Ocean<br />

88<br />

Trick or treat?<br />

89<br />

Alex


exklusiv<br />

Kraftstoffverbrauch (l/100 km) nach RL 80/1268/EWG: kombiniert 6,1–3,9.<br />

CO 2<br />

-Emission (g/km): kombiniert 140–90.<br />

500BYGUCCI.DE<br />

Forever<br />

& ever<br />

& ever<br />

Die eine war 15, als sie für ihr erstes Fotoshooting<br />

von London nach New Orleans geflogen wurde <strong>und</strong><br />

plötzlich die Welt nicht mehr verstand.<br />

Die andere war eigentlich zu krummbeinig,<br />

spitzzähnig, dünn, um als Model Karriere zu machen.<br />

Sie wohnten zusammen, feierten zusammen,<br />

fuhren mit ihren Familien zusammen in den Urlaub.<br />

Sie arbeiteten mit den berühmtesten Fotografen der Welt,<br />

trafen Nelson MaNDeLa, Fidel CaStrO<br />

<strong>und</strong> irgendwie jeden Menschen, den sie wollten.<br />

Und sie hatten dabei, das darf man<br />

bei aller Diskretion sagen, eine Menge Spaß.<br />

Vor allem aber änderten <strong>Kate</strong> MOSS<br />

<strong>und</strong> NaOMI CaMPBeLL die regeln, wer in der<br />

Modewelt wichtig, mächtig <strong>und</strong> reich werden kann.<br />

Für INterVIeW ließen sie sich erstmals in einem<br />

deutschen Magazin gemeinsam in Szene setzen.<br />

Von den Starfotografen Mert aLaS & Marcus PIggOtt –<br />

so freizügig, entspannt <strong>und</strong> vertraut,<br />

wie es nur zwischen ziemlich<br />

besten Fre<strong>und</strong>innen denkbar ist<br />

91


<strong>Naomi</strong><br />

campbell<br />

&<br />

<strong>Kate</strong><br />

moss<br />

Fotos<br />

Mert AlAs & Marcus Piggott<br />

styling<br />

Patti Wilson<br />

92


hose<br />

costume<br />

nAtionAl


NAOMI CAMPBELL: Okay, hier sprechen <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Naomi</strong> <strong>Campbell</strong>. Ich leg dann mal los. Wir beide<br />

sind nun schon so oft im Leben auf unterschiedlichste<br />

Art <strong>und</strong> Weise zusammengekommen. Natürlich<br />

sind wir Kolleginnen, aber vor allem sind wir<br />

Fre<strong>und</strong>innen. Ich freue mich also sehr, jetzt hier mit<br />

dir zu sitzen <strong>und</strong> dir ein paar Fragen zu stellen, Wagon.<br />

Vielleicht muss ich kurz erklären, dass ich dich,<br />

<strong>Kate</strong>, immer Wagon nenne.<br />

KATE MOss: Wir nennen uns gegenseitig Wagon!<br />

NAOMI: Na, dann müssen wir wohl klarmachen,<br />

wer hier wen gerade Wagon nennt. Ich fang dann mal<br />

an: Ich bin <strong>Naomi</strong>. Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten.<br />

Eine ist natürlich, dass wir beide aus Süd-London<br />

kommen. Deswegen wollte ich dich zuerst einmal<br />

fragen, was für Erinnerungen du an deine Kindheit in<br />

Croydon hast? Wirst du jemals dorthin zurückgehen?<br />

KATE: Nein, ich war seit Ewigkeiten nicht mehr<br />

da. Meine Mutter wohnt da draußen, also be suche ich<br />

sie manchmal dort. Meistens kommt sie aber nach<br />

London. Und mein Bruder wohnt auch immer noch<br />

in Croydon. An Weihnachten sind wir das letzte Mal<br />

zusammen ausgegangen. Wir hatten ziemlichen Spaß.<br />

Ich habe alle Leute wieder getroffen, mit denen ich<br />

früher unterwegs war. Es war sehr lustig.<br />

NAOMI: Oh mein Gott!<br />

KATE: Wir sind in den Pub gegangen, in dem wir<br />

früher immer waren. Alle Leute, mit denen ich früher<br />

rumhing, waren da. Wirklich alle. Wir kamen rein –<br />

<strong>und</strong> sie saßen, wo sie immer saßen.<br />

NAOMI: (lacht) Wirklich? Alle immer noch am<br />

selben Ort?<br />

KATE: Ich meinte: „Komm, lass uns rausgehen <strong>und</strong><br />

sie suchen.“ Und da waren sie, tatsächlich noch am<br />

selben Fleck. Meine Mutter ist dann irgendwann nach<br />

Hause gegangen, aber mein Bruder <strong>und</strong> ich sind erst …<br />

nun ja, wir sind erst spät nach Hause gekommen.<br />

NAOMI: Bleiben wir bei London: War es nicht<br />

toll, dass wir bei den Olympischen Spielen laufen<br />

durften. Was hast du für Erinnerungen an den Tag?<br />

KATE: Es war der Wahnsinn! Ich hatte solchen<br />

Spaß. Davor war ich allerdings total aufgeregt. Ich bin<br />

noch nie auf einem Laufsteg hingefallen, aber an dem<br />

Morgen hatte ich echt ein wenig Panik. Ich habe gezittert,<br />

als ich aus dem Bus gestiegen bin!<br />

NAOMI: Yeah.<br />

KATE: Ich habe mit einem der Soldaten gesprochen,<br />

die im Stadion rumstanden. Er fragte: „Geht es<br />

Ihnen gut?“ Ich meinte nur: „Nein!“ Ich habe gezittert<br />

– <strong>und</strong> das konnte man auch sehen.<br />

NAOMI: Wir standen auf diesen Lastwagen. Ich<br />

sage das nur, damit alle verstehen, dass das nicht so<br />

einfach war.<br />

KATE: Ich habe sogar noch gezittert, als ich im<br />

Stadion angekommen bin. Aber sobald ich auf dem<br />

Wagen stand, wusste ich: „Okay, alles in Ordnung.“<br />

NAOMI: Ich hatte mich sehr darauf gefreut, hinzugehen<br />

<strong>und</strong> alle zu sehen. Die Stimmung war einfach<br />

… Es war so toll, als wir alle zusammen auf der<br />

Bühne standen. George Michael …<br />

KATE: The Who …<br />

NAOMI: Mich machte es total nervös, dass wir<br />

ganz alleine in diese Laster gesteckt wurden. Niemand<br />

aus dem Team durfte mit. Es war keiner da, der<br />

einem helfen konnte. Ich bekam Panik: „Stehe ich in<br />

der richtigen Laufrichtung, oder muss ich in die andere?“<br />

Es ist nicht gerade das Beste, sich in diesem<br />

Moment solche Fragen zu stellen. Und ich meinte<br />

nur: „Kann mir irgendjemand helfen? Ich weiß nicht,<br />

wo ich lang muss.“ Ich hatte Angst, dass ich stecken<br />

bleiben würde, <strong>und</strong> so war es dann auch.<br />

“<br />

Ich habe mit<br />

einem Soldaten<br />

gesprochen.<br />

Er fragte:<br />

,Geht es Ihnen gut?‘<br />

Ich meinte nur:<br />

,Nein!‘<br />

Ich habe gezittert,<br />

<strong>und</strong> das konnte<br />

man auch sehen<br />

”<br />

– <strong>Kate</strong> moSS<br />

KATE: Wirklich?<br />

NAOMI: Ja, aber die anderen durften mir nicht<br />

helfen. Es gibt da irgendeine Regel, die das verbietet,<br />

keine Ahnung.<br />

KATE: Oh, das wusste ich gar nicht.<br />

NAOMI: Und so kam es dann auch: Als ich die<br />

Treppen zurück in den Wagen runterstieg, bin ich stecken<br />

geblieben.<br />

KATE: Oh nein! Ich habe es dafür nur bis zur Mitte<br />

des Laufstegs geschafft. Ich habe versucht, schneller<br />

zu laufen, aber offensichtlich war ich nicht so schnell<br />

wie die anderen. Ich bin nur bis zu der Stelle gekommen,<br />

an der alle anderen sich umdrehen <strong>und</strong><br />

runter steigen. Hast du es dir angeschaut?<br />

NAOMI: Ja, als ich wieder zu Hause war.<br />

KATE: Dabei haben nur zwei Schritte gefehlt, ansonsten<br />

hätte ich es geschafft. Rückblickend ist das<br />

egal, Hauptsache wir waren dabei. Es war jedenfalls<br />

super, oder?<br />

NAOMI: Ich glaube, es war eine der aufregendsten<br />

Shows, die ich jemals gemacht habe.<br />

KATE: Am nächsten Tag bin ich aufgewacht <strong>und</strong><br />

habe gedacht: Ich will noch mal!<br />

NAOMI: (lacht)<br />

KATE: Jetzt kann ich mir vorstellen, wie man sich<br />

fühlen muss, wenn man gerade ein Konzert vor Tausenden<br />

von Leuten gibt.<br />

NAOMI: Stell dir vor, du machst das jeden Abend!<br />

KATE: Ja! Es hat solchen Spaß gemacht!<br />

NAOMI: Alle sind total enthusiastisch <strong>und</strong> wollen<br />

zusammenarbeiten. So muss das sein. Ich muss<br />

dir übrigens für Fashion for Relief danken. Es war<br />

unglaublich gut, vor allem wenn ich bedenke, dass<br />

du eigentlich gar keine Sendungen mehr machen<br />

willst.<br />

KATE: Du hast einen echt tollen Job gemacht.<br />

Wenn du eine Mission hast, dann ziehst du sie richtig<br />

durch.<br />

NAOMI: Ja, du weißt, wie ich dann bin (lacht).<br />

KATE: Du bist nicht aufzuhalten (lacht). Erinnerst<br />

du dich an die Versace-Show damals in Afrika?<br />

96<br />

NAOMI: Das war doch 1998 – <strong>und</strong> es war Valentinstag.<br />

Abgesehen davon, Mr Mandela zu treffen,<br />

war der Flug dorthin legendär.<br />

KATE: Ja, der Flug war irre!<br />

NAOMI: Der Guide, den wir getroffen haben,<br />

auch. Kannst du dich daran erinnern, dass ich Karen<br />

<strong>und</strong> Bridget Hall, die beiden Jüngsten aus der Gruppe,<br />

verloren habe? Die sind irgendwie in Johannesburg<br />

verschw<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> wir mussten die Maschine<br />

nach Kapstadt nehmen. Wir kamen am Flughafen an,<br />

<strong>und</strong> die beiden fehlten. Ich bekam total die Panik <strong>und</strong><br />

war nur so: „Wir können nicht los! Wir müssen sie<br />

finden!“<br />

KATE: Wo waren sie denn?<br />

NAOMI: Auf der Toilette! Irgendwie verschüttgegangen.<br />

Und ich fühlte mich so verantwortlich.<br />

Sag mal, Wagon, du bist schon in vielen Musikvideos<br />

aufgetreten, unter anderem von Primal Scream, The<br />

White Stripes, Elton John <strong>und</strong> George Michael.<br />

Glaubst du, es gibt eine enge Beziehung zwischen<br />

Mode- <strong>und</strong> Musikwelt?<br />

KATE: Für mich schon.<br />

NAOMI: Ja, für mich auch.<br />

KATE: Spiel ein Lied, <strong>und</strong> ich stelle mir das<br />

passende Outfit dazu vor.<br />

NAOMI: Ich mag es, bei der Arbeit Musik zu<br />

hören.<br />

KATE: Ja, das weckt auf.<br />

NAOMI: Und es schafft Atmosphäre. In New York<br />

haben jetzt viele Fotografen DJs am Set.<br />

KATE: Ich weiß. Das ist super, oder?<br />

NAOMI: Der Erste, bei dem ich das erlebt habe,<br />

war David LaChapelle. Ich fragte: „Spielen die für<br />

uns?“ Ich konnte es kaum fassen!<br />

KATE: David Sims macht das auch <strong>und</strong> noch ein<br />

paar andere. Einer von Davids Assistenten ist ein sehr<br />

toller DJ. Ich könnte ihm den ganzen Tag zuhören, so<br />

gut ist er!<br />

NAOMI: Wo wir gerade beim Thema sind: Das<br />

Metro politan Museum of Art wird nächstes Jahr eine<br />

große Ausstellung über Punk zeigen.<br />

KATE: Wie toll! Die Mode von damals war einfach<br />

super.<br />

NAOMI: Bist du jemals in Vivienne Westwoods<br />

Archiv gewesen wegen der alten Sachen? Ich frage seit<br />

Jahren danach.<br />

KATE: Ich sammle die Sachen. Ich habe haufenweise<br />

von dem Zeug. Mittlerweile sind sie wie Museumsstücke.<br />

Ich besitze einen Hangman-Jumper, der<br />

sieht aus wie ein Schal, heißt aber so. Er hat ein Vermögen<br />

gekostet, aber das war es wert. Er wird in der<br />

Ausstellung gezeigt.<br />

NAOMI: Wow, das freut mich für Vivienne.<br />

KATE: Ja, sie ist ein Genie.<br />

NAOMI: Was magst du an ihr? Findest du sie auch<br />

so angenehm verdreht?<br />

KATE: Ja, sie ist schräg <strong>und</strong> originell. Und sie ist<br />

lustig, ich liebe sie. Sie geht jetzt nach Indien. Sie ist<br />

gerade auf einer großen Mission für das Klima <strong>und</strong><br />

unsere Umwelt. Das ist ein tolles Projekt.<br />

NAOMI: Ich liebe sie für die Leidenschaft, die sie<br />

entwickelt, wenn sie sich etwas vorgenommen hat.<br />

KATE: Wir haben beide im gleichen Alter angefangen<br />

zu modeln. Du warst 15, als du das erste Mal<br />

auf dem Titel der britischen Elle warst. Was sind deine<br />

schönsten Erinnerungen an diese Zeit?<br />

NAOMI: Ich glaube, das sind die Reisen. Ich fand<br />

es schön, so viele verschiedene Orte kennenzulernen.<br />

Für die Arbeit reisen zu können <strong>und</strong> die unterschiedlichsten<br />

Leute kennenzulernen hat mir viel Spaß gemacht.<br />

Die Modewelt war mir damals noch völlig<br />

blume<br />

m&s<br />

schmAlberg


kleid & Hut<br />

sAint lAurent


fremd – ich war ja auf einer Schule für Tanz, Kunst<br />

<strong>und</strong> Theater. Als Teenager dann diese Welt erk<strong>und</strong>en<br />

zu können war aufregend.<br />

KATe: Wann hast du die Schule verlassen?<br />

nAoMi: Mit 15. Ich hatte noch Schulprüfungen<br />

im April, <strong>und</strong> in den Osterferien war mein erstes<br />

Shooting in New Orleans. Deshalb habe ich heute<br />

noch eine Schwäche für diese Stadt.<br />

KATe: Oh Gott, sie haben dich für dein erstes<br />

Shooting nach New Orleans geschickt.<br />

nAoMi: Ja, dann ging es weiter nach Mississippi,<br />

Pensacola <strong>und</strong> Alabama, durch den tiefen Süden also.<br />

Ich lief da als schwarzes Mädchen mit meinem Akzent<br />

durch die Gegend. Ich habe überall angehalten, um<br />

Postkarten für meine Oma zu kaufen. Ich wollte ihr<br />

immer schreiben, wo ich gerade bin. Meine Mutter<br />

hat sich Sorgen gemacht. Aber Lucinda Chambers,<br />

die erste Redakteurin, mit der ich gearbeitet habe,<br />

hat ihr versichert, dass sie auf mich aufpasst.<br />

KATe: Lucinda kümmert sich sehr gut. Wie hat<br />

sich das Modegeschäft seitdem verändert? Hat es sich<br />

verbessert oder verschlechtert?<br />

nAoMi: Ich komme aus der englischen Modewelt.<br />

Deswegen hatte ich bis dahin nie irgendetwas Rassistisches<br />

gehört. Ich bin sehr offen erzogen worden, um<br />

mich herum wurden alle möglichen Sprachen gesprochen.<br />

Ich war schockiert, als ich das erste Mal nach<br />

Amerika kam <strong>und</strong> all diese Sachen gehört habe.<br />

KATe: Als ich das erste Mal in New York war,<br />

dachte ich: Wovon reden die hier alle? Ich habe das<br />

einfach nicht verstanden. Das war komisch. Wenn<br />

man in Süd­London aufgewachsen ist, war man daran<br />

gewöhnt, von Leuten unterschiedlichster Herkunft<br />

umgeben zu sein.<br />

nAoMi: Ja, da wo wir herkommen, gab es so etwas<br />

nicht. Ich habe versucht, dem treu zu bleiben.<br />

Und du kennst mich (lacht). Ich akzeptiere kein Nein.<br />

KATe: Das bringt mich zu meiner nächsten Frage.<br />

Du warst definitiv eines der ersten Supermodels <strong>und</strong><br />

außerdem das erste Model, das dagegen angekämpft<br />

hat, dass ausschließlich weiße Models auf den Titelseiten<br />

waren. Hat sich das wie ein Kampf angefühlt?<br />

Kämpfst du immer noch für Gleichberechtigung in<br />

der Mode?<br />

nAoMi: Ich würde vielleicht nicht das Wort<br />

Kampf benutzen. Aber es hat sich wirklich angefühlt,<br />

als müsste man einen hohen Berg bezwingen. Ich<br />

würde es trotzdem nicht kämpfen nennen. Ich habe<br />

einfach getan, was ich für notwendig hielt. Und ich<br />

wollte Aufmerksamkeit für uns Schwarze schaffen.<br />

KATe: Damit das Thema nicht in Vergessenheit<br />

gerät.<br />

nAoMi: Ja, aber geht es nicht trotzdem so weiter?<br />

Ich denke schon. Erst gestern habe ich schon wieder<br />

von einer unfassbaren Geschichte gehört. Es ist vollkommen<br />

egal, ob du auf der Vogue warst oder ob du<br />

etabliert bist, man erteilt dir trotzdem eine Abfuhr.<br />

Wegen deiner Hautfarbe. Das ist doch schockierend.<br />

Man denkt, man hat einen gewissen Punkt in seiner<br />

Karriere erreicht, an dem einen das nicht mehr passiert,<br />

aber das ist nicht so.<br />

KATe: Du warst auf einer Ballettschule, oder?<br />

nAoMi: Ja, genau.<br />

KATe: Wünschst du dir manchmal, du wärst eine<br />

Ballerina geworden?<br />

nAoMi: Ich hatte große Angst davor, wieder Ballettst<strong>und</strong>en<br />

zu nehmen, nachdem ich das so viele Jahre<br />

nicht gemacht habe. Vor zwei Jahren war ich bei<br />

Oprah Winfrey, <strong>und</strong> wir haben in Russland gedreht.<br />

Ich habe am Ballettunterricht des Bolschoi­Balletts<br />

teilgenommen, in einer fortgeschrittenen Klasse. Ich<br />

hatte so große Angst, dass ich mich plötzlich an keinen<br />

Schritt mehr erinnern konnte. Ich habe gedacht:<br />

Ich kann da nicht mitmachen, auf gar keinen Fall.<br />

Aber dann habe ich es doch getan, <strong>und</strong> ich konnte<br />

auch mithalten. Als ich rauskam, musste ich erst mal<br />

anfangen zu weinen. Ich weiß nicht, ob das Tränen<br />

der Erleichterung waren oder ob es einfach nur die<br />

Angst war, dass ich das nie wieder erleben könnte. Es<br />

hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht.<br />

KATe: Wow, das klingt wirklich schön.<br />

nAoMi: Alles daran war toll, der Geruch in diesem<br />

Raum, der Geruch der Ballettschuhe. Einfach<br />

alles. All die Dinge, die mir von früher so vertraut waren,<br />

kamen plötzlich wieder. Das war eine sehr schöne<br />

Erfahrung.<br />

KATe: Oh, das hätte ich gerne gesehen. Kann man<br />

sich das noch anschauen?<br />

nAoMi: Ich glaube, ich habe eine Aufnahme.<br />

KATe: Die würde ich gerne sehen. Wir sind beide<br />

oft auf Reisen, aber in London fühle ich mich wirklich<br />

zu Hause. Wo siehst du dich? Glaubst du, dass du dich<br />

irgendwo richtig niederlassen wirst?<br />

nAoMi: Vlad sagt immer, ich sei eine Zigeunerin.<br />

Besonders, weil ich immer mit so viel Kleidern unterwegs<br />

bin. Du kennst das, wir wissen ja nie genau, wo<br />

wir als Nächstes landen.<br />

KATe: Aber du hast Wohnsitze sowohl in London<br />

als auch in New York.<br />

nAoMi: Ja, <strong>und</strong> ich wohne an beiden Küsten. Ich<br />

wechsle ab. Ein bisschen Zeit verbringe ich in London,<br />

ein bisschen in New York, ein bisschen in Miami,<br />

ein bisschen in Moskau. Es war aber sehr schön, dass<br />

ich gerade sechs Wochen am Stück in New York verbringen<br />

konnte. Es war allerdings auch ein wenig seltsam,<br />

so lange nicht fliegen zu müssen.<br />

KATe: Wuselst du manchmal einfach nur so vor<br />

dich hin? Ich habe nämlich ständig das Gefühl, dass<br />

ich mich immer mit allem beeile <strong>und</strong> mir selten Zeit<br />

für etwas nehme.<br />

nAoMi: Bei mir ist das auch so, aber manchmal<br />

versuche ich, es anders zu machen. Wenn wir von einer<br />

längeren Reise zurückkommen, sage ich mir schon<br />

mal: Heute bleibe ich zu Hause, schaue mir meine<br />

geliebten iTunes­Fernsehsendungen an <strong>und</strong> mache<br />

ansonsten gar nichts.<br />

KATe: Ich will diese Sendung sehen, von der du<br />

erzählt hast. Was für eine ist das?<br />

nAoMi: Once Upon a Time, die ist großartig. Früher<br />

hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn<br />

ich mal einen Tag lang gar nichts gemacht habe, aber<br />

heute ist das nicht mehr so. Wenn ich mal einen Tag<br />

Pause brauche, dann nehme ich mir den auch. Dann<br />

gehe ich nicht mal ans Telefon.<br />

KATe: Ich habe gelesen, dass du deinen ersten Auftritt<br />

in einem Bob­Marley­Video hattest.<br />

nAoMi: Yeah.<br />

KATe: Wie alt warst du?<br />

nAoMi: Ich glaube, ich war sieben.<br />

KATe: Oh Gott, wie kam es dazu?<br />

nAoMi: Die kamen an meine Schule, die Barbara<br />

Speake Stage School. Sie haben meine ganze Klasse<br />

engagiert, so kam das. Die Schule wurde von Barbara<br />

Speake <strong>und</strong> der Mutter von Phil Collins geleitet. Sie<br />

ist vor Kurzem verstorben. Ich habe immer noch<br />

Kontakt zu meinen Schulfre<strong>und</strong>innen, zu sechs von<br />

ihnen jedenfalls. Ich bin gerne mit ihnen zusammen.<br />

Wir treffen uns manchmal in London zum Mittagessen.<br />

Es ist mir wichtig, mir Zeit dafür zu nehmen.<br />

Wir schwelgen immer in Erinnerungen an früher. Na<br />

ja, es war jedenfalls ziemlich aufregend, in einem Bob­<br />

Marley­Video mitzuspielen.<br />

100<br />

Kleid<br />

RoKsAndA ilincic


Kleid<br />

Gucci<br />

Hut<br />

SAint lAurent


KATE: Wusstest du, wer er ist?<br />

NAOMI: Ja, in unserem jamaikanischen Haushalt<br />

war Bob Marley ziemlich präsent. Am Wochenende<br />

lief immer Reggae. Aber dann vor ihm zu stehen war<br />

natürlich etwas ganz anderes. Er war ein sehr gut aussehender<br />

Mann. Ich erinnere mich allerdings, dass ich<br />

angefangen habe zu heulen, als ich seine Dreadlocks<br />

sah, weil ich dachte, es wären Würmer. Aber er war<br />

sehr fre<strong>und</strong>lich. Und es hat natürlich Spaß gemacht,<br />

nicht in die Schule gehen zu müssen <strong>und</strong> stattdessen<br />

in einem Videoclip mitzuspielen, in dem eine Party<br />

für Bob Marley gefeiert wird.<br />

KATE: Wow. Um diese Erfahrung beneide ich<br />

dich. Du hast mit allen wichtigen Fotografen <strong>und</strong> Designern<br />

der vergangenen 15 bis 20 Jahre zusammengearbeitet.<br />

Gibt es ein Shooting, das heraussticht?<br />

NAOMI: Nur ein einzelnes zu nennen ist schwer.<br />

Die Aufnahmen, die wir alle gemeinsam gemacht haben,<br />

waren immer Höhepunkte, so wie die für den<br />

Vogue-Titel.<br />

KATE: Die Aufnahmen mit Avedon waren auch etwas<br />

Besonderes.<br />

NAOMI: Das sind ganz tolle Erinnerungen. Wir<br />

haben es geliebt, alle zusammen zu sein, auch wenn<br />

man uns das nicht glauben wollte. Wahrscheinlich gefällt<br />

den Leuten der Gedanke, dass wir uns alle hassen<br />

würden, nach wie vor besser. Aber es stimmt nicht.<br />

Wir haben uns umeinander gekümmert. Ich denke<br />

wirklich gerne an diese Aufnahmen zurück.<br />

KATE: Wir hatten immer viel zu lachen.<br />

NAOMI: Oh ja.<br />

KATE: Wohltätigkeitsarbeit spielt heute eine große<br />

Rolle in deinem Leben. Was sind deine wichtigsten<br />

Projekte?<br />

NAOMI: 2005 habe ich mit Fashion for Relief angefangen.<br />

Die Ges<strong>und</strong>heit von Müttern <strong>und</strong> Kindern<br />

ist ein wichtiges Thema. Ebenso wird Aids immer eines<br />

sein <strong>und</strong> auch Krebs. Mehrere meiner Familienmitglieder<br />

waren schon davon betroffen. Ebenso<br />

Brustkrebs. Wir hatten viel Glück in unserem Leben,<br />

<strong>und</strong> ich finde wirklich, Mr Mandela ist eine große Inspirationsquelle,<br />

wenn er sagt: „Hilf anderen mit dem,<br />

was du bist.“ Als er mir das gesagt hat, habe ich nicht<br />

verstanden, wovon er gesprochen hat. Wie mache ich<br />

das? Aber irgendwie findet man seinen Weg.<br />

KATE: Ja, du hast ihn wirklich gef<strong>und</strong>en. Du bist<br />

unglaublich. Zurück zur Mode! Hast du irgendwelche<br />

besonderen Vintage-Stücke?<br />

NAOMI: Ich habe viele Teile aus den 30er-Jahren.<br />

KATE: Ach ja?<br />

NAOMI: Ja, sie sind in meinem Lager.<br />

KATE: Kramst du sie für die Party wieder aus?<br />

NAOMI: Die Sachen sind alle in New York. Es ist<br />

eine ziemlich gute Sammlung, denn ich habe nie irgendetwas<br />

davon weggegeben. Yves Saint Laurent,<br />

Versace, Alaïa, Jean Paul Gaultier, Thierry Mugler,<br />

Chanel. Ich habe alles noch.<br />

KATE: Wow.<br />

NAOMI: Helmut Lang auch. Und die frühen<br />

Sachen von Dolce & Gabbana.<br />

KATE: Ich habe so viel verloren. Ich weiß nicht, wo<br />

die Sachen alle geblieben sind.<br />

NAOMI: Ich habe eine gute Firma ausfindig<br />

gemacht, die das alles dokumentiert.<br />

KATE: Oh, ich habe auch so eine.<br />

NAOMI: Ach wirklich?<br />

KATE: Ja, ich sag dir ihren Namen. Die Frau ist<br />

gut. Du würdest sie mögen. <strong>Naomi</strong>, du hast auch<br />

schon öfter geschauspielert, was reizt dich daran?<br />

NAOMI: Als Models schauspielern wir ja auch, nur<br />

eben ohne zu sprechen. Das ist also einfach der nächste<br />

logische Schritt. Wenn ich an ein Set komme, höre<br />

ich auf, <strong>Naomi</strong> zu sein. Ich werde zu dem, was auch<br />

immer der Fotograf sich vorstellt.<br />

KATE: Ich finde, es macht einen großen Unterschied,<br />

ob sich die Kamera bewegt oder nicht. Wenn<br />

ich vor einer beweglichen Kamera stehe, werde ich<br />

immer total nervös. Aber das ist wahrscheinlich<br />

Übungssache.<br />

NAOMI: Bei den Dreharbeiten zu The Face, meiner<br />

Reality-TV-Serie, habe ich die Kameras irgendwann<br />

einfach vergessen. Da wollte ich auch nicht<br />

schauspielern, sondern einfach ich selbst sein. In<br />

Spike Lees Film Girl 6 habe ich eine Telefonsex-<br />

Arbeiterin gespielt. Es hat Spaß gemacht, in eine andere<br />

Rolle zu schlüpfen <strong>und</strong> sich weiterzuentwickeln.<br />

KATE: Es macht eben auch Spaß.<br />

NAOMI: Brian Grazer hat uns gesagt, modeln sei<br />

wie schauspielern, nur ohne zu sprechen. Das ist fast<br />

noch schwieriger, weil man so jede Emotion nur über<br />

Mimik <strong>und</strong> Gestik ausdrücken kann.<br />

KATE: Ja, <strong>und</strong> man muss sich richtig reinfühlen,<br />

sonst wirkt man unglaubwürdig.<br />

NAOMI: Ganz genau. Weil wir das können, stehen<br />

wir heute immer noch hier.<br />

KATE: Welcher ist dein Lieblingsfilm?<br />

NAOMI: Die Frauen gefällt mir sehr, also das Original<br />

von George Cukor. Ich liebe Martin Scorsese,<br />

The King of Comedy <strong>und</strong> Taxi Driver. Ich mag es einfach,<br />

wenn Filme etwas bedeuten, wenn sie etwas<br />

Wahres zeigen. Und ich liebe gute Schauspielerei. Am<br />

besten gefallen mir komplizierte Charaktere, die einem<br />

richtig etwas abverlangen.<br />

KATE: Ja! Stehst du auch auf trashige Sachen?<br />

NAOMI: Ja, ich schaue gerne Realityformate wie<br />

The Real Housewives – manchmal tut es gut, einfach<br />

abzuschalten. Dazu stehe ich. Wir haben doch alle ab<br />

<strong>und</strong> zu Lust auf Klatsch <strong>und</strong> Tratsch. American Idol<br />

oder X Factor schaue ich zum Beispiel gerne. Ich mag<br />

Sendungen, in denen Menschen eine Chance bekommen.<br />

Deswegen habe ich auch meine Show gemacht.<br />

Ich bin niemand, der eine Show über sein eigenes Leben<br />

machen würde. Ich glaube auch nicht, dass das<br />

funktionieren kann, am Ende kommt meistens etwas<br />

sehr Ordinäres dabei raus. Ich wollte eine Sendung<br />

machen, bei der ich anderen mit meiner Erfahrung<br />

helfen <strong>und</strong> quasi ihr Mentor sein kann. Alle anderen<br />

Angebote habe ich immer abgelehnt.<br />

KATE: Ich kann es kaum erwarten, deine Sendung<br />

zu sehen. Wir müssen sie zusammen anschauen, wenn<br />

sie das erste Mal ausgestrahlt wird!<br />

NAOMI: Ich weiß noch gar nicht, wo ich sein werde,<br />

wenn sie gezeigt wird. Aber wenn ich in England<br />

bin, machen wir das auf jeden Fall!<br />

KATE: Das wäre so toll! Schau mal, Wagon. Hier<br />

sind ein paar Fotos von uns. Wir haben schon einige<br />

w<strong>und</strong>erbare Reisen zusammen unternommen. Das<br />

Bild hier wurde in Südfrankreich aufgenommen.<br />

NAOMI: Das sind wir beide mit Wasserpistolen.<br />

Das war, als wir uns entschlossen hatten …<br />

KATE: … unsere Eltern mitzunehmen.<br />

NAOMI: (lacht) Wir haben ein Haus gemietet <strong>und</strong><br />

sind mit unseren Eltern hingefahren.<br />

KATE: Wir waren so liebe Mädchen.<br />

NAOMI: Wir haben sie nach Monaco in den Sport<br />

Club geschickt, damit sie Joe Cocker sehen können.<br />

KATE: Du stehst Nelson Mandela sehr nahe, mittlerweile<br />

bist du seine Patentochter. Nicht schlecht!<br />

Wann hast du ihn zum ersten Mal getroffen? Wie<br />

würdest du eure Beziehung beschreiben?<br />

NAOMI: Ich kann immer noch nicht fassen, dass<br />

ich ihn tatsächlich kennenlernen durfte!<br />

104<br />

KATE: Seine Aura! Unbeschreiblich.<br />

NAOMI: Ja, das stimmt. Er strahlt geradezu.<br />

KATE: Ich habe noch nie jemanden getroffen, der<br />

so eine Energie hat.<br />

NAOMI: Als ich bei ihm war, habe ich jeden Tag<br />

etwas gelernt. Es hat mich dazu gebracht, innezuhalten<br />

<strong>und</strong> nachzudenken. Ich habe eine Menge<br />

Veränderungen in meinem Leben durchgemacht,<br />

öffentlich <strong>und</strong> privat. Er hat mir klargemacht, dass es<br />

nichts in meinem Leben gibt, für das ich nicht dankbar<br />

sein sollte. Dass ich sehr gesegnet bin. Ich meine,<br />

wie wäre das, wenn uns jemand 27 Jahre unseres Lebens<br />

weggenommen hätte? Er kam lächelnd da raus<br />

– <strong>und</strong> lächelt immer noch.<br />

KATE: Erinnerst du dich eigentlich an unser erstes<br />

gemeinsames Shooting?<br />

NAOMI: Ich glaube, für i-D mit Steven Klein.<br />

KATE: Ah ja, ich glaube, du hast recht. Ich sollte<br />

mir die Bilder mal besorgen.<br />

NAOMI: Da habe ich auch zum ersten Mal mit Pat<br />

McGrath gearbeitet.<br />

KATE: Kennst du dieses Bild von mir mit dem<br />

Teddy bären in Vivienne-Westwood-Schuhen?<br />

NAOMI: Ja!<br />

KATE: Sie hat es aufgenommen!<br />

NAOMI: Mit Corinne Day?<br />

KATE: Nein, <strong>Kate</strong> Garner.<br />

NAOMI: <strong>Kate</strong> Garner mit Dreadlocks.<br />

KATE: Ich habe sie gesehen, es sah komisch aus.<br />

NAOMI: Hast du die Fotos?<br />

KATE: Ich bin nicht sicher. Es war jedenfalls sehr<br />

merkwürdig. Jamie <strong>und</strong> ich sind zusammen die Straße<br />

runtergelaufen, <strong>und</strong> ich sah ihre Stiefel <strong>und</strong> dachte:<br />

Oh, die ist aber wirklich cool. Sie hatte ihre Tochter<br />

dabei, die ist ungefähr 17. Sie hat mich angesprochen:<br />

„<strong>Kate</strong>, hiiii!“ Ich habe sie erkannt, aber ich hatte sie<br />

seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.<br />

NAOMI: War sie nicht in dieser Pop-Band, Haysi<br />

Fantayzee?<br />

KATE: Jamie meinte nur: „Oh mein Gott, ist das<br />

etwa <strong>Kate</strong> Garner? Ich war so verknallt in sie.“<br />

NAOMI: Sie war so hübsch.<br />

KATE: Sehr hübsch, ja.<br />

(Vlad betritt den Raum.)<br />

KATE: Hey Darling, wir sind fast fertig. Obwohl,<br />

nein, eine Frage noch: Welches Lied hörst du zurzeit<br />

am liebsten?<br />

NAOMI: Kid Creole & The Coconuts (lacht).<br />

KATE: Welcher Titel?<br />

NAOMI: Annie, I’m Not Your Daddy.<br />

KATE: Das kenne ich nicht. Bitte, spiel es mir vor.<br />

NAOMI: Es ist super! Vor Kurzem war ich auf der<br />

Hochzeit meiner Fre<strong>und</strong>in Farida in Paris. Als das<br />

Lied gespielt wurde, sind alle aufgesprungen <strong>und</strong><br />

haben angefangen zu tanzen: Azzedine, Christian …<br />

Einfach zu gut! Seitdem höre ich das wieder öfter.<br />

Aber auch viel von Etta James, sie beruhigt mich. Es<br />

ist so traurig, dass Etta gestorben ist. Wir haben so<br />

viele tolle Sängerinnen verloren in letzter Zeit: Donna<br />

Summer, Whitney Houston, Etta James.<br />

KATE: Ich höre mir jetzt dieses Lied an.<br />

NAOMI: Ich danke dir, <strong>Kate</strong>! Ich liebe dich, Wagon,<br />

ich hatte so einen schönen Tag mit dir!<br />

KATE: Ich liebe dich auch! Vielen Dank!<br />

Haare CHRISTIAAN<br />

Make-up LUCIA PIERONI FÜR CLÉ DE PEAU BEAUTÉ<br />

Maniküre für <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> LORRAINE GRIFFIN<br />

Maniküre für <strong>Naomi</strong> <strong>Campbell</strong> LIZA SMITH<br />

Set-Design JACKI CASTELLI<br />

Produktion LALALAND<br />

Retusche DREAMER<br />

Kleid (An nAomi)<br />

Gucci<br />

Hüte<br />

SAint lAurent


“<br />

Normalerweise drehst du einen Film <strong>und</strong> fragst dich:<br />

Wird er jemals ins Kino kommen? Und wenn<br />

er ins Kino kommt: Wird ihn jemand sehen wollen?<br />

”<br />

Ian McKellen


Ian<br />

McKeLLen<br />

Auf den nächsten Auftritt dieses Mannes warten Millionen.<br />

Als Zauberer Gandalf war Ian McKellen bereits in<br />

Der Herr der Ringe der heimliche Held der Saga.<br />

Jetzt kehrt er in Der HobbIt nach Mittelerde zurück,<br />

um ein weiteres Mal die Schlacht gegen das böse zu schlagen.<br />

Im Gespräch mit Andy Serkis (der in den Filmen Gollum spielt)<br />

erklärt der brite, warum es sich auch im echten Leben lohnt,<br />

für das Gute zu kämpfen<br />

Foto (vorherige Doppelseite): James Fisher/2012 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND METRO-GOLDWYN-MAYER PICTURES INC.<br />

von<br />

andy SERKIS<br />

foTos<br />

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mAx peArmAin<br />

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Tommy Hilfiger<br />

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gürTel<br />

(geseHen bei bd-b VinTage)<br />

comme des gArçons<br />

scHuHe<br />

rAlpH lAuren<br />

blAcK lAbel


Andy SerkiS: Ich muss dir natürlich ein paar Fragen<br />

zum Hobbit stellen, Ian.<br />

iAn Mckellen: Aber frag mich jetzt bitte nicht,<br />

wie es war, wieder nach Neuseeland zurückzukehren.<br />

SerkiS: Doch, weil es mich persönlich interessiert.<br />

Auch für mich war es ja eine Rückkehr. Also – wie war<br />

es für dich, nach Neuseeland zurückzukehren?<br />

Mckellen: Ich weiß ja nicht, wie es bei dir ist, aber<br />

die Herr der Ringe­Filme sind inzwischen Teil meines<br />

Lebens. In den letzten zehn Jahren ist wohl kein Tag<br />

vergangen, an dem ich nicht jemandem begegnet bin,<br />

der sie gesehen hat, der sie mochte <strong>und</strong> auch darüber<br />

sprechen wollte. Selbst wenn wir nicht daran gearbeitet<br />

haben, die Filme waren immer präsent.<br />

SerkiS: Geht mir genauso.<br />

Mckellen: Irgendwann hörte ich dann von dem<br />

Plan, dass Peter Jackson auch den Hobbit drehen würde<br />

– ich denke, das ist so vier, fünf Jahre her. Ich war<br />

natürlich hocherfreut, aber kaum hatte ich mich darauf<br />

eingestellt, war Peter schon nicht mehr mit an<br />

Bord. Was nun? Zwei St<strong>und</strong>en nachdem es geheißen<br />

hatte, dass er definitiv die Regie nicht übernehmen<br />

würde, bekam ich eine E­Mail von ihm: „Dass ich<br />

nicht mehr dabei bin, heißt aber nicht, dass auch du<br />

aussteigen sollst. Wenn du den Film drehen möchtest,<br />

dreh ihn. Ich will sogar, dass du den Film drehst. Du<br />

bist Gandalf, egal wer Regie führt.“ Ich fand das sehr<br />

fre<strong>und</strong>lich von ihm.<br />

SerkiS: Dann kam Guillermo del Toro …<br />

Mckellen: … <strong>und</strong> wieder ein wenig Aufregung<br />

in die Sache. Hatte er etwa eine ganz andere Sichtweise<br />

auf Mittelerde? Vielleicht, vielleicht auch nicht.<br />

Aber ich wusste ja überhaupt nicht, ob er mich als<br />

Gandalf wollte. Möglicherweise schwebte ihm ein<br />

ganz anderer Gandalf vor. Aber nein, er wollte mich.<br />

Also traf ich ihn einige Male, wir unterhielten uns<br />

über das Drehbuch, <strong>und</strong> alles schien w<strong>und</strong>erbar – <strong>und</strong><br />

dann ging auch er von Bord.<br />

SerkiS: Und Peter Jackson kam zurück.<br />

Mckellen: Was eine gute Sache war – nur wurde<br />

Peter leider erst einmal krank. Es war also jenes stete<br />

Auf <strong>und</strong> Ab, wie man es von unserem Beruf gewohnt ist.<br />

Aber nach Neuseeland zurückzugehen war, um auf deine<br />

Frage zurückzukommen, im Gr<strong>und</strong>e unvermeidlich.<br />

SerkiS: Und als du ankamst?<br />

Mckellen: Es war w<strong>und</strong>erbar, die alten Fre<strong>und</strong>e<br />

wiederzusehen. Gleich am ersten Tag traf ich Elijah<br />

(Wood) – mir kamen beinahe die Tränen, als ich ihn<br />

sah, so ein w<strong>und</strong>erbarer, liebenswerter Mann. Der<br />

Rest der Besetzung war relativ neu, die Leute von der<br />

Crew hingegen waren alles gute Bekannte. Und als<br />

Bonus kam noch das Gefühl hinzu, dass man beim<br />

Hobbit an einer Sache arbeitet, die die Leute tatsächlich<br />

sehen wollen.<br />

“<br />

Manche sagen,<br />

dass ich mit meinem<br />

Coming-out auch<br />

ein besserer<br />

Schauspieler wurde –<br />

quasi über Nacht.<br />

Vorher war ich nur<br />

Kopf, nur Technik<br />

”<br />

– Ian McKellen<br />

SerkiS: Stimmt.<br />

Mckellen: Das ist ja wirklich sehr ungewohnt in<br />

unserem Beruf. Normalerweise drehst du einen Film<br />

<strong>und</strong> fragst dich: Wird er jemals ins Kino kommen?<br />

Und wenn er ins Kino kommt: Wird ihn jemand sehen<br />

wollen? Aber beim Hobbit weiß man, dass Millionen<br />

geradezu händeringend darauf warten. Das verlieh<br />

der Arbeit sozusagen ein Plus an Freude, einen<br />

zusätzlichen Sinn. Im Gegensatz zu dir hatte ich auch<br />

noch nicht in den großartigen neuen Studios gearbeitet.<br />

Überhaupt war dieses Mal alles ein wenig komfortabler,<br />

ich glaube sogar, das Essen schmeckte besser.<br />

Wir mussten auch nicht in dem alten zugigen Zelt<br />

speisen, das sich vom Wind so dramatisch aufblähte.<br />

SerkiS: Hahaha!<br />

Mckellen: Wie beim Herr der Ringe wohnte ich<br />

direkt nebenan. Ich fiel morgens aus dem Bett <strong>und</strong><br />

war schon zehn Minuten später im Studio. Meiner<br />

Erfahrung nach gibt es das sonst nirgendwo auf der<br />

Welt. Dreht man in London, muss man hinaus nach<br />

Pinewood, was dich am Tag ungefähr fünf St<strong>und</strong>en<br />

Fahrtzeit kostet.<br />

SerkiS: Geht es dir auch so, dass Neuseeland einen<br />

festen Platz in deinem Herzen hat?<br />

Mckellen: Oh ja, unbedingt.<br />

SerkiS: Ich meine jetzt nicht einmal die Landschaft,<br />

sondern die Lebensweise, die Leute, ihre Einstellung<br />

zum Leben.<br />

Mckellen: Es heißt oft, dass Neuseeland so sei,<br />

wie England in den Fünfzigern war – was, obwohl es<br />

wohl nicht so gemeint ist, sogar als Kompliment verstanden<br />

werden kann. Das Land ist auf eine erfreuliche<br />

Weise ruhig <strong>und</strong> weniger neurotisch als das Leben<br />

in Westeuropa heute. Andererseits ist Neuseeland<br />

ziemlich avanciert: Nuklearwaffen sind verboten; als<br />

wir Herr der Ringe gedreht haben, war praktisch jeder<br />

Regierungsposten von einer Frau besetzt …<br />

SerkiS: … Neuseeland war sogar das erste Land,<br />

in dem es das Frauenwahlrecht gab.<br />

Mckellen: Ja, <strong>und</strong> das Land ist auch vorbildlich,<br />

was die Rechte von Schwulen <strong>und</strong> Lesben angeht.<br />

Natürlich hat es seine Probleme, aber man hat irgendwie<br />

das Gefühl, als würden die Leute versuchen, damit<br />

vernünftig umzugehen, als würden sie tatsächlich<br />

versuchen, ihre Probleme zu lösen. Wenn man dann<br />

durch die Gegend fährt, sieht man natürlich vieles,<br />

was landschaftlich an England erinnert. Auch haben<br />

die Leute überwiegend Wurzeln in England <strong>und</strong><br />

Schottland <strong>und</strong> Irland <strong>und</strong> Wales. Dann realisiert<br />

man plötzlich, dass man sich auf einer Insel im südlichen<br />

Pazifik befindet <strong>und</strong> gar nicht weiter von zu<br />

Hause entfernt sein könnte, selbst wenn man wollte.<br />

Ich fand das im besten Fall aufregend <strong>und</strong> inspirierend<br />

– <strong>und</strong> im schlimmsten Fall höchst beunruhigend.<br />

SerkiS: Was denkst du über Peter Jackson <strong>und</strong> seine<br />

Frau Fran? Für mich sind sie die aufrichtigsten <strong>und</strong><br />

liebenswürdigsten Filmemacher, mit denen ich je arbeiten<br />

durfte.<br />

Mckellen: Das dachte ich von dem Moment an,<br />

als ich sie traf. Wir saßen bei mir an der Themse auf<br />

dem Sofa. Ich denke, das war 1999. Möglicherweise<br />

hatte er Schuhe an, aber gerade mal so. Er war sehr<br />

behaart. Peter hatte ein Buch mit Zeichnungen dabei,<br />

Zeichnungen über dieses Buch namens Der Herr der<br />

Ringe, das er verfilmen wollte. Ein Buch, das ich allerdings<br />

kaum kannte. Ein Drehbuch gab es jedenfalls<br />

nicht. Aber die beiden waren ganz bei sich. Ich hatte<br />

allerdings das Gefühl, dass sie lieber wieder daheim in<br />

Neuseeland wären. Die Jacksons reisen nicht gern.<br />

SerkiS: Obwohl sie für Reisen natürlich ihren<br />

großen Privatjet nehmen.<br />

Mckellen: Selbstverständlich … Wieso ist eigentlich<br />

in England niemand auf die Idee gekommen,<br />

diese großartige Geschichte zu verfilmen, die ein<br />

Engländer geschrieben hat? Nun gut, Tolkien kam<br />

zwar in Südafrika zur Welt, aber seine kulturellen<br />

Wurzeln waren zweifellos englisch, <strong>und</strong> auch Der<br />

Herr der Ringe handelt in weiten Teilen davon, was es<br />

bedeutet, Brite zu sein: die Klassenunterschiede zwischen<br />

Frodo <strong>und</strong> Sam, die Aufarbeitung von zwei<br />

Weltkriegen, die Welt der kleinen Leute, der Held,<br />

der nicht nach Hause zurückkehrt … Offenbar konnte<br />

kein Engländer darin eine Geschichte sehen, die es<br />

wert war, verfilmt zu werden. Also haben sich die Kiwis<br />

der Sache angenommen. Die Neuseeländer sollten<br />

darauf stolz sein. Wir haben allerdings unsere<br />

Chance verpasst. Ich meine, wir haben die Harry Potter­Filme<br />

gedreht, warum haben wir es nicht geschafft,<br />

die Herr der Ringe­Filme zu drehen? Egal, das<br />

war nur eine kleine Abschweifung …<br />

SerkiS: Nein, du hast ja vollkommen recht. Denkst<br />

du eigentlich, dass unsere Arbeit oder Kunst im Allgemeinen<br />

in der Lage ist, die Welt zu verändern?<br />

Mckellen: Ja, unbedingt. Meine Mutter starb,<br />

als ich noch sehr, sehr jung war. Ihre Schwester erzählte<br />

mir später: „Du weißt, dass deine Mutter mir<br />

vor ihrem Tod sagte, dass sie sehr glücklich darüber<br />

wäre, wenn du dich entscheiden würdest, Schauspieler<br />

zu werden. Schauspieler geben so viel Freude.“<br />

Foto (linke Seite): Courtesy of Warner Bros. Pictures/2012 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. AND METRO­GOLDWYN­MAYER PICTURES INC.<br />

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Meine Mutter liebte es, ins Theater zu gehen. Nun ist<br />

Freude eine Sache. Eine andere Sache aber ist die Frage,<br />

ob es noch einen Mehrwert gibt. Denn in meiner<br />

Familie war man der festen Überzeugung, dass es die<br />

Pflicht eines jeden sei, die Welt als einen besseren Ort<br />

zu hinterlassen. In dieser Hinsicht gibt es verschiedene<br />

Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre es, eine<br />

Familie zu gründen, nicht wahr? Aber das war für<br />

mich verständlicherweise keine Option. Also wollte<br />

ich meinen Beitrag leisten durch die Arbeit.<br />

SerkiS: Kannst du das näher erklären?<br />

Mckellen: Ja. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass<br />

ich jemals in Inszenierungen oder Filmen mitgewirkt<br />

habe, die nur dem Zweck der Unterhaltung <strong>und</strong> des<br />

Zeitvertreibs dienten. Es ging immer noch um etwas<br />

anderes. Ken Dodd, der große englische Komiker, der<br />

dazu neigte, seine Zuschauer im Theater einzusperren,<br />

während er für drei, vier St<strong>und</strong>en auf der<br />

Bühne stand <strong>und</strong> Witze erzählte, sagte einmal, dass er<br />

nur dann glücklich sei, wenn er die Wahrnehmung<br />

des Publikums ein wenig aus der Fassung gebracht<br />

hätte, sodass sie das Theater ein kleines bisschen verändert<br />

verlassen.<br />

SerkiS: An welche deiner Arbeiten denkst du?<br />

Mckellen: Ich habe nicht in vielen Filmen mitgespielt,<br />

die explizit politisch waren, aber Gods And<br />

Monsters erzählte zum Beispiel die wahre Geschichte<br />

eines schwulen Mannes, die die Zuschauer möglicherweise<br />

dazu gebracht hat, schwule Männer, also Männer<br />

wie mich, mit anderen Augen zu betrachten. Die<br />

X-Men-Filme handelten davon, wie die Gesellschaft<br />

mit Minderheiten umgeht. Die Herr der Ringe-Filme<br />

sind im Kern hochmoralisch, <strong>und</strong> die Shakespeare-<br />

Dramen erzählen davon, was es bedeutet, Mensch zu<br />

sein. Kann man all das auch über eine Seifenoper wie<br />

Coronation Street sagen? Am Ende des Tages sind wir<br />

Schauspieler – vermittelt über die Autoren <strong>und</strong> Drehbuchschreiber<br />

– nichts anderes als Geschichtenerzähler.<br />

Und man will ja, dass es in den Geschichten,<br />

die man erzählt, um irgendetwas geht.<br />

SerkiS: Absolut.<br />

Mckellen: Abgesehen davon können Schauspieler<br />

ihre hervorgehobene Stellung nutzen, weil ihre<br />

Bekanntheit ihnen einen leichteren Zugang zu den<br />

Medien ermöglicht. Sie können sich für Dinge einsetzen,<br />

die nicht zwingend etwas mit ihrer Arbeit zu<br />

tun haben müssen. Und in meinem Fall sind das die<br />

Belange von Schwulen. Andere mögen über Parteipolitik<br />

reden, den Umweltschutz, Kinder, Drogen<br />

<strong>und</strong> darüber, dass man keine Pelzmäntel tragen sollte.<br />

Wir sind in der Lage, die Aufmerksamkeit auf<br />

Dinge zu lenken, die uns am Herzen liegen, das ist<br />

nicht zu unterschätzen.<br />

SerkiS: Hat Religion in deiner Erziehung eigentlich<br />

eine Rolle gespielt?<br />

Mckellen: Meine Eltern waren Nonkonformisten,<br />

Methodisten, Baptisten, Kongregationalisten, das<br />

Salz der Erde. Sie waren Pazifisten <strong>und</strong> haben ihre<br />

Religion sehr ernst genommen. Wen sie wählten, wie<br />

sie handelten, wie sie mit ihren Nachbarn umgingen<br />

– alles ließ sich zurückführen auf die Lehren von Jesus.<br />

Meine Eltern waren die Einzigen in Wigan, die<br />

einen schwarzen Angestellten hatten. Wenn ich mit<br />

Henry durch die Straßen lief, rannten die Kinder hinter<br />

ihm her, weil sie noch nie einen Menschen mit<br />

schwarzer Haut gesehen hatten. Die einzigen Schwarzen,<br />

die man in Wigan kannte, waren nämlich Bergleute.<br />

Während des Krieges lebten Flüchtlinge mit<br />

uns im Haus, <strong>und</strong> nach dem Krieg nahmen wir einen<br />

deutschen Kriegsgefangenen auf. Das war also das<br />

Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin.<br />

“<br />

Peter Jackson<br />

schrieb mir eine<br />

E-Mail: ,Wenn du den<br />

Film drehen möchtest,<br />

dreh ihn. Ich will<br />

sogar, dass du den<br />

Film drehst. Du bist<br />

Gandalf. Egal wer<br />

Regie führt‘<br />

”<br />

– Ian McKellen<br />

SerkiS: Wann hast du deinen Eltern erzählt, dass<br />

du schwul bist?<br />

Mckellen: Meine Mutter starb, als ich zwölf war,<br />

als mein Vater starb, war ich 24. Ich habe es keinem<br />

von beiden gesagt – das bedaure ich sehr. Ich hatte<br />

mein Coming-out dann schließlich mit 49, was bedeutete,<br />

dass ich es auch meiner Stiefmutter erzählte.<br />

Sie antwortete: „Das weiß ich doch seit 30 Jahren.“<br />

Das war ein Manko in unserer Familie, es fiel uns<br />

nicht leicht, über Gefühlsdinge zu sprechen. Ziemlich<br />

englisch, oder? Nur nicht über solche Dinge sprechen!<br />

Aber das ist nicht gut. Letztlich hätte es uns einander<br />

nähergebracht. Als ich es meiner Stiefmutter<br />

<strong>und</strong> meiner Schwester dann irgendwann <strong>und</strong> viel zu<br />

spät erzählt hatte, war unsere Beziehung viel besser<br />

als zuvor. Viele Leute denken, man würde sich dadurch<br />

entfremden. Aber das Gegenteil ist der Fall.<br />

Ehrlichkeit, wenn man jemandem die Wahrheit über<br />

sich erzählt, ist ein Kompliment, das festigt die Beziehung.<br />

Eine andere Sache beim Coming-out ist, dass<br />

man mit sofortiger Wirkung ein besserer Mensch<br />

wird. Man wird selbstsicherer, man lügt nicht mehr,<br />

man muss sich nicht mehr verstellen, man fühlt sich<br />

besser. Und je besser sich die Leute fühlen, desto besser<br />

ist auch die Welt, in der sie leben.<br />

SerkiS: Was hat es beruflich für dich bedeutet?<br />

Mckellen: Manche sagen, dass ich auch ein besserer<br />

Schauspieler wurde – quasi über Nacht. Ich<br />

stand damals in Tschechows Onkel Wanja auf der Bühne<br />

<strong>und</strong> spielte die Titelfigur, diesen Mann, der gerade<br />

in einer schlimmen Midlife-Crisis steckt. Plötzlich<br />

konnte ich jeden Abend, ohne mich groß anzustrengen<br />

oder überhaupt darüber nachzudenken, auf der<br />

Bühne stehen <strong>und</strong> weinen. Denn endlich hatte sich in<br />

Ian McKellen die Blockade gelöst, die seine Gefühle<br />

von seinem Verstand trennte. Vorher war ich nur<br />

Kopf, nur Technik, nur Vernunft. Die Gefühle waren<br />

stranguliert, doch jetzt konnten sie plötzlich frei fließen.<br />

Und wenn man mich fragt, ob man es sich als<br />

junger schwuler Schauspieler leisten kann, sein Coming-out<br />

zu haben …<br />

SerkiS: Ja, was sagst du dann?<br />

Mckellen: Dann sage ich: Vergiss die Schauspielerei!<br />

Als Mensch schuldest du dir dein Coming-out.<br />

Nur wenn du mit dir selbst im Reinen bist, kannst du<br />

dich den Herausforderungen des Lebens stellen. Und<br />

wenn andere Leute damit nicht klarkommen – vergiss<br />

sie! Wenn du ein homosexueller Mann oder eine homosexuelle<br />

Frau bist <strong>und</strong> die Leute das nicht akzeptieren,<br />

dann willst du auch nicht mit diesen Leuten zusammenarbeiten.<br />

Egal wer sie sind, ob es sich nun um<br />

die wichtigsten Leute Hollywoods oder der britischen<br />

Gesellschaft handelt. Sie sind kein Umgang für dich.<br />

SerkiS: Stimmt.<br />

Mckellen: Wenn das darüber hinaus bedeutet,<br />

dass du nicht der große romantische Held in Hollywood<br />

werden kannst, dann ist auch das nicht der richtige<br />

Job für dich, falls es bedeutet, dass du dich deswegen<br />

verstellen musst. Das ist es nicht wert. Denn<br />

wenn Schauspielerei von irgendetwas handelt, dann<br />

doch wohl von der Wahrheit. Manche sagen, Schauspielerei<br />

sei Verwandlung, <strong>und</strong> ja, das ist sie auch.<br />

Aber Andy, wie siehst du das? In jeder Figur, die du<br />

gespielt hast, steckt doch Andy Serkis, oder?<br />

SerkiS: Unbedingt.<br />

Mckellen: Gerade gestern hatte ich wieder eine<br />

E-Mail von einem jungen Kerl, der mich in Sachen<br />

Coming-out um meinen Rat als Schauspieler bat. Ich<br />

antwortete ihm: Ich gebe dir keinen Rat als Schauspieler,<br />

ich gebe dir einen Rat als Mensch. Rupert<br />

Everett, ein offen schwuler Schauspieler, wird dir allerdings<br />

etwas anderes erzählen. Er wird dir sagen,<br />

dass Schwulsein in der Filmindustrie ein großer<br />

Nachteil ist. Dass sein Leben leichter wäre, wenn niemand<br />

davon wüsste. Aber nun, was soll ich sagen, das<br />

Leben ist ungerecht. Gott sei Dank leben wir nicht<br />

mehr in einem Land, in dem man in den Knast gesteckt<br />

wird, wenn man sagt, dass man schwul ist – was<br />

in England immerhin bis 1966, 1967 der Fall war.<br />

SerkiS: Wie alt warst du damals?<br />

Mckellen: Ich muss so 27 gewesen sein. Kannst<br />

du dir das vorstellen? Du bist ein erwachsener Mann,<br />

<strong>und</strong> jedes Mal, wenn du mit jemandem schläfst, weißt<br />

du, dass du das Gesetz brichst.<br />

SerkiS: Furchtbar.<br />

Mckellen: Zum Glück ist das heute nicht mehr<br />

so. Aber es gibt immer noch Orte auf der Welt, wo<br />

dich die Behörden verfolgen, wenn du deine von Gott<br />

gegebene Sexualität auslebst. In besonders drastischen<br />

Fällen droht dir sogar die Todesstrafe – das<br />

macht mich einfach zornig <strong>und</strong> umso entschlossener,<br />

daran etwas zu ändern <strong>und</strong> Leute zu unterstützen, die<br />

mutig sind <strong>und</strong> sagen: „Seht mich an, das bin ich, es<br />

gibt keinen Gr<strong>und</strong>, sich Sorgen zu machen.“ Die vergangenen<br />

24 Jahre waren für mich in der Hinsicht<br />

eine ungeheure Bereicherung. Es ist, als hätte mein<br />

Leben jetzt einen Sinn. Ich habe keine Kinder in die<br />

Welt gesetzt, ich werde keine Enkelkinder haben, die<br />

McKellen-Familie wird mit mir enden. Bald schon<br />

wird sich niemand mehr an meine Arbeit erinnern,<br />

aber ich werde daran beteiligt gewesen sein, dass sich<br />

diese Gesellschaft zum Besseren verändert.<br />

Der Hobbit – eine unerwartete reise Startet<br />

aM 13. DezeMber<br />

Foto-assistenz Jonnie ChaMberS, Pablo F. aMigo<br />

Styling-assistenz ethan o’Connor<br />

112<br />

113


Michelle<br />

dockery<br />

kostümdramen sind die lebkuchenherzen<br />

des WeihnachtsFernsehens.<br />

in diesem Jahr dürFen Wir<br />

uns besonders Freuen, denn die<br />

britische serie downton abbey<br />

kommt endlich nach deutschland.<br />

ob sie so erFolgreich Wird Wie<br />

mad men? in amerika Funktioniert<br />

downton abbey JedenFalls bestens,<br />

Wie dockerys kollegin (aus<br />

mad men) im gespräch berichtet<br />

von<br />

elisabeth <strong>Moss</strong><br />

Fotos<br />

boo george<br />

styling<br />

kAtie grAnd<br />

115<br />

RollkRagenpulloveR<br />

Tom FoRd<br />

HuT<br />

STepHen JoneS


Top<br />

DoLCE & GABBANA<br />

SChirmmüTzE<br />

LoEWE<br />

Top<br />

pRADA<br />

HuT<br />

STepHen JoneS<br />

STRumpfHoSe<br />

WolfoRD<br />

ScHuHe<br />

céline 117


“<br />

Man spürt,<br />

wie schwer es Frauen<br />

damals hatten.<br />

In der ersten Staffel<br />

sieht man, dass sich<br />

der Tagesablauf der<br />

Schwestern darauf<br />

beschränkt,<br />

sich an dauernd<br />

umzuziehen<br />

”<br />

– Michelle Dockery<br />

elisabetH moss: Ich glaube, unsere Karrieren ähneln<br />

sich insofern, als wir beide schon sehr lange gearbeitet<br />

haben, bis wir wirklich bekannt wurden. Ich<br />

habe mit Mad Men Einzug in die Wohnzimmer gehalten<br />

<strong>und</strong> du mit Downton Abbey. Es ist schon interessant,<br />

dass meine Sendung, die ja sehr amerikanisch ist,<br />

in Großbritannien so erfolgreich war <strong>und</strong> deine, die<br />

sehr britisch ist, in Amerika so gut angekommen ist.<br />

Was meinst du, woran liegt es, dass die Amerikaner<br />

Downton Abbey so mögen?<br />

miCHelle DoCKerY: Es liegt vor allem an den<br />

Autoren. Julian (Fellowes) ist wahnsinnig talentiert. Er<br />

hat sich 18 Hauptfiguren ausgedacht, die alle ihre eigene<br />

Geschichte haben. Außerdem macht es großen<br />

Spaß, ihnen zuzusehen, weil die Kostüme alle so<br />

schön sind. Sie stimmen das Publikum nostalgisch.<br />

Man taucht in eine Zeit ein, in der es weder Internet<br />

noch Handys gab. In gewisser Weise war sie einfacher.<br />

Ich finde das ziemlich rührend.<br />

moss: Das Besondere daran ist, dass wir uns<br />

trotz kultureller <strong>und</strong> historischer Unterschiede mit<br />

den Figuren identifizieren können. Ihre Geschichten<br />

sind zeitlos – die Story von Matthew <strong>und</strong> Mary, ihre<br />

gegenseitige Liebe, die Komplikationen.<br />

DoCKerY: Ja, das kann jeder nachvollziehen. Ich<br />

finde, dass Mary eine sehr moderne Frau ist. Sie hat<br />

ihren eigenen Kopf <strong>und</strong> lässt sich nichts vorschreiben.<br />

Allerdings ist sie wahnsinnig unentschlossen in ihren<br />

Beziehungen zu Männern. Man spürt auch, wie<br />

schwer es Frauen damals hatten, wenn sie etwas aus<br />

ihrem Leben machen wollten. In der ersten Staffel<br />

sieht man, dass sich der Tagesablauf der drei Schwestern<br />

darauf beschränkt, sich andauernd umzuziehen:<br />

Zum Frühstück, zum Mittag- <strong>und</strong> zum Abendessen.<br />

Sie sind einfach nur gelangweilt! Das änderte sich mit<br />

dem Ersten Weltkrieg, also in Staffel zwei. Plötzlich<br />

sind Frauen viel praktischer veranlagt <strong>und</strong> übernehmen<br />

Aufgaben. Edith hilft beispielsweise, verw<strong>und</strong>ete<br />

Soldaten zu versorgen. Aber sobald der Krieg zu Ende<br />

ist, hängt sie wieder in der Luft. In der dritten Staffel<br />

ändert sich das erneut, <strong>und</strong> sie findet zu sich selbst.<br />

Dass die weiblichen Figuren so stark im Fokus stehen,<br />

ist übrigens eine weitere Parallele zu Mad Men.<br />

moss: Ich wurde letztens darauf aufmerksam gemacht,<br />

dass sowohl Peggy als auch Mary sexuelle Geheimnisse<br />

haben. Peggy ist heimlich schwanger, <strong>und</strong><br />

auch Mary hat ihren kleinen Unfall. Beide tragen diese<br />

moderne Art von Geheimnis mit sich herum, <strong>und</strong><br />

das nimmt Einfluss auf ihr Leben.<br />

DoCKerY: Man sieht dabei zu, wie die beiden<br />

Charaktere sich entwickeln <strong>und</strong> wie sie verletzlicher<br />

werden. Dadurch wird man zum Mitwisser. Mit Ausnahme<br />

von Don Draper in Mad Men <strong>und</strong> Anna in<br />

Downton kennen die anderen Figuren diese Geheimnisse<br />

nicht. Mary war anfangs ein sehr unterkühlter,<br />

verwöhnter Teenager. Eine vergleichbare Rolle hatte<br />

ich vorher noch nie gespielt. Zu Beginn dachte ich<br />

noch, sie würde so bleiben – eine emotional abgestumpfte<br />

<strong>und</strong> harte Aristokratin. Stattdessen wird<br />

sie von Staffel zu Staffel sanfter. Besonders in der<br />

zweiten, als sie merkt, dass sie sich wahnsinnig in<br />

Matthew verliebt hat <strong>und</strong> dann erschüttert feststellen<br />

muss, dass er mit einer anderen verlobt ist. In der dritten<br />

Staffel fängt sie sich wieder, sie <strong>und</strong> Matthew werden<br />

schließlich ein Paar.<br />

moss: Die Hochzeit der beiden sorgte ja für eine<br />

riesige Aufregung. Die Paparazzi belagerten euer Set,<br />

jeder wollte die Braut sehen. Wie war das?<br />

DoCKerY: Das Hochzeitskleid war w<strong>und</strong>erschön<br />

<strong>und</strong> nicht unbedingt so, wie man es erwartet hätte.<br />

Mir war es total wichtig, dass die Leute es erst zu Gesicht<br />

bekommen, wenn die Folge ausgestrahlt wird.<br />

Ich wollte es also verbergen, ebenso die Produzenten.<br />

Also wurden Hugh Bonneville (der Marys Vater spielt,<br />

Lord Grantham) <strong>und</strong> ich in einem Wagen mit verdunkelten<br />

Scheiben zum Set gefahren. Die Paparazzi<br />

hockten überall in den Bäumen, aber keiner bekam<br />

einen akkuraten Schuss. Ich wäre auch ziemlich enttäuscht<br />

gewesen, wenn es tatsächlich jemandem gelungen<br />

wäre, ein Foto des Kleides zu machen …<br />

moss: Man will doch als Zuschauer überrascht<br />

werden.<br />

DoCKerY: Ja. Das ist wie die Stelle bei Mad Men,<br />

als Peggy das Büro verlässt. Als ich das gesehen habe,<br />

habe ich unseren gemeinsamen Fre<strong>und</strong> angerufen<br />

<strong>und</strong> ins Telefon geheult: „Nein! Peggy darf nicht gehen!“<br />

moss: Die Kostüme in Downton Abbey sind spektakulär.<br />

Erst an den wechselnden Kleidern habe ich<br />

gemerkt, was für eine große Erzählspanne da an mir<br />

vorbeizieht. Freust du dich darauf, dass ihr mit der<br />

kommenden Staffel auch modisch in den 20er-Jahren<br />

ankommt?<br />

DoCKerY: Mir gefällt die dritte Staffel am besten,<br />

weil die Schnitte sich dort so stark verändern.<br />

Wir haben die Korsagen abgelegt, die Taillen rutschen<br />

nach unten – es wird lockerer <strong>und</strong> moderner.<br />

Aber ich trage in der Sendung sogar einige Sachen,<br />

die ich auch privat heute anziehen würde. Zwischen<br />

der zweiten <strong>und</strong> dritten Staffel klafft eine große Lücke.<br />

Ich glaube, man merkt das besonders an den Frisuren.<br />

Anfang der Zwanziger, nach Ende des Krieges,<br />

wurde viel gefeiert. Das spiegelt sich in der Mode wieder.<br />

In der zweiten Staffel, die größtenteils während<br />

des Krieges spielt, wurden dagegen weniger Schmuck<br />

<strong>und</strong> aufwendige Abendgarderobe getragen. Unsere<br />

Ausstatterin Susannah Buxton hat großen Wert darauf<br />

gelegt.<br />

moss: Ich würde gerne auch über deine anderen<br />

Projekte sprechen. Anna Karenina startet bald. Ich bin<br />

ein großer Fan von Joe Wright, <strong>und</strong> mit Keira Knightley<br />

habe ich für einige Monate zusammen in einem<br />

Stück von Lillian Hellman gespielt. Wie waren die<br />

Arbeiten an dem Film?<br />

118<br />

DoCKerY: Ich habe schon vorher mit Joe zusammengearbeitet<br />

– er ist ein unheimlich guter Regisseur.<br />

Wer ist Hanna? war ein moderner Thriller. Anna Karenina<br />

ist natürlich etwas völlig anderes. Für einige Szenen<br />

haben wir mit sehr tollen Tänzern zusammengearbeitet.<br />

moss: Hast du davor schon getanzt?<br />

DoCKerY: Ich bin sogar ausgebildete Tänzerin.<br />

moss: Das ist ja lustig. Im Alter von 5 bis 15 habe<br />

ich Ballett getanzt.<br />

DoCKerY: Hast du je darüber nachgedacht, Tänzerin<br />

zu werden?<br />

moss: Ja. Wie alle kleinen Mädchen.<br />

DoCKerY: Ich wollte entweder Tänzerin werden<br />

oder in Musicals auftreten. Ich singe nämlich auch.<br />

moss: Kannst du dir vorstellen, selbst ein Album<br />

aufzunehmen?<br />

DoCKerY: Vielleicht. Ich liebe es, live zu singen<br />

– <strong>und</strong> würde alles dafür geben, einmal in einer Rolle<br />

singen zu dürfen. Musical, ein Biopic über eine Sängerin,<br />

vollkommen egal. Das wäre ein Traum von mir.<br />

moss: Hattest du eigentlich geahnt, dass Downton<br />

Abbey so ein Erfolg werden würde, dass die Serie<br />

derart in England <strong>und</strong> Amerika einschlagen würde?<br />

DoCKerY: Wir haben natürlich gehofft, dass wir<br />

mit der Serie ein paar Zuschauer erreichen <strong>und</strong> diese<br />

dann auch gut unterhalten. Mich w<strong>und</strong>ert es weniger,<br />

dass die Serie in England funktioniert – dass wir in<br />

Amerika derart abräumen, hätte ich jedoch nie gedacht.<br />

Manchmal muss ich mich zwingen, eine ges<strong>und</strong>e<br />

Distanz dazu aufzubauen, um nicht davon überrannt<br />

zu werden.<br />

moss: So geht es uns auch bei Mad Men. Es hat<br />

uns ganz schön überrollt, wie begeistert die Menschen<br />

davon sind. Sprechen dich die Leute eigentlich auf die<br />

Rolle an – <strong>und</strong> wieweit unterscheiden sich da Amerika<br />

<strong>und</strong> England?<br />

DoCKerY: Das hängt stark davon ab, wo ich mich<br />

aufhalte. Amerikaner sind gr<strong>und</strong>sätzlich nicht so<br />

schüchtern wie Engländer. Sie kommen direkt auf einen<br />

zu, sprechen einen einfach so an. Und erzählen<br />

einem, dass sie sich sonntags immer zusammen vor<br />

den Fernseher setzen, um gemeinsam die neue Folge<br />

anzuschauen. Das finde ich super. Einen so festen<br />

Platz im Leben mancher Menschen zu haben ist ein<br />

tolles Gefühl.<br />

moss: Verrätst du mir, was mit Lady Mary in der<br />

nächsten Staffel passiert? Irgendetwas, damit ich angeben<br />

kann?<br />

DoCKerY: Ach, Lizzie, das darf ich doch nicht.<br />

Aber willst du mir nicht etwas über Mad Men verraten?<br />

moss: Nein, natürlich nicht. Ich kann gar nicht<br />

glauben, dass du mich das jetzt wirklich gefragt hast<br />

(lacht).<br />

Die erste staffel von Downton Abbey<br />

läuft ab 21. Dezember auf zDf neo,<br />

ab 23. Dezember im zDf<br />

AnnA KAreninA startet am 6. Dezember<br />

Hair sYD HaYes/Premier Hair anD maKe-uP<br />

make-up sallY branKa for nars<br />

CosmetiCs/Julian Watson aGenCY<br />

manicure marian neWman<br />

for CHanel/streeters<br />

Production f32 ProDuCtions<br />

Digital imaging luKe CartleDGe<br />

Photo assistants brian DoHertY,<br />

tom sloan, tomo<br />

stylist assistant matt Carroll<br />

Hair assistant amber-rose PeaKe<br />

make-up assistant DaisY WHitneY<br />

special thanks JJ loCations<br />

MANTEL<br />

Louis VuiTToN<br />

HuT<br />

PHiLiP TrEAcy<br />

sTrüMPfE<br />

WoLford<br />

scHuHE<br />

BALENciAGA By<br />

NicoLAs GHEsquièrE<br />

119


fotoalbuM<br />

Theaster<br />

gaTes<br />

fotoalbum<br />

12 ballads for Huguenot House, documenta 13, Kassel<br />

von<br />

jörg hArlAn rohlEdEr<br />

porträt<br />

tiM gutt<br />

Es gibt KünstlEr, diE wollEn dEn<br />

MarKt bEhErrschEn, <strong>und</strong> KünstlEr,<br />

diE wollEn diE wElt vErändErn.<br />

dEr aMEriKanEr thEastEr gatEs<br />

gEhört dEfinitiv zu lEtztErEn.<br />

Er brachtE dEn gospEl nach KassEl<br />

<strong>und</strong> KröntE sEin jahr Mit EinEr<br />

spEKtaKulärEn schau in londons<br />

whitE cubE gallEry. dort sprachEn<br />

wir Mit ihM übEr EinigE sEinEr<br />

wichtigstEn wErKE<br />

porträt: als ich gEfragt wurdE, ob ich diEsEs foto-shooting in london MachEn würdE,<br />

dachtE ich: unbEdingt. allErdings zu MEinEn bEdingungEn. ich suchtE dEn ältEstEn<br />

hutMachEr londons <strong>und</strong> liEss Mir dort diEsEn tropEnhElM anfErtigEn. dEn KopfschMucK,<br />

dEn diE wEissEn iMpErialistEn trugEn, als siE diE schwarzE wElt KolonialisiErtEn.<br />

ziEMlich passEnd für EinEn schwarzEn KünstlEr, dEr diE whitE cubE gallEry bEspiElt.<br />

120<br />

Fotos: Tim Gutt; Theaster Gates, 12 Ballads for Huguenot House, Documenta 13, Kassel, Germany, 9 June –16 September 2012, Nils Klinger, Courtesy Documenta<br />

Ach, die Treppen im Hugenottenhaus in Kassel. Ich habe sie aus Chicago mitgebracht. Anfangs wusste ich gar<br />

nicht, was ich in Kassel soll. Meine Arbeiten sind stark im Kontext verwurzelt – <strong>und</strong> was hat ein schwarzer<br />

Mann mit den Hugenotten zu schaffen? Als ich jedoch das erste Mal das Haus betrat, spürte ich, dass es sehr<br />

wohl Parallelen gibt zur South Side: Das Haus stand seit Jahren leer, es war von Menschen aufgegeben worden,<br />

es hatte ein gewisses Stigma, ähnlich wie in den Straßen der South Side. Die Frage, die sich mir stellte, lautete: Wie belebe<br />

ich den Geist des Hauses? Wie verbinde ich es mit meinen Wurzeln, meiner Kultur? Welche Prinzipien meiner Arbeit<br />

kann ich transferieren? Wie schaffe ich es, dass sich die Kasseler wieder für das Haus interessieren?<br />

Ein Gr<strong>und</strong>, warum das Haus zum Lieblingstreffpunkt der Documenta-Besucher wurde, waren die „Black Monks of Mississippi“.<br />

Einer von drei Tricks, die ich beherrsche (lacht). Eigentlich war die Idee, mit einem Gospelchor aufzutreten, eine einmalige<br />

Sache. Doch dann merkte ich, dass ich damit die Menschen anders erreiche als mit meiner Kunst. Deswegen sind sie heute<br />

ein fester Bestandteil meines Arsenals.<br />

Und ein Tribut an Ihre Kindheit. Ihre Eltern sind gläubige Baptisten, mit 14 leiteten Sie bereits einen Gospelchor, später studierten<br />

Sie Theologie, Töpferei <strong>und</strong> Stadtplanung. Eine ungewöhnliche Mischung. Ursprünglich wollten Sie Baptistenprediger werden.<br />

Das bin ich doch auch! Die Wege des Herrn sind unergründlich Wenn es herrschaftliche Anwesen im Himmel gibt, warum<br />

sollte es diese Träume auf Erden nicht geben? (lacht) Nein, es ist toll, dass ich heute all meine Interessen ausleben kann. Bevor<br />

ich Künstler wurde, arbeitete ich als Stadtplaner. Und davor wollte ich Prediger werden.<br />

Stattdessen kauften Sie für 15 000 Dollar ein Haus in der Dorchester Avenue, South Side, renovierten es <strong>und</strong> erfanden die Legende<br />

eines japanischen Töpfermeisters. Auf einmal interessierte sich die Kunstwelt für die Abendessen, die Sie dort veranstalteten.<br />

All das verdankte ich Shoji Yamaguchi, einem fiktiven Charakter, Schutzheiliger traditioneller japanischer Töpfereikunst, ein<br />

Hirngespinst. Letztendlich war Yamaguchi das Vehikel, das Theaster Gates überhaupt möglich machte. Durch ihn fand ich<br />

zu meinem Weg, zu meinen Stärken. Ich brauchte seinen Mythos, um in einer gottverlassenen Gegend gehört zu werden, was<br />

ich als schwarzer Künstler, der töpferte, niemals erreicht hätte.<br />

121


fotoalbum<br />

Raising goliath, 2012<br />

Auf der linken Seite: eine tonnenschwere Collage schwarzer Geschichte – das Gegengewicht bildet ein Truck<br />

der Feuerwehr, wie er 1963 bei der Niederschlagung des Aufstands der schwarzen Bevölkerung in Birmingham/Alabama<br />

eingesetzt wurde. Mit unbarmherzig hohem Wasserdruck hatten die Feuerwehrmänner die<br />

schwarzen Bürger, Studenten, Schüler, sogar achtjährige Kinder von der Straße gespült. Die Brutalität, mit<br />

der vorgegangen wurde, schockte Amerika. Was in Birmingham passierte, darf nicht vergessen werden. Deshalb gehören der<br />

Truck <strong>und</strong> die Feuerwehrschläuche, die damals eingesetzt wurden, zu meiner künstlerischen Gr<strong>und</strong>ausstattung.<br />

Ihre Leinwand ist das Ghetto, Ihr Kanon schwarze Geschichte. Gezeigt wird all das in der White Cube Gallery,<br />

in der Jay Jopling sonst Pillendöschen <strong>und</strong> Investment-Banker-Kunst von Damien Hirst präsentiert.<br />

Ein schönes Paradox: Black Art, White Cube. Anfangs wurden Stimmen laut, die fragten: Was willst du da? Willst du Diamantenstaub<br />

über deine Kunst pusten? Natürlich nicht! White Cube ist für mich ein gigantischer Verstärker. Jay braucht mich<br />

für seine Seele – <strong>und</strong> ich seine finanziellen Möglichkeiten, um meine Visionen umzusetzen.<br />

Eines Ihrer beeindruckendsten Exponate ist eine gigantische Sammlung schwarzer Literatur, die wohl umfassendste Bibliothek ihrer Art.<br />

Das ist das Archiv von John H. Johnson, dem schwarzen Zeitschriftenverleger, der 2005 verstarb. Es ist die einzige Gegenerzählung,<br />

die wir Schwarzen haben, 18 000 Bücher, Magazine, Pamphlete. Sie stand im Verlag <strong>und</strong> war nur den Mitarbeitern<br />

zugänglich. Das wollte die Erbin ändern – <strong>und</strong> ich helfe ihr. Schauen Sie in die Regale! Das ist unsere Geschichte, black history,<br />

Sklaverei, Menschenrechtsbewegung, Motown, Gangsta­Rap, Basketball, alles da … Martin Luther King, wohin man schaut.<br />

Die wichtigsten Werke der Ausstellung stehen nicht zum Verkauf. Ein wenig wirkt es, als produzierten Sie nur ein paar Nebensächlichkeiten<br />

für den Kunstmarkt, um Ihre eigentlichen Projekte gegenzufinanzieren. Letztendlich geht es Ihnen um Stadtentwicklung.<br />

Hey, ich bin aber auch Künstler! Und die verkäuflichen Arbeiten sind keine Nebenprodukte – <strong>und</strong> doch haben Sie in gewisser<br />

Weise recht: Mein Wirken im Kunstbetrieb erlaubt es mir, in der realen Welt etwas zu verändern.<br />

Man könnte Sie als Artivist bezeichnen. Ihr Slogan könnte lauten: with any art necessary!<br />

Das haben Sie gesagt! Okay, ich gebe zu, dass es mir gefällt! (lacht) Mir ist wichtig, dass meine Kunst ein narratives Element<br />

besitzt, dass sie verankert bleibt in der realen Welt <strong>und</strong> nicht im luft­ <strong>und</strong> bedeutungsleeren Raum stattfindet. Ich weiß nicht,<br />

ob meine Kunst etwas bewegt, etwas bedeutet. Dies abzuschätzen wird erst in ein paar Jahren möglich sein. Aber ich merke,<br />

dass sich die Geschicke in Chicago verändern. Ich bin kein Utopist, kein Engel, kein Heiliger, sondern auf eine Art ein Mitverschwörer.<br />

Und das, so ironisch es klingen mag, ermöglicht mir Jay Jopling. Es bedarf nämlich einer stattlichen Anzahl von<br />

Kapitalisten, die an die Sache glauben, um ein quasi sozialistisches Projekt durchzuziehen.<br />

122<br />

Fotos: Theaster Gates, Raising Goliath, 2012, Dimensions variable, 1967 Ford fire truck, magazine, tar bucket, mop, steel and wire, Ben Westoby, Courtesy White Cube and Johnson Publishing Company, LLC. All rights reserved.; Theaster Gates, Ebony Vitrine 1, 2012, Lath, glass, paper and black felt, 88 x 88 x 15 cm, Ben Westoby, Courtesy White Cube and Johnson Publishing Company, LLC.<br />

All rights reserved.<br />

FOTOALBUM<br />

EBONY VITRINE 1, 2012<br />

John H. Johnson, Enkel eines Sklaven aus den Südstaaten, gründete 1942 The Negro Digest, woraus sich später das<br />

Hochglanzmagazin Ebony entwickelte, dessen Titelbilder ich – neben Wasserschläuchen aus Alabama – gerne in<br />

meinen Arbeiten verwende. Johnson erkannte das schwarze Amerika als Zielgruppe, ein gigantischer Markt. Sein<br />

Instinkt führte dazu, dass er der erste Schwarze in der Forbes-Liste der reichsten Amerikaner werden sollte. Für<br />

mich ist Johnson die Blaupause des schwarzen Entrepreneurs.<br />

Die Frau auf dem Titelbild sieht auf eine Art weiß aus, erstaunlich weiß.<br />

Das hängt mit der Faszination zusammen, die weiße Haut auf Schwarze hat. So krank das klingen mag: Oftmals sind hellhäutigere<br />

Schwarze erfolgreicher. Das Schönheitsideal scheint nach wie vor zu lauten: so weiß wie möglich. Interessanter weise<br />

streben Weiße nach einem dunkleren Teint, Schwarze nach einem helleren. Das Gras auf der anderen Seite ist eben grüner.<br />

Stört es Sie eigentlich, dass die Bling-Bling-Kultur des Gangsta-Rap der am meisten beachtete Export<br />

schwarzer Kultur des vergangenen Jahrzehnts zu sein scheint?<br />

Dasselbe gilt doch für die Kunstwelt. Je schwärzer es ist, desto besser verkauft es sich. Große Brüste, weibliche Hüften, Goldzähne,<br />

big bootys – Blaxploitation verkauft sich nun einmal besser. Weiße Sammler stehen darauf. Und auf eine gewisse Art<br />

stehen schwarze Künstler darauf, dieses Verlangen zu befriedigen. Ich für meinen Teil halte es wie ein Missionar: Ich gehe<br />

dorthin, wo man mich ruft.<br />

Was würde der 16-jährige Theaster wohl über den Mann sagen, der heute hier sitzt?<br />

Der Typ ist verrückt. Er spinnt. Als 16-Jähriger dachte ich nicht, dass eine Karriere als Künstler für mich überhaupt möglich<br />

sei. Ich arbeitete darauf hin, Beamter zu werden. Öffentlicher Dienst. Ein guter Job, ein sicheres Einkommen.<br />

Und wie gefällt Ihrem Dad die Kunst, die Sie berühmt gemacht hat?<br />

Er wartet auf den Scheck für den Kupferkessel, den er mir besorgt hat (lacht).<br />

123


FOTOALBUM<br />

fotoalbum<br />

PAINTING BLACK PEOPLE, 2012<br />

Dieses Bild halte ich für ein ziemlich wichtiges Werk meines Portfolios. Ich diskutierte mit der ghanaischen<br />

Künstlerin Lynette Yiadom Boakye, wie man Farbe in Bildern verwenden sollte. Der Text ist das kollektive<br />

Ergebnis unserer Unterhaltung. Die geteerte Gr<strong>und</strong>ierung ist ein Tribut an meinen Vater, meiner Meinung<br />

nach der beste Dachdecker Chicagos.<br />

Sie waren das jüngste von neun Kindern. Wie muss man sich den jungen Theaster Gates vorstellen?<br />

Ich war der einzige Junge der Familie, ein Nesthäkchen mit acht Schwestern. Wir waren also eine Großfamilie, meine Kindheit<br />

war sehr friedlich, jeder passte auf jeden auf. Mein Dad war Dachdecker, der Beste seiner Zunft in Chicago. Ich war ein<br />

guter Schüler, so gut, dass ich schon in der Mittelschule eine Einrichtung besuchte, an der hauptsächlich weiße Kids unterrichtet<br />

wurden. Fortan bewegte ich mich zwischen zwei Welten <strong>und</strong> lebte eine Art Doppelleben, was mich bis heute prägt. Ich<br />

lernte, in beiden Realitäten zu funktionieren, bilingual zu denken, zwischen den Welten zu übersetzen. Das hat mich geprägt,<br />

deshalb funktioniere ich im Kunstbetrieb <strong>und</strong> kann bei White Cube ausstellen.<br />

Es gibt diese merkwürdige Einschätzung, dass der Befreiungskampf afroamerikanischer Bürger mit der Wahl<br />

von Barack Obama ab geschlossen sei, dass seine Inauguration der Schlussakkord sei des Kampfes, der mit Rosa Parks<br />

couragiertem Aufbegehren begonnen hat.<br />

Eine absolut richtige Beobachtung. So pervers das auch ist. Große Teile des weißen Amerikas <strong>und</strong> der Welt denken, alles sei<br />

in Ordnung, da mit einem schwarzen Präsidenten, dem weißen Rapper Eminem, einem schwarzen Golfchampion Tiger<br />

Woods die Quote erfüllt ist. Doch das ist reine Fiktion. Letztendlich hat Obama, so sehr ich ihn schätze, so wichtig seine<br />

Wiederwahl war, der Lebensrealität der Schwarzen in Amerika auf eine perverse Art geschadet. Der Rassismus hat seither<br />

zugenommen. Und Barack weiß das. Allein schon die öffentliche Diskussion darüber, ob er wirklich schwarz, ob er Amerikaner,<br />

ob er nicht vielleicht doch Osama Obama ist, hat der schwarzen Agenda definitiv nicht geholfen. Wenn Obama seine<br />

Politik wirklich darauf ausrichten würde, die Belange der Schwarzen zu verbessern, hätten sie ihn längst erschossen. Er kann<br />

nicht den schwarzen Kennedy geben. Sie würden ihn umbringen!<br />

Haben Sie Obama kennengelernt?<br />

Als ich ihn in Chicago bei einem Spendendinner treffen durfte, hingen wir ab. Eigentlich sollte er dort wichtige Menschen<br />

umgarnen, einflussreiche Hände schütteln. Aber er meinte nur: „Ich will mit den Künstlern rumhängen.“ Und das machte er<br />

dann auch. Ein unglaublich toller Mann. Ein beeindruckender Weg.<br />

124<br />

Fotos: Theaster Gates, Painting Black People, 2012, Plastic, tar and roofing paper, 185.4 x 121.9 x 10.2 cm,Ben Westoby, Courtesy White Cube; Stefan Ruiz<br />

southmore bank<br />

Ich sehe so jung <strong>und</strong> frisch aus auf dem Bild. Und so klein! Die Aufnahme entstand in der Southmore Bank an der<br />

Ecke Stony Island Avenue <strong>und</strong> 68th Street. Der Direktor, ein Jude, wurde erschossen. Seither, seit 45 Jahren, steht<br />

das Gebäude leer. Als die Bank geschlossen wurde, verließen die letzten Weißen, das letzte Geld, die letzte Hoffnung<br />

Chicagos South Side. Sie ist das älteste, symbolträchtigste <strong>und</strong> größtmögliche Gefäß, das ich für meine kulturelle<br />

Arbeit in der South Side finden konnte. Ich hoffe, das Gebäude für den symbolischen Betrag von einem Dollar zu bekommen<br />

– danach muss ich Millionen aufbringen, um es zu renovieren. Die Arbeit am Gebäude an sich ist ein Kunstprojekt, wie das<br />

Hugenottenhaus. Weitaus wichtiger ist jedoch die Funktion, die die Bank später bekommen soll: Das Gebäude braucht eine<br />

Seele. Dort soll meine Bibliothek beheimatet sein, im Gebäude könnten Studios eingerichtet werden, ein Soul-Food-Restaurant,<br />

Ausbildungsstätten.<br />

Es scheint, als wählte Theaster Gates immer die größtmöglichen Herausforderungen. Warum klein, wenn’s auch gigantisch geht …<br />

Auch kleine Hürden können große Hürden sein. Und doch haben Sie recht: Ich mag große Herausforderungen, große Lösungen.<br />

Als ich in der Stadtplanung arbeitete, frustrierte es mich, dass die Projekte, die man anschiebt, Jahrzehnte brauchen,<br />

um zu fruchten. Wenn sie es überhaupt tun. Oft verstauben noble Pläne <strong>und</strong> große Träume irgendwo in den Regalen. Das<br />

Wort Gentrifizierung mag hässlich klingen, aber wenn es die einzige Hoffnung beschreibt, die wir in der South Side haben,<br />

dann soll es mir recht sein. Wenn meine Projekte anderen Menschen den Mut schenken, etwas auf die Beine zu stellen, ein<br />

Coffeeshop an der Ecke, kulturelle Angebote, ein Nachbarschaftsrestaurant, was auch immer, dann hat sich all das gelohnt.<br />

Die South Side wird in Teilen von Gangs kontrolliert. Wenn dort mehr als drei Jugendliche zusammenstehen,<br />

schreitet die Polizei ein. Die South Side hat einen ziemlich großen Anteil daran, dass Chicago „Murder Capital“<br />

Amerikas war <strong>und</strong> ist. Wie reagieren die Gangs auf die Stadtentwicklung eines Theaster Gates?<br />

Manche schauen skeptisch, manche scheißen auf uns, manche fragen nach ein paar Wochen, ob sie helfen können. Es gibt<br />

kaum Jobs in der South Side. Und wenn Menschen keine Aufgabe haben, passieren schlimme Dinge, ein Teufelskreis, den<br />

man kaum durchbrechen kann. Wenn Sie mich fragen, ob ich glaube, dass meine Kunst relevant ist – ich weiß es nicht. Es ist<br />

zu früh, nach einer Antwort zu suchen. Ich weiß jedoch, dass sie der South Side hilft.<br />

125


Foto: Thomas Ruff, nudes c02, 2000, 137 x 110 cm, Chromogener Abzug/VG Bild­Kunst, Bonn 2012<br />

Laurie<br />

PENNY<br />

sEx, shampoo <strong>und</strong> schuhE,<br />

poRnos <strong>und</strong> pRostitution.<br />

dER wEibLichE KöRpER ist EinE waRE.<br />

abER ist diE FRau auch dER<br />

gRösstE FEind ihRER sELbst?<br />

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LondonER autoRin LAuRiE pEnny<br />

in ihREm buch Fleischmarkt,<br />

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von<br />

LAuRA EwERt<br />

nudes c02, 2000,<br />

chRomogEnER abzug<br />

“<br />

RIOT,<br />

DON’T DIET!<br />

”<br />

127<br />

intERviEw: Frau Penny, für was haben Sie in den<br />

letzten zwei Tagen Geld ausgegeben?<br />

LauRiE pEnny: Das ist merkwürdig, warum fragen<br />

Sie mich das?<br />

intERviEw: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass 80<br />

Prozent der verkauften Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

in der westlichen Welt von Frauen gekauft werden.<br />

Da habe ich drüber nachgedacht, dass ich vor allem<br />

viel zu teuren Milchkaffee gekauft habe …<br />

pEnny: Ich fürchte auch, das meiste Geld gebe ich<br />

für Kaffee aus. Ich bin ja gerade auf Lesereise. Dann<br />

habe ich mir noch diesen Hut gekauft, der gefällt mir<br />

sehr gut, weil meine Haare zurzeit furchtbar aussehen.<br />

Und Bücher habe ich mir auch noch gekauft.<br />

intERviEw: Sie schreiben außerdem, wenn Frauen<br />

aufhören würden, Geld für Schönheitsprodukte<br />

oder Fitnesskurse auszugeben, würde die Wirtschaft<br />

zusammenbrechen.<br />

pEnny: Nein, was ich schrieb, war: Wenn Frauen<br />

auf der ganzen Welt morgen aufwachen würden <strong>und</strong><br />

sich in ihren Körpern wohlfühlten <strong>und</strong> sich nicht<br />

mehr um ihr Aussehen sorgten, dann wäre das eine<br />

wesentliche Gefährdung für die Weltwirtschaft, aber<br />

da geht es nicht ausschließlich um Handcremes.<br />

intERviEw: Sondern worum?<br />

pEnny: Es geht nicht nur darum, wie viel Geld<br />

wir für unser Erscheinungsbild ausgeben, sondern<br />

auch darum, wie viel Energie wir darauf verwenden.<br />

Wir sorgen uns um unser Aussehen. Das lässt wenig<br />

Zeit, sich Gedanken zu machen, welche Auswirkungen<br />

die soziale Ausgrenzung der Frauen <strong>und</strong> ihrer<br />

Körper hat.<br />

intERviEw: Sie sagen, dass das Einkaufen von<br />

Schuhen <strong>und</strong> der dazu passenden Handtasche Arbeit ist.<br />

pEnny: Ja, natürlich ist das Arbeit.<br />

intERviEw: Man könnte sich auch fragen, warum<br />

man Kleider nicht von der Steuer absetzen kann.<br />

pEnny: <strong>Naomi</strong> Wolf hat als Erste darüber geschrieben,<br />

dass „Beauty Work“ von Frauen vorausgesetzt<br />

wird, um ihren sozialen Status erhalten zu<br />

können. Eine Frage, die mein Buch stellt, ist: Was<br />

wäre, wenn Schönheit nicht mehr so wichtig wäre?<br />

intERviEw: In einem kürzlich erschienenen Artikel<br />

über Sie hieß es „Fleischmarkt. Weibliche Körper<br />

im Kapitalismus ist nicht von einer frustrierten Feministin<br />

jenseits der 60, sondern von einer attraktiven<br />

26­jährigen britischen Journalistin, Aktivistin <strong>und</strong><br />

Bloggerin.“ Kann man die Relevanz Ihres Buches<br />

besser auf den Punkt bringen?<br />

pEnny: (lacht) Diese Formulierung ist ziemlich<br />

erschütternd. Zu glauben, Thesen seien mehr wert,<br />

weil ihre Autorin jünger <strong>und</strong> gut aussehender ist,<br />

zeigt, wie faschistoid sich unsere Kultur in Bezug auf<br />

Frauen körper <strong>und</strong> ihr Alter verhält.<br />

intERviEw: Und dieses ewige Vorurteil, Feministinnen<br />

seien sexuell frustriert, alt <strong>und</strong> hässlich …<br />

pEnny: Stereotypen von der entsexualisierten<br />

Feministin mit den behaarten Beinen haben sicherlich<br />

damit zu tun, dass sie immer noch als Bedrohung der<br />

Weiblichkeit verstanden wird <strong>und</strong> dass Weiblichkeit<br />

als ein derart großer Bestandteil der weiblichen Identität<br />

vorgegeben ist. Er ist ja auch eine Bedrohung für<br />

eine Kultur, die bestimmt ist von diesen Stereotypen.<br />

Den Feministinnen als Reaktion allerdings dann zuzurufen:<br />

„Ihr seid alt! Ihr seid hässlich!“ macht deutlich,<br />

wogegen wir kämpfen müssen.<br />

intERviEw: Ich hatte nicht das Gefühl, dass Ihr<br />

Buch derart bedrohlich ist für die vermeintliche<br />

Weiblichkeit, wie man es vielleicht noch bei Alice<br />

Schwarzer empfand.<br />

pEnny: Wieso denken Sie an eine Bedrohung?


IntervIew: Man fühlt sich dabei ertappt, Fehler<br />

zu machen.<br />

Penny: Aber im Feminismus geht es doch nicht<br />

darum, Vorschriften zu machen! Trotzdem kann man<br />

Frauen kritisieren. Sie werden keine große feministische<br />

Autorin finden, die ihre Thesen auf Gebote<br />

stützt. Vorschriften gehören in den Bereich des<br />

Konser vativismus. Der Glaube, dass der Feminismus<br />

die Entscheidungsfreiheit von Frauen bedroht, nicht<br />

die konservativen Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft,<br />

ist die Folge der giftigen Vorurteile in unserer<br />

Kultur gegenüber den feministischen Theorien.<br />

IntervIew: Sie haben einen Artikel über Lady<br />

Gagas sogenannte Body Revolution geschrieben. Was<br />

ist Ihre Meinung dazu?<br />

Penny: Lady Gaga stand in Fleisch gekleidet auf<br />

der Bühne, sie ist als Mann aufgetreten, hat sich nackt<br />

auf dem Klo fotografieren lassen, <strong>und</strong> dennoch ist das<br />

scheinbar Verstörendste, was sie jemals gemacht hat,<br />

acht Kilo zuzunehmen. Wenn man nach einer langjährigen<br />

Essstörung schnell Gewicht zulegt, sammelt<br />

es sich zunächst nur im Gesicht <strong>und</strong> am Bauch. Ich<br />

finde es großartig, dass sie sich gegen die Aussagen<br />

über sich in den Medien wehrt, aber es ist auch traurig,<br />

das schon eine „Body Revolution“ zu nennen.<br />

IntervIew: Schauen Sie Fernsehsendungen wie<br />

Next Topmodel?<br />

Penny: (lacht) Ja.<br />

IntervIew: Wieso?<br />

Penny: Junge Frauen fertigzumachen, bis sie weinen<br />

<strong>und</strong> sich für ihre Körper schämen, um die – meist<br />

weiblichen – Zuschauer zu unterhalten, finde ich auf<br />

eine Art <strong>und</strong> Weise faszinierend.<br />

IntervIew: Der Druck lastet plötzlich nicht mehr<br />

nur auf einem alleine.<br />

Penny: Eine Show, die ich wirklich gut finde, ist<br />

RuPaul’s Drag Race. Vorbild sind Modelshows, aber<br />

anstatt verletzliche 18­jährige Mädchen zu zeigen …<br />

IntervIew: … oder 16, so alt sind sie teilweise in<br />

der deutschen Topmodel­Show.<br />

Penny: Wirklich? In Amerika muss man 18 sein.<br />

Wow, 16, das ist Kindesmissbrauch. In RuPaul’s Drag<br />

Race geht es dagegen um Dragqueens, die aus den verschiedensten<br />

Ländern <strong>und</strong> Klassen kommen. Es ist<br />

zwar auch ein Wettbewerb, aber mit viel mehr Humor.<br />

Das ist ja die andere üble Botschaft der Modelshows:<br />

Frauen müssen Konkurrentinnen sein.<br />

IntervIew: Und dieses Frauenbild findet sich auch<br />

in Werbung <strong>und</strong> Modemagazinen. Sie sagen allerdings,<br />

das sind nur Symptome.<br />

Penny: Nur wenn Menschen in einem Zustand<br />

der Unzufriedenheit gehalten werden, haben sie einen<br />

Antrieb. Warum sollten sie etwas kaufen, das<br />

keine Veränderung verspricht? Dieses Verlangen ist<br />

übrigens auch etwas, das uns vom jetzigen politischen<br />

System verkauft wird. In Amerika glaubt jeder daran,<br />

der nächste Millionär sein zu können, wenn er hart<br />

genug arbeitet.<br />

IntervIew: Ein Kreislauf, den man einfach<br />

durchbrechen könnte.<br />

Penny: In den Redaktionen weiß man ja auch,<br />

dass es Size Zero gar nicht gibt, es sei denn, die Frauen<br />

sind krank. Aber niemand möchte derjenige sein,<br />

der Geld verliert, weil er das System ändert. Gerade<br />

in der Modeindustrie ist der Körperfaschismus unglaublich.<br />

Stellen Sie sich vor, Sie würden in den<br />

nächsten Wochen <strong>und</strong> Monaten zehn Kilo zunehmen,<br />

Ihre Haare nicht schneiden lassen. Wie lange würde<br />

es dauern, bis Sie zu Ihrem Vorgesetzten gerufen würden?<br />

Sie werden sich gerade fragen, wie Sie Feministin<br />

sein können <strong>und</strong> trotzdem Ihren Job behalten.<br />

“<br />

Lady Gaga stand<br />

in Fleisch gekleidet<br />

auf der Bühne, sie ist<br />

als Mann aufgetreten,<br />

<strong>und</strong> dennoch ist<br />

das scheinbar<br />

Verstörendste, was<br />

sie gemacht hat, acht<br />

Kilo zuzunehmen<br />

”<br />

– Laurie Penny<br />

IntervIew: Nun ja.<br />

Penny: Es geht darum zu verstehen, wie die<br />

Dinge laufen.<br />

IntervIew: Auch unechter Sex, schreiben Sie,<br />

wird genutzt, um etwas zu verkaufen. Kaum eine Frau<br />

lutscht wohl am Geschlechtsteil ihres Sexualpartners<br />

wie Frauen in der Werbung an Schokoriegeln.<br />

Penny: (lacht) Toll, oder? Diese Vorstellung davon,<br />

dass das Einzige, was Frauen wirklich wollen,<br />

Schokolade ist. Und dann kommt es eben dazu, dass<br />

sich Frauen, die keinen großen Spaß an Sex haben,<br />

dafür schämen.<br />

IntervIew: Wir wissen doch aber, dass der Sex,<br />

den wir etwa in Pornos sehen, so nicht passiert.<br />

Penny: Wissen wir das?<br />

IntervIew: Wir versuchen zwar, so einen Sex zu<br />

haben, aber wir haben ihn nicht.<br />

Penny: Sex ist ein soziales Konzept. Sex ist nicht<br />

nur etwas, das wir nachstellen, sondern wir finden<br />

auch erotisch, was wir in jungen Jahren beobachten.<br />

Eine Fre<strong>und</strong>in hat mir von ihrem kleinen Bruder erzählt,<br />

der bei seinem ersten Sex seinen Penis rauszog,<br />

um dem Mädchen ins Gesicht zu spritzen. Er konnte<br />

nicht verstehen, warum sie anfing zu weinen.<br />

IntervIew: Das ist hart.<br />

Penny: Ja, erst dachte ich: Das arme Mädchen!<br />

Aber, oh je, der arme Junge! Warum sieht man in<br />

Pornos nie Missionarsstellungen?<br />

IntervIew: Weil das schwer zu filmen ist.<br />

Penny: Ja, das sieht im Film einfach nicht gut aus.<br />

Deswegen haben wir nun Leute, die miteinander Sex<br />

haben, als stehe da eine unsichtbare Kamera neben<br />

ihnen.<br />

IntervIew: Ich würde sagen, nicht allzu selten<br />

steht da auch tatsächlich eine.<br />

Penny: Natürlich, nichts gegen Sextapes, wenn<br />

alle Beteiligten zustimmen. Dass junge Frauen mit<br />

heimlich aufgenommenen Bildern erpressbar werden,<br />

geschieht allerdings immer öfter. Haben Sie von<br />

Amanda Todd gehört?<br />

IntervIew: Nein, wer ist das?<br />

Penny: Ein 15­jähriges Mädchen aus Kanada, das<br />

sich vor ein paar Wochen erhängt hat, weil man sie<br />

mit Nacktbildern unter Druck gesetzt hat. Warten<br />

Sie, lassen Sie mich kurz ihr Video suchen, das sie vor<br />

ihrem Tod online gestellt hat.<br />

IntervIew: Oh Gott.<br />

Penny: Wenn Sie mal nach „If you really knew<br />

me“ bei YouTube suchen, finden Sie unzählige Videos<br />

von Mädchen <strong>und</strong> Jungen, die davon berichten, wie<br />

sie fertiggemacht werden, von Magersucht <strong>und</strong> Selbstmordabsichten.<br />

Ohne zu sprechen, sie halten nur<br />

diese beschriebenen Zettel hoch.<br />

IntervIew: Wahnsinn.<br />

Penny: Das Internet ist voll davon. Das ist einer<br />

der Gründe, warum ich so viel schreibe.<br />

IntervIew: Und wie bleiben Sie wütend?<br />

Penny: Natürlich macht es mich wahnsinnig wütend,<br />

so etwas zu sehen. Aber es ist doch interessant, dass<br />

Frauen oder junge Menschen, die über Politik schreiben,<br />

immer als wütend bezeichnet werden. Unsere<br />

Emo tionen scheinen wichtiger als unsere Ideen. Natürlich<br />

sind Emotionen genauso wichtig wie die Analyse.<br />

IntervIew: Was ich meinte: Was hält Sie davon<br />

ab, sich mit den Umständen abzufinden? Es ist so einfach,<br />

sich etwas vorzumachen.<br />

Penny: Ich finde das nicht einfach.<br />

IntervIew: Es geht in Ihrem Buch auch um andere<br />

unbezahlte Arbeit, die Frauen verrichten, Hausarbeit.<br />

In England lag das Verhältnis 2003 zwischen<br />

Männern <strong>und</strong> Frauen bei 19 zu 5 St<strong>und</strong>en. Man mag<br />

zwar anders erzogen worden sein, aber wenn man ehrlich<br />

ist, der Wasserkocher, die Ecke hinter dem Herd<br />

werden von Frauen gesäubert.<br />

Penny: Bevor wir zusammenwohnen, ist uns das<br />

nicht bewusst, aber die soziosexuelle Marginalisierung<br />

von Frauen lässt es dann irgendwie richtig erscheinen,<br />

dass die Drecksarbeit im Wohnraum von<br />

ihnen für wenig Geld oder umsonst gemacht wird.<br />

IntervIew: Anstatt mit dem Partner zu reden,<br />

fühlt man sich schuldig, weil man doch putzt.<br />

Penny: Frauen fühlen sich auch für den Zustand<br />

ihrer Häuser schuldig. Ihnen wird konstant beigebracht,<br />

dass sie etwas falsch machen, wenn sie nicht<br />

glücklich sind. Das Glück liegt in deiner Hand. Wir<br />

können angeblich alles haben, den perfekten Mann,<br />

den perfekten Job, den perfekten Körper <strong>und</strong> die perfekten<br />

Kinder. Aber wir sind eher unzufrieden mit<br />

uns, selbst wenn wir dieses perfekte Leben nicht führen.<br />

Anstatt infrage zu stellen, warum denn alles perfekt<br />

sein muss. Und natürlich, niemand führt dieses<br />

perfekte Leben.<br />

IntervIew: Sie schreiben, dass die täglichen Fesseln<br />

notwendig sind im patriarchalen Kapitalismus.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Penny: In England hieß es vor Kurzem, dass wir<br />

ein Problem mit Müttern hätten, die vom Staat erwarteten,<br />

finanziell unterstützt zu werden. Vom wahren<br />

Problem, das wir mit den Banken haben, wird so<br />

abgelenkt. Geschlechterungleichheit ist ein struktureller<br />

Fakt innerhalb der Wirtschaft. Deswegen ist es<br />

auch so wichtig zu sagen, das Private ist politisch.<br />

IntervIew: Also müssen wir den Kapitalismus<br />

doch abschaffen?<br />

Penny: Nein, am Ende meines Buches beschreibe<br />

ich zwar Strategien des kollektiven <strong>und</strong> individuellen<br />

Widerstands …<br />

IntervIew: „Riot, don’t diet!“ ist eine Ihrer schönen<br />

Parolen.<br />

Penny: Aber wenn ich glauben würde, das Ende<br />

des Kapitalismus wäre das Ende der Unterdrückung<br />

der Frau, dann hätte ich das Buch nicht geschrieben<br />

<strong>und</strong> wäre nicht nach Deutschland gekommen, um es zu<br />

Porträt aMos FrIcKe<br />

promoten. Warum sollte ich mir die Mühe machen?<br />

(lacht) Mein Antikapitalismus hat sich aus meinem Feminismus<br />

entwickelt, nicht andersherum.<br />

IntervIew: Ein anderes schön streitbares Thema<br />

Ihres Buches: Sexarbeiterinnen. Die Schriftstellerin<br />

Sibylle Berg forderte kürzlich, man sollte Freier<br />

be strafen. Einige Frauen schrieben ihr daraufhin absurder<br />

weise: Wenn wir Prostitution verböten, gäbe es<br />

mehr Vergewaltigungen.<br />

Penny: Das ist ein übliches Argument in der Diskussion<br />

über Sexarbeit. Es scheint eine merkwürdige<br />

Übereinkunft zu geben, dass männliche Sexualität oft<br />

von Gewalt gesteuert sei <strong>und</strong> dass man diesem Drang<br />

ein Ventil bieten müsse. Es entlässt die Männer aus<br />

der Verantwortung für ihr Verhalten, das hilft allerdings<br />

weder Frauen noch Männern.<br />

IntervIew: Sie sprechen sich nicht gegen Prostitution<br />

aus?<br />

Penny: Nein. Ich habe nichts dagegen, dass Menschen<br />

für Sex zahlen, solange das Business ethisch<br />

korrekt ist <strong>und</strong> niemand verletzt wird. Das Problem<br />

ist nicht der Sex, das Problem sind die Bedingungen<br />

von Arbeit. Es gibt Feministinnen, die finden, Geld<br />

für Sex zu bezahlen sei eine Form von sexueller Gewalt.<br />

Ich halte das für geistig eingeschränkt.<br />

IntervIew: Ich finde die Vorstellung beängstigend,<br />

dass jemand glaubt, nur weil er mir Geld gibt,<br />

hätte er das Recht, mit mir zu schlafen.<br />

Penny: Aber niemand kann Ihnen Geld geben <strong>und</strong><br />

dafür mit Ihnen Sex haben, wenn Sie es nicht wollen.<br />

IntervIew: Aber diese Vorstellung, dadurch verfügbar<br />

zu sein!<br />

Penny: Das Problem ist unsere Kultur, in der Sex<br />

zu einem Tauschgeschäft geworden ist, nicht die Sexarbeiterin<br />

an sich. Glauben Sie, dass es die Schuld der<br />

Prostituierten ist, dass Sex mit Geld bezahlt werden<br />

kann?<br />

IntervIew: Nein. Ich würde in diesem Fall nicht<br />

von einzelnen Schuldigen sprechen.<br />

Penny: Aber Sexarbeiterinnen werden dafür angefeindet!<br />

Die Gewalt, die den Körpern von Sex arbeiterinnen<br />

angetan wird, <strong>und</strong> die moralische Marginalisierung<br />

haben Einfluss auf alle Frauen.<br />

IntervIew: Okay. Es gibt einen Satz aus Ihrem<br />

Buch, der sehr häufig zitiert wird. „Die Furcht vor dem<br />

weiblichen Fleisch ist die Furcht vor der weiblichen<br />

Kraft.“ Was ist mit der Furcht vor ihrem Wissen?<br />

Penny: Das ist identisch.<br />

IntervIew: Ich denke an das Arbeitsleben.<br />

Penny: Von Frauen wird verlangt, sich kleiner zu<br />

machen, im ganz wörtlichen Sinne. Ihre Menschlichkeit<br />

sollen sie am besten ablegen, nicht laut sein, nicht<br />

schwierig werden <strong>und</strong> schon gar nicht über etwas sprechen,<br />

das außerhalb ihrer Erfahrungen liegen könnte.<br />

Frauen werden gedemütigt, wenn sie nicht den M<strong>und</strong><br />

halten. Schauen Sie etwa diese Nachricht, die kam vor<br />

wenigen St<strong>und</strong>en an, in der man droht, mich zu vergewaltigen.<br />

Man hat mir gedroht, meiner kleinen Schwester<br />

etwas anzutun, Nacktbilder von mir zu verbreiten.<br />

IntervIew: Was machen Sie in so einem Fall?<br />

Penny: Ich bin zur Polizei gegangen. Die fangen<br />

langsam an zu verstehen, dass Bedrohungen im Internet<br />

durchaus realer Natur sein können.<br />

IntervIew: Das sind die wirklich harten Fälle,<br />

aber es gibt die alltäglichen Situationen, in denen<br />

Frauen zum Schweigen gebracht werden.<br />

Penny: Absolut. Lindy West schrieb bei Jezebel<br />

darüber, dass es eine Menge Frauen gibt, denen es an<br />

Vertrauen mangelt, in einer Gruppe von Männern zu<br />

sprechen, <strong>und</strong> sehr viele erkannten sich darin wieder.<br />

Das sind keine Individualprobleme, das ist strukturell.<br />

IntervIew: Ein anderes weit verbreitetes Problem,<br />

das Sie in Ihrem Buch ansprechen, sind Essstörungen<br />

<strong>und</strong> die Zerstörung, die sie mit sich bringen.<br />

Sie schreiben von Ihren eigenen Erfahrungen.<br />

Penny: Selbst Mediziner glauben heutzutage immer<br />

noch, dass die Mädchen – <strong>und</strong> Jungen – erkrankt<br />

sind, weil sie zu viele Modemagazine angeschaut haben<br />

<strong>und</strong> sein wollen wie die Models. Dabei ist es vielmehr<br />

eine Rebellion gegen diese Geschlechterrollen.<br />

Ich glaube, es ist sehr wichtig, Essstörungen auch im<br />

politischen Kontext zu betrachten. Es ist die Verstärkung<br />

dessen, was von uns erwartet wird. Wir dürfen<br />

nicht dicker werden, also essen wir so lange nicht, bis<br />

die Gesellschaft sieht, was sie uns angetan hat.<br />

IntervIew: Seit 1999 ist die Anzahl der Teenager,<br />

die mit Anorexia nervosa in die Klinik eingewiesen<br />

wurden, um 80 Prozent gestiegen.<br />

Penny: Man muss wissen, dass der Großteil der<br />

Frauen mit einer Essstörung nie diagnostiziert wird.<br />

Wir reden von Frauen, die in den vergangenen zehn<br />

Jahren eben nur ein wenig hungrig waren. Es sind<br />

H<strong>und</strong>erttausende. Es ist, als würden wir wieder ein<br />

Korsett tragen, ein inneres.<br />

IntervIew: Also, was machen wir nun?<br />

Penny: Wir trinken erst mal Tee (lacht). Nein,<br />

ernsthaft. Ich glaube, es ist anmaßend zu sagen, was<br />

jetzt zu tun ist. Aber ich denke, Menschen davon zu<br />

überzeugen, dass ein Teil ihrer Unzufriedenheiten politisch<br />

basiert ist, ist ein Anfang. Das Problem liegt<br />

nicht darin, dass wir nicht gut genug sind.<br />

128<br />

129<br />

Fleischmarkt. Weibliche körper im kapitalismus<br />

Ist beI edItIon nautIlus erschIenen


Florian David<br />

FITZ<br />

Wie spielt man Jesus?<br />

Und: Ist ihn zu spielen nicht<br />

genauso oberflächlich, wie übers<br />

Wasser zu gehen?<br />

Florian David Fitz wollte<br />

genau das herausfinden.<br />

Also hat sich der Star aus<br />

Doctor’s Diary <strong>und</strong><br />

Vincent will Meer hingesetzt<br />

<strong>und</strong> das Drehbuch zu<br />

JESUS LIEBT MICH<br />

geschrieben. Weil das nicht<br />

reicht, hat der Münchner<br />

gleich die Hauptrolle übernommen.<br />

Und, bevor wir es vergessen,<br />

Regie geführt hat er ebenfalls.<br />

Aber das kann man von<br />

einem Heilsbringer ja auch<br />

mal erwarten<br />

VON<br />

HARALD PETERS<br />

FOTOS<br />

GIAMPAOLO SGURA<br />

STYLING<br />

KLAUS STOCKHAUSEN<br />

130<br />

HOSE & BOXERSHORTS<br />

BOSS BLACK<br />

ARMREIF<br />

CARTIER<br />

KETTE & SOCKEN<br />

PRIVAT


IntervIew: Florian, wo möchtest du sitzen?<br />

FItz: Lass uns doch hier die Liegestühle nehmen.<br />

Hast du schon mal ein <strong>Interview</strong> mit so einer guten<br />

Aussicht geführt?<br />

IntervIew: Ich kann mich jedenfalls nicht daran<br />

erinnern.<br />

FItz: Wir können über die Dächer der Stadt blicken.<br />

IntervIew: Wir können die Gedanken schweifen<br />

lassen.<br />

(Kellnerin kommt)<br />

KellnerIn: Do you already know what you want<br />

to drink or shall I leave you for a moment?<br />

FItz: Ich nehm eure Limonade.<br />

KellnerIn: Fresh lemonade, okay.<br />

IntervIew: Wäre was mit Alkohol eigentlich total<br />

unangemessen?<br />

FItz: Nein, das wäre so was von angemessen.<br />

IntervIew: Dann nehme ich einen Gin Tonic.<br />

KellnerIn: Gin Tonic, yes. Do you have a member<br />

card?<br />

Kurzmantel<br />

mArc o’polo<br />

tanKtop<br />

cAlvIn KleIn <strong>und</strong>erweAr<br />

socKen<br />

prIvat<br />

IntervIew: Setzen Sie das doch bitte auf meine<br />

Zimmerrechnung, danke.<br />

(Kellnerin geht)<br />

IntervIew: Ist es nicht absurd, dass die hier immer<br />

Englisch mit einem reden, obwohl man auf<br />

Deutsch antwortet <strong>und</strong> sie selbst auch Deutsche<br />

sind? Manchmal tun die sogar so, als würden die kein<br />

Deutsch verstehen.<br />

FItz: Ist das wirklich so?<br />

IntervIew: Ja.<br />

FItz: Das glaube ich dir nicht.<br />

IntervIew: Doch. Ich lüge nie.<br />

FItz: Ja, ganz bestimmt, du lügst nie. Wie oft lügt<br />

man pro Tag? 60 Mal?<br />

IntervIew: Keine Ahnung. Du hast gerade deinen<br />

ersten Film gedreht.<br />

FItz: Du meinst den ersten Film, bei dem ich auch<br />

Regie geführt habe?<br />

IntervIew: Klar, ich rede von Jesus liebt mich.<br />

Wie war das?<br />

132<br />

“<br />

FItz: Erstaunlich gut. Erst hatte ich Schiss, aber<br />

dann, zwei Monate bevor es losging, hatte ich überhaupt<br />

keine Zeit mehr, mir Sorgen zu machen. Man<br />

hat so viel zu tun, dass sich die Frage nach Angst gar<br />

nicht erst stellt. Dabei fand ich die Arbeit als Regisseur<br />

sogar weniger anstrengend als das Schauspielern,<br />

wo man immer nur für seine Szenen präsent<br />

sein muss <strong>und</strong> zwischendurch kaum etwas zu tun hat.<br />

Als Regisseur bist du gleichmäßig auf Hochtouren –<br />

<strong>und</strong> abends fällst du ins Bett <strong>und</strong> schläfst.<br />

IntervIew: Wird man dabei nicht zum Kontrollfreak?<br />

FItz: Ach, tendenziell bin ich sowieso ein Kontrollfreak,<br />

insofern war das keine so neue Erfahrung.<br />

IntervIew: Was hat dich an dem Film interessiert?<br />

FItz: Die Frage, wie man aus so einem Stoff ein<br />

Trojanisches Pferd macht. Was würde man Gott fragen,<br />

wenn man ihm plötzlich gegenübersäße? Welche<br />

Fragen hätte man, wenn man Jesus begegnen würde?<br />

Ich bekomme Aggressionen, wenn<br />

ich Leute sagen höre: ‚Deutsche Filme<br />

sind alle scheiße!‘ Das ist Bullshit!<br />

”<br />

Das heißt natürlich nicht, dass man auch Antworten<br />

bekommt. Hast du die Buchvorlage gelesen?<br />

IntervIew: Nein, ich habe darüber nachgedacht,<br />

aber der Umschlag hat mir nicht gefallen.<br />

FItz: Verstehe.<br />

IntervIew: Wie schafft man es, Jesus als Figur<br />

interessant zu gestalten? Der ist ja gr<strong>und</strong>gut, ein<br />

bisschen wie Superman. Der hat keine Untiefen.<br />

FItz: Das war die Herausforderung: Wie spielst<br />

du ihn, ohne dass er zur Schablone wird? Ich habe<br />

versucht, ihm eine Entwicklung zu geben, ihn als<br />

eine Figur zu zeigen, die vom Menschsein verführt<br />

wird. Jesus ist ja schon mal Mensch gewesen. Damals<br />

hat er damit aber nicht so gute Erfahrungen gemacht.<br />

IntervIew: Wieso weiß er eigentlich nicht, wie<br />

Tomaten schmecken?<br />

FItz: Weil es die vor 2 000 Jahren in seiner Gegend<br />

noch nicht gab. Die kamen erst nach der Entdeckung<br />

Amerikas in die Alte Welt.<br />

IntervIew: Über die Pizza hat er sich hingegen<br />

nicht so gew<strong>und</strong>ert. Die hat ihn wohl an Fladenbrot<br />

erinnert.<br />

FItz: Ja, genau, Fladenbrot.<br />

IntervIew: In dem Film tauchen auch einige alte<br />

Bekannte aus Doctor’s Diary auf.<br />

FItz: Ja, das hat mich total gefreut, dass die mitgemacht<br />

haben. Normalerweise gewinnt man so gute<br />

Schauspieler nicht dafür, so kleine Rollen zu spielen.<br />

Aber wenn man befre<strong>und</strong>et ist, dann machen die das,<br />

<strong>und</strong> die machen das super.<br />

IntervIew: Doctor’s Diary war ohnehin großartig.<br />

Das ganze Setting war so erfreulich absurd. Vor<br />

allen Dingen saßen die Pointen. Das hat man in<br />

Deutschland ja nur selten.<br />

FItz: Stimmt.<br />

IntervIew: Was die Dialoge betrifft, hat mich<br />

Jesus liebt mich durchaus an Doctor’s Diary erinnert.<br />

Das ging immer so: zack, zack, zack.<br />

FItz: Manchen geht es sogar zu schnell, meinen<br />

Eltern zum Beispiel. Wir sind dieses Pointentempo<br />

ja mittlerweile gewohnt.<br />

IntervIew: Durch hartes Sitcom-Training.<br />

FItz: Ja, aber wenn man nur diese Art von Dialogen<br />

hat, dann kommt am Ende nur eine Sitcom dabei<br />

heraus, da muss man aufpassen. Irgendwann muss es<br />

auch um etwas gehen. Sonst hast du halt Friends. Das<br />

ist zwar gut, aber für einen Kinofilm ist es vielleicht zu<br />

wenig, da braucht man ein bisschen mehr.<br />

IntervIew: Hast du eine Karrierestrategie?<br />

FItz: Es wäre schön, wenn ich eine Balance hinbekäme<br />

zwischen anspruchsvolleren <strong>und</strong> kommerzielleren<br />

Filmen. Davon träumt ja eigentlich jeder.<br />

Schau dir die Leute in Hollywood an. Wenn George<br />

Clooney zum Beispiel The Ides Of March dreht, dann<br />

weiß er genau, dass sich nicht Massen von Leuten<br />

den Film ansehen werden. Aber er muss auch andere<br />

Filme drehen, um die Möglichkeit zu bekommen,<br />

einen solchen Film drehen zu dürfen.<br />

IntervIew: Da gibt es in Amerika natürlich deutlich<br />

bessere Möglichkeiten.<br />

FItz: Klar. Und wenn ich eindeutig kommerzielle<br />

Filme drehe, dann solche wie Männerherzen, von denen<br />

ich sagen kann: „Das hat auch Herz. Das ist nicht<br />

nur Kalkül.“ Deswegen kann ich das auch bei Simon<br />

(Verhoeven, Regisseur von „Männerherzen“) oder Matthias<br />

(Schweighöfer) oder Til (Schweiger) akzeptieren.<br />

Til liebt das, was er macht. Er hat mir für Jesus ziemlich<br />

gute Tipps gegeben. Er hat sich den Film angeschaut<br />

<strong>und</strong> meinte, an der <strong>und</strong> der Stelle werden die<br />

Leute so <strong>und</strong> so reagieren. Und das haben die dann<br />

auch tatsächlich getan. Er weiß einfach, wie das Publikum<br />

tickt. Nicht aus einem Kalkül heraus, sondern<br />

das ist sein Talent.<br />

IntervIew: Stimmt.<br />

FItz: Leider gibt es in Deutschland die Tendenz,<br />

Leute mit kommerziellem Erfolg zu kritisieren.<br />

IntervIew: Ist das so? Ist es nicht vielmehr so,<br />

dass man sich die Filme anschaut <strong>und</strong> hofft, dass sie<br />

einem gefallen, aber so sehr man sich auch anstrengt,<br />

es funktioniert einfach nicht?<br />

FItz: Ja, das kenne ich auch. Manche deutsche<br />

Produktionen haben einen irren Erfolg, <strong>und</strong> dann<br />

schaue ich sie mir an <strong>und</strong> denke, ich verstehe die<br />

Welt nicht mehr. Wenn es das ist, was die Leute sehen<br />

wollen, dann habe ich keinen Schimmer davon,<br />

was sie wollen. Aber vielleicht muss man auch aufhören,<br />

daran rumzumäkeln, weil diese Filme wiederum<br />

einen Freiraum für andere Filme schaffen. Ich bekomme<br />

Aggressionen, wenn ich Leute sagen höre:<br />

„Deutsche Filme sind alle scheiße!“ Ich frage dann<br />

133<br />

nur: „Welche Filme hast du gesehen?“ „Ja, gar keine,<br />

weil die scheiße sind.“ Entweder sind sie kommerziell<br />

oder nicht kommerziell genug. Und ich bin ja selber<br />

auch so. Ich schaue mir auch viel zu wenig an. Dabei<br />

gibt es viele spannende Produktionen. Es ist Bullshit,<br />

dass die nicht gut sind.<br />

IntervIew: Deutschland ist eben kein Kinoland.<br />

FItz: Deutschland ist ein Fernsehland.<br />

IntervIew: Aber kennst du noch jemanden, der<br />

Fernsehen schaut? Und was die Fernsehserien angeht,<br />

sieht es ja auch nicht rosig aus.<br />

FItz: Gute Serien zu drehen ist aber auch ziemlich<br />

aufwendig <strong>und</strong> vor allem sehr teuer. Bei Doctor’s<br />

Diary haben wir immer nur acht Folgen pro Staffel<br />

gedreht. Das ist eigentlich viel zu wenig, um ein Publikum<br />

zu gewinnen.<br />

IntervIew: Zumal die meisten Serien, sofern sie<br />

keine dramatisch hohen Quoten haben, bereits nach<br />

wenigen Folgen wieder abgesetzt werden.<br />

FItz: Aber wir sind selber schuld, weil wir uns das<br />

Zeug nicht anschauen <strong>und</strong> uns hinterher darüber beschweren.<br />

IntervIew: Dein letzter Film Vincent will Meer<br />

wurde allerdings recht häufig angeschaut. Es heißt,<br />

du hättest das Drehbuch aus Langeweile geschrieben.<br />

FItz: Ja, so heißt es hinterher. Aber es ist schon<br />

richtig, dass ich mich schnell langweile, wenn ich<br />

keine Aufgabe habe. Und es war Winter, <strong>und</strong> im<br />

Winter wird meistens wenig gedreht. Nach ein, zwei<br />

Wochen bin ich dann ausgespannt <strong>und</strong> möchte irgendwas<br />

machen. Der größte Ehrgeiz dabei war, eine<br />

Rolle zu schreiben, von der ich hoffte, sie auch spielen<br />

zu dürfen, eine Rolle, die man mir sonst nicht<br />

geben würde. Und es ist wirklich wahr, man hätte<br />

mir diese Rolle nicht gegeben.<br />

IntervIew: Wieso?<br />

FItz: Weil man es sich nicht vorstellen konnte.<br />

Und außerdem bestand ja auch die Gefahr, dass die<br />

Leute sagen: „Oh Gott, jetzt schreibt er sich eine Behindertenrolle!“<br />

Und als man mir den Deutschen<br />

Filmpreis gegeben hat, habe ich deswegen auch gesagt:<br />

„Jetzt ist eingetreten, was alle Leute gesagt haben.<br />

Solche Dinge klappen noch.“ Natürlich ging es<br />

darum, dass ich mal Bock hatte, etwas zu spielen, was<br />

mich fordert, von dem ich nicht weiß, ob ich es kann<br />

oder nicht.<br />

IntervIew: Es hat funktioniert.<br />

FItz: Ja, das hat super funktioniert. Und jetzt<br />

können sich die Leute eben alles vorstellen.<br />

IntervIew: Und wenn es nicht funktioniert hätte?<br />

FItz: Dann hätte eben noch ein Projekt nicht geklappt,<br />

aber ich hätte es wenigstens probiert. Ich<br />

glaube schon, dass Schauspieler ein gutes Gespür für<br />

interessante Rollen haben.<br />

IntervIew: Kann man mit seiner Popularität die<br />

Leute eigentlich dazu bringen, sich Dinge anzuschauen,<br />

die sie sich sonst nicht anschauen würden?<br />

FItz: Ich bin mir nicht sicher, ob das in Deutschland<br />

klappt.<br />

IntervIew: Wie schafft man es denn, dass sich<br />

Leute für interessante Dinge interessieren?<br />

FItz: Ich glaube, man muss sie verführen. Ich will<br />

als Zuschauer ja auch verführt werden. Ich bin selbst<br />

auch faul.<br />

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tom Schilling<br />

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StYling<br />

klAuS StockhAuSen


An der Seite von Anke Engelke<br />

sketcht sie sich durch Ladykracher,<br />

mit Jan Josef Liefers spielt<br />

sie im beliebtesten Tatort<br />

der Republik: Ende des Jahres<br />

bekommt die Schauspielerin<br />

fRiEdERikE kEmptER<br />

eine eigene Serie – die<br />

kommissaranwärterin aus dem<br />

münsteraner Tatort wird in<br />

Hauptstadtrevier zur Elitepolizistin<br />

in Berlin befördert. doch bevor<br />

sie den dienst antritt, schickten wir<br />

sie auf ihre chlorreichste mis sion ins<br />

tRopicAL iSLAndS.<br />

im Gespräch mit tom Schilling,<br />

dem Hauptdarsteller ihres<br />

aktuellen Kinofilms Oh Boy,<br />

erzählt frieda jedoch, dass sie auch<br />

schon ganz andere<br />

mutproben bestanden hat<br />

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nelly 136<br />

Der Freizeitpark Tropical Islands ist in der ehemaligen Cargolifter-Halle<br />

in der brandenburgischen Gemeinde Halbe untergebracht. Zu den<br />

Attraktionen zählen das Tropendorf mit Nachbauten aus Borneo<br />

<strong>und</strong> Samoa, die Bali-Lagune mit Wasserrutschen, ein Regenwald mit<br />

50 000 Plfanzen <strong>und</strong> ein Südseestrand. Die südostasiatisch<br />

inspirierte Saunalandschaft ist die größte Europas. Für Gäste, die einen<br />

längeren Aufenthalt in Tropical Islands planen, gibt es zahlreiche<br />

Übernachtungsmöglichkeiten in <strong>und</strong> neben der Halle. (tropical-islands.de)


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“<br />

Wenn man nackt von hinten gefilmt<br />

wird, ist man ja noch schutzloser.<br />

Ich dachte immer:<br />

Oh je, wie sieht mein Hintern wohl aus?<br />

”<br />

tom Schilling: Frieda, wo waren wir stehen geblieben?<br />

FriederiKe Kempter: Haben wir überhaupt schon<br />

angefangen?<br />

Schilling: Ah, jetzt weiß ich’s wieder: Beim Rauchen<br />

aufhören waren wir stehen geblieben. Neun Jahre<br />

bist du jetzt schon rauchfrei, oder?<br />

Kempter: Ja, <strong>und</strong> weißt du, was mein Trick war?<br />

Schilling: Was denn?<br />

Kempter: Ich konnte nicht mehr inhalieren. Ich<br />

habe nämlich eine Sperre in mir gef<strong>und</strong>en, die mich<br />

daran hindert zu inhalieren. Und ohne inhalieren<br />

macht Rauchen ja keinen Spaß.<br />

Schilling: Aber wie hast du das gemacht?<br />

Kempter: Ich weiß es nicht. Ich hatte irgendwann<br />

das Gefühl, dass mich das Rauchen krankmacht. Das<br />

Schöne <strong>und</strong> das Coole daran waren auf einmal nicht<br />

mehr da. Ich habe mir über das Aufhören auch keine<br />

großen Gedanken gemacht. Ich habe einfach viel<br />

Sport gemacht <strong>und</strong> mich darüber gefreut, wieder in<br />

den vierten Stock hochlaufen zu können, ohne dass<br />

es ätzend war.<br />

Schilling: Davor hast du Sport gemacht <strong>und</strong> geraucht?<br />

Kempter: Genau.<br />

Schilling: Aber bedeutet Rauchen nicht auch,<br />

die Freiheit zu haben, etwas zu tun, was nicht gut für<br />

einen ist?<br />

Kempter: Ja, klar, man nimmt sich das Recht, mit<br />

seinem Körper das zu machen, was man möchte. Es<br />

wird einem ja immer gesagt, was man zu tun hat. Wir<br />

sollen Sport machen, wir sollen ges<strong>und</strong> leben, wir sollen<br />

lange jung bleiben, wir sollen funktionieren <strong>und</strong><br />

das Maximum aus uns herausholen. Und da finde ich<br />

die Idee, zu rauchen, sehr verlockend, nur hab ich<br />

einfach keine Lust auf Krankheit, Lungenkrebs <strong>und</strong><br />

Krankenhaus.<br />

Schilling: Ich glaube, ich werde auch aufhören.<br />

Aus Angst vor Krankheit.<br />

Kempter: Ich habe ja kein Kind. Hat man da ein<br />

anderes Verantwortungsgefühl, weil man denkt, dass<br />

man für sein Kind ges<strong>und</strong> sein <strong>und</strong> da sein muss?<br />

Schilling: Nee, ich bin ja da <strong>und</strong> auch ges<strong>und</strong>.<br />

Kempter: Ich weiß nur, dass ich früher immer zu<br />

meinem Vater gesagt habe: „Papa, rauch nicht!“<br />

Schilling: Sagt mein Sohn hier <strong>und</strong> da auch mal,<br />

dass es unges<strong>und</strong> ist. Aber wenn er alt genug ist, kann<br />

er ja selbst entscheiden, ob er raucht. Wenn er schlau<br />

ist, entscheidet er sich dagegen. Ich habe auch erst<br />

ziemlich spät angefangen, ich glaube mit 21, ich weiß<br />

gar nicht, warum. Das wäre nicht nötig gewesen.<br />

Kempter: Ich habe mit 14 angefangen.<br />

Schilling: Und was außerdem gegen das Rauchen<br />

spricht, ist, dass man nichts zurückbekommt. Von<br />

Alkohol wird man zum Beispiel lockerer <strong>und</strong> kommunikativ<br />

– deswegen würde ich nur ungern auf Alkohol<br />

verzichten.<br />

Kempter: Stimmt.<br />

Schilling: Drogen haben, egal wie man dazu<br />

steht, auch eine Wirkung. Aber Rauchen bringt einfach<br />

gar nichts – außer, dass das vielleicht lässig aussieht<br />

<strong>und</strong> dir am nächsten Tag die Lunge wehtut.<br />

Kempter: Hab ich dir eigentlich mal meine ganz<br />

persönliche Oh Boy-Geschichte erzählt?<br />

Schilling: Nein.<br />

Kempter: Es gab doch mit dir <strong>und</strong> Marc (Hosemann,<br />

Schauspieler) <strong>und</strong> Jan Ole (Gerster, Regisseur) so<br />

eine kleine Improvisation auf Facebook.<br />

Schilling: Ja.<br />

Kempter: Die hab ich mir angeschaut <strong>und</strong> mir<br />

gesagt, wenn es in diesem Film eine Rolle für eine<br />

Frau gäbe, würde ich alles dafür tun. Und einen Monat<br />

später hatte ich dann die Einladung zum Casting.<br />

Schilling: Das ist ja ein kleines Märchen.<br />

Kempter: Nicht wahr?<br />

Schilling: Deine Rolle ist die einzige, die wir gecastet<br />

haben. Alle anderen waren bereits von Anfang<br />

an besetzt.<br />

Kempter: Habt ihr das gemeinsam entschieden,<br />

dass ich die Rolle bekomme, oder hattet ihr eine<br />

Casting agentin?<br />

Schilling: Nein, das haben wir gemacht. Es war<br />

uns schnell klar, dass du die Rolle spielen musst. Wo<br />

hast du den Film eigentlich zum ersten Mal gesehen?<br />

Kempter: Beim Verleih allein im Kino.<br />

Schilling: Also ohne Publikum? Das ist aber<br />

eine Katastrophe.<br />

Kempter: Ich weiß, ich muss unbedingt noch eine<br />

Vorstellung mit Publikum nachholen.<br />

Schilling: Ja, das musst du. Was machst du eigentlich<br />

sonst so? Wir kennen uns ja eigentlich gar<br />

nicht, wir sehen uns hier zum ersten Mal außerhalb<br />

der Arbeit. Also: Was machst du gerade so?<br />

Kempter: Ich drehe seit Mai eine Serie, das heißt,<br />

dass ich jeden Tag zwölf St<strong>und</strong>en vor der Kamera stehe.<br />

Ich habe die Hauptrolle <strong>und</strong> muss zum ersten Mal<br />

so ein Serienformat tragen. Die Schauspielerei fühlt<br />

sich zum ersten Mal wie eine richtige, regelmäßige<br />

Arbeit an. Morgens hin, abends wieder nach Hause,<br />

<strong>und</strong> dann habe ich noch meine Texte zu lernen. Der<br />

Beruf hat plötzlich ganz neue Aspekte. Neulich hatte<br />

ich eine fiese Magen-Darm-Grippe, aber da habe ich<br />

trotzdem gedreht, weil das ganze Team auf mich gewartet<br />

hat. Und ich muss jetzt auch ständig <strong>Interview</strong>s<br />

geben, bei denen ich schon von mir selbst gelangweilt<br />

bin. Ich sage dann immer: „Ja, das ist eine Vorabendserie,<br />

aber die ist trotzdem gut.“ Es ist fürchterlich,<br />

wenn man sich solche Sachen sagen hört.<br />

Schilling: ARD-Vorabend?<br />

Kempter: Ja, ARD-Vorabend, die Sendeschiene<br />

heißt Heiter bis tödlich, darunter laufen dann mehrere<br />

Serien. Meine heißt Hauptstadtrevier.<br />

Schilling: Krimi?<br />

Kempter: Ja, Krimi, Familiengeschichte, ein bisschen<br />

lustig, ein bisschen ernst. Das Ganze spielt im<br />

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Betrugsdezernat, <strong>und</strong> ich bin eine Frau, die früher<br />

beim SEK war.<br />

Schilling: Okay.<br />

Kempter: Ja, <strong>und</strong> ich gehe da jeden Tag hin, sehr<br />

gerne sogar, <strong>und</strong> spiele einfach. Und das mache ich<br />

lieber, als zu Hause zu sitzen <strong>und</strong> darauf zu warten,<br />

dass die richtige Rolle kommt – so wie sie mit Oh Boy<br />

zwar erhofft, aber doch ganz unerwartet gekommen<br />

ist. Deswegen war ich auch so traurig, dass ich nicht<br />

zur Premiere konnte. Weil der Film ja so toll ist, <strong>und</strong><br />

auch alle, die mitspielen, toll sind, <strong>und</strong> ich meine Figur<br />

so gerne mag. Oh Boy war ein Glücksgriff. Das<br />

gibt es bei uns ja nicht so oft. Man muss in unserem<br />

Beruf oft eine Menge Abstriche machen.<br />

Schilling: Total. Dass man eine Rolle bekommt,<br />

bei der das Gesamtpaket stimmt, das hat man ganz<br />

selten. Aber mir geht es genauso. Ich arbeite lieber, als<br />

dass ich zu Hause sitze <strong>und</strong> auf was Richtiges warte.<br />

Ich arbeite einfach gerne. Man will ja auch spielen.<br />

Kempter: Vor allem die Zwischenphasen gefallen<br />

mir nicht.<br />

Schilling: Hast du Probleme, sie auszufüllen?<br />

Kempter: Ja, manchmal schon. Leute, die einen<br />

regulären Beruf haben, verstehen das oft gar nicht.<br />

Die sagen dann: „Ist doch geil, wenn du so oft frei<br />

hast.“ Aber für mich ist das keine Freizeit, ich fühle<br />

mich dann eher so – arbeitslos. Ich brauche eine gewisse<br />

Regelmäßigkeit.<br />

Schilling: Aber die hast du mit der Serie jetzt.<br />

Kempter: Ja. Ich will das zwar nicht für immer<br />

machen, aber für dieses Jahr war es ziemlich gut.<br />

Schilling: Ein Jahr lang?<br />

Kempter: Es fing im Mai an <strong>und</strong> geht noch bis<br />

Anfang Dezember. Und anschließend muss ich noch<br />

was anderes drehen.<br />

Schilling: Und nebenbei noch Tatort?<br />

Kempter: Ja … Aber weißt du, was ich kürzlich<br />

gemacht hab?<br />

Schilling: Nein.<br />

Kempter: Ich habe noch in so einem Film mitgespielt,<br />

den Namen verrate ich nicht, das war auch<br />

nur eine ganz kleine Rolle. Jedenfalls: Ich musste<br />

nackt sein, das fand ich auch okay, ich hatte ja das<br />

Drehbuch gelesen. Ich musste also nackt durch den<br />

139


“<br />

Weißt du überhaupt,<br />

dass wir<br />

Frauen viel weniger<br />

verdienen als ihr<br />

Männer? Das Einstiegsgehalt<br />

ist<br />

niedriger, die Tagessätze<br />

auch. Das<br />

ist eine RiEsEnsauEREi<br />

”<br />

– Friederike Kempter<br />

Raum laufen, die Kamera hinter mir, ich fand es ganz<br />

schlimm. Wenn man von hinten gefilmt wird, ist man<br />

ja noch schutzloser, <strong>und</strong> ich dachte immer: Oh je, wie<br />

sieht mein Hintern wohl aus? Aber ich mag solche<br />

Sachen auch. Das ist, als würde man eine Mutprobe<br />

machen.<br />

Schilling: Was war denn das Peinlichste, was auf<br />

einem Dreh passiert ist?<br />

Kempter: Es gibt da so einen Zwischenfall bei einem<br />

Dreh in der Türkei, aber das kann ich eigentlich<br />

nicht erzählen.<br />

Schilling: Los, komm!<br />

Kempter: Na gut, ist ja eigentlich auch egal. Ich<br />

sollte jedenfalls mit einem Typen auf einem kleinen<br />

Beiboot Sex haben. Gefilmt wurde von einem anderen<br />

Schiff aus. Die Filmcrew sollte irgendwas auf der<br />

anderen Seite des Schiffes erledigen, damit wir das<br />

Techtelmechtel mit möglichst wenigen Gaffern hinter<br />

uns bringen können. Der Typ liegt also auf mir drauf,<br />

wir machen rum, sind nackt, ich schau nach oben –<br />

<strong>und</strong> da stehen 60 türkische Helfer <strong>und</strong> glotzen uns an.<br />

Der Wind oder die Strömung hatte sich gedreht, <strong>und</strong><br />

so dümpelte das Beiboot plötzlich auf der anderen<br />

Seite des Hauptschiffes rum. Das war so unglaublich<br />

peinlich, der blanke Horror – aber am Ende wusste<br />

ich: Jetzt kannst du vor jedem Publikum spielen.<br />

Schilling: Oh Mann. Ich musste vor Kurzem in<br />

dem Dreiteiler Adlon von Uli Edel eine kleine Rolle<br />

spielen. Am Set kannten sich alle, die hatten schon 40<br />

Drehtage hinter sich, <strong>und</strong> ich kam dann für vier Tage<br />

dazu – <strong>und</strong> zwar in Frauenkleidern. Horror!<br />

Kempter: Horror!<br />

Schilling: Horror! Und wie es so ist, wurde ich<br />

wieder einmal viel zu früh abgeholt, habe dann sechs<br />

St<strong>und</strong>en in meinem Trailer gewartet <strong>und</strong> dachte die<br />

ganze Zeit, dass es jeden Moment losgeht. Natürlich<br />

habe ich pausenlos geraucht, bin dann noch mal den<br />

Text durchgegangen – ich war fix <strong>und</strong> fertig. Der Dreh<br />

selbst hat dann nur eine St<strong>und</strong>e gedauert. Hinterher<br />

dachte ich: Na ja, das hab ich also auch überlebt. In<br />

solchen Situationen merkt man, dass man stark ist.<br />

Aber mal weg von der Arbeit: Wo wohnst du denn<br />

hier in Berlin?<br />

Kempter: In Mitte. Ist dir schon mal aufgefallen,<br />

dass Berlin inzwischen anders riecht? Ab Herbst roch<br />

es in Berlin früher nach Kohle.<br />

Schilling: Wirklich?<br />

Kempter: Ja. Ich komme ja aus Stuttgart, <strong>und</strong> da<br />

ist mir der Berliner Kohlegeruch immer aufgefallen.<br />

Schilling: Ich bin mit dem Geruch aufgewachsen,<br />

wahrscheinlich hab ich den deswegen nie bemerkt<br />

… Aber du bist also eine richtige Schwäbin?<br />

Kempter: Eigentlich komme ich noch nicht einmal<br />

aus Stuttgart, sondern aus einem Dorf in der<br />

Nähe. Ich konnte früher nur Schwäbisch sprechen.<br />

Dann habe ich mir Hochdeutsch beigebracht.<br />

Schilling: Sind deine Eltern im Showbiz?<br />

Kempter: Nein, die sind Lehrer.<br />

Schilling: Wie finden die es, dass du im Showbiz<br />

bist?<br />

Kempter: Voll okay.<br />

Schilling: Sind die auch ein bisschen stolz auf<br />

dich?<br />

Kempter: Ja, aber meine Mutter hat keinen Fernseher.<br />

Ich muss ihr manchmal erklären, was ich so<br />

mache. Ich denke aber, dass meinen Eltern vor allem<br />

wichtig ist, dass es mir gut geht <strong>und</strong> dass ich arbeite.<br />

Schilling: Überlegst du dir manchmal, wie es<br />

wäre, ein anderes Leben zu führen?<br />

Kempter: Ich weiß nicht. Seit ich mit 19 bei meinen<br />

Eltern ausgezogen bin, führe ich eigentlich immer<br />

das gleiche Leben. Vielleicht liegt es auch daran,<br />

dass ich keine Kinder habe. Manchmal vergesse ich<br />

sogar, wie alt ich bin.<br />

Schilling: Wie alt bist du denn?<br />

Kempter: 33.<br />

Schilling: Ach, ich dachte, du wärst jünger als<br />

ich.<br />

Kempter: Siehst du?!<br />

Schilling: Wofür gibst du denn dein Geld aus?<br />

Kempter: Rate mal!<br />

Schilling: Kosmetik?<br />

Kempter: Ja, genau, für Lippenstift <strong>und</strong> Nagellack.<br />

Nein, im Ernst, ich gebe mein Geld für Klamotten<br />

aus, für Möbel mittlerweile – das fühlt sich sogar<br />

ein klein wenig erwachsen an – <strong>und</strong> für Reisen. Und<br />

ich gehe wahnsinnig gern gut essen. Ich habe das noch<br />

nie ausgerechnet, aber ich gebe ziemlich viel für Kaffee<br />

<strong>und</strong> Essen aus.<br />

Schilling: Aber das ist doch super. Wir Deutschen<br />

geben im Europavergleich ja eigentlich zu wenig<br />

für Lebensmittel aus. Wir sind, was Essen angeht,<br />

total knauserig. Insofern ist doch dein Ansatz nicht<br />

verkehrt. Und sparst du auch Geld?<br />

Kempter: Nicht wirklich, ich bin in der Hinsicht<br />

so gar nicht schwäbisch.<br />

Schilling: Das Geld muss zirkulieren.<br />

Kempter: Ja, man muss das Geld aus dem Fenster<br />

werfen, dann kommt es zur Tür wieder rein.<br />

Schilling: Hast du keine Angst davor, dass das<br />

Geld später nicht reicht?<br />

Kempter: Nicht so richtig. Aber wir Schauspieler<br />

fallen durch sämtliche Raster <strong>und</strong> müssen eigentlich<br />

für alles selbst Vorsorge treffen. Insofern sollte ich<br />

schon ein bisschen mehr sparen. Aber weißt du, was<br />

mich an unserem Beruf richtig nervt? Dass wir Frauen<br />

viel weniger verdienen als ihr Männer. Weißt du das<br />

überhaupt? Das Einstiegsgehalt ist viel niedriger <strong>und</strong><br />

die Tagessätze auch. Das ist eine Riesensauerei, die<br />

mich als Feministin <strong>und</strong> Betroffene sehr ärgert.<br />

Schilling: Echt, das kann ich mir gar nicht vorstellen.<br />

Kempter: Doch, das ist so, ich schwöre.<br />

140<br />

Schilling: Hast du eigentlich eine schöne Kindheit<br />

gehabt?<br />

Kempter: Ja, sehr.<br />

Schilling: Ich hab nämlich in der Zeitung gelesen,<br />

dass du immer so schlimme Träume hattest.<br />

Kempter: Eine schöne Kindheit hatte ich trotzdem.<br />

Die Nächte waren halt schlecht.<br />

Schilling: Woher kamen die Albträume?<br />

Kempter: Ich weiß nicht. Ich glaube, dass die<br />

Träume so etwas wie ein Entertainmentprogramm<br />

meines Gehirns waren. Hast du nie Albträume gehabt?<br />

Schilling: Doch, das waren so Weltuntergangsträume.<br />

Dinge stürzen vom Himmel hernieder <strong>und</strong><br />

man kann sich nicht verstecken. Allerdings kann ich<br />

auch nicht von mir behaupten, dass ich eine schöne<br />

Kindheit hatte. Aber erzähl lieber mal von dir. Wie<br />

war das auf dem Dorf bei Stuttgart?<br />

Kempter: Ach, das ist so langweilig.<br />

Schilling: Dann erzähle es doch interessant.<br />

Hast du Geschwister?<br />

Kempter: Eine kleine Schwester habe ich.<br />

Schilling: Hattet ihr ein schönes Haus?<br />

Kempter: Ja, eine schwäbische Doppelhaushälfte<br />

mit einem kleinen Garten.<br />

Schilling: Das heißt, es gab da noch eine andere<br />

Familie.<br />

Kempter: Ja, aber die haben immer gewechselt,<br />

ich kann mich an keine so gut erinnern. Ich habe jedenfalls<br />

immer draußen gespielt <strong>und</strong> bin allein zur<br />

Schule gelaufen. Ich war sehr gut auf dem Gymnasium.<br />

Irgendwann ließ das dann nach. Vor dem Abi<br />

bin ich ausgezogen <strong>und</strong> habe in einer WG in einer<br />

ehemaligen Bernsteinschleiferei gewohnt, in der die<br />

Dusche unten im Keller war. Die Leute, mit denen<br />

ich da wohnte, haben alle Musik gemacht.<br />

Schilling: Was war das denn für Musik?<br />

Kempter: Gitarrenmusik, Hardcore, Freejazz,<br />

solche Sachen.<br />

Schilling: Und was hast du tagsüber gemacht?<br />

Kempter: Nichts. Abends bin ich viel ausgegangen,<br />

habe Musik gehört <strong>und</strong> Filme geguckt.<br />

Schilling: In welchem Kino?<br />

Kempter: Nicht im Kino, die Filme haben wir<br />

uns ausgeliehen. Das war eigentlich meine Filmausbildung,<br />

da habe ich viele gute Filme geguckt.<br />

Schilling: Welche sind denn die guten Filme?<br />

Kempter: Ach, die Filme aus den 60­ <strong>und</strong> 70er­<br />

Jahren. Aber das ist langweilig, darüber zu sprechen,<br />

weil das Filme sind, die immer genannt werden.<br />

Schilling: Wann ist in dir der Wunsch gewachsen,<br />

selbst zum Film …<br />

Kempter: Das kann ich echt nicht noch mal erzählen,<br />

Tom, weil ich diese Frage gerade in jedem<br />

<strong>Interview</strong> beantworten muss. Lass uns bitte über was<br />

anderes reden.<br />

Schilling: Okay, gehst du viel aus?<br />

Kempter: Nee, nicht mehr.<br />

Schilling: Bist du experimentierfreudig?<br />

Kempter: In welcher Hinsicht?<br />

Schilling: Generell.<br />

Kempter: Generell schon.<br />

Schilling: Warum hast du dir eigentlich mich<br />

als <strong>Interview</strong>partner ausgesucht? Oder war es die Idee<br />

der Redaktion?<br />

Kempter: Nein, das war mein Vorschlag.<br />

Schilling: Und, bereust du es?<br />

Kempter: Überhaupt nicht!<br />

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der eine entwirft Möbel,<br />

die KunstwerKe sind, der andere<br />

schneidert Kleider, die in Museen hängen:<br />

der designer MArc newson<br />

<strong>und</strong> der couturier Azzedine AlAÏA<br />

trafen sich auf der Party von<br />

carine roitfeld <strong>und</strong> sPrachen aM<br />

nächsten tag, leicht ver<strong>Kate</strong>rt,<br />

über geister <strong>und</strong><br />

andere Kuriositäten<br />

MARC<br />

von<br />

Azzedine AlAÏA<br />

Porträts<br />

JohAn sAndberg<br />

NE WSON<br />

Marc newsons Lockheed Lounge von 1986,<br />

beKannt aus deM Madonna-video Rain.<br />

das obJeKt erzielte bei auKtionen reKordPreise<br />

142<br />

Foto: Lockheed Lounge, 1988, Karin Catt, Marc Newson: Works, Taschen 2012<br />

143


MArc newson: Puh, letzte Nacht …<br />

AZZeDine AlAÏA: (lacht) Heute ein <strong>Interview</strong> zu<br />

führen ist etwas hart.<br />

newson: Sehr hart!<br />

AlAÏA: Wir waren ja bis morgens auf der Soiree<br />

von Carine Roitfeld.<br />

newson: Wie spät war es, als wir gingen?<br />

AlAÏA: Spät.<br />

newson: 13 Uhr?<br />

AlAÏA: Drei Uhr.<br />

newson: Ich erinnere mich daran, dass es viel<br />

Wodka gab. Und ich bin in Champagnergläser gefallen.<br />

AlAÏA: Oh ja, du hast in einem Scherbenhaufen<br />

gesessen! Ich habe nur ein Klirren gehört <strong>und</strong> hochgeschaut,<br />

konnte dich aber nirgends entdecken. Ich<br />

dachte, jemand anderes habe sie kaputtgemacht …<br />

Und dann bist du aus den Trümmern aufgestanden!<br />

newson: Ganz genau, das war ich (lacht). Eine<br />

Kellnerin ist gestolpert <strong>und</strong> mit ihrem Tablett auf<br />

mich gefallen. Direkt hinter mir stand ein Tisch voller<br />

Die AlAÏA-Boutique in PAris, gestAltet von MArc newson<br />

„viele MoDeDesigner<br />

sinD keine richtigen<br />

Designer, sonDern<br />

nur stylisten.<br />

ich hABe eine FrAu<br />

gesehen, Die ein<br />

AlAÏA-kleiD trug.<br />

es wAr 25 JAhre Alt,<br />

ABer es sAh<br />

FAntAstisch Aus”<br />

MArc newson<br />

144<br />

Champagnergläser. Im ersten Moment dachte ich:<br />

Jetzt ist mein ganzer Arsch zerschnitten. Aber ich hatte<br />

nicht mal ein Loch in der Hose. Eigentlich sollten<br />

wir dieses Gespräch später führen, sonst wird es zu<br />

merkwürdig.<br />

AlAÏA: Aber wir müssen noch zur Petite Boutique.<br />

Warst du schon da?<br />

newson: Ja. Komm, dann lass uns jetzt richtig<br />

anfangen zu reden. Ich liebe ja deine Geschichte mit<br />

Piplette, auch wenn die nichts mit Design zu tun hat.<br />

AlAÏA: Die im Auto?<br />

newson: Genau die.<br />

AlAÏA: Also, eines Tages …<br />

newson: (lacht laut)<br />

AlAÏA: Eines Tages fuhr ich mit Piplette, diesem<br />

jungen Mann, der für mich arbeitet, durch Paris. Er<br />

saß am Steuer, <strong>und</strong> ich sagte zu ihm: „Piplette, wir<br />

fahren zu Salle Drouot! Da gibt es gerade einen Sessel<br />

von Marc Newson im Angebot.“ Wir fahren also dahin,<br />

Piplette guckt sich die Auktionen an, ich erk<strong>und</strong>ige<br />

mich nach den Preisen, <strong>und</strong> Piplette sagt: „Das ist<br />

teuer.“ Und ich sage zu ihm: „Halt die Klappe.“ Er<br />

dann wieder: „Das ist echt teuer!“ Und ich: „Das ist<br />

aber auch ein Sessel von Marc Newson!“ Jedenfalls<br />

bestelle ich diesen Sessel, <strong>und</strong> wir gehen wieder zurück<br />

ins Parkhaus. Piplette fährt los, <strong>und</strong> dann stehen<br />

wir an der Ampel im Parkhaus …<br />

newson: Diese Geschichte ist so witzig, Piplette<br />

ist wirklich ein lustiger Typ! Ihr habt in einem Mini<br />

gesessen, oder?<br />

AlAÏA: Ein italienischer Mini, genau. Das Auto<br />

von Carla Sozzani.<br />

newson: Ach ja, Carla Sozzani.<br />

AlAÏA: Sie kommt gleich übrigens auch noch vorbei.<br />

Piplette starrt jedenfalls plötzlich so aus dem<br />

Fenster <strong>und</strong> fängt an zu winken. Ich sage zu ihm:<br />

„Flirte nicht vor allen Leuten rum, wenn wir bei<br />

Drouot sind! Wink hier nicht irgendjemandem zu,<br />

den wir gar nicht richtig kennen!“ Aber er winkt<br />

gleich noch mal!<br />

newson: (lacht)<br />

AlAÏA: „Piplette, bitte. Flirte nicht ausgerechnet<br />

hier rum.“ Und er antwortet nur: „Aber Monsieur<br />

Alaïa, der Typ fährt das gleiche Auto wie wir.“<br />

newson: (lacht)<br />

AlAÏA: Und ich: „Wir gucken da jetzt nicht hin!“<br />

Daraufhin meint er: „Der Typ, der das Auto fährt, ist<br />

eh hässlich, er hat einen riesigen M<strong>und</strong>.“ Ich schaue<br />

also raus – <strong>und</strong> plötzlich kapiere ich.<br />

newson: (lacht wieder)<br />

AlAÏA: „Piplette, das ist ein Spiegel. Die beiden in<br />

dem Auto sind wir. Du bist der Typ mit dem großen<br />

M<strong>und</strong>!“ (lacht)<br />

newson: Ich liebe diese Geschichte! Es gibt<br />

eine Menge solcher Storys mit ihm. Aber am meisten<br />

mag ich die Geschichte mit dem Geist.<br />

AlAÏA: Mit Hideki.<br />

newson: Mit Moshi Moshi (lacht).<br />

AlAÏA: Ja, Moshi Moshi arbeitet ja auch für mich.<br />

Er ist Japaner. Der schwirrt hier grade irgendwo rum.<br />

newson: Jedenfalls glaubt Moshi Moshi, dass<br />

hier ein Geist wohnt. Und du erschreckst ihn ständig<br />

<strong>und</strong> ziehst ihn damit auf. „Oh, sieh mal, da ist der<br />

Geist!“ Jedes Mal, wenn du ihn von hinten antippst<br />

oder einen deiner Scherze machst, flippt er völlig aus.<br />

AlAÏA: Manchmal schubse ich ihn auch ein bisschen,<br />

ja (kichert). Die Japaner glauben an Geister, genau<br />

wie die Engländer. Immer wenn wir beide zusammengearbeitet<br />

haben, gibt es danach solche lustigen<br />

Geschichten zu erzählen.<br />

newson: (seufzt) Das stimmt. Ich höre mir einfach<br />

liebend gerne deine Geschichten an, deswegen<br />

habe ich auch gar keine Fragen vorbereitet. (Zu einer<br />

Angestellten) Vielen Dank für den Tee. (Zu Alaïa) Mit<br />

einem deiner Mitarbeiter machst du doch auch<br />

manchmal Tanzwettkämpfe hier, nicht wahr?<br />

AlAÏA: Ja, der tanzt nämlich wie Beyoncé – <strong>und</strong><br />

ich wie Shakira. Erinnerst du dich eigentlich noch daran,<br />

wie wir beide uns kennengelernt haben?<br />

newson: Ja, daran erinnere ich mich noch. Du<br />

siehst übrigens ziemlich gut aus heute. Ich hingegen …<br />

AlAÏA: (lacht) Kurz bevor ich dich zum ersten Mal<br />

getroffen habe, war ich bei Carla Sozzani in der Galerie.<br />

Sie zeigte gerade eine Ausstellung von dir <strong>und</strong><br />

Shiro Kuramata. Da stand ein Tisch von dir – <strong>und</strong><br />

noch zwei andere Objekte.<br />

newson: Ich glaube, das war in den Neunzigern.<br />

Vielleicht 93? Fast 20 Jahre ist das jetzt her.<br />

AlAÏA: Carla hat ein Gespür für neue Künstler.<br />

newson: Ihr Laden 10 Corso Como ist toll, <strong>und</strong><br />

auch ihre Galerie in Mailand ist fantastisch. Anfang<br />

Foto: Johan Sandberg<br />

Kopf an Kopf:<br />

Marc newson (l.) <strong>und</strong> azzedine alaÏa<br />

145


der Neunziger hat sie die großartigsten Ausstellungen<br />

gemacht, sie hat damals einige neue Talente entdeckt.<br />

ALAÏA: Als ich dort war, habe ich sie gefragt, von<br />

wem diese Sachen sind. Sie meinte: von Marc Newson.<br />

Ich weiß noch, dass ich die Arbeiten sofort toll fand. Ich<br />

fragte Carla, wo es mehr von dir zu sehen gebe, <strong>und</strong> sie<br />

versprach, dass sie mich mit nach London nehmen<br />

würde, weil sie dort jemanden kenne, der noch mehr<br />

von dir im Angebot habe.<br />

NEWSON: Ja, genau!<br />

ALAÏA: Es war unglaublich. Dieser Tag hat meine<br />

Wahrnehmung von Produktdesign <strong>und</strong> Möbeln für<br />

immer verändert. Ich beschloss sofort, meine ganzen<br />

Art-déco-Möbel zu verkaufen <strong>und</strong> mich mit Objekten<br />

von Marc Newson einzurichten. Nachdem ich mit<br />

Carla in London war, habe ich ihr gesagt, dass ich<br />

dich gerne treffen würde. So wurden wir Fre<strong>und</strong>e.<br />

NEWSON: Und seitdem hast du viele Stücke von<br />

mir angehäuft. Hast du überhaupt noch Platz?<br />

ALAÏA: Ja, noch ein bisschen. Das meiste steht in<br />

den Kisten dort drüben.<br />

NEWSON: Ach!? Du hast also all meine Sachen in<br />

Kisten verpackt? (lacht)<br />

ALAÏA: Ich habe wirklich eine Menge von dir, Marc.<br />

NEWSON: Du eröffnest jetzt auch noch eine Galerie,<br />

richtig?<br />

ALAÏA: Ja, ich zeige dir später die Räume. Als wir<br />

Fre<strong>und</strong>e wurden, habe ich viele deiner Arbeiten gekauft.<br />

Aber du schenkst mir ja auch oft Dinge.<br />

Rocky, DAS SchAukELPfErD, 2012<br />

„DiESEr TAg hAT<br />

mEiNE WAhr­<br />

NEhmuNg vON<br />

PrODukTDESigN uND<br />

möbELN für<br />

immEr vEräNDErT.<br />

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gANzEN ArT­DécOmöbEL<br />

zu vErkAufEN<br />

uND mich miT<br />

ObjEkTEN vON<br />

mArc NEWSON<br />

EiNzurichTEN”<br />

AzzEDiNE ALAÏA<br />

146<br />

NEWSON: Das stimmt, ich mache gerne Geschenke.<br />

Aber Azzedine, du hast mir auch schon einiges<br />

geschenkt, Kleider …<br />

ALAÏA: Aber das hat damit gar nichts zu tun.<br />

NEWSON: Meine Frau hat viele Kleider von dir<br />

bekommen. Danke übrigens auch für diese kleine …<br />

ALAÏA: Deine Frau ist eine tolle Redakteurin!<br />

NEWSON: Ja, Charlotte … Also, Azzedine, jedenfalls<br />

vielen Dank für die kleine Brieftasche neulich.<br />

ALAÏA: Ach, das war doch nur eine Kleinigkeit.<br />

NEWSON: Ich benutze sie sehr gerne. Und die<br />

andere vermache ich einem Fre<strong>und</strong> in San Francisco.<br />

Sie sind super für Kreditkarten.<br />

ALAÏA: Ja, das stimmt.<br />

NEWSON: Es ist immer schwer, eine gute Brieftasche<br />

zu finden. Außer dieser von Goyard oder so<br />

etwas.<br />

ALAÏA: Du hast vollkommen recht.<br />

NEWSON: Es ist furchtbar, jeder hat diese Brieftasche!<br />

Aber deine Designs sind einfach außerordentlich.<br />

Sie sind wie Plastiken. Und als ich geheiratet<br />

habe, hast du meinen …<br />

ALAÏA: … deinen Anzug entworfen. Übrigens<br />

habe ich auch ein Kleidungsstück entworfen, das deinem<br />

Tisch Gello für 3 Suisses von 1994 ähnelt.<br />

NEWSON: Wirklich?<br />

ALAÏA: Ja, es gibt jetzt so einen Rock.<br />

NEWSON: Wie abgefahren! Ist er Teil der aktuellen<br />

Kollektion?<br />

Foto (linke Seite): Courtesy of Marc Newson Limited<br />

ALAÏA: Nein, aber wir haben ihn schon angefertigt.<br />

Ich kann ihn dir zeigen, er ist oben.<br />

NEWSON: Jetzt?<br />

ALAÏA: Ja, ich habe auch über diesen roten Plastiktisch<br />

von dir nachgedacht.<br />

NEWSON: Ach, <strong>und</strong> Azzedine – vergiss nicht den<br />

Ledermantel.<br />

ALAÏA: Ja, den mache ich noch für dich. (Steht auf,<br />

um den Rock zu holen, kommt wieder) Ich habe nur kurz<br />

was aus dem Lager geholt.<br />

NEWSON: Oh, das mit dem Rock ist so toll. Das<br />

werde ich nie vergessen. Für mich – <strong>und</strong> nicht nur für<br />

mich, für wahrscheinlich jeden in der Modebranche<br />

– gehörst du einfach zur Meisterklasse. Ein richtiger<br />

Designer alter Schule. So viele Modedesigner heutzutage<br />

sind keine richtigen Designer, sondern nur Stylisten.<br />

Und die DNA deiner Marke <strong>und</strong> die Art deines<br />

Entwerfens sind vollkommen kohärent zu dem, was<br />

du vor 30 Jahren gemacht hast. Gestern Abend habe<br />

ich eine junge Frau gesehen, die ein Alaïa-Kleid trug.<br />

Das war 25 Jahre alt, aber es sah fantastisch aus.<br />

ALAÏA: Oh, das ist interessant.<br />

NEWSON: Normalerweise sieht es doch furchtbar<br />

aus, wenn jemand in einem Kleid aus den frühen<br />

Neunzigern oder so herumläuft. Kurz gefasst: Du bist<br />

einfach supercool.<br />

ALAÏA: (lacht) Danke!<br />

NEWSON: Oh Mann, wir haben mal wieder kaum<br />

Zeit. So ist es jedes Mal mit uns. Aber so ist es auf der<br />

Fashion Week. Wir müssen uns beeilen, damit wir die<br />

Fotos noch machen können. Aber es ist toll, dass du<br />

zugestimmt hast, dieses <strong>Interview</strong> zu machen. Normalerweise<br />

machst du das ja selten.<br />

ALAÏA: Aber mit dir …<br />

NEWSON: (lacht) Jedenfalls war es schön, als ich<br />

noch in Paris gewohnt habe. Da bin ich fast täglich<br />

zum Mittagessen zu dir gekommen. Und zum Abendessen.<br />

Dein Studio ist riesig, es umfasst ja den ganzen<br />

Block, aber diese Küche hier ist das Herzstück. Kochst<br />

du noch regelmäßig?<br />

ALAÏA: Ja, aber heute habe ich nicht gekocht. Und<br />

gleich kommen alle zum Essen zusammen. Ich liebe das.<br />

NEWSON: Und das ist der Rock, den du mir zeigen<br />

wolltest?<br />

ALAÏA: Er erinnert mich wirklich an deinen roten<br />

Tisch. Deine Arbeit beeinflusst auch meine. Sieh mal.<br />

NEWSON: Ja, ich sehe es. Wow! Was ist das hier?<br />

ALAÏA: Das sind rechte Maschen, sie sind auf besondere<br />

Weise gestrickt. So mache ich das.<br />

NEWSON: Das ist unglaublich, wirklich. Er ist<br />

w<strong>und</strong>erschön.<br />

ALAÏA: Er hat mich an dich erinnert.<br />

NEWSON: Oh, vielen Dank. Wahnsinn. Dieser<br />

Stoff gefällt mir sehr, <strong>und</strong> auch dieser …<br />

ALAÏA: … der Streifen?<br />

NEWSON: Wie hast du den hinbekommen?<br />

ALAÏA: Mit einer Maschine, mit einem bestimmten<br />

Computerprogramm.<br />

NEWSON: Oh, also digital?<br />

ALAÏA: Ja. Das ist Technologie! Sieht doch wirklich<br />

aus wie der Tisch.<br />

NEWSON: Der einzige Unterschied ist der Preis.<br />

ALAÏA: Oh ja, der Preis (beide lachen).<br />

NEWSON: Der ist wirklich wahnwitzig. Besitzt du<br />

den Tisch eigentlich?<br />

ALAÏA: Ja. 3 Suisses haben ihn mir geschenkt, als<br />

ich mit ihnen zusammengearbeitet habe. Sie hatten<br />

noch einen einzigen übrig, den haben sie mir gegeben.<br />

Ich finde deine Entwürfe wirklich beeindruckend. Diese<br />

R<strong>und</strong>ungen des Tisches sind sehr sinnlich.<br />

NEWSON: Was ich an deinen Designs mag, ist,<br />

„EiNE KELLNEriN iSt<br />

mit ihrEm tAbLEtt<br />

Auf mich gEfALLEN.<br />

hiNtEr mir StANd EiN<br />

tiSch vOLLEr<br />

chAmpAgNErgLäSEr.<br />

ich dAchtE: JEtzt iSt<br />

mEiN gANzEr ArSch<br />

zErSchNittEN”<br />

mArc NEWSON<br />

147<br />

dass sie so plastisch sind. Das ist echte Handarbeit, das<br />

ist technische Perfektion. Ich meine dieses Kleid …<br />

ALAÏA: (unterbricht) Zuerst entwerfen wir die<br />

Form aber mit dem Stoff. Dann näht die Maschine es<br />

zusammen, <strong>und</strong> erst dann wird es so dreidimensional.<br />

Es wird gerafft <strong>und</strong> bekommt diese Form.<br />

NEWSON: Aber es wird aus einem …<br />

ALAÏA: … es wird aus einem flachen Stück Stoff<br />

hergestellt.<br />

NEWSON: Aber der hat schon den Gr<strong>und</strong>schnitt?<br />

ALAÏA: Genau. Der zurechtgeschnittene Stoff<br />

wird dann auf ein Millimeterpapier gelegt, <strong>und</strong> ausgehend<br />

davon setzt die Maschine das um. Das Computerprogramm<br />

zählt die Stichstellen. Anschließend<br />

korrigieren wir die Dicke des Stoffes.<br />

NEWSON: Unglaublich. Also sind es mehrere Lagen<br />

Stoff.<br />

ALAÏA: Ja, <strong>und</strong> verschiedene Stoffe. Dann waschen<br />

wir es, denn wenn der Stoff aus dieser Maschine<br />

herauskommt, ist er noch zu schlaff. Während des<br />

Waschgangs wird der Stoff gehärtet <strong>und</strong> verengt.<br />

NEWSON: Er verliert dabei nicht seine Form?<br />

ALAÏA: Nein, nein. Anschließend wird er dann am<br />

Mannequin nachgebessert.<br />

NEWSON: Und das alles passiert in Italien?<br />

ALAÏA: Ja, diese Maschinen gibt es in Italien.<br />

NEWSON: Es gibt nur sehr wenige davon?<br />

ALAÏA: Nein, mittlerweile gibt es viele. Viele Modehäuser<br />

benutzen sie. Aber es kommt sehr auf das<br />

Modell an <strong>und</strong> welche Daten man eingibt, weil es<br />

mittlerweile überall so viele davon gibt – japanische,<br />

deutsche.<br />

NEWSON: Hast du mein Buch schon anschauen<br />

können?<br />

ALAÏA: Ja, es ist enorm, sehr umfangreich.<br />

NEWSON: Da ist übrigens ein Foto meines ersten<br />

Sofas drin. Erinnerst du dich? Das, das ich entworfen<br />

habe, als ich noch zur Uni ging, <strong>und</strong> das du irgendwann<br />

gekauft hast.<br />

ALAÏA: Ja, ich besitze den Prototyp von dir.<br />

NEWSON: Es ist der einzige Entwurf aus meiner<br />

Studienzeit, den es noch gibt. Kaum zu glauben, dass<br />

du ihn gekauft hast.<br />

ALAÏA: Du wusstest lange nichts davon, oder?<br />

NEWSON: Nein, ich habe das echt nicht kapiert.<br />

Ich habe es etwa 1984 verkauft, <strong>und</strong> dann war es verschw<strong>und</strong>en.<br />

ALAÏA: Ich habe es von diesem berühmten …<br />

NEWSON: Ach ja, von diesem Typ in China, diesem<br />

lustigen Kunsthändler.<br />

ALAÏA: Er hat mir erzählt, dass er etwas von Marc<br />

Newson habe, <strong>und</strong> ich sagte ihm: „Das nehme ich.“<br />

NEWSON: Ich glaube, sie wollen jetzt die Fotos<br />

mit uns machen.<br />

ALAÏA: Jetzt?<br />

NEWSON: Ja, ich muss doch gleich schon wieder<br />

los, ich habe einen Termin bei Hermès.<br />

ALAÏA: Aber du musst noch mit uns zu Mittag essen.<br />

Wann musst du los?<br />

NEWSON: Um drei. Ich mache jetzt erst mal die<br />

Fotos. Vielleicht ist ja dann noch Zeit.<br />

ALAÏA: Okay. Dann machen wir die Bilder jetzt.<br />

Danach wird gegessen.<br />

NEWSON: Super.<br />

diE WErKSchAu Marc NewsoN: works<br />

iSt bEi tASchEN ErSchiENEN<br />

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2012<br />

DAS ERSTE JAHR<br />

INTERVIEW DEUTSCHLAND<br />

IM RÜCKSPIEGEL<br />

149<br />

“<br />

Jetzt grinsen nur noch die<br />

Zähne. Der Rest grinst nicht mehr<br />

”<br />

Wolfgang Joop


05<br />

BEST OF/INTRO<br />

Mai 2012<br />

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KENNEN Sie DAS?<br />

Man blickt zurück auf den Weg, den man gegangen ist;<br />

die Jahre, die man gemeinsam verbracht hat;<br />

die Nacht, die man sich tanzend um die Ohren geschlagen hat.<br />

Und man denkt:<br />

WOW!<br />

Das ging jetzt aber schnell.<br />

4 192449 106002<br />

die<br />

dunKle seite<br />

der<br />

KeirA<br />

KnightleY<br />

Was macht<br />

die Kunst,<br />

du h<strong>und</strong>?<br />

dOcumentA 2012<br />

ameriKas<br />

niedergang<br />

trifft<br />

israels schönheit<br />

JerseY shOre &<br />

BAr refAeli<br />

hungrige Bären,<br />

taghelle nächte<br />

minu BArAti<br />

150<br />

DIE NÄCHSTE AUSGABE<br />

VON INTERVIEW<br />

ERSCHEINT AM<br />

16. JANUAR 2013<br />

Fotos: <strong>Interview</strong> Deutschland Februar 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland März 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland April 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland Mai 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland Juni/Juli 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland August 2012;<br />

<strong>Interview</strong> Deutschland September 2012 (2); <strong>Interview</strong> Deutschland Oktober 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland November 2012; <strong>Interview</strong> Deutschland Dezember/Januar 2012/13; Corbis<br />

Am 27. Januar 2012 erschien zum ersten Mal<br />

INTERVIEW in Deutschland, <strong>und</strong> jetzt –<br />

gefühlt lediglich ein paar Minuten später –<br />

bereiten wir bereits die Jahresend-Doppelausgabe vor.<br />

Aus diesem Anlass werfen wir einen Blick zurück<br />

auf Bilder, Geschichten <strong>und</strong> <strong>Interview</strong>s.<br />

Wir haben einige Highlights<br />

noch mal neu abgemischt <strong>und</strong> aufbereitet:<br />

32 Seiten BEST OF INTERVIEW.<br />

Welche Sorgen sich Robbie WILLIAMS,<br />

Europas größter Popstar, macht.<br />

Warum ein Rudel republikanischer Senatoren<br />

Scarlett JOHANSSON verfolgte.<br />

Warum REICHE (oft) gemein sind.<br />

Wie YOGA zur Massenbewegung wurde.<br />

Wie aus DOLCE & GABBANA ein echter Caravaggio wurde.<br />

Was die Schauspielerin Jennifer LAWRENCE<br />

im Schnapsladen um die Ecke kauft.<br />

Was Wolfgang JOOP im Studio 54 verpasste.<br />

MIT ALBERT HOFMANN<br />

AUF LSD<br />

ALLE BILDER AUF DEN NACHFOLGENDEN SEITEN<br />

WURDEN EXKLUSIV FÜR INTERVIEW DEUTSCHLAND PRODUZIERT.<br />

FORTSETZUNG FOLGT …<br />

151<br />

MIT AUSNAHME DES DOPPELPORTRÄTS VON KRISTEN<br />

STEWART UND CHARLIZE THERON AUF SEITE 170<br />

UND DEN WERKEN DER KÜNSTLER IM BEST-OF-ART 2012


BEST OF/WOW<br />

BEST OF/WOW<br />

IM UHRZEIGERSINN:<br />

Bart-Simpson-Skateboard, Herzkette von LUDEVINE,<br />

Sandalette von JIL SANDER, Motiv von PASSARELLA<br />

DEATH SQUAD, Clutch von ALEXANDER<br />

McQUEEN, Schloss von TIFFANY & CO.,<br />

A$AP Rocky mit PIGALLE-T-Shirt,<br />

Hammer von SUPREME,<br />

Totenkopftasche von<br />

AITOR THROUP, absatzloser Schuh von<br />

GIUSEPPE ZANOTTI DESIGN,<br />

Armreif von DELFINA DELETTREZ,<br />

Kollektionsbild von OLYMPIA LE-TAN,<br />

die Feder – Inspirationsquelle der<br />

T-Shirt-Kollektion von MARCELO<br />

BURLON, Porträt von River Phoenix,<br />

gemalt von Javier Peres<br />

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Pillentasche von CHRISTIAN LOUBOUTIN,<br />

WOWArmreif aus der Kollektion PRIM by Michelle Elie,<br />

Armreif von CHLOÉ, Motiv aus der Katie Grand loves<br />

Hogan-Kollektion, Clutch von JIMMY CHOO, Kette<br />

von SERGIO ROSSI, Parfüm von MARC JACOBS,<br />

Snoop Dogg gibt einem Navigationsgerät seine<br />

Stimme, Lipgloss von GIVENCHY, Kollektionsbild<br />

aus der Kooperation zwischen Adam Kimmel &<br />

CARHARTT, Skelett von Schmuckdesigner Georg<br />

Hornemann<br />

JacobsWOW<br />

Fotos: Ludevine; Jil Sander; Passarella Death Squad; Zelinda Zanichelli; Javier Peres; Alexander McQueen; Cédric Viollet/www.olympialetan.com; Delfina Delettrez; Giuseppe<br />

Zanotti Design; Neil Bedford; Ricky Fitchett/Corbis; Tiffany&Co; Christian Louboutin; PRIM; Chloé; Katie Grand loves Hogan; DISTANZ Verlag; Jimmy Choo; Sergio<br />

Rossi; Adam Kimmel&Carhartt USA; Givenchy; imago/Unimedia Images; Marc Jacobs<br />

152<br />

153


Azealia Banks<br />

Azealia Banks<br />

Azealia Banks<br />

Banks<br />

Banks<br />

LOVES<br />

POP<br />

Da das amerikanische Mutterblatt seit jeher<br />

den Beinamen „The Crystal Ball of Pop“<br />

trägt, haben wir dieses Versprechen<br />

selbstverständlich gerne übernommen.<br />

Warum auch nicht? Pop ist schließlich<br />

der Schnee, auf dem wir talwärts fahren.<br />

Also trafen wir in diesem Jahr Superstars<br />

wie BJÖRK, ROBBIE WILLIAMS,<br />

NEIL TENNANT, DAVE GAHAN<br />

<strong>und</strong> KYLIE MINOGUE.<br />

Wir freuten uns über LANA DEL REY,<br />

THE XX, A$AP ROCKY <strong>und</strong><br />

MYKKI BLANCO. Und sind immer<br />

noch ganz hyper, wenn wir an<br />

das Gespräch zwischen JAN DELAY and<br />

H. P. BAXXTER denken.<br />

“<br />

Ich bin Popstar, seit ich 16 bin, <strong>und</strong> ich musste<br />

mich nie um mich selbst kümmern.<br />

Und jetzt kommt dieser kleine Mensch auf<br />

die Welt, für den ich verantwortlich sein<br />

soll, <strong>und</strong> das macht mir eine Scheißangst<br />

”<br />

best of/pop<br />

Robbie Williams<br />

Azealia Banks<br />

SO GUT WIE IN DIESEM JAHR STAND HIPHOP LANGE<br />

NICHT DA. WIR FEIERTEN DIE RÜCKKEHR DES RAP MIT EINEM<br />

HIPHOP-PORTFOLIO, ANGEFÜHRT VON AZEALIA BANKS<br />

Foto links KACPER KASPRZYK<br />

Styling links ROBBIE SPENCER<br />

155<br />

Robbie Williams, exklusiv fotogRafieRt füR IntervIew DeutschlanD.<br />

Das bilD entstanD im august in los angeles,<br />

Robbie zieRte Das CoveR unseReR oktobeR-ausgabe


BEST OF/POP<br />

BEN<br />

BROOKS<br />

CHILDISH<br />

GAMBINO<br />

Foto RONALD DICK Foto BROOKE NIPAR Foto DAN MONICK, Styling HOLLY COPELAND<br />

Aus Talenten machen wir Superstars, Jeden Monat aufs Neue.<br />

Das Zeug dazu haben: Skater, Musiker, Schauspieler …<br />

... Autoren, Models, Designer, Regisseure, Zirkusartisten, Künstler & Start-up-Entrepreneure. Auf den Bildern oben sehen Sie: den tätowierten<br />

Nachwuchsschrift steller BEN BROOKS, die Bademoderapperin IGGY AZALEA <strong>und</strong> den handtuchtragenden Comedy-Reimer CHILDISH GAMBINO (v. l.)<br />

“Die Leute lieben das DRAMA,<br />

das Drumherum <strong>und</strong> die Show”<br />

KREAYSHAWN<br />

ZWEI JAHRE WARTETE<br />

DIE WELT AUF DAS<br />

DEBÜT DER<br />

GUCCI-GUCCI-<br />

RAPPERIN, IM HERBST<br />

WAR ES SO WEIT.<br />

SEHR SCHÖN:<br />

DER GATORADE-HALTER,<br />

DEN SIE BEIM SHOOTING<br />

IN L.A. TRUG<br />

Foto MATTHIAS<br />

VRIENS-McGRATH<br />

Styling SEAN KNIGHT<br />

156<br />

HYPER, HYPER<br />

JAN DELAY VS. SCOOTER<br />

JAN DELAY: Digger, ich setz mir erst einmal einen Tee auf, willst du auch<br />

einen?<br />

H. P. BAXXTER: Lieber Kaffee.<br />

DELAY: Trinkst du keinen Tee? Du bist doch sonst so England-fixiert …<br />

BAXXTER: Ja, eigentlich trinke ich auch lieber Tee, aber am frühen Nachmittag<br />

brauche ich Kaffee, um wieder wach zu werden.<br />

DELAY: Sorry, Kaffee kann ich echt nicht, keine Ahnung, wie die Maschine<br />

funktioniert. Aber da hinten steht sie.<br />

(…)<br />

DELAY: Mir dreht sich halt im Urlaub der Magen um, wenn ich die protzigen<br />

Russen sehe, Alter, wie die abgehen …<br />

BAXXTER: Klar, ich kenn das auch von der Côte d’Azur. Da fahr ich einmal<br />

im Jahr für ein paar Tage mit meinen Kumpels als Zaungast hin, <strong>und</strong><br />

das ist schon krass. Das dauert dann auch nie lange, bis irgendein Typ<br />

einen einlädt: „Scooteri, Scooteri! Fotos! Champagner!“<br />

DELAY: Scooteri? Die nennen dich Scooteri? (lacht)<br />

BAXXTER: Ja, <strong>und</strong> dann kommen nur so die Flaschen. Das ist der Hammer<br />

– man muss eigentlich gar kein Geld mitnehmen. Die Russen sind<br />

total gastfre<strong>und</strong>lich.<br />

DELAY: Das will ich denen auch gar nicht absprechen. Das eine schließt<br />

das andere ja nicht aus. Es ist halt unsere Form der Bescheidenheit, die<br />

mir lieber ist. Und trotzdem flashe ich voll drauf, in so ’ne Disco zu<br />

gehen <strong>und</strong> mir das anzusehen. An der Côte d’Azur gibt es doch diese<br />

Bar, in der irgendein Wodka 20 000 Dollar kostet – <strong>und</strong> immer wenn<br />

man den bestellt, blinkt dein Name auf so einer fetten Leuchttafel<br />

hinter der Bar, <strong>und</strong> das Feuerwerk wird abgebrannt. Silvesterknaller<br />

<strong>und</strong> so. Totaler Wahnsinn halt.<br />

BAXXTER: Letztes Jahr war es ziemlich lustig: Da saß direkt neben<br />

mir im VIP-Room dieser Will.i.am. Und der hatte einen deutschen<br />

Security-Mann, der mich erkannte <strong>und</strong> fragte, ob ich nicht mal<br />

Will.i.am guten Tag sagen wolle. Der hing jedoch schon total in<br />

den Seilen – <strong>und</strong> ich war auch schon lattenstramm <strong>und</strong> wusste,<br />

dass es eh zu nichts führt. Also winkte ich ab – <strong>und</strong> wir prosteten<br />

uns so zu. Das ist wirklich ein lustiger Ort, weil man tatsächlich<br />

Leute aus allen Bereichen dort trifft. Das ist echt witzig.<br />

DELAY: Ich krieg ja schon im Felix in Berlin eine Krise. Ich feier<br />

echt lieber mit irgendwelchen Rechtsradikalen in Brandenburg<br />

als in so einem Club!<br />

Foto<br />

seAN + seNg<br />

styliNg<br />

JoDie bArNes<br />

“Ich lIebe elvIs,<br />

<strong>und</strong> zwar aus den richtigen Gründen.<br />

er hat so ein schönes Gesicht<br />

<strong>und</strong> die stimme eines engels”<br />

Lana Del ReY<br />

157<br />

Die Nr. 1:<br />

Als Die erste AusgAbe<br />

voN IntervIew erschieN,<br />

eroberte lANA Del rey<br />

Nicht Nur uNser erstes cover,<br />

soNDerN Auch Die chArts<br />

iN 32 läNDerN


Victoria<br />

Beckham<br />

best of/FASHIoN<br />

Bei den Olympischen Spielen in London hatte sie einen<br />

(wirklich allerletzten?) Auftritt als Spice GirL, zwei Monate vorher<br />

sprach sie in der <strong>Interview</strong>-coverstory über Kindererziehung,<br />

ihr grimmiges Fotogesicht <strong>und</strong> ihre Karriere als Mode de signerin.<br />

Und warum man als pOpStAr einen 360-Grad-Blick<br />

für Kleider entwickelt.<br />

LOVES<br />

FASHION<br />

L<br />

I<br />

N<br />

A D<br />

„ICH HABE MIT DEM<br />

GESPIELT, WAS<br />

FÜR MÄNNER BEIM<br />

GOLF ERLAUBT IST …<br />

BUNTSCHECKIGE<br />

HEMDEN, GRELLE<br />

FARBEN UND<br />

NATÜRLICH HÜTE”<br />

MIUCCIA PRADA<br />

FOTO<br />

DANIELE + IANGO<br />

STYLING<br />

PATTI WILSON<br />

foto<br />

ANGeLo PeNNettA<br />

StyLING<br />

betH feNtoN<br />

158<br />

Als wäre sie nie weg gewesen. Oder mit Alimentegezänk beschäftigt.<br />

Die Stichwortgeberin der Supermodel-Ära („Für weniger als 10 000 Dollar am Tag stehen wir morgens nicht auf“)<br />

war 2012 in einigen der bemerkenswertesten Modeshootings zu sehen.<br />

Für <strong>Interview</strong> posierte das Model mit der glamourös geschwungenen Nase in einer Geschichte,<br />

die den androgynen Style der 80er-Ikone Ray Petri feierte.<br />

DIe Kamera LIebt SIe, DocH DaS beruHt<br />

NIcHt auf GeGeNSeItIGKeIt:<br />

VIctorIa becKHam IN LoS aNGeLeS Im maI 2012<br />

159


&Dolce<br />

Gabbana<br />

an<br />

einem<br />

DienSTaG<br />

in<br />

pariS<br />

… kam das niederländische<br />

Supermodel Carmen Kass in<br />

das Studio Rouchon <strong>und</strong><br />

führte vor, dass opulente Mode<br />

(hier ein Kleid von Valentino)<br />

zu Discolicht <strong>und</strong> Plastiksonnenschutz<br />

(nicht im Bild) passt.<br />

Die Mode der beiden Designer<br />

ist womöglich noch italienischer<br />

geworden. Im <strong>Interview</strong><br />

erklärten sie unter anderem<br />

das Geheimnis einer korrekt<br />

zubereiteten ParMIGIana.<br />

160<br />

FoTo<br />

TxemA yeSTe<br />

STylinG<br />

klAuS STockhAuSen<br />

Foto<br />

GiAmpAolo SGurA<br />

StylinG<br />

klAuS StockhAuSen


BEST OF/FASHION<br />

Anna DELLO RUSSO<br />

Sie ist Fashion Director der VOGUE JAPAN, ihr eigener Blog ist Pflichtlektüre für<br />

Modestudenten, aber vor allem ist sie der wandelnde Beweis, dass man nie zu dünn <strong>und</strong> nie zu exzentrisch<br />

sein kann. Und nie zu aufrichtig, wie sie im Gespräch mit ihrem alten Bekannten CARLO ANTONELLI,<br />

Chefredakteur der italienischen Wired, unter Beweis stellte.<br />

BEST OF/FASHION<br />

Foto ADRIAN CRISPIN<br />

Wolfgang JOOP<br />

FOTO<br />

GIAMPAOLO SGURA<br />

STYLING<br />

ANNA DELLO RUSSO<br />

“Ich möchte ein<br />

Kleider bügel sein”<br />

162<br />

Fotos (im Uhrzeigersinn):<br />

MARKUS PRITZI, JOHAN SANDBERG,<br />

HANS FEURER, MARKUS JANS,<br />

XEVI MUNTANÉ<br />

Styling KLAUS STOCKHAUSEN<br />

163<br />

BENT ANGELO JENSEN: Wolfgang, komisch, dass wir<br />

uns jetzt erst kennenlernen, dabei haben wir einige<br />

gemeinsame Bekannte.<br />

WOLFGANG JOOP: Wo kommst du eigentlich her?<br />

Du bist nicht in Hamburg geboren, oder?<br />

JENSEN: Ich bin eigentlich Däne.<br />

JOOP: Ach toll, Dänen lügen nicht. Sang jedenfalls<br />

Michael Holm, oder nicht?<br />

JENSEN: Das hoffe ich doch, dass die nicht lügen.<br />

JOOP: In Hamburg haben ja alle unsere Karrieren<br />

begonnen. Die von Jil Sander, von dir, von mir, die<br />

von Karl Lagerfeld natürlich nicht, obwohl er aus<br />

Hamburg ist. Irgendwas scheint da im Trinkwasser zu<br />

sein – von dem bekommt man zwar Halsschmerzen,<br />

deswegen tragen alle Kaschmirschals. Und das Wort<br />

„Kaschmir“ lernte ich dort buchstabieren. In Hamburg<br />

wusste man schon, was Luxus ist, während die<br />

anderen sich noch vorbereiteten, die 80er-Jahre zu<br />

erfinden.<br />

JENSEN: Aber ihr wart doch eigentlich die Achtziger.<br />

JOOP: Da wurden wir getauft. Aber erf<strong>und</strong>en wurden<br />

die Achtziger in Berlin. Berlin war on the edge, von<br />

diesem Stil lebt Berlin heute noch. Ich habe es vorgezogen,<br />

Berlin in New York zu suchen, als Deutschland<br />

sich vereinte.<br />

JENSEN: Warst du auch mal im Studio 54?<br />

JOOP: Ich war dreimal im Studio 54, aber ich begriff<br />

als Provinzler nicht, was da eigentlich geschah. Die<br />

Luft war so sexgeschwängert, dass ich um meine Restunschuld<br />

bangte.<br />

JENSEN: Das glaube ich dir nicht!<br />

JOOP: Zwischen den Kinobänken, die dort standen,<br />

kam es zum Äußersten, aber ich dachte, die suchen<br />

eine verlorene Uhr, eine Rolex, oder ein Tiffany-<br />

Koks-Besteck.<br />

JENSEN: Selbstverständlich, was auch sonst.<br />

JOOP: Ich wusste noch nicht, wie Leute drei Nächte<br />

wach bleiben konnten.


BEST OF/BEAUTY<br />

LOVES<br />

STYLING<br />

DARCY BACKLAR<br />

FOTO<br />

MATT IRWIN<br />

BEAUTY<br />

Eine Rubrik der angewandten Träumereien: Porträts von den kreativen Köpfen der Branche wie PAT McGRATH oder LLOYD SIMMONDS,<br />

inspirative Fotoproduk tionen (Haut als Pixelsturm), die neuesten <strong>und</strong> innovativsten Pro dukte (z. B. ein Lippenstift, der je nach pH-Wert<br />

die Farbe wechselt). Und Bettina Brenns Kolumne über Alltag, Verschwendung <strong>und</strong> Schönheit, die man kaufen kann.<br />

165<br />

Rock ERDEM,<br />

Tasche mit Schnalle HERMÈS,<br />

Schlangenleder-Tasche<br />

DIANE VON FURSTENBERG,<br />

Hardcase-Clutch & Armreife<br />

LANVIN, Nagellack „On the<br />

Beach” von DEBORAH<br />

LIPPMANN, Lippenstift „Rouge<br />

in Love 170 N” von LANCÔME


loves<br />

ideas<br />

…<br />

aNd THe WiNNeR<br />

TaKes iT all<br />

166<br />

“<br />

Arme müssen seit 80 Jahren Studien<br />

über sich lesen, in denen<br />

gedruckt steht, dass sie fett,<br />

ungebildet <strong>und</strong> chancenlos sind<br />

”<br />

Paul K. Piff<br />

FoTo<br />

CATHeRiNe ledNeR<br />

Fotos: ParsMedia; NASA/Ames/JPL-Caltech<br />

“REICHTUM<br />

verändert das<br />

VERHALTEN<br />

von Menschen<br />

signifikant“<br />

Paul K. PIFF,<br />

Soziologe<br />

Sie bremsen nicht für andere, halten Selbstsucht für eine<br />

Tugend <strong>und</strong> denken, der silberne Löffel stünde ihnen<br />

zu: Als der Soziologe Paul K. Piff seine neuesten Studien<br />

vorlegte, diskutierte Amerika (<strong>und</strong> <strong>Interview</strong>): Verändert<br />

Reichtum das Sozialverhalten des Menschen?<br />

INTERVIEW: Herr Piff, Sie haben in den vergangenen<br />

Monaten viele Autofahrer beobachtet – was treibt einen<br />

Sozialpsychologen hinaus auf die Straße?<br />

PAUL K. PIFF: Ich wollte herausfinden, welcher von ihnen<br />

auf Vorfahrt achtet <strong>und</strong> wer anderen eigensinnig<br />

die Vorfahrt nimmt.<br />

INTERVIEW: Und?<br />

PIFF: Na ja, die Fahrer teurer Autos hielten bedeutend<br />

weniger an als die Fahrer alter <strong>und</strong> billiger Autos.<br />

INTERVIEW: Die Fahrer von Oberklassewagen sind<br />

rücksichtsloser?<br />

PIFF: Sie nehmen drei- bis viermal häufiger die Vorfahrt<br />

– <strong>und</strong> halten ungefähr dreimal seltener als die<br />

Wagen aus der unteren Statusklasse am Zebrastreifen.<br />

INTERVIEW: Kann man denn von einem Auto zuverlässig<br />

auf den sozialen Stand <strong>und</strong> die wirtschaftliche<br />

Situation seines Fahrers schließen?<br />

PIFF: Die Überschneidungsquote, die 5 000 Stichproben<br />

ergaben, liegt über 0,7, was statistisch gesehen<br />

sehr hoch ist. Zumindest in Amerika gilt: Die<br />

Mehrheit der Menschen, die Geld hat, fährt auch ein<br />

Auto, das ihrem ökonomischen Status entspricht.<br />

INTERVIEW: Sie beschäftigen sich seit Jahren damit,<br />

wie sich sozioökonomischer Status auf das Verhalten<br />

der Menschen auswirkt. Warum? Was ist Ihr Motiv?<br />

PIFF: Jedenfalls geht es nicht um Klassenkampf, wie man<br />

vielleicht schnell unterstellen könnte. Ich habe nichts<br />

gegen reiche Menschen, das wäre total absurd; mich interessiert<br />

lediglich, wie Reichtum das Ver halten von<br />

Menschen verändert <strong>und</strong> prägt. Mir geht es um wissenschaftliche,<br />

um empirisch belegbare Aussagen, ungeachtet<br />

des Ergebnisses. Die Ausgangsfrage kann<br />

beispielsweise lauten: Menschen aus welcher<br />

sozialen Klasse brechen die Regeln?<br />

Die logische Folgefrage wäre<br />

dann: Warum tun sie das? Dann<br />

kommen psychologische Variablen<br />

ins Spiel, die dies zu erklären versuchen.<br />

Dies sind inter venierende<br />

Variablen. Warum stehlen wohlsituierte<br />

Menschen eher Süßigkeiten<br />

aus einem Glas, das offensichtlich<br />

für Kinder aufgestellt wurde?<br />

INTERVIEW: Tun sie das denn?<br />

PIFF: Menschen, die über einen gewissen Reichtum<br />

verfügen, so das Ergebnis der Studien, scheinen<br />

Selbstsucht, also Gier, als legitimen Antrieb zu<br />

ver stehen. Gier gilt in manchen Kreisen nicht als<br />

amoralisch, sondern als Tugend.<br />

BEST OF/IDEAS<br />

INTERVIEW: Gordon Gekko sagte doch schon in Wall<br />

Street: „Gier ist gut!“ Und Dante widmete der Gier<br />

in seiner Göttlichen Komödie die vierte Vorhölle.<br />

PIFF: Ja, <strong>und</strong> Jesus predigte jenes viel zitierte Bild,<br />

dass die Wahrscheinlichkeit, ein Kamel durch ein<br />

Nadelöhr zu quetschen, höher sei als die, einen reichen<br />

Mann im Himmel anzutreffen. Das ist ja das<br />

Faszinierende: Die Feststellung, dass Reichtum das<br />

Sozial verhalten korrumpiert, ist keineswegs neu.<br />

INTERVIEW: Es herrscht also eine Geld-Mitgefühl-<br />

Differenz?<br />

PIFF: Oh ja, absolut. Meine Studien ergeben: Je mehr<br />

Geld vorhanden scheint, je höher also der sozioökonomische<br />

Status, umso ge ringer das soziale Bewusstsein.<br />

Ich will nicht behaupten, dass reiche Menschen<br />

schlechte Menschen sind; das Problem ist dennoch<br />

ihr Reichtum, sind die sogenannten Privilegien. Mit<br />

Geld erkauft man sich Unabhängigkeit, <strong>und</strong> dazu gehört<br />

auch die Unabhängigkeit von Mitmenschen.<br />

INTERVIEW: Ab wann eigentlich gilt eine Person in<br />

Ihren Studien als reich, als gut gestellt?<br />

PIFF: Wissenschaftlich gesehen gibt es diese Grenze<br />

nicht. Wie gesagt: Es geht auch nicht um Reich <strong>und</strong><br />

Arm, Schwarz <strong>und</strong> Weiß, die Übergänge sind fließend.<br />

Es geht um die Position auf einer sozialökonomischen<br />

Leiter. Aber, <strong>und</strong> das dürfte Sie <strong>und</strong> Ihre<br />

Leser sehr interessieren: Wir haben in einer weiteren<br />

Reihe von Studien herausgef<strong>und</strong>en, dass auch im<br />

Labor simuliertes, also ein temporäres Gefühl von<br />

Wohlstand das Sozialverhalten eines Menschen signifikant<br />

verändert.<br />

INTERVIEW: Das heißt, selbst empf<strong>und</strong>ener Reichtum<br />

verändert das Sozialverhalten eines Menschen?<br />

PIFF: Darauf will ich hinaus! Soziale Klasse <strong>und</strong> sozi-<br />

ales Bewusstsein haben so gut wie nichts mit dem<br />

eigentlichen Kontostand, sondern mit dem gefühlten<br />

zu tun, der sich aus dem Vergleich mit anderen Menschen<br />

<strong>und</strong> situativ ergibt. Fast alles spielt sich im<br />

Kopf ab. Dazu führten wir eine Reihe von Tests<br />

durch: Sie können sich nicht vorstellen, wie schnell<br />

Menschen, die schlechter gestellt waren, vergessen<br />

<strong>und</strong> sich der neuen Situation gemäß verhalten. Weil<br />

sie wirklich glauben, es stünde ihnen zu, sie seien<br />

dazu berechtigt.<br />

JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

“Das LEBEN<br />

abseits unseres<br />

PLANETEN”<br />

Dimitar SASSELOV,<br />

Astronom<br />

Der Astrologe ist der Star der Sterne.<br />

Er ist der führende Astronom Harvards<br />

<strong>und</strong> sucht derzeit nach einer<br />

besseren Erde.<br />

INTERVIEW: Professor Sasselov, in Ihrem<br />

neuen Buch nehmen Sie den Leser<br />

mit auf die Suche nach sogenannten Super-<br />

Erden. Was passt Ihnen denn an unserem Planeten<br />

nicht?<br />

DIMITAR SASSELOV: Oh, er ist w<strong>und</strong>erbar. Aber die<br />

Ansicht, dass nur unsere Erde bewohnbar sei, ist ebenso<br />

obsolet wie die Vorstellung, alles drehe sich nur um sie.<br />

167<br />

INTERVIEW: Super-Erden sind also nicht besser, sondern<br />

nur ähnlich wie die Erde?<br />

SASSELOV: Als Super-Erden bezeichnen wir eine<br />

neue Art von Planeten, die in Maß <strong>und</strong> Umfang ähnlich<br />

oder nur wenig größer sind als die Erde. Sie bestehen<br />

größtenteils aus denselben Gr<strong>und</strong>materialien<br />

<strong>und</strong> sollten im Idealfall eine ähnliche geophysikalische<br />

Beschaffenheit aufweisen wie unser Planet. Daher<br />

der Name: Super-Erden. Diese Planeten sind aus<br />

zwei Gründen spannend. Erstens: Sie wurden erst vor<br />

Kurzem entdeckt. Zweitens: Wenn man davon ausgeht,<br />

dass einige dieser Planeten der Erde ähneln <strong>und</strong><br />

dort vergleichbare Bedingungen wie hier herrschen,<br />

kann man eigentlich auch davon ausgehen, dass es<br />

dort Leben in irgendeiner Form gibt, gab oder geben<br />

kann. Wer sich also auf die Suche nach Leben abseits<br />

dieses Planeten begeben will, sollte aufhorchen. Den<br />

Glauben, dass nur unser Planet genau die richtige Größe,<br />

genau die richtige Temperatur <strong>und</strong> genau die richtige<br />

Oberfläche aufweist <strong>und</strong> deshalb nur hier Leben<br />

entstehen konnte, kann man allenfalls als romantischanachronistisch<br />

<strong>und</strong> höchst pathetisch bezeichnen.<br />

JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

“YOGA war<br />

für FRAUEN<br />

verboten“<br />

Jan SCHMIDT-GARRE,<br />

Regisseur<br />

OOOOOOOOOOOOOOMMMMMMMM<br />

Yoga, ein Männersport? Gurus, die Frauen erst gar<br />

nicht unterrichten? Der Regisseur Jan Schmidt-Garre<br />

lernte für seinen Dokumentarfilm nicht nur den „Herabschauenden<br />

H<strong>und</strong>“, sondern auch Erstaunliches<br />

über die Geschichte der erfolgreichsten Bewegungstherapie<br />

der Welt.<br />

INTERVIEW: Fangen wir mal ganz praktisch an: Einer<br />

Ihrer Begleiter in dem Film Der atmende Gott sah aus,<br />

als kriege er trotz relativer Jugend bereits eine Scheitelglatze.<br />

Befördert häufiger Kopfstand – oder auch<br />

die Fischstellung – den Haarausfall?<br />

JAN SCHMIDT-GARRE: Glaube ich nicht. Aber wenn<br />

man Yoga so intensiv betreibt, wie Alex das tut, dann<br />

ist es insgesamt schlecht.<br />

INTERVIEW: Viele Ex-Junkies, etwa die Red Hot Chili<br />

Peppers, betreiben irgendwann superengagiert Yoga.<br />

Ersetzt da eine Sucht die andere?<br />

SCHMIDT-GARRE: Yoga hat ein Suchtpotenzial, ganz<br />

klar. Das sehe ich an mir selbst, dass man irgend-


est of/IdEAS<br />

BEST OF/IDEAS<br />

wann das Gefühl hat, es jeden Tag machen zu wollen.<br />

IntervIew: Wieso spricht Yoga heute besonders eindringlich<br />

zu Frauen?<br />

SchmIdt-Garre: Krishnamacharya war der Erste,<br />

der überhaupt Frauen unterrichtet hat. Vorher war es<br />

für Frauen <strong>und</strong> für alle Nichtbrahmanen verboten.<br />

Krishnamacharya war ein echter Revoluzzer. Der hat<br />

sogar Moslems unterrichtet, was noch schlimmer war<br />

als Frauen. Es ging damit los, dass der Maharadscha<br />

von Mysore verlangte, dass auch die weiblichen Mitglieder<br />

seiner Familie Yoga lernten. Krishnamacharya<br />

hat sich anfangs gesträubt – <strong>und</strong> er wusste auch nicht,<br />

wie er es anstellen sollte. Er durfte eine Frau in solchen<br />

Haltungen weder sehen noch anfassen. Er setzte<br />

dann seine Frau, ihre Schwester <strong>und</strong> seine älteste<br />

Tochter als Mittelsfrauen ein. Sie unterrichteten die<br />

Frauen der Königsfamilie <strong>und</strong> berichteten ihm, der<br />

hinter einem Vorhang saß, von den Übungen. Aus der<br />

Ferne hat er sie dann korrigiert. Die erste Frau aus<br />

dem Westen, die er unterrichtete, war Indra Devi –<br />

eine Lettin <strong>und</strong> Diplomatengattin. Er fre<strong>und</strong>ete sich<br />

mit ihr an <strong>und</strong> schickte sie später als Yoga-Botschafterin<br />

um die Welt. Sie wurde übrigens 102. Der große<br />

Yoga-Frauenboom im Westen muss sich in den Achtzigern,<br />

Neunzigern vollzogen haben, als das dynamische<br />

Yoga von Pattabhi Jois in den Westen kam.<br />

IntervIew: Als große Yoga-Fanatikerin gilt Madonna<br />

mit ihrem stählernen Körper <strong>und</strong> hartleibigen Ehrgeiz.<br />

Steht sie nicht für alles, was Yoga angeblich heilen<br />

soll?<br />

SchmIdt-Garre: Es schlägt eben nicht bei jedem an.<br />

IntervIew: Die Autorin <strong>und</strong> Yoga-Lehrerin Kristin<br />

Rübesamen hat mal geschrieben, dass Übungen, die<br />

man auch „Hip Opener“ nennt, in New Yorker<br />

Yo gakreisen als hilfreich für besseren Sex gelten.<br />

Können Sie das bestätigen?<br />

SchmIdt-Garre: Nein. Bei mir hilft da eher Joggen.<br />

ADRIANO SACK<br />

“Straßenschlacht<br />

in BANGKOK”<br />

James NACHTwEy,<br />

Fotograf<br />

Was macht der wohl bekannteste Kriegsfotograf,<br />

wenn er nicht gerade in den Trümmern des Iraks unterwegs<br />

ist? Er wäscht seine weißen Hemden in Bangkok.<br />

Für <strong>Interview</strong> fotografierte er seine Wahlheimat<br />

– <strong>und</strong> erzählte die Geschichte zu den Bildern.<br />

Als die Proteste der Rothemden gerade in vollem<br />

Gang waren, errichtete das Militär gigantische Barrikaden<br />

r<strong>und</strong> um den Lumphini-Park. Jede Nacht<br />

krachte es dort, mitten im Herzen des Geschäftsviertels<br />

von Bangkok. In der Nacht, in der dieses Bild entstand,<br />

feuerte das Militär Granaten auf die Straße <strong>und</strong><br />

in eine Haltestelle des Sky Trains. Es gab unzählige<br />

Verletzte. Um das Chaos zu kontrollieren, bildeten die<br />

Bereitschaftspolizisten diese menschliche Barrikade.<br />

2003 wären Sie bei einem Granatenanschlag im Irak<br />

beinahe ums Leben gekommen.<br />

Die Granate landete neben meinem Kollegen, dem<br />

Reporter Mike Weisskopf. Er handelte geistesgegenwärtig:<br />

Anstatt in Deckung zu gehen, nahm er sie<br />

<strong>und</strong> schmiss sie aus dem Fahrzeug. Die Granate war<br />

so heiß, dass er schwerste Verbrennungen an seiner<br />

rechten Hand erlitt. Ich wurde von Granatsplittern<br />

am Bauch <strong>und</strong> an den Beinen verletzt, lag im Koma<br />

<strong>und</strong> musste mehr als drei Monate in Reha, bevor ich<br />

wieder arbeiten konnte. Ich hatte großes Glück <strong>und</strong><br />

verdanke Mike mein Leben.<br />

Sie sind seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Vorhöllen<br />

der Welt unterwegs. Der Fotograf Antonin Kratochvil<br />

erzählt, er schlafe immer komplett angezogen.<br />

Meist sogar mit den Stiefeln an, ja. Aber oft bin ich<br />

so erschöpft, dass es eh egal ist.<br />

JöRG HARLAN ROHLEDER<br />

“Ich fühle mich<br />

wie ein schwuler<br />

TRUCKER”<br />

Lydia LUNCH,<br />

Musikerin<br />

foto hejI ShIn<br />

Ihre Worte sind so scharf wie Pfeile, geschossen auf<br />

Bush <strong>und</strong> Obama, Madonna <strong>und</strong> Lady Gaga. Lydia<br />

Lunch ist eine der lautesten Stimmen der amerikanischen<br />

Gegenkultur. Für <strong>Interview</strong> sprach Extrem-<br />

Musiker Alec Empire mit ihr.<br />

lydIa lunch: Endlich lernen wir uns mal kennen!<br />

alec emPIre: Ja, endlich. Wie war denn deine Lesung<br />

gestern Abend?<br />

lunch: Die war super.<br />

emPIre: Und gab es anschließend noch eine Party?<br />

lunch: Warum? Ich scheiß auf Partys! Mein ganzes<br />

Leben ist eine Party, eine Beerdigungsparty. Seit ich<br />

nicht mehr trinke, sind Partys für mich irgendwie<br />

sinnlos geworden.<br />

emPIre: Du trinkst nicht? Wann hast du aufgehört?<br />

lunch: Ich habe nicht mal richtig angefangen zu<br />

trinken. Alle, die behaupten, sie hätten aufgehört,<br />

wissen nicht, wie es ist, richtig zu trinken. Aber Drogen<br />

mag ich immer noch sehr gerne. Heroin habe<br />

ich zwar nur einmal genommen, ein Gr<strong>und</strong>, warum<br />

ich noch lebe. Ich war nie ein Junkie, dafür war ich<br />

immer zu launisch. Aber ich finde, es sollten endlich<br />

neue Drogen erf<strong>und</strong>en werden. Wir brauchen schlauere<br />

Drogen, denn die Welt ist ja schon dumm genug.<br />

Drogen, wie es sie in den späten Siebzigern gab: Für<br />

ein paar Dollar bekamst du etwas, das dich für eine<br />

halbe St<strong>und</strong>e high machte, <strong>und</strong> dann warst du wieder<br />

zurück in der Realität.<br />

emPIre: Entschuldige, ich bin gerade erst aufgestanden.<br />

lunch: Dann solltest du erst mal einen doppelten<br />

Espresso trinken. Ich nehme einen einfachen zum<br />

Runterkommen. Also, wir brauchen mehr nützliche<br />

Drogen, <strong>und</strong> damit meine ich keine Medikamente, die<br />

sind nur der Versuch, dich von etwas abhängig zu machen,<br />

für das du den Rest deines Lebens Geld an den<br />

Staat bezahlen musst.<br />

emPIre: Kritiker hören deine Musik nicht richtig <strong>und</strong><br />

erkennen oft nicht, was hinter ihr steckt. Die sehen<br />

Frauen – <strong>und</strong> schon ist es eine Girlband.<br />

lunch: Aber macht mich bitte nicht verantwortlich<br />

für Courtney Love! She is a train wreck crushing into<br />

a fucking bank. Es hat sie vier Jahre <strong>und</strong> eine Million<br />

Dollar gekostet, ein beschissenes Album zu machen.<br />

Mich dagegen hat es zwei Wochen <strong>und</strong> einen Tausender<br />

gekostet, ein verdammt gutes Album zu machen.<br />

Do the math, motherfucker!<br />

emPIre: Was beschäftigt dich dabei?<br />

lunch: Ich rebelliere gegen Amerika. Ich rebelliere<br />

gegen Gender. Gender ist eine Lüge. Ich fühle mich<br />

eher wie ein schwuler Trucker, der in dieser großartigen<br />

Hülle stecken darf. Wenn es einen Teufel gibt, ist<br />

sie eine Frau, <strong>und</strong> sie hat mich hier reingesteckt. Wobei<br />

– eigentlich fühle ich mich wie eine Mischung aus<br />

Charles Bukowski <strong>und</strong> Biggie Smalls.<br />

“Die ARBEIT<br />

an sich selbst”<br />

René POLLESCH,<br />

Autor <strong>und</strong> Dramaturg<br />

René Pollesch macht Theater, wie es sein sollte:<br />

schnell, komplex, im Jetzt. Hier ein kurzer Auszug<br />

aus dem Gespräch, das der Philosoph Thomas Macho<br />

mit dem Vordenker der Berliner Volksbühne führte.<br />

thomaS macho: Herr Pollesch, mir gefiel ein Zitat<br />

von Ihnen: „Für die Arbeit an sich selbst gibt es<br />

nicht genug offene Stellen.“<br />

rené PolleSch: Es gibt ’ne Krankheit, die Borderline<br />

heißt. Das wär so ’ne offene Stelle. Wo eine<br />

Arbeit am Selbst gar nicht möglich ist, weil dem Befehl,<br />

eines zu haben, gar nicht nachgegangen werden<br />

kann. In einer Erzählung von Ingeborg Bachmann<br />

spielt eine Borderline-Figur in Gesprächen mit anderen<br />

mit stark aufgeladenen Begriffen wie Hoffnung,<br />

Liebe, Sehnsucht, als wären die glitzernde Steine. Sie<br />

weiß, dass die für andere eine große Bedeutung haben,<br />

aber sie selbst kann sie gar nicht aufladen oder<br />

beleben. Kreativität zum Beispiel gilt noch nicht als<br />

großes Wort, aber es ist schwer im Umlauf. Jeder soll<br />

ein kreatives Selbst entwickeln.<br />

macho: Das ist ein interessanter Gedanke: Arbeit an<br />

sich selbst muss nicht permanent darauf hinauslaufen,<br />

sich umzubauen <strong>und</strong> neu zu gestalten. Das Ideal der<br />

Arbeit an sich selbst hat sich inzwischen weit entfernt<br />

Foto: Corbis<br />

von allen psychologischen Bedeutungen. Heute heißt<br />

Arbeit an sich selbst nicht mehr, in die Psychoanalyse<br />

zu gehen oder Werktagebücher zu führen. Heute<br />

heißt es, dass ich eine bestimmte Frisur brauche, um<br />

einen Job zu kriegen.<br />

Foto HEJI SHIN<br />

POLLESCH: Ich habe gerade einen jungen Mann in<br />

der U-Bahn gesehen, der trug Beanie, Holzfällerhemd,<br />

Turnschuhe. Irgendwie sah man auch, dass er<br />

ganz hübsch war; aber vor allem sah er aus wie Ashton<br />

Kutcher. Das Resultat der Arbeit am Selbst darf nicht<br />

zu abgedreht sein. Das darf nur Lady Gaga. Sie ist<br />

ein totales Einzelwesen, bei dem man nicht automatisch<br />

an eine glückliche Zweierbeziehung denkt. In<br />

einer Nahwelt, wie der Soziologe Niklas Luhmann<br />

gesagt hätte, funktioniert sie nicht. Aber für ein Millionenpublikum<br />

funktioniert sie. Es gibt ein YouTube-<br />

Video, in dem sie nach einem Konzert vor Tausenden<br />

von Menschen, die sie lieben, hinter die Bühne<br />

kommt <strong>und</strong> heult. Und sagt, dass sie niemanden hat.<br />

Luhmann beschreibt die Diskrepanz zwischen zwei<br />

Dingen, die wir heute aufgefordert sind herzustellen<br />

– eine funktionierende Nahwelt <strong>und</strong> eine Menge von<br />

unpersönlichen Beziehungen. Vielleicht ist das auch<br />

der Gr<strong>und</strong> für die Gleichzeitigkeit von Lady Gagas<br />

singulärer Erscheinung <strong>und</strong> ihrer banalen Musik.<br />

MACHO: Es werden immer mehr Berufe einem Ehrlichkeitsimperativ<br />

unterworfen. Warum eigentlich?<br />

Ein Banker ist ein Banker. Dass der Banker ehrlich<br />

ist, würde man aus seinem Berufsbild nicht zwingend<br />

ableiten. Trotzdem findet man neuerdings unehrliche<br />

Banker schlimm. Das Gleiche gilt für Politiker.<br />

POLLESCH: Ich würde jedes Plädoyer für die Lüge<br />

unterschreiben.<br />

“Möchten Sie<br />

Entscheidungsmacht<br />

über<br />

Ihre VAGINA<br />

haben?“<br />

Isabel ALLENDE,<br />

Schriftstellerin<br />

Ihr Großonkel Salvador ist der einzige Chilene, der<br />

bekannter ist als sie. Über 50 Millionen verkaufte Bücher<br />

in 37 Sprachen machen die heute 70-Jährige zu<br />

einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Welt.<br />

INTERVIEW: Frau Allende, entschuldigen Sie die Verspätung.<br />

Ich bin in die falsche U-Bahn eingestiegen.<br />

ISABEL ALLENDE: Ach, ich bitte Sie, meine Liebe. Es<br />

ist doch nichts Schlimmes passiert. Kommen Sie her,<br />

ich nehme Sie mal in den Arm. Dann setzen Sie sich,<br />

atmen durch, entspannen sich mal.<br />

INTERVIEW: Ist das Reisen eigentlich das Lästigste<br />

am Schriftstellerdasein?<br />

ALLENDE: Nein, das Sitzen. Ernsthaft. Das ständige<br />

Sitzen. Sie sitzen ja über St<strong>und</strong>en für nur eine Seite!<br />

Also versuche ich, alle 50 Minuten aufzustehen, einmal<br />

durch den Garten oder eine R<strong>und</strong>e mit dem<br />

H<strong>und</strong> rauszugehen.<br />

INTERVIEW: Und was bringt Sie trotzdem dazu, so<br />

viel zu schreiben?<br />

ALLENDE: Dass ich mir diese Geschichten ausdenken<br />

kann <strong>und</strong> die Welt so gestalte, wie sie mir gefällt.<br />

Allzu hübsche Frauen lasse ich gerne früh sterben,<br />

<strong>und</strong> ich schreibe mir gerne die tollsten Liebhaber.<br />

INTERVIEW: Sie haben vor Kurzem in einem <strong>Interview</strong><br />

gesagt, Sie hätten selbst auch Marihuana <strong>und</strong><br />

Ecstasy genommen.<br />

ALLENDE: Ich kenne niemanden, der nicht schon mal<br />

Marihuana versucht hat. Wieso auch nicht? Und in<br />

meinem Alter kann ich das doch auch ruhig zugeben.<br />

Wer schert sich denn da rum, ich bitte Sie!?<br />

INTERVIEW: Wogegen kämpfen die jungen Menschen<br />

gerade in den USA?<br />

ALLENDE: Gegen Gier, gegen die ungleiche Ver teilung<br />

von Kapital, <strong>und</strong> so wie wir früher gegen Atomwaffen<br />

waren, setzen die sich heute für nichts weniger<br />

als die Rettung des Planeten ein. Die jungen<br />

Menschen werden sauer. Gott sei Dank. Gerade die<br />

jungen Frauen.<br />

INTERVIEW: Es ist eigenartig, in fast jedem <strong>Interview</strong>,<br />

das ich mit einer Frau führe, kommen wir irgendwann<br />

auf feministische Themen.<br />

ALLENDE: Wieso eigenartig? Haben Sie eine Vagina?<br />

INTERVIEW: Ja.<br />

ALLENDE: Und wollen Sie die Entscheidungsmacht<br />

über Ihre Vagina haben?<br />

INTERVIEW: Ich würde sagen, das tue ich, ja.<br />

ALLENDE: Sehen Sie!? Dann sind Sie eine Feministin!<br />

Niemand sollte das Recht haben, über unseren<br />

Körper zu bestimmen. Niemals!<br />

LAURA EWERT<br />

“LSD wurde<br />

regelmäßig<br />

ÜBER-<br />

SCHÄTZT”<br />

Martin WITZ,<br />

Dokumentarfilmer<br />

Ein Fetzen beträufeltes Papier, der die Welt aus den<br />

Angeln heben kann: Der Regisseur Martin Witz hat<br />

der Wahrhaftigkeitsdroge LSD <strong>und</strong> ihrem Entdecker<br />

Albert Hofmann eine Dokumentation gewidmet.<br />

INTERVIEW: Ihr Film über die 60-jährige Geschichte<br />

des LSD zeigt immer wieder Nahaufnahmen von Gesichtern,<br />

die unter Einfluss der Droge strahlen, lachen<br />

<strong>und</strong> vor Glück geradezu zu vergehen scheinen. Dürfen<br />

wir annehmen, dass Sie selbst äußerst positive Erfahrungen<br />

mit LSD gemacht haben?<br />

MARTIN WITZ: Ich habe LSD als junger Erwachsener<br />

TURN ON, TUNE IN, DROP OUT!<br />

ausgiebig probiert. Ich habe mit Mitte 20 ziemlich<br />

viele Trips <strong>und</strong> auch Psilocybin <strong>und</strong> Meskalin genommen,<br />

weil mich diese Erfahrung auf eine unglaubliche<br />

Art fasziniert hat.<br />

INTERVIEW: Was hat Sie so fasziniert?<br />

WITZ: Ihre Frage ist insofern idiotisch, als man das<br />

eben nicht genau in Worte fassen kann. Bei mir hat<br />

die Einnahme von LSD in der Regel nicht zu spektakulären<br />

optischen Farbexzessen, Euphorien oder Sex<br />

geführt, sondern zu einem unglaublich kräftigen Gefühl<br />

des Angeb<strong>und</strong>enseins an die Umgebung, an die<br />

Natur. Albert Hofmann, der Schweizer Entdecker<br />

von LSD, hat es das Gefühl der Mitgeschöpfigkeit genannt<br />

– das ist ein quasireligiöser Zustand, ein tiefes<br />

Gefühl der Zugehörigkeit.<br />

INTERVIEW: LSD war in der psychiatrischen Behandlung<br />

in den Sechzigern ein verbreitetes Mittel. Der<br />

Hollywoodschauspieler Cary Grant etwa hat im Rahmen<br />

einer Therapie über Jahre hinweg jeden Samstagnachmittag<br />

LSD genommen.<br />

WITZ: Es gab damals in Los Angeles im Wesentlichen<br />

zwei wichtige Psychiater, die LSD sehr systematisch<br />

bei ihren Patienten angewandt haben. Cary Grant war<br />

bei Weitem nicht der einzige Schauspieler, Künstler,<br />

Intellektuelle oder Prominente, der das damals versucht<br />

hat. Die Idee war zunächst, dass man mithilfe<br />

des LSD den Zugang zum Unbewussten öffnet, um<br />

dann mit klassischen psychoanalytischen Methoden<br />

auf die Probleme, die dort eingepanzert sind, zugreifen<br />

zu können.<br />

INTERVIEW: Albert Hofmann hat gesagt: „Man könnte<br />

auf die Vermutung kommen, diese Koinzidenz sei<br />

vom Weltgeist in Szene gesetzt worden.“ Und 1960<br />

meinte der Poet Allen Ginsberg – da hatte er zum ersten<br />

Mal LSD genommen –, mit LSD könne man den<br />

Menschen beibringen, einander nicht mehr zu hassen,<br />

<strong>und</strong> eine Friedens- <strong>und</strong> Liebesbewegung starten.<br />

Schon wenige Jahre später gab es die Hippies <strong>und</strong><br />

massenhafte Proteste gegen den Krieg in Vietnam.<br />

WITZ: Aber das ist ja das Verrückte beim LSD: Es wurde<br />

für alle möglichen Interessen in Beschlag genommen,<br />

<strong>und</strong> nie hat es so richtig funktioniert. LSD ist<br />

regelmäßig überschätzt worden. Die Psychiatrie hat<br />

ihre Hoffnungen enttäuscht gesehen. Genauso die<br />

Geheimdienste, die LSD als Wahrheitsserum nutzen<br />

wollten – hat nicht funktioniert. Die Armeen haben in<br />

LSD eine ideale Waffe gesehen, die einen Krieg ohne<br />

Tote ermöglicht: Wir sprayen das über ganze Städte,<br />

gehen da rein, Krieg gewonnen. Die Hippies: Wenn<br />

wir alle das nehmen, haben wir einen besseren Planeten.<br />

Hat auch nicht besonders gut funktioniert. LSD<br />

wurde in komplett konträren gesellschaftlichen Zusammenhängen<br />

eingesetzt – mit riesigen Hoffnungen,<br />

die sich nie erfüllt haben.<br />

INTERVIEW: Wissen Sie, wann Albert Hofmann zum<br />

letzten Mal LSD genommen hat?<br />

WITZ: Ich glaube, er war 98.<br />

INGO NIERMANN<br />

168<br />

169


LOVES<br />

FILM<br />

Das Gerücht, unser Namens -<br />

pa tron habe dieses schöne Magazin<br />

gegründet, um Freikarten fürs<br />

Kino zu bekommen, hält sich<br />

auch nach mehr als 40 Jahren<br />

noch. Ob Warhol wirklich in<br />

Pressevorführungen saß, ist nicht<br />

überliefert. Fest steht jedoch,<br />

dass <strong>Interview</strong> <strong>und</strong> Hollywood seit<br />

den ersten Tagen eine Liebesbeziehung<br />

der besonderen Art<br />

unterhalten. Die Hauptrollen bei<br />

uns besetzten in diesem Jahr:<br />

NINA HOSS, JENNIFER<br />

LAWRENCE, HALLE BERRY,<br />

BRAD PITT, SIBEL<br />

KEKILLI, JULIE DELPY, UDO<br />

KIER, CHLOË SEVIGNY,<br />

SCARLETT JOHANSSON,<br />

ALEXANDER FEHLING,<br />

ANGELINA JOLIE,<br />

HEIKE MAKATSCH,<br />

MICHELLE YEOH, KLAUS<br />

LEMKE, EMMA STONE,<br />

KRISTEN STEWART,<br />

KEIRA KNIGHTLEY,<br />

JAMES FRANCO, MICHAEL<br />

FASSBENDER, JESSICA ALBA,<br />

HELENA BONHAM CARTER,<br />

CHARLIZE THERON,<br />

ALEJANDRO JODOROWSKY<br />

<strong>und</strong> HARMONY KORINE.<br />

BEST OF/FILM<br />

“<br />

Sie verstand, dass ich<br />

nicht diese Person bin, von der viele<br />

Leute denken, ihr sei alles egal,<br />

sie sei unerreichbar<br />

<strong>und</strong> furchtbar <strong>und</strong>ankbar<br />

”<br />

Kristen Stewart<br />

best oF/Film<br />

MODERN, UNAUFGEREGT, ERFOLGREICH:<br />

HEIKE MAKATSCH IST LÄNGST SO,<br />

WIE SICH DEUTSCHLAND GERNE SIEHT<br />

(NOVEMBER-AUSGABE)<br />

Foto links GIAMPAOLO SGURA<br />

Styling links KLAUS STOCKHAUSEN<br />

170<br />

Foto<br />

mikAel jAnsson<br />

styling<br />

kArl templer<br />

171<br />

Die starken Frauen HollywooDs: an kristen stewart (l.) unD<br />

CHarlize tHeron (r.) FüHrte 2012 kein weg vorbei.<br />

unser titelbilD sCHmüCkten Die sCHauspielerinnen im august


KLAUS LEMKE<br />

Kurznachrichten, die am Morgen nach dem <strong>Interview</strong> ab<br />

6.56 Uhr in kurzer Folge auf dem Handy unseres Redakteurs<br />

Harald Peters eintrudelten:<br />

Vadim war ein böser, der die bardot<br />

aus dem gefängnis ihrer großbürgerlichen<br />

herkunft herausgeholt hat – <strong>und</strong><br />

gunter sachs hat sie wieder dahin<br />

zurückge beamt. Denn: in den darkrooms<br />

der weiblichen seele sieht sich jede<br />

Frau als prinzessin. Aber märchen<br />

gibt es nur im märchen.<br />

… aber selbst eine agnelli-tochter<br />

wie ira fragt sich gelegentlich: warum<br />

ausgerechnet sie immer die gute<br />

sein soll?<br />

Nach berben <strong>und</strong> bardot war ich sicher:<br />

das leben frisst mir aus der<br />

hand. Bis ich in den achtzigern merkte:<br />

dass ich zum futter geworden war.<br />

Das gift des systems konnte ich erst<br />

wieder unbeschadet schlucken nach der<br />

erfindung der digitalen kamera. K.<br />

Allerletzter – ich kenn nobody weltweit,<br />

der aus 100 tausend euro mehr<br />

film rausholen könnte als ich. K.<br />

best of/fIlm<br />

„Das Ist<br />

DIe KonzentratIon<br />

all Dessen,<br />

was Ich vom<br />

amerIKanIschen<br />

KIno für mIch<br />

gelernt hatte:<br />

nächste staDt,<br />

nächste<br />

Katastrophe,<br />

DIe lIebe<br />

Klappt nIcht,<br />

tot –<br />

fucK It”<br />

Klaus lemKe<br />

BEst of/film<br />

DIe beste schauspIelerIn Ihrer generatIon: nIna hoss sprach mIt<br />

helene hegemann für unsere tItelgeschIchte Im september<br />

172<br />

“<br />

foto links sebastIan maDer<br />

styling links Klaus stocKhausen<br />

foto robert fIscher<br />

Sie wollten mir einen Dobermann<br />

hinstellen. Da dachte ich, nee,<br />

jetzt nicht so einen Dominakram …<br />

”<br />

Nina Hoss<br />

foto<br />

mAtthiAs vriEns-mcGrAth<br />

stylinG<br />

inGo nAhrwold<br />

173<br />

Er war GoEthE <strong>und</strong> BaadEr <strong>und</strong> sass für<br />

tarantino mit nazis im KEllEr – BEi dEr fotosEssion<br />

für IntervIew zEiGtE sich dEr schauspiElEr<br />

alExandEr fEhlinG EBEnfalls äussErst unErschrocKEn<br />

„Es gibt auch einen großen Teil des Lebens, wo du ganz alleine bist: Einen Schlag musst du allein einstecken. Gewisse Dinge kannst du nicht teilen.<br />

Es gibt Dinge, die in deinem Leben passieren, da ist nicht geteiltes Leid halbes Leid, da ist geteiltes Leid doppeltes Leid.“


“<br />

Alle diese Erfahrungen<br />

haben mich dazu gebracht,<br />

<strong>Interview</strong>s zu meiden …<br />

”<br />

Halle Berry<br />

So Sinnlich kann der deutSche film Sein:<br />

für IntervIew Sprach halle Berry<br />

mit Cloud AtlAs-regiSSeur tom tykwer,<br />

ein paar tage Später SaSS Sie auf der<br />

wetten, dAss ..?-couch <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte Sich<br />

174<br />

Fotos (rechte Seite): Sølve S<strong>und</strong>sbø/Art+Commerce; Craig McDean/Art+Commerce; Mert Alas & Marcus Piggott/Art Partner<br />

JENNIFER<br />

LAWRENCE<br />

DREW BARRYMORE: Hey, Jennifer, ich war eben<br />

noch im Gemüsegarten, meine Hände sind noch ganz<br />

schmutzig. Wie geht es dir?<br />

JENNIFER LAWRENCE: Es geht mir gut. Ich habe nur<br />

eben drei Tassen Kaffee getrunken <strong>und</strong> bin jetzt ein<br />

wenig fahrig. (…)<br />

BARRYMORE: Ich würde gern nackt in ein riesiges<br />

Glas mit Erdnussbutter springen, das würde mich<br />

wirklich glücklich machen.<br />

LAWRENCE: Wenn ich meinen ersten richtig großen<br />

Scheck bekomme, möchte ich in einem Swimmingpool<br />

voller Pasta baden.<br />

BARRYMORE: Wie isst du Pasta am liebsten?<br />

LAWRENCE: Mit Bolognese, ganz simpel.<br />

BARRYMORE: Ich bin momentan geradezu besessen<br />

von ramen, diesen japanischen Nudelsuppen …<br />

LAWRENCE: Ach du meine Güte, an die hatte ich gar<br />

nicht gedacht. Ramen mit Huhn, natürlich, großartig.<br />

Ich kaufe meine im Schnapsladen gleich um die Ecke.<br />

Es ist perfekt, dort gibt es Alkohol <strong>und</strong> ramen. Wenn<br />

ich so darüber nachdenke, sollte ich da eigentlich<br />

wohnen bleiben.<br />

BARRYMORE: Würdest du lieber wie ein Vogel durch<br />

die Lüfte fliegen oder wie ein Fisch in den Tiefen des<br />

Meeres schwimmen?<br />

LAWRENCE: Wie ein Vogel fliegen. Allerdings glaube<br />

ich, dass es weitaus interessanter ist, sich die Fische im<br />

Ozean anzuschauen, als die Welt aus der Vogelperspektive<br />

zu betrachten – da wird einem bestimmt<br />

schnell langweilig. Es ist kompliziert. Ich sollte ein<br />

fliegender Fisch sein.<br />

BARRYMORE: Welche männliche Figur möchtest du<br />

sein?<br />

LAWRENCE: Schwierig. Vielleicht<br />

irgendjemand aus einem Buch<br />

von Hunter S. Thompson,<br />

aber dann wäre ich jeden Tag<br />

betrunken.<br />

BARRYMORE: Nächste Frage:<br />

Tag oder Nacht?<br />

LAWRENCE: Tag, weil ich<br />

Angst vor Gespenstern<br />

habe.<br />

BARRYMORE: Würdest<br />

du dich fünf<br />

Minuten auf eine<br />

grausame, großartige<br />

<strong>und</strong> rücksichtslose<br />

Weise<br />

durchkitzeln lassen,<br />

oder würdest<br />

du lieber nackt mit<br />

verb<strong>und</strong>enen Augen<br />

eine Straße<br />

entlanggehen?<br />

LAWRENCE:<br />

Nackt mit verb<strong>und</strong>enen<br />

Augen die<br />

Straße entlanggehen.<br />

Ich hasse es,<br />

gekitzelt zu werden.<br />

BEST OF/FILM<br />

„Technisch gesehen ist meine Figur<br />

immer noch ein Mann, weil sie noch<br />

nicht operiert ist. Ich habe mich bei<br />

der Rolle vor allem auf eine Frage<br />

konzentriert: Was macht einen zu einem<br />

so Wütenden? Meine Figur ist eine<br />

Killerin. Sie tötet für Geld. Sie ist<br />

eine Soziopathin. Sie mordet, verletzt<br />

<strong>und</strong> bringt Gewalt, erbarmungslos,<br />

ohne mit der Wimper zu zucken.“<br />

– CHLOË SEVIGNY<br />

foto<br />

SeAn + Seng<br />

Styling<br />

mAryAm mAlAkpour 175<br />

„Eigentlich wollte ich weder etwas<br />

schreiben noch Regie führen. Doch<br />

dann dachte ich darüber nach, wie ich<br />

handeln würde, wenn jemand, den ich<br />

liebe, plötzlich zum anderen Lager<br />

gehört. Ich hatte mich mit humanitären<br />

Fragen, Kriegsrecht <strong>und</strong> Interventionen<br />

beschäftigt <strong>und</strong> verfiel in eine<br />

Art Meditation: Wie hätte ich gehandelt?<br />

Was würde ich tun?“<br />

– ANGELINA JOLIE<br />

JENNIFER LAWRENCE, DER STAR AUS<br />

DIE TRIBUTE VON PANEM – THE HUNGER<br />

GAMES, SCHMÜCKTE UNS IM APRIL.<br />

DER ERSTE TEIL DER TRILOGIE WAR DER<br />

ERFOLGREICHSTE FILMSTART ALLER ZEITEN<br />

Foto MATTHIAS VRIENS-McGRATH<br />

Styling ELIZABETH STEWART<br />

„Mein Bruder ist Katie Couric den<br />

ganzen Abend hinterhergelaufen. Und<br />

ich ihm – mir wiederum klebte ein<br />

ganzes Rudel republikanischer Senatoren<br />

an den Fersen (lacht). Ehrlich<br />

gesagt: Dieser Abend beim Korrespondenten-Dinner<br />

im Weißen Haus ist die<br />

beste Party der Stadt. Ich würde sie<br />

immer der Afterparty nach irgendeiner<br />

Preisverleihung vorziehen.“<br />

– SCARLETT JOHANSSON<br />

„Ich hasse es, ins Kino zu gehen <strong>und</strong><br />

zu viel über die Leute auf der Leinwand<br />

zu wissen. Mich interessiert es<br />

nicht, ob sich ein Kollege gerade<br />

hat scheiden lassen. Ich will nicht<br />

wissen, ob er Alkoholiker ist, das<br />

ist alles nur störend. Ich befürcht<br />

e , d a s s d i e R e al i t ä t a u f d i e F i k t i -<br />

on einwirkt.“<br />

– KEIRA KNIGHTLEY<br />

„All das begann in guter Absicht in<br />

den Neunzigern unter Clinton, als jeder<br />

plötzlich ein Haus besitzen sollte<br />

<strong>und</strong> einen Freischuss in Richtung<br />

des amerikanischen Traums bekam. Man<br />

öffnet die Türen <strong>und</strong> gewährt den Menschen<br />

billige Kredite. Dann kam Bush<br />

<strong>und</strong> delegierte alles weg, niemand<br />

übernahm die Führung. Man konnte einiges<br />

über Gier <strong>und</strong> Selbstsucht lernen.“<br />

– BRAD PITT<br />

HOLLYWOOD<br />

SCARLETT JOHANSSON: Foto SØLVE SUNDSBØ,<br />

Styling LUDIVINE POIBLANC; ANGELINA JOLIE:<br />

Foto SOFIA SANCHEZ & MAURO MONGIELLO, Styling<br />

SOFIA ACHAVAL; CHLOË SEVIGNY: Foto CRAIG McDEAN,<br />

Styling KARL TEMPLER; KEIRA KNIGHTLEY: Foto<br />

MERT ALAS & MARCUS PIGGOTT, Styling KARL TEMPLER;<br />

BRAD PITT: SZENE AUS DEM FILM KILLING THEM SOFTLY


LOVES<br />

ART<br />

BEST OF/ART<br />

Neil<br />

TENNANT<br />

Wolfgang<br />

TILLMANS<br />

Fotos <strong>und</strong> Gestaltung WOLFGANG TILLMANS<br />

„Die Autos haben jetzt diese eng zusammenstehenden Augen wie ein Tier in der Wildnis,<br />

fast wie ein Tiger, der einen anstarrt“<br />

NEIL TENNANT<br />

176<br />

WOLFGANG TILLMANS: Ach, da ist sie ja, eure neue<br />

CD …<br />

NEIL TENNANT: … ja, so sieht sie aus.<br />

TILLMANS: Das Album heißt Elysium?<br />

TENNANT: Ja, klassische griechische Mythologie, die<br />

Insel der Seligen, also der Himmel, das Leben nach<br />

dem Tod, das Paradies, wie ich es schon 27-mal in dieser<br />

Woche erzählt habe …<br />

TILLMANS: (lacht)<br />

TENNANT: … in Los Angeles gibt es einen Elysian<br />

Park, der mit dieser berühmten Palmenallee. Wir sind<br />

dort spazieren gegangen, als wir noch keinen Titel für<br />

das Album hatten. Wir hätten es beinahe happysad genannt,<br />

in einem Wort, aber das war dann doch etwas<br />

zu kitschig.<br />

TILLMANS: Aber es fühlt sich tatsächlich etwas happysad<br />

an. Zumindest hat es einen melancholischen Touch.<br />

TENNANT: Ja, das ist lustig. Wir haben das Medium<br />

Popmusik, das angeblich jungen Leuten vorbehalten<br />

ist, der Thematik des Alterns gegenübergestellt<br />

(lacht). Und es ist auch eine Menge Tod darin.<br />

TILLMANS: Damit beginnt das Album!<br />

(...)<br />

TENNANT: Oberflächlichkeit hat uns beide schon immer<br />

fasziniert! Wir werden sie nie vergessen!<br />

TILLMANS: How Can You Expect To Be Taken Seriously?<br />

TENNANT: Genau.<br />

TILLMANS: Es hat aber immer irgendwas Spöttisches<br />

an sich – auch wenn ihr gar nicht beabsichtigt hattet,<br />

dass es so gelesen wird.<br />

TENNANT: Wir haben mal einen sehr schönen Song<br />

namens Shameless geschrieben, 1993. Damals hatten<br />

wir noch keinerlei Ahnung von dem Berg an Schamlosigkeit,<br />

der da noch kommen sollte. Gleichzeitig<br />

gab es in dem Song aber auch diese Hinweise auf den<br />

Schmutz <strong>und</strong> die harte Arbeit, die dafür vonnöten<br />

sind. Das habe ich nämlich schon immer bew<strong>und</strong>ert.<br />

Deshalb müssen viele Leute Madonna sehen! Alle kritisieren<br />

sie für ihren Lebensstil, dafür, dass sie in ihrem<br />

Alter die Nippel rausblitzen lässt <strong>und</strong> so weiter.<br />

Als mich kürzlich ein Journalist darauf ansprach, sagte<br />

ich zu ihm: „Du sitzt hier <strong>und</strong> redest mit den Pet<br />

Shop Boys über Madonna. Sie hat gewonnen – du<br />

hast verloren.“ (beide lachen)<br />

(...)<br />

TENNANT: Religion kommt in deinem Buch nicht<br />

vor, oder?<br />

TILLMANS: Nein. Das war eine bewusste Entscheidung,<br />

kein Stück Religion darin vorkommen zu lassen.<br />

Ich habe als christlich inspirierter Mensch in<br />

den vergangenen 15 Jahren eine geradezu antireligiöse<br />

Haltung entwickelt. Aber die Menschen wollen<br />

ein Zusammengehörigkeitsgefühl, sie wollen<br />

solidarisch sein <strong>und</strong> nicht in einer Gesellschaft leben,<br />

in der sie vereinzeln. Und da kommen Sport,<br />

Militär <strong>und</strong> Glaube gerade recht.<br />

TENNANT: Und Popmusik.<br />

TILLMANS: Popmusik <strong>und</strong> Shopping.<br />

TENNANT: Ach, Shopping ist wahrscheinlich das<br />

Wichtigste.<br />

Fotos: Aus „Neue Welt“, Wolfgang Tillmans: in flight astro (ii), 2010; Alex; Bourn Estate, 2011; young man, jeddah, a, 2012;spores, 2012; Headlight (b), 2012; waste power sation, 2011; Headlight (a), 2012; Port.au_Prince, a, 2010; Tukan, 2010; Tag/Nacht, 2009;<br />

Ushuaia Lupine (a), 2010; Iguazu; 2010; Market I, 2010; George Condo, Red Antipodular Portrait, 1996, Öl auf Leinwand, 152,4 x 121,9 cm, Privatsammlung, Courtesy Sprüth Magers Berlin London <strong>und</strong> Per Skarstead Gallery, New York/VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

„Wenn du an die H<strong>und</strong>erte <strong>und</strong> tausende<br />

Gemälde von mirÓ, PicAsso oder WArHol denkst,<br />

einfacH, Weil sie immer Gearbeitet Haben …<br />

icH meine, in der kurzen sPanne deines lebens,<br />

GleicHGültiG, Wie alt du tatsäcHlicH Wirst,<br />

da Willst du docH so viel Wie möGlicH scHaffen”<br />

der künstler George condo im Gespräch<br />

mit dem modedesigner adam kimmel<br />

177<br />

condo


Best of/art<br />

best of/art<br />

„Ich sehe das KünstlerseIn eher als normalen<br />

Beruf.” der BerlIner Künstler Im Gespräch mIt dem<br />

archIteKten arno BrandlhuBer<br />

Am 9. Juni eröffnete die 13. Documenta: Sie war umstritten<br />

<strong>und</strong> sehr erfolgreich. Die Leiterin Carolyn<br />

Christov-Bakargiev sprach kurz zuvor mit der H<strong>und</strong>etrainerin<br />

Maike Maja Nowak über ihr Ausstellungskonzept.<br />

Einige Monate später wurde sie von der englischen<br />

Zeitschrift ArtReview zur mächtigsten Person<br />

im Kunstbetrieb gekürt.<br />

carolyn chrIstov-BaKarGIev: Kennen Sie Donna<br />

Haraway? Sie ist Feministin, Biologin <strong>und</strong> Beraterin<br />

bei der Documenta (13). In ihrem Cyborg Manifesto<br />

hat sie die möglichen Schnittstellen zwischen Mensch<br />

<strong>und</strong> Maschine untersucht. Und in ihrem The Companion<br />

Species Manifesto: Dogs, People, and Significant<br />

“Dagegenzupinkeln ist<br />

eine gute Sache!”<br />

178<br />

Who let<br />

the dogs out?<br />

Anselm Reyle<br />

Otherness die Beziehungen zwischen Menschen <strong>und</strong><br />

anderen Spezies. Ich habe ihr die Pläne des kanadischen<br />

Künstlers Brian Jungen geschickt, der einen<br />

Skulpturenpark für H<strong>und</strong>e baut. Donna Haraway gefiel<br />

die Idee sehr gut, sie schlug aber kleine Änderungen<br />

vor, weil H<strong>und</strong>e die Welt anders wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> erleben – wie H<strong>und</strong>e eben.<br />

maIKe maja nowaK: Okay. Und wie sieht dieser<br />

Park dann aus?<br />

chrIstov-BaKarGIev: Brian Jungen installiert auf<br />

einem großen Gebiet des Aue-Parks verschiedene<br />

Objekte, die speziell für H<strong>und</strong>e interessant sind. Die<br />

Zylinder, Röhren <strong>und</strong> Kuben sind sinnlich attraktive<br />

Formen, allerdings vom Gesichtspunkt des H<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> nicht des Menschen aus gesehen. In ihnen verbergen<br />

sich Dinge, die nur ein H<strong>und</strong> sehen <strong>und</strong> erspüren<br />

kann.<br />

nowaK: Ich habe mir gerade überlegt, was daran für<br />

H<strong>und</strong>e interessant sein könnte – außer dagegenzupinkeln.<br />

Fotos: Kleiner Yorkshire, 2011, Mischtechnik auf Leinwand, Holzrahmen, 60 x 80 x 3,5 cm, frame 64 x 84 x 5,5 cm, Matthias Kolb; Loba, Jennifer Allora/Guillermo Calzadilla; Triple Elvis, 2009, oil on canvas, 259.1 x 350.5 cm, Jeff Koons; Larry Clark, I want a baby before u die, 2010, (Detail), Mixed collage, 146.05 x 351.16 cm<br />

„Wenn man eS<br />

So Sehen möchte,<br />

War michael JackSon<br />

Die JeSuS-fiGur<br />

unSerer Zeit.<br />

er hat Den menSchen<br />

verGeben unD<br />

Sie alS DaS<br />

anGenommen,<br />

WaS Sie SinD”<br />

Jeff<br />

KOONS<br />

„Wieso ausgerechnet Popeye?“, war <strong>Naomi</strong> <strong>Campbell</strong>s<br />

erste Frage an den Amerikaner. Was bei diesem der Spinat ist,<br />

sei in unserer Gesellschaft die Kunst, erklärte Koons <strong>und</strong><br />

war auch sonst ungewöhnlich auskunftsfreudig. Der Künstler<br />

erläuterte Pflegetipps für seine gigantische Blumenskulptur<br />

Puppy, die Gottähnlichkeit von David Bowie <strong>und</strong> seine<br />

bescheidenen Anfänge als Verkäufer von Geschenkpapier,<br />

Schleifen <strong>und</strong> Schokolade. Außerdem, bei einem der<br />

teuersten Gegenwartskünstler vielleicht unvermeidlich,<br />

verriet er, wie viel er für sein erstes verkauftes Werk erhielt:<br />

900 Dollar.<br />

Larry<br />

ClarK<br />

Das ist meine Fre<strong>und</strong>in. Gutes Bild, gute<br />

Frisur. Was schauen Sie denn so? Trägt<br />

Ihre Fre<strong>und</strong>in nicht Ihren Namen dort<br />

unten tätowiert? Dann würde ich mir<br />

Sorgen machen. Ich dachte, das sei so<br />

üblich.<br />

Dieses Motiv wirbt für die Retrospektive in<br />

Berlin. Ihre Schau in Paris war ab 18.<br />

Was für Vollidioten. Die Entscheidung,<br />

die Ausstellung nur Erwachsenen zugänglich<br />

zu machen, war rein politisch. (…)<br />

Für mich war das jedoch unbezahlbare<br />

Werbung: Die Schlangen wurden jeden<br />

Tag länger, die Leute warteten teilweise<br />

bis zu drei St<strong>und</strong>en, um reinzukommen.<br />

Die Ausstellung brach alle Rekorde.<br />

Wie hat der Film „Kids“ Ihr Leben verändert?<br />

Mein Sohn hat mir vor Kurzem gestanden,<br />

dass er das eine oder andere Mal<br />

Mädchen abschleppen konnte, weil ich<br />

sein Vater bin. Das fand ich cool.<br />

179<br />

Der Spinat unSerer GeSellSchaft:<br />

Triple elvis von 2009


est of/NAoMI<br />

PROBE-<br />

ABONNEMENT<br />

<strong>Naomi</strong><br />

<strong>Campbell</strong><br />

trifft<br />

… monat für monat fabelhafte<br />

menschen, die die eDiTRiCe aT<br />

laRGe von iNTeRView<br />

zum Gespräch bittet. anbei ein paar<br />

schmackhafte amuse-Gueules<br />

Jean Paul GoUDe, Fotograf<br />

CAMpbeLL: Sag, welche Party war die spektakulärste?<br />

goude: Ich habe nie wild gefeiert, habe es aber geliebt,<br />

zu tanzen <strong>und</strong> damit anzugeben, wie gut ich tanzen<br />

kann. Ich hatte eine Schwäche für farbige Frauen<br />

– <strong>und</strong> ich wusste natürlich, dass farbige Frauen weiße<br />

Jungs besser finden, die tanzen können. Meine erste<br />

Fre<strong>und</strong>in diagnostizierte: „Du hast Dschungelfieber!“<br />

CAMpbeLL: Robert De Niro auch!<br />

goude: Ich weiß! Ein guter gemeinsamer Fre<strong>und</strong><br />

von uns nannte ihn immer Bobby De Negro!<br />

CAMpbeLL: (kreischt!)<br />

Ron wooD, legende<br />

CAMpbeLL: Ich habe das gar nicht verstanden, als ich<br />

meinen ersten Entzug gemacht habe.<br />

Wood: Was ich dort gelernt habe, war das Wäschewaschen.<br />

Hast du deine Sachen selbst gewaschen?<br />

CAMpbeLL: (lacht) Ich konnte es nicht!<br />

Wood: Ich auch nicht.<br />

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CAMpbeLL: Ich habe gelernt, dass man die weißen<br />

Klamotten nicht mit den farbigen mischt. Und ich<br />

wusste nicht mal, bei wie viel Grad man wäscht.<br />

Wood: Ich auch nicht. Wäscht man die Sachen etwa<br />

kalt, fragte ich mich.<br />

CAMpbeLL: Und wie lange? Das war mir so peinlich!<br />

Wood: Ein Albtraum. Was für ein Erfolgserlebnis<br />

das war, als ich meinen ersten Korb gewaschen hatte!<br />

CAMpbeLL: Und dann nahm man es aus dem Trockner,<br />

<strong>und</strong> es war so weich <strong>und</strong> warm. Hast du eigentlich<br />

einen Lieblingsakkord?<br />

Dr. peNG, Guru<br />

CAMpbeLL: Als Teil deiner Qigong-Ausbildung hast<br />

du 100 Tage zum Fasten in einer Höhle verbracht.<br />

Kannst du mir davon erzählen?<br />

peNg: Mein Lehrer führte mich in diese dunkle,<br />

feuchte Höhle <strong>und</strong> sagte: „Morgen gehst du allein hierher.“<br />

Die ersten 20 Tage aß ich drei Datteln täglich,<br />

danach trank ich nur noch Wasser.<br />

CAMpbeLL: Hattest du Angst? Schmerzen?<br />

peNg: All das. Und mir war kalt. Ich hatte das Gefühl<br />

zu erfrieren. Gleichzeitig war mir heiß, <strong>und</strong> mein<br />

Körper juckte. Ich spürte alles, was wir im normalen<br />

Leben spüren, nur mit einer ganz anderen Intensität.<br />

Zaha HaDiD, architektin<br />

CAMpbeLL: Was hat es mit den kurvigen Formen in<br />

deiner Architektur auf sich?<br />

hAdId: Kurven haben eine lange Tradition in der<br />

Architektur. Im Barock <strong>und</strong> Rokoko, später bei Niemeyer.<br />

Der Mensch imitiert die Natur. Unser Ideal ist<br />

es, ein Gebäude aussehen zu lassen, als sei es flüssig.<br />

Julian SCHNabel, maler<br />

CAMpbeLL: Wie viele Pyjamas besitzt du?<br />

SChNAbeL: Genug, um täglich einen anzuziehen.<br />

180<br />

Let eNgLANd ShAke: NAoMI CAMpbeLL uNd RoN Wood<br />

IM gARteN deS RoLLINg StoNe, fRühjAhR 2012<br />

NUR<br />

KOPFHÖRER<br />

URBANEARS TANTO<br />

CAMpbeLL: Hast du jemals in High Heels gearbeitet?<br />

SChNAbeL: Ich benutze eine Leiter beim Malen.<br />

kooNS: Wenn man möchte, war Michael Jackson die<br />

Jesus-Figur unserer Zeit. Er hat den Menschen ver-<br />

Jeff KooNS, Künstler<br />

Als Tribut an die mobile Musikrevolution<br />

der 80er- Jahre sorgt bei<br />

Tanto neueste Technik für größte<br />

habe Bubbles nie getroffen …<br />

kooNS:<br />

Mobilität<br />

… ich<br />

ohne<br />

schon,<br />

Kompromisse<br />

aber nie Michael!<br />

bei der<br />

CAMpbeLL: Klangwiedergabe. Den habe ich kennenlernen Der für den dürfen.<br />

täglichen Gebrauch entworfene Kopfhörer<br />

entführt den Benutzer zurück<br />

geben <strong>und</strong> sie als das angenommen, was sie sind.<br />

in die Geburtszeit des Kopfhörers<br />

Lenny <strong>und</strong> zeigt KRaViTZ, gleichzeitig, musiker was technisch<br />

mittlerweile machbar ist.<br />

CAMpbeLL: Ein anderes wichtiges Werk deiner Karriere<br />

ist die Skulptur Michael Jackson and Bubbles. Wie<br />

wichtig ist Humor als Schlüssel zu deiner Arbeit? Ich<br />

CAMpbeLL: In dem Film Hunger Games spielst du<br />

den Stylisten Cinna.<br />

kRAvItz: Ich hatte viel Spaß dabei. Als Musiker arbeite<br />

ich ziemlich isoliert. Bei der Arbeit an dem Film<br />

ging es mal nicht um mich, sondern um die Vision<br />

des Regisseurs. Das fühlte sich sehr ges<strong>und</strong> an.<br />

CAMpbeLL: Erkennen dich jetzt mehr Leute auf<br />

der Straße?<br />

kRAvItz: Die Zehnjährigen kennen mich nur als Cinna.<br />

Die haben keine Ahnung, dass ich Musik mache.<br />

Edward SexToN, Schneider<br />

CAMpbeLL: Ed, ohne welches Kleidungsstück sollte<br />

ein gut gekleideter Herr das Haus nie verlassen?<br />

SextoN: Niemals ohne Einstecktuch! Und: Er sollte<br />

die Abstimmung der einzelnen Teile nicht übertreiben,<br />

immer Farben <strong>und</strong> Muster mischen <strong>und</strong><br />

20€*<br />

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niemals, wirklich niemals eine gestreifte Krawatte<br />

zu einem gestreiften Hemd tragen. Man kann den<br />

schönsten Anzug für einen Mann schneidern, aber<br />

wenn Hemd <strong>und</strong> Krawatte nicht liebevoll abgestimmt<br />

sind, nutzt das alles nichts.<br />

*5 AUSGABEN<br />

Fall / Winter<br />

2013/14<br />

JANUARY 15–17, 2013<br />

StAtioN-BeRliN luckenwalder Str. 4-6, 10963 Berlin<br />

www.premiumexhibitions.com

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