GOLF Women Grosses Winterspecial (Vorschau)
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<strong>GOLF</strong><strong>Women</strong> DOSSIER<br />
Der schöne<br />
Schein<br />
Profisportler haben einen erstrebenswerten Beruf - ist das wirklich so, vor<br />
allem bei den Profi-Golferinnen?<br />
28<br />
Das Leben von Profisportlern ist auf den ersten<br />
Blick überaus erstrebenswert. Sie dürfen<br />
nach Herzenslust den Sport, den sie lieben,<br />
ausüben, bekommen das neueste Material<br />
und die besten Trainer (für die sie natürlich<br />
zahlen müssen), reisen zu den schönsten<br />
Sportstätten. Im Falle der Golf-Proetten und -Pros sind es nur<br />
die feinsten Adressen der Golfwelt, für die Otto Normalgolfer<br />
einen Wochenlohn hinblättern muss.<br />
Auf den ersten Blick. Schaut und hört man vor allem genauer<br />
hin, wenn die Profis aus dem Nähkästchen plaudern, blättert<br />
der Lack des schönen Scheins schnell ab. Ein tolles Hotel, in<br />
dem Pro abends ankommt, um am nächsten Tag frühmorgens<br />
seine Proberunde zu spielen, relativiert sich schnell. Anschließende<br />
Besuche auf der Driving-Range,<br />
bis es dämmert, um Fehler abzustellen,<br />
und den Anreisestress aus den Klamotten<br />
zu schütteln, sind tagefüllend. Städtebesuche<br />
oder ein bisschen Kultur bleibt, –<br />
wenn überhaupt – den Tagen überlassen,<br />
an denen man sauer über den verpassten<br />
Cut, plötzlich ein freies Wochenende bekommt.<br />
Dazwischen Wäsche waschen,<br />
neue Flugtermine und Hotelbuchungen<br />
übers Internet. Am Ende des Tages bleibt<br />
dann noch ein langer Skype-Anruf zu<br />
den Freunden und zur Familie zuhause.<br />
Der erste Einschub für alle, die glauben, das mit den tollen<br />
Hotels sei Standard. Speziell auf der Ladies European Tour gibt<br />
es mehrere Optionen. Eine Laura Davies hat in ihrem erfüllten<br />
und erfolgreichen Golferinnenleben so viel Geld verdient, dass<br />
sie sich nicht nur Ferraris oder einen Untertürkheimer Stern<br />
zuhause, sondern auch ein 5-Sterne-Hotel unterwegs locker<br />
leisten kann. Muss sie meist nicht, denn die Turnierveranstalter<br />
wissen, was sie einer Grande Dame des Golfsports schuldig<br />
sind. Das Heer der Namenlosen und Newcomer, all die, die<br />
keine lukrativen Sponsorenverträge haben, die müssen kleinere<br />
Brötchen backen. Mir hat eine Proette erzählt, dass sie sich<br />
mit andren Spielerinnen zusammen auf einer spanischen Insel<br />
eine Ferienwohnung gemietet hat, bei der 1-Euro-Stücke nötig<br />
waren, um den Strom anzustellen. Haare föhnen, fernsehen,<br />
iPhone laden - nur gegen harte Währung.<br />
Die Situation der LET-Mädels illustriert auch das golfende<br />
Geschwisterpaar Cabrera-Bello aus Gran Canaria. Emma sagt:<br />
„Wenn Rafa morgen aufhört zu spielen, braucht er nie wieder<br />
zu arbeiten. Bei mir sieht das ganz anders aus.“ Dazu muss man<br />
wissen, dass Rafael inzwischen überwiegend auf der lukrativeren<br />
US-Tour spielt.<br />
Eine ganz andere Welt dagegen, wenn man auf der Sonnenseite<br />
des Männergolfs angekommen ist. Ernie Els beispielsweise<br />
landete zur BMW International Open in München, derselben<br />
Veranstaltung, vor der Martin Kaymer<br />
sein Erdbeerpflück- und Persil-Lamento<br />
den staunenden Medienvertretern in die<br />
Federn diktiert hat, im Privatjet. Veranstalter<br />
BMW ließ ihn direkt vom Vorfeld<br />
im Rolls-Royce Ghost zum 5-Sterne-<br />
Hotel chauffieren. Eine Einsamkeit im<br />
Leder-Fond der Luxuskarosse, von der<br />
der Großteil der Spielerinnen der LPGA<br />
Tour gern träumen würde.<br />
Ernie Els in München vor seinem Privat-Jet<br />
Natürlich ist es menschlich verständlich,<br />
dass einem jungen Mann wie Martin Kaymer<br />
der ewig wiederkehrende Trott aus Einpacken, Fliegen<br />
Auspacken, Pressekonferenzen, Sponsorenterminen, Einpacken<br />
und wieder Fliegen auf den Keks geht. Das Golfspielen<br />
dazwischen ist ja nicht die einzige Aufgabe. Bei Kaymer kommt<br />
hinzu, dass er im selbstgewählten US-Exil Arizona lebt und<br />
dort sicherlich einige europäische Eigenheiten vermisst. Nur:<br />
Lieber Martin Kaymer, allein mit den 3,4 Millionen Karriere-<br />
Preisgeld, das inzwischen aufgelaufen ist, von den Sponsorenund<br />
Werbeverträgen ganz zu schweigen, lässt sich so mancher<br />
Flug nach Good Old Europe bezahlen und so manches Persil-<br />
Päckchen per DHL einfliegen. Hierzulande haben junge Männer<br />
mit 30 Jahren andere Probleme.