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Fräulein Sophie Auster (Vorschau)

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2,50<br />

euro<br />

„ich wollte nicht allein im<br />

Zimmer sitzen und<br />

schreiben wie meine Eltern.”<br />

marina and<br />

the diamonds<br />

Einsamkeit<br />

hat mich geformt<br />

mad-men-ikone<br />

don draper<br />

zeigt stirn<br />

ASmA AL-ASSAd<br />

LUXUS im<br />

FoLtERStAAt<br />

rosamond<br />

bernier<br />

grande dame der<br />

new Yorker Kunstszene<br />

die rückkehr der<br />

geschLechtskrankheiten<br />

ZU BESUCH BEi dER<br />

gEFäHRLiCHStEn FRAU<br />

dES nAHEn oStEnS<br />

ausgabe 05/2012 07/2012<br />

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Genital-Herpes<br />

die ansteckung mit dem Herpes simplex<br />

Virus Typ 2 erfolgt durch Körperkontakt<br />

(Küssen!), Tröpfchen- und schmierinfektion<br />

- aber nur dann, wenn der partner<br />

gerade selbst einen blühenden genital-<br />

Herpes hat. in deutschland sind 90 % aller<br />

erwachsenen mit dem lippen-Herpes<br />

infiziert, 15 % auch mit dem Genital-Herpes.<br />

die infektion ist latent, das Virus bleibt<br />

lebenslang im Körper und kann weiter<br />

verbreitet werden. symptome sind u.a.<br />

bläschen und geschwüre. Virostatika wie<br />

aciclovir beschleunigen die Heilung.<br />

CHlamydien<br />

eine infektion mit Chlamydien trachomatis<br />

ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten. die bakterien können<br />

bei Männer und Frauen eine Harnröhrenentzündung<br />

auslösen. In Deutschland<br />

sind nach seriösen Schätzungen mehr als<br />

100.000 Frauen durch unbehandelte<br />

Chlamydien-infektionen unfruchtbar geworden,<br />

weil ihre eileiter nicht mehr<br />

durchgängig sind. bei wechselnden sexpartnern<br />

sind jährliche Vorsorgeuntersuchungen<br />

ratsam.<br />

GonorrHoe<br />

auch als „Tripper“ bekannt. ihren namen<br />

verdankt die geschlechtskrankheit dem<br />

niederdeutschen ausdruck trippen =<br />

tropfen. die patienten leiden unter eitrigem<br />

Ausfluss aus Penis, Scheide oder Po und<br />

haben Schmerzen beim Wasserlassen.<br />

Viele Frauen haben zunächst keine<br />

beschwerden, weshalb die gonokokkenbakterien<br />

ungehindert von der Harnröhre<br />

bis in die eileiter hochwandern und diese<br />

verkleben, was zur Unfruchtbarkeit führen<br />

kann. Wenn eine Schwangere sich unbemerkt<br />

mit Tripper infiziert (normalerweise<br />

wird aber gleich bei der ersten Vorsorgeuntersuchung<br />

ein abstrich gemacht), besteht<br />

die Gefahr einer Fehlgeburt. Während<br />

der geburt kann sich das neugeborene anstecken,<br />

dies kann beim Baby zu Blindheit<br />

führen. die Krankheit kann jedoch mit<br />

antibiotika problemlos behandelt<br />

werden. Da der Erreger aber zunehmend<br />

resistent ist, steigt die<br />

Zahl der neuinfektionen.<br />

Humane<br />

papillomaviren<br />

Junge Mädchen werden heutzutage –<br />

möglichst vor dem ersten Mal Sex –<br />

von ihrem Kinder- oder Frauenarzt<br />

gegen Humane papillomaviren (HpV)<br />

geimpft. Die DNA-Viren können zu<br />

Zellveränderungen wie Feigwarzen im<br />

genital- und analbereich oder im<br />

schlimmsten Fall zu Gebärmutterhalskrebs<br />

führen. besonders wichtig ist<br />

deshalb die jährliche Vorsorgeuntersuchung<br />

(„pap-Test“).<br />

sypHilis<br />

auch lues (lat. seuche), „lustseuche“ oder<br />

„Franzosenkrankheit“ genannt. Die<br />

syphilis verläuft in drei stadien: auf<br />

Hautgeschwüre folgen rote Flecken, zum<br />

schluss greift das bakterium Treponema<br />

pallidum das Nervensystem an. Bis zur<br />

Erfindung des Penicillins 1928 galt die<br />

syphilis als geißel der Menschheit. sie<br />

führt zu Blind-, Taubheit (Ludwig van<br />

beethoven) oder geisteskrankheit und<br />

kann während der schwangerschaft oder<br />

geburt von Mutter aufs Kind übertragen<br />

werden. 1000 bis 4000 Kinder weltweit<br />

kommen wegen Syphilis blind zur Welt.<br />

berühmte Todesfälle: u.a. Friedrich<br />

Nietzsche, Heinrich Heine.<br />

triCHomonaden<br />

Die Geißeltierchen zählen zu den Parasiten<br />

und werden per schmierinfektion über<br />

den Urin oder Körpersekrete übertragen.<br />

sie nisten sich in der scheide, in darm<br />

und Harnröhre ein und lösen dort eine<br />

infektion aus. es juckt wie Hölle, der<br />

Ausfluss ist schaumig. Trichomonaden<br />

zählen wie Chlamydien zu den häufigsten<br />

sexuell übertragbaren Krankheiten. ende


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editorial<br />

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Liebe Leserinnen und Leser,<br />

es ist Sommer – und statt uns darüber zu freuen, gibt das Wetter wie immer Anlass für Beschwerden.<br />

Es ist zu kalt, zu warm, zu verregnet – Sie kennen das. Aber würden wir Deutschen uns wohl fühlen,<br />

selbst wenn alles perfekt wäre? Sonnenschein, 22 Grad, 365 Tage im Jahr? Wahrscheinlich auch dann<br />

nicht. Gerade laufen die letzten Spiele der Fußball- Europameisterschaft. Vielleicht ist sie schon<br />

vorbei, wenn Sie diese Zeilen lesen. Sicher sein können wir uns: Es gab auch hier eine Menge zu<br />

meckern. Selbst wenn Deutschland Europameister geworden sein sollte, war der Fußball nicht schön<br />

genug oder man hat viel zu oft nur mit Glück gewonnen. Und wenn ich mich über die Deutschen<br />

beschwere, bin ich im Prinzip natürlich ebenfalls: typisch deutsch.<br />

Es liegt in unserem Wesen, dass wir jammern, egal wie gut es uns in Wahrheit geht. Die Beschwerden<br />

werden unglaubwürdiger, je höher das Niveau ist, auf dem wir jammern – und richtig ärgerlich,<br />

wenn man unsere Situation mit anderen Regionen der Welt vergleicht. Da muss man gar nicht erst<br />

nach Syrien schauen, es reicht ein Blick auf Spanien oder Portugal.<br />

Aber vielleicht brauchen wir die Jammerei, denn sie scheint uns anzutreiben. Wo auch immer die<br />

tieferen Gründe liegen mögen, wir sind ein Volk der Miesepeter! Und wahrscheinlich werden einige<br />

von Ihnen dieses Vorwort mit typisch deutscher Skepsis gelesen haben. Gerade deshalb wünsche<br />

ich Ihnen allen das perfekte Wetter, den EM-Titel; aber vor allem, dass Sie Ihr Leben genießen, selbst<br />

wenn es nicht perfekt läuft.<br />

Viel Spaß beim Lesen!<br />

Götz Offergeld<br />

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Illustration: Laura Laakso<br />

Pin-up<br />

Mad-Men-Ikone Don Draper:<br />

der Sexgott im Anzug.<br />

S. 46<br />

Maurizio<br />

Cattelan<br />

Hübsch hässlich: Wie der Kunststar<br />

Lifestyle-Magazine auf den Kopf stellt.<br />

S. 126<br />

Rosamond<br />

bernier<br />

Auch mit 95 ist die Grande Dame der<br />

New Yorker Kunstszene modisch<br />

versiert, humorvoll und blitzgescheit.<br />

S. 50<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

Supersmart, bildhübsch, talentiert und auf der<br />

Bühne eine Autorität: <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> ist auf<br />

dem besten Wege, aus dem Schatten ihrer<br />

Starschriftsteller-Eltern zu treten –<br />

und für uns schon jetzt ein <strong>Fräulein</strong>.<br />

S. 112<br />

Handtaschen<br />

Shopper, Totes und Travelbags<br />

– das Mysterium der Damenhandtasche.<br />

S. 104<br />

ein tag<br />

Berlin<br />

Clubs, Shops und Mädchenschule:<br />

Unsere Empfehlungen für<br />

einen perfekten Tag in Berlin.<br />

S. 54<br />

zitrusfrüchte<br />

Bunt, gesund, Kunst. Von der<br />

Bibel bis zu Baselitz:<br />

Alles, was Sie über Apfelsinen,<br />

Clementinen und Co wissen<br />

sollten<br />

S. 136<br />

Joumana<br />

Haddad<br />

Wütend, radikal und<br />

kompromisslos: die<br />

Journalistin gilt als<br />

die meistgehasste<br />

Frau im Nahen Osten.<br />

Wir haben sie in<br />

Beirut besucht.<br />

S. 130<br />

14<br />

15


contributors<br />

Jan Joswig<br />

unterhielt sich mit<br />

Markus Lupfer über<br />

das Schnittmuster der<br />

Ausgabe: Lighthearted<br />

mit Charakter, wie<br />

Lupfer sagen würde –<br />

und sharp wie immer.<br />

Christina Gransow<br />

zeichnete das Horoskop,<br />

was auch bedeutet:<br />

Sie bebilderte den<br />

Sommer der Liebe<br />

– zumindest was die<br />

Schützen angeht.<br />

Julia Christian<br />

Die <strong>Fräulein</strong>-Geheimwaffe<br />

redete mit Oda Jaune über<br />

den Tod und mit Jing Liu über<br />

das Abenteuer Architektur.<br />

Danke! Aber wo bleibt eigentlich<br />

der Kuchen, Julia?<br />

Katharina Poblotzki<br />

Ihre Fotos stecken voller Leben. Danke<br />

für deine Energie, Katharina.<br />

Katrin Funcke<br />

zeichnete für das<br />

Antifräulein das Böse<br />

als Aquarell, was es<br />

nur noch böser macht.<br />

So soll es sein.<br />

Jean-FranÇois Carly<br />

Dein Einsatz bedeutet uns sehr viel.<br />

Toll, dass du trotz allem fotografiert<br />

hast. Sincères condoléances, Jean-<br />

François.<br />

Lena Bergmann<br />

verdankt uns mit Rosamond<br />

Bernier eine neue Traumgroßmutter,<br />

und wir Lena die besten<br />

Interviews dieser Ausgabe.<br />

Sabine Volz<br />

Ihr skurriles Foto macht<br />

Lust aufs Kochen.<br />

David Torcasso<br />

Bethany Cosentino hat ‚California Dreaming‘ auf den Arm<br />

tätowiert; liest man Davids Text über sie, dann hört man die<br />

Wellen am Strand und Fleetwood Mac aus der Boom Box.<br />

Wäis Kiani<br />

Herzlichen Dank für das kämpferische<br />

Antifräulein, Wäis. Deine Wut tut gut.<br />

Diane Vincent<br />

Wenn in Randall<br />

Bachners kraftvollen<br />

<strong>Sophie</strong>-<strong>Auster</strong>-<br />

Aufnahmen das<br />

fotografische Herz<br />

von <strong>Fräulein</strong> pulsiert,<br />

dann liegt in<br />

Dianes atmosphärisch-verträumten<br />

Stillleben die Seele.<br />

Laura Laakso<br />

Nur die besten<br />

IllustratorInnen<br />

zeichnen bei uns das<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

– solche wie Laura<br />

zum Beispiel.<br />

Adrian Crispin<br />

Seine Fotos passen zu <strong>Fräulein</strong> wie das<br />

Objektiv auf die Kamera. Adrian, du machst<br />

dieses Heft besonders schön. Ann-Kathrin<br />

und Bianca, ihr natürlich auch!<br />

Christian Hagemann<br />

verschönert zum ersten Mal das<br />

<strong>Fräulein</strong> mit seinen Stilllifes,<br />

Pardon, seiner Kunst. Danke<br />

und: Endlich, Christian!<br />

Ariane Hosemann<br />

Für uns der Fels in der<br />

Fotografenbrandung. Keep<br />

on keepin’ on, Ariane!<br />

Mirjam Wählen<br />

fotografierte die wunderbare Ladyhawke.<br />

Danke, Mirjam, wir denken an dich.<br />

David Ramirez Perez<br />

Ein tougher Job: Wie illustriere ich Geschlechtskrankheiten?<br />

Schaut man sich Davids zarte<br />

Zeichnungen an, weiß man nicht mehr, warum<br />

man das mal schwierig gefunden hat. Sorry, dass<br />

wir im letzten Heft bei den tollen Horoskopen<br />

deinen Credit vergessen haben!<br />

Nella Beljan<br />

Wie immer: sensibel und schlau, tolle Frau.<br />

Randall Bachner<br />

Seine Bilder von<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

wurden zur<br />

schönste <strong>Fräulein</strong>-<br />

Strecke, die wir<br />

bislang hatten.<br />

Danke auch für die<br />

Insider-Infos vom<br />

Shoot!<br />

Alexa von Heyden<br />

Von Zitrusfrüchten bis zur<br />

Syphilis: Dein System kennt<br />

keine Grenzen, Alexa.<br />

David Fischer<br />

Diesmal also<br />

Männermode:<br />

Coole Bilder, so cool<br />

wie der Typ, der sie<br />

gemacht hat.<br />

Ruben Donsbach<br />

ist in dieser Ausgabe mal nicht Chefreporter,<br />

sondern Sexperte. Deshalb diesmal Danke<br />

auf französisch: merci beaucoup, Ruben.<br />

Fritz Schaap<br />

fuhr für uns mit Joumana Haddad<br />

durch Beirut. Danke und: geile Story,<br />

Alta. Freuen uns auf die nächste.<br />

17


talent<br />

Foto: Debora Mittelstaedt, Text: Nella Beljan<br />

Channy Leaneagh wird als Sängerin der Band Poliça mit<br />

Lob überschüttet. Auch Bon Ivers Justin Vernon und Jay-Z liegen ihr zu Füßen.<br />

Ihre Mutter empfahl ihr kürzlich: „Untersteh´ Dich zu sagen, Du hättest diesen<br />

Erfolg nicht verdient!“<br />

P<br />

oliça ist die beste Band, die ich<br />

je gehört habe!“ Nicht bloß der<br />

Grammy-Gewinner Justin<br />

Vernon von Bon Iver, sondern<br />

auch Show-Größen wie Jay-Z sind angetan<br />

von der Elektro-R’n’B-Formation aus<br />

Minnesota. Das Erstaunlichste: Die Band<br />

wurde erst vor einem Jahr gegründet.<br />

Von der Sängerin Channy Leaneagh, nach–<br />

dem sie sich von ihrem Mann und der<br />

gemeinsamen Band Roma di Luna getrennnt<br />

hatte.<br />

Als der Produzent Ryan Olson erfuhr, dass<br />

Channy Leaneagh beruflich wie privat<br />

neue Wege gehen wollte, witterte er die<br />

Gelegenheit. Er schickte ihr seine Musik,<br />

sie schrieb die Texte und lieferte den<br />

Gesang dazu. „Eigentlich habe ich nur auf<br />

Zarten zusammen. Nach nur einer Handvoll<br />

Studio-Aufnahmen stand das Album<br />

„Give you the Ghost“.<br />

Am wichtigsten sind Leaneagh die Lyrics<br />

aus dem Song „Amongster“, weil sie ihr<br />

eigenes Leben exakt widerspiegeln: eine<br />

große Zerrissenheit. Überhaupt habe sie<br />

immer schon beschäftigt, warum wir auf<br />

der Welt seien: „Es geht mir nicht um die<br />

schreienden Ungerechtigkeiten wie Hungersnöte<br />

oder verbrecherische Regimes.<br />

Mir geht es um das Ganze auf einem viel<br />

‚niedrigeren’ Level: um Liebeskummer, um<br />

mich als einzelnen Menschen. Ich war<br />

immer fasziniert davon, warum ich dieses<br />

große Bedürfnis danach habe, allein zu<br />

sein und meine Ruhe zu haben von diesem<br />

ganzen Herzschmerz. Aber gleichzeitig<br />

„Ich war immer fasziniert davon, warum ich dieses<br />

große Bedürfnis danach habe, allein zu sein und meine<br />

Ruhe zu haben von diesem ganzen Herzschmerz.<br />

Das sind die Konstanten in meinem Leben: Nähe und<br />

Ferne, jemanden zu mir zu holen und ihn wieder<br />

wegzuschieben.“<br />

Kraft ihres Gesangs – auch ohne zu<br />

wissen, dass ihr Ex-Mann Alexei Moon<br />

Caselle heißt und was die Gründe ihrer<br />

Trennung waren. Noch gleichgültiger<br />

werden solche Details, wenn die zurückhaltende<br />

Leaneagh live vor Publikum<br />

steht, denn dann umgibt sie die hypnotische<br />

Aura eines zukünftigen Superstars.<br />

Die „Huffington Post“ schwärmte nach<br />

einem Konzert: „Der Erfolg dieser Band<br />

wird riesig sein.“<br />

Die Erwartungen an Poliça sind also riesig.<br />

Wie sie eigentlich mit dem Erfolgsdruck<br />

umgehe, darauf antwortet Leaneagh: „Ach,<br />

ich versuche, mich nicht zu doll darüber<br />

zu freuen, sondern einfach meine Arbeit<br />

weiter gut zu machen.“ Ob sie immer so<br />

zurückhaltend und bescheiden sei? Da<br />

erklingt es, ihr herzliches Lachen: „Das hat<br />

meine Mutter mir auch letztens gemeint:<br />

‚Untersteh Dich zu sagen, Du hättest diesen<br />

Erfolg nicht verdient!’ Ja, ich sollte wirklich<br />

besser auf sie hören!“ ende<br />

die Melodien geantwortet, die Ryan mir<br />

gab“, sagt Leaneagh. Arrangiert wurde das<br />

Ganze mit gleich zwei Drums, einem Bass<br />

und – keiner Gitarre. Denn die wird durch<br />

die Stimme Leaneaghs ersetzt, die virtuos<br />

die Melodie führt. Ihr klarer Gesang, durchbrochen<br />

von darüber gelegten Autotunes,<br />

trägt traumsicher durch eine Musik neuer<br />

Innerlichkeit und führt das Raue mit dem<br />

die Nähe von jemand anderem brauche.<br />

Das sind die Konstanten in meinem Leben:<br />

Nähe und Ferne, jemanden zu mir zu holen<br />

und ihn wieder wegzuschieben.“<br />

Diese private Dimension schenkt sie ihren<br />

Hörern und macht sie allgemeiner<br />

zugänglich. Wenn Leaneagh singt „I was<br />

married to the wandering star, now the world<br />

turns without thee“, versteht man die<br />

Channy Leaneagh gründete ihre Band Poliça<br />

zusammen mit Ryan Olson erst vergangenes Jahr.<br />

Im Mai ist ihr Debütalbum „Give You The Ghost“<br />

erschienen.<br />

19


Talent<br />

talent<br />

Text: Lisa Leinen<br />

Maria BlaCK<br />

Karlotta Wilde gehört zu einer neuen<br />

Generation junger Designerinnen, die in Berlin angefangen<br />

haben, aber auch in Paris wahrgenommen werden.<br />

Wer nicht auf den Trend opulente<br />

Glitzerketten und bunte Armbänder<br />

steht, wird vielleicht bei Maria Black<br />

fündig: Die dänische Designerin<br />

versteht es, schlichten und eleganten<br />

Schmuck zu entwerfen, der durch<br />

seine feinen grafischen Strukturen<br />

besticht. Ihre Idee dabei ist, gleich<br />

mehrere Stücke der Kollektion zu<br />

tragen, zum Beispiel zwei oder drei<br />

Ketten. Ins Auge gefasst haben wir vor<br />

allem aber den Ring „Monocle“ mit<br />

eingearbeitetem Kreis dort, wo sonst<br />

der gefasste Edelstein sitzt. Zu<br />

kaufen gibt es alle Stücke bislang<br />

nur unter maria-black.com.<br />

M<br />

it erwartungsvollen Augen öffnet Karlotta Wilde die Tür zu ihrem Hinterhaus-Atelier<br />

in Berlin-Mitte. Eigentlich wartet sie auf eine Stofflieferung,<br />

die irgendwo auf dem Postweg verloren gegangen ist. Ohne die stockt<br />

die Arbeit an ihrer neuen Kollektion. Denn meistens entwirft die gebürtige<br />

Hamburgerin mit den Stoffen in der Hand. Experimentiert, drapiert, näht zusammen.<br />

Vielleicht ist es das, was ihre Kleidung ausmacht. Ungezwungen, locker, im Schnitt klar<br />

und nur im Detail verspielt, am liebsten in schwarz und weiß. Blümchenstoffe? Ein<br />

absolutes Tabu. Karlotta Wilde weiß, was sie will. Nach ihrem Abschluss an der AMD<br />

München absolviert sie Praktika bei Ann-Sofie Back in London, bei Sonia Rykiel in Paris<br />

und dann wieder in London, bei der Tochter von Mohamed Al-Fayed. Dort arbeitet sie<br />

im Harrods-Gebäude, staunt über die steinreiche Kundschaft. Das Label von Al-Fayeds<br />

Tochter gibt es mittlerweile nicht mehr, und Karlotta fügt schnell hinzu: „Geld und Kontakte<br />

sind eben nicht immer alles.“ Daran muss sie von Anfang an geglaubt haben, zum<br />

Beispiel, als sie ihre ersten Kollektionen in ihrer Wohnung auf dem Fußboden zusammengenäht<br />

hat. Die Entwürfe verkauft sie auf Bestellung, meist an Freunde und Familie.<br />

Doch schon bald werden mehr Leute auf sie aufmerksam. Bei der Berliner Fashionweek<br />

hat sie zweimal präsentiert, diesen Sommer wird sie nicht dabei sein. Es war ihre<br />

Entscheidung. Ob es mit der Veranstaltung zu tun hat? „Nein“, antwortet sie bestimmt,<br />

erwähnt aber wenig später, dass sie den Stempel „Berliner Jungdesigner“ nicht immer<br />

gerne aufgedrückt bekommt. Berlin ist ja schließlich nicht die Welt. In Paris dagegen ist<br />

es absolut ok. Sie ist dort in guter Gesellschaft, denn die Agentur, die sie vertritt, hat<br />

auch Perret Schaad und Lala Berlin unter Vertrag . ende<br />

20


Asymmetrischer Rock<br />

27 €<br />

mango.com<br />

jeans<br />

iphone-hülle<br />

stil<br />

ca. 175 €<br />

Desire<br />

stinegoya.com<br />

Gehen immer: Jeanshemden<br />

in allen Waschungen.<br />

Geht nicht immer: lange<br />

Ärmel bei viel zu heißen<br />

Temperaturen. Wer nicht<br />

selbst zur Schere greifen<br />

will, greift zum Halbarm-<br />

Denimhemd von G-Star.<br />

80 €<br />

Nikki Shirt Sleeveless<br />

g-star.com<br />

Schluss mit Schwarz-Weiß-<br />

Denken: Ab jetzt können<br />

wir den smarten Alltagsbegleiter<br />

in unsere Lieblingsfarbe<br />

gehüllt auf den Café-Tisch<br />

legen. Dank Case Scenario, die<br />

zusammen mit dem US-Konzern<br />

Pantone iPhone-Hüllen in<br />

bislang neun leuchtenden<br />

Tönen herausgebracht haben.<br />

Welchen würden Sie wählen?<br />

40 €<br />

Pantone Hülle<br />

urbanoutfitters.com<br />

Foto: Jan Friese<br />

lang<br />

und luftig!<br />

Das Wichtigste ist bedeckt, alles andere<br />

wird nur luftig und geheimnisvoll umhüllt:<br />

Diese Röcke gehören zu unseren Lieblingen<br />

des Sommers, vor allem in solch’ sanften<br />

Pastelltönen wie von Mango und Stine Goya.<br />

vespa<br />

heiligs-blechle.com<br />

strasskette<br />

Wer auf große bunte Klunker steht,<br />

wird Dannijo lieben. Das Label<br />

wurde vor allem durch die<br />

Bloggerwelt bekannt, die<br />

sich vorm Spiegel in Jeans, im<br />

weißen T-Shirt und mit den<br />

Glitzer-Ketten um den Hals<br />

ablichtete. Tun wir ab<br />

jetzt auch.<br />

ring<br />

Large Horse Ring<br />

ca. 160 €<br />

stinegoya.com<br />

ca. 400 €, dannijo.com<br />

Wer das echte Vespa-Gefühl erleben will, der sollte bitte keines<br />

dieser zugegebenermaßen in hübschen Farben lackierten, aber<br />

überteuerten Retro-Modelle kaufen. Nehmen Sie sich lieber die Zeit<br />

und suchen Sie sich in Ruhe eine gebrauchte italienische „Wespe“<br />

in den Kleinanzeigen von eBay und Co. Spätestens wenn man den<br />

Motor antritt und dieser einem wohlklingend dafür dankt, hat<br />

sich das Warten gelohnt. Perfekt für den Sommer in der Stadt.<br />

22<br />

hermÈs<br />

Wenn Sie <strong>Fräulein</strong> regelmäßig und aufmerksam<br />

lesen, werden Sie bereits<br />

festgestellt haben, dass wir große<br />

Fans der französischen Luxusmarke<br />

sind. Dieses Mal<br />

wollen wir Ihnen dieses<br />

klassische Modell aus<br />

braunem Leder ans<br />

Herz legen.<br />

5.250 €<br />

hermes.com<br />

ca. 960 €<br />

mika-amaro.com<br />

puppen<br />

Von Weitem sehen sie aus wie<br />

unbewegliche Models, von<br />

Nahem dann erkennt man ihre<br />

starren Augen und ihre<br />

künstlich glänzende Haut.<br />

Bereits seit vielen vielen<br />

Jahren stehen sie in Auslagen,<br />

präsentieren Kleidung, Schuhe<br />

und Accessoires, locken uns<br />

in Geschäfte: die Schaufensterpuppen.<br />

So oft gesehen, und<br />

mindestens genauso so oft<br />

nicht beachtet, nicht genauer<br />

hingesehen. Schade eigentlich,<br />

ist doch rund um die Schaufensterpuppe<br />

eine regelrechte<br />

Handwerkskunst entstanden.<br />

Sissa Marquardt widmet sich<br />

in ihrem Buch „Girlfriends –<br />

Storefront Beauty and Drama“<br />

genau diesem Thema und<br />

haucht den Dummys mit ihrem<br />

Buch Leben ein.<br />

ca. 30 €<br />

„Girlfriends – Storefront<br />

Beauty and Drama“<br />

BizarR verlag


stil<br />

Foto: Christian Hagemann Text: Jan Joswig<br />

JiMMY Fairly<br />

Die gute Nachricht: Das krampfhaft flotte<br />

Brillengestell des neuen französischen<br />

Präsidenten führt der Pariser Online-<br />

Brillenanbieter Jimmy Fairly – nicht! Die<br />

bessere Nachricht: Die beiden Gründer und<br />

Designer der Firma, Antonin Chartier und<br />

Sacha Bostoni, beherrschen die komplette<br />

Palette an Post-Hipster-Nerd-Rahmen.<br />

Vom großen Kasten über die kleine Runde<br />

bis zur (Weltneuheit auf dem Hipsterplaneten!)<br />

Metallbrille aus unzerbrechlichem<br />

Titanium - die Entwürfe beweisen das<br />

souveräne Händchen von Bewohnern des<br />

ultramondänen Marais-Viertels, die gerne<br />

in David Lynchs Club „Silencio“ tanzen<br />

gehen. Die beste Nachricht: Das Geschäftsmodell<br />

von Jimmy Fairly sieht wohltätigen<br />

Einsatz zu günstigen Preisen vor. Unter<br />

dem Motto „Buy one, give one“ spendet das<br />

Unternehmen für jede verkaufte Brille<br />

(handmade in Italy, dennoch inklusive eingeschliffener<br />

Gläser nur 95 Euro) eine<br />

weitere an bedürftige Fehlsichtige in Asien<br />

und Afrika. Ok, die ist dann made in China,<br />

aber erfüllt auch ihren Zweck: besseres<br />

Sehen. Außerdem werden gemeinnützige<br />

Organisationen vor Ort unterstützt,<br />

die kostenlose Augenuntersuchungen anbieten.<br />

Der Online-Händler Warby Parker<br />

hat es – mit bislang 150.000 Spendenbrillen -<br />

für den US-amerikanischen Brillenmarkt<br />

vorgemacht, Jimmy Fairly hat diese Idee<br />

für Europa adaptiert.<br />

Gerade haben Chartier und Bostoni neben<br />

dem Webstore einen ersten Laden im<br />

Marais-Viertel eingeweiht. Und schon in<br />

diesem Sommer soll eine deutschsprachige<br />

Website folgen – damit sich auch für<br />

Deutsche Kurz- und Weitsichtigkeit zu<br />

wohltätigem Chic wandelt.<br />

jimmyfairly.com


stil<br />

taschen<br />

Talent<br />

sloe<br />

„Marilyn & Me “<br />

750 €<br />

Taschen<br />

taschen.com<br />

Zu Lebzeiten wurde die Schauspielerin und Geliebte von<br />

John F. Kennedy zum Sexsymbol und schillernden Popikone.<br />

Jetzt, 50 Jahre nach ihrem Tod 1962, werden ihr unzählige<br />

Bücher und ein Hollywoodfilm gewidmet: Marylin Monroe,<br />

eine der erotischsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Besonders<br />

empfehlen wollen wir Lawrence Schillers Fotoband. Der<br />

damals 25-Jährige fotografierte die Diva am Set ihres letzten<br />

Films „Something’s got to give“. Die Monografie mit noch<br />

nie veröffentlichten Aufnahmen gibt es in einer Auflage von<br />

1962 Exemplaren. MM ist also immer noch begehrenswert –<br />

auch 50 Jahre nach ihrem Tod.<br />

1.060 €<br />

Mulberry<br />

quartier206.com<br />

1.290 €<br />

Chanel<br />

chanel.com<br />

Jedes <strong>Fräulein</strong> sollte sie besitzen:<br />

eine elegante Abendtasche!<br />

Noch ganz geblendet von<br />

goldenen Ketten und funkelnden<br />

Strasssteinen, würden<br />

wir Ihnen diese beiden<br />

Schätze vorschlagen.<br />

SLOE ist das neue Label von Central-<br />

St.-Martins-Absolventin Antonia<br />

Siegmund und Art-Direktor Matthias<br />

Last. Der dazugehörige Onlineshop läuft<br />

seit wenigen Wochen, zu kaufen gibt’s<br />

dort hochwertige pure Taschen aus<br />

feinstem italienischen Leder, hübsch<br />

vernähte Kissen und bald limitierte<br />

Kleidungsstücke. Was sich zuerst etwas<br />

willkürlich anhört, ist in Wahrheit ein<br />

durchdachtes Konzept mit Liebe zu<br />

detailverliebter Manufaktur und sorgfältig<br />

gewählten Materialien. Die Schönheit<br />

liegt in der Simplizität, wie beim<br />

Schlehdorn, auf Englisch: sloe. Damit<br />

wäre dann auch der Name erklärt.<br />

Hybrid Bag, ca. 300 €<br />

sloeberlin.com<br />

nike UND<br />

deR sommer<br />

Die vollständige Liste unserer aktuellen<br />

Nike-Must-Haves ist zu lang, um sie vollständig<br />

abzudrucken, also beschränken wir uns auf<br />

diese beiden Modelle: den ultraleichten und<br />

knallbunten Nike Air Woven, den es in verschieden<br />

Farbkombinationen gibt, und den Nike<br />

Montreal im Vintage-Stil. Catch them if you can.<br />

Nike Air Woven 140 €<br />

Nike Montreal 90 €<br />

nike.com<br />

sandalen<br />

New York Philharmonic Orchestra<br />

3. & 4. Februar 2012, Philharmonie,<br />

Luxemburg<br />

8. Februar 2012, Alte Oper, Frankfurt<br />

Foto: Sabine Volz<br />

27


Talent<br />

stil<br />

Nicholas Kirkwood<br />

hat sich mit seinen kunstvollen Kreationen<br />

innerhalb weniger Jahre in die oberste<br />

Riege der Schuhdesigner katapultiert.<br />

Der junge Brite setzt auf Kitsch<br />

statt Komfort.<br />

W<br />

er in diesem Londoner Store auf der Suche nach<br />

einem schlicht-klassischen High Heel ist, wird<br />

schnell merken, dass er den falschen Ort aufgesucht<br />

hat. Denn so etwas gibt es nicht bei Nicholas<br />

Kirkwood, der von sich selbst behauptet, nur drei Paar Schuhe<br />

zu besitzen und diese zu tragen, bis die Sohle durchgelaufen ist.<br />

Für Fans des smarten Briten sollte das keine Rolle spielen, denn<br />

Kirkwood entwirft einfach traumhaft schöne hohe Schuhe. Ob<br />

farbenfrohe Blumenprints oder Plateaus aus Perlmutt-Perlen –<br />

der 32-Jährige weiß, worauf Frauen gerne laufen. Vor knapp zwei<br />

Monaten eröffnete er seinen zweiten Shop: in New York direkt am<br />

Hudson River im angesagten Meatpacking-District. In Amerika<br />

machten prominente Trägerinnen wie Sarah Jessica Parker,<br />

Julianne Moore oder Beyoncé Knowles seine Designs bekannt.<br />

Den Karrierestart ermöglichte ihm 1999 der Londoner Hutmacher<br />

Philip Treacy, bei dem er nach den Studium am Central St. Martins<br />

ein Praktikum machte, jedoch ständig einschlief.<br />

Viel mehr weiß man über den jungen Designer nicht, nur dass er<br />

beim Zeichnen gerne in englischer Manier Tee trinkt und –<br />

very unbritisch! – vor kurzem öffentlich über das Schuhwerk von<br />

Herzogin Catherine meckerte. Es ist hoffentlich nur noch eine<br />

Frage der Zeit, bis Kirkwood auch in Deutschland einen Store<br />

eröffnet. Alle, die keine gewöhnlichen High Heels suchen, werden<br />

sich dort zuhause fühlen. ende<br />

Céline t-shirt<br />

Print-T-Shirts trägt man nicht mehr? Große Logos<br />

auch nicht? Wir pfeifen drauf.<br />

Céline, nous t’aimons.<br />

ca. 250 €<br />

farfetch.com<br />

RoMY<br />

Schneider<br />

Foto: CAMERA WORK<br />

ca. 370 €<br />

autograph-abp.co.uk<br />

uslu<br />

nagellack<br />

22 €<br />

usluairlines.com<br />

20 Jahre nach Marylin Monroe, 1982,<br />

starb die deutsch-französische Schauspielerin<br />

Romy Schneider nach einem bewegten<br />

Leben an gebrochenem Herzen.<br />

Zum 30-jährigen Todestag erscheint<br />

ein zauberhafter Bildband, zusammengestellt<br />

von ihrer Tochter. Auch CAMERA<br />

WORK Berlin verneigt sich vor der fantastischen<br />

Schauspielerin und verkauft<br />

zur Zeit nicht nur ausgewählte Bücher,<br />

sondern auch Originalaufnahmen renommierter<br />

Fotografen – wie dieses hier<br />

aus den Sixties vom wunderbaren<br />

Will McBride.<br />

Dennis Morris: Growing Up Black<br />

Toller Bildband mit Aufnahmen aus den 1960-er und 70-er<br />

Jahren des englischen Punk-Foto-grafen, der mit Bildern von<br />

Bob Marley und den Sex Pistols bekannt wurde.<br />

28<br />

29


Talent<br />

Foto: Akira Yamada, Text: Julia Christian<br />

Jing Liu<br />

gehört zu den talentiertesten<br />

New Yorker Architektinnen. Zusammen mit<br />

ihrem Mann gründete die gebürtige Chinesin<br />

nicht nur eine Familie, sondern auch das Büro<br />

„SO–IL“, dessen jüngstes großes Projekt der<br />

Messebau für die Frieze Art war. Ihre Entwürfe<br />

stehen für einen experimentellen Minimalismus,<br />

der den Alltag zum Abenteuer macht.<br />

J<br />

ing Liu ist keine Angeberin. Sie zählt nicht zu den Architekten,<br />

die mit jedem Gebäude die Bauwelt neu erfinden<br />

wollen und sich damit eigentlich nur selbst ein Denkmal<br />

setzen. Trotzdem ist alles neu, ja sogar abenteuerlich,<br />

was sich die gebürtige Chinesin und ihr Mann, der Niederländer<br />

Florian Idenburg, in ihrem Brooklyner Büro SO–IL ausdenken.<br />

Wegen ihnen hatte die aus London kommende, erstmals<br />

in New York stattgefundene Kunstmesse Frieze plötzlich Kurven<br />

– SO-LI erdachte eine temporäre Konstruktion, die wie eine<br />

Mischung aus lichtem Riesenzelt und weißer Schlange anmutete.<br />

Jing Liu, Jahrgang 1981, zieht im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie<br />

von China nach Japan. Als sie kurze Zeit später in der Schule<br />

ein Haus entwerfen soll, zeichnet Liu, die bis dato im chinesischen<br />

Sozialismus nur in zugeteiltem Wohnraum lebte, zwei große Kreise.<br />

Einen für sie, einen für ihre Kinder und einen noch größeren<br />

um beide herum, der so etwas wie ein Forschungsraum für beide<br />

Seiten sein sollte. Das Ergebnis: ein besorgter Lehrer, der glaubt,<br />

sie hätte häusliche Probleme. „Ich glaube, es war das erste Mal,<br />

dass ich darüber nachgedacht habe, was Architektur ist und was<br />

man mit ihr erreichen kann - nämlich die Welt gestalten.“<br />

2008 gründen Liu und Idenburg SO–IL, was die Abkürzung für<br />

„Solid Objectives“ ist. Die beiden bezeichnen SO–IL nicht als<br />

Architektur-, sondern als ideenbasiertes Designbüro. „Wir verstehen<br />

Architektur nicht als reine Dienstleistung. Für uns ist sie<br />

ein Mittel, um Ideen auszuprobieren und zu forschen. Deshalb<br />

finden uns viele kompliziert“, erklärt Liu und lacht dabei so leichtherzig,<br />

als wäre das Leben in New York, mit 31 Jahren, zwei<br />

Töchtern und zehn Angestellten ein Kinderspiel.<br />

„Es gibt sicher zwei Dinge, die an mir typisch chinesisch sind,<br />

und je länger ich arbeite, desto klarer wird mir das. Erstens ein<br />

„Man muss als Architekt an<br />

Fortschritt glauben.“<br />

gewisser Pragmatismus: Bei all den Umwälzungen die alle 20 Jahre<br />

in China passierten, lernt man, sich anzupassen und trotzdem<br />

sein eigenes Leben zu leben. Deshalb gehen wir auch bei SO–IL<br />

so selbstbezogen und experimentell mit unseren Projekten um“,<br />

erklärt Liu. „Das zweite ist, positiv zu bleiben. Man muss als<br />

Architekt an Fortschritt glauben.“<br />

Liu glaubt, gute Architektur schafft gute Menschen. Ganz unbewusst.<br />

Egal ob ein Gebäude schön oder hässlich ist, der Mensch<br />

wird von ihm beeinflusst. Wenn das stimmt, wünscht man sich,<br />

SO-IL würden ganze Städte und Landschaften mit ihren Entwürfen<br />

gestalten. Abenteuerlicher würde unser Alltag dann in<br />

jedem Fall. ende<br />

Die günstige 4-fach Flat für dein Smartphone: Special Complete Mobil<br />

• Daten-Flat zum Surfen und E-Mailen • SMS-Flat in alle dt. Netze<br />

• Flat ins Telekom Mobilfunknetz • HotSpot Flat<br />

Flat in ein weiteres dt. Mobilfunknetz oder<br />

100 Freiminuten in alle anderen dt. Netze<br />

Mehr Infos unter www.telekom.de/young oder im Telekom Shop.<br />

Lt. Heft 08/2011<br />

Heft 12/2011<br />

Telekom ist Testsieger<br />

im Test „Deutsche Mobilfunknetze“ 08/2011<br />

mit der Gesamtnote „Gut“.<br />

Note: 2,4<br />

4 Anbieter im Test.<br />

Das Telekom Netz zeigt die beste Netzverfügbarkeit<br />

und die höchsten Datenraten bei<br />

Dateidownloads im Test.<br />

30<br />

Jing Liu ist gebürtige Chinesin. Zusammen mit Florian Idenburg<br />

gründete sie 2008 in New York ihr Büro SO-il. Wir trafen Jing Liu im<br />

Rahmen einer Pressereise zur Kooperation zwischen Volkswagen<br />

und dem MoMa PS1.<br />

* Der Tarif Special Complete Mobil ist bis zum 31.12.2012 buchbar. Einmaliger Bereitstellungspreis 29,95 €. Mtl. Grundpreis 29,95 € (Variante ohne Handy).<br />

Für die ersten 24 Monate gilt für die Variante mit Handy ein mtl. Grundpreis von 34,95 € bzw. 39,95 €. Den für Sie gültigen Preis erfahren Sie in Ihrem<br />

Telekom Shop. Danach ist der mtl. Preis von 44,95 € (Variante mit Handy) zu bezahlen. Inlandsverbindungen außerhalb der Telekom Mobilfunkflat bzw. der<br />

gewählten Alternativ-Option 0,29 €/Minute. Ab einem Datenvolumen von 200 MB wirddie Bandbreite im jeweiligen Monat auf max. 64 kbit/s (Download)<br />

und 16 kbit/s (Upload) beschränkt. VoIP und Instant Messaging sind nicht Gegenstand des Vertrags. Die HotSpot Flatrate gilt nur für die Nutzung an<br />

dt. HotSpots (WLAN) der Deutschen Telekom.


stil<br />

super-seriensoMMer<br />

Was in Amerika und Großbritannien<br />

zurzeit an Serien gezeigt wird, ist wieder<br />

mal ganz großes Kino: „Downtown Abbey“<br />

und „Boardwalk Empire“ sind unsere<br />

momentanen Favoriten für regnerische<br />

Sommerabende. Zwar keine Serie, aber<br />

ein unglaublich toller Film ist „Im Himmel,<br />

unter der Erde“, der Geschichte und<br />

Geschichten des Jüdischen Friedhofs<br />

in Berlin-Weißensee lebendig und<br />

einfühlsam erzählt<br />

Im Himmel, unter der Erde 15 €<br />

Downtown Abbey & Boardwalk Empire<br />

ca.25 €<br />

boys club<br />

Loro Piana –<br />

Sonnenbrille<br />

Eigentlich bekannt als größter<br />

Cashmerehersteller, hat Loro<br />

Piana ganz nebenbei die perfekte<br />

Sonnenbrille entworfen!<br />

875 €<br />

OUTFIT<br />

duftkerze<br />

Manchmal lohnt es sich, in eine Duftkerze<br />

zu investieren. In diese zum<br />

Beispiel: L’Eclaireur aromatisiert laue<br />

Sommernächte.<br />

59 ¤<br />

leclaireur.com<br />

Brogue Boots<br />

ca. 480 €<br />

bbcicecream.eu<br />

Farbenfrohe Sohlen haben wir in den vergangenen Monaten<br />

oft genug gesehen. Mal dezent, mal auffällig, mal stilvoll –<br />

manchmal einfach schlecht kopiert. Als wir dachten, jetzt ist<br />

Schluss damit, landete ein Bild dieses Paars in unserem<br />

E-Mail-Postfach: Feinstes schwarzes Leder mit klassischen<br />

Applikationen, dazu eine bunte Gummisohle, chic, chic. Sie<br />

stammen aus dem Hause Billioniare Boys Club und Ice Cream,<br />

die zwei Edel-Streetwearlabels von Nigo und Sänger Pharrell<br />

Williams. Auf bbcicecream.com kann man Pharrell dank Blog<br />

durch sein dekadentes Leben begleiten. Wichtiger Hinweis:<br />

Es handelt sich hierbei um Männerschuhe! Sie sind somit<br />

erst ab Größe 41 erhältlich.<br />

Foto: Jenny: Van Sommers, Set Design: Rachel Thomas<br />

Converse<br />

Der unzerstörbare<br />

Klassiker: Die neuen Jack<br />

Purcell by Converse<br />

Sneaker in satten Farben<br />

tragen wir bis in alle<br />

Ewigkeit.<br />

110 €<br />

Foto: Sabine Volz<br />

badeanzug<br />

1946 präsentierte Louis Réard erstmals<br />

seinen Bikini im Pariser Nobelbad ‚Molitor’.<br />

Dafür musste er die Nackttänzerin Micheline<br />

Bernardini engagieren, da kein Model sich<br />

traute, die freizügige Badekleidung in der<br />

Öffentlichkeit anzuziehen. Dies sollte sich in<br />

den Folgejahren ändern: Zu sehen war immer<br />

weniger Stoff und immer mehr Haut. Wohin<br />

sind nur all die schönen Badeanzüge? Wir<br />

haben zumindest einen wiedergefunden,<br />

der im Sommer wieder am Strand statt im<br />

Schrank landen sollte.<br />

Eine Hülle wie für die aus<br />

Meerschaum geborene<br />

Aphrodite - macht Sie zur<br />

Liebesgöttin des Sommers!<br />

Preis auf Anfrage<br />

dieselblackgold.com<br />

rimowa<br />

Man braucht nur<br />

einen einzigen Koffer:<br />

diesen hier.<br />

Topas Stealth<br />

799 €<br />

rimowa.de<br />

ca. 350 €<br />

eresparis.com<br />

33


Talent<br />

Foto: Ariane Hosemann, Text: David Torcasso<br />

„Ich teile meine<br />

Geheimnisse mit<br />

der Welt.“<br />

Bethany<br />

Cosentino<br />

will auf der ganzen Welt berühmt<br />

sein. In den USA ist<br />

sie das mit dem rotzigen Surf-<br />

Pop ihrer Band Best Coast<br />

schon. Jetzt hat sie zusammen<br />

mit Urban Outfitters eine<br />

eigene Kollektion entworfen.<br />

Best Coast ist die Band von Sängerin Bethany<br />

Cosentino und Bob Bruno. Gefunden und gegründet<br />

haben sie sich 2009 in Los Angeles, Kalifornien.<br />

Ihr zweites Album ‚The Only Place‘ ist vor kurzem<br />

bei Wichita Recordings erschienen.<br />

B<br />

ethany Cosentino liebt L.A.,<br />

und L.A. liebt Bethany Cosentino.<br />

„Ich mag Surfen und bin<br />

ein Homebuddy, der lieber mit<br />

Freunden Wein trinkt als in Clubs abzustürzen“,<br />

sagt die Sängerin der Band Best<br />

Coast. Davor hat Bethany ein Jahr in New<br />

York gelebt, weil sie genug hatte von<br />

Kalifornien. Um die Kälte an der Ostküste<br />

im Winter zu ertragen, hörte sie in ihrem<br />

kleinen Apartment Beach Boys oder The<br />

Mamas and the Papas – bis sie selbst<br />

solche Musik machen wollte. Um ihre Band<br />

zu gründen, zog Bethany von New York<br />

an ihre „Best Coast“ zurück, wo sie vor 24<br />

Jahren in Los Angeles geboren wurde.<br />

Ihr leidenschaftlicher Surf-Rock ist von<br />

großen Legenden inspiriert, aber gefühlvoller:<br />

„Meine Songs sind ein öffentliches<br />

Tagebuch. Ich teile meine Geheimnisse<br />

mit der Welt.“ In den USA sind Best Coast<br />

in den letzten zwei Jahren durch ihren<br />

„California Dreaming“-Sound ziemlich bekannt<br />

geworden. Das erste Album „Crazy<br />

for you“ wurde wegen seines authentischen<br />

Lo-Fi/60ties/Garage-Rock-Feelings<br />

gelobt. Ihre Musik ist ein Liebesbrief<br />

an Kalifornien und erzählt von sonnigen<br />

Tagen am Strand und komplizierten<br />

Surferboys.<br />

„Es wäre toll, auf der ganzen Welt berühmt<br />

zu sein. Aber nicht so wie Lady Gaga.<br />

Das wäre mir zu anstrengend“, sagt die<br />

24-Jährige. Doch wie Lady Gaga versucht<br />

sich Cosentino nun in Fashion: Für das<br />

amerikanische Label Urban Outfitters hat<br />

die Sängerin eine Minikollektion im Vintagelook<br />

entworfen. Eine Auszeichnung, denn<br />

die einzige Musikerin, die bislang mit dem<br />

Label zusammenarbeitete, war die Grand<br />

Dame des Indie-Rock - Kim Gordon von<br />

Sonic Youth. Während Cosentino bei ihren<br />

Liedern aus den 60-er Jahren schöpft,<br />

rückt sie bei ihrem Modestil knapp zwei<br />

Jahrzehnte in die späten 70-er und frühen<br />

80-er vor. „Stevie Nicks von Fleetwood<br />

Mac war nicht nur eine großartige Sängerin,<br />

sondern hatte auch einen tollen Stil.<br />

Sie ist ein Vorbild für mich und die Kollektion.“<br />

Darüber hinaus inspirieren<br />

Cosentino Filme wie das Groupie-Märchen<br />

„Clueless“.<br />

Bethany kann ohne ihre Lieblingsteile und<br />

Schmuck nicht auf die Bühne gehen. „Vor<br />

einer Tour kaufe ich mir immer viele neue<br />

Klamotten“, lacht sie. Sie mag Ankle Boots,<br />

weite Kleider oder Ballerina-Mode. Für<br />

ihre eigenen Entwürfe hat sie nicht selbst<br />

Hand angelegt. „Ich sagte den Designern,<br />

ich möchte einen Jumpsuit aus Leder oder<br />

eine Jacke mit einer bestimmten Art von<br />

Knöpfen. Sie haben mir ein Beispiel geschneidert,<br />

und ich sagte ja oder nein“,<br />

erzählt Bethany. Ihre Entwürfe sind ein<br />

wilder Mix aus Vintage-Klassikern, versetzt<br />

mit einer modernen Note: Ein Kleid<br />

wird zur Shorts, eine Jeansjacke zu einem<br />

Pullover. Alles ist bunt - genauso wie<br />

die Blumenjeans, die sie zum Interview<br />

trägt. ende<br />

portlandia<br />

Neben „Extras“ gehört „Portlandia“ zu den lustigsten Serien,<br />

die wir seit langem gesehen haben. Der ehemaligen „Saturday<br />

Night Live“-Darsteller Fred Armisen und die brillante Ex-<br />

„Sleater-Kinney“-Sängerin Carrie Brownstein parodieren<br />

so genau die Lebenswelt der Thirtysomethings, dass man<br />

denken könnte, Portland liegt in Berlin oder Hamburg.<br />

Die zweite Staffel ist in Amerika soeben zu Ende gegangen,<br />

bis Januar müssen wir uns gedulden, dann erscheint<br />

die dritte.<br />

35


stil<br />

Foto: Christian Hagemann<br />

Spritzen-beauty<br />

Normalerweise gehören Spritzen nicht ins Gesicht, es sei denn ,<br />

man liegt auf dem Zahnarztstuhl. Bei diesen gläsernen und farbig<br />

gefüllten Spritzen machen wir aber eine Ausnahme: Zur<br />

Basiscreme gibt es verschiedene Ampullen mit verschiedenen<br />

Wirkstoffen, die man individuell wählen kann. Sepai setzt auf<br />

neueste Molekular- und Biotechnologie und bekämpft so<br />

alle Ursachen der Hautalterung. Warum sollte man also noch<br />

zu anderen Spritzen greifen wollen?<br />

sepai.eu


AGenda<br />

Klassik picknickt<br />

Essen und Musik gehören zu<br />

den Genussmitteln, auf die wir<br />

auf keinen Fall jemals verzichten<br />

wollen. Beides kombiniert in<br />

sommerlicher Atmosphäre?<br />

Besonders gerne! Vor der Gläsernen<br />

Manufaktur laden Volkswagen<br />

und die Staatskapelle wieder dazu<br />

ein, mit Klasse und Klassik zu<br />

picknicken. Also Freunde, Decke<br />

und eine Flasche Wein einpacken<br />

und etwa Rachmaninows Klavierkonzert<br />

Nr. 3 in d-Moll beim Open<br />

Air lauschen.<br />

Another<br />

London<br />

Wenn Fotografie-Legenden wie<br />

Elliott Erwitt, Robert Frank und<br />

Irving Penn auf Städtereise gingen,<br />

sahen ihre Urlaubsfotos nicht aus<br />

wie Schnappschüsse, sondern wie<br />

große Kunst. Das Tate widmet solchen<br />

Arbeiten jetzt eine Ausstellung:<br />

In insgesamt 180 Fotografien von<br />

1930 bis 1980 zeigt die Schau besondere<br />

Blickwinkel auf London. Und<br />

jedem Hobby-Knipser, wie es geht.<br />

es gibt...<br />

Der Titel der Gruppenausstellung „Es gibt…“ bezieht sich auf den<br />

Werbespruch eines Baumarkts, „Es gibt immer was zu tun“, sowie auf<br />

Adornos berühmte Sentenz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“<br />

(was viele vergessen: Adorno schrieb das nicht über Politik - sondern<br />

über Inneneinrichtung!). Arbeiten von 36 Künstlern, darunter Martin<br />

Kippenberger, Donald Judd, Jan Muche, Madeleine Boschan oder Albert<br />

Oehlen, setzen sich in Skulpturen und Malerei mit der Einrichtung<br />

der Welt auseinander: Wie leben wir, wie könnten wir leben? sind die<br />

wichtigen Fragen dieser Ausstellung, die auf dem wunderschönen<br />

Gelände des ehemaligen Nato-Munitionslagers bei Montabaur (unweit<br />

von der Documenta-City Kassel) stattfindet.<br />

bis 16. September<br />

b-05 Kunst- und Kulturzentrum Association e.V., Montabaur<br />

Der Eintritt kostet 5 €, mehr Infos<br />

unter staatskapelle-dresden.de<br />

PoliÇa Konzert<br />

Frankfurt, ZOOM, 2. Juli<br />

München, Atomic Café, 6. Juli<br />

Hamburg, Stadtpark, 8. Juli<br />

Köln, Tanzbrunnen, 9. Juli<br />

In der Redaktion lief „Lay Your Cards<br />

Out“ rauf und runter, spätestens wenn bei<br />

Sekunde 25 im ersten Stück der Beat<br />

einsetzt, weiß man: Das wird groß! Wir<br />

vertrauen auf den Musikgeschmack<br />

von Jay-Z und Bon Iver und behaupten,<br />

dass diese junge Frau zu den vielversprechendsten<br />

Newcomern des Jahres gehört.<br />

Und weil wir nicht genug bekommen,<br />

sind wir froh, dass sie auf Deutschlandtour<br />

geht.<br />

27. Juli – 16. September<br />

Tate Britain, London<br />

Frau Tonis Parfum<br />

Der Duft eines Menschen entscheidet, ob<br />

wir ihn sympathisch finden oder nicht.<br />

Frau Tonis steht schon seit 1926 in Berlin<br />

mit Nase und Beratung zur Seite und<br />

kreiert aus zahllosen Ingredienzien ein<br />

ganz individuelles Parfüm. Wem das zu<br />

viel des Guten ist, kann bei Frau Tonis<br />

auch fertige Düfte kaufen, beispielsweise<br />

„Reines Veilchen“, den einstigen Lieblingsduft<br />

von Marlene Dietrich. Männerdüfte<br />

gibt es natürlich auch.<br />

Zimmerstraße 13, 10969 Berlin<br />

frau-tonis-parfum.com<br />

Another London: © Martine Franck / Magnum Photos<br />

Documenta: © Nils Klinger<br />

patti smith<br />

Sie gilt als Godmother of Punk, ihr erstes Album<br />

„Horses“ als eines der wichtigsten der 70er<br />

Jahre. Als junge Frau zog sie zusammen mit dem<br />

Fotografen Robert Mapplethorpe nach New<br />

York, dort ließ sie sich zum Singen ermutigen<br />

und wurde weltberühmt. Zwischendurch tauchte<br />

sie fast 15 Jahre ab, weil sie Mutter wurde,<br />

dann wieder auf und machte nahtlos das weiter,<br />

womit sie aufgehört hatte: gute Musik. Doch<br />

Songtexte reichten Smith nicht, sie schrieb ein<br />

autobiographisches Buch mit dem Titel „Just<br />

Kids“. Es wurde in Amerika zum Bestseller und<br />

auch sonst auf der Welt begeistert verschlungen.<br />

Jetzt hat sie ihr neues Album „Banga“ herausgebracht,<br />

auf dem auch Johnny Depp Gitarre<br />

spielt. Ihre kratzige Stimme hat auch mit 65<br />

Jahren nichts an Kraft verloren. Die Songs<br />

widmet sie unter anderem denen, die gegangen<br />

und verstorben sind. Sie selbst befindet sich<br />

zur Zeit auf großer Welttournee, als wolle sie<br />

sagen: Ich bin die, die das alles überlebt hat,<br />

ich bin immer noch da.<br />

11. Juli Tempodrom, Berlin<br />

documenta<br />

Endlich ist es wieder soweit: Nach<br />

fünf Jahren Pause eröffnete im<br />

Juni die wohl bedeutendste<br />

deutsche Kunstausstellung. 100<br />

Tage lang kann man sich einen<br />

Überblick über die – so zumindest<br />

die Leiterin Carolyn Christov-<br />

Bakargiev – wichtigsten Künstler<br />

der Welt ansehen, kann sich<br />

mitreißen und inspirieren lassen,<br />

um beim Ausgang traurig festzustellen,<br />

dass man jetzt wieder<br />

fünf Jahre warten muss. Christov-<br />

Bakargiev rechnet mit 750.000<br />

Besuchern aus der ganzen Welt.<br />

Wir werden definitiv dabei sein,<br />

Sie mit Sicherheit auch.<br />

bis 16. September, Kassel<br />

38<br />

39


AGenda<br />

Ralph Gibson<br />

Am Ende eines viel<br />

zu kurzen Tages<br />

Beim Lesen haben wir Rotz<br />

und Wasser geheult, jetzt wird<br />

Anthony McCartens 2007<br />

erschienener Roman „Superhero“<br />

endlich verfilmt: Es ist<br />

die Geschichte eines krebskranken<br />

Jungen, dessen Leben<br />

an einem seidenen Faden hängt<br />

und der sich immer wieder<br />

in die Welt eines Superhelds<br />

träumt. Begleitet wird der 14-<br />

Jährige dabei vom Psychologen<br />

Dr. Adrian King. Unbedingt<br />

anschauen – und am besten<br />

vorher das Buch besorgen!<br />

Kinostart: 30. August<br />

Familientreffen<br />

mit Hindernissen<br />

So oft selbst durchstanden, so oft in<br />

Büchern und Filmen thematisiert: Familientreffen.<br />

Dieses findet im Sommer<br />

1979 in der Bretagne statt – an dem Tag<br />

und an dem Ort, für den der Absturz<br />

der US-Raumstation Skylab vorausgesagt<br />

wurde. Wer denkt, damit wäre der<br />

Zusatz „Hindernisse“ bereits abgehandelt,<br />

hat weit gefehlt. Denn neben der<br />

drohenden Weltraum-Katastrophe muss<br />

das Mädchen Albertine das Erwachsenwerden<br />

meistern – unter den Augen<br />

ihrer Familie. Julie Delpy ist dabei nicht<br />

nur die fürsorgliche Mutter, sondern<br />

auch Regisseurin dieser Sommerkomödie.<br />

Kinostart: 9. August<br />

bis 4. August 2012<br />

Camera work, Berlin<br />

Nach seinem Studium arbeitete Ralph Gibson,<br />

heute 73 Jahre, erst als Assistent der Dokumentarfotografin<br />

Dorothea Lange, dann unterstützte<br />

er Robert Frank bei dessen Film „Me<br />

and My Brother“. In den Sixties gründete er<br />

seinen eigenen Verlag. Bekannt ist der New<br />

Yorker, der immer mit Leica arbeitet, vor allem<br />

durch die surreale Schwarz-Weiß-Serie<br />

„Somnambulist“ und seine poetischen Akte<br />

als Silbergelatine-Prints geworden. Eines der<br />

Bilder wählte Peter Saville für die Gestaltung<br />

der Platte „Unknown Pleasures“ von Joy<br />

Division. Da man sich in Sachen Fotografie<br />

immer auf die Galerie CAMERA WORK<br />

verlassen kann, tun wir es auch diesmal.<br />

Ralph Gibson: links: © Ralph Gibson, Leda, 1974 , rechts: © Ralph Gibson, Untitled, 1969<br />

Larry Clark: © Courtesy of Larry Clark, Luhring Augustine, New York, Simon Lee Gallery, London / Gunther Sachs: links: © Keystone, 1965 / rechts: VG Bild-Kunst, Bonn 2012<br />

Highlights aus der Sammlung Gunter sachs<br />

Anfang der 60er wurde<br />

er als Lebemann bekannt<br />

und berüchtigt, umgab sich<br />

mit schönen Frauen wie<br />

Brigitte Bardot, reiste um<br />

die Welt - ein Meister des<br />

Savoir Vivre. Doch Gunter<br />

Sachs machte sich auch<br />

als Fotograf wie als Kunstsammler<br />

einen Namen.<br />

Andy Warhol, Roy Lichtenstein,<br />

Salvador Dalí und<br />

viele mehr zählte der<br />

Industriellenerbe, der sich<br />

vergangenes Jahr das<br />

Leben nahm, zu seinen<br />

Freunden; regelmäßig rief er Kunstausstellungen in der Villa Stuck ins Leben.<br />

Diese zeigt nun eine Auswahl aus Sachs’ beachtlicher Sammlung - als Hommage<br />

an den einzigen deutschen Playboy.<br />

Journey<br />

Wer mit der digitalen Spiele- und<br />

Zockerwelt bislang nichts anfangen<br />

konnte, sollte ihr eine neue Chance<br />

geben. Denn jetzt gibt es „Journey“,<br />

das Spiel, das so einfach wie anspruchsvoll<br />

ist, das poetische Rätsel<br />

aufgibt, irgendwo zwischen Sanddünen<br />

und Felswänden. Man wird eins<br />

mit der vermummten Spielfigur, von<br />

der man nichts weiß und auch nach<br />

langen Spielen nichts erfahren wird.<br />

12 ¤<br />

Ab und an trifft man Weggefährten,<br />

die in Wirklichkeit andere Zocker<br />

sind. Kommunizieren kann man nicht,<br />

stattdessen aber der eigens vom Orchester<br />

eingespielten Musik lauschen.<br />

Irgendwann, so scheint es, vergisst<br />

man die surrende Playstation und<br />

träumt sich davon. Sie haben keine Ahnung,<br />

wovon wir hier reden? Probieren<br />

Sie „Journey“ aus, dann werden<br />

Sie uns verstehen.<br />

bis 12. August<br />

c/o Berlin<br />

LARRY<br />

CLARK<br />

18. Oktober bis 20. Januar 2012<br />

Villa Stuck, münchen<br />

In seinem ersten Fotoband „Tulsa“ dokumentierte<br />

er 1971 die Drogenszene seiner<br />

gleichnamigen Heimatstadt und machte<br />

damit vor, was unzählige Fotografen bis<br />

heute nachahmen. In seinen darauffolgenden<br />

Bildbänden beschäftigte er sich vor<br />

allem mit Teenagern und ihrer Sexualität,<br />

so auch 1995 in seinem ersten Film „Kids“<br />

mit Chloë Sevigny in einer Hauptrolle.<br />

C/O Berlin zeigt derzeit eine umfassende<br />

Werkschau. Unbedingt ansehen.<br />

40<br />

41


AGenda<br />

KONZERTE<br />

Santigold<br />

Köln, Live Music Hall, 11. Juli<br />

München, Backstage Werk, 18. Juli<br />

Berlin, Astra, 20. Juli<br />

Regina Spektor<br />

Paris, Le Trianon, 5. Juli<br />

Wien, Konzerthaus, 18. Juli<br />

Berlin, Tempodrom, 22. Juli<br />

Leonard Cohen<br />

Berlin, Waldbühne, 5. September<br />

Mönchengladbach, Hockeypark,<br />

6. September<br />

SCHAUSPIELhaus HAMBURG<br />

Während die Festivalsaison so<br />

langsam zu Ende geht, sollte man<br />

sich direkt schon wieder Tickets<br />

für die nächsten anstehenden<br />

Konzerte sichern. Santigolds Album<br />

hat alle Erwartungen erfüllt,<br />

„Disparate Youth“ kündigte den<br />

Sommer schon im Frühling an,<br />

ihre Konzerte sollte man also<br />

keinesfalls verpassen. Regina<br />

Spektor meldet sich nach drei<br />

Jahren mit „What We Saw From<br />

The Cheap Seats“ zurück und<br />

feiert das mit einer ausgiebigen<br />

Sommertour. Genau wie Musiklegende<br />

Leonard Cohen: „Old<br />

Ideas, das zwölfte Studioalbum<br />

des schwermütigen Pop-Giganten,<br />

erschien bereits vor sechs<br />

Monaten, das kommende halbe<br />

Jahr wird er auf Tour sein.<br />

Impromptus<br />

Spätestens seit ihrer Choreografie „Allee der Kosmonauten“<br />

kennt man ihren Namen: Sasha Waltz gehört nach Pina<br />

Bausch zu den Größen des deutschen Tanzes. Im Sommer<br />

kehrt sie für einige Aufführungen zurück ins Radialsystem V,<br />

was unter anderem auch Proberaum für sie und ihre Kompanie<br />

ist. Wer sie einmal auf der Bühne hat tanzen sehen weiß,<br />

dass moderner Tanz mehr als nur Schrittabfolgen und schräge<br />

Akrobatik ist. Sasha Waltz steht für eindrucksvollen Ausdruck<br />

und Leidenschaft, für vertanztes Denken.<br />

Ab nach Kassel<br />

Die aktuelle Monopol-Ausgabe zur Documenta.<br />

Jetzt im Handel.<br />

8. - 12. September<br />

Sasha Waltz<br />

Radialsystem V, Berlin<br />

bMW GuGGenheim lab<br />

Theater am Turm, Frankfurt, Royal Court<br />

Theatre, London, Burgtheater, Wien,<br />

Volksbühne, Berlin – ja, die Liste der<br />

Bühnen, auf denen Theaterstar Pollesch<br />

inszenierte, kann sich sehen lassen. Sehen<br />

sollte man aber vor allem sein neustes<br />

Stück - mit <strong>Sophie</strong> Rois in der Hauptrolle -,<br />

das Anfang September Premiere feiert.<br />

Darin geht es um die Liebe und die<br />

Austauschbarkeit des Menschen. Wie<br />

immer lässt Pollesch genial den Zeitgeist<br />

über die Bühne spuken.<br />

René Pollesch<br />

Neues vom Dauerzustand<br />

Premiere: 6. September<br />

Schauspielhaus Hamburg<br />

Es wurde diskutiert, entschieden,<br />

doch wieder<br />

diskutiert – das Kunstprojekt<br />

BMW Guggenheim Lab hatte<br />

keinen leichten Start. Nun<br />

ist es also im Berliner Stadtteil<br />

Prenzlauer Berg stationiert<br />

und versteht sich (wie bereits<br />

bei der ersten Station in<br />

New York) als temporäres Labor<br />

für Konzepte, Ideen und<br />

Designs für das moderne<br />

urbane Leben. Die Liste der<br />

Gastredner liest sich vielversprechend,<br />

auch die angekündigten<br />

Projekte klingen<br />

spannend – einen Eindruck<br />

sollte sich jeder am besten<br />

selbst machen, denn es betrifft<br />

uns ja alle, das Leben<br />

in der Stadt.<br />

bis 29. Juli, Berlin<br />

BMW Guggenheim: © Courtesy Atelier Bow-Wow, Sasha Waltz: © Sebastian Bolesch<br />

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durchbruch<br />

Foto: Mirjam Wählen, Interview: Nella Beljan<br />

Phillipa Brown<br />

hat unter dem Namen<br />

Ladyhawke Millionen Platten verkauft und ist der bekannteste<br />

Pop-Export Neuseelands. Auch Courtney Love und<br />

Kylie Minogue zählen zu ihren Fans. Doch die 33-Jährige<br />

ist nicht nur hypermusikalisch. Vor einigen Jahren wurde bei<br />

ihr das Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus,<br />

diagnostiziert. Umso beeindruckender, dass ihr dennoch<br />

eine Weltkarriere gelang.<br />

I<br />

n einem Ihrer Lieder singen Sie ‚<br />

‚I saw you dancing with a girl like me ‘.<br />

Was für eine Art von Mädchen<br />

sind Sie denn?<br />

Phillipa Brown Ich kann das nicht so genau<br />

sagen. Ehrlich gesagt habe ich mir<br />

in dem Lied vorgestellt, wie der Mann mit<br />

mir tanzt. Ich kann mir niemanden sonst<br />

als mich vorstellen. Ich bin halt ich und<br />

weiß nur, wie ich mich fühle. Ich finde das<br />

sehr schwer, mir vorzustellen, wie andere<br />

mich einschätzen.<br />

Und wenn Sie daran denken, wie Ihre<br />

Mutter Sie beschreibt?<br />

P B Als sehr ruhig und schüchtern. Und<br />

besessen von Musik. Meine Mutter ist<br />

ziemlich stolz auf mich.<br />

Es ist auffällig, dass Sie Männerkleidung<br />

tragen. Ich habe mal gelesen, dass Sie das<br />

machen, um die Geschlechtergrenzen<br />

aufzuweichen.<br />

P B Ja, das stimmt. Ich habe immer schon<br />

mehr Jungssachen angehabt. Ich mag diese<br />

Gender-Limitierungen nicht. Diese Einschränkungen<br />

beginnen schon im Kindesalter.<br />

Kinder wollen einfach nur spielen,<br />

ob mit Trucks oder Puppen. Und dann kommen<br />

die Erwachsenen dazwischen und<br />

nehmen ihnen ihr Spielzeug weg, weil<br />

Barbies nichts für Jungs seien oder Autos<br />

nichts für Mädchen. Und stecken sie in<br />

rosa oder hellblaue Sachen. Das ist so<br />

unfair! Ich selbst habe darunter als Kind<br />

ziemlich gelitten. Also ziehe ich mittlerweile<br />

gar keine Frauenkleidung an. Von den<br />

Stiefeln über die Jeans bis hin zum Pulli<br />

trage ich ausschließlich Männersachen. Das<br />

ist mein Protest.<br />

Sie wirken auch in Männerkleidung<br />

ziemlich feminin.<br />

P B Genau darum geht es. Männerkleidung<br />

macht mich nicht weniger weiblich.<br />

Gerade wegen Ihrer Outfits gelten Sie<br />

als modisches Vorbild. Macht Sie das<br />

nicht noch nervöser? Sie sollen ohnehin<br />

ziemliches Lampenfieber haben.<br />

P B Ja, ich bin dann dermaßen aufgeregt,<br />

dass ich mich schlagartig krank fühle. Oft<br />

muss ich mich übergeben, so schlimm ist<br />

das. Ich ertrage vor meinen Auftritten auch<br />

keinen Lärm und überhaupt keine Geräusche<br />

oder Menschen um mich herum.<br />

Manchmal bin ich sogar mitten in einer<br />

Show von der Bühne gerannt.<br />

Was machen Sie, um sich zu beruhigen?<br />

In welchem Moment hört die Nervosität<br />

manchmal auf?<br />

P B Ich trinke Bier. Alkohol beruhigt mich<br />

und lockt mich irgendwann aus meinem<br />

Schneckenhaus hervor. Ich rauche nicht, ich<br />

weiß mit 33 nicht einmal, wie eine<br />

Zigarette schmeckt und habe auch noch<br />

nie andere Drogen probiert. Aber Alkohol<br />

hilft mir. Dann bitte ich alle Leute um mich<br />

herum, mich alleine zu lassen. Und kauere<br />

mich wie ein kleiner Igel zusammen. Damit<br />

schirme ich mich von Lärm und Licht<br />

und Außen ab. So bleibe ich, bis ich auf<br />

die Bühne gehe. Manchmal hört das Lampenfieber<br />

auf, sobald ich vorm Mikro stehe.<br />

Manchmal aber auch nicht. Dann schaue<br />

ich auf den Zettel mit der Songfolge und<br />

denke: ‚Oh, Gott, noch so viele Lieder’ und<br />

kann es kaum erwarten, sie alle hinter<br />

mir zu haben.<br />

Sie haben Bühnenangst, sind äußerst<br />

schüchtern und mögen Blickkontakt<br />

nicht so gern. Schauen Sie dann bei den<br />

Shows überhaupt in die Gesichter im<br />

Publikum?<br />

P B Wenn ich auf der Bühne stehe, sehe<br />

ich meine Fans gar nicht. Das überfordert<br />

mich. Meist schließe ich auch die<br />

Augen, wenn ich meine Songs singe, das<br />

beruhigt mich ebenfalls ungemein. Ich<br />

kommuniziere auf der Bühne höchstens<br />

mit den vorderen, ersten Reihen der<br />

Konzertbesucher, da stehen immer die<br />

Hardcore-Fans. Dass sie meine Musik<br />

und mich sehr mögen, flößt mir Ruhe und<br />

Selbstvertrauen ein, da kann ich ihnen<br />

ins Gesicht blicken.<br />

Vor einigen Jahren wurde bei Ihnen das<br />

Asperger-Syndrom festgestellt, das zum<br />

Autismusspektrum gezählt wird und<br />

auch als Wrong Planet Syndrom bezeichnet<br />

wird (Anm.: Menschen mit Asperger<br />

fühlen sich oft, als seien sie auf dem<br />

falschen Planeten, da sie die Verhaltensweisen<br />

und emotionalen Konventionen<br />

der anderen nicht verstehen). Waren Sie<br />

froh, als Sie einen Namen dafür hatten,<br />

dass Sie sich anders fühlen? Hat sich<br />

damit etwas für Sie verändert?<br />

P B Ja und nein. Auf der einen Seite war ich<br />

irgendwie erleichtert, weil auf einmal klar<br />

war, wieso ich schon als Kind immer so<br />

ruhig, so zurückgezogen war oder mich<br />

stundenlang mit Puzzles beschäftigt habe.<br />

Für meine Mutter und mich gab es viele<br />

Aha-Erlebnisse, wenn wir von den<br />

Symptomen lasen. Aber eigentlich war es<br />

für mich nicht so wichtig. Ich bin halt ich,<br />

und nun habe ich einen Namen für einige<br />

Phänomene an mir, die andere seltsam<br />

finden. Es weisen aber viele Menschen<br />

diese Verhaltensweisen auf. Ganz<br />

bestimmt sehr viel mehr, als in den Statistiken<br />

auftauchen. Ich beobachte das ja<br />

an meinen Freunden und den Leuten um<br />

mich herum und denke: Die haben auch<br />

alle Asperger und sollten zum Arzt gehen.<br />

Und was würde sich dann ändern?<br />

Warum wäre es gut, zum Arzt zu gehen?<br />

P B Stimmt. Sie haben Recht. Die müssen<br />

nicht zum Arzt gehen. Mir haben die<br />

Tourneen und der Job geholfen. Dadurch<br />

treffe ich auf so viele fremde und unterschiedliche<br />

Menschen und habe schon viel<br />

besser gelernt, mit bestimmten Situationen<br />

umzugehen. Mein Leben hat sich, als<br />

bekannt wurde, dass ich Asperger habe,<br />

nämlich ganz schön verändert, das mochte<br />

ich gar nicht. Weil auf einmal diese große<br />

mediale Aufmerksamkeit da war und ich<br />

nur noch auf das Asperger festgelegt<br />

wurde, als sei das und nur das meine Identität.<br />

Es ist aber nur ein Teil.<br />

Das war bestimmt schwer. Und dann<br />

kursieren auch noch falsche, pauschale<br />

oder konträre Annahmen über Asperger.<br />

Früher ging man davon aus, dass<br />

Asperger-Menschen lieber für sich seien.<br />

In einem Ihrer Songs sprechen Sie aber<br />

davon, dass es schrecklich sei, wenn<br />

jemand ginge und dass Sie nicht alleine<br />

sein wollen.<br />

„Ich genieße Nähe. Aber<br />

Umarmungen mag<br />

ich nicht so gerne ... In<br />

Europa umarmt man<br />

sich ständig und verteilt<br />

Küsschen. Das ist<br />

der Horror für mich.“<br />

P B Ja, ich singe ständig davon. Darum<br />

dreht sich mein ganzes Schreiben, alle<br />

meine Lieder sind voll davon, dass ich es<br />

nicht mag, alleine zu sein. Dann bin ich<br />

nämlich allein mit meinen Gedanken und<br />

kreise die ganze Zeit um mich.<br />

Wie funktionieren Partnerschaften bei<br />

Ihnen? Können Sie Nähe zulassen?<br />

P B Ich brauche ziemlich lange, bis ich<br />

mich auf jemanden einlasse. Aber wenn<br />

ich erst einmal vertraue, dann genieße<br />

ich Nähe und möchte gern Zeit mit dem<br />

Menschen verbringen und ihn um mich<br />

herum haben. Das wird mir dann sehr<br />

wichtig. Umarmungen und Gedrücktwerden<br />

mag ich aber auch heute noch<br />

nicht so gern.<br />

Sie waren bestimmt schon in vielen merkwürdigen<br />

Situationen, weil Sie Umarmungen<br />

nicht so mögen, oder?<br />

P B Ja, absolut! Ich habe damit immer<br />

wieder komische Erlebnisse und daran<br />

merke ich ganz besonders, dass ich offenbar<br />

anders bin. Besonders hier in Europa.<br />

Hier umarmt man sich ständig, sogar<br />

zur Begrüßung, auch wenn man sich gar<br />

nicht so gut kennt!<br />

Und Küsschen rechts und links!<br />

P B (lacht) Ja, das ist der Horror für mich!<br />

Ich habe zum Beispiel einmal einen sehr<br />

netten Mann kennen gelernt. Ich glaube, er<br />

war Italiener. Ich sehe ihn das zweite Mal<br />

und er wollte mich mit Küsschen auf die<br />

Wangen begrüßen. Mir war das aber nicht<br />

klar. Ich werde nie vergessen, wie er auf<br />

meine ausgestreckte Hand starrte, als sei<br />

sie ein Alien. (lacht) Er sagte mir dann,<br />

dass man sich bei ihm anders begrüße.<br />

Also musste ich, mittlerweile völlig verstockt,<br />

ihm auch noch Küsschen auf beide<br />

Wangen geben. Das war schrecklich!<br />

Wenn Sie unterwegs sind, haben Sie<br />

immer eine Band dabei. Sie gehen auch<br />

mit den Leuten aus, verbringen Ihre<br />

gesamte Zeit mit ihnen. Wie ist das?<br />

P B Ach, meine Band ist super, wir<br />

verstehen uns sehr gut. Wir lachen über<br />

Situationen wie die mit dem Italiener.<br />

Bei meine Band kann ich sein wie ich bin.<br />

Das ist sehr angenehm. Ich laufe immer<br />

ziemlich schluffig herum, ich trage oft Hüte<br />

und mache mich unsichtbar. Für mein<br />

Team ist das völlig okay. Schlimm wird es<br />

nur, wenn wir Videos drehen. Wenn ich<br />

gefilmt werde, wie ich einfach nur die<br />

Straße entlanglaufe, sieht das fürchterlich<br />

aus. Ich gehe einfach nicht gerade. Und<br />

dann muss eine Szene zwanzig Mal<br />

wiederholt werden. Dabei gebe ich mir<br />

echt Mühe! (lacht) Bis es einigermaßen<br />

telegen wirkt, treibe ich die Leute am<br />

Set fast in den Wahnsinn! Glücklicherweise<br />

müssen wir nicht oft Videos drehen.<br />

Sie sollen ziemlich viele Instrumente<br />

spielen.<br />

p b Haben Sie gelesen, es seien zehn? Das<br />

stimmt nämlich nicht! (lacht) Es sind<br />

schon ein paar Instrumente, die ich spiele,<br />

und auf meinen Alben nehme ich am<br />

liebsten alles alleine auf. Aber ich finde es<br />

auch toll, eine Band zu haben. Auf der<br />

Bühne spiele ich meist Gitarre und singe.<br />

Aber eigentlich sind die Drums mein<br />

Instrument. Manchmal bin ich bei Auftritten<br />

neidisch, weil ich gern am Schlagzeug<br />

sitzen würde und dann richtig<br />

reinhauen könnte. ende<br />

PHILLIPA BROWN wurde 1979 in Masterton, Neuseeland<br />

geboren. International bekannt wurde sie 2008 mit<br />

ihrem Song „Paris is Burning“. Ihr zweites Album<br />

„Anxiety“ ist gerade bei Universal Music erschienen.<br />

45


pin-up<br />

Foto: ZDF, © 2009 Carin Baer /AMC/ Lionsgate, Text: Doris Hardt<br />

Jon Hamm<br />

spielt den New Yorker Werber Don Draper in der gigantisch<br />

erfolgreichen Fernsehserie „Mad Men“. Eigentlich ist es nicht der Schauspieler selbst, der die<br />

Lippen unserer Autorin prall und ihre Bäckchen rot werden lässt. Sondern der verwegene<br />

Charakter und die wuchtigen Anzüge Don Drapers: Ihre Fingerspitzen können sich vorstellen,<br />

wie sich das Gewebe seiner Hose anfühlt und die feste Männermasse darunter.<br />

J<br />

on Hamm ist nicht Don Draper.<br />

Er sieht nicht mal aus wie Don<br />

Draper. Der wirkliche Jon Hamm,<br />

oder zumindest die Version, die<br />

er den Medien preisgibt, hat zum<br />

Beispiel öfter mal diese doofe amerikanische<br />

Freizeitkleidung an. Amerika ist das<br />

einzige Land dieser Welt, wo es so etwas<br />

Doofes wie Freizeitkleidung gibt, und die<br />

lässt wirklich absolut jeden doof aussehen.<br />

Auch Jon Hamm. Jon Hamm trägt schon<br />

mal die Haare in die Stirn gekämmt,<br />

oder eben nicht gekämmt, und mit Haaren<br />

in der Stirn sieht dieser Mann wirklich<br />

nicht gut aus.<br />

(Können wir in einem kurzen Exkurs über<br />

das Phänomen Stirnfransen bei Männern<br />

nachdenken? Es ist ja eine relativ neue<br />

Erscheinung. Als erstes kommt einem jetzt<br />

natürlich Justin Bieber in den Sinn, aber<br />

wahrscheinlich waren die ersten mit<br />

Haaren in der Stirn die Beatles. Davor war<br />

die männliche Stirn frei und windgekühlt<br />

und kühn. Glauben Sie, es ist Zufall, dass<br />

so viele Redensarten, die männliche Standfestigkeit<br />

und Unerschrockenheit zum<br />

Thema haben, mit der Stirn-Metapher<br />

operieren? Und jetzt sitzen wir da und die<br />

Männer haben einen Pony, einen kuscheligen,<br />

warmen Pony, den sie sich ab und zu<br />

wegschütteln oder wegschieben müssen.<br />

Keine Stirn mehr.)<br />

Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass<br />

ein Mann, der einen wie Don Draper spielt,<br />

auch mal nicht gut aussehen kann, aber<br />

dieser kann es. Denn Jon Hamm ist nicht<br />

Don Draper. Nur Don Draper ist Don<br />

Draper, und wer auch immer der Kreativdirektor<br />

von der Madison Avenue nun wieder<br />

ist, er ist unfassbar attraktiv. Seit etwa<br />

einem Jahr kennt wirklich jede Frau in<br />

meinem Umfeld Don Draper, und bei jeder<br />

passiert etwas im Gesicht, wenn sie seinen<br />

Namen hört: Durchblutung steigt, Lippen<br />

werden prall, Bäckchen rosig, Augen<br />

glänzen. Don Draper ist ein Pin-up, das<br />

komplett angezogen Frauen so heiß macht,<br />

wie es nur wenige Männer nackt können.<br />

Es sind seine Anzüge, perfekt sitzend, nie<br />

zerknittert, dieser Sixties-Chic. Unsere<br />

Fingerspitzen können sich vorstellen, wie<br />

sich das Gewebe anfühlt und die feste<br />

Männermasse darunter. Unsere Nasen erinnern<br />

sich, wie gestärkte Hemdkragen<br />

riechen und polierte Schuhe. Don Drapers<br />

Anzüge tun exakt das, was man sich<br />

generell von Kleidung erhofft: Sie unterstreichen,<br />

was schön ist an einem Körper,<br />

Don Draper ist ein<br />

Pin-up, das komplett<br />

angezogen Frauen<br />

so heiß macht, wie es<br />

nur wenige Männer<br />

nackt können.<br />

sie sind wie „Stabilo Boss Highlights“ zum<br />

Anziehen – der Mann hat wahnsinnig<br />

breite Schultern, einen starken Rücken,<br />

unter dem Hemd lassen sich Brustmuskeln<br />

erahnen, die Hüfte ist schmal, der Hintern<br />

hoch und die Beine lang. (Ich habe übrigens<br />

grosse Angst davor, dass die Serie in<br />

die 80-er Jahre überführt wird und Don<br />

Draper dann „Miami-Vice“-Anzüge tragen<br />

müsste.) Ich ertappe mich oft dabei, wie<br />

ich auf die Anzughose starre und versuche,<br />

irgendwelche Andeutungen zu Drapers<br />

Penisgröße zu erhaschen – bisher erfolglos.<br />

Aber es ist schlicht unvorstellbar,<br />

dass dieser Mann einen Kleinen hat, nein,<br />

ich gehe absolut davon aus, dass der riesig<br />

ist, ein brutales Ding, zum Fürchten.<br />

mad men buch<br />

Ich weiss gar nicht, wie viel der Charakter<br />

der Figur damit zu tun hat, dass Frauen<br />

so auf Draper fliegen. Natürlich, er ist mysteriös,<br />

dunkel, tief; vielleicht gefällt uns<br />

auch, dass er sein Begehren nie hündischdeutlich<br />

kommunizieren würde, sondern<br />

immer mit einer gewissen Abscheu nimmt,<br />

was er will - was für den Sextraum<br />

tipptopp funktioniert, aber in der Realität<br />

würde keine Frau so einen Mann wollen,<br />

einfach weil das letztlich alles viel zu<br />

anstrengend ist, all die Geheimnisse und<br />

das finster Dreinblicken und der tägliche<br />

emotionale Huch-hab-ich-schon-wiederwas-Falsches-gesagt-Spießrutenlauf.<br />

Nein, ich behaupte, es ist größtenteils das<br />

Aussehen, der Look dieses Mannes, diese<br />

Haltung, dieser Ernst, dieses Männlichkeitspathos<br />

mit der akkurat gescheitelten<br />

Frisur, der freien Sicht auf diese Stirn. Ende<br />

Jon Hamm spielt seit 2007 in der US-Kultserie „Mad Men“<br />

den Protagonisten Don Draper. Diese Rolle brachte ihm<br />

neben dem großen Durchbruch auch einen Golden<br />

Globe und eine Emmy-Nominierung ein. In Deutschland<br />

wird die Serie auf ZDFneo ausgestrahlt.<br />

Der Titel der Fernsehserie „Mad<br />

Men“ ist eine Ableitung von Men<br />

of Madison Avenue, der Straße<br />

in New York, auf der sich in den<br />

60er-Jahren vor allem Werbeagenturen<br />

ansiedelten. Sterling Cooper,<br />

die Agentur, um die sich der Alltag<br />

Don Drapers dreht, ist zwar fiktiv,<br />

der Stil, aber auch die Kampagnen<br />

orientiert sich teilweise an wirklichen<br />

Geschehnissen. Inspiriert von der<br />

Serie versammelt dieser Doppelband<br />

die smartesten und wirkungsmächtigsten<br />

US-Werbungen der 50er und 60er Jahre. Für alle Mad-<br />

Men-Junkies: perfekt geeignet für den Faktencheck.<br />

47


Der Körper<br />

Foto: Katharina Poblotzki, Interview: Lena Bergmann<br />

Helen Walsh nutzte als Teenager ihren Körper als Machtinstrument.<br />

Als Mutter erlebte sie eine postnatale Depression, die sie zum Thema ihres dritten<br />

Romans „Ich will schlafen“ machte. Für unsere Rubrik „Der Körper“ spricht die britische<br />

Kultautorin über die Schmerzen der Geburt, Selbstmordgedanken und wie sie beim<br />

Joggen entspannt.<br />

F<br />

rau Walsh, in Ihrem neuen<br />

autobiographischen Roman<br />

geht es um Schlaflosigkeit<br />

und postnatale Depressionen.<br />

Dieser psychische Zustand hat ja<br />

zunächst wenig mit dem Körper zu tun.<br />

Helen Walsh Das stimmt, zumindest nicht<br />

mit Idealmaßen. Ob man jemals wieder<br />

in die alte Jeans passt, ist wirklich das<br />

Letzte, was einen umtreibt. Es gibt unterschiedliche<br />

Auslöser für postnatale Depressionen.<br />

Bei mir – und meiner Protagonistin<br />

– war es die Tatsache, nicht mehr<br />

schlafen zu können, weil mein Sohn es nicht<br />

tat, sondern dauernd schrie und seine<br />

Milch in hohem Bogen wieder auskotzte.<br />

Das hat vermutlich meine Psychose ausgelöst,<br />

was aber erst viel später festgestellt<br />

wurde. Dass man sein eigenes, sehnsüchtig<br />

erwartetes Kind dann nicht so annehmen<br />

kann, wie man das sollte, dafür<br />

machte ich mir extreme Vorwürfe.<br />

Extrem ist allerdings auch der Übergang<br />

für den Körper, erst die Schwangerschaft,<br />

dann das Stillen ...<br />

h W Ich habe es richtig genossen, schwanger<br />

zu sein und dick zu werden. Außerdem<br />

hatte ich eine sehr intensive emotionale<br />

Beziehung zu dem Wesen in mir aufgebaut,<br />

stärker als zu demselben Wesen außerhalb<br />

von mir. Das Feeling nach der Geburt,<br />

als dieser Ballon leer in sich zusammen<br />

gesackt war und einen verknitterten Körper<br />

zurück gelassen hatte, hat in mir ein<br />

Gefühl des körperlichen Verlusts und<br />

der Trauer ausgelöst.<br />

Stillen kann die Beziehung zwischen<br />

Mutter und Kind fördern, aber auch<br />

negative Gefühle auslösen. Auch wenn<br />

keine „gute Mutter“ das zugeben darf.<br />

h W Ich lag völlig benommen da, hatte<br />

bereits tagelang nicht geschlafen, und fühlte<br />

mich auf meine Brustwarzen reduziert,<br />

auf denen mein Sohn herumkaute. Als<br />

Emanze hätte ich das vielleicht nicht als so<br />

schlimm empfunden, wenn er ein Mädchen<br />

gewesen wäre – ich weiß es nicht. In<br />

meinem damaligen Zustand als depressive<br />

Mutter schien mir das jedenfalls unerhört.<br />

Erniedrigend.<br />

Ihr Buch haben Sie teilweise in diesem<br />

körperlichen Extremzustand des Schlafentzugs<br />

geschrieben, der sich bei Ihnen<br />

über knapp zwei Jahre erstreckte. Als<br />

Leser fühlt man förmlich den Schmerz<br />

hinter Ihren Augen.<br />

h W Natürlich habe ich das Geschriebene<br />

später überarbeitet. Aber ich wollte damals<br />

diese Obsession festhalten, die wilden Gedanken,<br />

die dieser Zustand in mir auslöste,<br />

getrieben von Paranoia, Halluzinationen,<br />

Realitätsverlust. Und natürlich war es auch<br />

körperliche Folter, nicht zum Schlafen zu<br />

kommen. Ich habe nachts im Internet mit<br />

Menschen gechattet, die ebenfalls schlaflos<br />

waren. Manche konnten wegen extremer<br />

Schmerzen nicht schlafen, anderer wegen<br />

psychischer Probleme. Viele, auch ich,<br />

hatten Selbstmordgedanken.<br />

In England haben Ihnen inzwischen viele<br />

Frauen dafür gedankt, dass Sie so ehrlich<br />

über das Thema geschrieben haben.<br />

H W Ja, postnatale Depressionen sind ein<br />

Thema das tabuisiert wird. Auch die<br />

Geburts-wehen werden aus Freude über<br />

das Kind dann nicht einfach vergessen.<br />

Viele Frauen, die mir geschrieben haben,<br />

haben bestätigt, dass Ressentiments gegen<br />

ihr Kind auch durch vorher durchlebte<br />

Schmerzen der Mutter entstehen können.<br />

Ich jedenfalls kann diese Schmerzen niemals<br />

vergessen. Wenn man mich gelassen<br />

hätte, hätte ich mich aus dem Fenster gestürzt,<br />

um ihnen zu entkommen!<br />

Es ging in Ihrem Buch auch um Identitätsfindung.<br />

Die alte Identität und die<br />

neue Mutteridentität müssen sich ja auch<br />

erst aneinander gewöhnen.<br />

„Ich hatte mit 13 Sex mit einem 35-Jährigen. Ich habe<br />

später in der Zeitung über diese Erfahrung geschrieben<br />

und warum ich fand, dass dieser Mann nicht ins<br />

Gefängnis gehört.“<br />

H W Absolut. Und viele Frauen machen<br />

sich für diesen ganz normalen inneren<br />

Konflikt einen Vorwurf. Auf einmal ist da<br />

diese dominante Mutter-Identität. Für<br />

viele Mütter ist die Identitätskrise auch<br />

eine körperliche Krise, weil der Sexdrive<br />

nachlässt oder der Körper nicht mehr so<br />

aussieht wie vorher.<br />

Machen Sie viel für Ihren Körper?<br />

H W Ich war früher sehr athletisch, ich<br />

war ständig schwimmen und joggen. Heute<br />

gehe ich auch wieder joggen, allerdings<br />

für meinen Kopf. Als Entspannungsritual.<br />

Inwiefern hat sich das Verhältnis zu<br />

Ihrem Körper geändert?<br />

H W Ich war immer eine sehr sexuelle<br />

Person, hatte auch mit 28, 29 einen per-<br />

fekten Körper mit perfekten Brüsten. Die<br />

sind nun für immer gealtert, meine<br />

Silhouette wird nie mehr so schlank sein<br />

wie früher. Aber ich bin entspannt.<br />

Wann wurde Ihr Körper Ihnen als junges<br />

Mädchen wichtig?<br />

H W Viele Jahre gar nicht. Ich war ein<br />

Tomboy, ein halber Junge mit kurzen Haaren<br />

und Fußballfreunden. Als ich mit elf<br />

das Stipendium einer Mädchenschule erhielt,<br />

habe ich mich zum ersten Mal nackt<br />

im Spiegel angeschaut. Von da an ging<br />

es schnell mit der Sexualisierung.<br />

Wie hat sich alles verändert?<br />

H W Ich habe mich erforscht. Ich saß auf<br />

dem Rücksitz unseres Autos, und plötzlich<br />

griff meine Mutter nach hinten und zog<br />

meine Hand weg, die zwischen meinen<br />

Beinen lag! Ich wusste gar nicht, was ich da<br />

mache, aber von nun an tat ich es ständig<br />

(lacht): „Mama, ich gehe hoch, ein Buch<br />

lesen...!“<br />

Und irgendwann wussten Sie auch um<br />

die Wirkung Ihrer neuen Attraktivität.<br />

H W Ich ließ mir die Haare wachsen und<br />

hatte plötzlich Brüste. Als ich zwölf wurde,<br />

haben die Menschen mich auf einmal<br />

anders angeschaut. Und das mochte ich<br />

sehr, sehr gerne. Weil ich vorher niemals<br />

positiv angeschaut worden war...<br />

Ist es nicht oft dramatisch, wie Mädchen,<br />

die noch Kinder sind, plötzlich durch ihre<br />

Sexualität ein neues verführerisches<br />

Selbstbewusstsein spüren, dessen Kraft<br />

sie eigentlich überfordert?<br />

H W Oh ja. Ich hatte mit 13 Sex mit einem<br />

35-Jährigen. Ich habe später in der Zeitung<br />

über diese Erfahrung geschrieben – ohne<br />

seinen Namen zu nennen – und warum<br />

ich fand, dass dieser Mann nicht ins Gefängnis<br />

gehört: ICH hatte IHN verführt. Ich<br />

war auf eine sexuell aggressive Weise<br />

vorgegangen, habe ihn mir ausgesucht, ihn<br />

angerufen, ich hatte ein paar Mal mit ihm<br />

Sex, dann wurde er mir langweilig. Ich<br />

habe meine neue Macht sehr genossen. Auf<br />

einmal hatte ich die Wahl und musste<br />

nicht, wie während meiner Kindheit, darauf<br />

warten, bis mich jemand in sein Team<br />

wählt. Später habe ich den Mann sogar<br />

wieder getroffen. Er hat sich fürchterlich<br />

geschämt. Das hat ihn verraten. Ich kam<br />

danach zu einem neuen Fazit: Er war der<br />

Erwachsene, ICH war das Opfer – ich trug<br />

damals eine Zahnspange und hatte kaum<br />

Schambehaarung.<br />

Frühreife Mädchen umgibt immer auch<br />

etwas Tragisches.<br />

H W Eine typische Nachtclubszene: Ein<br />

Mädchen hat sich hinein geschmuggelt und<br />

inszeniert sich als männermordende<br />

Nymphe. Später geht sie nach hause, zieht<br />

ihren Pyjama an, und wenn sie einen<br />

Albtraum hat, legt sie sich rüber zu Mama<br />

und Papa ins Bett. Männer sollten das<br />

durchschauen. Und nicht ausnutzen. Aber<br />

natürlich ist das Verhältnis zwischen<br />

dem „Monster“ und der „Missbrauchten“<br />

niemals nur schwarz und weiß.<br />

Sie denken also nie nostalgisch zurück<br />

an diese Phase? Als Ihr Körper noch<br />

diese Kraft hatte?<br />

H W Überhaupt nicht. Ich bin sehr glücklich<br />

heute. Meine Freundin, eine Schön-<br />

heitschirurgin, überlegt immer, wo sie bei<br />

mir Botox platzieren könnte. Ich hätte<br />

Angst, dass da etwas schief geht. Immerhin<br />

habe ich mir nun zum ersten Mal im Leben<br />

die Nägel machen lassen! Auf einmal<br />

haben mich Frauen auf dem Spielplatz<br />

angesteuert, die vorher noch nie mit mir<br />

gesprochen hatten und geflötet: „Oh, I<br />

love your nails!“ ende<br />

Helen Walsh wurde 1977 in der Nähe von Liverpool,<br />

England, geboren, zog aber mit 13 Jahren nach<br />

Barcelona, weil sie aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit<br />

zur Prostitution gezwungen werden sollte. Ihren ersten<br />

Roman „Millie“ veröffentlichte sie 2004. Ihr neuer ‚Ich<br />

will schlafen!‘ ist bei Kiepenheuer&Witsch erschienen.<br />

48 49


Legende<br />

Text: Lena Bergmann<br />

Rosamond Bernier hätte genügend<br />

Geschichten für drei Leben zu erzählen:<br />

Die heute 95-jährige Grande Dame der New Yorker<br />

Kunstkritik war erst Paris-Korrespondentin der<br />

Vogue, freundete sich mit Matisse an, gründete ein<br />

legendäres Kunstmagazin, wurde berühmt für ihre<br />

Vorträge im MoMA und ist immer noch blitzgescheit.<br />

Dabei hatte sie es nie auf eine Karriere angelegt.<br />

E<br />

ine Warnung vorweg: Für<br />

angestrengte Karrieristinnen<br />

(auch ich fühle mich ertappt)<br />

könnte es beim Weiterlesen hart<br />

werden. Denn wir treffen eine Frau, die<br />

in ihrem Leben niemals eine Bewerbung<br />

formuliert, kein einziges Vorstellungsgespräch<br />

geführt und erst recht keinen Blick<br />

in eine desillusionierende Zeitungsrubrik<br />

wie den „Stellenmarkt“ geworfen hat. Und<br />

trotzdem eine Karriere hingelegte, von<br />

der man heute nur noch träumen kann.<br />

Berufsbild: Moderedakteurin, Kunstkritikerin,<br />

Herausgeberin, Dozentin. Einsatzgebiet:<br />

Paris, London, New York. Ihr erster<br />

Job für die amerikanische Vogue wurde<br />

Rosamond Bernier mit Ende 20 angeboten<br />

– während einer Dinnerparty. Nur zwei<br />

Jahre später, 1947, wurde sie vom Verlag<br />

Condé Nast ins Nachkriegsparis geschickt,<br />

um über die Entwicklungen in der europäischen<br />

Mode- und Kunstszene zu berichten.<br />

In Paris gründete sie dann auch Mitte<br />

der 50er mit ihrem zweiten Ehemann das<br />

Kunstmagazin L‘ŒIL, dessen Ausgaben<br />

mittlerweile Sammlerwert besitzen, sowohl<br />

wegen der Inhalte als auch der prägnanten<br />

Layouts. Ihren letzten beruflichen<br />

Auftritt schließlich erledigte Rosamond<br />

Bernier 2008: Souverän parlierte die<br />

damals 91-Jährige im New Yorker MoMA<br />

über die Renaissance, die die großen<br />

Pariser Couturiers nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

erlebten. Wie immer bei ihren Vorträgen<br />

trug sie eine glamouröse Abendrobe<br />

und redete frei, vor einem<br />

berstend vollen Saal, dessen<br />

Plätze bereits Monate zuvor<br />

ausverkauft gewesen waren.<br />

Nun ist Bernier 95. Ihr Apartment<br />

liegt an der Upper East<br />

Side, „fußläufig zum Whitney<br />

Museum und der Frick<br />

Collection“, wie sie beiläufig<br />

erzählt. Soeben ist sie von einer<br />

Frankreich-Reise zurückgekommen.<br />

Dass sie dabei wegen<br />

einer Fußverletzung im<br />

Rollstuhl sitzen musste und von einer<br />

Freundin geschoben wurde, schmälerte ihr<br />

Vergnügen nicht: „Ich habe die Straßenzüge<br />

und die Architektur von Paris noch einmal<br />

aus der Perspektive eines Kindes gesehen.“<br />

Emails beantwortet Bernier prompt, und am<br />

Telefon klingt sie, als sei sie 50. Höchstens.<br />

Nicht wegen der Stimme, sondern wegen der<br />

Präsenz: eine messerscharfe Mischung<br />

aus Wissen und Charme.<br />

Wie wird man so alt, Frau Bernier? Und<br />

behält dabei so gute Laune? „Indem man sich<br />

seine Neugierde und das Interesse an der<br />

Welt bewahrt! Ich empfinde mich nicht als<br />

außergewöhnliche Erscheinung. Ich hatte<br />

nur außergewöhnliches Glück.“ Ihren<br />

ebenso außergewöhnlichen Lebensweg hat<br />

sie in einer Autobiografie nachgezeichnet,<br />

die im letzten Jahr beim New Yorker Verlag<br />

Farrar, Straus & Giroux erschienen ist.<br />

Am Erscheinungstag des Buches feierte sie<br />

ihren 95. Geburtstag.<br />

„Some of my lives“ ist eine präzise erinnerte<br />

Skizzensammlung. Deren rasante<br />

Szenenwechsel versammeln nicht nur<br />

eine beeindruckende Menge prominenter<br />

Persönlichkeiten aus Musik, Kunst und<br />

Architektur (die meisten von ihnen hat<br />

Bernier inzwischen überlebt), sie lassen<br />

den Leser auch an dem wunderbaren<br />

Gefühl teilhaben, als junge Frau zur richtigen<br />

Zeit am richtigen Ort zu sein. Und<br />

das über mehrere Dekaden hinweg.<br />

Nebenbei gewinnt man Einblicke in ein<br />

goldenes Zeitalter für Magazine, in dem<br />

Verlagshäuser das Geld noch mit vollen<br />

Händen ausgaben – zum Beispiel für<br />

längere Hotelaufenthalte von Korrespondenten<br />

in fernen Metropolen, an die nicht<br />

zwangsläufig auch stramme Deadlines<br />

geknüpft waren, sondern nur der nonchalant-vage<br />

Auftrag, bitte doch „Interessantes<br />

zu berichten.“<br />

Und wer hätte besser beurteilen können,<br />

was interessant war, und sich vor allem<br />

auch Zugang zu den entsprechenden<br />

Kreisen zu verschaffen als die charmante<br />

Anwaltstochter aus Philadelphia? Bis zu<br />

ihrem Aufbruch nach Paris hatte Bernier<br />

nämlich schon einiges erlebt. Als Kind<br />

eines musikbesessenen Mäzens des<br />

Philadelphia Orchestra war sie von Geburt<br />

an regelmäßig von illustren Hausgästen<br />

umgeben. Da ihre Mutter starb, als<br />

Rosamond gerade mal acht Jahre alt war,<br />

wurde sie früh gezwungen, „nicht nostalgisch<br />

zu sein, sondern nur nach vorne<br />

zu blicken.“ Als sie während des College-<br />

Besuchs Urlaub in Mexiko macht, lernte sie<br />

auf einem Konzert Frida Kahlo kennen,<br />

die das junge Mädchen unter ihre Fittiche<br />

nahm und ihr denselben exzentrischen<br />

Look verpasste, den sie selbst zelebrierte.<br />

Noch Jahrzehnte später trug Bernier bei<br />

einem Vortrag über die Künstlerin ein Tuch,<br />

das diese ihr geschenkt hatte.<br />

Schließlich brach sie ihre Studien ab,<br />

um mit ihrem ersten Ehemann ganz nach<br />

Mexiko zu ziehen. Dieser „verschönte“<br />

damals die Küste von Acapulco mit einer<br />

Reihe von Resorts. Bis die Ehe 1945 scheiterte,<br />

verbrachte Bernier dort aufregende<br />

Jahre – sie lernte fließend spanisch, hielt<br />

sich eine Menagerie aus Ozelot, Ameisenbär<br />

und tropischen Vögeln, lernte Flugzeuge<br />

fliegen und bot einer Bekannten mit<br />

Liebeskummer ihr Gästehaus an. Zurück<br />

in New York fädelte ebendiese Dame dann<br />

Bernier freundete sich<br />

mit der Schriftstellerin<br />

Gertrude Stein an<br />

oder mit Henri Matisse,<br />

der sie immer, wenn sie<br />

ihn besuchte, zu fragen<br />

pflegte: „Was hast<br />

Du heute für<br />

die Farbe getan?“<br />

Rosamonds berufliche Entwicklung ein:<br />

die Ehefrau des Condé-Nast-Präsidenten<br />

Iva Patcevitch brachte sie mit Alexander<br />

Liberman, dem Art Director der Vogue,<br />

sowie deren Chefredakteurin Edna Chase<br />

zusammen. Und die empfahl ihr nicht nur,<br />

zu ihrem mexikanischen Rock „an Stelle<br />

einer weißen Bluse eine schwarze“ zu<br />

tragen, sondern fegte Berniers Bedenken,<br />

sie habe die letzten fünf Jahre am Strand<br />

von Acapulco verjubelt und verstehe nichts<br />

von Mode, mit den Worten weg: „Ich<br />

erkenne eine Moderedakteurin, wenn ich<br />

eine sehe.“ Natürlich kam Bernier auch<br />

zugute, dass sie fließend französisch und<br />

spanisch sprach – „ein Grund, warum<br />

man mich damals nach Paris schickte.“<br />

Dort wurde für Bernier kurzerhand eine neue<br />

Stelle als European Features Editor geschaffen.<br />

Ihr wurde ein Illustrator zur Seite gestellt<br />

(„mein Job war in erster Linie, ihn halbwegs<br />

nüchtern zu halten“), und sie machte schnell<br />

Bekanntschaften. Sie freundete sich mit<br />

der Schriftstellerin Gertrude Stein an und mit<br />

Henri Matisse, der sie immer zu fragen<br />

pflegte: „Was hast Du heute für die Farbe<br />

getan?“ (Einmal riet er ihr ganz konkret, zu<br />

einem orangenen Mantel einen gelben<br />

Schal zu tragen.) Zu ihren Bekannten und<br />

Interviewpartnern gehörten Fernand Léger,<br />

Joan Miró, Max Ernst und Alberto Giacometti.<br />

Selbst der schwierige Picasso war nicht<br />

immun gegen Berniers Charme. Später<br />

stellte er für ihr Kunstmagazin unveröffentlichte<br />

Bilder zur Verfügung und signierte<br />

sogar dessen Erstausgabe.<br />

Berniers Taktik als Journalistin war es,<br />

Interesse auszustrahlen, ohne aufdringlich<br />

zu sein. Wenn sie jemanden traf, blieb sie<br />

trotz des Hintergedankens, gerade eine<br />

Geschichte für ihr Magazin zu generieren,<br />

sympathisch unverkrampft. Sie konnte<br />

schweigen und den (meist männlichen)<br />

Egos Raum lassen, und dann im richtigen<br />

Moment mit fundiertem Wissen die<br />

ernstzunehmende Gesprächspartnerin<br />

aus dem Hut zaubern. Kein Wunder also,<br />

dass auch ihre zweite Pariser Unternehmung<br />

glückte, das Magazin L‘ŒIL, das<br />

bis Anfang der 70er ein vielbeachtetes<br />

Nischenprodukt war, für das Bernier namhafte<br />

Kunstkritiker als Autoren gewinnen<br />

konnte.<br />

Nachdem 1971 auch ihre zweite Ehe zerbrochen<br />

war, landete Bernier wieder in<br />

New York. Bevor sie sich aber in eine<br />

Lebenskrise hineinsteigern konnte, bekam<br />

sie das nächste Jobangebot: Sie sollte an<br />

Universitäten und Museen Vorträge über<br />

Kunst halten. Obwohl sie sich zunächst<br />

überfordert fühlte, überwand sie ihre<br />

Bühnenangst und lieferte höchst individuelle<br />

Reden, eine Mischung aus stets frei<br />

vorgetragener kunstkritischer Betrachtung<br />

und persönlich Erlebtem. Diese Vorträge<br />

waren auch deshalb so legendär, weil sie<br />

50


Schmuckdesign<br />

Cartier<br />

Aldo Cipullo:<br />

Armreif „Juste un clou“<br />

5.400 €<br />

Das Talent zum Goldschmied<br />

wurde ihm in die Wiege gelegt, Aldo<br />

Cipullos Vater war ein renommierter<br />

Juwelier. Mit Anfang zwanzig ging der<br />

junge Römer nach seinem Architekturstudium<br />

nach New York an die School<br />

of Visual Arts und stellte sein Können<br />

dann bei Tiffany unter Beweis. Ende der<br />

60-er wechselte er zu Cartier und entwarf<br />

dort das „Love“-Armband, das sich<br />

heute noch verliebte und vermögende<br />

Paare gegenseitig ans Handgelenk schieben.<br />

Der Reif aus Gold oder Platin wird<br />

mit Hilfe eines speziellen Schraubenziehers<br />

geöffnet und am Arm der geliebten<br />

Person wieder verschlossen. Cipullo<br />

gelang es, durch dieses – gewollt an<br />

einen Keuschheitsgürtel erinnernde<br />

– Schmuckstück eine neue Symbolik der<br />

Zusammengehörigkeit zu schaffen. Aufgrund<br />

des Erfolgs seiner Kreation ließ<br />

Cartier fortan dem Designer komplette<br />

künstlerische Freiheit. Cipullo begann,<br />

mit Alltagsgegenständen zu experimentieren,<br />

schaffte es, einem einfachen, vergoldeten<br />

Nagel als Reif Anmut zu geben<br />

und verwandelte ihn in eines der begehrtesten<br />

Schmuckstücke überhaupt. Mehr<br />

als 40 Jahre ist dieser Triumph nun her,<br />

und wäre Aldo Cipullo nicht 1984<br />

gestorben, wer weiß, was er noch zu<br />

Gold gemacht hätte.<br />

meist abends statt fanden und Bernier<br />

in Festgarderobe auftrat, „aus<br />

Höflichkeit dem Publikum gegenüber.“<br />

Karl Lagerfeld war nur einer der<br />

Designer, der ihr für diese Auftritte<br />

regelmäßig Kleider schickte.<br />

Rührend ist, dass sie bei einem so<br />

prallen Leben den Hochzeitstag mit<br />

ihrem dritten Mann als ihren glücklichsten<br />

Tag überhaupt beschreibt.<br />

Denn en passant ist sie beim Karrieremachen<br />

schließlich auch noch ihrer<br />

großen Liebe begegnet. Ihre Verbindung<br />

mit John Russell, profilierter<br />

Kunstkritiker der New York Times,<br />

scheint eine einzigartige Symbiose<br />

gewesen zu sein. Als sich die beiden<br />

trafen, waren sie gleichermaßen<br />

erfolgreiche Intellektuelle im besten<br />

Alter und mit sich überschneidenden<br />

Interessengebieten.<br />

Umrahmt von einem riesigen Bekanntenkreis<br />

aus der New Yorker Kulturszene<br />

pendelte das Paar zwischen der<br />

Stadtwohnung und dem Landhaus in<br />

Connecticut, während sie gemeinsam<br />

ihre Arbeitsrituale pflegten. So schrieb<br />

sie etwa das Vorwort zu seinem Paris-<br />

Führer, er lauschte jedem einzelnen<br />

Vortrag. Jedes Mal fotografierte er sie<br />

vorher hinter der Bühne. Diese große<br />

Liebe der beiden inspirierte wiederum<br />

andere: Rosamonds und Johns<br />

verschlungene Hände wurden von der<br />

Bildhauerin Louise Bourgeois in<br />

Form einer Steinskulptur verewigt.<br />

2002 malte David Hockney das Paar in<br />

Wasserfarbe, inklusive Berniers<br />

goldenen Slippern und Russells typischen<br />

roten Socken. Ein 2007 entstandenes<br />

Doppelportrait von Alex<br />

Katz hängt inzwischen im MoMA.<br />

Als es Russell 2008 schlechter ging (er<br />

starb noch im selben Jahr), beschloss<br />

Bernier, ihren Job als Dozentin an den<br />

Nagel zu hängen. Ihr letzter großer<br />

Auftritt ist als Filmmitschnitt auf der<br />

Internetseite der New York Times<br />

dokumentiert.<br />

Am Ende unseres Gesprächs sagt sie<br />

noch, dass sie sich auf die Ausgabe der<br />

<strong>Fräulein</strong> mit ihrem Portrait darin<br />

freut. Wenn ich im September wieder<br />

in New York bin, werde ich sie ihr<br />

persönlich vorbei bringen; sie hat mich<br />

zum Tee eingeladen. Und da es in<br />

meinen Augen nichts Inspirierenderes<br />

als einen alten Menschen mit viel<br />

Lebensenergie gibt, werde ich mich<br />

auf dieses Treffen wie auf ein Bewerbungsgespräch<br />

vorbereiten. Rosamond<br />

Bernier hat nie eigene Kinder<br />

gehabt – vielleicht hat sie eine Stelle<br />

als Enkelin zu vergeben. ende<br />

Rosamond Bernier wurde vor 95 Jahren in<br />

Philadelphia geboren und arbeitete unter anderem als<br />

Paris-Korrespondentin der Vogue. 1955 gründete sie<br />

das Magazin L‘oeil, bei dem große Künstler wie<br />

Picasso, Matisse und Miró sie unterstützen.<br />

Jahrzehntelang hielt sie Vorträge für das MoMA. Ihre<br />

Autobiografie „Some of My Lives - A Scrapbook<br />

Memoir“ ist bei Farrar, Straus and Giroux erschienen.<br />

INTERESSANTE KOMBINATION.<br />

SEHR INTERESSANTE KOMBINATION.<br />

Der Citroen DS ist das fliegende Auto des legen dären Verbrechers<br />

Fantômas. Nicht minder legendär ist das neue Kombi-Abo der taz:<br />

Sie erhalten das tägliche ePaper optimiert für Ihr Endgerät bereits am<br />

Vorabend per E-Mail oder Download. Die Wochenendausgabe der taz<br />

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www.taz.de/kombiabo I abo@taz.de I T (030) 25 90 25 90


Ein tag<br />

Fotos: Götz Offergeld, Text: Daniel Seetal<br />

Berlin ist im Sommer eine der schönsten Städte<br />

Europas. Weil wir in Berlin arbeiten, leben, essen und<br />

ausgehen, wäre es unmöglich, alle unsere Lieblingsorte<br />

zu empfehlen. Deshalb wollen wir Ihnen hier unsere<br />

Highlights von Berlin-Mitte vorstellen. Die schaffen Sie<br />

locker an einem Tag – zu Fuß oder mit dem Rad.<br />

Den Rest müssen Sie selbst entdecken, erst dann wird<br />

Berlin zum Abenteuer.<br />

C|O Berlin<br />

Die engagierteste Fotogalerie des<br />

Landes, die zurzeit einen Fotografenstar<br />

nach dem anderen zeigt. Aktuell<br />

zum Beispiel Larry Clark.<br />

Firmament<br />

Von Undercover über Visvim,<br />

Acronym bis Supreme: Für<br />

alle, die Streetwear nicht mehr<br />

als Mode, sondern als Religion<br />

sehen, ist das Firmament die<br />

erste Anlaufstelle der Stadt.<br />

Petite BOUTIQUE<br />

Wegen des liebevoll zusammengestellten<br />

Warensortiments bester Kinderladen<br />

von Berlin Mitte. Spezialisiert auf Bekleidung<br />

von 0-10, Spielzeug, Lederschuhe<br />

und Sandalen.<br />

borchardt<br />

Iris Berben beim Schnitzel-essen,<br />

Leonardo di Caprio an der Bar! das<br />

legendäre Berliner Promi-Restaurant<br />

ist nicht so teuer wie man<br />

denkt und das Essen hervorragend.<br />

Kontakte oder Reservierungen sind<br />

abends essentiell.<br />

sabrina dehoff<br />

Edel und entspannt: Das Hauptquartier der bekanntesten<br />

Berliner Schmuckdesignerin liegt fast direkt gegenüber von<br />

Lunettes. Bling-Bling mit Geschmack.<br />

Talmon L’armée<br />

Seinen ersten Laden<br />

eröffnete der gebürtige<br />

Berliner in Paris,<br />

den zweiten in Berlin.<br />

Silber, Gold, Diamanten<br />

und Rubine – handgefertigter<br />

Schmuck<br />

im Vintage-Ambiente.<br />

quartier 206 department store<br />

Von Louis Vuitton bis PRPS, im Quartier<br />

geht es nicht um Street oder Couture, sondern<br />

um das Beste, kurz: um Fashion.<br />

3 minutes sur mer<br />

<strong>Auster</strong>n auf Eis, Kalbstatar<br />

oder Weinbergschnecken in<br />

Burgunder: Französische<br />

Küche im Edel-Bistro-Stil.<br />

schwarzhogerzeil<br />

Kleine feine Boutique in<br />

der Mulackstraße, die –<br />

von Isabelle Marant<br />

bis zu Laurence Doligé<br />

– viele <strong>Fräulein</strong>-Lieblingsmarken<br />

führt.<br />

lunettes<br />

Die schicksten<br />

Brillen von Berlin<br />

gibt es auf der<br />

Torstraße, und zwar<br />

Vintagemodelle und<br />

Eigendesigns.<br />

luigi zuckermann<br />

Neben denen von Mogg &<br />

Melzer die besten Sandwiches<br />

der Stadt.<br />

clärchens ballhaus<br />

Zwischen Schlagerdisco und Kunst-Hotspot:<br />

In Clärchens Ballhaus treffen Welten aufeinander,<br />

was vor allem den Biergarten zum perfekten Ort für<br />

einen lauen Sommerabend macht.<br />

r. s.v.p.<br />

Origami-Papier, liebevoll gestaltete<br />

Notizbücher und natürlich das passende<br />

Brief-Set für das stilvolle<br />

schreiben nach hause.<br />

SO . TO<br />

Am Puls der Zeit, was Männermode<br />

angeht. Perfekte<br />

Mitbringsel für den<br />

Boyfriend.<br />

kunst-werke<br />

Zwischen Publikumsausstellungen<br />

und kryptischer<br />

Konzeptkunst – die<br />

Institution an der Galerienmeile<br />

Auguststraße<br />

ist immer einen<br />

Besuch wert.<br />

Jüdische mädchenschule<br />

Mittlerweile mehr als der neue Hotspot von Berlin Mitte,<br />

sondern eine feste Instanz, was Kunst und Essen angeht.<br />

Besonders zu empfehlen: die Pastrami-Sandwiches bei „Mogg<br />

& Melzer“.<br />

54<br />

55


schnittmuster<br />

Interview: Jan Joswig<br />

playlist &ME<br />

Markus Lupfer<br />

schneidert poppige Mode mit<br />

Humor und Eleganz. Das schätzen nicht nur die Marken<br />

Mulberry oder Topshop, mit denen er seit längerem für Kollektionen<br />

zusammenarbeitet, sondern auch Popstars wie Gwen<br />

Stefani, Florence Welch oder Madonna. Der deutsche Designer<br />

mit Wohnsitz in London hat für diese Ausgabe das Schnittmuster<br />

zur Verfügung gestellt. Natürlich eines mit Lupfer-typischen<br />

Glitzerpailletten – lighthearted, aber mit Charakter.<br />

S<br />

chneiderst du dir ein Markus-<br />

Lupfer-Teil, vergiss die Pailletten<br />

nicht. Der Wahl-Londoner<br />

Markus Lupfer festigt seit fast<br />

15 Jahren seinen Ruf als Spezialist für<br />

luxuriöse Basics mit applizierten glitzernden<br />

Motiven. Von Lara Stones lasziven<br />

Model-Lippen über ein Bananen-Quartett<br />

bis zu Hund und Katze im Eichenkranz<br />

und Comic-Slogans wie „Dynamite!“ oder<br />

„Boom!“ lässt er seinem unbekümmerten<br />

Humor freien Lauf, umgesetzt durch<br />

aufwendige Stickerei. Bloß nicht zu clean<br />

und modern, lautet Markus Lupfers Motto.<br />

Den Hang zum Bunten und Lauten lebt er<br />

auch in den Videos zu seinen Kollektionen<br />

aus, in denen Florence Welch von „Florence<br />

& The Machine“ oder die asiatische<br />

Girlband „No Cars“ in ironischer Übertreibung<br />

pure Lebenslust zelebrieren.<br />

Dass Lupfers Designs dabei nie billig und<br />

reißerisch wirken, sondern trotz der<br />

jungen Motive immer eine hochkünstlerische<br />

Eleganz ausstrahlen, ist das große<br />

Alleinstellungsmerkmal seines Labels.<br />

Bang, Boom, Pop in Kaschmir und Mohair.<br />

Diese Besonderheit wissen Musikerinnen<br />

wie Róisin Murphy, Gwen Stefani und nun<br />

auch Madonna zu schätzen. Labels wie<br />

Mulberry und Cacharel setzen auf seine<br />

Mitarbeit; auch mit Topshop verbindet ihn<br />

56<br />

„Mein Schnittbogen<br />

ergibt zwar ein Jeden-<br />

Tag-Teil. Aber trage<br />

Sie es bitte nur mit High<br />

Heels!“<br />

eine langjährige Kollaboration.<br />

Beim Schnittmuster für <strong>Fräulein</strong> hat<br />

Markus Lupfer genau darauf geachtet,<br />

dass es seine beiden Hauptkriterien<br />

er-füllt: lighthearted mit Charakter<br />

(wie er in seinem charmanten Denglish<br />

zusammenfasst).<br />

Markus Lupfer Aus dem Schnittmuster<br />

lässt sich ein Oberteil mit drapiertem<br />

Ausschnitt schneidern. Der Ausschnitt ist<br />

versetzt, dadurch faltet er sich. Ich würde<br />

leichtes Jersey als Material empfehlen, das<br />

fällt am besten. Pastellfarben liegen super<br />

im Trend, aber ich favorisiere Schwarz.<br />

Schwarzes Jersey sieht sehr elegant aus.<br />

Und Pailletten? Gibt es Tipps, wie man<br />

sich die Stickerei erleichtern kann?<br />

m L Pailletten muss man in Handarbeit<br />

applizieren, viele Tricks gibt es nicht.<br />

Man spannt den Stoff vor dem Zusammennähen<br />

in einen Stickring, dann ist er ein<br />

bisschen einfacher zu handhaben. Sonst<br />

heißt es: mit Geduld und Spucke …<br />

Das Ergebnis wirkt aber sehr mühelos,<br />

fast übermütig.<br />

m L Meine Mode soll leicht und spaßig<br />

sein, auf Englisch heißt es lighthearted.<br />

Auch bei meinen Videos wollte ich weg<br />

vom traditionellen Fashionfilm mit seiner<br />

heilen Luxuswelt. Ich suche immer nach<br />

der Balance zwischen jung und sophisticated.<br />

Es ist mir aber sehr wichtig, dass<br />

etwas Elegantes rüberkommt.<br />

Seit drei Saisons bieten Sie auch eine<br />

Männerkollektion an. Wonach richten<br />

Sie die aus?<br />

m L Die Teile sollen basic bleiben, nicht<br />

zu verrückt. Aber es muss ein Mehr geben,<br />

ein unifarbener V-Pulli geht nicht: Die<br />

Kunden erwarten etwas mit Applikation<br />

von Markus Lupfer.<br />

Sie arbeiten seit langem in London, wohin<br />

entwickelt sich die Mode gerade?<br />

m L Teile, die auf Tradition setzen, werden<br />

weiterhin populär bleiben. Bei Männern<br />

wird der Trend wieder sehr ins Feminine<br />

gehen: feminine Stoffe, die auf Männerschnitte<br />

übersetzt werden. Ein Hemd mit<br />

Spitzeneinsatz, Röcke … Man sieht es<br />

noch nicht so sehr auf der Straße, aber<br />

Marc Jacobs im Comme-des-Garçons-<br />

Kleid auf dem Met Ball, Spitzen-T-Shirts<br />

in der Männerabteilung von Selfridges -<br />

da entsteht doch was.<br />

Wenn die Männer femininer werden,<br />

sollen sich die Frauen dann maskuliner<br />

geben?<br />

m L Mein Schnittbogen ergibt zwar ein<br />

Jeden-Tag-Teil. Aber trage Sie es bitte nur<br />

mit High Heels! ende<br />

Markus Lupfer wurde 1971 in der Nähe von<br />

Ravensburg geboren und studierte zuerst<br />

Modedesign in Augsburg und Trier, bevor er an die<br />

University of Westminster in London wechselte.<br />

1998 gründete er sein eigenes Label.<br />

57<br />

Der Lieblings-DJ dieser Ausgabe<br />

ist der Berliner Frauenschwarm<br />

und die bessere Hälfte von Fetischs<br />

Terranova. Hier spendiert er uns<br />

seine Sommer-Playlist.<br />

1. Seconds<br />

tell Them (Moplen Remix)<br />

Baalsaal Records<br />

2. dahu<br />

Falun<br />

Steyoyoke<br />

3. Juno 6<br />

Pablo<br />

Stretchcat<br />

4. Terranova<br />

make Me Feel (Till Von Sein Remix)<br />

Kompakt<br />

5. Smokin Jo<br />

what’s Going On<br />

Area Remote<br />

6. isaac Johan<br />

under The Bridge<br />

Cómeme<br />

7. Rampa & Re.You<br />

yeah Yeah Yeah feat. Meggy<br />

Cocoon Recordings<br />

8. Cajmere & Gene Farris<br />

donna’s A Flower<br />

Cajual Records<br />

9. alex Niggemann<br />

street Therapy<br />

Poker Flat<br />

10. &ME<br />

Ashes<br />

Saved Records<br />

Mehr unter:<br />

soundcloud.com/andmeandyou<br />

Foto: Alex Flach


schnittmuster<br />

Nr. 7<br />

markus lupfer<br />

Jersey Shirt<br />

Epaulette<br />

cut 2 pairs blockfuse 1 pair<br />

Back<br />

cut 1 self<br />

Front<br />

cut 1 self<br />

Sleeve<br />

cut 1 pair self<br />

Inside collar stand<br />

cut 1 self and fuse<br />

58<br />

59


Kleid und Gürtel Hermès<br />

Großer, weißer Armreif Hermès<br />

Weißer und transparenter Armreif Dior<br />

Kette 1-100 for Alexandre Plokhov<br />

My week with MarylinT<br />

That’s what she does,<br />

she breaks hearts.<br />

She’ll break yours.<br />

Waiting for icarus<br />

Fotos: Jean-Francois Carly, Styling: Sara Dunn @ Clicks and Contacts, Haare: Soichi @ Balcony Jump using Kiehl’s,<br />

Make-up: Jaimee Thomas @ Frank Agency using M.A.C.-Pro, Model: Tessa @ Select Models, Styling-Assistenz: Clinton Sinclair<br />

60


Sonnenschirm als Maske Louis Vuitton<br />

Komplettes Outfit RED Valentino Collection by Valentino


Kleid Chanel<br />

Schmuck 1-100 for Alexandre Plokhov<br />

Schuhe cHanel


Kleid Céline<br />

Top Sonia Rykiel<br />

Bodysuit Sonia Rykiel<br />

Weißer und transparenter Armreif Dior<br />

Schuhe CÉline


Pullover Helmut Lang<br />

Unterwäsche Faster by Mark Fast<br />

Mantel Inbar Spector<br />

Schuhe Camilla SkovgAArd


Kleid Jil Sander<br />

Gürtel Jil Sander<br />

Schuhe Finsk<br />

Armreif 1-100 for Alexandre Plokhov


Top Phoebe English<br />

Skirt Phoebe English<br />

Schuhe Camilla SkovgAArd<br />

Schmuck 1-100 for Alexandre Plokhov<br />

Shot on location in Botany Bay, Margate, UK<br />

Thanks to Sharon Kelley<br />

and Thanet District Council<br />

Komplettes Outfit Dior


Tleslie feist<br />

here’s a limit<br />

to your love<br />

Like a waterfall<br />

in slow motion<br />

graphiC look<br />

Fotos: Randall Bachner<br />

Styling: Bernat Buscato<br />

Haare: Benoit Moeyaert using Bumble and bumble for Art Department<br />

Make-up: Claire Bailey for Chanel @ L'Atelier NYC<br />

Model: Vanusa @ NY Models


Top SALLY LAPOINTE<br />

Gürtel Vintage PHI<br />

Stiefel JIL SANDER<br />

Rock OHNE TITEL


Kleid OHNE TITEL<br />

Schuhe CÉLINE<br />

Kleid JIL SANDER<br />

Gürtel Vintage PHI


Ohrringe und Kleid MARNI<br />

Stiefel JIL SANDER


Plastikkette EMPORIO ARMANI<br />

Shirt und Rock VALENTINO<br />

Schuhe JIL SANDER<br />

Blazer HELMUT LANG<br />

Gürtel Vintage PHI<br />

Stiefel JIL SANDER


Kleid STELLA MCCARTNEY<br />

Top HELMUT LANG<br />

Sunglasses Vintage EMMANUELLE KHANH


Kleid Louis Vuitton<br />

Badeanzug Hermès<br />

Mantel Etro<br />

eels<br />

o many worlds<br />

inside her eyes.<br />

SNo Country for Old Men<br />

Fotos: Adrian Crispin, Styling: Ann-Kathrin Obermeyer, Model: Bianca Heuser<br />

Besonderer Dank an Brigitte, Günter, Hendrik, Louisa und Tom<br />

86


Badeanzug Eres<br />

Schuhe Chanel<br />

Bikini Missoni über Net-A-Porter.com<br />

T-Shirt Stylist´s own


Sweater Starstyling<br />

Badeanzug Chloé<br />

Schuhe Louis Vuitton


Bild oben<br />

Badeanzug We Are Handsome<br />

über Net-A-Porter.com<br />

Kleid Chanel<br />

Schuhe Kerstin Adolphson<br />

Cap Stylist´s own<br />

Bild unten<br />

Kleid Chanel<br />

Schuhe Kerstin Adolphson


WErich Kästner<br />

Wenn einer keine Angst hat,<br />

hat er keine Fantasie.<br />

bastian thiery<br />

Fotos: David Fischer<br />

Styling: Götz Offergeld<br />

Haare/Make-up: Christian Fritzenwanker @ Perfect Props<br />

Model: Bastian Thiery @ Nest Model Management<br />

Produktion: Franziska Giovannini<br />

Foto-Assistenz: Ulijona Odisarija<br />

Besonderen Dank an das Interkulturelle Kinder- und Elternzentrum "Am Tower"<br />

Mantel Valentino


Mantel Emporio Armani<br />

Hose Emporio Armani<br />

Stiefel Hermès<br />

Polohemd Adidas SLVR<br />

Hose Maison Martin Margiela<br />

Schuhe Hermès


Lederjacke VersACe<br />

Hemd Filippa K<br />

Krawatte Boss Selection


Komplettes Outfit Bottega Veneta<br />

Komplettes Outfit bottega veneta<br />

Ledermantel emporio Armani


Lederblouson Maison Martin Margiela<br />

Hose G-Star<br />

Schuhe Y-3


eder geliebte Gegenstand ist<br />

Mittelpunkt eines Paradieses.<br />

JNovalis<br />

DIE tasche<br />

Tasche gelb Mulberry<br />

Tasche himmelblau jil sander<br />

Fotos: Diane Vincent, Kurzgeschichte: Dirk Peitz


Louis vuitton<br />

Was dachtest du denn, was da alles<br />

drin ist?“<br />

„Keine Ahnung. Irgendwas ansatzweise<br />

Anstößiges, Skandalöses, Gefährliches?“<br />

„Pfefferspray? Vibrator?“<br />

„Jesus! Ein Kalender hätte mir auch<br />

schon gereicht. Eben was Persönliches.“<br />

„Also, gehen wir es noch mal durch: Schminktäschchen, eine<br />

Packung Taschentücher, Handcreme, Kontaktlinsenlösung, Handy,<br />

Kaugummis, bisschen Müll, zwei, vier, äh, fünf Tampons.“<br />

„Warum gleich fünf?“<br />

„Zur Sicherheit.“<br />

„Falls du überraschend an den Nordpol musst?“<br />

„Falls ... Keine Ahnung. Warum nicht?“<br />

„Keine Gummis.“<br />

„Wofür Gummis?“<br />

„Weil du vielleicht eines Nachts mal mit einem Typen nach Hause<br />

gehen möchtest, und dann hat er vielleicht keine, es ist fünf Uhr<br />

morgens, und die verpennte Frau in der Notapotheke zeigt euch am<br />

Nachtschalter einen Vogel, als er sagt: ,Ich hätte gern einmal<br />

Kondome, ach ja, und einmal Ibuprofen bitte auch, aber die kleinste<br />

Packung?’“<br />

„Ich fand das witzig. Außerdem hattest du ja doch noch Gummis<br />

unter dem Bett.“<br />

„Zwei.“<br />

„Reichte doch. Einen zum Ausprobieren, einen zum Benutzen.“<br />

„Tut mir leid, dass es erst heute Morgen geklappt hat.“<br />

„Hey, nicht schlimm. Wir kennen uns lange genug.“<br />

„Dass ich unser erstes Mal auch ruhig versauen konnte?“<br />

„Wir waren beide besoffen.“<br />

„Ist das nun eine Entschuldigung für gestern Nacht? Oder bedeutet<br />

der Sex heute Morgen, dass wir auch ausgenüchtert und bei<br />

halbwegs vollem Bewusstsein finden: Das geht zwischen uns?“<br />

„Du willst das jetzt nicht ernsthaft analysieren.“<br />

„Ich will nur sichergehen.“<br />

„Dass du dich nicht umsonst verausgabt hast?“<br />

„Scheiße, nein!“<br />

„Sondern?“<br />

„Ich ... Also ...“<br />

„Du musst jetzt nicht Gefühlsduseliges sagen. Es ist okay.“<br />

„Es ist nicht okay.“<br />

„Mal nicht gleich für alles Worte zu finden, Begründungen,<br />

Einordnungen?“<br />

„Ich hätte ausnahmsweise gerne einmal keine Angst.“<br />

„Entspann´ dich. Lass´ uns das Spiel umdrehen: Ich hab meine<br />

Handtasche ausgeleert, du leerst dein Portemonnaie aus.“<br />

„Da ist Geld drin.“<br />

„Und sonst so?“<br />

„Okay, okay.“<br />

„Also: Geld. Ziemlich viel sogar!“<br />

„Zur Sicherheit. Falls das Finanzamt mal wieder mein Konto<br />

sperrt.“<br />

„Du rechnest damit?“<br />

„Immer. Täglich.“<br />

„EC-Karte, Kreditkarte, Vielfliegerkarte, Krankenkassenkarte, hey,<br />

ein Gummi!“<br />

„Fuck! Hatte ich total vergessen, sorry.“<br />

„Ist ja nicht so, als hätten wir noch dringend ein drittes gebraucht.“<br />

„Ja, bohr´ schön weiter in meiner Wunde.“<br />

„Hehe ... Gut, weiter. Eine Starbucks-Stempelkarte? Pfui, ein<br />

Pfennigfuchser! Und eine Stempelkarte vom ... Nee, nicht dein<br />

Ernst! Waxing? Ha! Von wegen: anstößig!“<br />

106<br />

Tasche Calvin Klein<br />

Clutch Dries van Noten


valentino<br />

louis vuitt0n


Céline<br />

chanel<br />

„Hab ich dir schon mal meine Handtaschentheorie erzählt?“<br />

„Du lenkst ab.“<br />

„Also, meine Handtaschentheorie geht so: Frauen, die eine<br />

Handtasche in der Armbeuge tragen, sind unbedingt zu<br />

meiden. Über die Schulter ist prima, solange die Tasche<br />

nicht direkt unter der Achsel klemmt. Aber Armbeuge,<br />

besonders in Kombination mit Handy-in-der-Hand und<br />

Stiefeln-an-den-Füßen: total stumpf.“<br />

„Wieso?“<br />

„Bin mir nicht sicher, ob das große Armbeugen schon mit<br />

,Sex in the City’ losging. Oder erst mit ,Gossip Girl’. Oder ob<br />

es von den ganzen Hollywood-Paparazzi-Bildern kommt,<br />

vom unironisch ,Gala’-Lesen, wobei ironisch ,Gala’-Lesen<br />

möglicherweise noch schlimmer ist. Handtasche in der<br />

Armebeuge ist jedenfalls ein sicheres Zeichen für Dummheit.<br />

Mindestens dafür, dass eine Frau anstrengend ist.“<br />

„Tussi?“<br />

„Nagelstudiokundin, auf jeden Fall. Schlimmstenfalls<br />

Aufklebenägel mit Strasssternchen.“<br />

„Angesichts der Waxing-Stempelkarte würde ich nicht<br />

so groß tönen.“<br />

„Nur Rücken und, äh: Schultergürtel! Oder wie die das<br />

nennen. Außerdem kann man da super lauschen. Frauengespräche<br />

in den Nebenkabinen. Auf eure Klos kommt<br />

man ja als Mann nicht drauf.“<br />

„Und, was reden die Frauen da so, wenn denen eine andere<br />

Frau, die sie überhaupt nicht kennen, zwischen den Beinen<br />

rumfuhrwerkt?“<br />

„Wo sie als nächstes in Urlaub fahren mit ihrem Boyfriend<br />

zum Beispiel, klar, die sind doch alle wegen der Bikinizone da.<br />

Und irgendwann fällt ein verräterischer Halbsatz. Oder<br />

ihnen verrutscht die Betonung: Wie sie ,Kho Samui’ hinten<br />

langziehen, mit so einem kleinen, genervten Stöhnen.<br />

Man weiß sofort: Deren Typ ist auf Bewährung. Sie haben<br />

sich noch nicht entschieden, ihn endgültig abzuschießen,<br />

aber ihre zwei bis sechs besten Freundinnen haben sie schon<br />

einmal zu oft gefragt, wie es eigentlich so läuft mit dem Typen.“<br />

„Du fantasierst.“<br />

„Nein, ich schärfe meine Sinne.“<br />

„Dir ist aber schon mal in den Sinn gekommen, dass da lauter<br />

Armbeugen-Frauen in den Kabinen neben dir liegen könnten, die sich<br />

danach noch schnell vor dem Abflug Strasssternchen auf ihre<br />

künstlichen Nägel kleben lassen?“<br />

„Da, wo ich hingehe, sind die nicht. Sonst würde ich da ja nicht<br />

hingehen. Da sind eher so junge Mütter, das Kind ist gerade in der<br />

Kita, der Mann bei der Geliebten oder in einer Kundenpräsentation.<br />

Und Kulturwissenschaftsstudentinnen sind da, drittes bis fünftes<br />

Semester.“<br />

„Eigentlich suchst du da also eine Freundin. Oder eine Affäre. Aber<br />

dir ist schon klar, dass die dich alle für schwul halten? Sonst würdest<br />

du ja nicht zum Waxing gehen.“<br />

„Rücken! Und Schultergürtel! Außerdem: Wäre das denn so<br />

schlimm?“<br />

„Das willst du lieber nicht wissen. Als du vorhin gefragt hast, ob ich<br />

dir meine Handtasche zeigen kann, von innen, da hast du also so eine<br />

Art abschließende Feindaufklärung betrieben? Sie hat einen<br />

Lederbeutel: check. Sie trägt ihn über der Schulter: check. Jetzt darf<br />

sie bloß keine ,Gala’ in dem Beutel haben.“<br />

111<br />

„Quatsch.“<br />

„Sondern?“<br />

„Man kann sich doch schon mal fragen, warum eine Frau mit<br />

Handtasche tanzen geht.“<br />

„Man kann sich auch schon mal fragen, warum ein Mann im Sakko<br />

tanzen geht. Was ihr überhaupt mit diesen Sakkos und Anzügen<br />

habt.“<br />

„Anzüge sind für uns vermutlich das, was Handtaschen für euch<br />

sind: Symbole des Erwachsenseins.“<br />

„Nein, eine Handtasche ist eine Verlängerung meines Zuhauses. Da<br />

ist der mobile Teil meines Lebens drin. Was man halt davon so<br />

mitschleppen kann.“<br />

„Aber wäre dein Leben, gemessen am Inhalt deiner Tasche, dann<br />

nicht bisschen, nun ja: gewöhnlich? Bisschen trist? Und wäre der<br />

Widerwillen von Frauen, den Inhalt ihrer Taschen vorzuzeigen, dann<br />

womöglich vor allem dadurch begründet, dass ihre Handtaschen<br />

eben überhaupt kein Geheimnis bergen? Und wäre also die einzige<br />

Furcht der Frauen vorm Taschenausleeren, dass Männer sie ab<br />

diesem Augenblick geheimnislos finden könnten, gewöhnlich?“<br />

„Puh.“<br />

„Sollen wir vielleicht doch mal das Gummi aus meinem Portemonnaie<br />

ausprobieren? Nur eine Idee. Wenn ich dich so anschaue gerade.“ Ende


sophie auster<br />

Ich möchte eine AUTORITät sein<br />

Wenn man ihr zuhört, dann vergisst man schnell, dass <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> gerade erst 25 Jahre alt<br />

geworden ist. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie viel erlebt hat: Ihre erste Filmrolle spielt sie<br />

mit neun im Regiedebüt ihres weltberühmten Schriftstellervaters Paul <strong>Auster</strong>. Ihre erste Platte<br />

erschien, da war sie 16. Sie modelte, spielte die Hauptrolle in zwei Filmen und schloss nebenbei ein<br />

Studium ab. Es liegt vor allem an ihrer sphinxhaften Intelligenz und ihrer energischen Entschlossenheit.<br />

Wenn <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> sagt, sie möchte eine Autorität sein, dann bedeutet das nicht, dass sie<br />

gerne herumkommandiert. Autorität steht hier für die Gabe, mit seinem Talent verführen zu<br />

können. <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong>s oberstes Ziel ist, dass das Publikum an ihren Lippen hängt.<br />

Sicherlich sind auch ihre Eltern Paul <strong>Auster</strong> und die ebenfalls<br />

berühmte Schriftstellerin Siri Hustvedt ein Grund, sich<br />

Jackett ACNE<br />

Bluse vintage COMME DES GARÇons<br />

für <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> zu interessieren. Für manche Promi-<br />

Kette DELFINA DELETTREZ<br />

Kinder werden die berühmten Eltern ein Fluch, für <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> sind sie ein Segen. Denn gelernt hat sie von ihnen<br />

vor allem eines: was die Macht eines Künstlers bedeutet.<br />

Wegen ihres Ehrgeizes, ihrer klaren kraftvollen Stimme,<br />

ihrem stilvollen Auftreten, ihrer liebenswürdigen Zugänglichkeit.<br />

Und weil sie verstanden hat, dass Träume keine<br />

Flucht, sondern der Anfang eines neuen Lebens und der<br />

Anfang der Kunst sein können, hat <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> das Zeug<br />

zum <strong>Fräulein</strong>. Ob sie wirklich eines werden wird, das<br />

sollen ihre Filme zeigen oder ihr neues, diesmal komplett<br />

selbstgeschriebenes Album – die Zukunft also.<br />

Hut PatriCIA UNDERWood<br />

Jackett THEYSKENS’ THEORY<br />

Fotos: Randall Bachner<br />

Styling: Bernat Buscato<br />

Haare: Benoit Moeyaert using Bumble and bumble for Art Department<br />

Make-up: Sandrine Van Slee for CHANEL @ Art Department NYC<br />

Text: Hendrik Lakeberg<br />

113


Jacke vintage HELMUT LANG<br />

T-Shirt und Hose ACNE<br />

Schuhe CÉLINE<br />

Overall ISABEL TOLEDO<br />

Gürtel und Schuhe CÉLINE<br />

Sonnenbrille JEREMY SCOTT


Jacke vintage CLAUDE MONTANA<br />

Lederkleid mit Gürtel Céline<br />

A<br />

ls Kind trägt <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

stets Stifte und Papier bei<br />

sich. Sie zeichnet, wo sie kann,<br />

egal wohin ihre Eltern sie<br />

mitnehmen. An einem Nachmittag sitzt sie<br />

in der New Yorker U-Bahn. Sie ist sieben<br />

Jahre alt. Ihre Mutter, die Schriftstellerin<br />

Siri Hustvedt, wendet sich ihr zu und fragt:<br />

„Du willst später wohl Malerin werden?“<br />

Hustvedt liebt die Malerei; sie wird später<br />

einen klugen Essay-Band über Vermeer,<br />

Goya, Richter und andere veröffentlichen.<br />

Das Kind aber blickt von seinem Block auf<br />

und sagt entschlossen: „Ich möchte auf<br />

keinen Fall den ganzen Tag allein in einem<br />

Zimmer sitzen wie ihr. Ich will vor einem<br />

Publikum stehen und singen und spielen.“<br />

Ob sich diese Szene genau so zugetragen<br />

hat, weiß <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> nicht mehr genau,<br />

aber ihre Mutter erzählt sie immer dann,<br />

wenn sie nach der Berufswahl ihrer<br />

Tochter gefragt wird. „Mir war sehr früh<br />

klar, was ich mit meinem Leben machen<br />

wollte. Und dass das etwas anderes sein<br />

würde als zu schreiben“, sagt <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> an diesem Vormittag in New York,<br />

der Stadt, in der sie aufgewachsen und mit<br />

der sie so eng verbunden ist wie die Bücher<br />

ihres Vaters Paul <strong>Auster</strong>, dessen „New<br />

York Trilogie“ ihm 1987 als Schriftsteller<br />

zum Durchbruch verhalf. „Ich tagträume,<br />

während ich U-Bahn fahre und in einem<br />

Taxi sitze. New York inspiriert mich jeden<br />

Tag aufs neue.“ Ihr Vater hätte über den<br />

Roman „Stadt aus Glas“ einen ähnlichen<br />

Satz sagen können. Er beantwortete die<br />

Frage nach den Thema seiner Bücher mal<br />

mit einer Gegenfrage: „Wo verläuft die<br />

Grenze zwischen Wahnsinn und Kreativität?<br />

Wo verläuft die Grenze zwischen<br />

Wirklichkeit und Fantasie?“<br />

Es gibt zwei Geschichten, die man über die<br />

25-Jährige erzählen kann. Da ist zum einen<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> als Tochter zweier weltberühmter<br />

Schriftsteller. Der Intellekt wird<br />

ihr in die Wiege gelegt, die Kunstkarriere<br />

serviert man ihr auf dem Silbertablett.<br />

Ihre Eltern und deren Umfeld aus Schriftstellern,<br />

Schauspielern und Künstlern<br />

lassen keinen Zweifel daran, dass sie selbst<br />

mal eine von ihnen werden könnte. Auch<br />

wenn sie keine Bücher schreiben würde<br />

wie ihre Eltern, eine berühmte Künstlerin<br />

zu sein, das war immer machbar.<br />

Die andere Geschichte ist die einer selbstbewussten<br />

Frau mit einer starken Vision.<br />

Eine Frau, die ehrgeizig für ihre Ziele<br />

kämpft, die den Traum von einer Schauspiel-<br />

und Gesangskarriere, den wohl jedes<br />

Mädchen während der Kindheit träumt<br />

und meist spätestens dann aufgibt, wenn<br />

es ernst wird mit der Berufswahl, konsequent<br />

und diszipliniert verfolgt. Träume,<br />

oder besser: die Fantasie sind keine Flucht<br />

aus dem Leben, in ihnen fängt für <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> die Kunst und das Leben erst an.<br />

Manchmal sogar im wahrsten Sinne des<br />

Wortes, denn sie trägt den Vornamen einer<br />

Figur aus dem Roman „Hinter verschlossenen<br />

Türen“ ihres Vaters. Traum und<br />

Wirklichkeit, Fiktion und Realität: die Vermischung<br />

dieser beiden scheinbaren<br />

Gegensätze sind ein Motiv in <strong>Sophie</strong>s<br />

<strong>Auster</strong>s Leben, dem man immer wieder<br />

begegnet. In einem Song auf ihrem Debüt-<br />

Album, das sie 2006 mit 16 aufnimmt,<br />

textete ihr Vater für sie „Close your eyes<br />

and look at me. Lock the door and you’ll<br />

be free. Dreams can be reality, If you live<br />

your dream with me.“<br />

116


Hut Jil Sander<br />

Kette Delfina Delettrez<br />

Top Valentino


<strong>Auster</strong> liebte es schon als Kind, verkleidet<br />

durch das Haus der Eltern in Brooklyn zu<br />

laufen und vor dem Spiegel zu posieren.<br />

„Ich hatte eine Federboa und eine Perlenkette<br />

von meiner Großmutter. Sobald ich<br />

nach Hause kam, habe ich mich verkleidet.<br />

Mit fünf oder sechs Jahren besaß ich ein<br />

paar High Heels aus Plastik, die ich auch in<br />

der Schule getragen habe. Damit war ich<br />

definitiv die einzige.“ Mit acht beschließt<br />

sie, Sängerin zu werden, nachdem sie<br />

im Schulchor ein Solo singt. Sie merkt, wie<br />

sehr sie den Moment genießt – und den<br />

Applaus des Publikums im Anschluss. Mit<br />

neun spielt sie ihre erste Rolle in „Lulu on<br />

the bridge“, dem Regiedebüt ihres Vaters.<br />

Spätestens seither ist auch die Schauspielerei<br />

eine ernste Perspektive. Das hat<br />

sich bis heute nicht geändert. <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

„Mir war sehr früh klar, was ich mit meinem Leben<br />

machen wollte. Und dass das etwas anderes sein<br />

würde als zu schreiben“<br />

spielte in zwei Filmen die Hauptrolle,<br />

zuletzt zusammen mit Mick Jaggers Sohn<br />

James in „Stealing Summers“, einem<br />

dramatischen Thriller, der in Buenos Aires<br />

gedreht wurde. Er soll Ende des Jahres in<br />

die Kinos kommen, die Verhandlungen mit<br />

Filmverleihen laufen noch. Luz Gyalui,<br />

der Produzent von „Stealing Summers“,<br />

schreibt über die Zusammenarbeit mit<br />

<strong>Auster</strong>: „<strong>Sophie</strong> hat uns beeindruckt. Bei<br />

einer Szene, der wichtigsten und emotionalsten<br />

im Film, war die ganze Crew still,<br />

nachdem sie sie gespielt hatte. Sie musste<br />

schreien und weinen, dann wieder sanft<br />

sein. Während der Pause im Anschluss<br />

hatte sie sich wieder völlig unter Kontrolle<br />

und fünf Minuten später WAR sie wieder<br />

Alexandra, das junge rebellische Mädchen,<br />

das hin und hergerissen ist zwischen<br />

ihrem Freiheitsbedürfnis und ihrer Sehnsucht<br />

nach Sicherheit. Kein Wunder,<br />

dass <strong>Sophie</strong> nach drei Takes ihre Stimme<br />

verloren hatte.“<br />

Parallel beendet sie ihr Studium an der<br />

Sarah Lawrence Liberal Arts School, einem<br />

Elite-College, an dem auch die Modedesignerin<br />

Vera Wang oder der Regisseur<br />

J.J. Abrahams studiert haben. Sie modelt<br />

gelegentlich, zum Beispiel neben Scarlett<br />

Johansson und Dree Hemingway für<br />

Mango, schreibt Songs und arbeitet an<br />

ihrem Gesang. Zurzeit verfolgt sie vor<br />

allem ihre Musikkarriere so ehrgeizig wie<br />

noch nie. Wenn man mit <strong>Auster</strong> spricht,<br />

vergisst man oft, wie jung sie noch ist. In<br />

den nächsten Monaten bringt sie ihre<br />

zweite Platte „Red Weather“ auf den Markt,<br />

von der sie sagt, dass es eigentlich ihre<br />

erste sei. Diesmal hat sie alle Songs selbst<br />

geschrieben und mit einer Handvoll<br />

Musikern an den Arrangements gearbeitet.<br />

Ihre Eltern haben sie nur mit Rat und<br />

Kritik begleitet.<br />

Bei ihrem ersten Album, das schlicht<br />

„<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong>“ hieß, war das anders. Ihr<br />

Vater machte sie mit der Band One Ring<br />

Zero bekannt. Er schlug ihr vor, dass sie<br />

doch seine englischen Übersetzungen von<br />

französischer Lyrik der Surrealisten<br />

singen könne. Ihr Vater schrieb zwei Texte,<br />

und <strong>Sophie</strong> selbst ebenfalls zwei. Sie<br />

wurde mit dem Album vor allem in Europa<br />

bekannt, wo ihre Eltern am meisten verehrt<br />

werden – in den USA dagegen erschien<br />

es erst gar nicht. In jenem Jahr war<br />

sie ein großes Thema der deutschen<br />

Feuilletons: Eine smarte bildhübsche<br />

Tochter zweier Starschriftsteller, die<br />

französische Gedichte singt, was auch<br />

noch passabel klang. In den Artikeln wirkt<br />

sie wie eine Mischung aus Lolita und<br />

selbstbewusstem Teenager. Aber auch<br />

Fotografen liebten die schöne Intellektuellentochter.<br />

In dieser Zeit entsteht eine<br />

Zusammenarbeit mit Chanel, die bis heute<br />

andauert. <strong>Auster</strong> wird zu Konzerten und<br />

Events eingeladen, die das Label veranstaltet<br />

und mit Kleidung ausgestattet. Jetzt,<br />

wenige Tage nach dem Interview mit<br />

<strong>Fräulein</strong>, reist sie nach Paris, um dort für<br />

ein Magazin ein Gespräch mit Karl<br />

Lagerfeld über Mode und Musik zu führen.<br />

„Ich bin ein bisschen nervös, aber es ist<br />

eine gute Ausrede, ein paar Tage in Paris<br />

zu sein!“ Paris, die Stadt, in der ihr Vater<br />

1968 Samuel Beckett traf, Gedichte<br />

übersetzte, für die „New York Times“<br />

arbeitete und ein paar Jahre lebte.<br />

Wenn man über <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> spricht,<br />

dann kann man also ihre Eltern nicht<br />

ausklammern – und auch nicht den Fluch,<br />

der auf Kindern berühmter Eltern lastet.<br />

Die Skepsis, dass sie das alles gar nicht von<br />

alleine geschafft hätten, dass sie es viel<br />

zu leicht haben, Öffentlichkeit zu finden<br />

und das eigentlich gar nicht verdient hätten<br />

– damit ist <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> immer wieder<br />

konfrontiert worden. Der schnelle, elternbedingte<br />

Ruhm kann wie ein Bumerang<br />

zurückkommen und einen ausknocken,<br />

wenn man ihn nicht geschickt fängt. Lisa<br />

Marie Presley, Peaches Geldorf oder<br />

Guillaume Depardieu leiden unter ihren<br />

berühmten Eltern. Und auch Daniel <strong>Auster</strong>,<br />

<strong>Sophie</strong>s älterer Halbbruder, geriet eine<br />

Zeitlang unter die Räder: Er stahl einem<br />

ermordeten Drogendealer Geld und wurde<br />

1998 zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt.<br />

Mittlerweile scheint er sich<br />

gefangen zu haben, doch die Familie<br />

<strong>Auster</strong> spricht öffentlich kaum über Daniel<br />

– auch <strong>Sophie</strong> nicht. Aber es gibt auch<br />

Beispiele, die das Gegenteil zeigen:<br />

Charlotte Gainsbourg hat sich aus eigener<br />

Kraft und mit starken Rollen aus dem<br />

Schatten ihrer Eltern gespielt. Bei <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> weiß man noch nicht, was die<br />

Zukunft bringen wird. Aber sie nimmt ihre<br />

Rolle als Künstlerin ernst. Das ist eine<br />

gute Voraussetzung.<br />

„Ich sitze im gleichen Boot wie alle anderen<br />

jungen Künstler auch“, entgegnet <strong>Auster</strong><br />

vehement, wenn man sie nach ihren<br />

Privilegien fragt. Das stimmt zwar nicht so<br />

ganz, aber vorwerfen kann man es ihr<br />

sicher nicht: Ihr Vater schickte ihre erste<br />

Demo-CD nach Europa, die daraufhin<br />

prompt veröffentlicht wurde. Er ließ sie in<br />

seinem Film spielen und zog darüber<br />

hinaus im Hintergrund einige Strippen.<br />

Aber was ist Schlechtes an einem liebenden<br />

Vater, der versucht, die Wünsche<br />

seiner Tochter erfüllt? Und auch <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> selbst scheint überhaupt keinen<br />

Grund zu haben, gegen ihre Eltern zu<br />

rebellieren. „Sie sind meine besten Freunde“,<br />

sagt sie. „Ich bewundere meinen Vater<br />

für seine Beharrlichkeit. Sein erstes<br />

Buch wurde von 17 verschiedenen Verlagen<br />

abgelehnt, aber er gab nicht auf, bis es<br />

veröffentlicht wurde. Meine Mutter hat mir<br />

beigebracht, niemals zu tun, was ich<br />

nicht wirklich will, dass ich die Kontrolle<br />

über mein Leben habe. Das hat mir viel<br />

Kraft gegeben“ Vielleicht ist die Erwartung,<br />

dass ein Kind gegen seine Eltern zu<br />

rebellieren habe, auch eine altmodischeindimensionale<br />

Vorstellung, der man aus<br />

einer diffusen Sehnsucht nach Unangepasstheit<br />

nachhängt. Man muss ja nicht<br />

genauso werden wie seine Eltern - aber<br />

man muss auch nicht das Gegenteil von<br />

ihnen sein wollen, um erwachsen zu<br />

werden.<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> will vor allem eines: auf der<br />

Bühne eine Autorität sein. „Ich möchte den<br />

Raum beherrschen“, sagt sie. „Das Publikum<br />

muss glauben, dass, was du machst,<br />

wichtig ist. Die Künstler, die mich am<br />

meisten in den Bann ziehen, sind die, die<br />

keine Kompromisse machen.“ Auf dem<br />

neuen Album befindet sich ein Song mit<br />

dem Namen „Pretend“. Er handelt von einer<br />

Trennung, die <strong>Auster</strong> durchlebt hat, als<br />

sie die Texte für ihre neue Platte schrieb.<br />

Mehr sagt sie dazu nicht. <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> ist<br />

offen (noch nie hat jemand so prompt<br />

und kooperativ auf unsere Anfrage nach<br />

einem Interview und einem Fotoshooting<br />

reagiert). Doch sie zieht eine strikte<br />

Grenzen zwischen Privatleben und ihrer<br />

Arbeit. Sobald es persönlicher wird,<br />

schweigt sie. Das ist einerseits professionell,<br />

andererseits ist es aber auch ein Zeichen<br />

von Stolz und Würde. Ihre Eltern haben ihr<br />

geraten, dass es gut ist, ein Geheimnis um<br />

sich zu machen. Und wen interessiert schon,<br />

wer wen warum verlassen hat. Wichtig ist<br />

für uns Hörer das Ergebnis, eine Ballade, die<br />

zu Tränen rührt, klassisch instrumentiert<br />

mit Streichern, Klavier und Besenschlagzeug.<br />

Die Musik und der samtene Klang ihrer<br />

Stimme treffen durch schlichte und elegante<br />

Bogen mitten ins Herz. Könnte Musik<br />

wie Sterne glitzern, „Pretend“ würde<br />

nicht nur glitzern, sondern glühen. „Stars<br />

are falling from my eyes“, singt <strong>Auster</strong> im<br />

Refrain. Es ist diese klassische Eleganz,<br />

die auch die anderen Stücke auf „Red Weather“<br />

auszeichnen. Musikalisch gesehen ist es ein<br />

konservatives Album, was in diesem Fall<br />

aber absolut positiv gemeint ist. <strong>Sophie</strong><br />

<strong>Auster</strong> ist kein Hipster, auch kein It-Girl,<br />

denn dazu fehlt ihr die oberflächliche<br />

Leichtigkeit. Man findet wenig Augenzwinkern,<br />

kaum die kühle Ironie, die für viele<br />

Bands zurzeit typisch ist. <strong>Auster</strong> macht<br />

konzentrierte, stilvolle Musik, in der sich<br />

hinter einer weichen Melancholie auch mal<br />

düstere Abgründe auftun. Inspiriert wurde<br />

sie von Jazz, klassischen Chansons und<br />

avantgardistischem Folk in der Tradition<br />

Joni Mitchells. Sie gelangt durch ihre kluge<br />

Ausgewogenheit zum Ziel: den Hörer zu<br />

Tränen zu rühren.<br />

Genau das passierte auf einem Konzert am<br />

Abend vor dem Interview: <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

stand in schwarzem Hosenanzug und einer<br />

goldenen Sgt.-Pepper’s-Jacke auf der<br />

Bühne. Freunde kamen nach dem Konzert<br />

zu ihr und gestanden, dass sie weinen<br />

mussten. „Es war das schönste Kompliment,<br />

was man mir machen kann. Ich<br />

weine auch ab und zu auf der Bühne. Das<br />

muss die Schauspielerin in mir sein, die<br />

da zum Vorschein kommt. Das ist Übertragung.<br />

Wenn man jemanden so emotional<br />

auf der Bühne sieht, dann wird auch das<br />

Publikum emotional“, lacht <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong><br />

Sonnenbrille JEREMY SCOTT<br />

Overall ISABEL TOLEDO<br />

Gürtel und Schuhe CÉLINE<br />

und sagt: „Das Publikum formt in ihren<br />

Köpfen, was die Musik in ihnen auslöst.“<br />

Und das Outfit ist dabei ein wichtiger<br />

Teil. Der – wie <strong>Auster</strong> ihn nennt – Lauren-<br />

Bacall-Hosenanzug mit der goldenen<br />

Beatles-Jacke, der klassische Hollywood-<br />

Look versetzt mit ein bisschen Rock’n’Roll,<br />

macht ihren Stil aus. Eine Mischung, die<br />

auch durch ihre Mutter inspiriert ist. „Sie<br />

erinnert mich an einen Filmstar aus den<br />

Forties, an Marlene Dietrich und Katharine<br />

Hepburn.“<br />

120


Lederjacke ACNE<br />

Komplettes Outfit<br />

MARKus LUPFER


Trenchcoat MAISON MARTIN MARGIELA<br />

Shirt vintage COMME DES GARÇons<br />

Only, here and there, an old sailor ,<br />

Drunk and asleep in his boots,<br />

Catches tigers<br />

In red weather .<br />

<strong>Auster</strong> sagt, dass sie sich in der letzten Zeit<br />

oft so gefühlt hatte wie die Stimmung<br />

dieses Gedichts ist. Sie hat eine Trennung<br />

hinter sich, von ihrem Freund – aber auch<br />

von ihrem alten Management. Sie ist mit<br />

ihrer Karriere auf sich gestellt, ihre Eltern<br />

sind nur noch Ratgeber am Rande des<br />

Weges. Ein seltsamer Zwischenzustand, in<br />

dem die Kindheit und Jugend vergeht, aber<br />

das neue Leben, der Erfolg noch in der<br />

Ferne liegt, wie die Abenteuer, von denen<br />

die die Matrosen in Stevens’ Gedicht erzählen.<br />

Wallace Stevens hat mal gesagt,<br />

dass wir in unseren Gedanken leben. Das<br />

Gedicht erzeugt eine Gegenwelt, in der<br />

die Wirklichkeit verwandelt wieder auftaucht.<br />

Stevens glaubte, dass unsere<br />

Gedanken die Welt formen und ein Gedicht<br />

bewusst machen kann, dass wir dazu in<br />

der Lage sind. <strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> hat verstanden,<br />

dass sie mit ihrem Talent die Welt<br />

gestalten kann. Dass Träume, Gedanken<br />

und Fiktion zur Wirklichkeit werden<br />

können. „Ich denke, wenn etwas stark ist<br />

und dich berührt, dann bleibt es bei dir.<br />

Meine Lieblingsmusik, meine liebsten Filme,<br />

Bücher und Kunstwerke sind zu einem<br />

Teil von mir geworden. Sie sind mein<br />

Make-up.“ Jetzt braucht <strong>Auster</strong> nur noch<br />

ein Publikum, das sich von ihr formen<br />

lässt. Sie wird es finden. Ende<br />

Erkannt zu haben, was die Macht eines Künstlers<br />

ausmacht, ist der größte Schatz, den ihr ihre Eltern<br />

mit auf den Weg gegeben haben.<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> ist sehr bewusst, wie sie<br />

wirkt und was man mit einem Publikum<br />

anstellen kann, wie man es bezaubert<br />

und berührt. Erkannt zu haben, was die<br />

Macht eines Künstlers ausmacht, ist der<br />

größte Schatz, den ihr ihre Eltern mit auf<br />

den Weg gegeben haben. Der Albumtitel<br />

„Red Weather“ ist dem 1915 entstandenen,<br />

hypnotischen Gedicht „Disillusionment<br />

of Ten O’clock“ des großen Dichters<br />

Wallace Stevens entnommen. Darin geht<br />

es um Menschen, die nachts durch ein<br />

Haus wandeln, das vor sich hinschläft,<br />

obwohl seine Bewohner noch wach sind.<br />

Ein paar betrunkene Matrosen erzählen<br />

von einem aufregendem Leben jenseits<br />

der Gewöhnlichkeit. Stevens beendet das<br />

Gedicht mit folgenden Zeilen:<br />

<strong>Sophie</strong> <strong>Auster</strong> wurde 1987 in New York geboren, wo<br />

sie auch heute lebt. Sie ist die Tochter der beiden<br />

Schriftsteller Paul <strong>Auster</strong> und Siri Hustvedt. Nach<br />

diversen Filmrollen konzentriert sie sich momentan<br />

vor allem auf ihre Musik. Ihr zweites Album „Red<br />

Weather“ erscheint in Kürze.<br />

124


A<br />

Knallbonbon<br />

aus der hölle<br />

Fotos und Konzept: Pierpaolo Ferrari und Maurizio Cattelan, Text: Hendrik Lakeberg<br />

Eigentlich hatte Maurizio Cattelan Anfang<br />

des Jahres nach einer Blockbuster-<br />

Retrospektive im Guggenheim New York<br />

seinen Rücktritt aus der Kunst verkündet.<br />

Jetzt steckt er seine ganze Energie in das<br />

„Toiletpaper“-Magazin, ein schräges und<br />

morbides Bilderbuch, das die Welt der<br />

Lifestyle-Zeitschriften auf den Kopf stellt.<br />

An sich wollte er aufhören. Nach einer großen Werkschau im<br />

Guggenheim New York, die im Januar diesen Jahres endete,<br />

erklärte Maurizio Cattelan seinen Rücktritt aus der Kunstwelt.<br />

Einfach so – ohne dramatische Begründungen. Doch Cattelan war<br />

immer schon ein Schelm und Scharlatan. Ein Trickster, der von<br />

Anfang an sein Publikum vor den Kopf stieß. Er vermietete etwa<br />

zur Biennale in Venedig seine Ausstellungsfläche an eine Werbeagentur,<br />

die das Plakat eines Parfums zeigte. Man sollte sehr ernst<br />

nehmen, was Cattelan sagt, doch gleichzeitig daran denken, dass in<br />

seinem Werk nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Der<br />

51-Jährige ließ sich nicht auf bestimmte Materialien oder Formen<br />

festlegen; man wusste grundsätzlich nie genau, ob sein Werk auf<br />

brillante Art die Conditio Humana in absurden Szenarien – wie<br />

zum Beispiel einer auf Knien betenden Hitler-Skulptur oder einem<br />

Papst, der von einem Meteoriten erschlagen wird –, festhielt oder<br />

ob der Künstler Publikum, Kritiker und Kuratoren verhöhnte.<br />

Natürlich liegt die Wahrheit dazwischen. Cattelan, der nie auf eine<br />

Kunsthochschule gegangen ist und bei streng religiösen Eltern im<br />

italienischen Padua aufwuchs, ist deshalb ein so interessanter und<br />

erfolgreicher Künstler geworden, weil er es virtuos versteht, mit<br />

seinen Arbeiten ein Spannungsfeld zu erzeugen, in dem sich die<br />

großen Fragen zeitgenössischer Kunst auftun: Was ist Kunst<br />

überhaupt und wann hört sie auf, Kunst zu sein? Was sollte Kunst<br />

dem Betrachter über die Welt, in der er lebt, überhaupt noch<br />

erzählen? Welche Rollen spielen der Künstler und seine Biografie<br />

für das Werk? Ist es nicht grundsätzlich vermessen, sich als<br />

Künstler auszugeben, wenn man im Prinzip alles, also auch einen<br />

leichten Lufthauch wie gerade auf der Documenta ausgestellt, zur<br />

Kunst erklären kann? Muss ein Künstler also qua Beruf spätestens<br />

nach Duchamps Readymades nicht ohnehin immer auch ein<br />

Scharlatan sein? Cattelan beantwortet keine dieser Fragen, aber er<br />

provoziert sie. Um dazu in der Lage zu sein, braucht es ein<br />

feinnerviges Gespür für die Zeit. Hinter dem Krawall und der<br />

provokanten Geste findet man in Cattelans Werk also auch<br />

unzählige sensible Beobachtungen und Selbstzweifel. Das breite<br />

Spektrum der Ausdruckskraft, die Virtuosität, mit der er eine<br />

tiefreichende Indifferenz inszeniert, machen Cattelan zu einem der<br />

klügsten Gegenwartskünstler. Oder müsste man sagen: haben<br />

ihn gemacht?<br />

126<br />

127


Nun stimmt es natürlich nicht, dass Cattelan die Kunst ganz an den<br />

Nagel gehängt hat. Er gestaltet seit rund zwei Jahren zusammen<br />

mit dem Fotografen Pier Paolo Ferrari ein halbjährliches Magazin,<br />

das den irritierenden Titel „Toiletpaper“ trägt. Wenn man das<br />

Heft zum ersten Mal durchblättert, dann kann es passieren, dass<br />

man es schnell verstört wieder zuklappt – denn auf den ersten<br />

Blick treibt Cattelan die Vulgarität, die Produkt-, Foto- und Modeorgien<br />

der unzähligen Lifestyle-Titel auf die Spitze. Auf den Fotos<br />

des Magazins sieht man abgetrennte beringte Kunststofffinger<br />

mit Nagellack vor einem hellblauen Hintergrund. Das Gesicht einer<br />

Frau ist mit einem seltsamen hautähnlichen Kunststoff überzogen,<br />

was Assoziationen entweder an Pornos oder Schönheits-OPs<br />

hervorruft. Die Bilder zeigen ein Tattoo über einer Po-Ritze, gerahmt<br />

durch eine am Hintern herzförmig ausgeschnittene<br />

Hotpants, ein rauchendes Model vor dicken Bierbäuchen, das<br />

herausfordernd in die Kamera schaut oder ein Erdhörnchen, das<br />

sich Kokain durch die Nase ziehen will. Die Farben sind satt und<br />

knallbunt, häufig in seltsamen Pastelltönen gehalten.<br />

Eine Persiflage auf Lifestyle-Magazine sei das auf keinen Fall, sagt<br />

hingegen Cattelan. Er hat die Motive, die wir zeigen, exklusiv für<br />

<strong>Fräulein</strong> als eine Art „Best Of Toiletpaper“ zusammengestellt. Es<br />

gibt auch andere, ernste, aber nicht weniger provokante Bilder.<br />

Zum Beispiel eines von über dem Boden baumelnden Frauenfüßen.<br />

Man weiß nicht, ob die Frau sich aufgehängt hat oder ob sie in die<br />

Luft springt. Alles deutet aber auf das Erstere.<br />

Cattelan lernte Pierpaolo Ferrari bei einem Fototermin für eine<br />

Kunstausgabe des amerikanischen Modemagazins „W“. Das<br />

Shooting lief so gut, dass sie beschlossen, zukünftig häufiger zusammen<br />

zu arbeiten. Nach einer weiteren gemeinsamen Produktion<br />

für die Art- und Fashionzeitschrift „TAR“ beschlossen sie,<br />

„Toiletpaper“ zu gründen. Seit dem sind sie auf dem besten Weg,<br />

zum kleinen schrägen Lifestyle-Imperium zu werden. Cattelan und<br />

Ferrari und suchen die Nähe zu klassischen Publikationen wie<br />

zum Beispiel „Wallpaper“, mit dem sie ein Event zum Mailänder<br />

Möbelmesse ausrichteten oder mit „Vice“, für das Cattelan das<br />

Cover gestaltete – ein Stillleben mit einem Abflusspropfen, einen<br />

Tacker und einem Dildo. Angedacht ist eine Bekleidungslinie,<br />

bestehend aus einer Jacke – und einer Tischdecke. Die Möglichkeit,<br />

in der Pariser Galerie Lafayette mit einem eigenen Stand vertreten<br />

zu sein, besteht bereits. Derzeit hängt das morbide Foto mit den<br />

lackierten abhackten Finger auf einem riesigen Billboard in New<br />

York. Zur Launch-Party des jüngsten Magazinausgabe in New York<br />

stand ein zur Stretchlimousine ausgebauter Hummer-Geländewagen<br />

als Shuttle zur Verfügung; in Berlin ließ sich Cattelan die<br />

Release-Party seiner fünften Ausgabe während des Gallery<br />

Weekends von dem italienischen Likörhersteller Disaronno sponsorn.<br />

Ein Amaretto, der so vulgär und verführerisch süß schmeckt<br />

wie viele Bilder in Cattelans Magazin aussehen. Manchmal sind<br />

es Details, die man weglassen könnte, dann würden Pierpaolo<br />

Ferraris Aufnahmen hübsch und ansehnlich wirken. Doch da ist<br />

immer etwas, dass die Schönheit zerstört. Und selbst wenn ein<br />

Bild mal offenkundig schön sein sollte, dann erwartet einen auf der<br />

nächsten Seite gleich wieder der Abgrund. „Toiletpaper“ kann<br />

ein Höllenritt sein, aber auch ein visuelles Knallbonbon. Hat man<br />

die Bilder einmal gesehen, vergisst man sie erst mal nicht mehr.<br />

Cattelan sagt, er sei von einer Sucht nach Bildern befallen. Manchmal<br />

sind es tausende, die er sich pro Tag im Internet anschaut.<br />

Sein Magazin sei ein Vorwand, um diese Sucht zu befriedigen. Er<br />

Wie schon als Künstler versucht er mit allen<br />

Mitteln ein Metier zu erobern, das er<br />

gleichzeitig untergräbt. Statt der Kunst- ist<br />

es nun die Lifestyle-Welt.<br />

hat schon mal eine Zeitschrift mit dem Titel „Permanent Food“<br />

produziert: Dafür kaufte er spontan am Kiosk alle auffindbaren<br />

Magazine, riss die interessantesten Seiten heraus, klebte sie zu<br />

Collagen zusammen und schickte die in den Druck. „Toiletpaper“<br />

ist eine Weiterentwicklung davon. Die Fotos, die Cattelan und<br />

Ferrari wie gewöhnliche Fashionshoots mit Casting, Make-up etc.<br />

produzieren, zeigen Motive, die in Cattelans Kopf hängen geblieben<br />

sind, nachdem die Bilderflut über ihn hinweg gespült ist.<br />

Die grellen Farben und die meistens drastischen Motive können bei<br />

aller Ironie und morbidem Spaß aber die emotionale Kälte und<br />

den Weltekel nicht verbergen. Eigentlich ist sein Magazin also ein<br />

typisches Werk des Künstlers Cattelan. Wie schon als Künstler versucht<br />

er, mit allen Mitteln ein Metier zu erobern, das er gleichzeitig<br />

untergräbt. Statt der Kunst- ist es nun die Lifestyle-Welt.<br />

Zu der Präsentation des New Yorker Billboards am High Line Park<br />

werben Cattelan und Ferrari mit einem Foto von einem Stück rosa<br />

Seife, in das jemand herzhaft hineingebissen hat. Die Seife ist so<br />

lecker fotografiert, dass sie aussieht wie ein extrasüßes Stück Kuchen.<br />

Vielleicht ist Cattelan im Endeffekt doch einfach zu verstehen<br />

und sein Werk, auch das Magazin, enthält vor allem eine sehr<br />

wahre Erkenntnis: Nichts ist, wie es scheint. Das mag banal<br />

klingen, aber in der Konsequenz ist es ziemlich tragisch. Ende<br />

Maurizio Cattelan wurde 1960 in Padua geboren, lebt<br />

aber in New York. Im November vergangenen Jahres<br />

verabschiedete er sich dort mit einer Ausstellung im<br />

Guggenheim aus der Kunstwelt. Wir trafen ihn dank des<br />

italienischen Likörherstellers DIsaRONNO beim<br />

Launch-Event seines „Toiletpaper“-Magazins in Berlin.<br />

129


mehr<br />

für die welt<br />

wut<br />

Fotos: Kassim Dabaji und Fritz Schaap<br />

Text: Fritz Schaap<br />

Sie wurde mit dem Tode bedroht, Islamisten kündigten an, sie mit Säure zu übergießen:<br />

Joumana Haddad ist die kontroverseste Journalistin des Nahen Ostens – und die mutigste.<br />

Eine Bestsellerautorin, Verlegerin, Kämpferin für Frauenrechte und freie Sexualität. Eine<br />

zornige Optimistin, die sich von einer Kindheit im libanesischen Bürgerkrieg und einer<br />

Gesellschaft, in der die meisten sie hassen, nicht den Mund verbieten lässt.<br />

130


DDie meistgehasste Frau des Libanons<br />

lächelt. Nein, sie hoffe doch nicht, dass es<br />

wirklich so schlimm sei. Sie wolle doch<br />

auch nur geliebt werden. Wie alle. Doch<br />

in dem Lächeln liegt auch ein fast verwegener<br />

Stolz, etwas, das sagt: „ …und wenn<br />

schon, dann sollen sie mich doch hassen!“<br />

Wenn Hass hier die Einheit wäre, in der<br />

ihr Erfolg gemessen wird – dann hat sie<br />

nichts dagegen, noch mehr gehasst zu werden.<br />

„Dann ist es mir egal“, sagt sie lapidar,<br />

während ihre Hand eine fast unmerkliche<br />

Wegwerfbewegung vollführt.<br />

Joumana Haddad steht in einem Buchladen<br />

in Downtown Beirut, zwei Häuser neben<br />

dem Verlagsgebäude von „An-Nahar“, der<br />

Tageszeitung, deren Kulturteil sie leitet.<br />

High Heels, enge Jeans, Seidenbluse, lange<br />

schwarze Locken. Lyrikerin, Schriftstellerin,<br />

Journalistin, Dozentin, Herausgeberin.<br />

41 Jahre, Mutter zweier Kinder, zum<br />

zweiten Mal verheiratet. Sie wühlt in einem<br />

Stapel Grußkarten. Für ihre Studenten,<br />

die morgen ein Italienisch-Examen bei ihr<br />

schreiben. Italienisch hat sie selbst in<br />

jungen Jahren gelernt – und auch unterrichtet,<br />

um ihren ersten Mann zu unterstützen.<br />

Sie braucht den Kontakt zu den jungen<br />

Leuten, sagt sie. Aus dem ersten Stock eilt<br />

der Besitzer des Buchladens herunter. Ein<br />

alter Mann, klein, Glatze. Drei Küsschen<br />

und die Frage: „Wo bleibt das Magazin?“<br />

Ihr Magazin hat sie bekannt gemacht<br />

außerhalb der libanesischen Grenzen, es<br />

hat ihr in der arabischen Welt Todesdrohungen<br />

und Hass eingebracht. Auf diesem<br />

Teil der Erde ist es das erste und einzige<br />

seiner Art. „Jasad“ heißt es, der Körper.<br />

Seit acht Monaten hat es keine neue Ausgabe<br />

mehr gegeben. Niemand traut sich,<br />

darin zu werben – aber ohne Werbung kein<br />

Budget. Trotzdem ist jetzt endlich eine<br />

neue Ausgabe in Planung.<br />

„Jasad“ ist kein Pornomagazin, aber doch<br />

ein intellektuelles, lustvolles Infragestellen<br />

der Tabus, die die arabische Welt um<br />

Sexualität und Körper gemauert hat. Ein<br />

Magazin mit Reportagen über Jungfräulichkeit,<br />

erzwungene Hochzeiten, Polygamie,<br />

Homosexualität, Religion, mit erotischer<br />

Fotografie und erotischer Lyrik.<br />

„Der Körper oder vielmehr Sex ist eines<br />

des größten Probleme der arabischen<br />

Welt“, sagt Haddad, während sie zahlt. Sex<br />

ist einer der drei Eckpunkte, zwischen<br />

denen sich aufspannt, was sie das Bermuda-Dreieck<br />

nennt, die anderen sind<br />

Religion und Politik. Alle drei, so sagt sie,<br />

sind untrennbar miteinander verbunden.<br />

Alle drei sind schwer zu durchdringen.<br />

In der ganzen arabischen Welt ist „Jasad“<br />

verboten, nur im Libanon kann man es<br />

kaufen – in Umschlägen mit dem Aufdruck:<br />

nur für Erwachsene. Den „Playboy“<br />

gibt es ohne Verpackung, der wird nicht<br />

von einer Frau gemacht. „Ich bin auch kein<br />

Hugh Hefner, ich bin viel gefährlicher“,<br />

sagt sie auf dem Weg zur Redaktion. „Ich<br />

betrachte den Körper nicht nur von einem<br />

oberflächlichen Standpunkt. Der Körper ist<br />

hier Politik hier. Wenn Intellektuelle im<br />

Heft über Sex schreiben, dann gleicht das<br />

einer kleinen Revolution. Das ist viel gefährlicher,<br />

als Männern beim Masturbieren<br />

zu helfen.“ Wieder das Lächeln, das zu<br />

sagen scheint: „Na komm, widersprich mir<br />

doch.“ Joumana Haddad mag Widerspruch.<br />

Kurz darauf sitzt sie in ihrem Büro im<br />

fünften Stock des neuen Glasgebäudes der<br />

Zeitung, die man wohl die „Süddeutsche“<br />

des Nahen Ostens nennen könnte. „Ich<br />

werde immer gefragt, warum ich für die<br />

sexuelle Befreiung kämpfe, das könne doch<br />

nicht Priorität sein, andere Rechte seien<br />

wichtiger. Aber wenn ich für die sexuelle<br />

Befreiung kämpfe, kämpfe ich für Säkularisierung,<br />

gegen Religionen, gegen deren<br />

Machtmonopol. Der gleiche Drachen –<br />

mit vielen Köpfen.“<br />

Den fauligen Atem dieses Drachens musste<br />

Haddad schon in frühester Kindheit<br />

spüren. Sie wuchs auf umgeben von Krieg.<br />

Zu Hause stritten ihre streng katholischen<br />

Eltern, draußen auf den Straßen begann<br />

der Bürgerkrieg. Da war Haddad vier Jahre<br />

alt. Milizen banden getötete Gegner an<br />

Autostoßstangen, schleiften die Leichen<br />

durch die Stadt. Das Pfeifen der Granaten<br />

ersetze das Hupen der Autos. So sah der<br />

Alltag in Beirut von 1975 bis 1990 aus.<br />

Haddad flüchtete sich in die Literatur. „Sie<br />

hat mir das Leben gerettet“, sagt sie heute<br />

und bläst Rauch in einer feinen Säule in<br />

den Raum. Dostojewski, Salinger, Balzac,<br />

Miller, Anais Nin – die Bibliothek ihres<br />

Vaters war wie ein Füllhorn voller Klassiker.<br />

Mit zwölf, als sie den gerade ausgelesenen<br />

Balzac wieder in das Bücherzimmer<br />

des Vaters brachte, fand sie auf dem<br />

obersten Regalbrett ein gelb eingeschlagenes<br />

Buch, das ihr Leben verändern sollte:<br />

„Justine“, das bekannteste und sexuell<br />

extrem explizite Buch des französischen<br />

Adligen Marquis de Sade, der 1814 starb<br />

und dessen Name für den Begriff Sadismus<br />

Pate stand. „De Sade griff mich an den<br />

Schultern und sprach: ‚Die Phantasie ist<br />

dein Königreich. Alles ist möglich‘.“<br />

De Sade sollte recht behalten. Für Haddad<br />

schien nach der Lektüre kaum mehr etwas<br />

unmöglich, weniges unschicklich. Zog sie<br />

sich als Mädchen viel und oft zurück, hatte<br />

dies einfache Gründe. Zwei Lieblingsbeschäftigungen<br />

hat sie gehabt, für beide benötigte<br />

sie unbedingte Einsamkeit: Lesen<br />

und Masturbieren. Doch kaum war sie dem<br />

intellektuellen, aber auch strengen Elternhaus<br />

entflohen – sie forcierte die<br />

eigene Hochzeit –, war die Zurückgezogenheit<br />

passé. Den ersten Eklat beschwor sie<br />

herauf, als sie mit 25 ein Gedicht über den<br />

Penis schrieb und veröffentlichte. In<br />

Europa nichts Besonderes, doch für eine<br />

arabische Frau war es ein großer, ein<br />

wichtiger Schritt. Noch immer wirft sie<br />

einem das Wort mit Trotz entgegen. „Ein<br />

Penis ist ein Penis und Titten sind Titten<br />

– warum soll ich das nicht so sagen<br />

dürfen?“<br />

Bald begann sie bei der Zeitung, unterrichtete<br />

Italienisch, schrieb Bücher. Vor ihr<br />

auf dem Schreibtisch liegt eine Ausgabe<br />

ihres letzten: „Wie ich Scheherazade<br />

tötete“. Es steht in der gesamten arabischen<br />

Welt auf dem Index – außer im Libanon. Es<br />

ist eine leidenschaftliche Kampfansage<br />

gegen die Unterdrückung der Frau, gegen<br />

die monotheistischen Religionen, zugleich<br />

ein grimmiger Appell an die arabische<br />

Welt, ein wütende Confessio, eine politische<br />

Streitschrift zur Befreiung der Frau.<br />

Wut – sie ist die treibende Kraft in Haddad.<br />

Wut über die Gleichgültigkeit ihrer Mitmenschen,<br />

über die libanesischen Frauen,<br />

die nicht kämpfen wollen. Die Minirocktragen<br />

und Partymachen schon als Freiheit<br />

betrachten, denen egal ist, dass sie vom<br />

Gesetz nicht gleichberechtigt behandelt<br />

werden. Wut auf die Feministinnen, die<br />

einen Kampf gegen Windmühlen führen,<br />

solange sie nicht die Männer mit ins Boot<br />

nehmen, um gemeinsam für die Gleichberechtigung<br />

der Frau zu kämpfen. Wut auf<br />

die Kirche, Wut auf den Islam, Wut auf alle<br />

monotheistischen Religionen, weil sie<br />

Alle Bilder auf dieser Doppelseite<br />

stammen aus der aktuellen Ausgabe<br />

von Haddads Magazin „Jasad“.<br />

„Der Körper oder vielmehr Sex ist eines der größten<br />

Probleme der arabischen Welt“, sagt Haddad.<br />

mehr als alles andere die Unterdrückung<br />

der Frau in der arabischen Welt legitimieren.<br />

Es ist diese Wut, die sie aus dem Bett<br />

treibt. „Wenn ich morgens aufstehe, fühlt<br />

es sich an, als würde ich in die Schlacht<br />

ziehen. Denn das Leben hier ist immer ein<br />

Kampf.“<br />

Es ist eine schöne Wut, eine reflektierte<br />

Wut, die jetzt über ihre Züge huscht,<br />

während sie redet. Es ist nicht die Wut der<br />

Islamisten, die nach dem ersten Erscheinen<br />

des Magazins „Jasad“ drohten, Haddad<br />

mit Säure zu übergießen; es ist auch nicht<br />

die Wut der Kirche, aus der sie austrat, um<br />

sich fortan öffentlich als Atheistin zu bezeichnen.<br />

Etwas Unerhörtes in der<br />

arabischen Welt. Es ist auch nicht die Wut<br />

einiger Kollegen, die ihr Effekthascherei<br />

vorwerfen. Es ist eine katalysierte Wut,<br />

eine kreative. Und sie wird größer.<br />

Keine zwei Jahre ist es her, dass die Völker<br />

der arabischen Welt begannen, gegen<br />

ihre Despoten aufzubegehren. Anfang 2011<br />

rief Ban Ki Moon, der Generalsekretär<br />

der Vereinten Nationen, die Frauen der<br />

arabischen Welt auf, die Winde der Veränderung<br />

zu nutzen, die durch ihre Länder<br />

wehten. Doch was ist passiert? Joumana<br />

dreht sich eine Zigarette, zündet sie an.<br />

Man spürt ihren Spott in der Geschwindigkeit<br />

des Rauchs, den sie in die Luft bläst,<br />

im Temperament, das in den grünen Augen<br />

funkelt.<br />

Von Anfang an hat sie den Optimismus des<br />

Westens nicht verstanden. Seit März 2011<br />

hat sie Artikel um Artikel geschrieben und<br />

davor gewarnt, dass diese Revolutionen<br />

keine Freiheit bringen würden. Dass man<br />

nur wählen könne zwischen zwei Monstern:<br />

der Diktatur und dem religiösen<br />

Extremismus, der für sie noch schlimmer<br />

ist, weil noch frauenfeindlicher. Aber was<br />

sie am meisten ärgert, ist die Rolle, die<br />

die Frauen selber während der Revolution<br />

eingenommen haben.<br />

„In Ägypten und Tunesien haben wir<br />

anfangs Frauen auf der Straße gesehen.<br />

Aber danach? Als es wichtig wurde? Bei<br />

den Wahlen? Da waren sie fast vollständig<br />

verschwunden. Man könnte meinen, sie<br />

seien nur benutzt worden, um den Revolutionen<br />

Glaubwürdigkeit zu schenken. Um<br />

im Westen Euphorie zu entfachen. Aber<br />

es war alles nur Beschiss. Nach den<br />

Revolutionen blieben die Frauen auf der<br />

Strecke, und das Schlimmste ist: Sie haben<br />

es hingenommen.“ Sie kramt die Packung<br />

Virginia Blend wieder aus ihrer Handtasche<br />

und dreht die nächste. „Was man so<br />

gerne ´Arabischer Frühling´ nennt, das<br />

ist kein Frühling. Das ist höchstens und<br />

hoffentlich ein letzter Winter.“<br />

Sie will die Hoffnung nicht aufgeben, dass<br />

die Phase des religiösen Extremismus’ nur<br />

eine Übergangsphase ist. Eine finale<br />

Hürde, die die arabische Welt überwinden<br />

muss, um endlich wirkliche Veränderung<br />

zu erleben, um Freiheit zu finden. Ein<br />

Kämpfer muss immer auch Optimist sein.<br />

Sie schaut aus dem Fenster. Unter ihr der<br />

Platz der Märtyrer, immer noch von<br />

Bomben planierte Brachfläche, 22 Jahre<br />

nach Ende des Bürgerkrieges. Der Krieg –<br />

wie fast jeder im Libanon ist auch sie von<br />

ihm geprägt worden. „Der Krieg kann zwei<br />

Sachen mit dir machen: All das Blut, der<br />

Tod, die Trümmer, die Angst können dafür<br />

sorgen, dass Du schnell aufgibst, bloß nur<br />

deine Ruhe haben willst. Oder der Krieg<br />

macht einen Kämpfer aus dir.“<br />

Dann muss sie los. Ihr Sohn kocht für sie.<br />

Sie wird erwartet. Sie eilt zu einer jungen<br />

Kollegin. Der einzigen mit Kopftuch, jenem<br />

Kleidungsstück, gegen das sie so vehement<br />

zu Felde zieht. Sie umarmt sie, die beiden<br />

wechseln ein paar Worte, dann verschwindet<br />

sie im Fahrstuhl. „Das arme Mädchen,<br />

so schlau, so offen“, sagt sie, „das Kopftuch<br />

132<br />

133


zwei Zwölfjährige, die sie neulich auf einem<br />

Kindergeburtstag belauschte. Ein<br />

Porsche war vorbeigefahren, und die eine<br />

hatte zur anderen gesagt: „Wenn ich<br />

groß bin, wird mir mein Mann so einen<br />

kaufen.“ Haddad schüttelt den Kopf. „Wie<br />

kann das sein, warum werden diese Mädchen<br />

nicht endlich so erzogen, dass sie<br />

denken: Ich werde Geld machen und mir<br />

selber so einen teuren Wagen kaufen?<br />

Es liegt doch in den Händen der Mütter.<br />

Aber Beirut. Sie lächelt wieder. Natürlich<br />

liebt sie es auch. Man muss diese Stadt<br />

lieben. Das Leben, das noch immer, trotz 15<br />

Jahren Bürgerkriegs, in ihr vibriert, die<br />

Cafés, die Restaurants, die Clubs, die<br />

Strände, die Galerien, die Intellektualität,<br />

die sich hier noch immer ballt. Natürlich<br />

liebt sie all das, bei allem Hass.<br />

Sie erzählt von ihrem Umzug, der ihr bald<br />

bevorsteht. Ein Haus im Norden Beiruts,<br />

Blick aufs Meer, die Zedern im Rücken. Sie<br />

Es sind die kleinen Veränderungen, an<br />

die sie glaubt. Die in den Menschen.<br />

Deswegen hat sie wieder ein Buch geschrieben:<br />

„Superman is an Arab“ heißt<br />

es und wird in Deutschland im nächsten<br />

Jahr erscheinen. Die ersten Zeilen darin<br />

stammen von Henry Miller:<br />

This then? This is not a book, in the<br />

ordinary sense of the word. No, this is a<br />

prolonged insult, a gob of spit, a kick in<br />

the pants to God, Man, Destiny, Time …<br />

Viele Studenten schätzen Haddad für ihre Meinungsstärke<br />

und drücken ihre Bewunderung in Dankesbriefen aus.<br />

zerstört ihr ganzes Leben.“ Sie eilt durch<br />

die Tiefgarage in Richtung ihres grünen<br />

Geländewagens, das Klicken ihre Absätze<br />

hallt von den Wänden zurück. „Ihre<br />

Familie zwingt sie, es zu tragen, und der<br />

einzige Weg, der Familie zu entkommen,<br />

ist es, zu heiraten. Aber mit Kopftuch<br />

findest du nur Männer, die denken wie ihre<br />

Eltern. Es ist ein furchtbarer Kreislauf.“<br />

Und das Tuch einfach ablegen? Sie schaut,<br />

als hätte sie nicht recht verstanden. „Dann<br />

bringen sie sie um“, sagt Haddad dann<br />

nüchtern.<br />

Am nächsten Mittag sitzt sie rauchend in<br />

ihrem Auto und steuert durch Beirut.<br />

Die Hand mit dem Armband aus kleinen<br />

Peace-Zeichen und dem Hurriya-Tattoo<br />

am Handgelenk hält das Steuer, die andere<br />

entweder die Zigarette oder das Handy.<br />

Hurriya ist ein schönes arabisches Wort,<br />

Freiheit bedeutet es. Eine englische<br />

Journalistin hat sie einmal als die Carrie<br />

Bradshaw von Beirut bezeichnet, und<br />

auch wenn sie ein Faible für Maniküre, italienische<br />

Schuhe und Handtaschen nicht<br />

leugnen kann, so drohen einem als<br />

Journalist im Libanon doch schlimmere<br />

Dinge als der Champagner-Kater am<br />

Morgen nach der Vernissage. Zwei<br />

Redaktionskollegen fanden alleine 2005<br />

den Tod durch eine Autobombe. Nein, eine<br />

Carrie Bradshaw ist sie nicht, eher eine<br />

Kämpferin in schicken Schuhen.<br />

Sie fährt auf die Corniche, die Küstenstrasse,<br />

links Luxusappartements, rechts<br />

das Meer. Am Straßenrand: Werbung<br />

für Botox, Werbung für Schönheits-OPs.<br />

„Die Banken hier geben extra Kredite<br />

für Schönheits-Operationen“, sagt sie<br />

und schüttelt den Kopf. „Es ist nicht zu<br />

glauben. Selbst Kühlschränke und Bücher<br />

bewerben sie mit halbnackten Frauen.<br />

Ich bin eine heterosexuelle Frau. Wenn sie<br />

wollen, dass ich was kaufe, dann sollen sie<br />

doch Männerärsche drucken.“ Sie lacht.<br />

Irgendwann zeigt sie landeinwärts. „Hier<br />

war vor ein paar Monaten eine Demo von<br />

Feministinnen. Sie haben demonstriert<br />

und sich alle Schnurbärte angeklebt. Wie<br />

zum Teufel soll ich sowas unterstützen.<br />

Wenn ich für meine Rechte demonstrieren<br />

will, dann mach ich das in meinen High<br />

Heels.“ Nein, die Feministinnen und sie –<br />

das passt nicht. Zu dogmatisch sind sie ihr,<br />

zu stolz auf ihre Weiblichkeit ist sie ihnen.<br />

„Ich feiere gerne meine Weiblichkeit als<br />

eine wichtige Kraft. Das verstehen sie nicht<br />

ganz.“ Haddad bezeichnet sich selbst als<br />

Post-Feministin.<br />

Es ist die Wut, die sie aus dem Bett treibt.<br />

„Wenn ich morgens aufstehe, fühlt es<br />

sich an, als würde ich in die Schlacht ziehen.<br />

Denn das Leben hier ist immer ein Kampf.“<br />

Langsam mäandert der Verkehr durch die<br />

Stadt. Ihre Stadt. Beirut. Ihre Hassliebe.<br />

„Jaja“, sagt sie, als könne sie es nicht mehr<br />

hören, „natürlich sagt man, der Libanon sei<br />

offen und liberal. Aber das ist doch alles<br />

nur Oberfläche, und das ist es, was mich so<br />

ärgert.“ Sie erzählt eine Geschichte über<br />

Aber die Mentalität hier ist korrumpiert.<br />

Die meisten Frauen wählen den einfachen<br />

Weg.“<br />

Aber natürlich sind die Männer nicht<br />

besser. „An der Uni gab es neulich eine Umfrage<br />

unter jungen Studenten. 90 Prozent<br />

habe gesagt, sie würden nur eine Jungfrau<br />

heiraten. Junge Studenten. Gebildete junge<br />

Männer. Ist das normal?“ Sie schaut mit<br />

ernster Trauer auf die Strasse vor sich, zieht<br />

an der Selbstgedrehten und sagt mehr zu<br />

sich selbst, flüstert fast: „Nein, nein, nein.“<br />

Es ist ein trauriges Nein. Es wirkt fast wie<br />

ein Eingeständnis, ein sekundenlanges<br />

Resignieren von einer, die den Optimismus<br />

nicht verlieren darf. Es muss viel Kraft<br />

kosten, hier zu kämpfen. Optimismus ist<br />

ein teures Gut, wenn man fast jeden gegen<br />

sich weiß.<br />

strahlt, wenn sie davon erzählt. Und<br />

wieder mit leichtem Spott im Blick erzählt<br />

sie, wie der Vermieter schriftlich hat<br />

versprechen müssen, keine Mietparteien<br />

aus den Golfstaaten einziehen zu lassen –<br />

was nicht unüblich ist in Beirut, wo 25<br />

Prozent der Immobilien Nichtlibanesen<br />

gehören. Morgens beim Frühstück auf<br />

der Terrasse eine „Burkafrau“ sehen<br />

müssen: nicht mit ihr.<br />

Später nach dem Examen legen zwei ihrer<br />

Studenten fast schüchtern Briefe auf den<br />

Tisch, bevor sie gehen. Dankesbriefe.<br />

Für die Sicherheit, für das Gefühl, das sie<br />

ausstrahlt, dass Freiheit immer erreicht<br />

werden kann. Sie wird rot, als sie die<br />

Schreiben liest. Alleine im Seminarraum.<br />

Sie weiß, dass sie die Welt nicht verändern<br />

können wird, sie will das auch gar nicht.<br />

I am going to sing for you, a little off-key<br />

perhaps, but I will sing ...<br />

In ihren eigenen Worten steht weiter<br />

hinten:<br />

When my book ‘I Killed Scheherazade:<br />

Confessions of an Angry Arab Woman’ was<br />

first published, many people asked me:<br />

‘What makes you the most angry?’ And I<br />

always answered: ‘The fact that there<br />

aren’t enough angry people out there.’ Yes,<br />

the world needs more angry, outraged<br />

men and women.<br />

Joumana Haddad ist wütend – und sie wird<br />

es bleiben. Ende<br />

Joumana Haddad wurde 1979 in Beirut geboren.<br />

Ihr Buch „Wie ich Scheherazade tötete“ erschien bereits<br />

2010, ihr neues Buch mit dem Titel „Superman is an Arab“<br />

wird voraussichtlich nächstes Jahr publiziert.<br />

134<br />

135


paradiesische<br />

früchte<br />

Von der bibel in die Hausapotheke<br />

Fotos: Christian Hagemann<br />

Text: Alexa von Heyden<br />

Sauer macht lustig … und erfinderisch: Zitrusfrüchte beeinflussten nicht nur<br />

internationale Essgewohnheiten, sondern auch Kunst und Architektur, vielleicht<br />

sogar die Religionsgeschichte. Bis heute stehen die Aromabomben wie kein<br />

anderes Lebensmittel für Gesundheit und Frische.<br />

Wenn dir das Leben eine<br />

Zitrone gibt, mach’<br />

Limonade draus“ lautet ein<br />

wenig holperig der<br />

deutsche Titel von Virginia<br />

Euwer Wolffs Jugend-<br />

Kultbuch „Make Lemonade“.<br />

Wenn man bedenkt,<br />

dass es Leute gibt, die<br />

sogar behaupten, Adam<br />

und Eva seien hochkant aus dem Paradies geflogen, weil sie in eine<br />

Zitrone und nicht in einen Apfel bissen, macht dieses inzwischen<br />

geflügelte Wort einmal mehr Sinn. Das gängige Bild vom Apfel als<br />

verbotener Paradiesfrucht geht wohl auf eine falsche Übersetzung<br />

des lateinischen Wortes „malum“ zurück, das sowohl „das<br />

Schlechte“ bedeutet als auch „Apfel“. Tja, die Überlieferung von<br />

Geschichte ist manchmal wie Stille-Post-Spielen: Am Ende der<br />

Leitung kommt totaler Quatsch raus.
<br />

Fest steht, dass Zitrusfrüchte die Menschheit schon eine ganze<br />

Weile begleiten. In den Gärten der Hesperiden am Rande der Welt<br />

wuchsen, so die griechische Mythologie, „goldene Äpfel“, die den<br />

Göttern ewiges Leben garantierten. Tatsächlich enthalten Zitrusfrüchte<br />

viel Vitamin C und Mineralstoffe wie Kalium. Insbesondere<br />

die oft verschmähte weiße Haut zwischen Fruchtfleisch und Schale<br />

enthält Stoffe, die Krebs und einem Herzinfarkt vorbeugen können.<br />

Die Mutter aller Zitrusfrüchte ist die Zitronatzitrone (lat. Citrus<br />

medica – Medischer Apfel), die schon im 1. Jahrhundert nach<br />

Christus auf jüdischen Geldstücken abgebildet wurde und deren<br />

Verwandte, die gelbgrüne Sorte Etrog, bis heute eine wichtige Rolle<br />

in der jüdischen Religion spielt, etwa beim Laubhüttenfest. Im<br />

Mittelalter waren die Südfrüchte wie alles Exotische teure<br />

Luxusartikel. In Vanitas-Gemälden sind Zitronen ein Symbol<br />

sowohl für Reichtum als auch für Tugend und Mäßigung, weil man<br />

sie wegen ihrer Säure nicht einfach wie ein Stück Kuchen herunter<br />

schlingen kann. Carl von Linné, der schwedische Naturforscher<br />

und Taufpate der Pflanzen und Tiere (er prägte auch Begriffe wie<br />

„Homo sapiens“ oder „Tyrannosaurus rex“), nannte die Zitrone<br />

„Hesperidium“, womit sich der Kreis zu den goldenen Äpfeln der<br />

griechischen Sagen schließt.
In der Barockzeit kam dank Sonnenkönig<br />

Ludwig XIV. das Sammeln von Zitronen- und Orangenbäumen<br />

in Mode – eine sogenannte „Orangerie“ eben. Da die immergrünen<br />

Bäumchen jedoch empfindlich auf die kalten Temperaturen<br />

jenseits der Alpen reagieren, baute man repräsentative Hallen mit<br />

großen Fenstern, sozusagen die Vorgänger der Wintergärten, in<br />

denen die Kübelpflanzen untergebracht wurden. Wer sich keine<br />

echten Früchtchen leisten konnte, ließ sie sich auf Teller malen.<br />

137


Überhaupt, die Kunst! Das „blasse Zitronengold“ der südfranzösischen<br />

Sonne inspirierte Vincent van Gogh zu seinen schönsten<br />

Stillleben. Georg Baselitz malte 1981 seinen „Orangenesser“, und<br />

Joseph Beuys schuf 1985 die Multiple-Installation „Capri-Batterie“,<br />

eine gelbe Glühbirne mit schwarzer Fassung, deren Stecker in<br />

einer Zitrone steckt.
<br />

Ursprünglich stammen die Zitrusfrüchte aus Südostasien, worauf<br />

die in Norddeutschland übliche Bezeichnung „Apfelsine“ hinweist<br />

– nämlich „Apfel aus China“. Wer sich schon immer gefragt hat,<br />

warum eines der schönsten Hotels der Welt „Mandarin Oriental“<br />

heißt: Im kaiserlichen China trugen höchste Würdenträger den<br />

Titel „Mandarin“ – und orangefarbene Roben .<br />

Kaufleute brachten Zitrusfrüchte über die Seidenstraße schließlich<br />

nach Südeuropa. Aus deren Saft bereitete man mit Zucker und<br />

Wasser ein erfrischendes Getränk, den Vorläufer der Limonade,<br />

das die Seeleute gegen die Vitamin C-Mangelerkrankung Skorbut<br />

schützte.
<br />

Heute sind Zitrusfrüchte ein alltägliches Lebensmittel und wegen<br />

ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden und reinigenden<br />

Eine japanische Studie zeigt, dass<br />

Zitrusduft tatsächlich nicht<br />

nur belebend, sondern auch gegen<br />

Konzentrationsstörungen wirkt.<br />

zusammen, denn wir verbinden die appetitlichen Früchte mit einem<br />

gesunden Lifestyle, man denke nur an frischgepressten O-Saft<br />

zum Frühstück. Eine japanische Studie zeigt, dass Zitrusduft<br />

tatsächlich nicht nur belebend, sondern auch gegen Konzentrationsstörungen<br />

wirkt. Früher trugen im Rheinland und anderswo<br />

die Totengräber Zitronen bei sich, um den Verwesungsgeruch<br />

der Leichen zu überdecken. Anschließend versuchten sie, die<br />

Früchte zu verkaufen – doch die wollte natürlich keiner haben.<br />

Daher kommt die Redensart „mit Zitronen handeln“.<br />

Zitrusfrüchte sind auch in der Hausapotheke unverzichtbar:<br />

1. Capri-Batterie: Josef Beuys<br />

Installation entstand 1985 wärend<br />

einesToskana-Aufenthalts.<br />

Die Zitrone fungiert als Mini-<br />

Kraftwerk.<br />

2. Jüdische Etrog-Münze: Seit<br />

dem 1. Jahrhundert ist ein<br />

Etrog-Strauch auf jüdischen<br />

Geldstücken abgebildet, wo<br />

sie als Paradiesapfel gilt<br />

und fester Bestandteil des<br />

Sukkotfestes ist.<br />

3. Orangenesser: Georg Baselitz<br />

malte das Bild 1982. Statt in<br />

den Mund führt die Hand die<br />

Orange zum Auge. Die Zitrusfrucht<br />

gilt hier als Symbol<br />

des Sündenfalls.<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Kraft sowie ihres Dufts darüber hinaus Zutat für allerlei Kosmetika,<br />

Grippe- und auch Putzmittel. Zitronenfrisch soll es sein! Köche<br />

wie Jamie Oliver preisen sie als Geschmacksverstärker, deren<br />

Säure den Eigengeschmack von Lebensmitteln herauskitzelt. Der<br />

Brite quetscht in seiner TV-Show Zitronenhälften immer mit<br />

der Hand aus und träufelt den Saft großzügig über Salate, Fisch<br />

und Fleisch. Den Zuschauern läuft dabei das Wasser im Munde<br />

Aufgelegte Scheiben einer Zitrone lindern den Juckreiz nach<br />

Insektenstichen, der Saft hellt sowohl Flecken als auch die Haare<br />

auf und wirkt zusammen mit einem Espresso gegen Kopfschmerzen.<br />

Und ist es überhaupt möglich, eine Erkältung ohne ein<br />

paar Gläser heißer Zitrone zu überstehen?
<br />

Früher war Italien das Land der Zitrusfrüchte schlechthin, man<br />

denke nur an Goethes Italiensehnsucht und sein romantisches<br />

MANDARINE<br />

Im kaiserlichen China trugen höchste<br />

Würdenträger den Titel „Mandarin“ – und<br />

orangefarbene Roben. Diesem Brauch<br />

verdankt die Mandarine ihren Namen.<br />

138


Hemd LIMETTE und Jacket Hermès<br />

besonders angesagt ist der aus Australien<br />

Hose<br />

stammende<br />

Prada<br />

Finger-Lime, aus dem der sogenannte<br />

Limettenkaviar gewonnen werden kann.<br />

Grapefruit<br />

Die Kreuzung aus Pampelmuse und Orange<br />

isst man am besten mit einem speziellen<br />

Grapefruitlöffel.<br />

KUMQuat<br />

auch Zwergorange genannt,<br />

stammt ursprünglich aus Asien.<br />

Manche behaupten sogar, dass Adam und<br />

Eva hochkant aus dem Paradies<br />

geflogen sind, weil sie in eine Zitrone und<br />

nicht in einen Apfel bissen.<br />

Gedicht „Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh’n, Im dunkeln<br />

Laub die Goldorangen glühn“. Berühmt für ihre Haine sind Sizilien<br />

und die Gegend rund um den Gardasee. Heute werden die Zitrusfrüchte<br />

in 100 Ländern angebaut, vor allem in Brasilien, Florida,<br />

Spanien oder Israel. Winterorangen kommen aus Europa, Sommerorangen<br />

aus Übersee. Entsprechend groß ist die Vielfalt: Man<br />

denke an Satsumas, Amalfi-Zitronen oder die angesagten Fingerlimetten<br />

aus Australien. Tatsächlich gibt es aber nur eine Handvoll<br />

Sorten: Zitronen, Orangen, Mandarinen, Pampelmusen und<br />

Limetten sowie die kleinen Kumquats. Clementinen sind eine<br />

häufig kernlose Kreuzung aus Mandarine und Orange und meist<br />

süßer. Die Grapefruit ist eine Hybride aus Pampelmuse und<br />

Orange. Das ätherische Öl der italienischen Bergamotte sorgt dafür,<br />

dass der Earl Grey Tee so komisch schmeckt. Die Navel Orange<br />

heißt so, weil ihr Ende tatsächlich wie ein Bauchnabel (engl. navel)<br />

aussieht. Die Pomeranze (lat. Pomum aurantium – goldener Apfel)<br />

ist eine Kreuzung aus Pampelmuse und Mandarine und wird<br />

von den Briten gerne zu Marmelade verkocht. Die Schale dieser<br />

Bitterorange kandiert man zu Orangeat, aus ihren Blüten wird das<br />

für die Parfümerie wichtige Neroliöl gewonnen. Pomeranzen<br />

werden außerdem zur Herstellung von Likören wie Curacao,<br />

Cointreau und Grand Marnier verwendet.
<br />

Wegen des Insektensterbens könnten Zitrone & Co. demnächst<br />

wieder zu Luxusprodukten avancieren. In der Landwirtschaft<br />

werden vermehrt Pestizide eingesetzt und dadurch Insekten-<br />

Lebensräume zerstört. Das Ergebnis: Es gibt weniger Bienen oder<br />

sonstige Viecher, die die Zitronen bestäuben. Gut, dass ein paar<br />

Bäumchen auch in Deutschland wachsen können, zum Beispiel in<br />

Sachsen und im Alten Land bei Buxtehude. ende<br />

141


Das Bild<br />

Interview: Lisa Leinen<br />

Marina Lambrini Diamandis<br />

singt unter dem Künstlernamen Marina and the Diamonds.<br />

Die Halbgriechin spricht mit einem breiten walisischen<br />

Akzent und hat eine Vorliebe für lange Wimpern und den Look<br />

der Fifties. Für <strong>Fräulein</strong> malte die 26-Jährige ein Bild zum<br />

Thema ‚Einsamkeit’ und erzählte uns, wie es sich anfühlt,<br />

nicht dazuzugehören.<br />

W<br />

ie würden Sie den<br />

Unterschied zwischen<br />

Einsamkeit und<br />

Alleinsein beschreiben?<br />

Marina Lambrini Diamandis Ich denke,<br />

dass Alleinsein immer freiwillig ist, ein<br />

Zustand, aus dem man neue Energie und<br />

Kraft schöpfen kann, eine Zeit, in der man<br />

etwas ganz für sich tun kann. Einsamkeit<br />

dagegen ist ein unfreiwilliger Zustand<br />

mit unschönen Begleiterscheinungen.<br />

Manche ziehen sich selbst aus der<br />

Gesellschaft zurück, andere werden, aus<br />

welchen Gründen auch immer, von der<br />

Gesellschaft ausgeschlossen.<br />

Waren Sie schon einmal einsam?<br />

m D Ja, das war ich. Meine ganze Kindheit<br />

lang, denke ich, und wenn ich so darüber<br />

nachdenke, habe ich mich bis letztes Jahr<br />

einsam gefühlt. Einsamkeit hat mich<br />

geformt, mich zu derjenigen gemacht, die<br />

ich jetzt bin. Ich habe mich lange Zeit<br />

missverstanden gefühlt und mich selbst<br />

zur Außenseiterin gemacht. Ich hatte das<br />

Gefühl, mit niemandem auf dem Niveau<br />

reden zu können, das ich mir selbst gesetzt<br />

hatte.<br />

Und heute? Sie sind also nicht mehr<br />

einsam, aber sind Sie gerne alleine?<br />

m D Das bin ich, ja. Sehr gerne sogar! Ich<br />

liebe es, mir Zeit zu nehmen für Dinge,<br />

die mir gut tun. Früher wäre mir beim<br />

Alleinsein noch mehr bewusst geworden,<br />

wie anders ich bin, dass ich keine Freunde<br />

habe. Heute dagegen bin ich froh, wenn<br />

ich bei all dem Trubel um meine Person<br />

mal in Ruhe ein Buch lesen kann oder<br />

Songs schreiben kann.<br />

Fördert Einsamkeit Kreativität?<br />

m D Ich denke ja. Wenn man einsam ist, ist<br />

man emotionaler, man leidet, man sucht<br />

nach einem Weg, die Leere zu füllen. Also<br />

beginnt man zu malen, oder, wie in<br />

meinem Fall, Lieder zu schreiben.<br />

Was haben Sie über Einsamkeit geschrieben?<br />

m D „Feeling like a loser, feeling like a bum,<br />

sitting on the outside, observing the fun“<br />

heißt es in ‚The Outsider’. Ich habe diesen<br />

Song in einer Zeit geschrieben, wo ich das<br />

Gefühl hatte, nicht dazuzugehören. Alle<br />

Menschen schienen mir so falsch. Heutzutage<br />

sehe ich das anders, ich habe tolle<br />

Freunde um mich herum, denen ich vertraue<br />

und die mich akzeptieren.<br />

Woher kam diese Veränderung?<br />

m D Ich glaube, ich habe irgendwann<br />

aufgehört, in schwarz und weiß zu denken,<br />

zu schnell über alles und jeden zu urteilen.<br />

Ich bin weniger kritisch anderen, sondern<br />

mehr mir selbst gegenüber geworden.<br />

Schauen wir doch mal auf Ihr Bild ...<br />

m D Man sieht Vögel am Himmel, die über<br />

dem Ozean kreisen. In der Mitte des<br />

Ozeans gibt es diesen Strudel, der das über<br />

ihm schwebende, gebrochene Herz gleich<br />

mit sich ziehen wird. Ich sollte noch Tränen<br />

malen, denn der Himmel wird traurig sein.<br />

Warum haben Sie zuerst die Vögel<br />

gemalt?<br />

m D Vögel am Himmel sehen für mich<br />

immer einsam aus. Sie fliegen ins Nichts,<br />

trotzdem wirken sie frei. Zudem habe ich<br />

mir eine einsame Situation vorgestellt,<br />

und sofort habe ich Vogelgeschrei gehört.<br />

Wenn alles still und verlassen ist, wenn<br />

man nur dieses Geschrei hört, das kennt<br />

doch jeder, oder?<br />

Wenn man einsam ist,<br />

ist man emotionaler,<br />

man leidet, man sucht<br />

nach einem Ausgleich<br />

für die Leere.<br />

Über dem Herz steht ‚Lonely Hearts<br />

Club’, was bedeutet das für Sie?<br />

m D So heißt meine Tour, den Titel habe<br />

ich selbst gewählt. Ich finde die Vorstellung<br />

schön, dass alle einsamen Menschen einer<br />

Art Club angehören, in dem sie sich finden.<br />

Auf meinen Konzerten vielleicht, wer weiß.<br />

Warum ist das Herz gebrochen?<br />

m D Es geht natürlich um die Liebe. Ein<br />

gebrochenes Herz ist erst einmal auch ein<br />

einsames Herz. Hier scheint es so, als<br />

würde es gleich von dem Strudel verschlungen<br />

werden und damit untergehen.<br />

Aber wer weiß, es gibt ja auch noch die<br />

fliegenden Vögel auf dem Bild. ende<br />

Marina and the Diamonds nahm ihre ersten Lieder<br />

mit dem Apple-Programm GarageBand auf, über<br />

eine Website fand sie schließlich einen Produzenten,<br />

der für 500 Pfund einige Songs mit ihr aufnahm. Ihr<br />

zweites Album ‚Electra Hearts‘ ist bereits bei Warner<br />

Music erschienen, im Sommer wird sie als Vorband<br />

von Coldplay auftreten.<br />

142


Eine Stimme<br />

Protokoll: Ruben Donsbach<br />

Alison Klayman hat den chinesischen Künstler Ai Weiwei über Jahre<br />

hinweg begleitet. Die Journalistin zeichnet in ihrem Film „Ai Weiwei – Never Sorry“<br />

nicht nur das vielschichtiges Porträt eines engagierten Künstlers, sondern legt auch die<br />

Probleme der chinesischen Gesellschaft offen. Doch über die chinesischen Grenzen<br />

hinaus gelten Weiweis Forderungen nach mehr persönlicher und politischer Freiheit für<br />

Klayman überall. Auch in Europa und den USA.<br />

OFFEN und mysteriös: Ai WEIWEI<br />

Als ich dann den Künstler<br />

Ai Weiwei während den Vorbereitungen<br />

für eine kurze<br />

Video-Dokumentation<br />

der Ausstellung mit Fotografien<br />

aus seiner New Yorker Zeit traf,<br />

da wusste ich kaum etwas über Ihn.<br />

Schon gar nicht, dass er als junger Mann,<br />

von 1981 bis 1993, in Amerika gelebt hatte.<br />

Mir fiel aber sofort seine starke Präsenz<br />

auf, mit der er den Raum dominierte und<br />

die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen<br />

Anwesenden auf sich zog. Ich<br />

glaube, die gemeinsame Erfahrung, jung<br />

in ein fremdes Land gegangen zu sein,<br />

verband uns ganz unmittelbar. Weiwei<br />

ist, wenn man das so sagen kann, offen<br />

und mysteriös zugleich. Obwohl wir<br />

innerhalb der ersten Woche viel miteinander<br />

sprachen, blieb er mir ein Rätsel.<br />

Ich wollte herausfinden, was ihn antrieb<br />

und ausmachte. So entstand die Idee,<br />

einen abendfüllenden Dokumentarfilm<br />

zu drehen. Dabei habe ich schnell gemerkt<br />

,wie stark und entschlossen seine<br />

Überzeugungen sind, die ich weder für<br />

westlich noch chinesisch, sondern für allgemeingültig<br />

halte. In seiner Arbeit geht<br />

es um Meinungs- und Ausdrucksfreiheit.<br />

Es geht um den Schutz der Würde des<br />

Einzelnen in der Gemeinschaft vieler. Ich<br />

teile die Überzeugungen, dafür zu<br />

kämpfen. Die Verwandtschaft in Gedanken<br />

gab mir die Kraft, die Dokumentation<br />

zu Ende zu drehen. Das Ergebnis ist<br />

mein Film: Ai Weiwei – Never Sorry.<br />

Die sanktionierten Freiräume<br />

DER chinesischen Gesellschaft<br />

Was mir die Zeit mit<br />

Weiwei am eindringlichsten<br />

gezeigt hat ist, dass<br />

China viele Gesichter hat<br />

und ein extrem großes<br />

Meinungsspektrum in sich vereint. Man<br />

darf die Situation dort nicht vereinfacht<br />

darstellen. Einerseits gibt es also Freiräume<br />

in der chinesischen Gesellschaft, und es<br />

gibt Zuschauer, die nach den Screenings<br />

meines Films zu mir kommen und sagen,<br />

ich habe die Form der Unterdrückung, die<br />

Weiwei beschreibt, selbst nie erlebt!<br />

Andererseits spricht dieser Künstler<br />

keinesfalls für sich alleine. Es gibt viele,<br />

die seine Überzeugungen und Hoffnungen<br />

teilen. Für diese ist er zu einem wichtigen<br />

Symbol geworden.<br />

Denn in China sind die verfügbaren Freiräume<br />

immer auch zugleich sanktioniert<br />

oder zumindest prekär. Es gibt sie, die<br />

Künstler, Blogger und Rechtsanwälte, die<br />

mutig in diese Räume vorstoßen und für<br />

Veränderung werben. Für ihre Überzeugungen<br />

gehen sie allerdings große Risiken<br />

ein, so wie der in meinem Film dargestellte<br />

Umweltaktivist Tan Zuoren, der nach<br />

dem Sichuan-Erdbeben den Tod tausender<br />

Schulkinder durch Pfusch am Bau<br />

kritisierte und 2010 zu fünf Jahren Haft<br />

verurteilt worden ist.<br />

LEUCHTFEUER für BÜRGERRECHTE<br />

China ist ein Land im Wandel,<br />

und viele Menschen<br />

profitieren davon, wie sehr<br />

Ai Weiwei als kritische<br />

Kraft die Grenzen des Denkbaren<br />

verrückt hat. Ich glaube, in einer<br />

idealen Welt sollten Künstler genau dies<br />

tun: den Status Quo neu imaginieren. Ai<br />

Weiwei scheint auf wie ein leuchtendes<br />

Signal. Er macht die Dinge sichtbar, die in<br />

Chinas Gesellschaft zumindest problematisch<br />

verlaufen. Bis er im April 2011 an<br />

einen mir unbekannten Ort verschleppt<br />

wurde, drehte ich also einen Film über<br />

einen Mann, der sich der Staatsmacht entgegen<br />

stellte und trotzdem nicht zum<br />

Schweigen gebracht wurde. Jemand, der<br />

andere inspirierte, Ungerechtigkeiten<br />

beim Namen zu nennen. Mein Glaube an<br />

diese Möglichkeit besteht weiter hin. Sie<br />

wurde - trotz seiner Freilassung - allerdings<br />

auf eine harte Probe gestellt.<br />

Ich selbst wurde während der Dreharbeiten<br />

zu meinem Film kaum behindert,<br />

weil niemand wirklich wusste, was ich<br />

da tat. Doch in der Realität hat China nach<br />

wie vor äußerst streng kontrollierte<br />

Medien. Es gibt eine Armee von staatlichen<br />

Mitarbeitern, die zum einen unliebsame<br />

Berichterstattung zensieren, zum<br />

anderen eine Vielzahl regierungskonformer<br />

Programme produzieren und damit den<br />

Markt überschwemmen. Anders als bei<br />

Für ihre Überzeugungen<br />

gehen viele Regimekritiker<br />

große Risiken ein,<br />

so wie der Umweltaktivist<br />

Tan Zuoren, der nach<br />

dem Sichuan-Erdbeben<br />

den Tod tausender<br />

Schulkinder durch einstürzende<br />

Pfusch- Bauten<br />

kritisierte und 2010 zu<br />

fünf Jahren Haft verurteilt<br />

worden ist.<br />

Weiwei ist es nicht möglich, Kontakt mit<br />

Dissidenten aufzunehmen: wie dem Arzt<br />

Jiang Yanyong, der 2003 die Dimensionen<br />

der SARS-Epidemie aufgedeckt hat, oder<br />

gar dem regimekritischen Schriftsteller<br />

Liu Xiaobo, der 2010 seinen Friedensnobel<br />

nicht entgegennehmen konnte, weil er im<br />

Gefändnis saß und sitzt. Da herrscht eine<br />

große Willkür, auch was die Vertreibung<br />

breiter Bevölkerungsschichten aus ihrem<br />

angestammten Quartieren betrifft.<br />

IDEEN nicht ungedacht machen<br />

Zu sehen, wie im Zuge des außer<br />

Rand und Band geratenen<br />

Baubooms die bestehende Bausubstanz<br />

ohne Rücksicht auf<br />

die Tradition großflächig<br />

niedergerissen wird, ist sehr bewegend<br />

und verstörend. Das wird ein großes<br />

Problem für die kommenden Generationen<br />

in China sein, für die ein Teil ihrer eigenen<br />

Geschichte schlicht nicht mehr da sein<br />

wird. Als ich entsprechende Aufnahmen<br />

meinem Bruder gezeigt habe, dachte er,<br />

das seien Bilder der Verwüstung aus<br />

der Erdbebenregion Sichuan! Doch sie<br />

zeigten einen Teil von Peking gleich um<br />

die Ecke von Weiweis Wohnhaus. Da ist<br />

natürlich viel Korruption im Spiel. Doch<br />

die politischen Skandale der letzten Monate<br />

– wie etwa im März diesen Jahres die<br />

Absetzung des neo-maoistischen Parteichefs<br />

von Chongquing und Mitglieds des<br />

Politbüros – zeigen, dass sich zunehmend<br />

kritische Stimmen über die neuen Medien<br />

durchsetzen. Wenn eine Information erst<br />

einmal den Weg ins Netz gefunden hat,<br />

dann ist sie da. Man kann eine gedachte<br />

Idee nicht ungedacht machen. Die beschleunigte,<br />

virale Natur der Sozialen Netzwerke<br />

kann nicht komplett kontrolliert werden.<br />

Die chinesische Zivilgesellschaft ist also<br />

weitaus agiler als es manchmal von außen<br />

scheint. Ai Weiwei hat sehr früh diese<br />

immens wichtige Bedeutung des Internets<br />

erkannt und es in seine künstlerische<br />

Praxis eingebunden – zunächst in einem<br />

Blog innerhalb der „Großen Firewall“ des<br />

chinesischen Netzes, später dann auf<br />

Twitter unter dem Pseudonym aiww. Diese<br />

Auseinandersetzung mit den neuen Medien<br />

ist somit auch zu einem zentralen<br />

Punkt meines Films geworden. Mir wurde<br />

klar, dass das Internet tatsächlich einen<br />

Unterschied machen kann, wenn es um<br />

gesellschaftliche Emanzipation geht.<br />

WAS kann KUNST?<br />

Die Arbeit an meinem Film hat<br />

mich dazu gebracht, viel<br />

stärker über die Fähigkeit<br />

von Kunst und Kultur nachzudenken,<br />

unsere Gesellschaft<br />

und die sie konstituierenden Vorstellungen<br />

von Fortschritt und sozialer<br />

Gerechtigkeit zu reflektieren. Ein Beispiel:<br />

In der ersten Einstellung meines Films<br />

sieht man, wie eine von Weiweis 40 Katzen<br />

an einer Tür hochspringt, die Klinke<br />

herunter drückt, und hinaus schlendert.<br />

Die anderen 39 können das nicht. Woher<br />

also kommt diese Form der Intelligenz?<br />

Weiwei kommentiert die Szene so: Der<br />

größte Unterschied zwischen Katzen und<br />

Menschen sei, dass Katzen die Tür, durch<br />

die sie gehen, nicht wieder hinter sich<br />

schließen würden. Ich glaube nicht, dass<br />

er das so ausschließlich gemeint hat, aber<br />

für mich ist das eine gute Beschreibung<br />

für Weiwei selbst: für den Typus Künstler,<br />

der weiter denkt als andere, der Türen<br />

öffnet - und sie offen hält für die Nachkommenden.<br />

Die schlaue Katze ist eine großartige<br />

Metapher für den zeitgenössischen<br />

Künstler, wie ich ihn mir wünschen würde.<br />

China ist ein Land im<br />

Wandel, und viele<br />

Menschen profitieren<br />

davon, wie sehr<br />

Ai Weiwei als kritische<br />

Kraft die Grenzen des<br />

Denkbaren verrückt hat.<br />

In einer idealen Welt<br />

sollten Künstler genau<br />

dies tun: den Status Quo<br />

neu imaginieren.<br />

DIE UNWISSENHEIT des WESTENS<br />

Nach meiner Zeit in China fiel es<br />

mir dann sehr schwer, zurück<br />

nach Amerika zu kommen. Das<br />

war geradezu ein Kulturschock!<br />

Nur diesmal anders<br />

herum. China ist trotz seiner Probleme<br />

ein großartiges und vielschichtiges Land,<br />

das mich tief geprägt hat. Mich beunruhigt<br />

die große Unwissenheit hier in den<br />

U.S.A. Die Medien zeigen ein extrem<br />

eindimensionales Bild des Landes als eine<br />

Art fremden und bösen Planeten. Das ist<br />

natürlich völliger Unsinn. Zudem glaube ich<br />

fest daran, dass die Dinge, über die Weiwei<br />

spricht, auch andere Gesellschaften<br />

betreffen, auch unsere betreffen. Weiwei<br />

ist ein besorgter Bürger, der seine Stimme<br />

erhebt, und ich möchte das auch in meinem<br />

Land tun. ende<br />

Alison Klayman ist Journalistin und Dokumentarfilmerin,<br />

lebte von 2006 bis 2010 in China und begleitete den<br />

Künstler Ai Weiwei über drei Jahre lang mit der Kamera.<br />

Als die Dreharbeiten begannen, ahnten beide noch<br />

nichts von der medialen Aufmerksamkeit, die Weiwei im<br />

April letzten Jahres durch seine Festnahme bekam. „Ai<br />

Weiwei: Never Sorry“ ist ihr erster Dokumentrafilm. Seit<br />

Mitte Juni läuft er in den deutschen Kinos.<br />

144<br />

145


So stell‘ ich mir die liebe Vor<br />

Collage: Louise Bourgoin, Protokoll: Christina J. Hoffmann<br />

Louise Bourgoin<br />

hat Kunst studiert, wurde Wetterfee im französischen<br />

Fernsehen und gilt heute als eine der talentiertesten Nachwuchsdarstellerinnen des<br />

französischen Kinos. Für <strong>Fräulein</strong> stellt sie in einer Collage die Liebe dar und erklärt, warum<br />

wir auch ohne Partner glücklich sein können und wahre Liebe selbstlos ist.<br />

Als ich jünger war, hatte ich oft<br />

geglaubt, dass ich verliebt<br />

bin. Aber jetzt weiß ich, dass<br />

das alles Mögliche war – aber<br />

keine Liebe. Ich musste erst ein gewisses<br />

Alter erreichen, um wirklich zu<br />

lieben. Wenn ich jetzt liebe, dann habe<br />

ich das Gefühl, dass mir mein Körper<br />

nicht mehr gehört – und mein Herz auch<br />

nicht. Als ich jünger war, verwechselte<br />

ich Liebe oft mit Drama. Ich dachte<br />

immer, wenn ich wegen eines Mannes<br />

melancholisch war oder sogar verzweifelt:<br />

Das muss Liebe sein. Ich suchte<br />

mir auch gerne jemanden, der mich<br />

eigentlich nicht liebte. Mein großes Leid<br />

missverstand ich als große Liebe. Was<br />

für ein Irrtum! Das war eine sehr unreife<br />

Idee von Liebe, denn eines ist sicher:<br />

Wenn die Liebe zum Duell wird, ist sie<br />

keine Liebe, sondern eine narzisstische<br />

Suche nach sich selbst.<br />

Mittlerweile bin ich davon überzeugt,<br />

dass die Liebe erst kommen kann, wenn<br />

man im Gleichgewicht ist, mit sich selbst<br />

im Reinen und sich wohlfühlt in seiner<br />

Haut. Und nun weiß ich auch, dass<br />

wahrer Liebe etwas Selbstloses innewohnt:<br />

Das Glück des Gegenübers liegt<br />

einem mehr am Herzen als das eigene.<br />

Das findet sich schon in der griechischen<br />

Mythologie: Agape lautet der schöne<br />

Name dafür. Ursprünglich war<br />

damit Gottes reine Liebe gemeint – aber<br />

eben auch eine Liebe, die nur das<br />

Allerbeste will, die selbstlos ist und<br />

altruistisch. Das Wohl des Partners<br />

wiegt in der Agape-Liebe schwerer als<br />

das Eigene. Diese Selbstlosigkeit kann sogar<br />

so weit gehen, dass man auf eine<br />

Beziehung verzichtet, wenn sie nicht zum<br />

Besten des Geliebten ist.<br />

Das ist natürlich ganz anders als Eros.<br />

So heißt in der griechischen Mythologie<br />

die Gottheit, die das Feuer der Liebe<br />

entfacht. Also so etwas wie die klassische<br />

„Liebe auf den ersten Blick“, wo es hauptsächlich<br />

um Leidenschaft geht und um<br />

Die in der Phase des Verliebtseins<br />

ausgeschütteten Endorphine sind wie Drogen.<br />

Sex. Aber das ist ja nicht bloß ein Mythos,<br />

das gibt es ja wirklich – dass es uns<br />

packt und es ist um uns geschehen. Die<br />

Neurobiologie weiß, dass sich, wenn sich<br />

ein Mensch verliebt, ein Feuer aus<br />

Hormonen entfacht. Verschiedene Botenstoffe<br />

bescheren uns Euphorie, Aufregung,<br />

Rausch und Wohlbefinden<br />

zugleich. Die in der Phase des Verliebtseins<br />

ausgeschütteten Endorphine sind<br />

wie Drogen. Sie sorgen dafür, dass<br />

wir euphorisch, aber auch schmerzunempfindlich<br />

werden.<br />

Es gibt aber auch andere Wege zum<br />

Glücklichsein als die Liebe. Endorphine<br />

zum Beispiel bildet unser Körper auch,<br />

wenn wir Sport treiben, das Kuschelhormon<br />

Oxytocin entsteht auch beim<br />

Singen.<br />

Der Schriftsteller Frédéric Begeider sagt<br />

in seinem Buch „Die Liebe währt drei<br />

Jahre“, dass wir in einem Zeitalter des<br />

„erotischen Terrorismus“ leben: überall<br />

diese Liebes-Propaganda! In der<br />

Werbung, im Kino, in Büchern, einfach<br />

überall wird einem eingeredet, ein Leben<br />

ohne partnerschaftliche Liebe sei nicht<br />

komplett. Alles und jeder müsse einen<br />

Ehemann, eine Ehefrau, Kinder und all<br />

das haben – sonst wäre man nichts<br />

wert. Was für ein Quatsch! Man kann ein<br />

sehr kompletter und erfüllter und<br />

glücklicher Mensch sein auch ohne eine<br />

Paarbeziehung: Dafür gibt es ja Kunst,<br />

Literatur, Musik, Freunde. Die Collage<br />

mit dem Herz und der Hand stammt von<br />

mir. Sie ist sehr persönlich und illustriert<br />

meine Idee von Liebe. Was sie bedeutet?<br />

Das liegt wohl – wie die Schönheit<br />

und die Liebe – im Auge des Betrachters.<br />

ende<br />

Louise Bourgoin wurde 1981 in der Bretagne geboren.<br />

Vor ihrer Schauspielkarriere war sie unter anderem<br />

Model sowie Wetterfee beim französischen Sender<br />

Canal+. In der Filmkomödie „Das verflixte 3. Jahr“, die am<br />

19. Juli anläuft, spielt sie eine der Hauptrollen.<br />

146


feierabend<br />

Interview: Ruben Donsbach<br />

Petra Joy<br />

arbeitet seit zwei Jahrzehnten im<br />

Pornogeschäft. Erst bis 2003 als Journalistin bei dem TV-Erotikformat<br />

„Liebe Sünde“, später als Regisseurin und Buchautorin.<br />

Ihr vierter Film „The Female Voyeur“ wurde mit Preisen<br />

ausgezeichnet. Anfang Juli erscheint ihre Autobiografie. Nach<br />

Feierabend haben wir mit Petra Joy über Sexerziehung<br />

durch Pornos, die Prostata als erogene Zone und entspannte<br />

Abende im Whirlpool gesprochen.<br />

S<br />

ie wohnen seit 20 Jahren in der<br />

Nähe von Brighton in England.<br />

Da denkt man gleich an den<br />

Film „Quadrophenia“ und die<br />

Jugendrevolten zwischen Mods und<br />

Rockern. Sie waren früher selbst viel in<br />

Clubs und auf Fetisch-Partys unterwegs.<br />

Sind Sie ruhiger geworden?<br />

Petra Joy Klar bin ich früher mehr<br />

unterwegs gewesen als jetzt. Ich war lange<br />

Zeit England-Korrespondentin des<br />

TV-Formats „Liebe Sünde“. Daher kenne<br />

ich so ziemlich jede Fetisch-Szene der Welt.<br />

Außerdem ist Brighton die Schwulenhochburg<br />

Englands. Es ist sehr bunt und<br />

schräg hier direkt am Meer, aber relaxter<br />

als in London.<br />

Sie geben zurzeit mehrere Interviews<br />

die Woche. Was wollen die Leute von<br />

Ihnen hören?<br />

p J Nun, das Thema Frauen-Porno ist<br />

gerade absolut trendy. Auch an den<br />

Universitäten. Es gibt viele Studentinnen,<br />

die mit mir sprechen wollen.<br />

Gehen junge Frauen heute anders mit<br />

dem Thema um als Ihre Generation in<br />

den 80-er Jahren?<br />

P J Sicher. Für Frauen meines Alters ist<br />

„Feministin“ ein „Badge of Honor“, ein<br />

Ehrentitel. Für einige der jungen Frauen,<br />

die zu mir kommen, ist er geradezu ein<br />

Schimpfwort. Sie verstehen die feministische<br />

Bewegung als verhärmt und lustfeindlich.<br />

Aber das stimmt so nicht. Gerade<br />

die neuere Entwicklung des Feminismus<br />

ist sehr „sex-positiv“, schließt Männer mit<br />

ein, bejaht Heterosexualität und Porno.<br />

Das ist viel aufgeschlossener geworden als<br />

damals.<br />

Worum ging es den Feministinnen<br />

damals?<br />

P J Die meisten waren ganz klar Anti-<br />

Porno. Man war damals in der Pornografie<br />

einer Flut von gewaltverherrlichenden<br />

Bildern ausgesetzt, zu denen es keine<br />

Alternative gab. Für den Feminismus an<br />

sich und für mich als junge Frau war es<br />

wichtig, hier erst einmal eine Grenze zu<br />

ziehen. Klar zu sagen: Das wollen wir so<br />

nicht! Heute bin ich immer noch gegen jede<br />

Gewaltverherrlichung und möchte andere<br />

Bilder schaffen. Es ist sehr wichtig für<br />

Frauen, die eigenen Fantasien auszudrücken<br />

und damit einen realistischen Blick<br />

auf die weibliche Sexualität zu ermöglichen.<br />

Viele junge Menschen erhalten ihre<br />

Sexerziehung durch Pornos und lernen<br />

dadurch viel falsches Zeug. Frauen<br />

scheinen in diesen Filmen alle eine Klitoris<br />

im Hals zu haben und wollen ständig<br />

„deep throaten“, Männer sind ständig hart<br />

und können immer. So ein Unsinn!<br />

In Ihren Filmen läuft das anders ab. Der<br />

Blick der Kamera ist explizit weiblich<br />

oder besser: aus weiblicher Sicht.<br />

P J Die Leute sagen immer: Porno ist<br />

Porno. Aber das stimmt so nicht. Der<br />

weibliche Blick hat mehr mit dem Blick des<br />

schwulen als mit dem des Hetero-Mannes<br />

zu tun. Für mich als heterosexuelle Frau<br />

ist das Sexobjekt der heterosexuelle Mann.<br />

Deswegen gucken viele Frauen gerne<br />

Schwulenpornos, weil man da endlich<br />

einmal gute aussehende Typen sieht und<br />

die Kamera auch mal auf dem Hintern,<br />

den Händen oder dem Gesicht ruht. Das<br />

sieht man im Männerporno nie! Du siehst<br />

immer nur die Nahaufnahme der Penetration<br />

oder die Frau, wie sie ruft: „Ich<br />

komme, ich komme!“ Für mich ist der<br />

größte Unterschied zwischen meiner<br />

Arbeit und herkömmlichen Pornos aber<br />

inhaltlich:<br />

Die Frau soll befriedigt werden. Es gibt ja<br />

diese Theorie, Frauen bräuchten ganz<br />

viel Dialog, Geschichte und Romantik. Das<br />

ist Quatsch. Ich spule da immer vor. Als<br />

Zuschauerin möchte ich zwei Typen sehen,<br />

wie sie eine Frau lecken und befriedigen.<br />

Sie wollen ein anderes Bild von Sexualität<br />

vermitteln. Wie schwierig ist es, damit<br />

erfolgreich zu sein?<br />

P J Das ist unglaublich schwierig, weil uns<br />

die konventionelle Porno-Darstellung<br />

eine Gehirnwäsche verpasst hat: Er steht,<br />

es fängt an mit einem Blowjob, dann anal,<br />

vaginal, er kommt der Frau ins Gesicht.<br />

Das ist immer dasselbe. Wenn man seiner<br />

künstlerischen Freiheit treu bleibt und<br />

dieses Schema unterwandert, dann ist es<br />

sehr schwer, einen Vertrieb für die eigenen<br />

Filme zu finden.<br />

Was sind die größten Tabus?<br />

P J Für viele Frauen ist es ein Tabu, sich<br />

Ich gehe gerne runter<br />

zum Meer. Wenn<br />

ich meinen Blick über<br />

den Horizont schweifen<br />

lasse, kommen<br />

mir die besten Ideen<br />

für meine Filme.<br />

einfach verwöhnen zu lassen. Zudem<br />

wären viele gerne mal Voyeur. Deshalb gibt<br />

es in meinem neuen Film „The Female<br />

Voyeur“ eine Casting-Szene, in der Frauen<br />

Männer bewerten, die strippen, an der<br />

Stange tanzen oder onanieren. Das ist<br />

natürlich alles mit einem Augenzwinkern<br />

zu sehen. Aber wenn man Klischees auf<br />

den Kopf stellt, zeigt man auch, wie absurd<br />

sie sind. Es ist wichtig, dass beide Geschlechter<br />

mit ihren Rollen spielen können.<br />

Dann ist das Leben wie auch der Sex<br />

besser. Zwei andere große Tabus sind<br />

männliche Bi-Sexualität sowie die Prostata<br />

als erogene Zone. Als Mann zu sagen,<br />

„schieb mir da mal einen Finger, einen<br />

Butt-Plug oder deinen Dildo, deinen<br />

Strap-on rein“, ist für viele eine Horrorvorstellung.<br />

Dabei würden viele Frauen gerne<br />

mal ihren Freund mit einem Strap-on<br />

nehmen.<br />

Woher kommen diese Ängste?<br />

P J Es ist so, dass in unserer Gesellschaft<br />

Schwule und Frauen benachteiligt werden.<br />

Da gibt es eine klare Hierarchie mit dem<br />

heterosexuellen Mann an der Spitze.<br />

Männer, die zu ihrer weiblichen Seite<br />

stehen, werden benachteiligt. Jeder<br />

Mensch identifiziert sich erst mal mit der<br />

„herrschenden Klasse“. Es gehört viel<br />

Größe und Persönlichkeit dazu zu sagen,<br />

das ist mir egal.<br />

Sexualität hat also nach wie vor mit<br />

Macht und Herrschaft im gesellschaftlichen<br />

und politischen Sinne zu tun?<br />

P J Sex und Porno sind politisch – insofern<br />

man Politik als das versteht, was Interaktion<br />

oder Veränderung in der Gesellschaft<br />

bewirken kann. Was im Porno und<br />

im Schlafzimmer passiert, reflektiert<br />

bestehende Gesellschaftsverhältnisse und<br />

vice versa. Wenn wir eine Frau filmen,<br />

die mit einem Strap-on einen Mann vögelt,<br />

dann ist das hochpolitisch, weil es<br />

existierende Machtstrukturen in Frage<br />

stellt. Darum bin ich in Sachen Schlafzimmer<br />

immer sehr für Experimente und<br />

Grenzüberschreitungen. Nicht um der<br />

Überschreitung willen, sondern weil ich<br />

Lust darauf habe, und weil es die Verhältnisse<br />

in der Beziehung außerhalb<br />

des Schlafzimmers verändert. Das kann<br />

zu mehr Gleichberechtigung führen.<br />

Wie reagieren Ihr Freund und Ihre<br />

Familie auf diese Filme?<br />

P J Mein Freund ist total cool und macht<br />

bei meinen Filmen meistens die zweite<br />

Kamera. Er ist das perfekte Pendant für<br />

mich: null eifersüchtig und absolut<br />

tolerant. Meine Eltern haben zwar einen<br />

christlichen Hintergrund, aber die kennen<br />

mich gut. Die wissen, was ich mache,<br />

kommt von Herzen. Die wären eher erschüttert<br />

gewesen, wenn es bei mir den<br />

totalen Ausverkauf meiner Ideale gegeben<br />

hätte.<br />

Warum diese Anti-Kommerz-Haltung?<br />

Liegt das an Ihrer Punk-Vergangenheit?<br />

P J Ich war eher New Wave, hatte ein<br />

weißes Gesicht und schwarzen Nagellack,<br />

schwarze Lippen, Korsetts und spitze<br />

Stiefel. Ich hab mich nie gerne angepasst,<br />

ich war nie Teil einer Bewegung. Darum<br />

gehe ich auch nicht mehr viel auf Swingeroder<br />

Fetischpartys. Ich finde den strengen<br />

Dresscode sowie den Fokus auf das<br />

SM-Spiel extrem beschränkend. Sex unter<br />

Männern aber wird zunehmend untersagt.<br />

Warum soll ich denn da überhaupt noch<br />

hingehen? Das ist es doch, was ich sehen<br />

will! Die Szene ist längst keine Untergrundveranstaltung<br />

mehr, sondern kommerziell<br />

geworden. Wenn ich eine Party haben<br />

will, dann mache ich die zuhause mit<br />

Menschen, die ich kenne. Dieses Freidenken<br />

habe ich von meinen Eltern und darum<br />

habe ich ihnen auch mein neues Buch<br />

gewidmet. Wir hatten nie viel Geld, aber<br />

mein Vater ist sich immer treu geblieben<br />

und hat darum karrieremäßig auf vieles<br />

verzichtet.<br />

Wie sieht Ihr „Feierabend“ aus?<br />

P J Da ich von zu Hause arbeite, hört die<br />

Arbeit nie auf. Das ist eben kein Angestelltenjob<br />

mit festen Bürozeiten. In meiner<br />

wenigen Freizeit gehe ich gerne runter zum<br />

Meer. Wenn ich meinen Blick über den<br />

Horizont schweifen lasse, kommen mir<br />

die besten Ideen für meine Filme. Nachts<br />

sitze ich dann mit meinem Freund im<br />

Whirlpool im Garten, trinke ein Glas Sekt<br />

oder ein Bier und schaue mir die Sterne<br />

an. Ende<br />

Petra Joy ist eine deutsche Regisseurin, Filmemacherin,<br />

Autorin und Fotografin. Sie gehört zu den Pionierinnen<br />

der sexpositiven Frauenbewegung. Ihre Arbeit beschreibt<br />

sie als „art-core“ und Pornografie aus weiblicher Sicht.<br />

Von 1992 bis 2003 arbeitete sie als Regisseurin und<br />

Produzentin für die TV-Sendung „Liebe Sünde“, seither<br />

an ihren eigenen Filmen.<br />

148


ezept<br />

Foto: Sabine Volz, Illustration: André M. Wyst, Text: Josephina Haas<br />

Nr. 7<br />

frische bratwurst<br />

mit rübstiel<br />

151


antifräulein<br />

Illustration: Katrin Funcke, Text: Wäis Kiani<br />

Asma al-Assad<br />

Karriere als Bankerin in London. Doch dann heiratete<br />

die Arzttochter Syriens Diktator Baschar al-Assad und entschied sich, eine moderne<br />

Eva Braun zu werden: Sie weicht nicht von der Seite ihres Mannes, während dieser Männer,<br />

Frauen und Kindern schlachten, foltern und vergewaltigen lässt – sondern bestellt<br />

eiskalt Designerklamotten im Internet.<br />

S<br />

tand by your man“ heißt der<br />

Titel eines Welthits aus den<br />

Sixties, nie aus der Mode gekommen<br />

und vielfach gecovert.<br />

Er ist, wie uns scheint, das Motto unseres<br />

diesmaligen Antifräuleins Asma al-Assad,<br />

Ehefrau des syrischen Massenmörders<br />

Baschar al-Assad. Wir konnten Asma verstehen<br />

(die als hochwohlgeborene<br />

Akademikertochter in London aufwuchs,<br />

Informatik und Französisch studierte,<br />

es sogar zu einer Bankerinnen-Karriere<br />

gebracht hatte), dass sie dem Werben eines<br />

der mächtigsten Männer des Nahen<br />

Ostens nicht widerstehen konnte und zu<br />

seiner Ehefrau wurde. Wir haben es begrüßt,<br />

als sie nach ihrer Hochzeit im Jahr<br />

2000 erfolgreich das Bild eines modernen<br />

Syriens verkaufte. Wir freuten uns über<br />

ihre gepflegte und durchaus solide Erscheinung,<br />

ebenso über ihre teuren, wenn<br />

auch nicht unbedingt geschmackvollen<br />

Designer-Outfits.<br />

Wir finden, eine Präsidentengattin hat es<br />

durchaus verdient, teuer angezogen zu<br />

sein, auch wenn nicht jede über den<br />

unvergessenen Stil einer Farah Diba, der<br />

Ex-Kaiserin Persiens, verfügen kann.<br />

Aber die liberale Schabanu auf dem Pfauenthron<br />

hat nicht nur mit ihrer Kleidung<br />

Stil bewiesen, sondern auch in dem<br />

Moment, als das Volk, als islamistische<br />

und maoistische Bewegungen gegen den<br />

Monarchen aufbegehrten. Sie zog einen<br />

eleganten cremefarbenen Cashmeremantel<br />

mit einem breiten Fuchschwanzkragen<br />

an und verließ 1979 mit ihrem<br />

Gatten traurig und gefasst das Land.<br />

Eiskalt zuzusehen, wie ihr Mann Tausende<br />

von Männern, Frauen und Kindern auf<br />

grausamste Art abschlachtet, viele von<br />

ihnen in Gefängnissen foltern und vergewaltigen<br />

oder verschleppen lässt, damit<br />

sie auf ihrem Thron sitzen bleiben und<br />

sich weiterhin an Haute Couture von<br />

Ungaro erfreuen kann, hätte auch nicht zu<br />

ihrem umwerfenden Vogue-Titelbild-<br />

Look gepasst.<br />

Nun, Asma al-Assad kam zwar nie auf<br />

dem Vogue-Titel, aber wurde immerhin in<br />

einem ausführlichen Porträt in der US-<br />

Ausgabe als die frischeste und modernste<br />

aller First Ladies verklärt. Als der Artikel<br />

„Die Rose in der Wüste“ im Februar 2011<br />

erschien, waren die Massaker in Syrien jedoch<br />

schon in vollem Gange.<br />

Mittlerweile wurde Asma in mehreren<br />

internationalen Petitionen aufgefordert,<br />

etwas gegen die Zustände in ihrem Land<br />

zu unternehmen, dem sinnlosen Schlachten<br />

ein Ende zu bereiten oder zumindest<br />

die Kinder zu retten, die wirklich für nichts<br />

etwas können. Mehrere Ehefrauen wichtiger<br />

UN-Botschafter haben sogar ein aufwändiges<br />

Video produziert, in dem Asma<br />

mit Worten und Bildern dazu aufgefordert<br />

wird, endlich gegen das Blutvergießen<br />

anzugehen.<br />

Wir wissen, dass Asmas Wort nicht einflussreich<br />

genug ist, um die Gewalt in<br />

Syrien zu beenden. Aber wir sind uns auch<br />

sicher, dass sie eine Veränderung erreichen<br />

kann - wenn sie es nur versuchen<br />

Wir wissen, dass Asmas Wort nicht einflussreich<br />

genug ist, um die Gewalt in Syrien zu beenden. Aber<br />

wir sind uns auch sicher, dass sie eine Veränderung<br />

erreichen kann - wenn sie es nur versuchen würde.<br />

würde. Aber wir wissen, dass sie es gerade<br />

nicht versucht, weil sie derselben Ansicht<br />

ist wie ihr machtbesessener Mann: Dass<br />

nämlich Störenfriede, die an der Autorität<br />

des Erb-Präsidenten rütteln wollen, wie<br />

lästige Insekten vernichtet werden<br />

müssen. Denn es geht nicht allein um die<br />

Autorität ihres Gatten, sondern auch um<br />

ihren eigenen Status und die Angst vor der<br />

Guillotine. Asma möchte um alles in der<br />

Welt nicht zu der Liga der verschmähten<br />

und vertriebenen Sippschaft von Ex-Diktatoren<br />

gehören, sich mit Frau Gaddafi, Frau<br />

Saddam Hussein und bald Frau Ahmadinejad<br />

in eine Reihe stellen und ihr restliches<br />

Leben verstecken müssen. Denn wer würde<br />

sie dann ansehen, wie sie ihre Net-a-porter-Bestellungen,<br />

die sie unter falschem<br />

Namen bezahlt hat, hochmütig und trotzig<br />

trägt? Niemand. Und das ist die Antwort<br />

auf die Frage, warum sie nichts unternimmt,<br />

sondern es vorzieht, als eine Art<br />

moderne Eva Braun in die Geschichte<br />

einzugehen. Ende<br />

Asma al-Assad wurde 1975 in London geboren und ist seit<br />

2000 mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad<br />

verheiratet. Zuvor studierte sie am King’s College London<br />

Informatik und arbeitete als Finanzanalystin für die<br />

Deutsche Bank und JPMorgan Chase&Co. Mit ihrem Mann<br />

hat sie drei Kinder, der älteste ist zehn Jahre alt. Ihr einstiges<br />

Image als „Lady Di des Ostens“ ist schwer angeschlagen,<br />

weil sie zu Folter und Massakern in Syrien schweigt.<br />

153


horoskop<br />

Illustration: Christina Gransow<br />

Spüren Sie Ihr Glück<br />

Es gibt gute Nachrichten zu verkünden, denn in diesem Sommer sind die Sterne milde<br />

gestimmt. Skorpion, Waage und Zwilling erwartet die Zeit ihres Lebens. Wassermänner<br />

erleben ein sexuelles Erwachen, Löwen erwartet eine Zeit der Reife und Jungfrauen<br />

sollten ihre verworrenen Energieströme auf einen Faustschlag konzentrieren.<br />

Widder<br />

21.03. bis 20.04.<br />

Man kann Ihnen<br />

nur wünschen,<br />

dass dieser Sommer so warm<br />

wird wie die Sauna im Winter.<br />

Denn wenn alle anderen wegen<br />

der gnadenlosen Hitze stöhnen,<br />

fühlen Sie sich pudelwohl: In<br />

den nächsten Monaten sind Sie<br />

so heiß wie die Sonne gar nicht<br />

werden kann. Es wird ein Sommer<br />

der großen Gefühle, der<br />

durchtanzten Nächte und zerwühlten<br />

Betten. Verlieren Sie<br />

in Ihrem Überschwang nur den<br />

Blick für Ihre eher schüchternen<br />

Freunde nicht. Nicht alle<br />

reden in großer Runde so frei<br />

von der Leber weg wie Sie. Auch<br />

beruflich erleben Sie einen<br />

rasanten Aufstieg. Warnen<br />

sollten wir Sie also eigentlich<br />

nur vor einem: Passen Sie auf<br />

Neider auf, die gegen Sie<br />

Intrigen spinnen könnten.<br />

S<br />

tIER<br />

21.04. bis 20.05.<br />

Nicht, dass es katastrophal<br />

für Sie aussieht -<br />

aber rund läuft gerade gar nichts<br />

bei Ihnen. Entschuldigen Sie,<br />

dass wir Ihnen das so direkt<br />

sagen müssen, aber bringen Sie<br />

endlich Ihr Leben unter Kontrolle!<br />

Machen Sie nicht alles so<br />

kompliziert. Lassen Sie die<br />

Finger von ernsten Beziehungen.<br />

Wir wollen Ihnen den Spaß<br />

nicht verderben, den haben Sie<br />

schon irgendwie. Sie sollten<br />

die kommenden Monate nutzen,<br />

um an lange verdrängten<br />

Konflikten zu arbeiten. Treffen<br />

Sie eine wichtige Entscheidung,<br />

die Sie ewig vor sich hergeschoben<br />

haben. Nehmen Sie<br />

sich Zeit, wägen Sie ab und seien<br />

Sie dann mal heroisch. Auch<br />

wenn es Ihnen dadurch erst mal<br />

schlechter gehen kann: Im Endeffekt<br />

zahlt sich Ihr Mut aus.<br />

Werden Sie zum Sieger – besiegen<br />

Sie sich selbst.<br />

Z<br />

willinge<br />

21.05. bis 21.06.<br />

Stellen Sie sich vor,<br />

Sie sitzen im Park mit<br />

guten Freunden. Der Wind<br />

streicht sanft durch die Haare,<br />

die Sonne geht unter, und Ihr<br />

Blick bleibt an einer flauschigen<br />

Feder hängen, die im Gegenlicht<br />

tanzt. Wenn Sie sich nicht total<br />

blöd anstellen, dann wird Ihr<br />

ganzer Sommer so wie dieser<br />

Moment. Sie verlieben sich Hals<br />

über Kopf. Es erwartet Sie:<br />

Inniger Sex, intensive Küsse,<br />

aber auch Gespräche, in denen<br />

Sie sich verstanden fühlen.<br />

Reden wir an dieser Stelle mal<br />

nicht von Arbeit oder Geld,<br />

beides bereitet Ihnen keine<br />

Probleme. Sie brauchen keine<br />

Tipps, einen haben wir trotzdem:<br />

Setzen Sie sich aufs<br />

Fahrrad und fahren Sie ohne<br />

Ziel durch die Stadt. Tragen<br />

Sie dabei ein leichtes Kleid,<br />

fühlen Sie die Sommerluft auf<br />

der Haut – und spüren Sie<br />

Ihr Glück.<br />

K<br />

rebs<br />

22.06. bis 22.07.<br />

Während der Kurs der<br />

Facebook-Aktie nach<br />

unten purzelt, purzeln<br />

Sie in diesem Sommer die<br />

Karriereleiter nach oben. Das<br />

passiert allerdings nur, wenn<br />

Sie sich anstrengen. Der Erfolg<br />

gibt Ihnen als Krebs endlich das<br />

Selbstbewusstsein zurück, das<br />

Ihnen nur allzuoft fehlt. Sie<br />

neigen dazu, skeptisch zu sein<br />

- Ihren Mitmenschen gegenüber,<br />

aber auch gegenüber dem<br />

System und der Arbeitsgesellschaft<br />

mit ihren vermeintlich<br />

falschen Werten. Als begnadeter<br />

Kneipenphilosoph haben Sie<br />

in langen Monologen genug<br />

darüber gejammert. Lassen Sie<br />

die Skepsis mal beiseite und<br />

akzeptieren Sie, dass Karriere<br />

und Geld im Leben sehr wichtig<br />

sind. Nutzen Sie also diesen<br />

Sommer, um bewusst nach<br />

Erfolg zu streben. Und da es in<br />

Sachen Liebe bei Ihnen bestens<br />

läuft, könnte es Ihnen am<br />

Ende des Sommers rundum<br />

gut gehen. Endlich mal.<br />

L<br />

öWE<br />

23.07. bis 23.08.<br />

Nachdem Sie in den<br />

letzten Monaten vom<br />

Leben verwöhnt wurden, kehrt<br />

bei Ihnen nun Ruhe ein.<br />

Nehmen Sie sich die Zeit, um<br />

sich zu pflegen. Kaufen Sie sich<br />

zum Beispiel eine schöne Creme<br />

von Kiehl’s. Sparen Sie nicht<br />

an den Dingen, durch die Sie<br />

sich gut fühlen. Für Sie beginnt<br />

nun eine Zeit der Konzentration.<br />

Lesen Sie Adalbert Stifters<br />

„Nachsommer“, pflegen Sie<br />

die gedankliche Einkehr, kümmern<br />

Sie sich um Ihre Herzensbildung.<br />

Vielleicht führen Sie<br />

ein Tagebuch. Sollten Sie künstlerisch<br />

arbeiten, widmen Sie<br />

sich den besonders persönlichen<br />

Projekten. Genießen Sie<br />

diesen Sommer als eine Zeit<br />

der Reife und sortieren Sie Ihre<br />

Lebenserfahrung. Seien Sie<br />

für Ihre Freunde da. Ein paar<br />

von ihnen werden Sie jetzt<br />

brauchen. Aber das müssen wir<br />

Ihnen eigentlich gar nicht<br />

sagen, denn ein Fels in der<br />

Brandung sind Sie als Löwe ja<br />

sowieso.<br />

Jungfrau<br />

24.08. bis 23.09.<br />

Haben Sie ein Fahrrad, bei<br />

dem Sie längst mal die<br />

Kette ölen sollten? Dann<br />

machen Sie das endlich und<br />

warten Sie nicht, bis sie abspringt.<br />

Sie haben gar kein<br />

Fahrrad? Egal, Sie werden sich<br />

denken können, dass wir das<br />

mit der Kette im übertragenen<br />

Sinne gemeint haben. Sie stolpern<br />

durchs Leben, Ihre<br />

Souveränität ist Ihnen verloren<br />

gegangen. Sie tun sich mit<br />

Entscheidungen entsetzlich<br />

schwer und haben das Gefühl,<br />

vernachlässigt oder gar<br />

ausgenutzt zu werden. Nun,<br />

das Leben ist schwer, und<br />

vielleicht stimmt es, dass man<br />

Sie bei der Arbeit und privat<br />

nicht ernst genug nimmt. Aber<br />

in erster Linie ist es Ihre<br />

Selbstwahrnehmung, die Sie<br />

in den Griff kriegen müssen.<br />

Also: Jammern Sie nicht so viel<br />

und machen Sie Sport. Kein<br />

Yoga, gehen Sie lieber mal zum<br />

Karateunterricht, besser noch<br />

zum Boxen. Das kann Ihnen<br />

nur gut tun, denn es konzentriert<br />

Ihre verworrenen<br />

Energieströme auf ein paar<br />

Faustschläge.<br />

W<br />

aage<br />

24.09. bis 23.10.<br />

Man muss Ihnen<br />

ein großes<br />

Kompliment machen: Sie sind<br />

zäh, Sie haben Durchhaltevermögen.<br />

Wir weisen darauf<br />

hin, weil sich in diesem<br />

Sommer jahrelange Arbeit endlich<br />

auszahlen wird. Sie werden<br />

nicht reich, aber Sie ziehen<br />

das Geld und den Ruhm in den<br />

nächsten Monaten an. Privat<br />

gehören Sie zu den zärtlichsten<br />

unter den Sternzeichen, Sie<br />

lieben es, Ihren Partner und<br />

Ihre Freunde zu verwöhnen.<br />

Genau das sollten Sie gerade<br />

besonders bewusst tun. Kochen<br />

Sie einmal in der Woche richtig<br />

aufwändig. Laden Sie Freunde<br />

ein oder essen Sie zu zweit.<br />

Es werden unvergessliche<br />

Abende werden, die Sie nicht<br />

nur mit Ihren Kochkünsten,<br />

sondern auch mit Ihrer<br />

anmutigen Ausgeglichenheit<br />

bereichern.<br />

S<br />

korpion<br />

24.10. bis 22.11.<br />

Lassen Sie es zu, dass<br />

die Sonne Ihr Leben in<br />

neuem Glanz erstrahlen lässt.<br />

Erfolg? Kommt von ganz alleine.<br />

Geld? Stapelt sich auf Ihrem<br />

Konto. Liebe? Der Traumboy<br />

steht, während Sie dieses lesen,<br />

bereits auf der Straße vor dem<br />

Fenster und singt ‚I will always<br />

love you‘ für Sie. Ihre innere<br />

Ruhe bringt Sie dazu, dass Sie<br />

ihm die schiefen Töne verzeihen<br />

und die Wahl des Songs nicht<br />

nur als herzergreifende Liebeserklärung,<br />

sondern als<br />

Hommage an die große Sängerin<br />

Whitney Houston begreifen.<br />

Es ist sehr gut möglich,<br />

dass Ihre neue Liebe Feminist<br />

ist. Das kann Ihnen nur zugute<br />

kommen. Lassen Sie sich verwöhnen,<br />

seien Sie exzentrisch<br />

und weiblich. Lassen Sie<br />

sich den Champagner an die<br />

Chaiselongue bringen und<br />

genießen Sie das Prickeln im<br />

Mund.<br />

154<br />

155


Verlag<br />

Off Ones Rocker Publishing Ltd.<br />

Strelitzer Str. 2<br />

10115 Berlin<br />

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Herausgeber: Götz Offergeld<br />

Verlagsleitung: Katharina Kuhn<br />

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Nielsen 1 (Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen)<br />

Dirk Struwe, Medienvermarktung e.K.<br />

Poelchaukamp 8, 22301 Hamburg,<br />

Telefon: +49 (0)40 280 580 80, Fax: +49 (0)40 280 580 89<br />

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Nielsen 2 (Nordrhein-Westfalen)<br />

Andreas Fuchs, Medienservice + Beratung<br />

Vereinsstr. 20, 41472 Neuss,<br />

Telefon: +49 (0)2131 406 370, Fax: +49 (0)2131 406 3710<br />

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<strong>Fräulein</strong> ist eine<br />

Off One’s Rocker Ltd. Produktion<br />

mit Redaktionssitz:<br />

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Chefredakteur und Kreativdirektor<br />

V.i.S.d.P.<br />

Götz Offergeld<br />

Art Direktion<br />

Barbara Krimm, StudioKrimm<br />

André M. Wyst<br />

Redaktion<br />

Stellvertretender Chefredakteur<br />

Hendrik Lakeberg<br />

Redaktionsleitung<br />

Franziska Giovannini<br />

Mode / Stil<br />

Lisa Leinen, Ita Korenzecher<br />

Beauty<br />

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TextCheFin<br />

Bettina Schneuer<br />

Assistenz der Chefredaktion<br />

Diana Terpe<br />

Grafik Department<br />

Robin John Berwing<br />

Fotografen<br />

Adrian Crispin, Ariane Hosemann, Christian<br />

Hagemann, David Fischer, Debora Mittelstaedt,<br />

Diane Vincent, Jean-Francois Carly, Jan<br />

Friese, Katharina Poblotzki, Mirjam Wählen,<br />

Randall Bachner, Sabine Volz<br />

Idee und Konzept: Götz Offergeld<br />

Pressekontakt<br />

Pauline Hoch<br />

pauline@hochsandersbarduhn.com<br />

Vertrieb<br />

BPV Medien Vertrieb GmbH & Co. KG<br />

Römerstr. 90<br />

79618 Rheinfelden<br />

www.bpv-medien.com<br />

DruCKerei<br />

Dierichs Druck+Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Str. 168<br />

34121 Kassel<br />

www.ddm.de<br />

Cover<br />

Foto: Randall Bachner<br />

Die nächste<br />

<strong>Fräulein</strong>-Ausgabe<br />

erscheint als umfangreiche<br />

Fashion Issue am 26. September 2012<br />

Nielsen 3a (Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland)<br />

Weipert GmbH<br />

Palais Kronberg, Frankfurter Str. 111, 61476 Kronberg,<br />

Telefon: +49 (0)6173 3250 970, Fax: +49 (0)6173 3259 140<br />

helmujun@weipert-net.de<br />

Nielsen 3b (Baden-Württemberg)<br />

Nielsen 4 (Bayern)<br />

Bruno Marrenbach, MMS Marrenbach Medien-Service<br />

Lachenmeyerstr. 25, 81827 München,<br />

Telefon: +49 (0)89 430 88 555, Fax: +49 (0)89 430 88 556<br />

info@mms-marrenbach.de<br />

S<br />

chütze<br />

23.11. bis 21.12.<br />

Sie haben bestimmt<br />

schon von der zivilen<br />

Raumfahrt gehört, oder? Falls<br />

Sie reich sind, haben Sie das<br />

Ticket in den Weltraum schon<br />

gebucht. Für Sie gilt: The sky is<br />

not the limit. Sie sind ehrgeizig,<br />

Sie wollen hoch hinaus – und<br />

im Moment kommt Ihnen nicht<br />

mal der Gedanke, dass man<br />

dabei auch tief fallen kann.<br />

Genau das ist gut so. Sie sind<br />

erfolgsverwöhnt, das wird in<br />

diesem Sommer auch so<br />

bleiben. Sie sind top of the pops,<br />

stets die Beste unter Ihren<br />

Freundinnen. Wir raten Ihnen,<br />

ab und zu doch mal ein<br />

bisschen Bescheidenheit<br />

vorzutäuschen. Tun Sie so, als<br />

ob es Sie interessiert, was man<br />

Ihnen erzählt. Arbeiten Sie<br />

daran, auch in Sachen Empathie<br />

die Beste zu werden.<br />

S<br />

StEINBOck<br />

22.12. bis 20.01.<br />

Da ist immer Licht am<br />

Ende des Tunnels<br />

– sagen die Optimisten. Sie<br />

werden in diesem Sommer<br />

hoffen, dass das Licht nicht zu<br />

einem Zug gehört, der auf Sie<br />

zurast. Lassen Sie sich von<br />

Ihrem Pessimismus nicht<br />

unterkriegen. Denn eigentlich<br />

erwartet Sie eine schöne Zeit,<br />

die Ihnen sehr viel Gutes<br />

bringen wird. Kümmern Sie<br />

sich um Ihr Aussehen. Sexy<br />

und elegant – das sollten die<br />

entscheidenden Themen Ihrer<br />

Sommergarderobe werden.<br />

Denn wir wissen ja, dass<br />

Kleider Leute machen und man<br />

sich so anziehen sollte, wie<br />

man gerne wäre und nicht, wie<br />

man ist. Machen Sie sich nicht<br />

unnötig Gedanken, die Dinge<br />

stehen besser als Sie denken.<br />

Sorgen Sie dafür, dass nicht<br />

das Leben Sie im Griff hat –<br />

sondern umgekehrt.<br />

W<br />

assermann,<br />

21.01. bis 19.02.<br />

Falls Sie sich<br />

bislang als nicht<br />

unbedingt promiskuitiv<br />

verstanden haben, überlegen<br />

Sie, ob Sie das nicht überdenken<br />

sollten. Denn es könnte für<br />

Sie ein stürmischer Sommer<br />

werden. Probieren Sie sich<br />

sexuell aus, hören Sie auf Ihre<br />

geheimen Wünsche und leben<br />

Sie die endlich mal aus. Falls<br />

Sie sich in einer Beziehung<br />

befinden, halten Sie sich die<br />

Sonntage ganz für das Bett frei.<br />

Wir wollen Sie hier natürlich<br />

nicht zum Seitensprung animieren<br />

– aber wenn sich die<br />

Gelegenheit zu einer unverfänglichen<br />

Affäre bieten sollte, dann<br />

ergreifen Sie ruhig mal die<br />

Chance. Ob es bei Ihnen noch<br />

etwas anderes gibt als Sex? Ja<br />

klar, aber das müssen Sie selber<br />

herausfinden, denn es ist<br />

viel weniger spannend.<br />

F<br />

ische<br />

20.02. bis 20.03.<br />

Sie nehmen kein Blatt<br />

vor den Mund. Das ist<br />

grundsätzlich natürlich absolut<br />

in Ordnung. Denken Sie nur<br />

daran, dass es nicht auf Gegenliebe<br />

trifft, wenn Sie Ihrer<br />

besten Freundin mal wieder<br />

gesagt haben, wie peinlich Sie<br />

deren neues D&G-Kleid finden,<br />

das sie Ihnen stolz präsentiert.<br />

Sie haben Geschmack, und<br />

Ihre Ehrlichkeit zeichnet Sie<br />

aus, aber dosieren Sie beides im<br />

Umgang mit Menschen, die<br />

Ihnen wichtig sind. Machen Sie<br />

sich klar, dass sich die Welt<br />

nicht nur um Sie dreht, sondern<br />

dass andere gute Gründe haben<br />

für das, was sie tun und was<br />

sie anziehen – selbst wenn es<br />

sich dabei um ein geschmackloses<br />

D&G-Kleid handeln sollte.<br />

Für Sie mag das schwer nachvollziehbar<br />

sein, aber die<br />

Macken der Freunde zu akzeptieren<br />

ist ein Zeichen von Respekt.<br />

Daran fehlt es Ihnen.<br />

Akzeptieren Sie also öfter mal<br />

den Lauf der Dinge. Sagen Sie<br />

sich: Alles fließt, und das ist<br />

gut so. Ende<br />

Illustratoren<br />

Christina Gransow, Daniel Ramirez Perez,<br />

Katrin Funcke, Laura Laasko<br />

Autoren<br />

Alexa von Heyden, Christina J. Hoffmann,<br />

David Torcasso, Dirk Peitz, Doris Hardt,<br />

Fritz Schaap, Jan Joswig, Julia Christian,<br />

Josephina Haas, Lena Bergmann, Nella<br />

Beljan, Ruben Donsbach, Wäis Kiani<br />

156<br />

157


RÄTSEL<br />

Illustration: André M. Wyst<br />

20 Eisspezialitäten<br />

für den Sommer. Und 10 Fehler, die zu finden sind!<br />

Acne<br />

Acne Studios<br />

Chr IX’s Gade 1,3tv<br />

1111 Kopenhagen<br />

Dänemark<br />

Shop:<br />

Acne Studios<br />

Münzstr. 21<br />

10178 Berlin<br />

Adidas SLVR<br />

Häberlein & Mauerer<br />

AG‎<br />

Rosenthaler Str. 51<br />

10178 Berlin<br />

Shop:<br />

Adidas SLVR Store<br />

Mulackstr. 31-32<br />

10119 Berlin<br />

Agent Provocateur<br />

154 Clerkenwell Rd<br />

London EC1R 5AB<br />

Großbritannien<br />

Shop:<br />

Galeries Lafayette<br />

Friedrichstr. 76-78<br />

10117 Berlin<br />

Boss Selection<br />

Boss<br />

Network PR<br />

Brahmsallee 9<br />

20144 Hamburg<br />

Shop:<br />

Boss Store<br />

Friedrichstr. 165<br />

10117 Berlin<br />

Bottega Veneta<br />

Loews GmbH<br />

Maximilianstr. 43<br />

80538 München<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Calvin Klein<br />

Loews GmbH<br />

Maximilianstr. 43<br />

80538 München<br />

service@loews.de<br />

Shop:<br />

KaDeWe<br />

Tauentzienstr. 21<br />

10789 Berlin<br />

Camilla Skovgaard<br />

IPR SHOWROOM<br />

The Yard, 89 & ½ Worship<br />

Street<br />

London, EC2A 2BF<br />

England<br />

Shop:<br />

FIRST Frankfurt<br />

Mörfelder Landstr. 106<br />

60598 Frankfurt<br />

Cartier<br />

Richemont Northern<br />

Europe GmbH<br />

Landsberger Str. 302-306<br />

80687 München<br />

Shop:<br />

Cartier<br />

Tauentzienstr. 21-24<br />

10789 Berlin<br />

Céline<br />

Céline Press Department<br />

24 rue François 1er<br />

75008 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Chanel<br />

Chanel GmbH & Co. KG<br />

Brandstücken 23<br />

22549 Osdorf, Hamburg<br />

Shop:<br />

Chanel<br />

Kurfürstendamm 188<br />

10707 Berlin<br />

Chloé<br />

Chloé International SAS<br />

5 avenue Percier<br />

75008 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop: Chloé Boutique<br />

Maximilianstrasse 22<br />

80539 München<br />

Comme des Garcons<br />

16, place Vendôme<br />

75001 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Lil Shop<br />

Brunnenstr. 184<br />

10119 Berlin<br />

Converse<br />

Converse<br />

Schröder+Schömbs PR<br />

Torstr.107<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Converse Berlin<br />

Münzstr. 18<br />

Delfina Delettrez<br />

Piazza di Tor Sanguigna,<br />

13<br />

00186 Rom<br />

Italien<br />

Shop:<br />

Colette<br />

213, Rue Saint-Honore<br />

75001 Paris<br />

Frankreich<br />

Diesel BlaCK Gold<br />

Henri + Frank Public<br />

Relations<br />

Schopenstehl 22<br />

20095 Hamburg<br />

Shop:<br />

Diesel<br />

Neue Schönhause Str. 21<br />

10178 Berlin<br />

Dior<br />

KCD Paris<br />

13 rue du Mail<br />

75002 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Emporio Armani<br />

Maximilianstr. 32<br />

80539 München<br />

Shop:<br />

Emporio Armani Berlin<br />

Theatiner Str. 12<br />

80333 München<br />

Dries van Noten<br />

3 Rue du Plâtre<br />

75004 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Andreas Murkudis<br />

Potsdamer Str. 81E<br />

10785 Berlin<br />

Eres<br />

166 Boulevard Voltaire<br />

75011 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

KaDeWe<br />

Tauentzienstr. 21<br />

10789 Berlin<br />

Etro<br />

Schoeller von Rehlingen<br />

Ismaninger Str. 102<br />

81675 München<br />

Shop:<br />

Galeries Lafayette<br />

Friedrichstr. 76-78<br />

10117 Berlin<br />

Faster by Mark Fast<br />

Finch & Partners<br />

35 Hedden Street<br />

London W1B 4BR<br />

England<br />

Shop:<br />

Jades<br />

Heinrich-Heine-Allee 53<br />

40213 Düsseldorf<br />

Filippa K<br />

Fake PR<br />

Münzstr. 13-15<br />

10178 Berlin<br />

Shop:<br />

Filippa K<br />

Alte Schönhauser Str. 11<br />

10119 Berlin<br />

G-Star<br />

Schoeller von Rehlingen<br />

Ismaninger Str. 102<br />

81675 München<br />

Shop:<br />

G-Star Store<br />

Kasernenstr. 10<br />

40213 Düsseldorf<br />

Helmut Lang<br />

Michele Montagne<br />

184 rue St. Maur<br />

75010 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Ulf Haines<br />

Rosa-Luxemburg-Str. 9<br />

10178 Berlin<br />

Hermès<br />

Hermès GmbH<br />

Marstallstr. 8<br />

80539 München<br />

Shop:<br />

Hermès Store<br />

Kurfürstendamm 58<br />

10707 Berlin<br />

Inbar Spector<br />

65 C Wigmorestreet<br />

London W1U 1JT<br />

England<br />

Shop:<br />

inbarspector.com<br />

Jeremy Scott<br />

People‘s Revolution<br />

62 Grand St. - 3rd Floor<br />

New York, NY 10013<br />

Shop:<br />

Bleibgrün Designermode<br />

Bleibtreustr. 29-30<br />

10707 Berlin<br />

Jil Sander<br />

Loews GmbH<br />

Maximilianstr. 43<br />

80538 München<br />

Shop:<br />

Jil Sander<br />

Kurfürstendamm 185<br />

10707 Berlin<br />

Jimmy Fairly<br />

Silk Relations GmbH<br />

Rückerstr. 4<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Jimmy Fairly Store<br />

64 Rue Vieille du Temple<br />

75004 Paris<br />

Frankreich<br />

Loro Piana<br />

twice communications<br />

Maximilianstr. 13<br />

80539 München<br />

Shop:<br />

K-Center<br />

Königsallee 28/30<br />

40212 Düsseldorf<br />

Louis Vuitton<br />

Brienner Str. 9 / Ecke<br />

Amiraplatz 1<br />

80333 München<br />

Shop:<br />

Louis Vuitton<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Maison Martin Margiela<br />

Henri + Frank Public<br />

Relations<br />

Schopenstehl 22<br />

20095 Hamburg<br />

Shop:<br />

Andreas Murkudis<br />

Münzstr. 21, 2. Hof<br />

10178 Berlin<br />

Marni<br />

Karla Otto<br />

8 Avenue du Président<br />

Wilson, 75116 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Markus Lupfer<br />

Silk Relations GmbH<br />

Rückerstr. 4<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Missoni<br />

PRESS OFFICE<br />

VIA SALVINI 1/A<br />

Mailand<br />

Italien<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Mulberry<br />

KCD Paris<br />

13 rue du Mail<br />

75002 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Nicholas KirKWood<br />

Studio<br />

5B Mount Street<br />

London W1K 3NE<br />

England<br />

Shop:<br />

5B Mount Street<br />

London W1K 3NE<br />

England<br />

Nike<br />

Silk Relations GmbH<br />

Rückerstr. 4<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Nike Town<br />

Tauentzienstr. 7<br />

10789 Berlin<br />

Norama Kamali<br />

11 West 56th Street<br />

New York, NY 10019<br />

USA<br />

Shop:<br />

normakamali.com<br />

Ohne Titel<br />

601 W. 26th St., Suite<br />

M203<br />

New York, NY 10001<br />

USA<br />

Shop:<br />

Printemps<br />

102 Rue de Provence<br />

75009 Paris<br />

Frankreich<br />

Patricia Underwood<br />

499 Seventh Ave<br />

25th Floor South<br />

New York, NY 10018<br />

Shop:<br />

Fenwick<br />

63 New Bond Street<br />

London W1A 3BS<br />

England<br />

Phoebe English<br />

phoebeenglish.com<br />

Shop:<br />

Dover Street Market<br />

17-18 Dover Street<br />

London W1S 4LT<br />

England<br />

Sally Lapointe<br />

C&M Media<br />

307 7th Avenue<br />

Suite 1801<br />

New York, NY 10001<br />

USA<br />

Shop:<br />

Sally Lapointe Studio<br />

32-B Thompson St.<br />

New York, NY 10013<br />

USA<br />

Sepai Skincare Technology<br />

sepai.eu<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Sonia Rykiel<br />

175 Boulevard<br />

Saint-Germain<br />

75006 Paris<br />

Frankkreich<br />

Shop:<br />

Galeries Lafayette<br />

Friedrichstr. 76-78<br />

10117 Berlin<br />

Starstyling<br />

Mulackstr. 4<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Starstyling<br />

Mulackstr. 4<br />

10119 Berlin<br />

Stella McCartney<br />

21A Bruton Place<br />

London W1J 6NB<br />

England<br />

Shop:<br />

Theresa<br />

Maffeistr. 3<br />

80333 München<br />

Theysken’s Theory<br />

Theyskens‘ Theory Press<br />

Office<br />

7 Westbourne Grove<br />

Mews<br />

London W11 2RU<br />

England<br />

Shop:<br />

Apropos<br />

The Concept Store Cöln<br />

Mittelstr. 3 – 12<br />

50672 Köln<br />

Uslu Airlines<br />

Torstr. 125<br />

10119 Berlin<br />

Shop:<br />

Departmentstore<br />

Quartier 206<br />

Friedrichstr. 71<br />

10117 Berlin<br />

Valentino<br />

Valentino Press Office<br />

8 Place Vendôme<br />

75001 Paris<br />

Frankreich<br />

Shop:<br />

Valentino<br />

Kurfürstendamm 57<br />

10707 Berlin<br />

Versace<br />

Loews GmbH<br />

Maximilianstr. 43<br />

80538 München<br />

Shop:<br />

Galeries Lafayette<br />

Friedrichstr. 76-78<br />

10117 Berlin<br />

We are Handsome<br />

Pfeffer PR<br />

Unit 7 First Floor<br />

19-23 Kingsland Road<br />

London E2 8AA<br />

England<br />

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Net-a-porter.com<br />

Y-3<br />

Häberlein & Mauerer<br />

AG‎<br />

Rosenthaler Str. 51<br />

10178 Berlin<br />

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No 74 Berlin<br />

Torstr. 74<br />

10119 Berlin<br />

158<br />

159


das trag’ ich für die ewigkeit<br />

Foto: Oda Jaune, Protokoll: Julia Christian<br />

Im Grunde ist das ganze Leben schon von<br />

der Geburt an ein einziger langer Abschied.<br />

Man erlebt nichts zweimal und man kann<br />

nicht zurück.<br />

In einem Sarg stelle ich es mir nicht schön<br />

vor. In einem Kasten ein paar Meter unter<br />

der Erde zu liegen, das ist doch viel zu<br />

dunkel. Ich bevorzuge Wasser, es bedeutet<br />

Licht und Freiheit. Und aus dem Wasser<br />

stammen wir doch. Das Gefühl der Seele<br />

ist so stark und auch die Erinnerung – das<br />

kann sich doch nicht plötzlich in Nichts<br />

auflösen.<br />

Ich glaube, uns erwartet nach dem „Tod“<br />

etwas wahnsinnig Aufregendes. Eine<br />

an dem ich gerade male. Kleidung ist dort<br />

sicher unnötig und Fotos sollen die<br />

behalten, die zurückbleiben. Ich würde das<br />

Bild mitnehmen, damit ich mich nicht<br />

darüber ärgern müsste, dass der Tod mich<br />

unterbrochen hat. So gäbe es auch nie<br />

mein letztes Bild. Man würde glauben, ich<br />

hätte es mitgenommen, es wäre nie<br />

vollendet. Ein schöner Gedanke.<br />

Meine Mutter liebt ihren Garten und ihre<br />

Pflanzen. Mich stört diese ständige<br />

Veränderung in der Natur. Dass etwas<br />

wächst, blüht und vergeht finde ich<br />

unheimlich. Zu sehen, dass eine Pflanze<br />

innerhalb eines Jahres, manchmal sogar<br />

Ich würde ein unfertiges Bild in die Ewigkeit<br />

mitnehmen, damit ich mich nicht darüber ärgern<br />

müsste, dass der Tod mich unterbrochen hat.<br />

Oda Jaune<br />

malt Bilder, an denen sie sich nicht satt<br />

sehen kann. Auch wenn das mancher bei ihrem alptraumhaften<br />

Motiven nicht glauben mag, in Oda Jaunes Innenleben ist es warm<br />

und sehr friedlich. In <strong>Fräulein</strong> erklärt sie, dass wir mit dem Tod<br />

nicht verlorengehen und warum sie bis in alle Ewigkeit malt.<br />

A<br />

ls ich vier Jahre alt war,<br />

dachte ich, mit 30 müsste ich<br />

sterben und fand das<br />

wahnsinnig alt. Inzwischen<br />

bin ich sogar älter. Eigentlich bin ich aber<br />

132 Jahre alt. Ich sehe nur nicht so aus.<br />

Manchmal glaube ich, mein Zeitgefühl ist<br />

anders, weil ich so viel gemacht und so<br />

viel gefühlt habe. Oder weil ich male, denn<br />

dort läuft die Zeit anders. Die Malerei,<br />

die Kunst, ist für mich wie ein anderes Leben.<br />

Das „normale“ Leben fällt mir<br />

schwerer als das Malen. Vielleicht, weil in<br />

der Kunst andere Regeln und Gesetze<br />

herrschen als in der „Realität“. In der Kunst<br />

gibt es keine Angst, es darf gar keine Angst<br />

geben, auch keinen Tod, keine Vergänglichkeit.<br />

Große Kunst hat kein Verfallsdatum, sie ist<br />

unsterblich.<br />

Die Erfahrung, endgültig Abschied zu<br />

nehmen, habe ich noch nie gemacht. Man ist<br />

doch nie fertig mit einem Menschen. Und<br />

wenn es eine echte Verbundenheit gab, trägt<br />

man ihn immer mit sich.<br />

Durch sein Werk lebt ein Mensch für mich<br />

ewig. Wenn ich beispielsweise ein über 100<br />

Jahre altes Buch von Balzac lese, ist er für mich<br />

genauso lebendig wie Michel Houellebecq.<br />

andere Welt mit neuen Möglichkeiten. Wir<br />

wissen davon noch nichts, können unsere<br />

Zeit aber nutzen, uns die wildesten<br />

Vorstellungen darüber auszumalen.<br />

Das Brutale am Tod ist der Schmerz, den<br />

man anderen zufügt, weil man sie verlässt,<br />

weil sie einen lieben, weil sie weiter leben<br />

werden und dich vermissen.<br />

Wenn ich wählen dürfte, würde ich am<br />

liebsten ganz mysteriös verschwinden. Ich<br />

gehe auf eine Weltreise und komme nicht<br />

mehr zurück. Auf diese Weise braucht es<br />

keine Beerdigung, keinen traurigen<br />

Abschied. Alles bleibt offen.<br />

Man sagt, der Tod gehöre zum Leben. Gibt<br />

es einen Satz, der beruhigender sein<br />

könnte? Er gehört dazu, und mit ihm geht<br />

man zurück zur Natur. Dass man überhaupt<br />

am Leben war, ist doch ein Wunder,<br />

eine große Freiheit und gleichzeitig eine<br />

große Einschränkung. Denn als Mensch ist<br />

man Materie und Form. Das bringt viele<br />

Grenzen mit sich, gleichzeitig wird<br />

dadurch vieles erst möglich. Der Mensch<br />

ist für mich das Spannendste am Leben.<br />

Ich besitze kein Bild, in dem kein Mensch<br />

vorkommt. Es gibt nur eine Ausnahme:<br />

Ich habe ein Bild gemalt, auf dem sich eine<br />

spritzende ölig-braune Flüssigkeit auf<br />

der Leinwand verteilt. Als wäre gerade jemand<br />

in sie hinein gesprungen. Auch<br />

dort also die Spur eines Menschen.<br />

Wenn ich etwas mit in die Ewigkeit nehmen<br />

könnte, wären das meine Lieblingspinsel,<br />

Ölfarben und das unfertige Bild,<br />

eines Monats, wieder weg ist, bedrückt<br />

mich. Ich bevorzuge die Leinwand. Dinge,<br />

die Unendlichkeit besitzen. Ich liebe und<br />

bewundere die Skulpturen der Renaissance,<br />

eigentlich jede Art von Kunst. Jedes<br />

gute Kunstwerk ist für die Ewigkeit.<br />

Gemälde, Geschichten genauso wie gute<br />

Musik und Filme vergehen nicht. Stattdessen<br />

kann man von ihnen lernen: Im Lauf<br />

des Lebens vergeht und verändert sich<br />

so vieles, aber die Kunst bleibt eine<br />

Konstante.<br />

Ewigkeit ist noch besser als das Leben<br />

selbst. Für mich hat Ewigkeit etwas<br />

Erhabenes. Sie kennt keine Schwäche,<br />

ist nicht verletzlich, kann nicht krank<br />

machen, hat keine Fehler. Ewigkeit<br />

ist absolut, und das ist eine großartige<br />

Sache. Ende<br />

Oda Jaune wurde 1979 in Sofia als Michaela Danowska<br />

geboren. Ihr Künstlername leitet sich von Oda<br />

(altdeutsch: Schatz) und Jaune (französisch: Gelb) ab. Sie<br />

studierte von 1998 bis 2003 als Meisterschülerin bei Jörg<br />

Immendorff an der Kunstakademie Düsseldorf und lebt<br />

mittlerweile in Paris. Bis 27. Oktober stellt sie in der<br />

Fondation Francès à Senlis bei Paris aus.<br />

160<br />

161


sacheN gibt es<br />

Illustration: Daniel Ramirez Perez, Text: Alexa von Heyden<br />

Geschlechtskrankheiten<br />

Klassische Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbare<br />

Krankheiten sind laut Robert-Koch-Institut und World Health<br />

Organisation (WHO) wieder auf dem Vormarsch. In den<br />

80-er Jahren war die AIDS-Aufklärung mit Kondom-Werbung<br />

durch Ingolf Lück und Hella von Sinnen Kult: „Tina, wat<br />

kosten die Kondome?“. Safer Sex wurde cool und die Zahl der<br />

neuinfektionen mit STI (Sexually transmitted infections) einige<br />

Jahre rückläufig; im Jahr 2000 wurde die Meldepflicht für<br />

Tripper, offiziell Gonorrhoe, vom Gesundheitsamt sogar abgeschafft.<br />

Das neue Problem ist jung: Mit HIV infizierten sich 2011 in<br />

Deutschland zwar weniger Menschen als noch vor einigen<br />

Jahren, doch andere Geschlechtskrankheiten, etwa die zuvor<br />

fast verdrängte Syphilis, haben sich allein von 2001 auf<br />

2006 verdoppelt.<br />

Die meisten Patienten sind laut WHO zwischen 20 und 24 Jahre<br />

alt, danach folgen die 15- bis 19-Jährigen. In Deutschland werden<br />

jedes Jahr rund 3.000 neue Fälle von Syphilis gemeldet,<br />

davon die meisten in Großstädten, insbesondere Berlin, und<br />

bei Männern. Wie kann das sein? Vor allem liegt es wohl daran,<br />

dass die Menschen mehr denn je in der Welt herumreisen<br />

und sorglos bei der Partnerwahl sind. Die junge Generation<br />

glaubt, sexuell übertragbare Krankheiten beträfen nur Randgruppen.<br />

Wer trägt schon noch selbstverständlich stets ein<br />

Kondom im Portemonnaie bei sich?<br />

Doch es kommt nicht darauf an, wie oft man Sex hat, sondern<br />

ob man ungeschützten Sex hat. Wenn Infektionen unbemerkt<br />

und unbehandelt bleiben, spielt man mit den über 30 verschiedenen<br />

Bakterien, Viren und Pilzen, die aktuell im Umlauf sind,<br />

nacht für nacht Ping-Pong. Schlimmer noch: Viele STI können<br />

Unfruchtbarkeit, Gebärmutterhalskrebs oder Geisteskrankheiten<br />

zur Folge haben.<br />

hiv<br />

Das HI-Virus (Human Immunodeficiency<br />

Virus) wird beim Oral-, Anal- oder<br />

Vaginal-Verkehr durch das Sperma, die<br />

Schleimhäute oder (Menstruations-)Blut<br />

übertragen. Wenn das HIV ausbricht,<br />

leidet man an der Krankheit Aids (Acquired<br />

Immunodeficiency Syndrome). In<br />

Deutschland leben laut datenbasierter<br />

Schätzung des Robert-Koch-Instituts<br />

aktuell rund 73.000 Menschen mit HIV/Aids,<br />

etwa 59.000 Männer und 14.000 Frauen.<br />

Vergangenes Jahr infizierten sich 2.250<br />

Männer und 450 Frauen neu mit dem<br />

Virus. Diese Zahl ist höher als die der etwa<br />

500 Todesfälle 2011, weil die Krankheit<br />

inzwischen mit Medikamenten meist gut<br />

behandelbar ist. Heilbar ist eine HIV-Infektion<br />

aber nach wie vor nicht. Den einzigen<br />

Schutz gegen HI-Viren bieten Kondome<br />

oder bei Oral-/Anal-Verkehr ein Lecktuch<br />

(Dental Dam).<br />

FilZläuse<br />

Die sogenannten „Sackratten“ springen<br />

beim Sex von einem Wirt, einem Menschen<br />

auf den anderen. Sie nisten an den Wurzeln<br />

der Schamhaare und sind mit bloßem Auge<br />

als kleine dunkle Flecken zu erkennen.<br />

Ihr Biss löst einen starken Juckreiz aus.<br />

Gegen die Parasiten hilft eine Tinktur. Der<br />

Kahlschlag der Scham- und Achselhaare ist<br />

ratsam, ebenso das professionelle Reinigenlassen<br />

von Kleidung und Bettwäsche.<br />

Genital-Herpes<br />

die ansteckung mit dem Herpes simplex<br />

Virus Typ 2 erfolgt durch Körperkontakt<br />

(Küssen!), Tröpfchen- und schmierinfektion<br />

- aber nur dann, wenn der partner<br />

gerade selbst einen blühenden genital-<br />

Herpes hat. in deutschland sind 90 % aller<br />

erwachsenen mit dem lippen-Herpes<br />

infiziert, 15 % auch mit dem Genital-Herpes.<br />

die infektion ist latent, das Virus bleibt<br />

lebenslang im Körper und kann weiter<br />

verbreitet werden. symptome sind u.a.<br />

bläschen und geschwüre. Virostatika wie<br />

aciclovir beschleunigen die Heilung.<br />

CHlamydien<br />

eine infektion mit Chlamydien trachomatis<br />

ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren<br />

Krankheiten. die bakterien können<br />

bei Männer und Frauen eine Harnröhrenentzündung<br />

auslösen. In Deutschland<br />

sind nach seriösen Schätzungen mehr als<br />

100.000 Frauen durch unbehandelte<br />

Chlamydien-infektionen unfruchtbar geworden,<br />

weil ihre eileiter nicht mehr<br />

durchgängig sind. bei wechselnden sexpartnern<br />

sind jährliche Vorsorgeuntersuchungen<br />

ratsam.<br />

GonorrHoe<br />

auch als „Tripper“ bekannt. ihren namen<br />

verdankt die geschlechtskrankheit dem<br />

niederdeutschen ausdruck trippen =<br />

tropfen. die patienten leiden unter eitrigem<br />

Ausfluss aus Penis, Scheide oder Po und<br />

haben Schmerzen beim Wasserlassen.<br />

Viele Frauen haben zunächst keine<br />

beschwerden, weshalb die gonokokkenbakterien<br />

ungehindert von der Harnröhre<br />

bis in die eileiter hochwandern und diese<br />

verkleben, was zur Unfruchtbarkeit führen<br />

kann. Wenn eine Schwangere sich unbemerkt<br />

mit Tripper infiziert (normalerweise<br />

wird aber gleich bei der ersten Vorsorgeuntersuchung<br />

ein abstrich gemacht), besteht<br />

die Gefahr einer Fehlgeburt. Während<br />

der geburt kann sich das neugeborene anstecken,<br />

dies kann beim Baby zu Blindheit<br />

führen. die Krankheit kann jedoch mit<br />

antibiotika problemlos behandelt<br />

werden. Da der Erreger aber zunehmend<br />

resistent ist, steigt die<br />

Zahl der neuinfektionen.<br />

Humane<br />

papillomaviren<br />

Junge Mädchen werden heutzutage –<br />

möglichst vor dem ersten Mal Sex –<br />

von ihrem Kinder- oder Frauenarzt<br />

gegen Humane papillomaviren (HpV)<br />

geimpft. Die DNA-Viren können zu<br />

Zellveränderungen wie Feigwarzen im<br />

genital- und analbereich oder im<br />

schlimmsten Fall zu Gebärmutterhalskrebs<br />

führen. besonders wichtig ist<br />

deshalb die jährliche Vorsorgeuntersuchung<br />

(„pap-Test“).<br />

sypHilis<br />

auch lues (lat. seuche), „lustseuche“ oder<br />

„Franzosenkrankheit“ genannt. Die<br />

syphilis verläuft in drei stadien: auf<br />

Hautgeschwüre folgen rote Flecken, zum<br />

schluss greift das bakterium Treponema<br />

pallidum das Nervensystem an. Bis zur<br />

Erfindung des Penicillins 1928 galt die<br />

syphilis als geißel der Menschheit. sie<br />

führt zu Blind-, Taubheit (Ludwig van<br />

beethoven) oder geisteskrankheit und<br />

kann während der schwangerschaft oder<br />

geburt von Mutter aufs Kind übertragen<br />

werden. 1000 bis 4000 Kinder weltweit<br />

kommen wegen Syphilis blind zur Welt.<br />

berühmte Todesfälle: u.a. Friedrich<br />

Nietzsche, Heinrich Heine.<br />

triCHomonaden<br />

Die Geißeltierchen zählen zu den Parasiten<br />

und werden per schmierinfektion über<br />

den Urin oder Körpersekrete übertragen.<br />

sie nisten sich in der scheide, in darm<br />

und Harnröhre ein und lösen dort eine<br />

infektion aus. es juckt wie Hölle, der<br />

Ausfluss ist schaumig. Trichomonaden<br />

zählen wie Chlamydien zu den häufigsten<br />

sexuell übertragbaren Krankheiten. ende<br />

162


MANCHE GESCHICHTEN SIND ES WERT FÜR EWIG BEWAHRT ZU WERDEN.<br />

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