Der Bierstaedter Januar 2011
Bierstaedter Januar 2011
Bierstaedter Januar 2011
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<strong>Januar</strong> <strong>2011</strong> <br />
Seite 14<br />
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Philosophische Ideen sind wichtig für die Menschheit!<br />
Von Mark Hermsdörfer<br />
Tag der offenen Tür<br />
19. und 20. Februar<br />
Man stelle sich einmal vor eine Maus und ein<br />
Krokodil gingen eine Beziehung miteinander<br />
ein. HALT! Wird der aufmerksame Leser spätestens<br />
zu diesem Zeitpunkt rufen. Nicht nur<br />
ein kleines, leises „halt“, halb in Gedanken<br />
oder im Vorrübergehen, wie man flüchtigen<br />
Bekannten ein „Guten Tag“, auf der Straße<br />
hinterher nuschelt. Nein, er wird sich denken<br />
was ist das denn bitte für ein Schwachsinn?<br />
Und sofort alles von sich weisen, sein Gehirn<br />
sprichwörtlich auf Durchzug stellen, den<br />
Schalter umlegen, hier rein da raus oder besser<br />
gar nicht erst rein um wieder herauszukommen<br />
bzw. wieder herauskommen zu lassen,<br />
ja heraus kommen zu lassen, denn mit<br />
Unmöglichem will er gar nichts zu tun haben,<br />
nichts damit am Hut haben. Und nicht etwa<br />
gar nichts, sondern GANZ-UND-GAR-NICHTS.<br />
Er möchte jedem, der es auch nur wagt zu<br />
denken, sich zu überlegen oder gar in Erwägung<br />
zu ziehen etwas derartiges auszusprechen<br />
das Wort abwürgen, es soll dem Betroffenen<br />
im Hals stecken bleiben, oder noch<br />
besser bereits in den Gehirnwindungen.<br />
Somit muss es ein entschiedenes, ein bestimmtes,<br />
vielleicht sogar ein lautes, nein<br />
ziemlich sicher ein lautes „HALT, das geht<br />
doch gar nicht!“, oder gar ein „Lass mich<br />
bloß damit in Frieden!“ sein. Er würde sich<br />
niemals auch nur Gedanken darüber machen.<br />
Freilich käme dies in irgendeiner x-beliebigen<br />
Fernsehserie beispielsweise die<br />
589.234.654,5-te Staffel der Lieblings-Sitcom,<br />
in der der Protagonist gerade mal wieder<br />
zum 589.234.654,5-ten mal ein Beziehungsproblem<br />
mit seiner Frau, seinen<br />
Freunden oder wahlweise auch mit seinen<br />
Kindern, denn auch zu Kindern und Freunden<br />
hat man in der Regel ein gewisse Beziehung,<br />
in der Regel natürlich auch zu seiner Frau,<br />
hat und völlig betrunken herumphantasiert,<br />
würden Gedankengänge wie dieser, für den<br />
unaufmerksamen Leser, wir befinden uns<br />
noch immer bei der Theorie Maus + Krokodil<br />
= Beziehung, gerne aufgenommen und am<br />
nächsten Morgen auf der Arbeit, in der<br />
Schule, im Wirtshaus, wahlweise auch auf<br />
der Straße diskutiert. Oder auch nicht. Aber<br />
zumindest wird zu Hause erst einmal darüber<br />
gelacht. Oder auch nicht. Es soll ja auch in<br />
der allerliebsten Lieblingsserie mal eine Folge<br />
geben die man selbst als ungut, oder gar<br />
unlustig, ja sogar überflüssig bis unnötig<br />
empfindet, befindet und abstempelt. Dann<br />
wird natürlich nicht gelacht. Es sei denn man<br />
kennt nicht alle Folgen, und hat nur die<br />
besten gesehen, dann gibt es natürlich<br />
keine, die man selbst schlecht finden kann.<br />
Alles andere wäre schwachsinnig. Allerdings<br />
mal angenommen der Leser würde diese<br />
Theorie, die übrigens auch eigentlich, ja wohl<br />
eher streng genommen gar keine ist, lesen<br />
und sie als Theorie, Überlegung oder Vorstellung<br />
annehmen, sie akzeptieren, oder<br />
auch nicht, sich allerdings zumindest Gedanken<br />
darüber machen. Nur einmal angenommen<br />
er hat diese Phase der Annahme,<br />
Akzeptanz, und des „Gedankendarübermachens“<br />
hinter sich und hat sich eine Meinung<br />
gebildet oder zumindest sich entschieden ob<br />
es eine schwachsinnige Idee war oder auch<br />
ist, denn wenn er selbst gerade darüber<br />
nachdenkt ist es quasi in der Gegenwart,<br />
nicht mehr in der Vergangenheit, und umgekehrt,<br />
oder ob es keine schwachsinnige Idee<br />
war oder ist. Vielleicht hat er sich auch noch<br />
gar keine Meinung gebildet und überlegt<br />
noch was er sich dazu denken sollte, ist es<br />
doch etwas eher Undenkbares vielleicht nicht<br />
ganz Unmögliches, aber eigentlich schon.<br />
Das kommt ganz auf die Betrachtungsweise,<br />
das Verständnis, die Interpretation von Beziehung<br />
an. Ist es eher eine elterliche, geschwisterliche<br />
oder freundschaftliche Beziehung,<br />
bis hin zur Überlegung ob gar eine<br />
partnerschaftliche, sexuelle gemeint sein<br />
könnte. Ist diese Phase jedenfalls vorüber,<br />
wird eben dieser oben genannte, aufmerksame<br />
Leser, der nicht einfach über alles hinwegschaut<br />
und sich selbst überlässt, sondern<br />
sich Gedanken macht, meinen er bräuchte<br />
eine 2-te oder 3-te Meinung. Und da das in<br />
den meisten Fällen alleine eher schlecht zu<br />
bewerkstelligen ist, ist es wohl sehr wahrscheinlich,<br />
dass er andere Menschen fragen<br />
wird. DAS allerdings ist der größte Fehler den<br />
dieser Mensch machen kann. Er wird wahrscheinlich<br />
eingeliefert oder direkt abgeholt,<br />
endet in einer quietschgelben Gummizelle.<br />
Und das nur wegen einer Idee.<br />
Natürlich ist diese Idee hirnrissig! Einfach<br />
überflüssig. Sie ist es nicht wert ausgesprochen,<br />
gedacht, oder noch schlimmer, aufgeschrieben<br />
zu werden. Man sollte es nicht einmal<br />
in Erwägung ziehen sich zu Überlegen zu<br />
denken sie aufzuschreiben, auszusprechen<br />
oder überhaupt in den Gedanken zu haben,<br />
demnach ist es ebenso dumm sie überhaupt zu<br />
lesen geschweige denn sich abermals darüber<br />
Gedanken zu machen, sollte ein jemand die<br />
unsägliche Blödheit besitzen, sie bereits aufgeschrieben<br />
oder abgedruckt zu haben. Die Vorstellung<br />
einer Beziehung zwischen Maus und<br />
Krokodil ist einfach überflüssig und wird nicht<br />
gebraucht in unserer Welt. Also hüten sie sich<br />
vor Ideen oder antworten sie einfach: „42!“<br />
Wolfgang Gruners Ausspruch vor Jahren, als<br />
das Privatfernsehen begann Fließbandlachnummern<br />
zu produzieren, die Öffentlich<br />
Rechtlichen anfingen sich der unbequemen<br />
Kritikern zu entledigen, indem sie Sendezeiten<br />
verkürzten und zeitlich nach hinten<br />
verlegten, der Berufsstand der Comedians<br />
ausgerufen wurde, die oft an Klassenclowns<br />
der frühen Schulzeit erinnern. Frei nach dem<br />
Motto: Satire, Ironie politisches und sozialkritisches<br />
Engagement, Bohren in Wunden sind<br />
110 Jahre Deutsches Kabarett<br />
„Heut’ brauchste Humor für det,<br />
wat andere für Humor halten“<br />
tot – Es leben hoch Beleidigung, verbale<br />
Tiefschläge und Uraltwitze. Ganze Sätze,<br />
nicht mehr nötig, spart Sendezeit, Werbeblöcke<br />
finanzieren und sind meist witziger.<br />
Schwierig zu erraten was Gruner wohl<br />
heute sagen würde beim Zappen durch die<br />
Kanäle. Mir würde dazu einfallen Sch....,<br />
stinken die heut’ wieder enorm.<br />
Bedenklich eine Schlussfolgerung seines<br />
Mottos zu wagen: Kabarett erhält die Demokratie.<br />
110 Jahre Deutsches<br />
Kabarett<br />
Wir sind optimistisch und glauben fest, dass<br />
das Fernsehen den Geschmack der Zuschauer<br />
nicht unbedingt immer erkennen<br />
möchte und haben uns entschlossen in loser<br />
Folge Kabarettisten wieder in die Erinnerung<br />
zurückzurufen, eine kleine Reise zu unternehmen<br />
in die Welt des Kabaretts, da kein<br />
anderes Genre Geschichte und Zeitgeist realistischer<br />
widerspiegelt.<br />
Seinen Ursprung fand das Kabarett in<br />
Paris, 20 Jahre bevor in Berlin Ernst von Wolzogen<br />
am 18. <strong>Januar</strong> 1901 in der Alexanderstraße<br />
4 die Sezessionsbühne eröffnete.<br />
Anlass genug in der ersten Folge einen Blick<br />
ins Ursprungsland zu werfen.<br />
LE CHAT NOIR<br />
Als der 23-jähriger Maler und Grafiker Rodolphe<br />
Salis aus der Kleinstadt Châtellerault<br />
durch den Umzug in die Metropole Paris seinem<br />
Traum einer Künstlerkarriere näher zukommen<br />
scheiterte, entschied er in einem<br />
umgebauten Postamt am Montmartre das<br />
Cabaret Artistique zu eröffnen, eine<br />
Gaststätte mit Kleinkunstdarbietungen um<br />
Künstlern einen Platz zum Gedankenaustausch<br />
zu ermöglichen. Am 18. November<br />
1881 erhielt sie den Namen Le Chat Noir.<br />
Die Unterhaltung der Gäste durch den Literaturzirkel<br />
„Les Hydropathes“ des Journalisten<br />
und Dichters Émile Goudeaus, erwies sich als<br />
glückliche Fügung und auch die Pariser Gesellschaft<br />
fand Gefallen an den teils zeitkritischen<br />
und politischen Persiflagen. Als 1885<br />
die Schließung wegen Massenaufläufen vor<br />
dem Lokal drohte zog Salis in eine dreigeschossige<br />
Villa um den Ansturm der<br />
Interessierten Stand halten zu können. Hier<br />
errichtete er sowohl eine Chansonbühne als<br />
auch ein Schattentheater, zusätzlich konnte<br />
noch die Redaktion des Chat Noir Journal<br />
untergebracht werden.<br />
Im Alter von nur 46 Jahren verstarb<br />
Rodolphe Salis am 20. März 1897.<br />
Auf seinem Grabstein ist zu lesen:<br />
Gott hat die Welt geschaffen, Napoléon<br />
die Ehrenlegion gegründet. –<br />
Ich habe den Montmartre gemacht.<br />
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