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68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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– auch mit zeittypisch sehr flachen Walmdächern – die Hofbaumeister Carl von<br />

Fischer in Bayern, Nikolaus von Thouret in Württemberg, Friedrich Weinbrenner in<br />

Baden, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf in Sachsen-Anhalt, David Gilly in<br />

Preußen oder der Landbaumeister Christian Frederik Hansen in Hamburg, um nur<br />

die bekanntesten zu nennen. Eine Sonderrolle nimmt Karl Friedrich Schinkel ein:<br />

Einzelne seiner Berliner Bauten sind auf eine radikale Reduktion der Gesamtform<br />

und Wandgliederung zurückgeführt, wie der königliche Pavillon neben Schloss<br />

Charlottenburg, die Kaserne der Lehrescadron oder das Haus Feilner.<br />

Während dann bereits Schinkel ohne Skrupel zwischen Klassizismus, Neogotik und<br />

romanisierendem Stil hin- und herwechselte, kann Heinrich Hübschs programmatische<br />

Schrift "In welchem Style sollen wir bauen?" von 1827 mit der Infragestellung<br />

der Eignung <strong>des</strong> Klassizismus für alle Bauaufgaben und der Bevorzugung<br />

<strong>des</strong> romanisierenden Rundbogenstils schließlich als offizieller Wendepunkt angesehen<br />

werden. Hübsch stellt damit die architektonische Kardinalfrage <strong>des</strong> 19. <strong>Jahrhunderts</strong>,<br />

wenn nicht sogar diejenige der Zeit zwischen 1830 und 1950. Denn man<br />

kann auch ein Paradigma der Architektur der Moderne in der inständigen Suche<br />

eines allgemeinverbindlichen baulichen Kulturausdrucks erkennen, die teils nationale<br />

teils internationale Geltung anstrebt. 93<br />

Der Beginn <strong>des</strong> Historismus wird auf 1830/40 datiert. Mit dem Eklektizismus der<br />

Gründerzeit ab 1870 fand er seinen Höhepunkt und ebbte bis 1910/1918 ab. Ein<br />

Charakteristikum dieser Bauphase ist die stark plastische bis überladene Formendekoration<br />

bei Vorliebe für malerische Aufgliederung der Baukörper und Dachaufbauten.<br />

Reichhaltige verwinkelte Anbauten, Erker, Türmchen und Giebel prägen<br />

auch die romantisierenden Adaptationen mittelalterlicher Fachwerkbauten. In diesen<br />

Ausprägungen beherrschte der rasante Städtewachstum die öffentliche Wahrnehmung<br />

<strong>des</strong> Alltags in noch nie gekanntem Ausmaß. So wird verständlich, dass nicht<br />

ein einzelner innovativer Künstler eine Veränderung initiierte, sondern sich in weiten<br />

Kreisen <strong>des</strong> Bürgertums eine optische Ermüdung von der kleinteiligen Formenfülle<br />

und der Wunsch nach einer umfassenden Erneuerung der mit dem Historismus<br />

einhergehenden Begleitumstände bemerkbar machte. Viele andere Kritikpunkte an<br />

Städtebau und Architektur <strong>des</strong> Historismus ließen sich referieren, doch wir betonen<br />

diesen abstrahierten wahrnehmungspsychologischen Aspekt, denn auch abgesehen<br />

von sozialen Bestrebungen nach billigeren Wohnungen, funktionaleren Grundrissen<br />

und höherem technischem Standard gingen die Präferenzen aller sozialen Schichten,<br />

also auch der bis dato im historistischen Stil komfortabel lebenden wohlhabenden<br />

Eliten, nun wieder langsam hin zur relativen Vereinfachung der Formen, Klarheit

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