68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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Aus der Perspektive der traditionalistischen Kritiker des Funktionalismus machte
sich diese neue Moderne zunächst deshalb lächerlich und keiner ernsthaften Auseinandersetzung
würdig, weil sie eine Reihe von konventionellen Wohnhäusern
hervorgebracht hatte, die sich einfach dadurch auszeichneten, kein Dach zu haben.
Dass sich der Streit auf eine Dachfrage zuspitzte, ist also auch zum Teil auf das
latente äußerliche Stilwollen des Funktionalismus zurückzuführen. 172 So waren auch
auf der Weißenhofsiedlung einzelne Häuser in konventioneller Technik ausgeführt
worden, die nach außen den Schein neuer Konstruktionen vorspiegelten, wie dies
schon bei Erich Mendelsohns Einsteinturm in Potsdam der Fall war. Ansonsten konnte
Schmitthenner nach dem Stand der damaligen technischen Möglichkeiten über
die "Neue Sachlichkeit" spotten: "Es ist unsachlich Wohnhäuser aus Stahlplatten
und Glas zu bauen, um sie dann mit allem möglichen Aufwand gegen Schall, Wärme
und Kälte zu isolieren." 173
5.5. Walter Gropius: Häuser Sommerfeld und Otte
Der Beitrag von Walter Gropius zum Walmdachhaus im 20. Jahrhundert ist wiederum
ein durchaus programmatischer Bau. Denn das Haus Sommerfeld in Berlin-
Steglitz von 1920-21 war ein Auftrag eines erklärten Bauhaus-Mäzens an das private
Architekturbüro des Bauhausdirektors und wurde zugleich zur ersten Gemeinschaftsarbeit
des Dessauer Bauhauses, dessen Werkstätten Glasfenster, Schnitzhandwerk,
Metallarbeiten, Möbel und Teppiche beisteuerten. Gropius verwirklichte
erstmals seine "Idee, der ich über lange Jahre nachlaufe: Vereinigung aller Künste
am Bau" 174 . Dass es sich um ein vollständig aus Holz gebautes Blockhaus handelt,
liegt nicht nur daran, dass der Sägewerksbesitzer Sommerfeld gerade ein altes
Kriegsschiff gekauft und zerlegt hatte. Gropius propagierte damals Holz als den modernen
Baustoff der Gegenwart schlechthin. 175 Darüber hinaus ist das Haus ein vielzitiertes
Manifest der expressionistischen Architektur, das in Publikationen allerdings
meist von der stärker mit diagonalen Elementen versehenen Eingangsseite und aus
einer das hohe Walmdach kaschierenden Froschperspektive abgebildet wird. Berühmtheit
hat auch der expressiv verfremdete Aufriss auf der Einladungskarte zum
Richtfest erlangt.
Die Gartenseite des auf einem Bruchsteinsockel errichteten und von ebensolchen
Terrassenmauern umgebenen Blockhauses aus horizontal geschichteten Holzbohlen
und an den Ecken verzahnten überstehenden Balkenköpfen zeigt zwei Stockwerke
mit drei Fensterachsen. Die begrenzte Balkenlänge bestimmt die Gliederung
in drei Wandflächen. Der Konstruktionsart entsprechend kragt das Obergeschoss