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68 III. Das bürgerliche Wohnhaus des 20. Jahrhunderts Die ...

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mit den zeittypischen Nebenräumen einer Garderobe, Anrichte, Ankleide, Nebentreppe<br />

oder mehreren Bädern. Auffällig verbannt Mies häufig die Küche vom Erd- in<br />

das Untergeschoss, von wo die Speisen umständlich mit einem Speiseaufzug in die<br />

Anrichte transportiert werden müssen. Der praktische Nutzwert einer ebenerdigen<br />

Verbindung zum Speisezimmer wird hier zugunsten der Nobilitierung <strong>des</strong> Hauptgeschosses<br />

aufgegeben. Auch die Enfilade der Gesellschaftsräume Herrenzimmer -<br />

Bibliothek - Musikzimmer - Speisezimmer deutet ohne Erwähnung <strong>des</strong> Begriffs<br />

"Wohnen" auf die Dominanz <strong>des</strong> repräsentativen Gästeempfangs hin. <strong>Das</strong>s diese<br />

traditionalistischen Bauten von Mies im Vergleich zu denjenigen anderer Protagonisten<br />

der Reformbewegung noch am konservativsten und konventionellsten sind,<br />

entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Keinerlei Bestrebung nach Funktionalität oder<br />

Konzentration auf das innere Gefüge lässt sich an der Befensterung von Garderobe,<br />

Waschraum und Toilette beim Haus Urbig erkennen. Ihre hohen französischen<br />

Fenster stimmen formalistisch mit denjenigen <strong>des</strong> Herrenzimmers mit äußeren<br />

Supraportareliefs überein.<br />

4.3. Friedrich Ostendorf: "Sechs Bücher vom Bauen"<br />

Seinen ersten Niederschlag in einem theoretischen Werk <strong>des</strong> <strong>20.</strong> <strong>Jahrhunderts</strong>, das<br />

eine gewisse Breitenwirkung hatte, fand die Renaissance <strong>des</strong> Walmdachhaustyps in<br />

Friedrich Ostendorfs "Sechs Bücher vom Bauen". 137 Bis zu diesem Zeitpunkt war sie<br />

eine Angelegenheit der Baupraxis gewesen, hervorgegangen aus parallel erfolgten<br />

Lösungsansätzen verschiedener Architekten als Reaktion auf gleichartige Problemstellungen.<br />

<strong>Die</strong> zuvor genannten gegenwartskritischen und retrospektiven Publikationen<br />

hatten diese Schritte mit angestoßen. Ein gemeinschaftlicher Diskurs über diese<br />

Initialbauten anhand vereinzelter Veröffentlichungen oder persönlicher Kontakte und<br />

Besichtigungen kann allerdings nicht rekonstruiert werden.<br />

Von den "Sechs Büchern" <strong>des</strong> Karlsruher Architekturprofessors und großherzoglich<br />

badischen Oberbaurats erschienen 1913-14 die ersten beiden Bände und nach<br />

Ostendorfs Soldatentod im Ersten Weltkrieg der dritte Band posthum 19<strong>20.</strong> Weitere<br />

Bände wurden nicht mehr bearbeitet. Ostendorf propagierte einen Entwurfsprozess<br />

zur Findung der "einfachsten Erscheinungsform". <strong>Die</strong>se fand er in einer allgemeingültigen<br />

Tradition, die über die Stilphasen der Vergangenheit hinweg die Grundlage<br />

für eine qualitätssichernde Baukultur gewesen sei. Um diesen verlorengegangenen<br />

unkonkreten Gestaltungscodex wieder herzustellen, geißelte er die künstlerische<br />

Originalitätssucht und empfahl die Anknüpfung an Bauformen der Alltagsarchitektur<br />

<strong>des</strong> 18. <strong>Jahrhunderts</strong>. In seinen Entwürfen führte dieses Bestreben allerdings zu

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