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aus unserer Klinik für unsere Partner im Gesundheitswesen

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SPZ am AKH Celle<br />

Schweigende Kinder<br />

Von Annika Dreier, Logopädin des SPZ<br />

Im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ)<br />

Celle werden <strong>im</strong>mer wieder Kinder<br />

vorgestellt, die gar nicht oder nur mit<br />

wenigen <strong>aus</strong>gewählten Menschen<br />

sprechen.<br />

Bei allen Kindern wird zunächst geklärt,<br />

ob ein echter (selektiver) Mutismus<br />

vorliegt, oder ob z. B. eine soziale<br />

Ängstlichkeit oder ein Stottern die<br />

Ursache <strong>für</strong> das Schweigen ist. Dazu<br />

untersucht ein interdisziplinäres Team<br />

<strong>aus</strong> Ärzten, Psychologen und Therapeuten<br />

jedes Kind <strong>aus</strong>führlich um<br />

festzustellen, welches Krankheitsbild<br />

bei ihm vorliegt. Anschließend behandeln<br />

wir die Kinder nach störungsspezifischen<br />

Konzepten, die sprach- und<br />

verhaltentherapeutische Ansätze enthalten.<br />

Dazu kommen eine intensive<br />

Elternberatung, begleitende Elternbzw.<br />

Familiengespräche und eine enge<br />

Kooperation mit dem institutionellen<br />

Umfeld der Betroffenen (Kindergarten,<br />

Schule, Ausbildungsbetrieb, Jugendamt).<br />

Bei der Behandlung eines echten<br />

Mutismus bevorzugen wir direktive,<br />

verbale Behandlungsansätze, die von<br />

Beginn an am Sprechen ansetzen.<br />

Wir berichten hier über ein Kind, bei<br />

dem sich hinter dem Schweigen eine<br />

unerkannte Sprechstörung, nämlich<br />

ein Stottern, verbarg.<br />

Anna (5J.) kam zu uns mit der Verdachtsdiagnose<br />

Mutismus. Sie sprach<br />

nur mit ihren engsten Familienangehörigen.<br />

Sowohl <strong>im</strong> Kindergarten als<br />

auch <strong>im</strong> sozialen Umfeld schwieg sie.<br />

Anna verständigte sich <strong>im</strong> Kindergarten<br />

oder gegenüber Unbekannten <strong>aus</strong>schließlich<br />

mittels Blickkontakt, M<strong>im</strong>ik<br />

oder Gesten. Bei der ersten Untersuchung<br />

<strong>im</strong> SPZ schien der Verdacht auf<br />

einen Mutismus zunächst bestätigt.<br />

In der folgenden logopädischen Untersuchung<br />

schwieg das Mädchen<br />

zunächst auch, wurde dann aber von<br />

einem landenden Rettungshubschraubers<br />

<strong>aus</strong> der Reserve gelockt und<br />

sprach plötzlich spontan, wobei deutliche<br />

Stottersymptome auffielen. Erst<br />

nach diesem schönen Zufall und einer<br />

anschließenden genauen Diagnostik<br />

kam somit eine Sprachentwicklungsstörung<br />

mit deutlichen Stottersymptomen<br />

mit Silbenwiederholungen zum<br />

Vorschein („Da ist ja ein Hu-hu-hu-hu-<br />

Hubschrauber!“).<br />

Mittels psychologischer Untersuchungen<br />

konnte eine Störung der Interaktion<br />

oder eine soziale Ängstlichkeit<br />

<strong>aus</strong>geschlossen werden und dann<br />

eine logopädische Therapie eingeleitet<br />

werden. In der logopädischen Sprechstunde<br />

werden wie in Annas Fall die<br />

Stottersymptome genau nach Qualität<br />

und Quantität (möglichst mit Videoaufnahme)<br />

analysiert. Stottersymptome<br />

können von physiologischen<br />

Unflüssigkeiten, die in der Sprachentwicklung<br />

häufig vorkommen, gut<br />

unterschieden werden. Be<strong>im</strong> Stottern<br />

„zerbricht das Wort“, d. h. es werden<br />

nicht mehr ganze Wörter wiederholt,<br />

wie „Mama, Mama, Mama, ich wollte<br />

wollte gestern…“, sondern es treten<br />

Blockaden oder Dehnungen auf oder<br />

das Wort zerbricht in Silben, wie bei<br />

„ha-ha-ha-ha-hast du…?“.<br />

In den Theorien bzgl. der Entstehung<br />

von Stottern geht man davon <strong>aus</strong>, dass<br />

es bei diesen Kindern ein Ungleichgewicht<br />

zwischen den Fähigkeiten und<br />

den von ihnen wahrgenommenen Anforderungen<br />

an sie gibt. Oftmals sind<br />

stotternde Kinder eher Kinder, die alles<br />

sehr gut machen wollen und sich<br />

selbst einem best<strong>im</strong>mten Druck <strong>aus</strong>setzen.<br />

Das erklärt auch, warum manche<br />

Kinder mit schweren Sprachentwicklungsstörungen<br />

als Folge dieser<br />

Störung ein Stottern zeigen und warum<br />

Annika Dreier, Logopädin <strong>im</strong> SPZ,<br />

während einer Therapiestunde<br />

die genaue Differentialdiagnostik wie<br />

in dem obigen Fall so wichtig ist. Meistens<br />

können durch die logopädische<br />

Therapie die Stottersymptome deutlich<br />

abgeschwächt werden, so dass<br />

sie die Kinder <strong>im</strong> Alltag kaum stören.<br />

Eine vollständige Heilung kann jedoch<br />

nicht <strong>im</strong>mer das Ziel sein. Methoden,<br />

die sich gut bewährt haben sind dabei<br />

Mini-KIDS, KIDS, die Arbeit nach van<br />

Riper und das <strong>aus</strong>tralische Camperdown-Programm<br />

(<strong>für</strong> Jugendliche).<br />

In Annas Fall hat sich die Stottersymptomatik<br />

nach 30 Therapieeinheiten<br />

deutlich verbessert und auch<br />

das Sprechen mit ihr unbekannten<br />

Personen gelingt ihr jetzt ohne große<br />

Schwierigkeiten. Ein schüchternes<br />

Mädchen, das auch an sich selbst<br />

hohe Anforderungen stellt, ist sie jedoch<br />

weiterhin.<br />

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