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Interview mit Jan Bosse - Bayerische Staatsoper

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ist quasi Titos Thron. Ich habe ja nur diese paar<br />

Figuren, die ein kleines gesellschaftliches System in<br />

sich sind. Und zu diesem gehört natürlich auch der<br />

Chor, aber eben auch das Orchester, das ist ja Titos<br />

Staatsorchester. Herauszufinden, wie man das konzeptionell<br />

und sinnlich auf die Bühne bringt, wird<br />

Teil unseres hoffentlich spannenden Probenprozesses.<br />

Ich bin vielleicht genauso fremd in der Oper<br />

wie Sie, ich bin ja eigentlich noch ein Opernanfänger.<br />

Aber ich hoffe, dass mir diese Fremdheit eher<br />

nutzt, einen kritischen Blick darauf zu behalten,<br />

wie man das Machtsystem ästhetisch darstellen<br />

kann, da<strong>mit</strong> Tito das in seiner Jovialität dann wiederum<br />

unterlaufen kann.<br />

Ich finde es wichtig zu erzählen, dass Tito ein<br />

volksnaher und jovialer Typ ist, dass er eher über<br />

Understatement arbeitet. Trotz seiner groß inszenierten<br />

Auftritte. Ich stelle mir das so vor: Erst<br />

kommt diese repräsentative Ouvertüre, und man<br />

denkt, es müsste darauf die erste große Kaiserarie<br />

folgen; aber Tito singt erst einmal gar nicht, sondern<br />

begrüßt alle und setzt sich zu den Zuschauern<br />

oder zu seinen Musikern. Und wir erfahren über ihn<br />

etwas durch seine Widersacher. Die Herrschaftsmechanismen<br />

kommen sozusagen eher durch die Hintertüren.<br />

Wir müssen bei den Proben alles tun, um<br />

diese Ambivalenz einzufangen zwischen Willkür,<br />

Demonstration und ernsthaftem Herrschaftskonzept.<br />

Eher sind die Reaktionen der anderen das,<br />

was die Macht produziert, und nicht die tatsächliche<br />

eiserne Faust.<br />

AN Genau, denn der Mächtige ist von denen abhängig,<br />

über die er die Macht ausübt. Das Maß der Macht ist das<br />

Tun der Beherrschten, deshalb kann sich der Mächtige<br />

auch so schnell lächerlich machen, wenn er bloßgestellt<br />

wird – und deshalb neigt unsichere Macht auch zur Gewalt,<br />

weil sie dann selbst dafür sorgen kann, dass der Beherrschte<br />

tut wie ihm geheißen. Das bedeutet aber, dass<br />

ein Herrscher, der auf Herrschaftssymbole verzichtet und<br />

die Macht<strong>mit</strong>tel nicht zeigt, besonders fest im Sattel sitzt.<br />

Das kann man sich nur erlauben, wenn die Dinge besonders<br />

gut funktionieren, und wenn man sicher sein kann,<br />

dass Gefolgschaft tatsächlich funktioniert. Titos erster<br />

Auftritt weist also bereits auf den späteren Verzicht auf<br />

Gewalt hin – was in beiden Fällen gerade im Verzicht auf<br />

äußere Macht<strong>mit</strong>tel ein Zeichen großer Macht ist. Und<br />

das ist eine Parabel auf die moderne Demokratie, die<br />

üblicherweise darauf verzichtet, die Mittel zu zeigen. Deshalb<br />

wundern wir uns immer, dass auch die moderne Demokratie<br />

auf der Möglichkeit von Gewaltanwendung aufgebaut<br />

ist – im potentialis, nicht im realis – also der<br />

Möglichkeit einer Gewaltanwendung, aber eben nicht<br />

mehr unter allen Umständen.<br />

Der Regisseur <strong>Jan</strong> <strong>Bosse</strong> wurde nach seinem Studium<br />

an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst<br />

„Ernst Busch“ 1998 von Dieter Dorn für die Münchner<br />

Kammerspiele engagiert. Im Jahr 2000 ging er für fünf<br />

Jahre als Hausregisseur ans Schauspielhaus Hamburg.<br />

Von 2007 bis 2013 war er Hausregisseur am Maxim<br />

Gorki Theater Berlin. Er inszeniert am Schauspielhaus<br />

Zürich und regelmäßig am Burgtheater in Wien,<br />

am Thalia Theater in Hamburg sowie am Schauspiel<br />

Stuttgart, zuletzt Szenen einer Ehe nach Ingmar Bergmans<br />

gleichnamigem Film. Seine Inszenierungen wurden<br />

mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen.<br />

Nach ersten Opernerfahrungen am Theater Basel, an<br />

der Oper Frankfurt und an der Deutschen Oper Berlin<br />

<strong>mit</strong> Monteverdis L’Orfeo, Cavallis La Calisto und<br />

Verdis Rigoletto inszeniert er an der <strong>Bayerische</strong>n<br />

<strong>Staatsoper</strong> Mozarts La clemenza di Tito.<br />

Armin Nassehi ist Inhaber des Lehrstuhls I für Soziologie<br />

an der Ludwig-Maximilians-Universität München.<br />

Als Wissenschaftler forscht er darüber, wie in<br />

komplexen Situationen Entscheidungen generiert<br />

werden und wie unterschiedliche Perspektiven der<br />

Gesellschaft in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien<br />

und Kultur aufeinander treffen. Vor seiner Berufung<br />

1998 war er Privatdozent an der Universität<br />

Münster, wo er zuvor auch studiert, promoviert und<br />

sich habilitiert hatte. Seit 2001 ist Armin Nassehi, der<br />

in Gelsenkirchen, Bayern und Teheran aufwuchs,<br />

auch als Redner und Berater in Wirtschaft und Kultur<br />

tätig. Im Sommer 2010 verpflichtete ihn der Fernsehsender<br />

BR-alpha für eine Sendereihe, die sich <strong>mit</strong><br />

zentralen Fragestellungen unserer Gesellschaft befasst.<br />

Seit 2012 ist Nassehi Herausgeber der Zeitschrift<br />

Kursbuch.<br />

La clemenza di Tito<br />

Opera seria in zwei Akten<br />

Von Wolfgang Amadeus Mozart<br />

Premiere am Montag, 10. Februar 2014,<br />

Nationaltheater<br />

STAATSOPER.TV: Live-Stream der Vorstellung auf<br />

www.staatsoper.de/tv am Samstag, 15. Februar 2014<br />

Weitere Termine im Spielplan ab S. 88<br />

Auf den ersten Blick ein Klassiker.<br />

Auf den zweiten Blick sogar noch mehr.<br />

Der klassische Charakter der 1815 Rattrapante Ewiger Kalender lässt<br />

sich auf den ersten Blick erkennen. Die Eisenbahn-Minuterie und die arabischen<br />

Zifern sind von den früheren Taschenuhren von A. Lange & Söhne<br />

inspiriert. Bei genauer Betrachtung des Manufakturkalibers L101.1<br />

offenbaren sich die klassisch konstruierten Mechanismen des ewigen<br />

Kalenders und des Chronograph-Rattrapante. Mit ihren anspruchs vollen,<br />

traditionell umgesetzten Komplikationen ist die Uhr eine Hommage<br />

an die Leistungen Ferdinand A. Langes. www.alange-soehne.com<br />

20<br />

Wir laden Sie herzlich ein unsere Kollektion in der neuen A. Lange & Söhne Boutique München zu entdecken:<br />

Perusastraße 3 · 80333 München · Tel. 089 255 44 780

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