Insofern ist Der Glanz des Tages (2012) der bis dato vielleicht selbstreferenziellste Film des Paars. Zumindest verhandelt er am explizitesten die Frage, wo denn das Spiel aufhört und der „wahre“ Moment beginnt. Es ist auch im Fall von Der Glanz des Tages ziemlich unzureichend, dem Geschehen auf der Leinwand mit einer Synopsis, mit „Handlung“ beikommen zu wollen, aber: Hier ein gelernter Schauspieler (Hochmair), da ein Selbst-Darsteller (Saabel)... aber halt, ist es nicht umgekehrt? Wer macht hier was wem wie vor? Geht das Spiel, das auf der Bühne Texten und Regiekonzepten folgt, später in der Garderobe weiter, und wie schreibt sich dann der Text, wer führt Regie? Covi: „Was uns an der Schaustellerei und der Schauspielerei fasziniert, ist die Tatsache, dass auf der Bühne immer alles anders ist als hinter der Bühne. Lässt sich das auch aufs normale Leben umlegen? Man gibt vor, etwas zu sein, was man in Wirklichkeit nicht ist. Diese Diskrepanz, dieses Hinter-die-Kulissen-Schauen hat uns bei allen Arbeiten interessiert: Bei Menschen, die auf der Bühne etwas ganz anderes darstellen, oder bei Leuten, die in der Zirkusmanege stehen, und in gewisser Weise hat es bei jedem Menschen seine Gültigkeit.“ Ein zweites Schlüsselbild <strong>für</strong> die Arbeit von Tizza Covi und Rainer Frimmel: Zwei Männer in einem Passfotoautomaten. Sie versuchen, unter einem Zeitdruck, den ihnen die altmodische Apparatur auferlegt, ein passendes/richtiges Bild von sich und ihrer Beziehung zueinander zu machen. Einen Passfotoautomaten gibt es übrigens auch in La Pivellina, aber man würde fast zu schwerfällig in der Beschreibung solcher Momente, wenn man die feinen Fäden, die sich durch diese und zwischen diesen Filmen wie von selbst verweben, zu dramatisch ausstellt. Es sind antidramatische, antipathetische Filme, obwohl, wenn man sich etwa das bewegte Leben des ehemaligen Bärendompteurs Walter Saabel anhört, durchaus Anlass zu biblischer Wucht gegeben sein könnte. Seit Babooska ist Saabel einer der prägenden Charaktere im Kino von Tizza Covi und Rainer Frimmel, und dass er da<strong>für</strong> auch einmal in Locarno ausgezeichnet wurde, ist <strong>für</strong> ihn und die Filmemacher und uns alle zwar wunderbar, aber letztlich erzählt es mehr über die Sehnsüchte der Filmindustrie als über „Erfolg“. „Erfolg ist ja auch langweilig“, hieß es kürzlich im Standard anlässlich eines Interviews mit den Coen Brothers zu Inside Llewyn Davis. Das passt auch gut zur Arbeit von Covi und Frimmel. Weil wir jetzt wieder bei den Preisen sind: Man kommt in diesem Rahmen hier dennoch schwerlich herum, die zahllosen Auszeichnungen und Festivaleinladungen zu erwähnen, die die Filme von Covi und Frimmel schon erhalten haben. Allein La Pivellina brachte es auf über 30 internationale Preise und wurde zu 120 Festivals eingeladen. Man kann so etwas einmal mehr unter „österreichisches Filmwunder“ verbuchen, aber das wirklich Erstaunliche ist – einmal mehr – die Diskrepanz zwischen dem „Erfolg“, richtiger: die internationale Wirkkraft, die diese Filme haben, und den vergleichsweise kärglichen Mitteln, mit denen sie von heimischer öffentlicher Hand ausgestattet werden. In diesem Fall aus dem Topf der sogenannten „kleinen“ Filmförderung des BMUKK, die sich seit Jahrzehnten um das Gros der wesentlichen Filmkunstwerke in diesem Land verdient macht und ohne die die Arbeit von Tizza Covi und Rainer Frimmel so, wie sie diese Arbeit anlegen, schlicht unmöglich wäre. Im Prinzip verstoßen die beiden ja gegen jede Regel der obligaten Projekteinreichungen und Produktionsregulative.
Filmstill Der Glanz des Tages © Vento Film Zitieren wir ein letztes Mal die Filmemacher: „Mit einem voll ausgeschriebenen Drehbuch hätten wir vielleicht während des Drehs weniger Probleme. Das Resultat muss aber nicht unbedingt besser sein. Deshalb arbeiten wir auch weiterhin zu zweit und maximal mit einem Tonmann. Das gibt uns die Freiheit auszuprobieren und wenn es sein muss zu scheitern. Für uns ist es ein großes Glück, dass es die Förderung durch das BMUKK, die Innovative Film gibt, die Projekte in dieser Größenordnung ermöglicht.“ Dem könnte man hinzufügen: Für ein heimisches Kino der kleinen Größenordnungen wäre es derzeit die größte Auszeichnung, wenn man die „kleine“ Filmförderung ein ganz klein wenig aufstockt. 33
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