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START-Preisträger 2013<br />

PAOLO SARTORI<br />

DER BLICK DES ARCHIVS. DOKUMENTIEREN UND REGIEREN IM<br />

ISLAMISCHEN MITTELASIEN<br />

Zahlreiche Archivbestände aus der islamischen Welt sind gesammelt und herausgegeben worden,<br />

aber ihre Aufarbeitung in Hinblick auf größere historische Fragestellungen steht noch ganz am<br />

Anfang. Dieses Projekt hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Motivationen zu untersuchen, die der<br />

Produktion und Aufbewahrung von Dokumenten in einem islamischen Gemeinwesen zugrunde<br />

liegen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurde anstelle eines auf die Gewinnung von<br />

Einzeldaten zielenden („extrahierenden“) Ansatzes ein „holistischer“ Zugang zu Textkorpora<br />

gewählt.<br />

Als Untersuchungsgegenstand wurde eine der reichsten Sammlungen von Dokumenten in<br />

arabischer Schrift im islamisch geprägten Zentralasien gewählt: Das Archiv der Kanzlei der<br />

Qunghrat-Dynastie in Khiva im 19. Jahrhundert. Folgende Überlegungen haben zu dieser Wahl<br />

geführt: Die bekannten mittelalterlichen islamischen Dokumentensammlungen sind nur<br />

fragmentarisch erhalten; die Osmanischen Archive hingegen sind viel zu umfangreich für einen<br />

holistischen Zugang. Die Bestände jedoch, die die Tätigkeit der Qunghrat-Kanzlei repräsentieren,<br />

haben mit ihren 10.158 Blatt einen Umfang, der durch ein Team erfahrener Wissenschaftler als<br />

Ganzes bearbeitet werden kann. Dazu kommt, dass die potentielle Bedeutung dieses Archivs für die<br />

historische Forschung seit langem in der Wissenschaft bemerkt worden ist.<br />

Dieses Projekt beruht auf einem hermeneutischen Zugang zu Dokumenten. Damit ist gemeint, dass<br />

ich jeglichen Text als eine sprachliche Strategie auffasse, die Personen oder Personengruppen<br />

spezifische Handlungsmöglichkeiten bereitstellt. Dokumente werden also nicht einfach nach der<br />

traditionellen Taxonomie der Diplomatik kategorisiert.<br />

Das Projekt untersucht zwar eine Kultur der Dokumentation, die in einer Region der islamischem<br />

Welt (im zentralasiatischen Khorezm) entwickelt wurde, aber es soll nicht zu einer essentialistischen<br />

Auffassung von einer „islamischen Kultur der Dokumentation“ führen. Im Gegenteil ist beabsichtigt,<br />

die konventionellen Interpretationen bezüglich eines islamischen „Archivdenkens“ kritisch zu<br />

hinterfragen. Die Frage nach den Absichten hinter der Produktion und Bewahrung aller Texte in der<br />

Kanzlei von Khiva führt uns zur Erforschung ihrer möglichen Nutzungen.<br />

Nur wenn wir Erkenntnisse über die Beweggründe gewinnen, die dem Entstehen des Archivs von<br />

Khiva zugrunde liegen, können wir hoffen zu verstehen, wie mit dem sachlichen Gehalt dieser<br />

Archivdokumente umgegangen wurde. Erst dieser Zugang wird uns ein Lesungen der Texte<br />

ermöglichen, die sie für eine zielführende und ertragreiche historische Auswertung erschließen.

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