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Jahresbericht - Öffentlicher Gesundheitsdienst

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Einblicke in die Arbeit – kurz zusammengefasst 19<br />

Herausforderung Infraschall<br />

Snezana Jovanovic, Ref. 96<br />

Insgesamt ist festzuhalten, dass nach derzeitiger wissenschaftlicher<br />

Datenlage tieffrequenter Schall, insbesondere<br />

Infraschall unter gesundheitlichen Aspekten,<br />

nur unbefriedigend bewertet werden kann. Hier sieht<br />

das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />

(LGA) dringenden Handlungs- und Forschungsbedarf.<br />

Einflüsse durch tieffrequenten Schall, insbesondere<br />

durch Infraschall auf die menschliche Gesundheit,<br />

stellen nach wie vor ein viel diskutiertes Thema dar. Im<br />

Vergleich zum normalen Hörbereich liegen nur wenige<br />

gesicherte Erkenntnisse über Wirkungen von tieffrequentem<br />

Schall vor. Als Infraschall bezeichnet man<br />

Luftschallwellen unterhalb des menschlichen Hörbereiches.<br />

Infraschall liegt definitionsgemäß zwischen 0,1<br />

und 20 Hz, tieffrequenter Schall unterhalb von 100 Hz.<br />

Die Kommission „Methoden und Qualitätssicherung<br />

in der Umweltmedizin“ am Robert Koch-Institut rät<br />

aus umweltmedizinischer Perspektive, Infraschall und<br />

tieffrequenten Hörschall gemeinsam zu betrachten.<br />

Tieffrequenter Lärm wird beispielsweise durch folgende<br />

Quellen am Arbeitsplatz oder im Privatbereich<br />

verursacht: Anlagen der Schwerindustrie, Hochspannungsleitungen,<br />

Transformatorenstationen, Pumpen,<br />

Schienenfahrzeuge, Windkraftanlagen, Heizungsund<br />

Klimaanlagen, Waschmaschinen, dezentrale<br />

Heizkraftwerke.<br />

Der aktuelle Stand des Wissens zur oben genannten<br />

Frage lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:<br />

Besonderheiten bei der Ausbreitung<br />

Aufgrund der Schallwellenlänge zeigen herkömmliche<br />

Absorptions- oder Dämmungsmaßnahmen kaum<br />

Wirkung. Durch zwei Besonderheiten (Resonanzen<br />

in Räumen und Interferenz in Gebäuden und auch<br />

außerhalb) treten Belästigungen durch tieffrequente<br />

Geräusche meist im Innern von Gebäuden auf.<br />

Messverfahren<br />

Die repräsentative Messung der tieffrequenten<br />

Lärmbelästigung ist schwierig, da sie zeitlich stark<br />

schwanken kann und zudem häufig in Kombination<br />

mit tieffrequenten Schwingungen anzutreffen ist. Die<br />

Beurteilung tieffrequenter Geräusche erfolgt im Allgemeinen<br />

nach der DIN 45680 (Differenzbildungen unterschiedlicher<br />

Pegelbewertungen und die Betrachtung<br />

der Terzpegel unterhalb von 100 Hz). Diese Beurteilung<br />

ist allerdings nicht ausreichend. Einerseits bleiben<br />

damit Pegelfluktuationen und zeitliche Muster im<br />

tieffrequenten Bereich bezogen auf die Störwirkung<br />

von Geräuschen weitestgehend unberücksichtigt. Kritisch<br />

anzumerken ist, dass Schallpegelmessungen<br />

mit dem A-Bewertungsfilter durchgeführt werden und<br />

nach diesem Messverfahren die Empfindlichkeit bei<br />

tieffrequenten Emissionen unterschätzt wird.<br />

Gesundheitliche Wirkung: Aurale Wirkungen<br />

Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse über ausschließlich<br />

durch tieffrequenten Schall verursachte<br />

Gehörschäden vor. Es gibt Hinweise, dass Langzeitexpositionen<br />

gegenüber tieffrequentem Schall mit<br />

sehr hohem Schalldruck Hörverluste verursachen<br />

können. Der Sensor „Ohr“ scheint gegenüber tieffrequentem<br />

Schall weitaus empfindlicher zu sein als<br />

bisher angenommen. Auch unterhalb der Hörschwelle<br />

kann bei empfindlichen Menschen eine Empfindung<br />

ausgelöst werden.<br />

Gesundheitliche Wirkung: Extraaurale<br />

Wirkungen<br />

In Folge anhaltender Exposition von tieffrequenten<br />

Geräuschen, die zu biomechanischen Schwingungen<br />

führen, sind folgende gesundheitliche Auswirkungen in<br />

verschiedenen Studien dokumentiert: Belästigung, permanentes<br />

Druckgefühl, Übelkeit, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten,<br />

Schlafstörungen, Kopfschmerzen,<br />

Beeinträchtigung der Atmung, statische und dynamische<br />

Muskelkontraktionen (Verspannungen).<br />

Welche Rolle der Belastung beim Entstehen von<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen zukommt, konnte bisher<br />

nicht eindeutig beantwortet werden. Bei chronisch<br />

starker Belastung kann ein circulus vitiosus ausgelöst<br />

werden mit der Abfolge: starke Belastung – negativ<br />

emotionelle Reaktion – neuro-vegetativ-hormonelle<br />

Regulationsstörungen – Krankheit. Im Regelfall stellt<br />

die Belastung jedoch eine Umweltwirkungskategorie<br />

sui generis dar, die durch einen Verlust an Lebensqualität<br />

gekennzeichnet ist. Verkehrslärmbedingte<br />

Belastung und Erkrankungsrisiko wurden im Rahmen<br />

der Paneuropäischen LARES-Studie abgeschätzt.<br />

Die gesundheitlichen Auswirkungen von chronischer<br />

Verkehrslärmbelästigung wurden anhand der Periodenprävalenz<br />

(ärztliche Behandlung in den letzten<br />

zwölf Monaten) ausgewertet und ließ z. B. für Bluthochdruck<br />

signifikant erhöhte Risiken im Sinne einer<br />

Dosis-Wirkung-Beziehung erkennen.<br />

Insgesamt ist festzuhalten, dass nach derzeitiger<br />

wissenschaftlicher Datenlage tieffrequenter Schall,<br />

insbesondere Infraschall unter gesundheitlichen Aspekten<br />

nur unbefriedigend bewertet werden kann. Hier<br />

sieht das LGA dringenden Handlungs- und Forschungsbedarf.<br />

„‘No evidence of harm’ has often been often<br />

misinterpreted to mean ‘evidence of no harm’ when<br />

the relevant research was not available.” (EEA Report<br />

No 1/2013).<br />

Analyse<br />

Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg / <strong>Jahresbericht</strong> 2012

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