Jahresbericht - Öffentlicher Gesundheitsdienst
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Einblicke in die Arbeit – kurz zusammengefasst<br />
Bewegungsförderung und Stadtplanung<br />
Bettina Huesmann, Ref. 94<br />
Prävention<br />
Die Gestaltung der Städte und Gemeinden hat einen<br />
entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß der<br />
körperlichen Aktivität und der Gesundheit von Menschen<br />
in jedem Alter.<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts war in Städten und<br />
Gemeinden das zentrale gesundheitliche Thema die<br />
Verhinderung von Ausbrüchen infektiöser Krankheiten.<br />
Ein gemeinsames Ziel der Stadtplanung und des Öffentlichen<br />
<strong>Gesundheitsdienst</strong>es war das Erreichen<br />
bestmöglicher Hygiene. Mitte des 20. Jahrhunderts<br />
stand der Hygieneaspekt nicht mehr im Vordergrund<br />
und ein Auseinanderdriften der beiden Professionen<br />
konnte beobachtet werden. Die Stadtplanung war<br />
sehr funktionalistisch geprägt und setzte die Schwerpunkte<br />
auf eine autogerechte Stadt, die Stadterweiterung<br />
und beispielsweise die Zersiedelung. Erst in<br />
den letzten Jahren wurde zunehmend erkannt, dass<br />
die Stadtplanung u. a. einen nachhaltigen Beitrag<br />
zur Schaffung von gesunder und somit lebenswerter<br />
Umwelt leisten und die Möglichkeiten für einen aktiven<br />
Lebensstil geben kann (Schmidt & Tran 2012).<br />
„If you plan cities for cars and traffic, you get cars<br />
and traffic. If you plan for people and places, you get<br />
people and places.” (Fred Kent). Neben dem sozialen<br />
Umfeld, persönlichen Faktoren,<br />
individuellen Fähigkeiten und<br />
der Motivation jedes Einzelnen<br />
ist die bauliche und natürliche<br />
Umwelt mit entscheidend dafür,<br />
ob sich Menschen im Alltag<br />
mehr bewegen.<br />
Zur Ermittlung einer bewegungsförderlich<br />
gestalteten Umwelt<br />
kann der walkability index<br />
eingesetzt werden. Dieser setzt<br />
sich aus folgenden „4 D´s“ zusammen:<br />
Diversity, Density,<br />
Design, Destination. Ein gelungener<br />
Mix aus Wohnhäusern und<br />
Geschäften sowie eine geringe<br />
Entfernung und der Zugang zu<br />
wichtigen Zielpunkten des täglichen<br />
Bedarfs, der Freizeitgestaltung<br />
und Erholungsmöglichkeiten<br />
kann das Zufußgehen fördern.<br />
Ein gehfreundliches Umfeld wird vor allem auch<br />
durch eine optimale Vernetzung der Straßen sowie<br />
eine gute Fuß- und Radweginfrastruktur (Trennung<br />
von Fuß- und Radwegen) erreicht. Hierzu gehört auch<br />
eine gute Erreichbarkeit zu Haltestellen des ÖPNV<br />
(sei es von der Wohnung oder dem Arbeitsort aus)<br />
und eine attraktive Gestaltung öffentlicher Räume<br />
(Grünflächen, Spielplätze). Nicht zuletzt entscheidet<br />
auch die persönliche und verkehrsbezogene Sicherheit<br />
darüber, ob man Wege zu Fuß geht oder<br />
mit dem Fahrrad fährt. Darüber hinaus ermöglichen<br />
verkehrsberuhigte Straßen, sichere Straßenübergänge<br />
mit langen Ampelgrünphasen, eine ausreichende<br />
Beleuchtung sowie Sitzgelegenheiten entlang alltäglicher<br />
Bewegungsrouten ein selbstständiges und Bewegung<br />
förderndes Leben älterer Menschen (Frank &<br />
Kavage 2009; Wallmann 2012).<br />
Bewegungsangebote im öffentlichen Raum (z. B.<br />
Parks) erhöhen die Attraktivität der Städte und Gemeinden;<br />
sie haben eine hohe sozial- und strukturpolitische<br />
Bedeutung für einen Wohn- und Wirtschaftsstandort.<br />
Öffentliche Räume, die zur Gesunderhaltung<br />
beitragen sollen, müssen Aspekte für alle Alterklassen<br />
berücksichtigen. Es ist nach Chancen zu suchen,<br />
wie Anreize geschaffen werden können, damit z. B.<br />
Parks bestmöglich für alle genutzt werden. Hier eignen<br />
sich generationenübergreifende Angebote, die<br />
die vielfältigen Bewegungsformen berücksichtigen<br />
und die sich aus einer interkulturellen Gesellschaft<br />
entwickeln (Baumgarten 2012).<br />
Sämtliche attraktive, bewegungsförderliche<br />
(Um-)Gestaltungsmaßnahmen<br />
von Plätzen<br />
im öffentlichen Raum machen<br />
nur Sinn, wenn die Bewegungsmöglichkeiten<br />
angenommen<br />
wer den. Um dies zu erreichen,<br />
muss das Bewusstsein der Bevölkerung,<br />
sich im Alltag mehr<br />
zu bewegen, verbessert werden<br />
(Wallmann 2012). Auch bedarf<br />
es weiterer Forschung, um den<br />
tatsächlichen Wirkungsgrad<br />
bzw. Einfluss auf die gesundheitsfördernde<br />
Verhaltensweise<br />
herauszufinden.<br />
Aufgrund unterschiedlicher<br />
Interessen von Wirtschaft, Politik<br />
und Gesellschaft steht die<br />
Stadtplanung stets im Spannungsfeld<br />
konträrer Ansprüche.<br />
Eine effektive Zusammenarbeit auf lokaler Ebene zwischen<br />
Stadtplanung, Verkehr, Wohnbau, öffentlicher<br />
Gesundheit, Sozialdienste, Bildung, Sport, Politik und<br />
insbesondere auch die Beteiligung aller Bürger und<br />
Bürgerinnen ist erforderlich, um die Bewegungsmöglichkeiten<br />
im öffentlichen Raum zu fördern.<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg / <strong>Jahresbericht</strong> 2012