Untitled - Instytut KsiÄ Å¼ki
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19<br />
Ich<br />
will nicht behaupten, sie wären überhaupt nicht angestarrt<br />
worden, aber man nimmt die anderen doch nur sehr flüchtig<br />
wahr, meist nur die Kleidung, wenn nicht erotische Attraktionen<br />
vorliegen, vielleicht ist es aber auch ein Zauber, der sie unsichtbar macht,<br />
geriet ich ins Grübeln. Mir war der Unterschied gleich aufgefallen, noch bei<br />
mir im Treppenhaus – nicht das übliche, akustisch verstärkte Gelächter und<br />
Geschrei, stattdessen merkliche Konzentration, das Knistern neuer Kleider<br />
und das Knirschen verdorrter Gelenke. Ich hatte ein ganzes Heftchen mit<br />
Fahrscheinen gekauft, jeder wollte seinen selbst entwerten, neugierige Blicke<br />
aus dem Fenster, nichts Besonderes, ein Betreuer fährt mit einer Gruppe Teenie-Leichen<br />
spazieren.<br />
Das Arkadia hatte sie schwer beeindruckt, Rachel und David spielten<br />
Stammkundschaft und trugen die Nase höher als alle anderen. Rachel begrüßte<br />
Chirico übertrieben herzlich, um aller Welt zu zeigen, dass sie eine<br />
lebendige Freundin hat, noch dazu aus Fernost. Selbstverständlich packte sie<br />
alle der Kaufrausch, und ich musste eine Pro-Kopf-Deckelung einführen, ich<br />
konnte ja nicht jedem in Warschau ermordeten Bengel Klamotten und Technik<br />
finanzieren. „Ich geh noch in die Insolvenz wegen euch.“ Und ständig<br />
aufpassen, dass sie zusammen bleiben, dass keiner verloren geht, ich war völlig<br />
fertig.<br />
„Die machen Fotos von ihnen.“<br />
Bei meinen mühsamen Versuchen, die Ordnung in der Gruppe aufrecht zu<br />
erhalten, drang diese Information nicht gleich zu mir durch. Meine Kids hielten<br />
im Empik-Store alle CD-Hörstationen besetzt, manche wälzten Bücher,<br />
Alben, Papierkram, dauernd fiel etwas herunter oder kippte um und ich fühlte<br />
mich zuständig, außerdem vergoss der kleine Aron, der nur noch ein Auge hat,<br />
mit diesem einen Auge bittere Tränen und schluchzte herzzerreißend, weil er<br />
nebenan im Musikgeschäft eine Geige entdeckt hatte, die er jetzt unbedingt<br />
haben musste, ich durfte ihm nun auseinandersetzen, dass solche Sonderwünsche<br />
über mein Budget gingen. Erst im dritten oder vierten Anlauf erreichte<br />
Chirico, die an meinem Ärmel zerrte, mit ihrer Meldung mein Gehirn:<br />
„Die machen Fotos von ihnen.“<br />
Tatsächlich, grinsende Skinheads fotografierten meine Schützlinge. Da ruft<br />
mich Chuda an. Sie schlürft ihren Kaffee und lässt mich wissen, dass gerade<br />
die Ambulanz da war und den alten Kerl und die dicke Omi mitgenommen<br />
hat, jetzt ist es endlich schön still in der Wohnung.<br />
„Wer heult denn da so?“, fragt sie.<br />
„Aron will eine Geige“, antworte ich.<br />
„Dann sei doch nicht so, kauf sie ihm“, kriege ich zu hören. „Der arme Junge,<br />
das ist doch der ohne Auge, sei so gut, schenk ihm ein bisschen Wärme.“<br />
Jetzt platzt mir doch der Kragen:<br />
„Ich bin hier mit fünfzehn Leichen im Einkaufszentrum unterwegs!“, brülle<br />
ich, aber Chuda kommt nicht mehr dazu, sich davon beeindrucken zu lassen.<br />
„Es hat geklingelt“, sagt sie. „Ich ruf nachher nochmal durch.“<br />
die ganze Truppe, instinktiv, wie die Hunde der Katze. Chirico bekommt von<br />
mir das Fahrscheinheft und den Auftrag, die Gruppe geschlossen nach Hause<br />
zu bringen, in den Keller. Ich nehme die Verfolgung von Szymek und den<br />
anderen auf. Zehn Skins und zwei Wachleute, es sieht aus, als liefen sie alle vor<br />
mir davon, jetzt müsste ich mich nur noch kurz umziehen, das blaue Trikot<br />
mit dem rot-gelben „S“ auf der Brust und das knappe rote Mäntelchen um die<br />
Schultern, ich verstoße gegen meine heilige Nichteinmischungsdoktrin, bin<br />
gleich als Held mit blankem Hintern vor Ort, kassiere meine Tracht Prügel<br />
und gut ist es, klassisches romantisches Verhaltensmuster, ich sollte besser in<br />
ein leeres Haus rennen, zu Chuda, einen schönen Grüntee trinken, solange ich<br />
noch alle Zähne habe. Was macht schon ein totes Jüdlein mehr oder weniger<br />
– ich denke ganz nüchtern, laufe aber weiter, in Schweiß gebadet.<br />
Aus dem Polnischen von Thomas Weiler<br />
ZZ kontrollierte die Herztätigkeit, indem er einer Frau, die gerade jemanden<br />
zum Krankenwagen brachte, ungestraft in den Busen zwickte. Er glaubte<br />
sie zu kennen, wusste aber nicht mehr genau, woher. Aus Norwegen? Aber war<br />
ich denn in Norwegen gewesen? Bevor sie wegfuhr, ließ er sich Telefon und<br />
Adresse diktieren, sie diktierte anstandslos.<br />
Sie stiegen die Treppe hinauf. In der Wohnung war nur das Yoga-Mädchen.<br />
„Wo ist er?“, fragte ZZ und versuchte ihr unter den Rock zu fassen. Sie<br />
schüttelte ihn erschrocken ab. Unfähig etwas zu sagen, kreischte sie nur:<br />
„Hilfe!“<br />
Also wirkt das Artefakt bei ihr genauso wenig, wie bei ihrem Freund, dachte<br />
ZZ. Sie zogen die Tür hinter sich zu.<br />
„Das sind meine Kumpels, Bolo und Bandzioch, die werden dich liebend<br />
gerne durchpimpern.“<br />
Mist, ich will sie zusammentrommeln, kriege sie aber kaum los von ihren<br />
Kopfhörern, CDs, Comics und dem ganzen Kram, sie weinen, „ich hab noch<br />
fast nichts gehört, ich musste ja die ganze Zeit warten“ usw., ich bin schon<br />
ganz verschwitzt, jeder zweite heult laut, die Leute gucken schon, die Rechten<br />
knipsen mit ihren Fotohandys, zum Glück hilft Chirico mir ein bisschen.<br />
„Wir gehen jetzt, nichts wird gekauft, legt alles zurück in die Regale.“<br />
Die Skins lachen über die Tränen und über meine Panik, sie zeigen mir mit<br />
ihren Fäusten, was mich gleich erwartet. Als wir gehen, springt der Alarm an.<br />
Szymek rennt los, die Wachleute hinterher, dann folgen die Skins, zum Glück<br />
W.A.B., WARSZAWA 2012<br />
123 × 195, 256 PAGES<br />
ISBN: 978-83-7747-700-7<br />
TRANSLATION RIGHTS: W.A.B.