Untitled - Instytut KsiÄ Å¼ki
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8<br />
JOANNA BATOR<br />
JOANNA BATOR (GEB. 1968) IST PROSAISTIN,<br />
PUBLIZISTIN UND EHEMALIGE LEHRBEAUFTRAGTE<br />
AN DER UNIVERSITÄT WARSCHAU. SIE BEFASST<br />
SICH U.A. MIT FEMINISMUS, POSTMODERNE<br />
UND PSYCHOANALYSE. BISHER SIND DIE<br />
BEIDEN ROMANE SANDBERG UND WOLKENFERN<br />
ERSCHIENEN, DEREN HANDLUNG IN BATORS<br />
HEIMATSTADT WAŁBRZYCH SPIELT, SOWIE<br />
DER JAPANISCHE FÄCHER, EIN EXZELLENTES<br />
BUCH, DAS JEDER JAPANLIEBHABER GELESEN<br />
HABEN SOLLTE.<br />
Photo: Krzysztof Dubiel / The Polish Book Institute<br />
Dunkel, beinah Nacht<br />
Mit ihrem neuen Buch beweist Joanna Bator wieder einmal, dass sie eine der<br />
interessantesten polnischen Schriftstellerinnen der mittleren Generation<br />
ist. Dunkel, beinah Nacht entführt den Leser – ähnlich wie die hervorragend<br />
aufgenommenen Vorgängerromane Sandberg und Wolkenfern – auf eine Reise<br />
nach Wałbrzych in Schlesien. Diesmal ist es allerdings eine etwas düsterere<br />
Erkundungsfahrt. Zusammen mit der Protagonistin des Buches, der<br />
Zeitungsreporterin Alicja Tabor, erfährt der Leser die schmerzliche, bis in<br />
den Zweiten Weltkrieg zurückreichende Geschichte ihrer Familie und nahestehender<br />
Personen.<br />
Alicja fährt von Warschau in ihre Heimatstadt Wałbrzych, um einen Artikel<br />
über das geheimnisvolle Verschwinden dreier Kinder – Andżelika, Patryk<br />
und Kalinka – zu schreiben. Doch der Fall verbindet sich mit anderen, bislang<br />
unaufgeklärten Ereignissen: In der Stadt ist es zu einer Reihe von Fällen<br />
grausamer Tierquälerei gekommen, und selbsternannte Propheten sind<br />
am Werk. Alicja quartiert sich in dem alten, von den Deutschen erbauten<br />
Wohnhaus ihrer Kindheit ein und tritt mit den sich äußerst seltsam benehmenden<br />
Einwohnern der Stadt in Kontakt, um Material für die Reportage zu<br />
sammeln. Den verworrenen Geschichten entnimmt sie nach und nach die<br />
Wahrheit über sich selbst und ihre tragische Kindheit, auf die der Wahnsinn<br />
der Mutter und der Tod der Schwester, die von der Legende um Schloss Fürstenstein<br />
und seine schöne, von einem Bann belegte Bewohnerin Prinzessin<br />
Daisy fasziniert war, ihren Schatten warfen...<br />
Ähnlich wie in ihren bisherigen Büchern nutzt Bator auch hier die verschiedensten<br />
literarischen Gattungen, um daraus eine einzigartige Geschichte zu<br />
weben. Beherzt bedient sie sich der Konvention der Gothic Novel, aber auch<br />
des psychologischen und des Kriminalromans. Das Ergebnis dient jedoch<br />
nicht, wie man glauben könnte, der scherzhaften Parodierung literarischer<br />
Gattungen. Interessant ist nämlich, dass sich – auch wenn der Roman an die<br />
heute sehr zur humoristischen Lesart verleitende Schauerliteratur anknüpft<br />
– aus Dunkel, beinah Nacht eine ernsthafte Reflexion der Welt herauskristallisiert,<br />
einer Welt, durchdrungen vom Bösen (das hier den Phantasienamen<br />
der „Katzenfresser“ trägt), von historischem Leid, vom Wahnsinn und von<br />
der Tragödie derer, die diese Last ihrer Empfindsamkeit wegen nicht zu tragen<br />
imstande sind.<br />
Die Vergangenheit erweist sich als schwere, wenn nicht gar untragbare<br />
Bürde; die Geschichte wiederholt sich gern, schlafende Dämonen können<br />
jederzeit geweckt werden. Und irgendwo außerhalb dieser allgemeinen<br />
Reflexionen spielt sich schließlich auch noch die einsame Geschichte der<br />
Hauptfigur ab, die an der Unfähigkeit leidet, tiefere, zufriedenstellende Beziehungen<br />
mit anderen Menschen einzugehen. Bator beschreibt dies alles<br />
in einer Sprache, in der die stilistische Einfachheit dicht neben der Poesie<br />
liegt, die Legende sich mit der rauen Gegenwart verflicht. Ein interessantes,<br />
originelles Buch.<br />
Patrycja Pustkowiak