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atp edition Modellgestütztes Engineering (Vorschau)

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3 / 2014<br />

56. Jahrgang B3654<br />

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH<br />

Automatisierungstechnische Praxis<br />

<strong>Modellgestütztes</strong><br />

<strong>Engineering</strong> | 18<br />

Einsatz leitsystemintegrierter<br />

Prädiktivregler | 28<br />

Nichtlineare modellprädiktive<br />

Regelung auf SPS | 38<br />

Advanced Process Control in<br />

der industriellen Praxis | 48<br />

Regelgütemanagement | 56


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update


EDITORIAL<br />

Liebe Leser,<br />

Die Zusammenstellung der Artikel in diesem Heft, mit Beiträgen aus Industrie<br />

und Hochschule, zeigt sehr schön, dass Advanced Process Control<br />

schon lange nicht mehr nur ein Thema der Academia ist. Der Sprung vom<br />

Elfenbeinturm in die chemische Industrie ist schon vor Jahren gelungen und<br />

die Anwendungen leisten in Hinsicht auf Energie- und Ressourceneffizienz<br />

einen großen Wertbeitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer<br />

Unternehmen.<br />

Ein Erfolgsfaktor war dabei sicherlich, dass Advanced Process Control schon<br />

seit langem in der petrochemischen Industrie eingesetzt wird und Methoden<br />

und Vorgehensweisen auf die chemische Industrie so leicht übertragen werden<br />

konnten.<br />

Umso interessanter ist es, dass mit den Virtual-Plant-Simulatoren eine weitere<br />

Technologie, welche im Raffineriebereich schon lange etabliert ist, nun<br />

auch in der Spezialchemie an Bedeutung gewinnt.<br />

Ein Virtual-Plant-Simulator ist ein rigoroses dynamisches Modell einer Chemieanlage<br />

oder eines ganzen Verbundes, welches das Verhalten in Echtzeit<br />

oder schneller abbilden kann. Das Bedienen und Beobachten erfolgt dabei<br />

entweder über eine Stimulation oder eine Emulation eines Prozessleitsystems.<br />

Bei Evonik Industries starteten wir vor rund zehn Jahren damit Virtual-<br />

Plant-Simulatoren ausschließlich zum Training von Anlagenfahrern einzusetzen,<br />

um diese auf das Anfahren von Neuanlagen vorzubereiten. In den<br />

letzten Jahren hat sich das Anwendungsspektrum erweitert, um die rigorosen<br />

aber auch kostenintensiven Modelle besser nutzen zu können.<br />

Zum einen werden sie nun auch während des Planungsprozesses bei Investmentprojekten<br />

eingesetzt, um zum Beispiel Betriebsvorschriften oder Regelungskonzepte<br />

zu entwickeln und zu überprüfen. Selbstverständlich haben<br />

die Virtual-Plant-Simulatoren auch einen großen Nutzen beim Reglertuning<br />

und bei der Überprüfung der Prozessleitsystemkonfiguration vor dem Start-Up<br />

der Neuanlagen.<br />

Aber auch für den Betrieb von bestehenden Anlagen wächst das Einsatzfeld<br />

der Virtual-Plant-Simulatoren. Der höhere Automatisierungsgrad unserer Anlagen<br />

durch Advanced Process Control oder automatische An- und Abfahrprozeduren<br />

führt dazu, dass die Anlagenfahrer zunehmend entlastet werden<br />

und seltener situativ eingreifen müssen. Virtual-Plant-Simulatoren bieten hier<br />

eine exzellente Umgebung für die Anlagenfahrer, um den Betrieb bei ungewohnten<br />

und schwierigen Anlagenzuständen zu trainieren.<br />

Schließlich können sie auch eingesetzt werden, um lineare Mehrgrößenregler<br />

zu konfigurieren und so die Aufnahme von Sprungantworten an realen<br />

Anlagen zu reduzieren.<br />

Ich bin gespannt, wie die beiden Technologien, Advanced Process Control<br />

und Virtual-Plant-Simulatoren sich in Zukunft entwickeln werden – voneinander<br />

profitieren werden sie auf jeden Fall.<br />

DR. HANS-ROLF<br />

LAUSCH,<br />

Head of Computer Aided<br />

Process <strong>Engineering</strong><br />

& Automation<br />

Process Technology<br />

& <strong>Engineering</strong>,<br />

Evonik Industries AG<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

3


INHALT 3 / 2014<br />

FORSCHUNG<br />

6 | Plug and Work: Interaktion von Komponenten<br />

soll in Zukunft so einfach werden wie USB<br />

Call for <strong>atp</strong> experts: Energie- und Ressourceneffizienz<br />

7 | Roboter lernt mit Umgebungsreizen<br />

VERBAND<br />

8 | Industrie 4.0 stellt Forderungen bei Ausbildung,<br />

Arbeitsplatz und Informationssicherheit<br />

AALE-Konferenz vergibt zum 11. Mal den<br />

Student Award für Beste Abschlussarbeiten<br />

Nominierungen für Max-Buchner-Preis einreichen<br />

BRANCHE<br />

9 | Ingenieurmangel steigt um 10,6 Prozent<br />

NSA-Skandal lässt IT-Start-ups wachsen<br />

PRAXIS<br />

10 | System zur Erfassung von Maschinendaten<br />

erfolgreich bei Autozulieferer eingesetzt<br />

12 | Kamerasystem Safety Eye überwacht Abläufe<br />

im Überseeversand bei Opel Wien<br />

14 | Industrielle Differenztemperaturregelung<br />

ermöglicht Betriebsmittel einzusparen<br />

4<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


HAUPTBEITRÄGE<br />

18 | <strong>Modellgestütztes</strong> <strong>Engineering</strong><br />

L. CHRISTIANSEN, M. HOERNICKE UND A. FAY<br />

Produkte,<br />

Systeme<br />

und Service<br />

für die<br />

Prozessindustrie?<br />

Natürlich.<br />

28 | Einsatz leitsystemintegrierter<br />

Prädiktivregler<br />

B.-M. PFEIFFER, H. GRIEB, O. LORENZ,<br />

D. LOSERT UND D. SACK<br />

38 | Nichtlineare modellprädiktive<br />

Regelung auf SPS<br />

B. KÄPERNICK UND K. GRAICHEN<br />

48 | Advanced Process Control<br />

in der industriellen Praxis<br />

A. BRUNBERG, B. SCHRAMM, M. KAWOHL<br />

UND U. PIECHOTTKA<br />

56 | Regelgütemanagement<br />

RUBRIKEN<br />

F. WOLFF UND S. KRÄMER<br />

3 | Editorial<br />

66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong><br />

Der PostionMaster EDP300 überzeugt<br />

durch hohe Luftleistung von 50 kg/h bei<br />

10 bar, Diagnosefähigkeit nach Namur<br />

und Überdruckfestigkeit. Mit den<br />

Zulassungen für den Betrieb in Ex-Zone 1<br />

und SIL2 ermöglicht der EDP300 eine<br />

hohe Anlagensicherheit. Durch die<br />

mechanische Stellungsanzeige ist<br />

die Erfassung der Ventilstellung auch<br />

ohne Stromversorgung möglich.<br />

Zuverlässiges Regelverhalten, Flexibilität<br />

und seine kompakte Bauform zeichnen<br />

den EDP300 aus.<br />

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neben dem umfassenden Portfolio<br />

für die Instrumentierung ebenso<br />

herausragende Produkte und<br />

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FORSCHUNG<br />

Plug and Work: Interaktion von Komponenten<br />

soll in Zukunft so einfach werden wie USB<br />

Die Idee hinter cyber-physischen System ist die automatische<br />

Interaktion von einzelnen Komponenten<br />

in Maschinen und Anlagen, ohne dass ein Ingenieur<br />

eingreift. Aber sicher, flexibel und zuverlässig müssen<br />

die Systeme sein. Mit einem Invest von rund 6 Millionen<br />

Euro ist nun das Projekt „Secure Plug and Work“ unter<br />

Beteiligung von mehr als zehn Projektpartnern gestartet.<br />

Eine Herausforderung der Industrie-4.0-IT-Architektur<br />

ist die Fähigkeit, sich an Änderungen anzupassen. Sei es,<br />

dass neue Anlagen oder Produktionsprozesse in das System<br />

eingebracht werden oder bestehende Produktionssysteme<br />

verändert werden, etwa weil eine Produktvariante zusätzlich<br />

gefertigt werden soll. Die Partner des Konsortiums<br />

bezeichnen diese Fähigkeit in Anlehnung an Wiendahl als<br />

Wandlungsfähige Informationstechnik, bezogen auf die<br />

physikalische Ebene und auf Software. Ähnlich dem USB-<br />

Standard bei PCs sollen Mechanismen der Selbstbeschreibung<br />

in Bezug auf Funktionalität, Identifizierung, Selbstaufbau<br />

der Kommunikation und geregeltem Datenaus-<br />

DAS ZIEL VON<br />

„PLUG AND WORK“<br />

ist die nahtlose<br />

Integration von<br />

Komponenten in den<br />

Maschinen- und Anlagenapparat,<br />

ähnlich wie<br />

mit der USB-Technik.<br />

Bild: Fraunhofer IOSB<br />

tausch genutzt werden, wenn neue Komponenten, Maschinen<br />

oder Anlagen in ein Produktionssystem eingebracht<br />

werden oder sich softwarerelevante Änderungen ergeben.<br />

Heutige IKT-Architekturen können darauf kaum reagieren:<br />

proprietäre Schnittstellen, nicht integrierte Einzelsysteme<br />

oder firmenspezifische Speziallösungen verhindern,<br />

dass mit IKT-Kapazität ausgerüstete Komponenten<br />

und Maschinen Mechanismen der Selbstkonfiguration<br />

und durchgängiges Datenmanagement nutzen.<br />

Hauptziel des Projekts „Plug and Work“ ist es, auf existierenden<br />

Standards basierende Methoden und Werkzeuge<br />

sowie Konzepte für Informations- und Softwarearchitekturen<br />

zu entwickeln, die eine durchgängige, konsistente<br />

und gesicherte Datenverarbeitung bei Änderungen<br />

in einer der beteiligten Hierarchieebenen der Fertigung<br />

an die anderen Teilnehmer der Fabrik ermöglichen. Der<br />

Zeitbedarf soll reduziert werden, in dem die Eigenschaften<br />

direkt auf der Komponente gespeichert werden und<br />

damit benötigte Information, parallel zur physischen Integration,<br />

über eine Schnittstelle direkt in der Steuerung<br />

zur Verfügung steht. Die Komponentenhersteller ermitteln<br />

vorab die hierzu benötigten Informationen und hinterlegen<br />

sie auf den Bauteilen. Durch die physische und informelle<br />

Integration wird eine Zeitersparnis von rund 20<br />

Prozent bei Erstinbetriebnahme, Instandhaltungstätigkeiten<br />

und Änderungen der Produktion möglich. (ahü)<br />

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR OPTRONIK,<br />

SYSTEMTECHNIK UND BILDAUSWERTUNG IOSB,<br />

Fraunhoferstraße 1, D-76131 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 609 10,<br />

Internet: www.secureplugandwork.de<br />

Call for <strong>atp</strong> experts: Energie- und Ressourceneffizienz<br />

AUFRUF ZUR BEITRAGSEINREICHUNG<br />

ATP EDITION 56(9) Energie- und Ressourceneffizienz<br />

in und durch Automatisierungstechnik<br />

ist ein vieldiskutiertes<br />

Thema – im Produktionsprozess, im Gebäude,<br />

bei Antrieben oder prozessnahen<br />

Komponenten. Wir laden Sie ein, Ihre<br />

praktischen Erfahrungen und Erfolge in<br />

aktuellen Effizienzprojekten und Ihre wissenschaftlich-technischen<br />

Lösungsansätze<br />

und Forschungsergebnisse in der Ausgabe<br />

56(9) der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> vorzustellen und<br />

zur Diskussion zu veröffentlichen.<br />

Idealerweise können wir durch Ihre Beiträge<br />

die gesamte Bandbreite des Themas<br />

darstellen – von der effektiven Potenzialanalyse,<br />

über innovative Lösungsansätze,<br />

Methoden und Technologien, bis zum nachhaltigen<br />

Betrieb von Ressourcenmanagementsystemen.<br />

Wir bitten Sie bis zum<br />

31.4.2014 zu diesem Themenschwerpunkt<br />

einen gemäß Autorenrichtlinien der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

ausgearbeiteten Hauptbeitrag per E-<br />

Mail an urbas@di-verlag.de einzureichen.<br />

Die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> ist die hochwertige Monatspublikation<br />

für Fach- und Führungskräfte<br />

der Automatisierungsbranche. In<br />

den Hauptbeiträgen werden Themen mit<br />

hohem wissenschaftlichen und technischen<br />

Anspruch vergleichsweise abstrakt<br />

dargestellt. Der Journalteil präsentiert<br />

praxisnahe Erfahrungen von Anwendern<br />

mit neuen Technologien, Prozessen<br />

oder Produkten. Alle Hauptbeiträge begutachtet<br />

das <strong>atp</strong>-Fachgremium. Sollten<br />

Sie sich selbst aktiv an dem Begutachtungsprozess<br />

beteiligen wollen, bitten wir<br />

um kurze Rückmeldung. Für weitere<br />

Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich<br />

gerne zur Verfügung.<br />

Redaktion <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

Leon Urbas, Anne Purschwitz,<br />

Aljona Hartstock<br />

CALL FOR<br />

Aufruf zur Beitragseinreichung<br />

Thema: Energie- und Ressourceneffizienz<br />

in und durch<br />

Automatisierungstechnik<br />

Kontakt: urbas@di-verlag.de<br />

Termin: 31. April 2014<br />

6<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Roboter lernt mit<br />

Umgebungsreizen<br />

WIE DIE HONIGBIENE lernt der Roboter, sich<br />

auf bestimmte Farben hin- und sich von anderen<br />

wegzubewegen. Bild: Freie Universität Berlin<br />

Forscher haben einen Roboter entwickelt, der Umgebungsreize<br />

wahrnehmen und lernen kann, auf<br />

sie zu reagieren. An dem Projekt beteiligt waren<br />

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, des<br />

Bernstein Fokus „Neuronale Grundlagen des Lernens“<br />

und des Bernstein Zentrums Berlin.<br />

Als Vorbild seines Funktionsprinzips diente den<br />

Forschern das Nervensystem von Honigbienen.<br />

Dazu installierten sie eine Kamera auf ein kleines<br />

Roboterfahrzeug und schlossen es an einen Computer<br />

an. Das Computerprogramm bildete vereinfacht<br />

das sensomotorische Netzwerk des Insektengehirns<br />

nach. Seine Eingangsdaten erhielt es von<br />

der Kamera, die – ähnlich einem Auge – visuelle<br />

Informationen aufnehmen und weiterleiten konnte.<br />

Das neuronale Netzwerk selbst trieb wiederum die<br />

Motoren der Roboterräder an und steuerte so seine<br />

Bewegungsrichtung.<br />

In dem Lernexperiment setzten die Wissenschaftler<br />

den netzwerkgesteuerten Roboter in die Mitte<br />

einer kleinen Arena. An deren Wänden waren rote<br />

und blaue Objekte angebracht. Sobald der Roboter<br />

mit seiner Kamera ein Objekt mit der gewünschten<br />

Farbe anvisiert hatte, lösten die Wissenschaftler ein<br />

Lichtsignal aus. Dieses Signal aktivierte eine sogenannte<br />

Belohnungs-Nervenzelle im künstlichen<br />

Netzwerk. Die Verarbeitung der roten Farbe mit der<br />

zeitgleichen Belohnung führte nun zu gezielten Veränderungen<br />

in dem Teil des Netzwerks, das die<br />

Kontrolle über die Roboterräder ausübte. Die Folge:<br />

„Sah“ der Roboter ein weiteres rotes Objekt, so bewegte<br />

er sich darauf zu. Blaue Gegenstände führten<br />

zu einem Rückzug.<br />

(aha)<br />

FREIE UNIVERSITÄT BERLIN,<br />

Kaiserswerther Str. 16-18,<br />

D-14195 Berlin,<br />

Tel. +49 (0) 30 83 81,<br />

Internet: www.fu-berlin.de


VERBAND<br />

Industrie 4.0 stellt Forderungen bei Ausbildung,<br />

Arbeitsplatz und Informationssicherheit<br />

Was Industrie 4.0 für den Standort Deutschland bedeutet,<br />

erläuterten unlängst Dipl.-Wirtsch.-Ing.<br />

Ralph Appel, VDI-Direktor, und Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen,<br />

Vorsitzender der VDI/VDE-Gesellschaft<br />

Mess- und Automatisierungstechnik auf der VDI-Tagung<br />

„Industrie 4.0“. „Das Neue: Die Ideen und Ziele<br />

zum Erfolg des Standorts Deutschland gemeinsam<br />

umzusetzen. Perspektiven für die Produktion in<br />

Deutschland und für heimische Ausrüster und Dienstleistungsanbieter<br />

werden sich ergeben“, so Bettenhausen.<br />

Aus Sicht des VDI wird die industrielle Welt mit<br />

der Umsetzung von „Industrie 4.0“ zunächst nicht<br />

einfacher. Im Gegenteil, meint Bettenhausen: „Die Vernetzung<br />

von Geräten und Systemen sowie die ansteigende<br />

Informationsdichte machen industrielle Anlagen<br />

komplexer.“<br />

Dementsprechend steigen die Herausforderungen<br />

hinsichtlich Informationssicherheit, Arbeitsplatzbeschreibungen<br />

und Ausbildungsszenarien. Aber: „Wir<br />

benötigen keine neuen Studiengänge. Die Ausbildung<br />

jedoch muss auf die Erfordernisse von Industrie 4.0<br />

abgestimmt sein. Ein solides Studium des Maschinenbaus<br />

oder der Elektrotechnik muss und wird ausreichen,<br />

um nach entsprechender Einarbeitung in den<br />

Fabriken der ‚vierten industriellen Generation‘ zu bestehen“,<br />

stellt Appel klar.<br />

(ahü)<br />

VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,<br />

VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,<br />

Tel. +49 (0) 211 621 40,<br />

Internet: www.vdi.de<br />

AALE-Konferenz vergibt zum 11. Mal den<br />

Student Award für Beste Abschlussarbeiten<br />

Der Verein der Angewandten Automatisierungstechnik<br />

in Lehre und Entwicklung an Hochschulen<br />

(VFAALE e.V.) richtet am 8. und 9. Mai 2014 zum elften<br />

Mal die AALE-Konferenz aus. Veranstalter ist in diesem<br />

Jahr die Fakultät für Maschinenbau und das Zentrum<br />

DIE AALE-KONFERENZ<br />

versammelt Lehre und<br />

Praxis der Automatisierungstechnik<br />

an Hochschulen<br />

für angewandte<br />

Wissenschaften, wie<br />

hier im vergangenen<br />

Jahr in Stralsund.<br />

Bild: Archiv/Purschwitz<br />

für Weiterbildung und Wissensmanagement (ZWW) an<br />

der Ostbayerisch Technischen Hochschule Regensburg.<br />

Dort werden erneut die beste Master- und Bachelor-<br />

Arbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften<br />

(University of Applied Sciences) mit dem AALE Student<br />

Award ausgezeichnet. Eine Jury aus Industrieexperten<br />

und Hochschulfachleuten bewertet die eingereichten<br />

Beiträge. Dem Erstplatzierten unter den Mater-Absolventen<br />

winkt ein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro, die<br />

beste Bachelor-Arbeit ist mit 500 Euro dotiert. Gesponsert<br />

sind die Preise von der BASF Ludwigshafen und<br />

Phoenix Contact in Blomberg.<br />

(ahü)<br />

OTH REGENSBURG, FAKULTÄT MASCHINENBAU,<br />

Galgenbergstr. 30, D-93053 Regensburg,<br />

Herrn Prof. Dr.-Ing. Ralph Schneider,<br />

Tel. +49 (0) 941 943 51 66,<br />

E-Mail: ralph.schneider@oth-regensburg.de<br />

Nominierungen für Max-Buchner-Preis einreichen<br />

Kandidaten für den Max-Buchner-Forschungspreis können<br />

ab sofort bis zum 25. April 2014 nominiert werden.<br />

Die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung der Dechema<br />

würdigt herausragende Forschungsarbeiten in Technischer<br />

Chemie, Verfahrenstechnik, Biotechnologie und Chemischer<br />

Apparatetechnik. Besonders Arbeiten jüngerer<br />

Forscher werden berücksichtigt. Sie sollen von grundsätzlicher<br />

Bedeutung sein und eine enge Verflechtung von<br />

Forschung und Praxis zeigen. Besonders willkommen sind<br />

auch Kandidatenvorschläge aus dem Bereich der industriellen<br />

Forschung. Die Arbeiten sollen vorzugsweise von<br />

Europäern an Hochschul-Instituten, wissenschaftlichen<br />

Forschungseinrichtungen oder in industrieller Tätigkeit<br />

ausgeführt worden sein. Der Preis wird im Rahmen eines<br />

Festkolloquiums am 28. November 2014 im Dechema-<br />

Haus in Frankfurt am Main verliehen. Er wird seit 1951<br />

jährlich vergeben. <br />

(ahü)<br />

MAX-BUCHNER-FORSCHUNGSSTIFTUNG,<br />

Theodor-Heuss-Allee 25, D-60486 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 756 40,<br />

Internet: www.dechema.de/ehrungen<br />

8<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


BRANCHE<br />

Ingenieurmangel steigt<br />

um 10,6 Prozent<br />

VDI-/IW-INGENIEUR-<br />

MONITOR:<br />

Neue Arbeitsmarktdaten<br />

für Ingenieurberufe<br />

erscheinen<br />

jeden Monat<br />

Bild: Ernsting/LAIF<br />

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MEORGA<br />

26.03.2014<br />

Jahrhunderthalle<br />

Frankfurt am Main<br />

Stand A6<br />

Laut VDI-Ingenieurmonitor sind im Dezember 2013<br />

insgesamt 63 700 Stellen für Ingenieure in<br />

Deutschland offen geblieben. Damit stieg der Fachkräftemangel<br />

in den Ingenieurberufen um 10,6 Prozent<br />

an. Doch wuchs auch die Zahl derjenigen, die<br />

einen Job in der Ingenieursbranche suchen. Insgesamt<br />

27 208 Personen, die eine Laufbahn als Ingenieur<br />

anstreben, meldeten sich arbeitslos.<br />

“Die zum Jahresausklang positivere Grundstimmung<br />

in der deutschen Wirtschaft schlägt sich deutlich<br />

in der Nachfrage nach Ingenieuren nieder“, kommentiert<br />

VDI-Direktor Ralph Appel die Daten des<br />

neuen VDI-/IW-Ingenieurmonitor. „Die offenen Ingenieurstellen<br />

sind ein Frühindikator für die wirtschaftliche<br />

Entwicklung. Nachdem das Jahr 2013 nahezu<br />

durchweg von einer Seitwärtsbewegung dieses Indikators<br />

gekennzeichnet war, deutet dessen aktuelle<br />

Entwicklung auf eine anziehende Konjunktur hin“, so<br />

IW-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Klös. (ahü)<br />

VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,<br />

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Tel. +49 (0) 211 621 40, Internet: www.vdi.de/monitoring<br />

NSA-Skandal lässt<br />

IT-Start-ups wachsen<br />

Kleine und mittelständische Unternehmen und Startups,<br />

profitieren jetzt vom Skandal um den Datenklau<br />

durch die Amerikanische National Security Agency<br />

(NSA). Das Portal www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de<br />

hat dazu verschiedene IT-Schutzsoftware-<br />

Anbieter befragt. Das Geschäftsfeld wächst. Mitarbeiter<br />

werden eingestellt. „Der NSA-Skandal hat für uns einiges<br />

in Bewegung gesetzt“, sagt Philipp Baumgärtel von<br />

Protonet, einem Hamburger Start-up, das Mittelständlern<br />

selbst entwickelte Server verkauft. Das Unternehmen<br />

wächst. Baumgärtel spricht von dreistelligen Prozentzahlen,<br />

Details will er aber nicht verraten. (ahü)<br />

Mit über 50 weitgehend selbstständigen<br />

Tochtergesellschaften<br />

und über 220 Ingenieur- und Verkaufsbüros<br />

ist SAMSON auf allen<br />

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E-Mail: samson@samson.de · www.samson.de<br />

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PRAXIS<br />

System zur Erfassung von Maschinendaten<br />

erfolgreich bei Autozulieferer eingesetzt<br />

TRW Automotive GmbH spürt mit Signaltechnik Stillstandszeiten auf<br />

ZUR VISUALISIERUNG<br />

von Maschinendaten<br />

hat der Automobilkonzern<br />

Großbildschirme<br />

an unterschiedlichen<br />

Stationen<br />

im Unternehmen<br />

anbringen lassen.<br />

SIGNAL SÄULE<br />

zur Maschinendatenüberwachung<br />

in der TRW-<br />

Niederlassung<br />

Blumberg.<br />

DAS ROUTINGMODUL der Software zeigt mit Hilfe einer Baumstruktur Qualität<br />

und Aufbau der Funkverbindungen zwischen den einzelnen Elementen an.<br />

Um ungeplanten Stillstandzeiten entgegenzusteuern,<br />

sowie latente Kapazitätsreserven aufzuspüren,<br />

nutzt die TRW Automotive aus Blumberg das Maschinendaten-Erfassungssystem<br />

von Werma. Der schwäbische<br />

Signalgerätehersteller hat bereits vor einigen<br />

Jahren das TRW-Werk mit dem „Wireless Information<br />

Network“ (WIN) ausgestattet und weitet die Zusammenarbeit<br />

stetig aus.<br />

„Als ich hier angefangen habe“, erklärt Fertigungsentwickler<br />

Bernd Müller „fehlte es oft an Transparenz<br />

in der Produktion, denn das TRW-Werk in Blumberg<br />

wurde immerzu erweitert“.<br />

Unterschiedliche Gebäude kamen im Laufe der Jahre<br />

hinzu, es wurde immer schwieriger den Überblick über<br />

zahlreiche Maschinenzustände zu behalten. Ein Problem<br />

stellte auch der große Umfang an verschiedenen Maschinensteuerungen,<br />

bedingt durch die Baujahre, dar.<br />

Anfang 2010 wurde Bernd Müller dann auf Werma<br />

aufmerksam. Der Signalgerätehersteller aus Rietheim-<br />

Weilheim hat sich auf ein einfaches Maschinendaten-<br />

Erfassungssystem spezialisiert: Das „Wireless Information<br />

Network“.<br />

KABELLOSE INTEGRATION IN ÄLTEREM<br />

FABRIKGEBÄUDE<br />

Bernd Müller kennt sich mit Maschinenüberwachung<br />

aus und weiß auch, dass es viele kostspielige und komplizierte<br />

Systeme auf dem Markt gibt. Hinzu kam die<br />

Herausforderung, eine kabellose Überwachung zu finden,<br />

da es in den älteren Gebäuden oft nur mit großem<br />

Aufwand möglich ist, nachträglich Kabelleitungen zu<br />

verlegen. Mit dieser Anforderung hatte es Werma Signaltechnik<br />

in die Zielgerade bei TRW geschafft.<br />

Angefangen hat der Automobilanbieter mit der Überwachung<br />

von zehn Schwerpunktmaschinen mit zehn<br />

Sendern zur Zustandsüberwachung. Mit WIN konnte sich<br />

TRW innerhalb weniger Minuten genauen Überblick über<br />

deren Zustände verschaffen. Das funkbasierte System war<br />

ohne Vorkenntnisse schnell per „Plug & Play“ installiert<br />

und konnte sofort in Betrieb genommen werden.<br />

In kurzer Zeit kristallisierte sich heraus, dass WIN alle<br />

Anforderungen an Flexibilität, Modularität und Erweiterbarkeit<br />

von TRW erfüllte. Per Funk wurden Signale<br />

an einen zentralen PC übermittelt – eine komplexe<br />

Schnittstelle zu den Maschinen selber war nicht notwendig,<br />

da als Basis die vorhandene Signalsäule diente.<br />

INSTALLATION OHNE PROGRAMMIERKENNTNISSE<br />

„Positiv aufgefallen ist mir die mitgelieferte WIN-Software,<br />

die sicher durch die einzelnen Schritte zum eigenen<br />

Wireless-Netzwerk führt“, erzählt Elmar Giner.<br />

Der Datenbank-Experte ist bei der Firma TRW in der<br />

IT-Abteilung beschäftigt und von dem Routingmodul<br />

der Software überzeugt. Sie zeigt mit einer Baumstruktur<br />

die Qualität und den Aufbau der Funkverbindungen<br />

zwischen den einzelnen Komponenten an.<br />

Diese Ansicht visualisiert dem Nutzer auch, wo er<br />

Funkverbindungen verstärken sollte, damit das WIN-<br />

Netzwerk sicher funktioniert und Daten problemlos<br />

übertragen kann.<br />

10<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Als IT-Hersteller legt Giner großen Wert auf Transparenz<br />

in der Fertigung. Die WIN-Software erlaubt es, auf<br />

einen Blick alles am PC zu überwachen. Kinderleicht<br />

kann man Fehler suchen, Produktivität analysieren und<br />

somit die Effizienz steigern. Die einfache, übersichtlich<br />

gestaltete Menüführung in der Software erleichtert die<br />

Bedienung und Maschinenüberwachung.<br />

SCHNELLE NACHRÜSTUNG PER FUNK<br />

80 Slaves mit WIN-überwachten Maschinen statten nun<br />

den Automobilzulieferer aus. Dieser weitet sein WIN-<br />

Netzwerk ständig aus. Dank Funk steht einer schnellen<br />

und einfachen Nachrüstung nichts im Wege. Ganz im<br />

Gegenteil: Die einfache Infrastruktur ermöglicht es,<br />

ohne spezielle Verkabelung weitere WIN-Elemente in<br />

das Netzwerk zu integrieren.<br />

Insgesamt fünf Großbildschirme visualisieren bei<br />

TRW die Produktion. Der Wartungsbereich, die Linienproduktion,<br />

die Elektroabteilung sowie die Instandhaltung<br />

(Mechanik und Elektrik) profitieren tagtäglich<br />

davon. Probleme werden schichtübergreifend und zeitnah<br />

erkannt.<br />

Mittels der in WIN integrierten E-Mail-Funktion werden<br />

Störungen sofort und an jeden Ort an die angebundenen<br />

Smartphone-User übermittelt. So können sie<br />

schnell reagieren und längere Stillstände sowie Produktionsausfälle<br />

vermeiden. Kein Wunder, dass der<br />

IT-Spezialist Elmar Giner „mehr will“ – er weiß wie<br />

flexibel das WIN-System ist und schätzt daran, dass die<br />

Einführungszeit neuer Funktionen kurz und keine zusätzliche<br />

Konfiguration notwendig ist.<br />

AUSWERTUNGEN VON STILLSTANDSURSACHEN<br />

Transparenz erhöhen, Produktivität steigern, Flexibilität<br />

verstärken, Stillstandzeiten reduzieren sowie Kosten<br />

und Zeit sparen sind nur ein paar Vorteile des<br />

WIN-Systems. Im Handumdrehen hatte TRW einen<br />

Überblick über kostenintensive Abläufe und verborgene<br />

Kapazitäten. Fertigungsentwickler Bernd Müller<br />

hatte sich besonders der Lean-Production-Ausrichtung<br />

gewidmet und damit die Wettbewerbsfähigkeit des<br />

Blumberger Unternehmens gesteigert.<br />

Mit WIN stehen ihm allzeit sämtliche Kennzahlen<br />

zum laufenden Auftrag, wie produzierte Stückzahlen,<br />

Ausschuss oder die detaillierte Aufstellung von Stillstandzeiten<br />

zur Verfügung. Mit diesen Auswertungen<br />

gelang es ihm, die Stillstandsursachen über einen definierten<br />

Zeitraum nach Häufigkeit auszuwerten. Dadurch<br />

konnten Maßnahmen entwickelt werden, um die<br />

Produktivität der Maschinen nachhaltig zu steigern.<br />

KOOPERATION ENTWICKELTE SIGNALTECHNIK WEITER<br />

Auch Werma Signaltechnik profitierte von der Kooperation.<br />

Ohne TRW wären viele Funktionen des WIN-<br />

Systems heute noch nicht ausgereift. So gab das Werk<br />

aus Blumberg den Anstoß für die Entwicklung der Zu-<br />

satzfunktion „Stückzahlermittlung“. Der in eine modulare<br />

Signalsäule integrierte WIN slave performance<br />

überwacht dabei bis zu sechs unterschiedliche Maschinenzustände<br />

und erfasst den Zählimpuls. Diese Daten<br />

werden an einen zentralen Empfänger gesendet und in<br />

einer Datenbank gespeichert.<br />

Doch auch darüber hinaus gilt TRW als gutes Beispiel<br />

für das WIN-System in der Praxis: Der Automobilzulieferer<br />

liefert nützliches Feedback an das Werma-Entwicklungsteam.<br />

So können zeitnah neue Ideen<br />

im Soft- und Hardwarebereich ausgearbeitet und umgesetzt<br />

werden. „Es ist ein Geben und Nehmen“, erklärt<br />

Bernd Müller. „Wir sind froh, in Sachen Signalisierung,<br />

einen Partner zu haben, mit dem wir gemeinsam<br />

Herausforderungen angehen können. Davon<br />

profitieren beide Seiten.“<br />

NAHTLOSE INTEGRATION BESONDERS REIZVOLL<br />

Neben WIN setzt der Automobilzulieferer auch weitere<br />

Werma-Produkte ein. Als zukunftsweisend haben sich die<br />

„Andon“-Produkte des Signalgeräteherstellers erwiesen.<br />

Bei Lean-Management-Experten ist der japanische Begriff<br />

„Andon“ schon lange bekannt. Dieser steht für eine gut<br />

sichtbar angebrachte Leuchte, die ein auftretendes Problem<br />

signalisiert und somit zum Handeln auffordert.<br />

Dieses Prinzip gibt es nun auch für Signalsäulen – ein<br />

ganz neuer Ansatz, der unter anderem Materialnachschub<br />

oder Qualitätsmangel signalisieren kann. Der<br />

Mitarbeiter, der das Signal auslöst, braucht also nicht<br />

lange nach einem Ansprechpartner zu suchen. Wege<br />

und Zeit können eingespart, Prozesse schlanker und<br />

effizienter gestaltet werden.<br />

Für die Zukunft plant der Automobilzulieferer, das<br />

WIN-System weiter auszubauen. „Gerade die nahtlose<br />

Integration ist für uns besonders reizvoll“, schließt der<br />

Fertigungsspezialist ab.<br />

AUTOR<br />

CHRISTOPH MÜLLER ist<br />

Gebietsverkaufsleiter bei<br />

der Werma Signaltechnik<br />

GmbH & Co. KG.<br />

Werma Signaltechnik GmbH & Co. KG,<br />

Dürbheimer Str. 15, D-78604 Rietheim-Weilheim,<br />

Tel. +49 (0) 7424 955 70,<br />

E-Mail: info@werma.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

11


PRAXIS<br />

Kamerasystem Safety Eye überwacht Abläufe<br />

im Überseeversand bei Opel Wien<br />

Schutzräume lassen sich definieren und mit verschiedenen Sicherheitsfunktionen hinterlegen<br />

BEI DER SEHENDEN SICHERHEITS-<br />

TECHNOLOGIE SAFETY EYE von Pilz<br />

umgibt ein dreidimensionaler Schutzkokon<br />

den Gefahrenbereich oder<br />

ein zu überwachendes Objekt.<br />

AUSGEHEND<br />

VON DER<br />

KAMERAEINHEIT<br />

an der Hallendecke<br />

erzeugt<br />

das System einen<br />

pyramidenförmigen<br />

Schutzschirm,<br />

innerhalb<br />

dessen sich<br />

beliebige Schutz-<br />

(rot) und Warnräume<br />

(gelb) frei<br />

definieren lassen.<br />

Grün zeigt einen<br />

ausgenommen<br />

Bereich.<br />

BEI OPEL<br />

kommen das<br />

dreidimensionale<br />

Kamerasystem<br />

Safety Eye<br />

und das programmierbare<br />

Steuerungssystem<br />

PSS 3000<br />

(links unten)<br />

zusammen.<br />

Bilder: Pilz<br />

Mehr als 500 000 Motoren und an die 750 000 Getriebe<br />

pro Jahr fertigt Opel aktuell in Wien-Aspern.<br />

Rund 70 % davon gehen per LKW und Bahn an die europäischen<br />

Fahrzeug-Produktionsstätten, die restlichen<br />

30 % gelangen per Schiff zu den weltweiten<br />

Standorten des General Motors-Konzerns. Für die Überseetransporte<br />

werden diese Aggregate in spezielle Kartons<br />

verpackt, damit sie geschützt sind. Am Ende des<br />

dafür notwendigen Verpackungsprozesses verschließt<br />

eine Umreifungsanlage die Transportkisten vollautomatisiert.<br />

Das Besondere dabei: Die normgerechte Absicherung<br />

dieses Arbeitsbereiches realisiert Opel nicht<br />

klassisch mit Schutzzäunen, -türen oder Lichtvorhängen,<br />

sondern barrierefrei mit dem weltweit ersten kamerabasierten<br />

Sicherheitssystem Safety Eye.<br />

GRÖSSTES GM-MOTORENWERK<br />

Seit 1982 fertigt General Motors (GM) am Standort Wien<br />

Getriebe und Motoren. Insgesamt 21 Millionen Fünfund<br />

Sechsganggetriebe sowie zirka 12 Millionen Dreizylinder-<br />

und Vierzylinder-Benzinmotoren verließen<br />

in zahlreichen Varianten bis Ende 2012 das weltweit<br />

größte Motoren- und Getriebewerk innerhalb des GM-<br />

Konzerns. Pro Minute produziert Opel Wien zwei Motoren<br />

und vier Getriebe. Beliefert werden Produktionsstätten<br />

rund um den Globus, 80 % aller in Europa neu<br />

zugelassenen Opel-Modelle, darunter auch das neue<br />

Modell Adam, sind mit Antriebseinheiten aus Wien-<br />

Aspern ausgestattet.<br />

SPEZIELLER SCHUTZ FÜR ÜBERSEEVERSAND<br />

Knapp ein Drittel der in Wien produzierten Getriebe<br />

und Motoren erhält für den Versand in die Produktionsstätten<br />

von GM außerhalb Europas einen speziellen<br />

Transportschutz. In einer so genannten Überseeverpackung<br />

– eine holzverstärkte Kartonage – werden jeweils<br />

mehrere Aggregate stoß-, rutsch- und vor allem<br />

wasserfest zusammengepackt. „Früher erledigte diese<br />

aufwendige Verpackung ein externer Partner für uns“,<br />

erzählt Peter Czetina, Safety Engineer bei Opel Wien.<br />

„Heute machen wir das selbst – wir beladen die Container<br />

direkt hier im Werk. Dadurch konnten wir nicht<br />

nur die Flexibilität und letztendlich die Produktivität,<br />

sondern vor allem die Qualität der Verpackung steigern<br />

– die entsprechende Qualitätskontrolle erfolgt nun im<br />

Haus.“ An Spitzentagen sind es bis zu zehn Container.<br />

12<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Geschwindigkeit spielt hier eine große Rolle, dabei war<br />

in der Vergangenheit die Bänderung der bis zu knapp<br />

2,7 Kubikmetern großen Transportkisten ein verhältnismäßig<br />

zeit- sowie arbeitsintensiver Verpackungsschritt,<br />

der per Hand erfolgte. Die Idee, diesen Prozess<br />

zu automatisieren, lag nahe. „Wir entschieden uns,<br />

eine vollautomatisierte Umreifungsmaschine einzusetzen“,<br />

berichtet Peter Czetina weiter. Dafür wurde im<br />

Vorfeld eine Risikoanalyse durchgeführt und anhand<br />

dieser die zu treffenden sicherheitsrelevanten Vorkehrungen<br />

definiert.<br />

Die Sicherheit der Mitarbeiter war ein wichtiges Thema<br />

vor der Inbetriebnahme der Maschine. „Sicherheit<br />

braucht aber die Akzeptanz der Mitarbeiter“, weiß Peter<br />

Czetina. Ein Schutzzaun beispielsweise birgt generell die<br />

Gefahr in sich, unter Umständen umgangen zu werden.<br />

Bei der neuen Umreifungsmaschine für die Überseeverpackung<br />

war klar: Es müssen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen<br />

getroffen werden, sodass kein Mitarbeiter<br />

während des Umreifungsvorgangs gefährdet ist.<br />

Deshalb sollte eine effiziente und kostengünstige, dabei<br />

aber auch flexible und kompakte Lösung, die den laufenden<br />

Betrieb nicht behindert, zum Einsatz kommen.<br />

DREIDIMENSIONAL AUS DER VOGELPERSPEKTIVE<br />

Die Transportkisten werden mit Hilfe eines Gabelstaplers<br />

der Anlage zu- und wieder abgeführt. Mehrere Absicherungsvarianten<br />

standen zur Diskussion, von klassischen<br />

Schutzzäunen und -türen über eine komplette<br />

Einhausung mit Rolltoren bis hin zu Lichtschranken<br />

mit Mutingfunktion. Was den Platzaufwand als auch<br />

die Alltagstauglichkeit betrifft, waren diese Lösungen<br />

jedoch nicht optimal. Entschieden hat sich Opel<br />

schließlich für das dreidimensionale Kamerasystem<br />

Safety Eye des Automatisierungsunternehmens Pilz.<br />

Ausschlaggebend war, dass das System eine wartungsarme<br />

und sichere Lösung darstellt.<br />

Das Kamerasystem besteht aus den Komponenten<br />

Sensoreinheit, Hochleistungsrechner sowie Sicherheitssteuerung.<br />

Die aus drei Kameras bestehende Sensoreinheit<br />

ist einige Meter über den zu überwachenden<br />

Raum, bei Opel der Versandanlage, montiert und liefert<br />

permanent Bilddaten. Der Hochleistungsrechner dient<br />

als Auswerteeinheit. Diese berechnet auf Basis der erfassten<br />

Bilddaten und anhand komplexer Algorithmen<br />

ein räumliches Bild. Somit ist es möglich, Objekte<br />

räumlich wahrzunehmen und ihre Position exakt zu<br />

bestimmen. Die so gewonnenen Daten werden mit den<br />

konfigurierten Schutzräumen überlagert. Das System<br />

erkennt dadurch, wenn eine Verletzung des Schutzraumes<br />

vorliegt. Ist das der Fall, meldet der Rechner<br />

ohne Verzug dem programmierbaren Steuerungssystem<br />

PSS 3000, ebenfalls von Pilz, die entsprechende Information.<br />

Über die Ein- und Ausgänge als Schnittstelle<br />

zur Maschinensteuerung würde dann eine definierte<br />

Sicherheitsfunktion – etwa Not-Halt oder sichere Ge-<br />

schwindigkeit – ausgelöst. Die komplette Installation,<br />

Programmierung und Justierung des Systems führte<br />

Pilz im Auftrag von Opel Wien durch. Für die Schutzraumüberwachung<br />

wurden insgesamt acht Schutz- und<br />

Warnräume geschaffen, sodass der Zugang von allen<br />

Seiten – auch von oben – gesichert und ein Übersteigen<br />

des Schutzraums ausgeschlossen ist. Das sichere 3-D<br />

Kamerasystem kann in bis zu 7,5 m Höhe installiert<br />

werden, daraus resultiert auch der erfassbare, pyramidenförmige<br />

Bereich, dessen Grundfläche bei maximaler<br />

Einbauhöhe der Sensoreinheit rund neun auf acht Meter<br />

beträgt. Innerhalb dieser Pyramide lassen sich beliebige<br />

Schutzräume frei definieren beziehungsweise<br />

mit unterschiedlichen Sicherheitsfunktionen hinterlegen.<br />

Bei Opel sind die äußeren vier Räume als Warnräume<br />

eingerichtet – betritt ein Mitarbeiter einen dieser<br />

Räume, so ertönen ein akustisches sowie zeitgleich ein<br />

optisches Warnsignal. Erst wenn diese Warnzone überschritten<br />

und einer der vier eigentlichen Schutzräume<br />

betreten wird, erfolgt der sofortige Stopp der Maschine.<br />

Dabei sind es lediglich 150 Lux Beleuchtungsstärke, die<br />

für den zuverlässigen Betrieb des sicheren Kamerasystems<br />

notwendig sind.<br />

PRODUKTIONSABLAUF WIRD NICHT GESTÖRT<br />

Der Einsatz des Kamerasystems erhöht die Sicherheit<br />

und die Produktivität der Anlage: Denn für das Wechseln<br />

der Bandrolle muss nun keine Schutztür mehr<br />

geöffnet werden und im Störfall kann der Fehler<br />

schneller behoben werden. Das Kamerasystem ist wartungsfrei,<br />

der Produktionsablauf wird nicht gestört.<br />

Die zu umreifenden Verpackungskisten, die über<br />

Transportrollen durch das eigentliche Bandportal geführt<br />

werden, werden von Safety Eye als solche erkannt<br />

und durchgelassen ohne, dass eine Sicherheitsabschaltung<br />

ausgelöst wird.<br />

Auf Basis der Erfahrungen mit dem Kamerasystem<br />

erwägt der Automobilhersteller den Einsatz im deutschen<br />

Opel-Stammhaus in Rüsselsheim.<br />

AUTOR<br />

STEPHAN MARBAN<br />

Pilz GmbH Sichere Automation,<br />

Modecenterstraße 14,<br />

A-Wien,<br />

Tel. +43 (0) 1 798 62 63 13,<br />

E-Mail: s.marban@pilz.at<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

13


PRAXIS<br />

Industrielle Differenztemperaturregelung<br />

ermöglicht Betriebsmittel einzusparen<br />

Mit Bluetooth-Modul werden Geräteeinstellungen drahtlos vorgenommen<br />

Der Begriff Energieeffizienz ist das Schlagwort der<br />

Gegenwart, jedoch erweist sich die technische Umsetzung<br />

oft als schwer realisierbar. Viele Produktionsstätten<br />

haben noch ungeregelte Prozesse, bei denen<br />

Energieeinsparungen effizient möglich wären.<br />

Samson bietet hierzu Lösungen an. Eine der jüngsten<br />

Projekte des Herstellers von Mess- und Regeltechnik<br />

war die Umsetzung einer industriellen Differenztemperaturregelung<br />

für Kühlwalzen. Aus der gestellten<br />

Anforderung wurde mit einer Kombination aus Ventil,<br />

elektrischem Antrieb mit integriertem Prozessregler<br />

sowie fertig konfektionierter Sensorik ein gutes Ergebnis<br />

erzielt.<br />

EINSPARPOTENZIALE IN BETRIEBEN<br />

Ansätze für Optimierungsmöglichkeiten gibt es bei<br />

der Materialbeschaffung, im Produktionsprozess und<br />

bei den Betriebsmitteln. Während die erst genannten<br />

traditionell stark im Fokus stehen, sind die Möglichkeiten<br />

bei den Betriebsmitteln oft nicht voll ausgeschöpft.<br />

Gerade in Produktionsbetrieben sind viele<br />

Temperaturprozesse im Einsatz, die ungeregelt und<br />

unbemerkt ihren Dienst verrichten. Hier stellt sich bei<br />

genauerem Betrachten die Frage: sind diese Prozesse<br />

hinreichend effizient?<br />

In vielen Fällen muss geheizt oder gekühlt werden.<br />

Häufig sind ungeregelte oder sehr einfach geregelte<br />

Temperaturprozesse vorzufinden. Bei näherer Untersuchung<br />

ergeben sich hier Verbesserungsmöglichkeiten<br />

durch eine Regelung oder durch Steigerung der Regelgüte<br />

und damit zu Einsparungen von Betriebsmitteln<br />

und deren Transport.<br />

SCHNELLE AMORTISIERUNG<br />

Im Idealfall für die Betriebe amortisieren sich die Anschaffungskosten<br />

in ein bis zwei Jahren. Ausgehend<br />

von der ungeregelten Kühlung wurde das durchschnittliche<br />

Einsparungspotenzial gegenüber einer geregelten<br />

Kühlung auf 50 % geschätzt.<br />

Bei Einsatz der Regelkomponente von Samson werden<br />

Einsparungen im Schnitt von knapp 60 % erzielt.<br />

So amortisiert sich die Investition bereits nach etwa<br />

einem Jahr. Die Zielvorstellungen der Betriebe sind damit<br />

erfüllt.<br />

EINSPARUNGEN ZWISCHEN 30 UND 80 %<br />

Eine effektive Methode zur Umsetzung der Temperaturregelung<br />

ist die Integration eines Motorventils in<br />

die bestehende Rohrleitung des Heiz- beziehungsweise<br />

Kühlmediums. Im elektrischen Antrieb des Motorventils<br />

wiederum befindet sich neben dem prozessorgesteuerten<br />

Zweikanalregler auch ein Bedienfeld,<br />

um im laufenden Betrieb vor Ort Einfluss nehmen zu<br />

können.<br />

Die Anwendung in diesem Fall beschreibt eine Kühlwalzenregelung,<br />

dessen Kühlwasser ursprünglich zu<br />

0 oder 100 % zugeführt wurde. Durch Regelung des<br />

benötigten Volumens sind gemäß praktischer Tests Einsparungen<br />

zwischen 30 und 80 % möglich. Dazu dient<br />

eine Differenztemperaturregelung zwischen Eintrittsund<br />

Austrittstemperatur, gemessen jeweils an den<br />

Rohrleitungen zu und von den Kühlwalzen. Die konfektionierte<br />

Kabelsensorik erlaubt den Einsatz als Anlege-<br />

oder Tauchsensoren durch entsprechendes Zubehör.<br />

Zusätzlich zur Differenztemperaturregelung des<br />

ersten Reglerkanals wird eine Rücklauftemperaturregelung<br />

des zweiten Reglerkanals als Begrenzungsregelung<br />

mit Minimalauswahl gefahren. Damit sind zwei<br />

Regelfunktionen mit nur einem Motorventil sehr kompakt<br />

realisiert.<br />

EINFACHE KOMPONENTE MIT HOHEM NUTZEN<br />

Die Regelkomponente hat eine kompakte Bauform, eine<br />

bereits konfektionierte Anschlussleitung sowie konfektionierte<br />

Kabelsensoren. Damit entfällt ein sonst üblicher<br />

Schaltschrank mit seiner gesamten Regelelektronik<br />

inklusive Verdrahtung. Diese Einheit aus Ventil<br />

und elektrischem Prozessregelantrieb ist universell<br />

einsetzbar: Sie kann mit unterschiedlichen Ventilen<br />

für Industrie oder Gebäudeautomation kombiniert werden,<br />

die Kabelsensoren lassen sich auch als Tauch- oder<br />

Anlegesensoren einsetzen und es ist eine einfache Auswahl<br />

vorkonfektionierter Anlagenkennziffern für Heizoder<br />

Kühlapplikationen möglich.<br />

PARAMETRIEREN VIA BLUETOOTH<br />

Das integrierte Bluetooth Modul schafft erhöhten Inbetriebnahme-<br />

und Bedienkomfort durch die drahtlose<br />

Verbindung zur Konfigurier- und Bediensoftware<br />

Trovis-View.<br />

Alle Geräteeinstellungen zur Regelfunktion, Geräte-<br />

und Anlagendokumentation, Aufzeichnung und<br />

Protokollierung der Prozessdaten sowie Konvertierung<br />

in das XLS-Datenformat werden mit dem PC-<br />

Programm erfüllt. Der PC muss über Bluetooth ab<br />

Version 2.1 verfügen. Für den Transfer der Daten zwischen<br />

PC und Regeleinheit sind keine weiteren Hilfsmittel<br />

erforderlich.<br />

Das Bedienfeld weist nur die wichtigsten Funktionen<br />

auf, um dem Anlagenfahrer die Bedienung für den laufenden<br />

Prozessbetrieb zu erleichtern. Neben der Ist-<br />

Wertanzeige und der Eingabe des Sollwertes ermöglicht<br />

es, die Betriebsarten zu steuern. Sonderfunktionen<br />

dienen zum Initialisierungslauf und zur elektrischen<br />

Handverstellung. Bei Wegfall der elektrischen Speisung<br />

ermöglicht das Handrad die mechanische Verstellung<br />

des Ventilhubes.<br />

UMSETZUNG WEITERER ANWENDUNGEN<br />

Eine Sammlung von Anwendungen existiert bereits<br />

und wird fortlaufend erweitert. Nachfolgend drei Beispiele<br />

umgesetzter Industrieanwendungen:<br />

14<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


EINGEBAUTE REGELKOMPONENTE zur Kühlwasserregelung<br />

für Kühlwalzen Bilder: Samson<br />

REGELKOMPONENTE VENTIL mit elektrischem<br />

Prozessregelantrieb im Einsatz<br />

BEDIENFELD für<br />

den Anlagenfahrer<br />

PROZESS-<br />

REGELEINHEIT<br />

Typ 3222/5724-8<br />

von SAMSON<br />

FESTWERT-<br />

REGELUNG mit<br />

Mittelwertbildung<br />

1 | Festwertregelung Heizen mit Mittelwertbildung<br />

und Sollwertumschaltung<br />

2 | Differenztemperaturregelung Kühlen mit Begrenzung<br />

der Rücklauftemperatur<br />

3 | Kaskadenregelung Heizen mit Sollwertbegrenzung<br />

und Start/Stopp der Regelung<br />

1. Heizen mit Mittelwertbildung<br />

und Sollwertumschaltung<br />

In der Grundeinstellung arbeitet das Gerät mit einem<br />

Sensor (T1 mit roter Markierung) als Festwertregler<br />

Heizen mit Sollwertumschaltung über die Tasten I und<br />

O. Alternativ lässt sich die Sollwertumschaltung durch<br />

einen Binäreingang steuern. Der Sollwert ist am Gerät<br />

mit den Tasten Pfeil Auf und Pfeil Ab innerhalb des<br />

Einstellbereiches verstellbar.<br />

Durch Änderung der Anlagenkennziffer kann einfach<br />

die Festwertregelung Heizen zur Festwertregelung<br />

Kühlen umkonfiguriert werden.<br />

Wird die Festwertregelung zum Beispiel mit dem blau<br />

markierten Sensor (T2) ergänzt, so kann mit Hilfe beider<br />

Sensoren (T1 und T2) ein Mittelwert gebildet werden. Ein<br />

mögliches Anwendungsfeld ist die Regelung einer Flüssigkeit<br />

in einem Reaktionskessel mit mehreren Temperaturschichtungen.<br />

Zwei unterschiedlich lange Tauchhülsen<br />

dienen zur Lokalisierung zweier Messpunkte. Im<br />

besonderen Fall kann die Mittelwertbildung gleichwertig<br />

und mit unterschiedlicher Bewertung gestaltet werden,<br />

das heißt der eine Messpunkt wird zum Beispiel mit<br />

5-facher und der andere mit 1-facher Wertung berechnet.<br />

Regelgröße PV =<br />

a · T1 + b · T2<br />

z<br />

Setzt man die Parameter wie oben erläutert<br />

a = +5; b = +1 und z = +6<br />

ergibt sich daraus<br />

Regelgröße PV =<br />

5 · T1 + 1 · T2<br />

6<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

15


PRAXIS<br />

2. Kühlen mit Begrenzung der<br />

Rücklauftemperatur<br />

Diese Anwendung beschreibt die Regelung einer Differenztemperatur<br />

zwischen Rücklauf- (T1) und Vorlauftemperatur<br />

(T2) eines Kühlprozesses, die in der eingangs<br />

beschriebenen Applikation zum Einsatz kommt.<br />

In diesem Fall dient die Formel der Regelgröße PV zur<br />

Bestimmung der Differenztemperatur.<br />

Regelgröße PV =<br />

a · T1 + b · T2<br />

z<br />

Setzt man a = +1; b= –1 und z = +1<br />

ergibt sich die Regelgröße PV = T1 – T2.<br />

DIFFERENZ-<br />

TEMPERATUR-<br />

REGELUNG<br />

mit Begrenzung<br />

der Rücklauftemperatur<br />

KASKADEN-<br />

REGELUNG<br />

zur Pasteurisierung<br />

von<br />

Lebensmitteln<br />

KASKADEN-<br />

REGELUNG<br />

zur Temperaturregelung<br />

einer<br />

Flüssigkeit<br />

in einem<br />

Reaktionskessel<br />

Die gewünschte Temperaturdifferenz wird durch den<br />

Sollwert vorgegeben. Die Kennlinie substituiert einen<br />

mechanischen Bypass während des Regelprozesses. Bei<br />

erhöhtem Kühlbedarf öffnet das Regelventil gemäß den<br />

Einstellungen des integrierten Reglers.<br />

3. Kaskadenregelung Heizen mit<br />

Sollwertbegrenzung<br />

Für die Kaskadenregelung stehen in der Regeleinheit<br />

zwei Kanäle zur Verfügung, die jeweils als Führungsund<br />

Folgeregler dienen. Hierbei wird ein Sensor (T1)<br />

für die Erfassung der primär zu regelnden Größe im<br />

Führungsregelkreis genutzt. Der zweite Sensor (T2)<br />

hingegen dient zur Erfassung der Hilfsregelgröße im<br />

Folgeregelkreis. Als Anwendungsbereich ist die Pasteurisierung<br />

von Lebensmitteln denkbar. Dabei ist vor<br />

allem darauf zu achten, dass die Führungsgröße des<br />

Folgereglers begrenzt werden muss, damit das Produkt<br />

nicht überhitzt. Die Begrenzungsfunktion ist im Regler<br />

integriert.<br />

Durch einfache Auswahl der vorkonfektionierten<br />

Anlagenkennziffer wird die gewünschte und dokumentierte<br />

Konfiguration aus der Sammlung der Kennziffern<br />

aufgerufen und anschließend in den Prozessregelantrieb<br />

übertragen. Mit diesen Voreinstellungen ist<br />

die Regeleinheit zunächst betriebsbereit und kann bei<br />

Bedarf individuell angepasst werden.<br />

AUTOREN<br />

Dipl.-Ing. RAINER SCHWAN<br />

ist Leiter Industrieregler und<br />

elektrische Antriebe.<br />

Samson AG,<br />

Weismüllerstraße 3,<br />

D-60314 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 40 09 15 19,<br />

E-Mail: rschwan@samson.de<br />

Dipl.-Ing. GERT NAHLER<br />

ist Zentralabteilungsleiter<br />

Entwicklung Elektronik Gebäudeautomation<br />

und Regler.<br />

Samson AG,<br />

Weismüllerstraße 3,<br />

D-60314 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 40 09 13 38,<br />

E-Mail: gnahler@samson.de<br />

Dipl.-Ing. RUDOLF LÄSSLER<br />

ist Zentralabteilungsleiter<br />

Entwicklung Regler ohne Hilfsenergie<br />

und Stellventile.<br />

Samson AG,<br />

Weismüllerstraße 3,<br />

D-60314 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 40 09 13 10,<br />

E-Mail: rlaessler@samson.de<br />

16<br />

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3 / 2014


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HAUPTBEITRAG<br />

<strong>Modellgestütztes</strong> <strong>Engineering</strong><br />

Basis für die Automatisierung der Automatisierung<br />

Über die Vorteile bei der Nutzung von Modellen im <strong>Engineering</strong>-Prozess herrscht<br />

Konsens. Ein wesentlicher Ansatz ist die Unterstützung bei der Planung des Automations-<strong>Engineering</strong>s<br />

durch Automatisierung der Automatisierung (automation of<br />

automation, AoA). Die dazu benötigten Modelle werden zumeist manuell aus Planungsdaten<br />

erzeugt, insbesondere dem R&I-Fließbild. Der Beitrag beschreibt, wie<br />

auf Grundlage eines Vergleichs verschiedener Anwendungsfälle, die mittels geeigneter<br />

Modelle unterstützt werden können, funktionale und nicht-funktionale Anforderungen<br />

abgeleitet wurden, die an diese Modelle gestellt werden. Durch eine<br />

Analyse dieser Anforderungen konnten Synergieeffekte in Form von einer sich überlappenden<br />

Teilmenge an Modellinhalten innerhalb der für AoA-Aufgaben benötigten<br />

Modelle ermittelt werden. Die Synergien lassen sich nutzen, indem diese Modellinhalte<br />

in einem übergeordneten Modell gespeichert werden und dieses als Quelle zur<br />

Erzeugung verschiedener spezifischer AoA-Modelle herangezogen wird.<br />

SCHLAGWÖRTER Anforderungsdefinition / <strong>Engineering</strong> / Automatisierung der<br />

Automatisierung<br />

Model-based <strong>Engineering</strong> –<br />

Common Model as a Basis for ‘Automation of Automation’<br />

There is consensus about the benefits offered by the use and application of models<br />

in the engineering process. One promising approach relates to the support of planning<br />

activities by “automation of automation” (AoA). Models are conventionally<br />

generated manually using planning data, in particular the P&ID. Functional and<br />

non-functional requirements are derived from a comparison of different applications<br />

which can be supported by appropriate models. Through analysis and evaluation of<br />

these requirements, synergies have been determined for AoA purposes. Synergies<br />

may be exploited by storing them in a higher-level model, which is used as a source<br />

for generating specific AoA models.<br />

KEYWORDS automation of automation / requirements’ definition / model-based<br />

engineering<br />

18<br />

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3 / 2014


LARS CHRISTIANSEN, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg<br />

MARIO HOERNICKE, ABB Forschungszentrum<br />

ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg<br />

Das <strong>Engineering</strong> verfahrens- und fertigungstechnischer<br />

Automatisierungssysteme ist<br />

durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher<br />

Gewerke, Fachbereiche und <strong>Engineering</strong>-<br />

Organisationen geprägt und unterliegt einer<br />

phasenorientierten Bearbeitung. Das Ergebnis am Ende<br />

einer Planungsphase dient als Informationsbasis für<br />

die jeweils nachfolgenden Phasen und Gewerke. Planungstätigkeiten<br />

werden mittels einer Vielzahl unterschiedlicher<br />

und damit phasen- sowie gewerkspezifischer<br />

CAE-Planungswerkzeuge durchgeführt. Diese<br />

basieren meist auf proprietären Datenmodellen, die<br />

eine durchgängige Nutzung der darin enthaltenen Informationen<br />

erschweren. Beispiele für Modelle, die ein<br />

wesentliches Ergebnis einer Planungsphase darstellen,<br />

sind das Anlagenlayout oder das Rohrleitungs- und<br />

Instrumentenfließbild (R&I-Fließbild).<br />

Der Einsatz von Modellen im <strong>Engineering</strong>-Prozess<br />

wird mit den Begriffen Model Driven <strong>Engineering</strong><br />

(MDE) und Model Based <strong>Engineering</strong> (MBE) umschrieben<br />

[1]. Dabei werden im Kontext des MDE <strong>Engineering</strong>-<br />

Artefakte, wie Dokumente oder SW-Code, durch den<br />

Einsatz von Modellen automatisch erzeugt, wohingegen<br />

MBE den Umstand beschreibt, dass auf der Grundlage<br />

eines Modells spezifische Tätigkeiten, wie Design, Lösungsauswahl,<br />

Funktionstests oder Optimierungen,<br />

durchgeführt werden. Der durchgängige Einsatz von<br />

Modellen sowie die damit verbundene Möglichkeit zur<br />

Wieder- beziehungsweise Weiterverwendung der Information<br />

können einen wesentlichen Hebel darstellen,<br />

den <strong>Engineering</strong>-Aufwand [2] und damit die Projektlaufzeiten<br />

und -kosten [3, 4] zu reduzieren. Dieser<br />

Schritt erfordert allerdings, neben den entsprechenden<br />

Daten- und Informationsmodellen, geeignete Vorgehensweisen<br />

innerhalb des <strong>Engineering</strong>-Prozesses, die<br />

den Aspekt der Durchgängigkeit unterstützen können<br />

[4]. Zur Reduzierung des <strong>Engineering</strong>-Aufwands in Verbindung<br />

mit geeigneten Modellen spielt zum Beispiel<br />

die Automatisierung von Tätigkeiten eine wesentliche<br />

Rolle. Dies wird mit dem Begriff der Automatisierung<br />

der Automatisierung [5] (automation of automation,<br />

AoA) umschrieben.<br />

1. STAND DER WISSENSCHAFT<br />

Über die in der Einleitung genannten Vorteile hinaus versprechen<br />

sich die Unternehmen durch den Einsatz von<br />

MDE und MBE im <strong>Engineering</strong>-Prozess beispielsweise die<br />

Möglichkeit der frühzeitigen Absicherung von <strong>Engineering</strong>-Ergebnissen<br />

[1], die automatisierte Wiederholung von<br />

<strong>Engineering</strong>-Tätigkeiten [2] sowie die Verringerung von<br />

Übertragungsfehlern und damit Inkonsistenzen zwischen<br />

den Modellen [6]. Dennoch stehen dem Einsatz von<br />

MDE und MBE Probleme und Herausforderungen gegenüber,<br />

die gelöst werden müssen, bevor diese Vorteile zum<br />

Tragen kommen können. Im Folgenden wird ein Überblick<br />

über die diesbezügliche Forschung gegeben.<br />

1.1 Modelle für modellgestütztes <strong>Engineering</strong><br />

Im Kontext der digitalen Fabrik werden in [7] unterschiedliche<br />

Modellansätze diskutiert und grundsätzliche<br />

Anforderungen an <strong>Engineering</strong>-Modelle gestellt:<br />

zum Beispiel der erforderliche Formalisierungsgrad, die<br />

Ausdrucksstärke sowie die Möglichkeit zur Beschreibung<br />

statischer und dynamischer Systemzusammenhänge.<br />

Darauf aufbauend wird in [8] eine Bewertungsmethodik<br />

vorgestellt, mit der unterschiedliche im <strong>Engineering</strong><br />

genutzte Modelle hinsichtlich der durchgängigen<br />

Nutzung untersucht und bewertet werden können.<br />

Ebenfalls im Kontext der digitalen Fabrik wird in [9],<br />

basierend auf einem mechatronischen Domänen-Modell,<br />

ein Konzept für die digitale Anlagenplanung vorgestellt.<br />

Ein Domänen-Modell wird dabei als ein zentrales<br />

<strong>Engineering</strong>-Modell definiert, welches sich innerhalb<br />

des <strong>Engineering</strong>-Workflows oder bedingt durch<br />

unterschiedliche CAE-Werkzeuge nicht verändert.<br />

Dennoch soll dieses Modell eine Integration in die heterogene<br />

Werkzeuglandschaft unterstützen, wodurch<br />

es gleichzeitig alle am <strong>Engineering</strong>-Prozess beteiligten<br />

Organisationen und Disziplinen auf sich vereinigt.<br />

In [1] wird grundsätzlich zwischen zwei Arten von<br />

<strong>Engineering</strong>-Modellen unterschieden: a) Modelle, die<br />

sich zur Entwicklung der Automatisierungslösung nut-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

19


HAUPTBEITRAG<br />

zen lassen und b) Modelle, die zur disziplinübergreifenden<br />

Kommunikation zwischen Projektbeteiligten<br />

geeignet sind, wie das R&I-Fließbild. Des Weiteren werden<br />

Modelle c) hinsichtlich des Datenaustauschs zwischen<br />

den CAE-Systemen der am <strong>Engineering</strong> beteiligten<br />

Disziplinen definiert. Ziel ist es, aus Quellmodellen<br />

entwicklungsbegleitend Zielmodelle zu erzeugen,<br />

die die Lösungsfindung und damit die in den Phasen<br />

durchzuführenden Aufgaben und Tätigkeiten unterstützen.<br />

Dies deckt sich in der Intention mit der Definition<br />

der Nutzenaspekte in [2]. Dazu sind verschiedene<br />

Modelltransformationen erforderlich, die mit einer<br />

Transformation der Modelle in eine domänenspezifische<br />

Sprache abgeschlossen werden.<br />

Hinsichtlich der Problematik, dass proprietäre Datenmodelle<br />

auf Grund der gewerkespezifischen CAE-<br />

Werkzeuge existieren, die eine durchgängige Nutzung<br />

erschweren, gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten: Zum<br />

einen besteht die Möglichkeit der spezifischen Modelltransformation<br />

zwischen proprietären Datenmodellen,<br />

und zum anderen kann auf herstellerneutrale Datenformate<br />

zurückgegriffen werden. Erstere erfordert geeignete<br />

Transformationsmechanismen zwischen den<br />

einzelnen, in der Regel domänenspezifischen Modellen<br />

beziehungsweise deren Schnittstellen [3]. Der transformationsbasierte<br />

Ansatz erfordert allerdings einen langfristigen<br />

Einsatzhorizont, da die Entwicklung geeigneter<br />

Mechanismen zur Transformation einen beträchtlichen<br />

Aufwand sowie eine möglichst detaillierte Anforderungsdefinition<br />

erfordern [10]. Aus dem geplanten<br />

Einsatz des Modells innerhalb des <strong>Engineering</strong>s resultiert<br />

der Detaillierungsgrad [10]. Die spezifischen, mit<br />

hohem Aufwand erzeugten Transformationsmechanismen<br />

sind daher nur für eine geringe Anzahl von Zielmodellen<br />

geeignet. Dies gilt insbesondere hinsichtlich<br />

der kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung der<br />

Mechanismen, die zum Beispiel durch Änderungen des<br />

Quell- oder Zielformats notwendig werden. Weiterhin<br />

führt die Nutzung von vielen unterschiedlichen Modellen<br />

zu zwei wesentlichen Problemen: Es muss sichergestellt<br />

werden, dass bei Änderungen innerhalb<br />

eines Modells diese Änderungen in den abhängigen<br />

Modellen übernommen werden, damit dies nicht zu<br />

Inkonsistenzen innerhalb der Modelle führt, welche<br />

sich direkt auf die Qualität des <strong>Engineering</strong>-Prozesses<br />

auswirken würden. Das Problem der Pflege der spezifischen<br />

Transformationsmechanismen zwischen domänenspezifischen<br />

Modellen kann durch Nutzung eines<br />

herstellerneutralen – das heißt nicht-proprietären – Datenformats<br />

umgangen werden. Hier hat sich in den letzten<br />

Jahren CAEX beziehungsweise AutomationML als<br />

geeignet und vielversprechend herausgestellt. Dennoch<br />

unterliegt die Nutzung von CAEX/AutomationML ebenfalls<br />

Vor- und Nachteilen [11], die an dieser Stelle aber<br />

nicht weiter betrachtet werden.<br />

1.2 Modellgetriebene Ansätze im Kontext AoA<br />

Die grundsätzliche Idee von AoA besteht darin, Aufgaben<br />

und Tätigkeiten, die während des <strong>Engineering</strong>s der<br />

Automatisierungstechnik, das heißt der Planung und<br />

Realisierung, der Inbetriebnahme und der Wartung<br />

anfallen, zu automatisieren und somit den Planungsingenieur<br />

von Aufgaben, die häufig „gleichartigen, sich<br />

wiederholend und monoton anmutenden Charakter<br />

aufweisen“ [12], zu entlasten.<br />

Als Informationsgrundlage und Ausgangsbasis wird<br />

bei der Planung der Automatisierungstechnik verfahrenstechnischer<br />

Anlagen in den meisten Fällen auf das<br />

R&I-Fließbild zurückgegriffen. Dieses bildet ein zentrales<br />

Modell für die Automatisierungstechnik und<br />

weist bereits einen sehr hohen Informationsgehalt hinsichtlich<br />

der zu projektierenden Anlage und ihres Automatisierungssystems<br />

auf. Dazu zählt die topologische<br />

Verknüpfung von Anlagenobjekten wie Behälter, Rohrleitungen<br />

und Automatisierungskomponenten (AT-<br />

Komponenten), zum Beispiel Sensoren und Aktoren<br />

und teilweise zugehörigen AT-Funktionen.<br />

Im Bereich der Erstellung von Bedienbildern (human<br />

machine interface, HMI) existieren umfassende Untersuchungen<br />

und Ansätze, die eine automatische Generierung<br />

unterstützen [13-16]. Um den manuellen Aufwand<br />

zur Erstellung der für die virtuelle Inbetriebnahme<br />

automatisierter Systeme beziehungsweise zur<br />

Durchführung des Integrationstests und der Werksabnahme<br />

benötigten Simulationsmodelle zu reduzieren,<br />

werden in [17-20] verschiedene Ansätze vorgestellt.<br />

Neben der Unterstützung zur automatisierten Erstellung<br />

von Modellen sind für die automatische Generierung<br />

der Steuerungsfunktionen ebenfalls Methoden<br />

entwickelt worden. In [21] wird ein wissensbasiertes<br />

Konzept zur Erstellung von Steuerungscode für Fertigungsmaschinen<br />

und -anlagen beschrieben, in [22] ein<br />

Konzept zur Ableitung und Gewinnung von Verriegelungslogik<br />

und in [23] eine Unterstützung zur Erstellung<br />

von Asset-Management-Funktionen. In [24] wird<br />

die Ableitung von Testszenarien zur frühzeitigen Überprüfung<br />

der Steuerungslogik präsentiert.<br />

Darüber hinaus gibt es vielversprechende Ansätze<br />

auf Basis des Verfahrens- beziehungsweise R&I-Fließbilds,<br />

um die Ursachenanalyse, also den Diagnoseprozess,<br />

systematisch zu unterstützen [25, 26].<br />

2. GEMEINSAMES TOPOLOGIEMODELL ALS GRUNDLAGE<br />

Die innerhalb der Forschung entwickelten und vielversprechend<br />

erscheinenden AoA-Ansätze werden im<br />

industriellen Umfeld bisher kaum angewandt. Ein<br />

wesentliches Hindernis für den ausgebliebenen<br />

Transfer in die Industrie sehen die Autoren darin,<br />

dass die benötigten Daten und die erforderliche Information<br />

zumeist in Dokumenten wie Word, PDF oder<br />

Excel-Tabellen gespeichert sind [27]. Auf Grund einer<br />

fehlenden Formalisierung sowie nicht standardisierten<br />

Datenformaten sind diese in der Regel nicht für<br />

softwarebasierte Analysen und Auswertungen nutzbar<br />

oder zur Erzeugung von Modellen geeignet. Um<br />

dennoch die im vorherigen Abschnitt genannten AoA-<br />

Ansätze zu ermöglichen, greifen diese auf XML-basierte<br />

Datenformate und -modelle, wie CAEX [28],<br />

20<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


AutomationML [28] oder PandIX [30] zurück. Des<br />

Weiteren wird davon ausgegangen, dass die benötigte<br />

Information grundsätzlich in einer geeigneten Struktur<br />

zur Verfügung steht.<br />

Aus Sicht der Autoren besteht beim modellgetriebenen<br />

und beim modellbasierten <strong>Engineering</strong> in der<br />

Automatisierungstechnik und damit auch bei der AoA<br />

das Problem, dass für jeden Ansatz eigene, neue und<br />

sehr spezifische Modelle genutzt werden, die teilweise<br />

mit hohem Aufwand und manchmal manuell erstellt<br />

werden müssen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass<br />

Teilmengen der spezifischen Modelle identisch sind,<br />

insbesondere hinsichtlich der Komponenten- und<br />

Strukturinformation, gegebenenfalls mit unterschiedlichem<br />

Detaillierungsgrad. Deshalb müssen zunächst<br />

die spezifischen Anforderungen geeigneter Anwendungsfälle<br />

untersucht und anschließend deren Überlappung<br />

überprüft werden. Im nächsten Schritt können<br />

dann die übereinstimmenden Anforderungen mit<br />

einem allgemeinen, übergeordneten Topologiemodell<br />

(top level topology model, TLT-Modell) der zu projektierenden<br />

Anlage erfüllt werden. Dieses TLT-Modell<br />

dient anschließend als Ausgangsbasis, um die spezifischen,<br />

für AoA-Ansätze erforderlichen und geeigneten<br />

Teilmodelle zu erzeugen. Unter der Topologie einer<br />

Anlage wird die physikalische Verbindung zwischen<br />

Anlagenelementen, zum Beispiel zum Material- und<br />

Energietransport, und die informationstechnische Verknüpfung,<br />

beispielsweise zwischen Sensoren und<br />

Aktoren, verstanden.<br />

Diesem Konzept folgend werden, wie in Bild 1 (li.)<br />

dargestellt, die spezifischen Teil-Modellinhalte (MI)<br />

MI-1 (grün), MI-2 (gelb) und MI-3 (blau) aus dem TLT-<br />

Modell (graues Rechteck) abgeleitet. Die Modellinhalte<br />

repräsentieren daraufhin ein spezifisches Teilmodell<br />

(M S , Rechteck). Da diese Teilmodelle domänenunabhängig<br />

sind, werden diese in domänenspezifische Modelle<br />

(M D , Sechseck) transformiert (re.), um in spezialisierten<br />

CAE-Werkzeugen, wie zum Beispiel Simulationswerkzeugen,<br />

verwendet werden zu können.<br />

Eine Rücktransformation eines spezifischen Teilmodells<br />

beziehungsweise domänenspezifischen Modells in<br />

das TLT-Modell ist bei diesem Konzept nicht vorgesehen.<br />

Das TLT-Modell fungiert als zentrales, umfassendes Modell,<br />

aus dem sich bei Veränderungen und anlassbezogen<br />

mehrfach neue Modelle generieren lassen.<br />

Für diesen Ansatz wird im nächsten Schritt ermittelt,<br />

für welche <strong>Engineering</strong>-Tätigkeiten ein TLT-Modell<br />

grundsätzlich geeignet sein kann und dementsprechend<br />

auch, welchen Detaillierungsgrad sowie Informationsgehalt<br />

das TLT-Modell aufweisen muss. Hierfür<br />

werden typische AoA-Anwendungsfälle und die zur<br />

Nutzung erforderlichen spezifischen Modellinhalte<br />

(wie Objekte, Attribute, Strukturen) untersucht und<br />

abgeleitet (Bild 2). Diese repräsentieren nun die Anforderungen<br />

an die Modellinhalte des TLT-Modells.<br />

3. ANFORDERUNGEN DER ANWENDUNGSFÄLLE<br />

AN EIN TLT-MODELL<br />

Um die spezifischen Modellinhalte als konkrete Anforderungen<br />

an ein gemeinsames Topologiemodell abzuleiten,<br />

wurden in weltweiter Zusammenarbeit mit Experten<br />

(unter anderem Projektierer, Entwickler, Projektleiter<br />

AT-<strong>Engineering</strong> aus den Bereichen Öl, Gas, Petrochemie,<br />

Mining, Marine und Power der ABB AG)<br />

insgesamt zwölf Anwendungsfälle diskutiert, die<br />

grundsätzlich ein großes Potenzial für AoA bieten. Im<br />

Rahmen einer inhaltlichen sowie wirtschaftlichen Betrachtung<br />

wurde vier Anwendungsfällen eine besonders<br />

hohe Bedeutung zugesprochen. Diese Fälle wurden<br />

vertieft analysiert. Im Rahmen dieses Beitrags<br />

werden zwei Anwendungsfälle (use case, UC), die Generierung<br />

von Prozesssimulationsmodellen und die<br />

Validierung von Ursachenanalysen, vorgestellt. Diese<br />

dienen im nächsten Schritt dazu, die einzelnen Anforderungen<br />

aus Sicht des Anwendungsfalls an das gemeinsame,<br />

übergeordnete TLT-Modell abzuleiten und<br />

daraufhin potenzielle Synergieeffekte aufzuzeigen.<br />

3.1 Betrachtete Anwendungsfälle der AoA<br />

UC-1: Generierung von Prozesssimulationsmodellen<br />

für denIntegrationstest und die Werksabnahme<br />

Die finalen Tests eines Automatisierungssystems vor der<br />

Inbetriebnahme gliedern sich in zwei Phasen: a) Integra-<br />

TLT-Model der zu<br />

projektierenden Anlage<br />

Spezifische<br />

Teilmodelle<br />

Domänenspezifische<br />

Modelle<br />

MI-3<br />

MI-1<br />

MI-2<br />

Ableitung<br />

M S -1<br />

M S -2<br />

M S -3<br />

Transformation<br />

M D -1<br />

M D -2<br />

M D -3<br />

Ableitung<br />

Spezifische Modellinhalte:<br />

- Daten<br />

- Informationen<br />

- Strukturen<br />

- Sichtweisen<br />

- Beziehungen<br />

- …<br />

Anforderung<br />

Modellinhalte des<br />

TLT-Models<br />

BILD 1: Vorgehen zur Erzeugung domänenspezifischer<br />

Modelle aus einem TLT-Modell<br />

BILD 2: Ableitung von Anforderungen an das TLT-Modell<br />

auf Basis spezifischer Modellinhalte<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

21


HAUPTBEITRAG<br />

tionstest, bei dem die Logik der Automatisierungstechnik<br />

und deren Subsystem, inklusive der Interaktionen<br />

zwischen den Subsystemen, gegen die Kundenspezifikation<br />

getestet wird, um die Resultate des <strong>Engineering</strong><br />

zu verifizieren und b) die Werksabnahme, bei der der<br />

Kunde anwesend ist und einige stichprobenartige Tests<br />

am System durchführt, um das System zu validieren.<br />

Während beider Phasen muss das Automatisierungssystem,<br />

sei es real vorhanden oder emuliert, wie in [31]<br />

beschrieben, stimuliert werden, um Reaktionen hervorzurufen<br />

und damit die Logik des Systems zu testen.<br />

Heute wird dies manuell oder mittels geeigneter, kostengünstiger<br />

Methoden, wie in [19] beschrieben, durchgeführt.<br />

Ein Prozesssimulationsmodell wird selten eingesetzt,<br />

da der manuelle Entwicklungsaufwand hierfür<br />

zu hoch ist. Mögliche Herangehensweisen, dieses automatisch<br />

zu erstellen, werden in [19] beschrieben. Dazu<br />

wird das R&I-Fließbild genutzt, um daraus ein domänenspezifisches<br />

Simulationsmodell abzuleiten.<br />

UC-2: Validierung von Ursachenanalysen<br />

Während des Betriebs einer Anlage treten des Öfteren<br />

auf Grund zunächst unbekannter Ursachen Fehler auf,<br />

die im Verlauf eventuell zu größeren Problemen, wie<br />

zum Beispiel Anlagenstillstand, führen. Um die zunächst<br />

schwer erkennbaren Fehlerursachen zu finden,<br />

können statistische Methoden zur Ursachenanalyse<br />

eingesetzt werden, welche auf Analyse von Signalverläufen<br />

basieren [32]. Signalbasierte Analysen sind jedoch<br />

Blackbox-Verfahren, die die physikalischen Zusammenhänge<br />

der Signale innerhalb der Anlage nicht<br />

berücksichtigen. Deshalb bieten diese Verfahren oft<br />

verschiedene Algorithmen an, die divergierende Ergebnisse<br />

für die gleichen Messdaten liefern können. Jeder<br />

der Algorithmen hat seine Daseinsberechtigung, da er<br />

für spezielle Klassen von Signalverläufen aussagekräftige<br />

Ergebnisse liefert.<br />

Diese Vielfalt führt jedoch oft zu Missverständnissen<br />

bei den Servicetechnikern, da diese üblicherweise verschiedene<br />

Algorithmen ausprobieren und deren Ergebnisse<br />

manuell analysieren. Um dies zu vermeiden, kann<br />

ein Topologiemodell helfen [25], welches auf Basis der<br />

Anlagentopologie fehlerhafte Ergebnisse, insbesondere<br />

physikalisch nicht nachvollziehbare Verbreitungspfade,<br />

analysiert und herausfiltert. Um die Ursachenanalyse<br />

systematisch zu unterstützen, bietet es sich an,<br />

den Fehlerverbreitungspfad entgegengesetzt der Ausbreitungsrichtung<br />

physikalischer Wirkungen in der<br />

Anlagentopologie zu analysieren. Um den Aufwand zur<br />

Analyse und genauen Eingrenzung der Fehlerursache<br />

zu reduzieren beziehungsweise zu optimieren, besteht<br />

im ersten Schritt die Möglichkeit, den Fehler modulübergreifend<br />

zu analysieren, um die Ursache grob einzugrenzen<br />

und anschließend das Modul detailliert zu<br />

betrachten, um die konkrete Ursache zu ermitteln.<br />

3.2 Klassifikation von Anforderungen<br />

Für eine strukturierte und konsistente Betrachtung der<br />

einzelnen Anforderungen erfolgt eine Klassifikation in<br />

technologisch (A-1), funktional/nicht-funktional (A-2)<br />

und objekt-/prozess-/projektspezifisch (A-3). Basierend<br />

auf dieser Klassifikation erfolgt im nächsten Schritt,<br />

bezogen auf die betrachteten Anwendungsfälle, die Zuordnung<br />

einer Priorität zu den technologischen Anforderungen.<br />

Die Priorität einer Anforderung beschreibt<br />

die Wichtigkeit der Existenz einer Information im TLT-<br />

Modell für den jeweiligen Anwendungsfall. Darauf<br />

aufbauend werden die technologischen Anforderungen<br />

durch die Zuordnung zu A-2 und A-3 näher charakterisiert.<br />

Dieses Sortierkriterium unterstützt einerseits<br />

eine einfachere Verwaltung der Anforderungen, andererseits<br />

ermöglicht es die Identifizierung der potenziellen<br />

Informationsquellen sowie eine Abschätzung,<br />

zu welchem Zeitpunkt im <strong>Engineering</strong> die Information<br />

zur Verfügung steht. Weiterhin können Aussagen hinsichtlich<br />

der Qualität der Anforderungen gemacht werden,<br />

zum Beispiel ob Information syntaktisch oder<br />

semantisch beschrieben ist oder ob sie direkt oder nur<br />

indirekt aus einem Objekt ableitbar ist.<br />

A-1: Technologische Anforderungen<br />

Aus Sicht der Anwendungsfälle werden unterschiedliche<br />

Anforderungen hinsichtlich Informationsgehalt<br />

und -strukturen an das spezifische Modell gestellt. Die<br />

Einzelanforderungen werden aus Gründen der besseren<br />

Übersicht übergeordneten Klassen von technologischen<br />

Anforderungen zugeordnet (Bild 3) und orientieren sich<br />

unter anderem an der Klassifizierung des erforderlichen<br />

Informationsgehaltes von Simulationsmodellen<br />

für FAT-Testszenarien [33] .<br />

Bild 4 zeigt einen Ausschnitt für die Anforderungsklassen<br />

Strukturaspekt (li.) und Rohrleitung (re.). Die<br />

Anlage beziehungsweise Anlagenobjekte können innerhalb<br />

des Topologiemodells einem oder mehreren Systemaspekten/Sichtweisen<br />

zugeordnet werden. Aus dieser<br />

Zuordnung könnte im nächsten Schritt ein Teilmodell<br />

abgeleitet werden, welches nur die Objekte und Verknüpfungen<br />

enthält, die der spezifischen Sichtweise<br />

zugeordnet sind. Beschreibt das Anlagenobjekt zum<br />

Beispiel eine Rohrleitung, kann, je nach betrachtetem<br />

Anwendungsfall, unterschiedliche spezifische Information,<br />

wie geometrische oder physikalische Eigenschaften,<br />

(= objektspezifisch) relevant sein. Des Weiteren<br />

ist es möglich, dass ein Rohrleitungsobjekt zusätzliche<br />

(projekt-/prozessspezifische) Information, wie<br />

Druck oder Temperatur des Mediums, bereitstellt.<br />

A-2: Funktionale und nicht-funktionale Anforderungen<br />

Weiterhin werden die Anforderungen der Anwendungsfälle<br />

hinsichtlich des Kriteriums der funktionalen<br />

und nicht-funktionalen Anforderungen unterschieden.<br />

Funktionale Anforderungen beschreiben,<br />

was das Produkt beziehungsweise System leisten soll,<br />

wohingegen nicht-funktionale Anforderungen definieren,<br />

wie eine Funktion des Produktes oder des Systems<br />

ausgeführt werden soll.<br />

Im Kontext von Topologiemodellen kann eine funktionale<br />

Anforderung eine konkrete Eigenschaft eines<br />

Objekts beschreiben, zum Beispiel den Durchmesser<br />

einer Rohrleitung oder eines Behälterstutzens. Der Wert<br />

22<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


PLT-Funktion<br />

Graphikelemente<br />

Strukturaspekt<br />

Anlageneinheit<br />

BILD 3:<br />

Klassifikation der<br />

technologischen<br />

Anforderungen<br />

Funktionalität<br />

Technologische<br />

Anforderungen<br />

Anlagenobjekt<br />

Kommunikation<br />

MSR-<br />

Zusammenhang<br />

Prozesswissen<br />

Rohrleitung<br />

BILD 4: Detaillierte Betrachtung der Klassen Strukturaspekt und Rohrleitung<br />

DIN 81346: Funktion, Produkt, Ort<br />

Geometrisch: Länge, Durchmesser,…<br />

Strukturaspekt<br />

VDI 4499: Produkt, Prozess, Ressource<br />

Rohrleitung<br />

Physikalisch: Material, Rauigkeit,…<br />

DIN 61512-2: prozedurorientiert,<br />

prozessorientiert, physikalisch-orientiert<br />

Prozess: Druck, Temperatur,<br />

Durchfluss,…<br />

…<br />

…<br />

des Rohrdurchmessers kann in Form einer Wertangabe<br />

erfolgen und explizit im Modell als Eigenschaft des<br />

Objekts beschrieben werden. Die Anforderung, dass ein<br />

Bedienbild dem Anlagenfahrer eine einfache Orientierung<br />

ermöglicht beziehungsweise als mentales Modell<br />

des Prozesses dient [34], ist eine nicht-funktionale Anforderung.<br />

Im Vergleich zu einer funktionalen Anforderung<br />

kann eine nicht-funktionale Anforderung nicht<br />

explizit modelliert werden. Nicht-funktionale Anforderungen<br />

müssen operationalisiert, das heißt soweit<br />

konkretisiert werden, bis sie „in realisierbare, prüfbare<br />

Anforderungen münden“ [35] und somit modelliert<br />

werden können.<br />

Demgegenüber steht die Problematik, dass nichtfunktionale<br />

Anforderungen häufig eine personenabhängige<br />

Forderung darstellen, die sich schwer operationalisieren<br />

lässt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit,<br />

dass nicht-funktionale Anforderungen durch eine<br />

geeignete, das heißt auch intelligente Verknüpfung von<br />

im Modell vorhandener Information umgesetzt werden<br />

können. Was zu der Vermutung führt, dass nicht-funktionale<br />

Anforderungen nicht unbedingt innerhalb des<br />

TLT-Modells enthalten sein müssen, sondern erst bei<br />

der Ableitung eines anwendungsfallbezogenen Modells<br />

erzeugt werden können. Dies ist im besonderen Maße<br />

bei strukturellen oder hierarchischen Modellaspekten<br />

zu beobachten, wie der Zuordnung von einzelnen Anlagenobjekten<br />

zu übergeordneten Anlageneinheiten.<br />

Das TLT-Modell wird nicht in der Lage sein, die Vielzahl<br />

an verschiedenen Sichtweisen des Systems und<br />

der daraus resultierenden topologischen Strukturen<br />

innerhalb dieses einen Modells zu repräsentieren. Es<br />

besteht dennoch die Möglichkeit, einzelne Anlagenobjekte<br />

einer oder mehreren Sichtweisen zuzuordnen.<br />

A-3: Objekt-, prozess- und projektspezifische<br />

Anforderungen<br />

Neben den beiden genannten Kriterien erfolgt eine dritte<br />

Klassifizierung in objekt-, prozess- und projektspezifische<br />

Anforderungen. Diese Unterscheidung ermöglicht<br />

die strukturierte und systematische Zuordnung<br />

von einzelnen die Anwendungsfälle betreffenden Anforderungen<br />

zu den im Modell enthaltenen Daten.<br />

Objektspezifische Information kann mit geringem<br />

Aufwand abgeleitet werden. Der Durchmesser oder die<br />

Höhe des Behälters repräsentiert eine objektspezifische<br />

Eigenschaft. Dieser Informationsgehalt ist zum Beispiel<br />

grundsätzlich unabhängig vom auf der Anlage ablaufenden<br />

Produktionsprozess.<br />

Soll hingegen ein Behälter einer speziellen Anlageneinheit<br />

beziehungsweise einem Modul zugeordnet werden,<br />

so handelt es sich bei dieser Zuordnung um eine<br />

prozess- oder projektspezifische Anforderung. Die Zuordnung<br />

eines Objekts zu einer übergeordneten funktionalen<br />

Einheit kann über einen zusätzlichen Verweis/<br />

Zuordnung einer Sichtweise am Objekt erfolgen. Dies<br />

ist besonders dann von Interesse, wenn es sich um eine<br />

Mehrprodukt-/Mehrstrang-Anlage handelt. Bei diesem<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

23


HAUPTBEITRAG<br />

Anlagentyp kommt es vor, dass für verschiedene Prozesse<br />

unterschiedliche Produktionswege möglich und<br />

damit auch verschiedene Anlagenzusammenhänge/-<br />

topologien relevant sind. Zur Projektierung solcher<br />

Anlagen unterliegt der erforderliche Informationsgehalt<br />

daher prozessspezifischen Anforderungen und<br />

kann weiterhin von anderen Faktoren beeinflusst werden,<br />

wie der Prozessstruktur des gewählten Automatisierungskonzepts.<br />

Ein weiteres Beispiel für prozessspezifische Anforderungen<br />

lässt sich insbesondere am Beispiel der Fließrichtung<br />

des Prozesses aufzeigen. Dabei kann eine<br />

Rohrleitung prinzipiell die Information der möglichen<br />

Fließrichtung bereitstellen. Dennoch ist die tatsächliche<br />

Fließrichtung in der Regel vom technischen Produktionsprozess<br />

abhängig und gegebenenfalls auch<br />

veränderlich, in Verbindung mit Automatisierungskomponenten<br />

wie zum Beispiel Pumpen. Die Fließrichtung<br />

stellt dementsprechend prozess- und nicht objekt-spezifisches<br />

Wissen dar. Die Integration prozessspezifischen<br />

Informationsgehalts erfordert daher die Erweiterung<br />

hinsichtlich Elementen der Verfahrens- oder<br />

Prozessbeschreibung, wie sie mittels der formalisierten<br />

Prozessbeschreibung [36] bereitgestellt werden.<br />

4.3 Priorisierung von Anforderungen<br />

Grundsätzlich ist es erforderlich, dass Anforderungen<br />

priorisiert werden müssen, um konkurrierende sowie<br />

widersprüchliche Anforderungen in geeigneter Weise<br />

berücksichtigen und umsetzen zu können. Die Priorisierung<br />

kann quantiativ und qualitativ erfolgen. Dabei ist<br />

zu beachten, dass sich die Priorisierung der Anforderung<br />

auf das Vorhandensein der erforderlichen Modellinhalte<br />

zur Erfüllung der spezifischen Anforderung im<br />

TLT-Modell bezieht. Das TLT-Modell kann, hypothetisch<br />

betrachtet, alle während des <strong>Engineering</strong>s entstehenden<br />

Daten enthalten und innerhalb der <strong>Engineering</strong>-Phasen<br />

zu bestimmten Zeitpunkten bereitstellen. Weil die Daten<br />

nicht alle zur gleichen Zeit, sondern sukzessive während<br />

des <strong>Engineering</strong>s erarbeitet werden, kann es vorkommen,<br />

dass für einen Anwendungsfall bestimmte Information<br />

benötigt wird, um diesen lösbar zu machen.<br />

Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass Information<br />

existieren kann, die für die Anwendung zwingend erforderlich<br />

ist und somit eine hohe Priorität hat und andere,<br />

die informative Eigenschaften repräsentiert und<br />

somit eine geringere Priorität erhält. Diese Eigenschaften<br />

können zur Erhöhung der Ergebnisqualität beitragen,<br />

sind aber nicht entscheidend für die grundsätzliche Anwendung<br />

des Modells auf die Anwendungsfälle.<br />

3.4 Zuordnung der Anforderungen<br />

Basierend auf der Klassifikation der Anforderungen<br />

zeigt Bild 5 einen Ausschnitt der Anforderungsdefinition.<br />

Im linken Teil sind die technologischen Anforderungen<br />

(A-1) am Beispiel der Klassen PLT-Funktion,<br />

MSR-Zusammenhang, Anlagenobjekt und Rohrleitung<br />

sowie die detaillierten Anforderungen dargestellt, daneben<br />

die Anforderungen A-2 und A-3. Diese werden,<br />

falls zutreffend, mit einem „x“ markiert. Die Zuordnung<br />

der technologischen Anforderungen erfolgt direkt in<br />

Kombination mit der Priorität (farblich markiert), wobei<br />

diese den Wert 0 (= weniger wichtig, blau), 1 (= wichtig,<br />

gelb) oder 2 (= sehr wichtig, grün) annehmen kann.<br />

Die Priorisierung der technologischen Anforderungen<br />

sowie die Zuordnung der Anforderungen A-2 und<br />

A-3 basieren einerseits auf der Grundlage von Gesprächen<br />

mit den Experten aus den Fach- und Industriebereichen,<br />

andererseits auf der Analyse der vorgestellten<br />

AoA-Ansätze.<br />

Die Gegenüberstellung in Bild 5 zeigt, dass die beiden<br />

betrachteten Anwendungsfälle UC-1 und UC-2 häufig<br />

gleiche (Differenz = 0) oder ähnliche Prioritäten (Differenz<br />

max. 1) hinsichtlich der technologischen Anforderungen<br />

(A-1), das heißt an die erforderlichen Modellinhalte<br />

der spezifischen Teilmodelle, aufweisen. Die<br />

Auswertung ergibt für die Klassen PLT-Funktion und<br />

MSR-Zusammenhang eine 55 %ige beziehungsweise<br />

60 %ige Übereinstimmung hinsichtlich der Prioritäten.<br />

Das bedeutet, dass in beiden Fällen die Art des benötigten<br />

Informationsgehalts im spezifischen Modell übereinstimmt.<br />

Dennoch können geringere Übereinstimmungen<br />

auftreten, wie bei der Klasse Anlagenobjekt<br />

(25 %) und Rohrleitung (33 %).<br />

Grundsätzlich zeigt der Vergleich, dass ein gemeinsamer<br />

Informationsbedarf innerhalb der Anwendungsfälle<br />

und damit der Modelle besteht. Somit kann die in<br />

Abschnitt 3 aufgestellte Vermutung, dass sich Teilmengen<br />

des Informationsbedarfs überlappen, bestätigt werden.<br />

Gleichzeitig bildet dies die Basis für die Aussage,<br />

dass die Verwendung eines zentralen Topologiemodells<br />

für verschiedene modellbasierte Anwendungen sinnvoll<br />

erscheint. Hierdurch könnte der mit der Erstellung<br />

unterschiedlicher, domänenspezifischer Modelle verbundene<br />

Aufwand künftig reduziert werden. Das TLT-<br />

Modell kann somit als Schritt verstanden werden, um<br />

grundsätzlich Information zur Verfügung zu stellen,<br />

und damit als Ausgangspunkt für einen durchgängigen<br />

Einsatz in <strong>Engineering</strong> und Betrieb dienen – insbesondere<br />

für Ansätze hinsichtlich der Automatisierung der<br />

Automatisierung.<br />

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />

Wenn für jede modellbasierte oder modellgetriebene<br />

Vorgehensweise im <strong>Engineering</strong> jeweils ein spezifisches<br />

Modell genutzt wird, bedeutet dies einen hohen<br />

vorbereitenden Aufwand zur Sammlung der notwendigen<br />

Information und zur manuellen oder EDV-gestützten<br />

Überführung in das jeweils benötigte Modell.<br />

Dies stellt ein wesentliches Hemmnis für die weitere<br />

industrielle Verbreitung modellbasierter und modellgetriebener<br />

Methoden, insbesondere auch der Methoden<br />

der Automatisierung der Automatisierung, dar.<br />

Der Vergleich von Anwendungsfällen, basierend auf<br />

der Formulierung von Anforderungen an die Modellinhalte,<br />

konnte Synergieeffekte in Form von überlap-<br />

24<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

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BILD 5: Zuordnung der spezifischen<br />

Modellinhalte als Anforderungen<br />

der Anwendungsfälle<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

25


HAUPTBEITRAG<br />

REFERENZEN<br />

[1] Maurmaier, M., Göhner, P.: Systematischer Einsatz von<br />

Modellen in der Entwicklung von Automatisierungssystemen.<br />

In: at – Automatisierungstechnik 61(6), S. 436–452, 2013<br />

[2] Wagner, T., Löwen, U.: Modellierung: Grundlage für<br />

integriertes <strong>Engineering</strong>. In. Tagungsband Automation,<br />

S. 35-38. VDI 2010<br />

[3] Schlereth, M., Rose, S., Schürr, A.: Model Driven Automation<br />

<strong>Engineering</strong> – Characteristics and Challenges. In:<br />

Informatik-Berichte 2009-01 – Modellbasierte Entwicklung<br />

eingebetteter Systeme, S.1-15. TU Braunschweig 2009<br />

[4] Fay, A., Schleipen, M., Mühlhause, M.: Wie kann man den<br />

<strong>Engineering</strong>-Prozess systematisch verbessern? <strong>atp</strong> - Automatisierungstechnische<br />

Praxis 52 (1-2), S. 80-85, 2009<br />

[5] Schmitz, S., Schluetter, M., Epple, U.: Automation of<br />

Automation – Definition, components and challenges. In:<br />

Proc. IEEE Int. Conf. ETFA 2009, S.1-7. IEEE 2009<br />

[6] Schenk, B., Schlereth, M.: Modellgetriebene Entwicklung<br />

in der Automatisierungtechnik. In. Tagungsband<br />

Automation 2008, S. 195-198. VDI 2008<br />

[7] Diedrich, C., Mühlhause, M.: Modellansätze für die digitale<br />

Fabrik. In: Tagungsband Entwurf komplexer Automatisierungssysteme<br />

2010, S. 11-20. ifak 2010<br />

[8] Mühlhause, M.: Konzept zur durchgängigen Nutzung von<br />

<strong>Engineering</strong>modellen der Automation. Dissertation<br />

Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg. Logos 2012<br />

[9] Böhm, B., Gewald, N., Köhlein, J.: Mechatronic models as<br />

a driver for digital plant engineering: In: Proc. IEEE Int.<br />

Conf. Emerging Technologies & Factory Automation,<br />

S.1-8. IEEE 2011<br />

[10] Böhm, B., Gewald, N.: Durchgängiges <strong>Engineering</strong> durch<br />

Automatisierung von Modelltransformationen. In:<br />

Tagungsband Automation, S. 437-440. VDI 2010<br />

[11] Drath, R., Fedai, M.: CAEX – ein neutrales Datenaustauschformat<br />

für Anlagendaten – Teil 1. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 46(2), S. 52-56, 2008<br />

[12] Fay, A.: Effizientes <strong>Engineering</strong> komplexer Automatisierungssysteme.<br />

In: Schnieder, E., Ständer, T. (Hrsg.) Wird<br />

der Verkehr automatisch sicherer? S. 43-60. iVA 2009<br />

[13] Schmitz, S., Epple, U.: Automatisierte Projektierung von<br />

HMI-Oberflächen. In: Tagungsband Automation 2007,<br />

S. 127-138. VDI 2007<br />

[14] Kirmas, M.: Anwenderbericht zur Nutzung von typischen<br />

Funktionsbausteinen (Typicals) bei der Erstellung von<br />

penden Teilmengen zwischen für AoA-Aufgaben benötigten<br />

Modellen aufdecken. Die Anforderungen fokussieren<br />

hierbei im ersten Schritt auf strukturelle Systemaspekte,<br />

können aber auf Basis einer Betrachtung geeigneter Anwendungsfälle<br />

erweitert werden, zum Beispiel hinsichtlich<br />

des zeitlichen Verhaltens von Modellobjekten zur<br />

Berücksichtigung dynamischer Aspekte.<br />

Mit einem übergeordneten Topologie-Modell (TLT-<br />

Modell), welches als Basis für die Generierung spezifischer<br />

AoA-Modelle verwendet werden kann, ließe<br />

sich somit der aufgabenbezogene Modellierungsaufwand<br />

für modellbasierte und modellgetriebene <strong>Engineering</strong>-Aufgaben<br />

reduzieren.<br />

Die weitere Forschung der Autoren fokussiert auf die<br />

Datenquellen, die eine geeignete Basis für die Erstellung<br />

des TLT-Modells darstellen – insbesondere Datenquellen,<br />

die im Falle von Altanlagen, die noch nicht mit objektorientierten<br />

CAE-Werkzeugen geplant wurden, verfügbar<br />

und computergestützt auswertbar sind [37]. Die automatische<br />

oder zumindest semiautomatische Erzeugung eines<br />

TLT-Modells ist eine wesentliche Voraussetzung dafür,<br />

dass das TLT-Modell, wie zum Beispiel in [1] und [9] disleittechnischer<br />

Anwendersoftware. In: Tagungsband<br />

Automation 2007, S. 783-790. VDI 2007<br />

[15] Doherr, F., Urbas, L., Franze, V., Drumm, O.: Automatische<br />

Generierung von Prozessbedienbildern aus <strong>Engineering</strong>daten.<br />

In: 8. Symposium Informationstechnologien für Entwicklung und<br />

Produktion in der Verfahrenstechnik (IEPV8), 2.-3. März 2011<br />

[16] Doherr, F., Drumm, O., Franze, V., Urbas, L.: Bedienbilder auf<br />

Knopfdruck - Modellbasierte Erstellung von Fließbilddarstellungen.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische Praxis<br />

53(11), S. 30-39, 2011<br />

[17] Hoyer, M.: Catalogue based computer aided engineering<br />

(CAE) of process models. Dissertation University of<br />

Clamorgan, erarbeitet an der University of Applied Science<br />

and Art Hannover, 2007<br />

[18] Franze, V., Drumm, O.: CAE-gespeiste Anlagensimulation<br />

- Simulation zum Nulltarif? In: Tagungsband Automation<br />

2009, S. 209-212. VDI 2009<br />

[19] Barth, M.: Automatisch generierte Simulationsmodelle verfahrenstechnischer<br />

Anlagen für den Steuerungstest. Dissertation<br />

Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg. VDI-Verlag 2011<br />

[20] Sokolov, S., Liu, Z., Diedrich, C.: Semi-automatisierte<br />

Modellgenerierung für virtuelle Inbetriebnahme verfahrenstechnischer<br />

Anlagen. In: Tagungsband Entwurf komplexer<br />

Automatisierungssysteme 2012, S. 227-238. ifak 2012<br />

[21] Güttel, K., Weber, P., Fay, A.: Konzept zur Generierung von<br />

Steuerungscode unter Verwendung wissensbasierter<br />

Methoden in der Fertigungsautomatisierung. In: Tagungsband<br />

Automation, S. 309-312. VDI 2009<br />

[22] Drath, R., Fay, A., Schmidberger, T.: Computer-aided design<br />

and implementation of interlock control code. In: Proc. IEEE<br />

Conf. Computer Aided Control System Design, S. 2652-2658.<br />

IEEE 2006<br />

[23] Schmidberger, T., Fay, A., Drath, R., Horch, A.: Von Anlagenstrukturinformationen<br />

automatisch zum Asset Management.<br />

<strong>atp</strong> - Automatisierungstechnische Praxis 48(6), S. 54-61, 2006<br />

[24] Kumar, B., Gilani, S., Niggemann, O., Schäfer, W.: Automated<br />

test case generation from complex environment models for<br />

PLC control software testing and maintenance. In: Tagungsband<br />

Automation 2013, S. 129-134. VDI 2013<br />

[25] Yim, S.Y., Ananthakumar, H.G., Benabbas, L., Horch, A.,<br />

Drath, R., Thornhill, N.F.: Using the Process Schematic<br />

in Plant-wide Disturbance Analysis. In: Tagungsband<br />

ESCAPE-16 & PSE-2006, S. 1431-1436. Elsevier 2006<br />

26<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


kutiert, als potenzielles Quellmodell innerhalb des <strong>Engineering</strong>s<br />

dienen kann. Dementsprechend bedarf es für<br />

die Ableitung spezifischer, aufgabenbezogener Modelle<br />

aus dem TLT-Modell der Definition geeigneter Regeln, die<br />

einerseits Ableitung und Erstellung des erforderlichen<br />

spezifischen Modellinhaltes ermöglichen. Andererseits<br />

wird ein Konzept benötigt, welches die Informationsdurchgängigkeit<br />

an den entstehenden Modellschnittstellen<br />

sicherstellt.<br />

MANUSKRIPTEINGANG<br />

26.10.2013<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

[26] Di Geronimo Gil, G.J., Alabi, D.B., Iyun, O.E., Thornhill,<br />

N.F.: Merging Process Models and Plant Topology.<br />

In: Proc. 4th Int. Symp. Advanced Control of Industrial<br />

Processes, S. 15–21. IEEE 2011<br />

[27] Scherwietes, T.: Neues CAE/PLS-Interface vereinfacht<br />

den Austausch von Automatisierungsdaten. In: <strong>atp</strong><br />

<strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2),<br />

S. 24-26, 2012<br />

[28] IEC 62424: Festlegung für die Darstellung von Aufgaben<br />

der Pozessleittechnik in Fließbildern und für den<br />

Datenaustausch zwischen EDV-Werkzeugen zur<br />

Fließbilderstellung und CAE-Systemen, 2010<br />

[29] IEC 62714: Datenaustauschformat für Planungsdaten<br />

industrieller Automatisierungssysteme (AutomationML)<br />

- Teil 1: Architektur und allgemeine Festlegungen, 2012<br />

[30] Epple, U., Remmel, M., Drumm, O.: Modellbasiertes<br />

Format für RI-Informationen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische<br />

Praxis 53(1-2), S. 62-71, 2011<br />

[31] Hoernicke, M., Greifeneder, J., Barth, M.: Effizientes<br />

Testen heterogener Leitsystemkonfigurationen –<br />

Integration gewerkeübergreifender Hardware-Emulatoren.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />

54(11), S. 46-54, 2012<br />

[32] Bauer, M., Horch, A.: Systematische Fehlerdiagnose von<br />

anlagenweiten Störungen. Eine Anwendung aus der<br />

Prozessindustrie. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 50(5), S. 20-25, 2008<br />

[33] Barth, M., Fay, A., Greifeneder, J., Weber, P.: Simulationsbasierte<br />

Steuerungsfunktionstest. Generierung von<br />

Anlagenmodellen aus CAE-Planungsdaten. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> –<br />

Automatisierungstechnische Praxis 54(5), S. 54-61, 2012<br />

[34] Hollifield, B.: The high performance HMI handbook.<br />

A comprehensive guide to designing, implementing<br />

and maintaining effective HMIs for industrial plant<br />

operations. PAS 2008<br />

[35] Herrmann, A., Knauss, E., Weißbach, R.: Requirements<br />

<strong>Engineering</strong> und Projektmanagement. Springer Vieweg 2013<br />

[36] VDI/VDE 3682: Formalisierte Prozessbeschreibungen,<br />

2008<br />

[37] Hoernicke, M., Christiansen, L., Fay, A.: Anlagentopologien<br />

automatisch erstellen – Erzeugen von Modellen aus<br />

der Mensch-Maschine Schnittstelle. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 56(4), im Druck, 2014<br />

AUTOREN<br />

Dipl.-Ing. (FH) LARS<br />

CHRISTIANSEN (geb. 1984) ist<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

an der Professur für Automatisierungstechnik<br />

an der<br />

Helmut-Schmidt-Universität/<br />

Universität der Bundeswehr<br />

Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt<br />

ist die Unterstützung<br />

der Anlagendiagnose mittels Modellen<br />

aus dem <strong>Engineering</strong>-Prozess.<br />

Institut für Automatisierungstechnik,<br />

Helmut-Schmidt-Universität/<br />

Universität der Bundeswehr Hamburg,<br />

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,<br />

Tel. +49 (0) 40 65 41 23 26,<br />

E-Mail: lars.christiansen@hsu-hh.de<br />

Dipl.-Ing. (FH) MARIO<br />

HOERNICKE (geb. 1984) ist<br />

Principal Scientist am ABB<br />

Forschungszentrum in Ladenburg.<br />

Sein Arbeitsschwerpunkt<br />

umfasst die Entwicklung neuer<br />

und innovativer <strong>Engineering</strong>-<br />

Konzepte im Bereich Emulation<br />

von Leitsystemfunktionen und<br />

Subsystemen, Simulation von Prozessen sowie der<br />

Automation des <strong>Engineering</strong>s.<br />

ABB AG Forschungszentrum,<br />

Wallstadter Str. 59, D-68526 Ladenburg,<br />

Tel. +49 (0) 6203 71 62 66,<br />

E-Mail: mario.hoernicke@de.abb.com<br />

Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER FAY<br />

Alexander Fay (geb. 1970) ist<br />

Professor für Automatisierungstechnik<br />

an der Fakultät<br />

für Maschinenbau der Helmut-<br />

Schmidt-Universität/Universität<br />

der Bundeswehr Hamburg.<br />

Sein Forschungsschwerpunkt<br />

sind Beschreibungsmittel,<br />

Methoden und Werkzeuge für einen effizienten<br />

Entwurf von Automatisierungssystemen.<br />

Institut für Automatisierungstechnik,<br />

Helmut-Schmidt-Universität/<br />

Universität der Bundeswehr Hamburg,<br />

Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,<br />

Tel. +49 (0) 40 654 27 19,<br />

E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

27


HAUPTBEITRAG<br />

Einsatz leitsystemintegrierter<br />

Prädiktivregler<br />

Unit Templates für die chemische Industrie<br />

Ein in das Prozessleitsystem integrierter modellbasierter Prädiktivregler bietet hinsichtlich<br />

Verfügbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, Wartung und Kosten dieselben<br />

Vorzüge wie ein konventioneller PID-Regler, hat aber das Potenzial zu deutlich höherer<br />

Regelgüte. Dies ermöglicht die Erschließung neuer Einsatzmöglichkeiten, bei<br />

denen ein separates full-blown MPC-Softwarepaket auf einem externen PC aus wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht zu rechtfertigen ist. Der Beitrag fasst Aspekte zusammen,<br />

die bei der Auswahl von Einsatzmöglichkeiten für leitsystemintegrierte MPC-Lösungen<br />

relevant sind. Durch die Einbindung von MPC-Funktionen in wiederverwendbare<br />

Module auf der Ebene von Equipment Modules und auf der Ebene verfahrenstechnischer<br />

Units (Unit Templates) kann APC-Know-how einfach angewendet<br />

und der <strong>Engineering</strong>-Aufwand für MPC-Projekte reduziert werden.<br />

SCHLAGWÖRTER Gehobene Regelungsverfahren / Prädiktivregelung / Einzelsteuerung<br />

/ Automatisierungslösung<br />

Applications of DCS embedded Model Predictive Control –<br />

Solution Templates for Chemical Industry<br />

DCS embedded Model Predictive Control offers the same degree of availability,<br />

usability, ease of maintenance, and cost-efficiency as conventional PID controllers,<br />

while offering a potential for better control performance. This opens up potential<br />

new application fields where separate full-scale MPC software packages are not<br />

profitable. This article summarizes general aspects related to the selection of attractive<br />

applications for embedded MPC. By integrating MPC functionality in re-usable<br />

software modules at the layer of equipment modules and at the layer of process units<br />

(“unit templates”) APC expertise can easily be used in real world applications and<br />

the engineering input required for MPC projects can be reduced.<br />

KEYWORDS advanced process control / model predictive control / equipment<br />

module / unit template<br />

28<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


BERND-MARKUS PFEIFFER, HERBERT GRIEB, OTMAR LORENZ, DIRK LOSERT, DÖRTE SACK,<br />

Siemens<br />

Advanced-Process-Control-Projekte (APC) im<br />

Allgemeinen und Model-Predicitve-Control-<br />

Projekte (MPC) im Speziellen können von<br />

verschiedenen Seiten ihren Ausgangspunkt<br />

nehmen:<br />

In einer Anlage gibt es ein Regelungsproblem, das<br />

sich mit konventionellen Mitteln nur schwer oder<br />

gar nicht lösen lässt. Dies kann im Zusammenhang<br />

mit einer Erhöhung des Automatisierungsgrades<br />

stehen, das heißt mit der Reduktion manueller Eingriffe<br />

in die Prozessführung.<br />

Eine bestimmte verfahrenstechnische Teilanlage<br />

soll ohne kostspielige mechanische/verfahrenstechnische<br />

Umbaumaßnahmen optimiert werden,<br />

beispielsweise hinsichtlich Durchsatz oder Ressourcenverbrauch.<br />

Aus überlagerter Sicht wird geprüft, an welchen<br />

Stellen einer Anlage durch den Einsatz gehobener<br />

Regelungsverfahren, wie MPC, ein Optimierungspotenzial<br />

besteht.<br />

In allen Fällen wird vor der Durchführung eines Projektes<br />

geprüft, ob die Chance besteht, den investierten<br />

Aufwand zu amortisieren. Je geringer die geplante Investition,<br />

desto geringer sind die Anforderungen an den<br />

erwarteten wirtschaftlichen Nutzen, und desto geringer<br />

ist der Aufwand, der in eine vorherige Abschätzung<br />

des Nutzenpotenzials gesteckt werden muss.<br />

1. AUSWAHL VON MPC-APPLIKATIONEN<br />

Wenn aufgrund eines Problems mit Basisreglern oder<br />

eines Optimierungsbedarfs ohnehin eine Teilanlage<br />

oder ein Apparat im Fokus steht, stellt sich die Frage,<br />

ob ein MPC-Projekt überhaupt gestartet werden soll.<br />

Wenn ganze Standorte oder einzelne Anlagen nach<br />

Einsatzmöglichkeiten durchsucht werden, werden zuerst<br />

solche Unit-Typen betrachtet, zu denen es einschlägige<br />

MPC-Referenzen in der betreffenden Branche gibt<br />

beziehungsweise die als Einsatzfelder für Mehrgrößenregler<br />

bekannt sind; zum Beispiel Destillationskolonnen,<br />

Rührkesselreaktoren, Steam-Reformer, Mühlen<br />

und Trockner in der Chemie oder Schmelzöfen und<br />

Speiserinnen in der Glasindustrie. Full-blown MPC-<br />

Software wird ebenso auf der Ebene der anlagenweiten<br />

Automatisierung eingesetzt, beispielsweise bei Kolonnenverbünden,<br />

Crackern oder Kreislaufprozessen.<br />

1.1 Abschätzung des Nutzenpotenzials<br />

Die Ziele, die im Hinblick auf Durchsatz, Ressourceneinsparung<br />

und Produktqualität mit einer APC-Anwendung<br />

(wie MPC) in verfahrenstechnischen Anlagen verfolgt<br />

werden, sind in [9] ausführlich beschrieben. Oftmals<br />

werden solche Ziele in zwei Schritten erreicht:<br />

1 | Reduktion der Schwankungen (Streuung, Varianz)<br />

von Prozessgrößen durch eine verbesserte Regelung.<br />

2 | Durch die reduzierte Streuung wird es möglich,<br />

bestimmte Sollwerte näher an kritische Nebenbedingungen<br />

zu fahren, ohne Gefahr zu laufen, diese<br />

Nebenbedingungen häufig zu verletzen. Durch<br />

dieses Ausreizen der Anlage bis zum physikalischen<br />

Limit (Kapazität, Sicherheit, Produktqualität)<br />

kann zum Beispiel der Durchsatz erhöht<br />

oder der Energieverbrauch reduziert werden.<br />

Der wirtschaftliche Nutzen kann in verschiedenen Fahrweisen<br />

oder Betriebszuständen des Prozesses erbracht<br />

werden, die in einer vereinfachten Nutzen-Matrix entsprechend<br />

Tabelle 1 dargestellt sind. Eine qualitative Nutzenabschätzung<br />

lässt sich im Gespräch mit Anlagenfahrern,<br />

Verfahrensingenieuren und Betriebsleitern meist sehr<br />

leicht ermitteln, während eine quantitative Nutzenabschätzung,<br />

siehe [2], [3], einen höheren Aufwand erfordert<br />

und dennoch mit gewissen Unsicherheiten behaftet bleibt.<br />

Bei leitsystemintegrierten MPC-Anwendungen sind die<br />

Einstandskosten so gering, dass eine aufwendige, quantitative<br />

Nutzenabschätzung vor Projektbeginn erfahrungsgemäß<br />

einen vergleichbaren Aufwand wie eine<br />

tatsächliche Probeimplementierung erfordern würde<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

29


HAUPTBEITRAG<br />

TABELLE 1:<br />

Matrix zur Nutzenabschätzung<br />

für kleine und<br />

mittelgroße<br />

APC-Projekte<br />

und daher nicht zwingend erforderlich ist. Das ändert<br />

nichts an der Tatsache, dass sich die Kosten der MPC-<br />

Applikation aus Sicht des Anlagenbetreibers wirtschaftlich<br />

amortisieren sollen.<br />

1.2 Eingrößenregelung versus Mehrgrößenregelung<br />

Wenn es an einer Teilanlage mehrere Stell- und Regelgrößen<br />

gibt, die sich gegenseitig beeinflussen, haben wir<br />

es mit der Aufgabenstellung einer Mehrgrößenregelung<br />

zu tun. Trotzdem ist nicht in jedem Fall tatsächlich ein<br />

Mehrgrößenregler erforderlich. Ziel der Regelung ist es<br />

immer, jede Regelgröße auf ihren individuellen Sollwert<br />

zu führen, unabhängig von den anderen Regelgrößen.<br />

Dies wird dadurch erschwert, dass ein Eingriff an<br />

einer Stellgröße (zum Beispiel MV1) nicht nur über die<br />

Hauptstrecke (beispielsweise G(1,1)) auf eine Regelgröße<br />

(wie CV1) wirkt, sondern auf alle Regelgrößen, über<br />

alle Koppelstrecken (zum Beispiel G(i,1)).<br />

Wenn die Wirkung der Koppelstrecken (im Beispiel<br />

G(2,1) und G(1,2)) schwach gegenüber den Hauptstrecken<br />

(im Beispiel G(1,1) und G(2,2)) ist, kann es gelingen,<br />

das Mehrgrößenproblem mit einzelnen PID-Reglern<br />

zu lösen (dezentrale Regelung). Eventuell können<br />

einzelne Koppelstrecken mit Hilfe einer Störgrößenaufschaltung<br />

kompensiert werden. Wenn die Wirkung<br />

der Koppelstrecken jedoch zu stark ist (große Verstärkungen,<br />

geringe Verzugszeiten), oder es um mehr als<br />

zwei bis drei verkoppelte Größen geht, wird ein echter<br />

Mehrgrößenregler erforderlich. Folgende Fragen können<br />

bei der Entscheidung Eingrößen- oder Mehrgrößenregler<br />

relevant sein:<br />

Gibt es Auswirkungen an anderen Regelkreisen,<br />

wenn an einem Regelkreis ein Sollwertsprung<br />

durchgeführt wird? Entstehen Schwierigkeiten bei<br />

der Einstellung der Einzelregelkreise, weil sich eine<br />

veränderte Reglerparametrierung an einem einzigen<br />

PID-Regler auf benachbarte Regelkreise auswirkt?<br />

Werden die Variablen, die einen Einfluss auf benachbarte<br />

Regelstrecken haben, im Betrieb der<br />

Anlage tatsächlich verändert? Gegenbeispiel: einen<br />

Zusammenhang zwischen Druck und Temperatur<br />

in einem Gasvolumen (in einem Reaktor oder Tank)<br />

ist zu vernachlässigen, wenn entweder Druck oder<br />

Temperatur im Betrieb konstant gehalten werden.<br />

Sind die Regelgrößen, die stark gekoppelt sind, bezüglich<br />

ihrer Regelgüte tatsächlich relevant für den<br />

wirtschaftlichen Betrieb der Anlage? Gegenbeispiel:<br />

Füllstandsregelungen, bei denen eine besonders<br />

genaue Einhaltung des Füllstands prozesstechnisch<br />

nicht erforderlich ist.<br />

Sind in der Vergangenheit Versuche gescheitert,<br />

Verkopplungsprobleme in der betrachteten Unit<br />

mit Hilfe einer Störgrößenaufschaltung zu lösen,<br />

beziehungsweise musste unverhältnismäßig viel<br />

Aufwand in Entwurf und Projektierung spezieller<br />

Entkopplungsmaßnahmen bei verwandten Problemstellungen<br />

investiert werden?<br />

Im Zweifelsfall lässt sich ein Mehrgrößen-Prozessmodell<br />

mit Hilfe eines MPC- Werkzeugs identifizieren. In der Matrix<br />

der Übertragungsfunktionen kann das Verhalten der<br />

Koppelstrecken im Vergleich zu den Hauptstrecken auf der<br />

Diagonalen der Matrix beurteilt werden. Obwohl es theoretisch<br />

eine Reihe verschiedener Algorithmen für Mehrgrö-<br />

30<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Softwarepaketen realisierbar (zum Beispiel Inca MPC-<br />

4Batch von Ipcos und Pavilion8 von Rockwell).<br />

DV1<br />

ModPreCon<br />

MV1<br />

MV2<br />

G(1,d)<br />

G(1,1)<br />

G(2,1)<br />

G(1,2)<br />

G(2,2)<br />

G(2,d)<br />

BILD 1: Mehrgrößenregelung.<br />

CV: Regelgröße (controlled variable),<br />

MV: Stellgröße (manipulated variable),<br />

DV: Störgröße (disturbance variable).<br />

Eine Teilübertragungsfunktion G(i,j) beschreibt die<br />

Wirkung von Stellgröße j auf Regelgröße i. Das Bild<br />

zeigt eine 2x2-Strecke; es können aber auch mehr<br />

als zwei Stell- und Regelgrößen eine Rolle spielen.<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

ßenregler gibt, hat sich in der Prozessindustrie die modellbasierte<br />

Prädiktivregelung als Standardlösung für Mehrgrößenprobleme<br />

durchgesetzt, siehe zum Beispiel [15].<br />

1.3 Batch- und Konti-Prozesse<br />

Die meisten verfahrenstechnischen Prozesse sind bei<br />

genauer Betrachtung von Thermodynamik oder Reaktionskinetik<br />

nichtlineare Prozesse. Wenn sie im Konti-<br />

Betrieb an einem festen Arbeitspunkt betrieben werden,<br />

lässt sich das Prozessverhalten in der Umgebung<br />

dieses Arbeitspunktes jedoch linearisieren, sodass<br />

Regelalgorithmen einsetzbar sind, die auf linearen Prozessmodellen<br />

beruhen. Die meisten MPC-Anwendungsfälle<br />

finden sich daher in Konti-Prozessen.<br />

Im Gegensatz dazu durchläuft ein Batch-Prozess im<br />

Verlauf der Herstellung einer Charge verschiedene Arbeitspunkte,<br />

sodass die Nichtlinearitäten des Prozessverhaltens<br />

tatsächlich sichtbar werden. Der Einsatz<br />

linearer Regelalgorithmen (PID oder MPC) erfordert in<br />

diesem Fall zusätzliche Maßnahmen, wie<br />

Automatikbetrieb nur in bestimmten Arbeitspunkten,<br />

das heißt in bestimmten Phasen der Rezeptsteuerung.<br />

Arbeitspunkt-abhängige oder rezeptgesteuerte PID-<br />

Parametersätze oder MPC-Prozessmodelle.<br />

Trajektorienregelung [6]<br />

Das MPC-Konzept erlaubt es prinzipiell, nichtlineare<br />

Modelle im Prädiktivregler zu verwenden. Solche Algorithmen<br />

sind jedoch derzeit Gegenstand von Forschungsprojekten<br />

und nur in wenigen kommerziellen<br />

CV1<br />

CV2<br />

1.4 Online-Optimierung versus Offline-Optimierung<br />

Einer der Erfolgsfaktoren von MPC ist, ein Regelungsproblem<br />

als Optimierungsproblem aufzufassen. Die<br />

Grundform des Gütekriteriums lautet:<br />

(1)<br />

w enthält die Zeitreihen der zukünftigen Sollwerte,<br />

y enthält den Verlauf der Regelgrößen in der Zukunft<br />

(innerhalb des Prädiktionshorizonts),<br />

Δu enthält die zukünftigen Änderungen der Stellgröße<br />

(innerhalb des Steuerhorizonts).<br />

Q und R sind Gewichtungsmatrizen. Wenn die Gewichtung<br />

in der Matrix Q vergrößert wird, muss der Regler<br />

seine Stellgrößen vorsichtiger bewegen, sodass ein<br />

langsameres, aber robusteres Regelverhalten entsteht.<br />

Über die Gewichtsfaktoren in der Matrix R wird die<br />

relative Bedeutung der einzelnen Regelgrößen vorgegeben.<br />

Eine höhere Gewichtung (Priorität) für eine einzelne<br />

Regelgröße bedeutet, dass diese sich schneller<br />

zum Sollwert hinbewegt und im stationären Zustand<br />

genauer am Sollwert bleibt, falls sich nicht alle Sollwerte<br />

exakt erreichen lassen.<br />

Als Nebenbedingungen für das Optimierungsproblem<br />

sind in erster Linie die Begrenzungen der Stellgrößen<br />

relevant; aber es können zusätzlich weitere<br />

Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Wird das<br />

Optimierungsproblem zunächst gelöst, ohne Nebenbedingungen<br />

zu berücksichtigen, und werden die<br />

Stellgrößen erst nachträglich begrenzt, ergibt sich ein<br />

MPC-Algorithmus, der mit relativ geringem Rechenaufwand<br />

auskommt und sich daher zur Implementierung<br />

in der prozessnahen Komponente eines Leitsystems<br />

besonders anbietet. Ein Beispiel für eine solche<br />

Implementierung ist der MPC-Funktionsbaustein<br />

ModPreCon, der zum serienmäßigen Lieferumfang<br />

des Prozessleitsystems Simatic PCS 7 gehört. Dieser<br />

rechenzeitsparende Algorithmus kann jedoch in bestimmten<br />

Fällen zu suboptimalen Lösungen führen.<br />

Daher gibt es MPC-Algorithmen, die tatsächlich in<br />

jedem Abtastschritt das dynamische Optimierungsproblem<br />

iterativ unter Berücksichtigung aller Begrenzungen<br />

lösen. Jede Auswertung des Gütekriteriums in<br />

einem Iterationsschritt der Optimierung bedeutet dabei<br />

eine Simulation des Mehrgrößen-Prozessmodells über<br />

den kompletten Prädiktionshorizont. Daher erfordern<br />

solche Algorithmen einen um Größenordnungen höheren<br />

Rechenaufwand. Dieser Aufwand ist in folgenden<br />

Fällen gerechtfertigt:<br />

Regelungsprobleme mit einer Vielzahl von relativ<br />

eng beschränkten Stellgrößen, bei denen damit zu<br />

rechnen ist, dass die Begrenzungen im Regelbetrieb<br />

eine entscheidende Rolle spielen.<br />

Regelungsprobleme mit individuellen Formulierungen<br />

des Optimierungsproblems, bei denen die<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

31


HAUPTBEITRAG<br />

Fähigkeit zur Online-Lösung komplexer Optimierungsprobleme<br />

das wichtigste Argument für den<br />

MPC-Einsatz ist.<br />

2. IMPLEMENTIERUNGSVARIANTEN<br />

Eine ausführliche Diskussion der Frage, welche Funktionen<br />

generell und im Zusammenhang mit MPC in ein Prozessleitsystem<br />

integriert werden sollen, findet sich in [1].<br />

Im Beitrag werden nur die Gesichtspunkte Funktionsumfang,<br />

Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit betrachtet.<br />

2.3 Kosten<br />

Der Einstandspreis für eine schlüsselfertige embedded<br />

MPC-Applikation (Hardware, Software und <strong>Engineering</strong>)<br />

ist um eine ganze Größenordnung geringer als für<br />

ein separates MPC-System, sodass auch kleinere Anwendungen<br />

lukrativ werden, bei denen es keine Möglichkeit<br />

gibt, die Kosten für einen separaten full-blown<br />

MPC zu amortisieren. Oft werden leitsystemintegrierte<br />

MPC-Applikationen mit eigenem EMR-Personal aus der<br />

Betriebsbetreuung (Elektro-, Mess- und Regelungstechnik)<br />

durchgeführt.<br />

2.1 Funktionsumfang<br />

Full-blown MPC-Softwarepakete als separates System,<br />

die auf einem externen PC installiert und an das Prozessleitsystem<br />

angeschlossen werden, haben einen sehr<br />

viel größeren Funktionsumfang als leitsystemintegrierte<br />

(embedded) MPC-Bausteine:<br />

Größere oder praktisch unbegrenzte Anzahl von<br />

Stell- und Regelgrößen<br />

Online-Optimierung unter Berücksichtigung von<br />

Nebenbedingungen<br />

Maximale Flexibilität bei der Formulierung des<br />

Gütekriteriums für die dynamische Optimierung<br />

von Übergangsvorgängen und die statische Arbeitspunktoptimierung<br />

Hierarchisches Regelungskonzept mit Zielen verschiedener<br />

Prioritätsklassen<br />

2.2 Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit<br />

Im Hinblick auf Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit<br />

bietet ein embedded MPC wesentliche Vorteile:<br />

Es sind keine separate Hardware und keine externe<br />

Kommunikationsschnittstelle erforderlich.<br />

Der MPC-Baustein entspricht von seiner Verfügbarkeit<br />

her dem konventionellen PID-Regler. Es sind<br />

daher keine Backup-Strategien und keine Maßnahmen<br />

zur Überwachung der Kommunikation mit<br />

externen PCs nötig. Die Möglichkeiten redundanter<br />

Prozessrechensysteme (Automation Station, AS)<br />

können voll genutzt werden, was die Verfügbarkeit<br />

der APC-Funktionen erhöht.<br />

Der MPC-Baustein kann im Rahmen des <strong>Engineering</strong>s<br />

aufwandsarm verschaltet werden, genau wie<br />

ein konventioneller PID-Regler, unter Verwendung<br />

vorgefertigter Messstellen-Typen (Muster-Signalflusspläne<br />

im Continuous Function Chart (CFC)).<br />

Bedienen und Beobachten des MPC-Bausteins erfolgen<br />

mit einem Standard-Bildbaustein (faceplate).<br />

Weil das Look-and-feel dem eines konventionellen<br />

PID-Reglers entspricht, reduziert sich der Einarbeitungsaufwand,<br />

und meist entfällt der Bedarf, externe<br />

Dienstleister als Experten für spezielle MPC-<br />

Softwarepakete hinzuzuziehen.<br />

2.4 Wartung<br />

Leitsystemintegrierte MPC-Lösungen lassen sich in der<br />

Regel wie konventionelle Regelungsanwendungen<br />

durch das vorhandene betriebsnahe EMR-Personal vor<br />

Ort warten und pflegen. Damit entfallen aufwendige<br />

Vor-Ort-Einsätze externer APC-Experten von global<br />

agierenden APC-Dienstleistern, zum Beispiel im Falle<br />

von Störungen oder Leitsystem-Migrationen. Darüber<br />

hinaus lässt sich die Gefahr der Abschaltung solcher<br />

MPC-Lösungen aufgrund von reduzierter Regelgüte<br />

mangels angemessener Wartung verringern, da sich das<br />

Personal vor Ort darum kümmern kann.<br />

2.5 Verfügbare MPC-Software<br />

Separate MPC-Systeme<br />

In [4] ist eine Marktübersicht zu MPC-Programmsystemen<br />

von verschiedenen Anbietern zu finden. Die wesentlichen<br />

Anbieter sind auch heute noch am Markt.<br />

Neben spezialisierten und leitsystemunabhängigen<br />

Software-Firmen wie AspenTech (Produkt DMCplus)<br />

oder Ipcos (Produkt Inca MPC) bieten die meisten Hersteller<br />

von Prozessleitsystemen zusätzliche MPC-Software-Pakete<br />

an, zum Beispiel ABB Predict&Control,<br />

Honeywell Profit Controller oder Yokogawa Exasmoc.<br />

Veränderungen haben sich in den letzten Jahren durch<br />

Firmenübernahmen ergeben: Pavilion gehört jetzt zu<br />

Rockwell Automation, Matrikon zu Honeywell, Invensys<br />

(einschließlich Simsci-Esscor und Produkt Connoisseur)<br />

zu Schneider Electric.<br />

Leitsystemintegrierte MPC<br />

Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 von Siemens<br />

gibt es seit 2007 einen embedded MPC für bis zu 4x4<br />

miteinander verkoppelte Stell- und Regelgrößen. Für<br />

2014 (Version 8.1) ist darüber hinaus erstmals die Lieferung<br />

eines embedded MPC für bis zu 10x10 Stell- und<br />

Regelgrößen sowie dynamische Online-Optimierung<br />

geplant. Dieses Produkt wird die Lücke zwischen fullblown<br />

und embedded MPC schließen. Der MPC10x10-<br />

Funktionsbaustein bietet bezüglich Verfügbarkeit und<br />

Benutzerfreundlichkeit die Vorteile eines embedded<br />

MPC, reicht von seinem Funktionsumfang her aber sehr<br />

nahe an einen full-blown MPC heran. Ein ähnliches Produkt<br />

wird von Emerson angeboten: DeltaV PredictPro.<br />

32<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


3. ENGINEERING-EFFIZIENZ BEI APC-APPLIKATIONEN<br />

Bei den Gesamtkosten eines APC-Projekts spielen neben<br />

den Kosten für die Aufnahme von Lerndaten am Prozess<br />

die <strong>Engineering</strong>-Kosten meist eine dominierende Rolle.<br />

Lassen sich die <strong>Engineering</strong>-Kosten spürbar reduzieren,<br />

steigt die Zahl der wirtschaftlich attraktiven APC- beziehungsweise<br />

MPC-Applikationen deutlich an. Ein Schlüssel<br />

zur Reduktion von <strong>Engineering</strong>-Kosten ist die Wiederverwendung<br />

von Software-Modulen. Dies scheint auf den<br />

ersten Blick im Widerspruch zum individuellen Charakter<br />

vieler verfahrenstechnischer Anlagen und vieler APC-<br />

Applikationen zu stehen. Dennoch gibt es tatsächlich<br />

wiederholbare Muster bei der Automatisierung verfahrenstechnischer<br />

Anlagen. In solchen Anlagen gibt es neben<br />

echten Package-Units eine Vielzahl weiterer Anlagenkomponenten,<br />

die sich bestimmten Klassen zuordnen<br />

lassen und immer wieder in ähnlicher Form vorkommen.<br />

Die Grundidee einer Unit-oriented Automation besteht<br />

darin, die gesamte Automatisierungslösung für solche<br />

Units in Form von Vorlagen (Templates) zu vereinheitlichen<br />

und als Musterlösung vorgefertigt auszuliefern, sodass<br />

der <strong>Engineering</strong>-Aufwand und die Know-how-Anforderungen<br />

für die konkrete Applikation auf die Instanz<br />

einer Unit deutlich reduziert werden. Die Automatisierungslösung<br />

für eine Unit kann als Software-Modul in<br />

einem zentralen Prozessleitsystem untergebracht werden.<br />

Sie ist daher nicht an eine dedizierte lokale Automatisierungshardware<br />

wie bei einer Package-Unit gebunden.<br />

Im Rahmen der Musterlösungen kann Erfahrungswissen<br />

des Systemlieferanten an Kunden weitergegeben<br />

und das zur Applikationsentwicklung erforderliche<br />

Know-how reduziert werden. Darüber hinaus<br />

reduziert sich der Wartungsaufwand bei einer späteren<br />

Migration. Aus diesem Grund besteht ein besonderes<br />

Interesse an Unit Templates für APC.<br />

Wiederholbare Elemente gibt es auf mehreren Ebenen<br />

einer Automatisierungslösung. Auf der untersten<br />

Ebene werden schon lange wiederholbare Elemente<br />

eingesetzt, nämlich vorgefertigte Funktionsbausteine<br />

(zum Beispiel PID-Regler, Motor-Ansteuerung), die im<br />

Rahmen von Bibliotheken geliefert werden. Messstellentypen<br />

(Control Modules) als vorgefertigte Signalflusspläne<br />

auf der Einzelsteuerebene, beispielsweise<br />

für eine Analogwert-Erfassung oder einen PID-Regelkreis,<br />

sind bereits in manchen Prozessleitsystemen<br />

verfügbar (beispielsweise in der Simatic PCS 7 Advanced<br />

Process Library). Unter der Bezeichnung Control<br />

Module Type (CMT) gibt es jetzt Messstellentypen, die<br />

die Konstruktion von Varianten mit optionalen Bausteinen<br />

zulassen.<br />

Ferner sind auf den darüberliegenden Ebenen wiederholbare<br />

Elemente vorhanden. Auf der Ebene der Anlagenteile<br />

(zum Beispiel Dosierung, Temperierung) gibt<br />

es für Batch-Prozesse schon länger Equipment Modules<br />

gemäß ISA-S88 (DIN EN 61512). Solche Equipment-Module-Typen<br />

werden mit einem Software-Werkzeug wie<br />

Sequential Function Chart (SFC) realisiert. Eine Beschreibung<br />

mit Beispielen ist in [14] verfügbar. In ähnlicher<br />

Form existieren für Konti-Prozesse technische<br />

Funktionen als Kombination mehrerer CFC-Pläne, die<br />

im Kommitee ISA 106 ebenfalls als Equipment Modules<br />

bezeichnet werden. Noch eine Ebene höher finden sich<br />

Musterlösungen (Unit Templates) für komplette Apparate<br />

oder Teilanlagen (Units), wie Rührkesselreaktoren<br />

oder Destillationskolonnen. Auf der Ebene der technischen<br />

Funktionen und auf Unit-Ebene können auch<br />

APC-Funktionen, wie MPC, in die Musterlösungen integriert<br />

werden, wenn die betreffende technische Funktion<br />

oder Unit dadurch einen höheren Nutzen erzielt.<br />

Die vorgefertigten Musterlösungen lassen sich leicht auf<br />

konkrete Anwendungen anpassen.<br />

BILD 2: Beispiele für<br />

wiederholbare<br />

Elemente einer Automatisierungslösung,<br />

Einzelsteuerebene:<br />

Control Modules (CM),<br />

Anlagenteile: Equipment<br />

Modules (EM),<br />

Teilanlage Rührkesselreaktor:<br />

Unit Template<br />

(gesamtes Bild)<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

33


HAUPTBEITRAG<br />

3.1 Equipment Modules<br />

Eine technische Funktion im Sinne von DIN EN 61512<br />

dient zur Steuerung eines Anlagenteils wie einer Dosierung,<br />

einer Temperierung. Zum Anlagenteil Temperierung<br />

können zum Beispiel folgende Komponenten (Feldgeräte)<br />

gehören: Temperatur-Sensor, Temperatur-Regler,<br />

Aktoren zur Betätigung der Ventile für die Verstellung<br />

von Heizdampf- und Kühlwasserstrom. Die technische<br />

Funktion setzt sich daher aus mehreren Einzelsteuereinheiten<br />

(Control Modules) zusammen. Jede Einzelsteuereinheit<br />

ist als Signalflussplan (CFC) realisiert, der von<br />

einem generischen Messstellentyp abgeleitet sein kann.<br />

Die logische Verbindung mehrerer Einzelsteuereinheiten<br />

erfordert eine große Zahl von planübergreifenden<br />

Signalverbindungen. Der Regler muss beispielsweise<br />

seinen Stellwert an das Ventil weitergeben und eine<br />

Rückmeldung bekommen, und zwar nicht nur zur aktuellen<br />

Ventilstellung, sondern auch zur Betriebsart und<br />

zum möglichen Stellbereich des Ventils. Der Analogwert-Eingangstreiber<br />

gibt den Messwert und den zugehörigen<br />

Signalstatus, die physikalische Einheit und den<br />

Wertebereich an die folgenden Bausteine weiter.<br />

Eine spürbare Erleichterung des <strong>Engineering</strong>s lässt<br />

sich erreichen, indem definierte Schnittstellen zur Verbindung<br />

der Einzelsteuereinheiten bereitgestellt werden.<br />

Dadurch werden alle relevanten Variablen zusammengefasst,<br />

sodass beispielsweise nur noch zwei planübergreifende<br />

Verbindungen zwischen Regler-Plan und Ventil-<br />

Plan gezogen werden müssen, um aus zwei Control-Modules<br />

PID-Führungsregler und Stetigventil ein Equipment<br />

Module Durchflussregelung zu kombinieren. Eine technische<br />

Funktion kann eine einfache Simulation (basierend<br />

auf Standard-Funktionsbausteinen des Leitsystems)<br />

enthalten, damit bei einer virtuellen Inbetriebnahme<br />

simulierte Prozesswerte zur Verfügung stehen.<br />

Beispiele für Equipment-Modules<br />

Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 steht bereits<br />

eine Reihe von Equipment-Modules zum kostenlosen<br />

Download zur Verfügung [11]:<br />

Durchflussregelung über Ventil<br />

Verhältnisregelung<br />

Füllstandsregelung<br />

Druckregelung mit Split-Range<br />

Temperaturregelung<br />

Kaskadenregelung<br />

pH-Wert-Regelung (gegebenenfalls mit MPC)<br />

Weitere technische Funktionen sind in Vorbereitung:<br />

Grob-/Feinstromregelung<br />

Pumpenansteuerung mit Verrieglung und<br />

Überwachung (PumpMon)<br />

Durchflussregelung mit Ventilüberwachung<br />

(ValveMon)<br />

3.2 Unit Templates<br />

Eine Unit ist eine Einheit in verfahrenstechnischen<br />

Anlagen, bestehend aus Fluidik/Mechanik (Anlagenkomponente/Apparat/Maschine)<br />

mitsamt der Sensorik,<br />

Aktorik und zugeordneter Automatisierungs-Software,<br />

die in dieser Zusammenstellung der Komponenten<br />

häufig benötigt wird. Typische Beispiele sind<br />

Rührkesselreaktoren oder Destillationskolonnen.<br />

Dabei wird ein ganzheitlicher Automatisierungsansatz<br />

verfolgt, der alle Facetten der Automatisierung<br />

einbezieht. Ein Template für eine Unit umfasst mindestens<br />

Basisautomatisierung und Human-Machine-<br />

Interface. Dazu kommen gegebenenfalls Funktionen<br />

für APC, Performance Monitoring, Diagnose und<br />

Alarm-Management.<br />

BILD 3: Schema einer<br />

pH-Wert-Regelung als<br />

Equipment Module.<br />

Die inverse Titrationskennlinie<br />

wird an drei<br />

Stellen verwendet.<br />

34<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Beispiele für Unit Templates<br />

Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 steht bereits<br />

eine Reihe von Unit Templates zum kostenlosen Download<br />

zur Verfügung. Diejenigen Unit Templates, bei<br />

denen sich im Sinne von Abschnitt 2 ein Mehrgrößenregler<br />

empfiehlt, sind mit einem MPC-Funktionsbaustein<br />

ausgestattet.<br />

Destillationskolonne inklusive MPC [12]<br />

Rührkesselreaktor [13]<br />

Fermenter<br />

Wirbelschichttrockner einschließlich MPC<br />

In Vorbereitung sind:<br />

Polymerisationsreaktor mit MPC<br />

Reverse-Osmosis-Unit (Meerwasserentsalzung)<br />

inklusive MPC<br />

4. AUSFÜHRUNGSBEISPIELE<br />

4.1 Technische Funktion pH-Wert-Regelung<br />

Bei einer pH-Wert-Regelung wird der pH-Wert eines Produktes<br />

in einem kontinuierlich durchflossenen Behälter<br />

eingestellt, indem die passende Menge an Neutralisationsmittel<br />

hinzudosiert wird. Der pH-Wert ist ein Maß<br />

für die Stärke der sauren beziehungsweise basischen<br />

Wirkung einer wässrigen Lösung. Als logarithmische<br />

Größe ist er durch den mit −1 multiplizierten dekadischen<br />

Logarithmus der Oxoniumionenkonzentration<br />

definiert. Die Titrationskurve beschreibt den Zusammenhang<br />

zwischen dem pH-Wert und der Konzentrationsdifferenz<br />

zwischen H+ (beziehungsweise H3O+)-Ionen<br />

(Säure) und OH--Ionen (Lauge) in der Lösung. Aufgrund<br />

der stark nichtlinearen Form der Titrationskurve<br />

bedeutet dies, dass die Verstärkung der Regelstrecke je<br />

nach Arbeitspunkt extrem unterschiedlich ist.<br />

Nur bei Anwendungen, in denen der pH-Wert in<br />

einem sehr engen Bereich konstant gehalten werden<br />

soll und die Störeinflüsse begrenzt sind, ist eine pH-<br />

Wert-Regelung mit einem fest parametrierten PID-Regler<br />

möglich. Typische Beispiele sind Bio-Fermenter, in<br />

denen die Bakterien nur in einem bestimmten pH-Wert-<br />

Bereich überhaupt lebensfähig sind und beim Gärungsvorgang<br />

in geringem Ausmaß Säure produzieren.<br />

Schwieriger gestaltet sich dagegen die Neutralisiation<br />

von Abwässern aus Chemieanlagen oder andere pH-<br />

Wert-Regelungen in Chemie-Reaktoren. Die Besonderheit<br />

der hier vorgestellten technischen Funktion liegt<br />

in der Umwandlung des pH-Sollwerts und des pH-Prozesswerts<br />

in Konzentrationsdifferenzen, um eine Linearisierung<br />

der Regelstreckencharakteristik über den<br />

gesamten relevanten pH-Wert-Bereich zu erreichen. Die<br />

Umwandlung erfolgt anhand einer invertierten Titrationskurve,<br />

die das Verhalten der chemischen Reaktion<br />

des gegebenen Prozesses zumindest näherungsweise<br />

beschreibt.<br />

Bei Anwendungen mit großen Totzeiten, aufgrund der<br />

Messtotzeit der pH-Sonde, Zeitbedarf für die Vermischung<br />

und Reaktionszeit der Neutralisationsreaktion<br />

und Bedarf für eine dynamische Störgrößenaufschaltung<br />

auf Basis des pH-Werts im Zulauf, empfiehlt sich ein embedded<br />

MPC. Anstelle der aufwendigen manuellen Projektierung<br />

einer Kombination aus PID-Regler, Smith-<br />

Prädiktor und Störgrößenaufschaltung. pH-Soll- und<br />

-Istwert werden mit Hilfe der inversen Titrationskennlinie<br />

näherungsweise auf Konzentrationsdifferenzen [10 –6<br />

Mol/L] zwischen OH--und H+-Ionen umgerechnet.<br />

(2)<br />

BILD 4: Schema eines<br />

Wirbelschichttrockners<br />

als UnitTemplate<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

35


HAUPTBEITRAG<br />

Im Anwendungsfall sind zwei Parameter dieser<br />

Kennlinie zu bestimmen:<br />

Der zu durchlaufende Amplitudenbereich pH ampl auf<br />

der pH-Wert-Skala, das heißt die maximal erreichbaren<br />

Abweichungen vom neutralen pH-Wert 7<br />

Der Pufferparameter α, als Maß für die Steilheit<br />

der Kennlinie im neutralen Punkt<br />

Bei einer gepufferten Flüssigkeit verläuft die Titrationskennlinie<br />

im neutralen Punkt weniger steil als bei einer<br />

wässrigen Lösung. Typische Werte für den Pufferparameter<br />

α liegen zwischen 3 500 und 12 000. Die Ausgangsgröße<br />

des Reglers (gedanklich eine Konzentration) wird mit<br />

der normierten Zulaufmenge des Abwassers multipliziert,<br />

um ein Maß für die erforderliche Menge an Neutralisationsmittel<br />

zu berechnen.<br />

4.2 Unit-Template-Wirbelschichttrockner<br />

Trockner (beispielsweise Wirbelschichttrockner, Sprühtrockner)<br />

sind häufig vorkommende Apparate in der verfahrenstechnischen<br />

Industrie und gelten generell als<br />

energieintensive Unit Operations. Daher sind sie lohnende<br />

Anwendungsfälle für gehobene Regelungsverfahren<br />

und Maßnahmen zur Optimierung der Prozessführung.<br />

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Arten von<br />

Trocknern. Generell wird unterschieden zwischen Kontakttrocknern,<br />

bei denen das Feuchtgut durch direkten<br />

Kontakt mit einer Heizfläche erwärmt wird, und Konvektionstrocknern,<br />

bei denen das Trockengut mit heißer Luft<br />

erwärmt wird. Sehr weit verbreitet sind Konvektionstrockner<br />

in Form von Wirbelschicht- oder Sprühtrocknern.<br />

Bei einem Wirbelschichttrockner wird das Trockengut<br />

von unten durchströmt, in Schwebe gehalten und<br />

durchmischt. Durch die turbulente Vermischung werden<br />

hohe Wärme- und Stoffübergangskoeffizienten erreicht.<br />

Die Teilchen, die bereits trocken genug sind, werden mit<br />

der Luft ausgetragen. Nach der Fahrweise wird unterschieden<br />

in kontinuierliche und chargenweise Trocknung.<br />

Das Unit Template fokussiert sich auf die Automatisierung<br />

und Regelung kontinuierlicher Trockner.<br />

Eine genaue Regelung der Produktfeuchte ist von großer<br />

wirtschaftlicher Bedeutung. Bei ungenügender Trocknung<br />

drohen Schwierigkeiten in nachgelagerten Prozessstufen,<br />

bei der Lagerung oder Endanwendung (zum Beispiel<br />

Verklumpungen, Fäulnis, Schimmel). Durch eine<br />

Übertrocknung dagegen wird Energie verschwendet und<br />

das Gewicht des Produkts reduziert, was sich gegebenenfalls<br />

negativ auf den Verkaufserlös (nach Gewicht) auswirkt.<br />

Es gilt der Grundsatz: so trocken wie nötig, nicht<br />

so trocken wie möglich! Beim Trocknungsvorgang muss<br />

die Erhaltung der Produktqualität gewährleistet werden,<br />

was der thermischen Beanspruchung des Trockenguts,<br />

das heißt den Temperaturen klare Grenzen setzt und daher<br />

eine Regelung der Produkttemperatur erfordert.<br />

Als Stelleingriffe stehen bei einem Konvektionstrockner<br />

die Temperatur und der Massenstrom der Zuluft zur<br />

Verfügung. Diese lassen sich durch unterlagerte PID-<br />

Regelkreise problemlos einstellen, zum Beispiel durch<br />

Stelleingriffe an der Heizdampfzufuhr und dem Heißluftgebläse.<br />

In vielen Fällen stehen außerdem weitere<br />

messbare Störgrößen für ein Regelungskonzept zur Verfügung,<br />

wie die Edukt-Feuchte (MoistFeed) und/oder die<br />

Feuchte der Zuluft (MoistFreshAir). Je nach Fahrweise<br />

kann die Edukt-Zufuhr (Massenstrom, Durchsatz) als<br />

messbare Störgröße oder sogar als aktive beeinflussbare<br />

Stellgröße für ein Regelungskonzept betrachtet werden.<br />

Aufgrund physikalischer Effekte ist offensichtlich, dass<br />

eine Änderung des Heißluftmassenstroms die Produktfeuchte<br />

und die Produkttemperatur beeinflusst;<br />

dasselbe gilt für die Temperatur der zugeführten Heißluft.<br />

Es ergibt sich also ein Mehrgrößen-Regelungsproblem<br />

mit zwei Regelgrößen (CV: controlled variable):<br />

CV1 Produktfeuchte (MoistProduct) und<br />

CV2 Produkttemperatur (TI_Product)<br />

sowie zwei bis drei Stellgrößen (MV: manipulated<br />

variable, DV: disturbance variable)<br />

MV1 Volumenstrom der Zuluft (FIC_HotAir),<br />

MV2 Luft-Temperatur (TIC_HotAir) und<br />

MV3 oder DV Edukt-Zufuhr (FIC_Feed).<br />

Ein Benchmarking-Beispiel [10] zeigt die Vorteile einer<br />

Mehrgrößenregelung per MPC gegenüber einer konventionellen<br />

dezentralen PID-Regelung und die Bedeutung einer<br />

dynamischen Störgrößenaufschaltung für die Regelgüte.<br />

Durch eine höhere Regelgüte lässt sich der Prozess näher<br />

an kritischen Nebenbedingungen (constraints) betreiben<br />

und damit der Energieverbrauch signifikant senken. Eine<br />

in den MPC integrierte Optimierung des stationären Arbeitspunktes<br />

findet in jeder Situation automatisch die wirtschaftlich<br />

optimale Kombination von Luftmassenstrom<br />

und Lufttemperatur, um die Trocknungsaufgabe zu lösen.<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Seit Prozessleitsysteme wie Simatic PCS 7 integrierte<br />

Funktionen für Advanced Process Control preiswert zur<br />

Verfügung stellen, bietet sich der Einsatz gehobener Regelungsverfahren<br />

bei energieintensiven oder aus anderen<br />

Gründen für den Gesamtprozess besonders bedeutsamen<br />

Unit Operations in verfahrenstechnischen Anlagen an.<br />

Beispielsweise liefert ein MPC-Mehrgrößenregler mit<br />

integrierter Störgrößenaufschaltung und Arbeitspunktoptimierung<br />

bei Destillationskolonnen, Wirbelschichttrocknern<br />

und Polymerisationsreaktoren erhebliches<br />

wirtschaftliches Nutzenpotenzial. In speziellen Situationen,<br />

beispielsweise bei schwierigen pH-Wert-Regelungen,<br />

kann ein MPC-Funktionsbaustein auch im Eingrößenfall<br />

hilfreich sein. Durch wiederverwendbare<br />

Software-Module (equipment modules und unit templates)<br />

lassen sich erfolgversprechende MPC-Einsatzfälle<br />

aufzeigen und der <strong>Engineering</strong>-Aufwand für MPC-Applikationen<br />

deutlich senken.<br />

MANUSKRIPTEINGANG<br />

18.10.2013<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

36<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


REFERENZEN<br />

AUTOREN<br />

[1] Kahrs, O: Einsatz gehobener Automatisierungslösungen<br />

– Plattformwahl und Akzeptanz bei Anwendern.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2),<br />

S. 62-66, 2012<br />

[2] Bauer, M., Craig, I.K.: Economic assessment of advanced<br />

process control – a survey and framework.<br />

Journal of process control 18(1), S. 2-18, 2008<br />

[3] Dittmar, R., Pfeiffer, B-M.: Modellbasierte prädiktive Regelung<br />

– Eine Einführung für Ingenieure. Oldenbourg 2004<br />

[4] Dittmar, R., Pfeiffer, B-M.: Modellbasierte prädiktive<br />

Regelung in der industriellen Praxis. at – Automatisierungstechnik<br />

54(12), S. 590-601, 2006<br />

[5] Pfeiffer, B-M.: Standardisierung gehobener Regelungsfunktionen<br />

als Messstellen-Typen. In: Tagungsband<br />

GMA-Kongress 2007, S. 83-94. VDI 2007<br />

[6] Vollbrecht, B., Himmler, K., Olschewski, F., Pfeiffer,<br />

B-M.: Bessere Prozessführung von Batch-Rührkesseln<br />

durch Trajektorienregelung. Chemie-Ingenieur-Technik<br />

79(7), S. 1081-1088, 2007.<br />

http://dx.doi.org/10.1002/cite.200700072<br />

[7] Pfeiffer, B-M., Lorenz, O.: Unit-orientierte Musterlösungen<br />

für Advanced Control (Unit-oriented solution<br />

templates for advanced control) - Beispiel Destillationskolonne<br />

(Example distillation column). In: Tagungsband<br />

Automation 2008, S. 11-14, VDI 2008<br />

[8] Pfeiffer, B-M., Wieser, R., Lorenz, O.: Wie verbessern Sie<br />

die Performance Ihrer Anlage mit Hilfe der passenden<br />

APC-Funktionen? Teil 1: APC-Werkzeuge in Prozessleitsystemen.<br />

<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />

51(4), S. 36-44, 2009<br />

[9] Pfeiffer, B-M., Wieser, R., Lorenz, O.: Wie verbessern Sie<br />

die Performance Ihrer Anlage mit Hilfe der passenden<br />

APC-Funktionen? Teil 2: Vorgehensweise zur Performance-Verbesserung<br />

und Fallbeispiel. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 51(5), S. 26-35, 2009<br />

[10] Pfeiffer, B-M.: Effizienter Betrieb von Wirbelschichttrocknern<br />

mit Advanced Process Control. In: Tagungsband<br />

Automation 2013, S. 201-206, VDI 2013<br />

[11] Panus, P., Losert, D.: Technische Funktionen für PCS 7 am<br />

Beispiel der Chemischen Industrie. Applikationsbeschreibung.<br />

Siemens AG. Karlsruhe, Mai 2013. http://support.<br />

automation.siemens.com/WW/view/de/57184952<br />

[12] Panus, P., Kempf, S.: PCS 7 Unit Template am Beispiel<br />

der Chemischen Industrie: „Destillationskolonne“.<br />

Applikationsbeschreibung. Siemens AG. Karlsruhe,<br />

Juni 2013. http://support.automation.siemens.com/WW/<br />

view/de/48418663<br />

[13] Panus, P., Kempf, S.: PCS 7 Unit Template am Beispiel<br />

der Chemischen Industrie: „Rührkesselreaktor“.<br />

Applikationsbeschreibung. Siemens AG. Karlsruhe,<br />

Juni 2013. http://support.automation.siemens.com/WW/<br />

view/de/60546560<br />

[14] Prozessleitsystem SIMATIC PCS 7 Kompendium Teil C<br />

– Technische Funktionen mit SFC-Typen.<br />

[15] Maciejowski, J.M.: Predictive control with constraints.<br />

Prentice Hall 2002<br />

Dr.-Ing. BERND-MARKUS PFEIFFER (geb. 1966) ist Key<br />

Expert Control & Automation Technologies – APC in der<br />

Vorfeldentwicklung für Prozess-Automatisierung bei<br />

Siemens Karlsruhe. Er ist Mitglied im GMA Fachausschuss<br />

6.22 Prozessführung und gehobene Regelungsverfahren<br />

und Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie<br />

(KIT).<br />

Siemens AG,<br />

I IA ATS 3 2, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 59 73,<br />

E-Mail: bernd-markus.pfeiffer@siemens.com<br />

HERBERT GRIEB (geb. 1959) ist Gruppenleiter für Operation<br />

& Optimization in der Vorfeldentwicklung für Prozess-<br />

Automatisierung bei Siemens Karlsruhe. Er leitet darüber<br />

hinaus den GMA Fachausschuss 6.23 Plant Asset Management<br />

und den VDI Arbeitskreis Mess- und Automatisierungstechnik<br />

(GMA).<br />

Siemens AG,<br />

I IA ATS 3 2, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 22 03,<br />

E-Mail: herbert.grieb@siemens.com<br />

Dr. OTMAR LORENZ (geb. 1961) ist seit 2006 Manager<br />

Technical Concepts and Support für die chemische Industrie.<br />

Arbeitsschwerpunkte bilden Konzepte und Anwendungen<br />

in den Bereichen gehobene Regelungstechnik,<br />

dynamische Simulation und modellbasierte Optimierung<br />

verfahrenstechnischer Prozesse. Er ist Mitglied im Namur<br />

Arbeitskreis 2.2 Prozessführung.<br />

Siemens AG,<br />

I IA AS PA CHEM 3, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 66 00, E-Mail: otmar.lorenz@siemens.com<br />

DIRK LOSERT (geb. 1967) ist Manager für Business Development<br />

in der chemischen Industrie und unter anderem für<br />

das Thema Unit Templates verantwortlich.<br />

Siemens AG,<br />

I IA AS PA CHEM 1, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 69 98, E-Mail: dirk.losert@siemens.com<br />

Dipl.-Phys. DÖRTE SACK (geb. 1963) ist Gruppenleiterin für<br />

Technologie und Konzepte der Prozessautomatisierung in<br />

der chemischen Industrie.<br />

Siemens AG,<br />

I IA AS PA CHEM 3, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 595 21 31, E-Mail: doerte.sack@siemens.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

37


HAUPTBEITRAG<br />

Nichtlineare modellprädiktive<br />

Regelung auf SPS<br />

Ein Ansatz zur MPC-Verwendung in der Automatisierung<br />

Die modellprädiktive Regelung ist ein modellbasiertes Regelungsverfahren, das sich<br />

gut für die Regelung nichtlinearer Systeme mit Beschränkungen eignet. Es basiert<br />

auf der Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems und ist in der Regel mit<br />

einem erheblichen numerischen Aufwand verbunden. In diesem Beitrag wird ein<br />

effizientes Verfahren diskutiert, das sich zur Regelung von nichtlinearen Systemen<br />

mit Stellgrößenbeschränkungen und Abtastzeiten im Millisekundenbereich auf einer<br />

speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) verwenden lässt. Ein experimenteller<br />

Aufbau eines Laborkrans demonstriert die Leistungsfähigkeit des Verfahrens.<br />

SCHLAGWÖRTER Nichtlineare modellprädiktive Regelung / Speicherprogrammierbare<br />

Steuerung / Echtzeitfähigkeit<br />

Nonlinear Model Predictive Control on a PLC –<br />

An Approach for the Use of MPC in Automation<br />

Model predictive control (MPC) is a model based method which is well suited for<br />

controlling nonlinear systems with constraints. It relies on the solution of an underlying<br />

optimal control problem (OCP) and typically requires considerable computational<br />

effort. This paper discusses an efficient MPC approach for nonlinear input<br />

constrained systems with sampling times in the millisecond range that is suitable<br />

for implementation on a programmable logic controller (PLC). The efficiency of the<br />

MPC scheme is demonstrated by means of a laboratory crane setup.<br />

KEYWORDS nonlinear model predictive control / programmable logic controller /<br />

real-time capability<br />

38<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


BARTOSZ KÄPERNICK, KNUT GRAICHEN, Universität Ulm<br />

Die nichtlineare modellprädiktive Regelung<br />

(model predictive control, MPC) ist ein Regelungskonzept,<br />

das sich sehr gut für die Regelung<br />

von nichtlinearen Mehrgrößensystemen<br />

mit Beschränkungen eignet. Es basiert auf der<br />

Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems,<br />

welches zu festen Abstastzeiten wiederholt gelöst wird.<br />

Der aktuelle Systemzustand dient dabei als Initialwert<br />

für das Optimierungsproblem. Eine Herausforderung<br />

in Zusammenhang mit MPC ist jedoch der hohe numerische<br />

Aufwand, der den Einsatz eines MPC-Reglers<br />

zur Regelung von nichtlinearen hochdynamischen Systemen<br />

mit niedrigen Abtastzeiten und/oder einen Betrieb<br />

auf Standard-Automatisierungshardware limitiert,<br />

wie zum Beispiel einer speicherprogrammierbaren<br />

Steuerung.<br />

In den letzten Jahren wurden Verfahren und Algorithmen<br />

im Bereich der nichtlinearen modellprädiktiven<br />

Regelung entwickelt, die einen echtzeitfähigen<br />

Betrieb erlauben [1-3]. Darüber hinaus wurden in den<br />

Arbeiten [4, 5] Ansätze vorgestellt, die den Betrieb von<br />

modellprädiktiven Reglern auf speicherprogrammierbaren<br />

Steuerungen (SPS) aufzeigen. Die präsentierten<br />

Ergebnisse [4, 5] waren jedoch beschränkt auf lineare<br />

Systeme.<br />

In diesem Beitrag wird ein echtzeitfähiges MPC-<br />

Verfahren diskutiert, das für die Regelung von nichtlinearen<br />

Systemen mit Stellgrößenbeschränkungen<br />

und Abtastzeiten im Millisekundenbereich auf speicherprogrammierbaren<br />

Steuerungen geeignet ist. Um<br />

die Anwendbarkeit des Ansatzes zu demonstrieren,<br />

wird der modellprädiktive Regler auf einer SPS implementiert<br />

und für die Regelung einer experimentellen<br />

Verladebrücke im Labormaßstab verwendet.<br />

1. NICHTLINEARE MODELLPRÄDIKTIVE REGELUNG<br />

Die wiederholte Lösung eines unterlagerten Optimierungsproblems<br />

zu festen Abtastzeiten ist die Grundlage<br />

eines nichtlinearen modellprädiktiven Reglers. Die<br />

Nutzung eines gradientenbasierten Ansatzes ermöglicht<br />

eine effektive Implementierung auf einer SPS mit<br />

Rechenzeiten im Bereich von Millisekunden.<br />

1.1 Allgemeine Funktionsweise<br />

Bei der modellprädiktiven Regelung handelt es sich um<br />

ein modellbasiertes Verfahren, bei dem ein dynamisches<br />

Optimierungsproblem entlang eines bewegten<br />

Horizonts gelöst wird [6, 7]. Das im Beitrag betrachtete<br />

Optimierungsproblem hat die folgende Form:<br />

minimiere bezüglich der Eingangsgrößen ,<br />

unter Berücksichtung von<br />

(1a)<br />

(1b)<br />

(1c)<br />

wobei die Zustände beziehungsweise<br />

die Stellgrößen (Eingangsgrößen) des zu regelnden Systems<br />

bezeichnen. Gewünschte Optimalitätskriterien,<br />

wie beispielsweise ein zeit- oder energieoptimales Regelverhalten,<br />

können über das Kostenfunktional (1a)<br />

formuliert werden, wobei die Endkostengewichtung<br />

und der Integralanteil<br />

positiv semi-definite und stetig differenzierbare Funktionen<br />

sind. Die Dynamik des nichtlinearen Systems<br />

(1b) wird durch die ebenfalls stetig differenzierbare<br />

Systemfunktion<br />

beschrieben. Dabei<br />

stellt<br />

den Systemzustand zum aktuellen<br />

Abtastzeitpunkt<br />

mit der Abtastzeit<br />

dar. Der in der Praxis häufig auftretende Fall physikalischer<br />

oder technischer Beschränkungen der Stellgrößen,<br />

zum Beispiel die begrenzte Leistung von Aktoren,<br />

wird durch die Bedingung (1c) berücksichtigt, wobei<br />

vektorwertige Schranken darstellen. Der Prädiktionshorizont<br />

wird mit bezeichnet. Auf Zustands-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

39


HAUPTBEITRAG<br />

beschränkungen, die im Allgemeinen bei MPC mitberücksichtigt<br />

werden können, wird an dieser Stelle im<br />

Hinblick auf eine effektive Implementierung verzichtet.<br />

Die Aufgabe zum Lösen des Optimierungsproblems<br />

(1) besteht nun darin, aus den in der Regel unendlich<br />

vielen Stellgrößen, die die Dynamik mit der Anfangsbedingung<br />

(1b) erfüllen, eine optimale Steuerfunktion<br />

zu finden, die das Kostenfunktional (1a) unter<br />

Berücksichtung der Beschränkungen (1c) erfüllt. Die<br />

entsprechend optimalen Zustände (impliziert durch<br />

(1b)) sind dabei .<br />

Im Allgemeinen wird bei MPC davon ausgegangen,<br />

dass in jedem Abtastzeitpunkt die optimale Lösung<br />

des dynamischen Optimierungsproblems<br />

(1) berechnet wird. Anschließend wird der erste Teil der<br />

optimalen Stellgröße<br />

im Abtastintervall<br />

auf das zu regelnde System geschaltet.<br />

Im nächsten Abtastschritt<br />

wird das dynamische<br />

Optimierungsproblem (1) mit dem neuen Systemzustand<br />

erneut gelöst (siehe Bild 1).<br />

Diese generelle Funktionsweise eines MPC-Reglers ist<br />

zusätzlich in Bild 1 veranschaulicht. Zum Abtastzeitpunkt<br />

wird der aktuelle Zustand des Systems ermittelt<br />

und als Initialwert für die Lösung von (1) verwendet.<br />

Der erste Teil der optimalen Stellgröße wird dann als<br />

Steuerung genutzt und bewirkt entsprechend eine Reaktion<br />

des Systems. Zudem lässt sich mit Hilfe der gesamten<br />

Stellgröße und in Bezug auf das verwendete<br />

Systemmodell eine Prädiktion des zukünftigen Systemverhaltens<br />

entlang des MPC-Horizonts durchführen.<br />

Im nächsten Abtastschritt wird der Horizont entsprechend<br />

verschoben und das Optimierungsproblem (1) mit<br />

dem neuen Systemzustand gelöst. Aufgrund von Modellierungsfehlern<br />

und/oder Unsicherheiten und Störungen<br />

im realen System weichen die Trajektorien des<br />

geschlossenen Regelkreises von den prädizierten Ergebnissen<br />

ab, was die Notwendigkeit der Lösung von (1) in<br />

jedem neuen Abtastschritt verdeutlicht.<br />

Dem Verlauf der Stellgröße in Bild 1 kann entnommen<br />

werden, dass die zeitkontinuierliche Lösung<br />

in jedem Abstastintervall<br />

verwendet<br />

wird. In der Praxis werden häufig auch diskrete Implementierungen<br />

verwendet, zum Beispiel in Form einer<br />

stückweise konstanten Stellgröße im Abtastintervall.<br />

Der Einsatz eines nichtlinearen MPC-Reglers für hochdynamische<br />

Systeme mit entsprechend geringen Abtastzeiten<br />

stellt eine große Herausforderung dar. Diese<br />

Problematik wird weiter erschwert durch die Zielhardware,<br />

auf der der MPC implementiert werden soll<br />

und die gewissen Beschränkungen unterliegt, wie<br />

beispielsweise einer geringen Rechenleistung und/<br />

oder Speicherkapazität. Aus diesem Grund müssen<br />

echtzeitfähige Verfahren für eine schnelle und effiziente<br />

numerische Lösung des Optimierungsproblems<br />

(1) angewandt werden. Das in diesem Beitrag verwendete<br />

MPC-Verfahren basiert auf einem projizierten<br />

Gradientenverfahren aus der Optimalsteuerungstheorie<br />

[8,9]. Zunächst muss dazu die Hamilton-Funktion<br />

(2)<br />

definiert werden, wobei den zum Originalzustand<br />

adjungierten Zustand bezeichnet. Gemäß<br />

Pontryagin’s Maximumprinzip existieren adjungierte<br />

Zustände<br />

, sodass auf dem Prädiktionsintervall<br />

die folgenden Optimalitätsbedingungen<br />

erfüllt sind:<br />

(3a)<br />

(3b)<br />

(3c)<br />

wobei und die partiellen Ableitungen<br />

der Endkostengewichtung und der Hamilton-Funktion<br />

nach den Zuständen beschreiben. Die<br />

Beziehungen (3) stellen notwendige Bedingungen dar,<br />

die eine optimale Lösung<br />

des Optimierungsproblems<br />

(1) erfüllen muss, und die im weiteren<br />

Verlauf als Grundlage für die Formulierung eines modellprädiktiven<br />

Reglers genutzt werden.<br />

Der im Beitrag verwendete MPC-Algorithmus ist in<br />

Bild 2 dargestellt. Er nutzt die charakteristische Form<br />

der Optimalitätsbedingungen (3). Dazu wird die<br />

Systemdynamik (3a) (siehe auch (1b)), ausgehend von<br />

einer initialen Trajektorie<br />

für die<br />

Stellgröße und dem aktuellen Systemzustand des<br />

Systems vorwärts in der Zeit integriert. Anschließend<br />

wird die ermittelte Lösung zum Endzeitpunkt<br />

ausgewertet, um die entsprechende Endbedingung<br />

für den adjungierten Zustand<br />

zu berechnen. Dieses Ergebnis wird dann verwendet,<br />

um die adjungierte Dynamik (3b) in Rückwärtzeit zu<br />

integrieren. Im letzten Schritt einer Iteration wird dann<br />

eine Aktualisierung der Stellgröße durchgeführt (siehe<br />

Bild 2), wobei<br />

den Gradienten der Hamilton-Funktion<br />

bezüglich der Stellgröße darstellt.<br />

Die Projektionsfunktion<br />

1.2 Echtzeitfähiges Gradientenverfahren<br />

(4)<br />

dient zur Berücksichtigung der Stellgrößenbeschränkungen<br />

(1c). Die Schrittweite für die Aktualisierung<br />

der Steuerung wird mit Hilfe eines Liniensuchverfahrens<br />

bestimmt, das im nächsten Abschnitt näher<br />

erläutert wird. Anschließend wird mit der neuen Stellgröße<br />

der Integrationsprozess von neuem gestartet<br />

und somit eine neue Iteration begonnen. Der Algorithmus<br />

besteht damit prinzipiell aus zwei Integrationen<br />

und einer Stellgrößenaktualisierung pro Iteration<br />

und lässt sich somit effizient implementieren. Zudem<br />

40<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


BILD 1:<br />

Veranschaulichung<br />

der generellen<br />

Funktionsweise eines<br />

modellprädiktiven<br />

Reglers<br />

BILD 3: Veranschaulichung der Grundidee zur<br />

Bestimmung einer geeigneten Schrittweite<br />

BILD 2: Gradienten-Algorithmus des echtzeitfähigen MPC-Verfahrens<br />

benötigt die sequenzielle Abarbeitungsfolge, vergleiche<br />

Bild 2, einen geringen Speicherbedarf.<br />

Um nun ein echtzeitfähiges Verhalten zu garantieren,<br />

wird die Anzahl der maximalen Gradienteniterationen<br />

fest vorgegeben. Damit wird anstelle der optimalen<br />

Lösung die suboptimale Stellgröße<br />

im Abtastintervall<br />

zur Regelung des<br />

Systems und zur Reinitialisierung des MPC-Reglers im<br />

nächsten Abtastschritt verwendet. Eine Konvergenzund<br />

Stabilitätsanalyse des projizierten Gradientenverfahrens<br />

und des gradientenbasierten MPC-Reglers kann<br />

in [8] beziehungsweise in [10] nachgelesen werden.<br />

1.3 Verfahren zur Liniensuche<br />

Um eine hinreichende Verbesserung der Stellgröße<br />

und damit eine deutliche Reduktion der Kostenfunktion<br />

(1a) in jeder neuen Gradienteniteration zu erzielen, muss<br />

eine geeignete Schrittweite bestimmt werden, siehe Bild<br />

2. Ein Verfahren, das dazu sehr gut geeignet ist, wurde<br />

in [2] vorgestellt. Dabei wird zunächst eine Menge von<br />

drei Stichproben für die Schrittweite gebildet und das<br />

Kostenfunktional (1a) mittels der Strichproben durch ein<br />

quadratisches Polynom approximiert. Anschließend<br />

wird das Minimum der Approximation, und damit eine<br />

geeignete Schrittweite, bestimmt und die Stichprobenmenge<br />

zur Verfolgung des Minimums adaptiert.<br />

Eine alternative Strategie zur Berechnung einer geeigneten<br />

Schrittweite, die ursprünglich in [11] vorgestellt<br />

und in [12] für dynamische Optimierungsprobleme<br />

angepasst wurde, soll an dieser Stelle aufgezeigt<br />

werden, um den Rechenaufwand weiter zu reduzieren.<br />

Die Grundidee ist dabei die Distanz von zwei<br />

aufeinanderfolgenden Aktualisierungen der Stellgröße<br />

zu minimieren, um zwischen zwei Iterationen<br />

der Stellgröße keine zu großen Differenzen zu erhalten.<br />

In der Nähe einer optimalen Lösung soll die Aktualisierung<br />

zudem einen geringeren Einfluss auf die<br />

nächste Iteration ausüben. Das unterlagerte statische<br />

Optimierungsproblem für die Bestimmung einer entsprechenden<br />

Schrittweite ist somit gegeben durch<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

41


HAUPTBEITRAG<br />

mit den Differenzen<br />

(5a)<br />

(5b)<br />

Dabei wird angenommen, dass die gleiche Schrittweite<br />

für beide Aktualisierungen verwendet wird, die Stellgrößenbeschränkungen<br />

(1c) nicht berücksichtigt werden<br />

und keine Störungen auf das System wirken. Die<br />

Minimierung (5a) führt dann auf die folgende Lösung<br />

.(6)<br />

Dieser Lösungsansatz ist in Bild 3 angedeutet und<br />

kann sehr effizient implementiert werden, da nur die<br />

Eingangstrajektorie und der entsprechende Gradient<br />

aus der vorherigen Iteration gespeichert und lediglich<br />

zwei numerische Integrationen durchgeführt werden.<br />

Weiteren ist ein Gewicht mit einer Masse von 0.5 kg<br />

über ein Seil direkt mit der Laufkatze verbunden, das<br />

sich über einen Motor entsprechend auf- und abrollen<br />

lässt. Zur Bestimmung der Wagenposition und der Seillänge<br />

werden Inkrementalgeber mit einer Auflösung<br />

von 2500 Impulsen pro Umdrehung (Laufkatze) beziehungsweise<br />

1000 Impulsen pro Umdrehung (Seil) verwendet.<br />

Zusätzlich wird die Winkelauslenkung des<br />

Seils mit Bezug zum Zentrum des Wagens über einen<br />

weiteren Inkrementalgeber mit 1500 Impulsen pro Umdrehung<br />

erfasst.<br />

Die Zustände , welche die Dynamik der Verladebrücke<br />

beschreiben, sind die Wagenposition und<br />

-geschwindigkeit , die Seillänge und -geschwindigkeit<br />

sowie die Auslenkung und<br />

die zugehörige Winkelrate des Seils. Die Beschleunigung<br />

des Wagens und des Seils dienen<br />

als Stellgrößen für das System. Durch die Verwendung<br />

von schnellen unterlagerten Geschwindigkeitsreglern<br />

kann die Dynamik der Verladebrücke mit Hilfe des<br />

Lagrange-Formalismus wie folgt angegeben werden:<br />

2. SPS-IMPLEMENTIERUNG<br />

In diesem Abschnitt wird die Implementierung des<br />

echtzeitfähigen MPC-Verfahrens auf einer Standard-<br />

SPS diskutiert und anhand eines experimentellen Aufbaus<br />

einer Verladebrücke im Labormaßstab validiert.<br />

2.1 Beschreibung der verwendeten SPS<br />

Das gradientenbasierte MPC-Verfahren wird zusammen<br />

mit der effizienten Schrittweitenbestimmung (6) auf<br />

einer SPS vom Typ CECX-X-C1 von Festo implementiert,<br />

welche über einen Power-PC-Prozessor mit 400 MHz<br />

als CPU-Einheit verfügt. Darüber hinaus werden jeweils<br />

zwei E/A-Module CECX-A-4A4E-V und CECX-C-<br />

2G2 für die Ansteuerung der experimentellen Komponenten<br />

und für die Erfassung von Sensordaten verwendet.<br />

Die Kommunikation zwischen der SPS und einem<br />

herkömmlichen PC erfolgt über einen Ethernet-Anschluss.<br />

Bild 4 zeigt die verwendete SPS, die zur Kommunikation<br />

an einen PC angeschlossen ist. Weitere<br />

Informationen zur SPS und den verwendeten Modulen<br />

können dem Handbuch beziehungsweise der Internet-<br />

Seite von Festo entnommen werden.<br />

2.2 Experimentelle Verladebrücke<br />

Bild 5 zeigt ein Foto und eine schematische Skizze des<br />

experimentellen Aufbaus einer Verladebrücke, die in<br />

diesem Beispiel zur Validierung der modellprädiktiven<br />

Regelung verwendet wird. Am Gerüst des Laborkrans<br />

ist eine Laufkatze montiert, die sich entlang der dargestellten<br />

Führungsschiene bewegen kann und über einen<br />

Zahnriemen mit einem Motor verbunden ist. Des<br />

(7),<br />

wobei die Erdbeschleunigung darstellt. Die berechneten<br />

Stellgrößen (Beschleunigung des Wagens und des<br />

Seils) werden dann integriert und als Eingangsgrößen<br />

an die Geschwindigkeitsregler übergeben.<br />

2.3 Implementierungsdetails<br />

Für die Implementierung des gradientenbasierten MPC-<br />

Reglers auf der SPS wird der Simulink PLC Coder, der<br />

in der verwendeten Matlab 2013a Version zur Verfügung<br />

steht, genutzt. Dieses Werkzeug ermöglicht eine direkte<br />

Generierung von separaten Funktionsbausteinen aus<br />

Matlab/Simulink-Blöcken, wobei die Funktionsbausteine<br />

als strukurierter Text zur Verfügung stehen.<br />

Das in Bild 6 dargestellte Matlab/Simulink-Modell<br />

zeigt die wichtigsten Komponenten der verwendeten<br />

Regelung. Es besteht aus einem Block zur Zustandsrekonstruktion<br />

und dem gradientenbasierten MPC. In<br />

dem Block zur Zustandsrekonstruktion werden die<br />

Signale der Inkrementalgeber verarbeitet und eine Zustandsschätzung<br />

mittels eines erweiterten Kalman-<br />

Filters (EKF) durchgeführt. Der MPC-Algorithmus<br />

selbst ist in einer Matlab-Funktion implementiert. Wie<br />

in Bild 6 zu sehen ist, erhält der Block den aktuellen<br />

Systemzustand (Initialzustand für das Optimierungsproblem<br />

(1)), gewünschte Arbeitspunkte und einen Satz<br />

von Parametern als Eingabe-Argumente. Weitere notwendige<br />

Funktionen für den Betrieb der Verladebrücke<br />

wie eine Reglerfreigabe oder Überwachungsmodule,<br />

werden ebenfalls in Matlab/Simulink-Modellen realisiert<br />

und werden im Beitrag nicht näher behandelt.<br />

42<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


BILD 4: Verwendete SPS<br />

mit PC-Ethernet-Anschluss<br />

BILD 5: Foto und schematische Skizze<br />

der experimentellen Verladebrücke<br />

BILD 6: Matlab/Simulink-Modell des MPC-Funktionsblocks für die SPS<br />

BILD 7:<br />

SPS-Implementierung<br />

des MPC-Reglers<br />

Als Entwicklungsumgebung für die Programmierung der<br />

SPS wurde eine von Festo modifizierte Version der Programmierumgebung<br />

Codesys verwendet. Die generierten Funktionsbausteine<br />

werden dann in einem Hauptprogramm<br />

eingebunden, das einer Task zugeordnet und mit einer festen<br />

Zykluszeit von<br />

betrieben wird und somit einer<br />

Abtastzeit von<br />

entspricht. Bild 7 zeigt die<br />

Implementierung des MPC-Reglers in einer Übersicht.<br />

2.4 Experimentelle Ergebnisse<br />

Für die experimentelle Validierung des modellprädiktiv<br />

geregelten Laborkrans werden die Endkostengewichtung<br />

und der Integralanteil des Kostenfunktionals<br />

(1a) als quadratische Funktionen<br />

(8)<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

43


HAUPTBEITRAG<br />

mit den (positiv semi-definiten) Gewichtungsmatrizen<br />

und<br />

formuliert. Die Nutzung<br />

quadratischer Funktionen (8) für die Formulierung<br />

des Kostenfunktionals (1a) ist ein übliches Vorgehen<br />

zur Forderung einer gewissen Regelgüte einzelner Zustände<br />

und Stellgrößen, da auf diese durch eine geeignete<br />

Gewichtung Einfluss genommen werden kann.<br />

Die Variablen und beschreiben<br />

dabei die Differenz zu einem gewünschten<br />

Arbeitspunkt . Für die numerische Integration<br />

wird ein Euler-Vorwärts-Verfahren mit 16 Diskretisierungspunkten<br />

verwendet und der Prädiktionshorizont<br />

wird zu gesetzt. Diese Wahl ergibt<br />

sich dabei mit Blick auf eine effektive Implementierung<br />

des MPC-Reglers, da so der Prädiktionshorizont<br />

in Kombination mit der Anzahl der Diskretisierungspunkte<br />

ein Vielfaches der Abtastzeit beschreibt. Die<br />

Stellgrößenbeschränkungen (1c) werden zudem zu<br />

gewählt und die Anzahl der Gradienteniterationen<br />

ist .<br />

Im Folgenden wird ein einfacher Arbeitspunktwechsel<br />

des Krans von einem Anfangspunkt<br />

in einen gewünschten Arbeitspunkt<br />

, betrachtet.<br />

In Bild 8 sind die experimentellen Ergebnisse für den<br />

modellprädiktiv geregelten Laborkran dargestellt,<br />

wobei vor dem Arbeitspunktwechsel das Auftreten<br />

einer Störung durch manuelles Auslenken der Masse<br />

demonstriert wird. Das Störszenario und der Arbeitspunktwechsel<br />

sind zur besseren Kenntlichkeit durch<br />

eine vertikal gestrichelte Linie getrennt. Es ist gut zu<br />

erkennen, wie der Regler einer dauerhaften Auslenkung<br />

der Masse entgegenwirkt, indem der Wagen in<br />

Richtung der Störung bewegt und die Seillänge verändert<br />

wird. Nach Freigabe der Masse (das heißt das<br />

System wird nicht mehr gestört, nachdem der Wagen<br />

etwa 40 cm in die jeweilige Richtung gefahren ist)<br />

wird der Schwingung entgegengesteuert und die Verladebrücke<br />

wieder zurück in die Ruhelage geregelt.<br />

Des Weiteren verdeutlichen die Ergebnisse, dass die<br />

zugehörigen Stellgrößen ihre Beschränkungen einhalten.<br />

Die Ergebnisse des Arbeitspunktwechsels zeigen die<br />

gute Regelgüte des verwendeten MPC-Reglers auf. Die<br />

Laufkatze sowie die Seillänge erreichen die gewünschte<br />

Position mit geringem Überschwingen und in knapp<br />

drei Sekunden. Die Rechenzeit für einen MPC-Schritt<br />

des verwendeten Verfahrens liegt im Bereich von einer<br />

Millisekunde und ist damit deutlich unterhalb der Abtast-<br />

beziehungsweise Zykluszeit der SPS.<br />

2.5 Trajektorienplanung<br />

In diesem Abschnitt soll abschließend demonstriert<br />

weden, wie die Regelgüte des modellprädiktiv geregelten<br />

Laborkrans weiter gesteigert werden kann. Dazu<br />

soll vor einem Arbeitspunktwechsel zunächst<br />

eine geeignete Trajektorienplanung durchgeführt und<br />

der MPC-Regler dann zur Verfolgung dieser Trajektorie<br />

genutzt werden. Die Trajektorienplanung hat den zusätzlichen<br />

Vorteil, einen Arbeitspunktwechsel in<br />

einem definierten und endlichen Zeitintervall<br />

zu ermöglichen, anstatt ein asymptotisches Verhalten<br />

zu realisieren, wie ihn ein PID-Regler beispielweise<br />

aufweist.<br />

Eine sehr elegante Methode für eine geeignete Trajektorienplanung<br />

bietet die Theorie der differenziellen<br />

Flachheit [13-15]. Besitzt ein System<br />

einen<br />

flachen Ausgang , so können alle Zustände und<br />

Stellgrößen durch den flachen Ausgang und seinen<br />

Zeitableitungen parametriert werden, das heißt<br />

.<br />

(9a)<br />

.(9b)<br />

Für eine Trajektorienplanung kann zunächst der<br />

flache Ausgang herangezogen werden, um eine Referenztrajektorie<br />

innerhalb eines Intervalls zu<br />

konstruieren, zum Beispiel durch ein hinreichend oft<br />

stetig differenzierbares Polynom. Anschließend können<br />

die entsprechenden Referenztrajektorien für die<br />

Zustände und die Stellgrößen mit Hilfe des flachen<br />

Ausgangs und seiner Zeitableitungen via (9) bestimmt<br />

werden.<br />

Für den Laborkran mit der Dynamik (7) kann nun<br />

gezeigt werden, dass die Position der Last, vergleiche<br />

Bild 5,<br />

(10a)<br />

(10b)<br />

einen flachen Ausgang darstellt, wobei und<br />

in (9) gilt. Die genaue Parametrierung der Zustände<br />

und Stellgrößen wird an dieser Stelle aufgrund<br />

der Komplexität weggelassen. Mit (10) können nun geeignete<br />

Referenztrajektorien und im<br />

Intervall<br />

bestimmt werden und für eine<br />

Trajektorienverfolgung mit Hilfe des MPC-Reglers genutzt<br />

werden.<br />

Die Endkostengewichtung und der Integralanteil<br />

werden für die Berücksichtung der Referenztrajektorien<br />

wie folgt angepasst:<br />

(11)<br />

mit<br />

und<br />

, wobei die Zeitabhängigkeit aus Platzgründen<br />

in (11) weggelassen wurde. Durch das Berücksichtigen<br />

der Referenztrajektorien kann der Prädiktionshorizont<br />

auf<br />

verkürzt werden.<br />

Die Ergebnisse des MPC-Reglers mit Trajektorienplanung<br />

für einen Arbeitspunktwechsel, wie er im vorherigen<br />

Abschnitt betrachtet wurde, und mit der Transitionszeit<br />

sind in Bild 9 dargestellt. Die Referenztrajektorien<br />

sind grau gestrichelt angegeben. Die<br />

44<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

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u<br />

u<br />

x<br />

x<br />

u<br />

u<br />

x<br />

x<br />

BILD 8: Experimentelle<br />

Ergebnisse der modellprädiktiv<br />

geregelten<br />

Verladebrücke<br />

t t<br />

t<br />

t<br />

u<br />

u<br />

x<br />

x<br />

u<br />

u<br />

x<br />

x<br />

BILD 9: Experimentelle<br />

Ergebnisse der modellprädiktiven<br />

Regelung<br />

mit flachheitsbasierter<br />

Trajektorienplanung<br />

t<br />

t<br />

t<br />

t<br />

Ergebnisse zeigen eine sehr gute Regelgüte und eine<br />

signifikante Verbesserung im Vergleich zur Regelung<br />

ohne Trajektorienplanung.<br />

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />

In diesem Beitrag wurde ein echtzeitfähiges modellprädiktives<br />

Regelungsverfahren behandelt, das auf einem<br />

projizierten Gradientenverfahren basiert. Dabei wurde<br />

die Form der Optimalitätsbedingungen der Problemformulierung<br />

in Kombination mit einer festen Anzahl<br />

an Gradienteniterationen für eine effiziente numerische<br />

Berechnung ausgenutzt. Der modellprädiktive Regler<br />

wurde anschließend auf einer Standard-SPS implementiert<br />

und mit Hilfe einer experimentellen Verladebrücke<br />

im Labormaßstab validiert. Um eine verbesserte<br />

Regelgüte zu erreichen, wurde der MPC um eine flachheitsbasierte<br />

Trajektorienplanung erweitert.<br />

Das vorgestellte gradientenbasierte MPC-Verfahren<br />

wurde von den Autoren in die Software GRAMPC integriert,<br />

die unter http://sourceforge.net/projects/<br />

grampc als Open Source Code heruntergeladen werden<br />

kann. GRAMPC beinhaltet ebenfalls eine Matlab/Simulink-Schnittstelle<br />

sowie eine Matlab-GUI zur komfortablen<br />

MPC-Auslegung.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

45


HAUPTBEITRAG<br />

AUTOREN<br />

Zukünftige Forschungsarbeiten befassen sich mit der<br />

zusätzlichen Berücksichtigung von Zustandsbeschränkungen<br />

im MPC-Entwurf. Außerdem soll mit Blick auf<br />

eine schnellere und effizientere Berechnung der MPC-<br />

Algorithmus weiter verbessert werden und geeignete<br />

Strategien für einen einfachen Reglerentwurf erarbeitet<br />

werden.<br />

MANUSKRIPTEINGANG<br />

18.10.2013<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

DANKSAGUNG<br />

Die präsentierten Ergebnisse wurden im Rahmen<br />

eines Projekts des österreichischen Fonds zur<br />

Förderung der wissenschaftlichen Forschung<br />

(FWF) mit der Projektnummer P21253-N22<br />

erarbeitet. Die Verfasser danken zudem der<br />

Firma Festo Ag & Co. KGund insbesondere<br />

Dr. Alexander Hildebrandt und Martin Ehrle für<br />

die Bereit stellung der verwendeten SPS.<br />

Dipl.-Ing. BARTOSZ KÄPERNICK<br />

(geb. 1985) studierte Elektro- und Informationstechnik<br />

an der Universität<br />

Stuttgart (Diplom 2010) und ist seit Januar<br />

2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik<br />

der Universität Ulm tätig. Sein<br />

Haupt arbeitsgebiet ist die modellprädiktive<br />

Regelung und optimale Trajektorienplanung<br />

für nicht lineare Systeme.<br />

Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik,<br />

Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 41, D-89081 Ulm,<br />

Tel. +49 (0) 731 502 63 05, E-Mail: bartosz.kaepernick@uni-ulm.de<br />

Prof. Dr.-Ing. KNUT GRAICHEN<br />

(geb. 1977) ist Professor am<br />

Institut für Mess-, Regel- und<br />

Mikrotechnik der Universität<br />

Ulm. Seine Hauptarbeits gebiete<br />

sind die optimale und modellprädiktive<br />

Regelung, nichtlineare<br />

Steuerungs- und Regelungsverfahren<br />

sowie schnelle<br />

mechatronische Systeme.<br />

Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik,<br />

Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 41, D-89081 Ulm,<br />

Tel. +49 (0) 731 502 63 04, E-Mail: knut.graichen@uni-ulm.de<br />

REFERENZEN<br />

[1] Ohtsuka, T.: A continuation/GMRES method for fast computation<br />

of nonlinear receding horizon control. Automatica 40(4),<br />

S. 563-574, 2004<br />

[2] Graichen, K., Egretzberger, M., Kugi, A.: Ein suboptimaler Ansatz<br />

zur schnellen modellprädiktiven Regelung nichtlinearer Systeme.<br />

at-Automatisierungstechnik 58(8), S. 447-456, 2010<br />

[3] Houska, B., Ferreau, H.J., Diehl, M.: An auto-generated real-time<br />

iteration algorithm for nonlinear MPC in the microsecond range.<br />

Automatica 47(10), S. 2279-2285, 2011<br />

[4] Valencia-Palomo, G., Rossiter, J.A.: Efficient suboptimal parametric<br />

solutions to predictive control for PLC applications. Control <strong>Engineering</strong><br />

Practice 19(7), S. 732-743, 2011<br />

[5] Huyck, B., Ferreau, H.J., Diehl, M., De Brabanter, J., Van Impe, J.F.M.,<br />

De Moor, B., Logist, F.: Towards Online Model Predictive Control on a<br />

Programmable Logic Controller: Practical Considerations.<br />

Mathematical Problems in <strong>Engineering</strong> 2012, S. 1-20, 2012<br />

[6] Mayne, D.Q., Rawlings, J.B., Rao, C.V., Scokaert, P.O.M: Contrained<br />

model predictive control: Stability and optimality. Automatica 36(6),<br />

S. 789-814, 2000<br />

[7] Grüne, L., Pannek, J.: Nonlinear Model Predictive Control – Theory<br />

and Algorithms. London, Springer-Verlag 2011<br />

[8] Dunn, J.C.: On sufficient conditions and the gradient projection<br />

method for optimal control problems. SIAM Journal on Control and<br />

Optimization 34(4), S. 1270-1290, 1996<br />

[9] Papageorgiou, M., Leibold, M., Buss, M.: Optimierung<br />

– Statische, dynamische, stochastische Verfahren für die<br />

Anwendung. Berlin. Springer-Verlag 2012<br />

[10] Graichen, K., Kugi, A.: Stability and incremental improvement<br />

of suboptimal MPC without terminal constraints.<br />

IEEE Transactions on Automatic Control 55(11),<br />

S. 2576-2580, 2010<br />

[11] Barzilai, J., Borwein, J.M.:Two-point step size gradient<br />

method. IMA Journal of Numerical Analysis 8(1),<br />

S. 141-148, 1988<br />

[12] Käpernick, B., Graichen, K.: Model predictive control of<br />

an overhead crane using constraint substitution.<br />

Proceedings of the 2013 American Control Conference,<br />

S. 3979-3984, 2013<br />

[13] Fliess, M., Lévine, J., Martin, P., Rouchon, P.: Flatness<br />

and defect of nonlinear systems: introductory theory and<br />

examples. International Journal of Control 61(6),<br />

S. 1327-1361, 1995<br />

[14] Rothfuß, R., Rudolph, J., Zeitz, M.: Flachheit: Ein neuer<br />

Zugang zur Steuerung und Regelung nichtlinearer Systeme.<br />

at-Automatisierungstechnik 45(11), S. 517-525, 1997<br />

[15] Hagenmeyer, V., Zeitz, M.: Flachheitsbasierter Entwurf<br />

von linearen und nichtlinearen Vorsteuerungen.<br />

at-Automatisierungstechnik 52(1), S. 3-12, 2004<br />

46<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


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dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />

Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.<br />

PAATPK2014


HAUPTBEITRAG<br />

Advanced Process Control<br />

in der industriellen Praxis<br />

Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Lösung<br />

Kontinuierliche Prozesse in der chemischen Industrie werden so betrieben, dass ein<br />

Anlagenfahrer einschleifige Regelkreise durch Sollwertvorgaben aufeinander abstimmt.<br />

Ein konstanter Betrieb an einem optimalen Punkt ist so nicht möglich, lässt<br />

sich aber durch gehobene Regelungsverfahren (advanced process control/APC) erreichen.<br />

Der Beitrag beschreibt die erfolgreiche Durchführung eines APC-Projektes<br />

und stellt die Ergebnisse dar. Die Erfahrungen zeigen, dass die Amortisierungszeit<br />

eines APC-Projektes zum Teil bei deutlich unter einem Jahr liegt.<br />

SCHLAGWÖRTER Prozessführung / Advanced Process Control / modellprädiktive<br />

Regelung<br />

Advanced Process Control in Industrial Applications –<br />

Key Aspects for a Sustainable Solution<br />

Continuous processes in the chemicals industry are typically controlled by an operator,<br />

who adjusts set values for various single-loop control systems. However, constant<br />

operation at an optimum point cannot be achieved in this way. Methods of<br />

advanced process control (APC) can offer a solution. A successful APC project is<br />

described and the results are presented. The experience shows that APC projects<br />

can in some cases pay off within one year.<br />

KEYWORDS process operation and control / advanced process control / model<br />

predictive control<br />

48<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


ANJA BRUNBERG, BENJAMIN SCHRAMM, MICHAEL KAWOHL, UWE PIECHOTTKA,<br />

Evonik Industries<br />

Verfahrenstechnische Produktionsanlagen in<br />

der chemischen Industrie unterliegen vielen<br />

Einflussfaktoren. Hohe Anforderungen<br />

an Prozessverfügbarkeit und Flexibilität,<br />

ebenso steigende Qualitäts-, Umweltverträglichkeits-<br />

und Rentabilitätsanforderungen sind<br />

nur einige Beispiele hierfür. Folglich müssen die<br />

Prozesse kontinuierlich verbessert werden. Dabei<br />

sind intelligente Verfahren in der Automatisierungstechnik,<br />

wie gehobene Regelungs- und Prozessführungsstrategien,<br />

essenzielle Werkzeuge. Diese Methoden<br />

werden als Advanced Process Control (APC)<br />

bezeichnet [1‐4].<br />

Die APC-Verfahren sind insbesondere dort zu bevorzugen,<br />

wo größere Apparate, zum Beispiel Kolonnen<br />

oder Teilanlagen mit vielen Stell- und Regelgrößen<br />

sowie systeminternen Kopplungen mit Hilfe<br />

mehrerer einschleifiger Regelungen im Wesentlichen<br />

über eine manuelle Sollwertvorgabe durch Anlagenfahrer<br />

betrieben werden [2].<br />

Die erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung entsprechender<br />

Projekte zur Implementierung gehobener<br />

regelungstechnischer Methoden hängt von<br />

verschiedenen Einflussfaktoren ab, elementar ist<br />

jedoch die frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung<br />

der Betriebsmannschaft. Das bei Anlagenfahrern,<br />

Meistern und der Betriebsleitung vorhandene<br />

Wissen über den Prozess und seinen Betrieb wird<br />

in allen Stufen der Projektdurchführung benötigt.<br />

Es muss unter anderem bei der Planung und Durchführung<br />

von Anlagenversuchen, der Entwicklung<br />

einer Regelungsstruktur und dem Einstellen von<br />

Parametern an der fertigen Anwendung genutzt<br />

werden. Gleichzeitig können eventuelle Ängste<br />

und Vorbehalte frühzeitig erkannt und abgebaut<br />

werden [2‐5].<br />

In diesem Beitrag wird ein typisches APC-Projekt<br />

mit Hilfe kommerzieller Software (APC-State-<br />

Space-Controller der Firma AspenTech [6]) erläutert.<br />

Anhand dieses Beispiels werden die technischen<br />

und die betrieblichen Einflussfaktoren herausgearbeitet.<br />

1. MOTIVATION<br />

1.1 Typische Regelungsaufgabe der chemischen<br />

Industrie<br />

Destillationskolonnen sind häufig vorkommende Apparate<br />

eines Prozesses in der chemischen Industrie. Bild 1<br />

zeigt einen typischen Aufbau einer solchen Kolonne.<br />

Prozesse dieser Art werden meist manuell von den Anlagenfahrern<br />

betrieben. Dies bedeutet, dass viele einschleifige<br />

Durchflussregelkreise aufgebaut sind; im Beispiel<br />

von Bild 1 für den Zulauf in die Kolonne, die Destillatmenge,<br />

den Rücklauf, den Sumpfabgang und die<br />

Dampfmenge. Der Anlagenfahrer gibt auf Basis der Betriebsanweisung<br />

sowie seiner Erfahrung und Prozesskenntnis<br />

Sollwerte für diese Durchflussregelkreise vor.<br />

Dabei wird der Anlagenfahrer oft durch weitere einschleifige<br />

Regelkreise unterstützt. In Bild 1 werden der<br />

Füllstand der Kolonne und des Destillatbehälters in<br />

Füllstand-Durchfluss-Kaskaden geregelt. Zudem wird<br />

der Sollwert der Rücklaufmenge im Verhältnis zum Zulauf<br />

automatisch angepasst.<br />

Ziel der in Bild 1 gezeigten Anlage ist die Reinigung<br />

des Zulaufs. Das gereinigte Produkt befindet sich im<br />

Sumpf. Dadurch ergeben sich folgende Rahmenbedingungen<br />

für eine Regelung:<br />

Die Verunreinigung in Sumpf darf ein vorgegebenes<br />

Maximum nicht überschreiten,<br />

der Anteil des Produkts im Destillat soll minimal<br />

sein,<br />

die Füllstände im Kolonnensumpf und im Destillatbehälter<br />

müssen sich in vorgegebenen Bereichen<br />

bewegen.<br />

Die Sumpftemperatur darf ein Maximum nicht<br />

überschreiten (Möglicher Zerfall beziehungsweise<br />

Bildung von Nebenkomponenten aus dem Produkt).<br />

Der maximale Kolonnendifferenzdruck darf nicht<br />

überschritten werden (Maß für die Kolonnenlast).<br />

Menge und Zusammensetzung des Zulaufs wirken als<br />

Störgrößen für diesen Prozess: Die Zulaufmenge wird<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

49


HAUPTBEITRAG<br />

entsprechend den aktuellen Erfordernissen im vorangehenden<br />

Anlagenteil vorgegeben; gleichzeitig können<br />

kontinuierlich Schwankungen in der Zulaufkonzentration<br />

auftreten.<br />

2. REGELUNGSTECHNISCHE BETRACHTUNG<br />

2.1 Konventioneller Betrieb des Beispielprozesses<br />

Systemtheoretisch stellt der betrachtete Prozess ein<br />

Mehrgrößensystem mit mehreren Eingangsgrößen<br />

(Stell- und Störgrößen) sowie mehreren Ausgangsoder<br />

Regelgrößen dar [3]. Der Anlagenfahrer erfüllt<br />

durch die Vorgabe von Sollwerten für die unterlagerten<br />

Regelkreise die Aufgaben eines übergeordneten<br />

Reglers. Allerdings sind die Aufgabenstellung und die<br />

verschiedenen Kopplungen zwischen Ein- und Ausgangsgrößen<br />

des Systems zu komplex, um von einem<br />

Menschen dauerhaft in einem optimalen Punkt betrieben<br />

zu werden.<br />

Im Beispiel haben die Füllstände im Kolonnensumpf<br />

und im Destillatbehälter für die Anlagenfahrer eine<br />

höhere Relevanz als die Konzentrationsmessungen im<br />

Sumpf- und Destillatstrom. Dies ist typisch, da sich<br />

Änderungen in den Niveaus meist schneller zeigen und<br />

direkter auf eine Ursache zurückverfolgbar sind, während<br />

Konzentrationsänderungen oftmals verzögert auftreten<br />

oder festgestellt werden.<br />

Die Folge ist ein breit gestreuter Betriebsbereich, wie<br />

in Bild 2 dargestellt. Da zudem ein solches komplexes<br />

System manuell nicht präzise von einem Betriebspunkt<br />

zu einem anderen Betriebspunkt gefahren<br />

werden kann, und da die Auswirkungen etwaiger<br />

Störungen berücksichtigt werden müssen, liegt dieser<br />

Betriebsbereich stets in einem hinreichend großen<br />

Abstand zu den zulässigen Anlagengrenzen. Diese<br />

sind in Bild 2 durch die schraffierten Grenzen links<br />

und unten angedeutet. Da die Anlagenfahrer außerdem<br />

ihre Aufmerksamkeit in der Regel mehreren<br />

Anlagen widmen müssen, sind sie bestrebt, die<br />

Anlage in hinreichend großer Entfernung von den<br />

Anlagengrenzen zu betreiben.<br />

2.2 Vorteile des Betriebs mit Mehrgrößenregelung<br />

Eine Mehrgrößenregelung ist im Gegensatz dazu in der<br />

Lage, den Betriebsbereich des Prozesses deutlich einzuschränken,<br />

siehe Bild 3. Zudem ist es mit einer Mehrgrößenregelung<br />

möglich, gezielt einzelne Betriebspunkte<br />

anzufahren, sofern dies die eventuell vorhandenen<br />

Störungen zulassen.<br />

Dadurch, dass nicht nur die Streuung des Betriebsbereichs<br />

verringert wurde, sondern auch einzelne Betriebspunkte<br />

präziser angefahren werden können, lässt<br />

sich der Sicherheitsabstand zu den Anlagengrenzen<br />

verringern. In der Folge kann, wie in Bild 3 dargestellt,<br />

der Arbeitspunkt des Prozesses näher an die Grenzen<br />

verschoben werden. Dieser Schritt beinhaltet eine Optimierung<br />

hin zu den bekannten Prozessgrenzen und<br />

gegebenenfalls in der Folge eine Aufweitung dieser<br />

Grenzen, die in einer manuellen Fahrweise nicht möglich<br />

wäre.<br />

2.3 Betrieb des Beispielprozesses mit APC<br />

Die Anwendung einer Mehrgrößenregelung kombiniert<br />

mit einer Optimierung hin zu vorgegebenen Prozessgrenzen<br />

oder Zielgrößen fällt in den Bereich der gehobenen<br />

Regelungsverfahren.<br />

Am Beispielprozess lässt sich, wie in Bild 4 gezeigt,<br />

durch eine Darstellung von Betriebspunkten aus der<br />

Vergangenheit (bei konventioneller Fahrweise durch<br />

die Anlagenfahrer) abschätzen, welche Einsparungen<br />

durch APC möglich sind. Das Bild verdeutlicht entsprechend<br />

der in Abschnitt 2.1 beschriebenen konventionellen<br />

Fahrweise eine Häufung von Betriebspunkten<br />

in bestimmten Bereichen sowie einige Ausreißer. Die<br />

Erfahrung zeigt, dass mit APC die Streuung des Betriebsbereichs<br />

und damit Produktverlust und Energieverbrauch<br />

deutlich verringert werden können. Das<br />

Vorgehen sowie die erzielten Ergebnisse werden in den<br />

folgenden Abschnitten erläutert.<br />

Die modellprädiktive Regelung umfasst eine Klasse<br />

von Regelungsalgorithmen, die ein dynamisches Modell<br />

des zu regelnden Prozesses verwenden, um eine<br />

Vorhersage des Prozessverhaltens zu berechnen. Auf<br />

der Basis dieser Prädiktion wird prozessbegleitend im<br />

Betrieb zu festgelegten Zeitschritten eine Optimierungsrechnung<br />

durchgeführt, die die Stellgrößenänderungen<br />

ergibt, die zu optimalen Ausgangsgrößenverläufen<br />

führen [5].<br />

Bild 5 zeigt den Aufbau des verwendeten APC-Ansatzes,<br />

der in die Klasse der modellprädiktiven Regelungsverfahren<br />

fällt. Wesentlicher Bestandteil des<br />

Ansatzes ist ein dynamisches Modell des Prozesses.<br />

Dieses Modell ist ein an einem typischen Arbeitspunkt<br />

des Prozesses aufgenommenes lineares Modell<br />

des normalerweise nichtlinearen Prozesses. Es wird<br />

auf Basis von sprungförmigen Änderungen der Stellgrößen<br />

ermittelt. Im Beispiel handelt es sich dabei um<br />

ein zeitdiskretes Zustandsraummodell. Im Filter werden<br />

Störkanäle für alle unbekannten Störungen und<br />

Modellungenauigkeiten definiert. Der Optimierer erhält<br />

Kosten für Energie, Produktverluste und Produktverunreinigungen<br />

sowie Grenzen für Stell- und<br />

Regelgrößen als Nebenbedingungen für das Optimierungsproblem.<br />

Im Regler wird vorgegeben, wie die<br />

dynamische Bewegung des Prozesses zum berechneten<br />

optimalen Betriebspunkt erfolgen soll. Dies geschieht<br />

zum Beispiel über die Gewichtung des Einflusses<br />

der Stellgrößen sowie die Limitierung der<br />

Änderungsgeschwindigkeit einer Stellgröße. Anhand<br />

dieser Vorgaben wird im Regler ein weiteres Optimierungsproblem<br />

gelöst und so die optimale Stellgrößen-<br />

Folge zum Erreichen des neuen Betriebspunkts be-<br />

50<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


FFC-21<br />

PC-23<br />

B-2<br />

LC-22<br />

FC-23<br />

T-21<br />

T-22<br />

T-23<br />

K-2<br />

PD-21<br />

FC-21<br />

FC-22<br />

BILD 2: Gebiet,<br />

in dem sich ein<br />

Prozess bei<br />

konventioneller<br />

Fahrweise bewegt.<br />

Q-21<br />

T-24<br />

FC-24<br />

T-25<br />

FC-25<br />

BILD 1: Regelung einer Destillationskolonne als Beispiel für die<br />

Regelung eines Mehrgrößensystems in der Prozessindustrie<br />

LC-21<br />

Q-22<br />

BILD 3: Gebiet,<br />

in dem sich ein<br />

System mit einem<br />

Mehrgrößenregler<br />

bewegt, und<br />

Annäherung an<br />

die bekannten<br />

Prozessgrenzen.<br />

Externe<br />

Vorgaben<br />

Produktverluste<br />

Optimierer Regler Prozess<br />

Wo soll der Prozess<br />

betrieben werden?<br />

optimaler<br />

Betriebspunkt<br />

Wie kommt der<br />

Prozess dort hin?<br />

Dynamik des<br />

geregelten Prozesses<br />

Modell<br />

Wo befindet sich der<br />

Prozess aktuell?<br />

Und wohin bewegt er sich?<br />

Spezifischer Energieverbrauch<br />

Filter<br />

BILD 4: Gebiet, in dem sich eine reale Anlage bei<br />

konventioneller Fahrweise bewegt hat.<br />

BILD 5: Aufbau des verwendeten<br />

APC-Ansatzes, vergleiche [2]<br />

rechnet. Das Verfahren wird in [6] im Detail beschrieben.<br />

Eine umfassende Übersicht über Aufbau und<br />

Funktion verschiedener kommerziell erhältlicher<br />

MPC-Software für prozesstechnische Anwendungen<br />

ist zudem in [5] dargestellt.<br />

Identisch zur ursprünglichen konventionellen Prozessführung<br />

werden durch eine solche APC-Anwendung<br />

Sollwerte für eine unterlagerte Basisregelung<br />

vorgegeben, zum Beispiel eine Durchflussregelung für<br />

den Dampf. Die Regelgrößen umfassen zum einen Größen,<br />

die ein Maß für die zu optimierenden Größen<br />

sind; dies kann beispielweise der spezifische Energieverbrauch<br />

sein. Zum anderen sind kritische Größen<br />

wie Füllstände, Temperaturen oder Drücke Teil der<br />

Regelgrößen, damit ein optimaler Betriebspunkt innerhalb<br />

der bestehenden Anlagengrenzen erreicht wird.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

51


HAUPTBEITRAG<br />

3. PROJEKTABLAUF<br />

3.1 Lebenszyklus eines APC-Projektes<br />

In Abschnitt 2.2 wurde erläutert, wie sich bereits in<br />

der Betrachtung historischer Betriebspunkte eines<br />

Prozesses das Potenzial und damit der finanzielle Nutzen<br />

des Einsatzes von APC abschätzen lässt. Der gesamte<br />

Lebenszyklus eines APC-Projektes umfasst jedoch<br />

weitere Schritte, die sich in fünf Phasen unterteilen<br />

lassen [1]:<br />

Abschätzen des Nutzens und der Kosten eines APC-<br />

Projektes vor Start dieses Projektes<br />

Implementierung der APC-Anwendung<br />

Analyse der mit APC erreichten Performance<br />

Überwachung und Wartung bestehender APC-Anwendungen<br />

während des Betriebs<br />

Regelmäßige Neubewertung der Betriebsbedingungen<br />

und der Performance und gegebenenfalls<br />

Anpassung der APC-Anwendung an geänderte Betriebsbedingungen<br />

3.2 Vorgehen bei Implementierung einer APC-Anwendung<br />

Die meisten APC-Verfahren, wie die in diesem Beispiel<br />

betrachtete modellprädiktive Regelung, laufen in deutlich<br />

langsameren Zeitintervallen ab als beispielsweise<br />

eine Durchflussregelung. Zudem erfüllen APC-Anwendungen<br />

normalerweise die Aufgaben einer überlagerten<br />

Regelung. Häufig verwendete Abtastzeiten liegen<br />

im Bereich von Minuten. In der Automatisierungspyramide,<br />

wie in Bild 6 dargestellt, liegen sie daher an<br />

einer Schnittstelle zwischen Prozessleit- und Betriebsleitebene<br />

[3].<br />

Auf Grund der notwendigen hohen Rechenleistung<br />

erfolgt die Implementierung normalerweise nicht als<br />

Teil des bestehenden Prozessleitsystems (PLS), sondern<br />

auf separaten Rechnern. Anbieter von Software für<br />

APC-Anwendungen, die über kein eigenes Leitsystem<br />

verfügen, haben keine andere Möglichkeit, als solche<br />

Anwendungen auf separaten Rechnern zu realisieren.<br />

Die Anbindung der APC-Rechner an das Leitsystem<br />

erfolgt über eine OPC-Schnittstelle (object linking and<br />

embedding for process control). Obwohl die OPC-<br />

Schnittstelle über Standards beschrieben ist, wird die<br />

Kopplung von zwei verschiedenen Systemen unter den<br />

Rahmenbedingungen eines konzernweiten IT-Sicherheitskonzepts<br />

entsprechende Aufmerksamkeit erfordern<br />

und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Die<br />

mit einer externen APC-Anwendung verbundene Notwendigkeit,<br />

auf Sollwerte im Leitsystem schreiben zu<br />

müssen, erfordert häufig, Richtlinien in den betroffenen<br />

Bereichen zu ändern.<br />

Nach der erfolgreichen Bereitstellung einer Hardund<br />

Softwareumgebung beinhaltet der nächste<br />

Schritt eine Überprüfung und ein Tuning der vorhandenen<br />

Basisautomatisierung. Zunächst muss dazu<br />

untersucht werden, ob die vorhandene Messtechnik<br />

ausreicht und richtig arbeitet. Als nächstes wird geprüft,<br />

ob die Stellglieder in sinnvollen Bereichen arbeiten.<br />

Probleme, die an dieser Stelle auftreten, müssen<br />

behoben werden, bevor weitere Schritte im Projekt<br />

anstehen.<br />

Wie in Abschnitt 2 beschrieben, bleiben beispielsweise<br />

Durchflussregler als unterlagerte Regler erhalten.<br />

Weitere Regler, die nicht direkt Teil der übergeordneten<br />

Regelungsstrategie sein werden, sind zum Beispiel häufig<br />

Regler für den Druck in einer Kolonne. Die Funktion<br />

dieser Regler muss überprüft und wenn nötig durch<br />

Neueinstellung verbessert werden. In manchen Fällen<br />

macht es zudem Sinn, die Struktur der vorhandenen<br />

Basisregelung zu hinterfragen und anzupassen.<br />

Durch die Überprüfung und Verbesserung der Basisautomatisierung<br />

entsteht bereits beim Projektbeginn<br />

ein enger Austausch zwischen APC-Ingenieuren,<br />

der Abteilung für Elektro-, Mess- und Regelungstechnik<br />

und den Anlagenfahrern. Dieser Kontakt muss<br />

genutzt werden, um ein gutes Prozessverständnis zu<br />

erlangen. Dies ist essenziell, um den am besten geeigneten<br />

APC-Ansatz auszuwählen, da die jahrelange<br />

Erfahrung der Betriebsmannschaft mit dem Prozess<br />

wichtige Hinweise gibt, wie der Prozess betrieben<br />

werden sollte und wo mögliche Probleme liegen.<br />

Gleichzeitig müssen die Anlagenfahrer möglichst<br />

frühzeitig über die Ziele des Projekts und ihre Rolle<br />

dabei informiert werden.<br />

Der direkte Nutzen von APC für die Anlagenfahrer<br />

kann sich dabei vom Nutzen für beispielsweise den<br />

Betriebsleiter unterscheiden, da sich für die Anlagenfahrer<br />

deutlich stärker bemerkbar macht, dass mit APC<br />

die Anlage ruhiger läuft, das heißt an einem definierten<br />

Betriebspunkt bleibt. Eine merkliche Einsparung von<br />

Dampf pro Jahr liegt dagegen eher im Interesse des Betriebsleiters.<br />

Im Bezug auf die Ziele der APC-Anwendung ist es<br />

wichtig, zu betonen, dass APC zwar die Regelung und<br />

Optimierung im Normalbetrieb der Anlage übernimmt,<br />

den Anlagenfahrern aber immer noch eine Überwachungsfunktion<br />

und gegebenenfalls die Anpassung von<br />

ausgewählten Parametern zufällt. Die Anlagenfahrer<br />

sind ebenso für das An- und Abfahren und den Betrieb<br />

bei außergewöhnlichen Situationen zuständig, da typische<br />

APC-Anwendungen, wie die vorgestellte modellprädiktive<br />

Regelung, hierfür nicht ausgelegt sind.<br />

Den nächsten Schritt in der Implementierung der<br />

APC-Anwendung bilden Anlagenversuche, auch<br />

Sprungversuche genannt. Diese werden in enger Abstimmung<br />

mit den Anlagenfahrern durchgeführt. So<br />

können Vertrauen und Akzeptanz der neuen Technologie<br />

schon vor der Fertigstellung aufgebaut werden.<br />

Vor allem lässt sich die Prozesskenntnis der Anlagenfahrer<br />

nutzen, um<br />

eine ausreichend große Sprunghöhe auszuwählen,<br />

damit in den Zielgrößen Änderungen beobachtet<br />

werden können,<br />

52<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


ein Verletzen von Grenzwerten oder Erreichen von<br />

Stellbegrenzungen durch zu hohe Sprunghöhen zu<br />

vermeiden,<br />

die Sprungversuche so durchzuführen, dass der<br />

Produktionsablauf möglichst wenig gestört wird.<br />

Weiterhin müssen mehrere Sprünge mit unterschiedlicher<br />

Sprunghöhe und unterschiedlichem Vorzeichen<br />

durchgeführt werden. Zudem ist darauf zu achten,<br />

dass nach dem Aufbringen eines Sprungs gewartet<br />

wird, bis erneut ein stationäres Verhalten der<br />

Zielgrößen erreicht ist, bevor ein weiterer Sprung<br />

begonnen wird. Hektik oder Zeitdruck führen zu<br />

schlechten Modellen und damit zu einem nicht optimalen<br />

Ergebnis.<br />

Im nächsten Schritt wird die eigentliche APC-Anwendung<br />

entwickelt. Dazu werden zunächst aus den<br />

Daten der Sprungversuche Modelle identifiziert. Dabei<br />

ist es wesentlich, die modellierten Teilsysteme<br />

aufeinander abzustimmen. Anschließend erfolgt die<br />

Einstellung von Regler und Optimierer durch Festlegung<br />

von Größen wie Grenzwerten, Zielwerten, Kosten<br />

oder erlaubten Änderungsgeschwindigkeiten.<br />

Diese Einstellungen sind zunächst grobe Einstellungen,<br />

mit denen die grundsätzliche Funktionsweise<br />

des Reglers, zum Beispiel in Offline-Simulationen,<br />

getestet werden kann.<br />

Der letzte Schritt vor der Inbetriebnahme ist die<br />

Konfiguration des Leitsystems. Nur wenn eine Reihe<br />

von Bedingungen erfüllt ist, kann und darf der<br />

überlagerte Regler die berechneten Werte für Zulauf,<br />

Dampf, Rücklauf, Destillat und Sumpfabgang<br />

auf die Sollwerteingänge der unterlagerten Regler<br />

im Leitsystem schreiben. Diese Bedingungen umfassen:<br />

Der Ein-Schalter der APC-Anwendung muss betätigt<br />

worden sein.<br />

Die Schnittstelle zwischen Leitsystem und APC-<br />

Anwendung muss funktionieren, das heißt sie<br />

muss im geforderten Zeittakt Daten in beide Richtungen<br />

übertragen.<br />

Prozess- oder leitsystemspezifische Einschaltbedingungen<br />

müssen beim Einschalten erfüllt sein.<br />

Prozess- oder leitsystemspezifische Betriebsbedingungen<br />

müssen während des Normalbetriebs erfüllt<br />

sein.<br />

Eine Einschaltbedingung ist zum Beispiel, dass ein<br />

unterlagerter Durchflussregler bereits im Modus Automatik<br />

betrieben wird, damit beim Einschalten die Abweichung<br />

zwischen Soll- und Istwert möglichst gering<br />

ist. Beim Einschalten erfolgt dann eine Modusänderung<br />

dieses Reglers, und während des Normalbetriebs<br />

wird dann in den Betriebsbedingungen überwacht, ob<br />

der Regler im Betriebsmodus Extern ist. Eine weitere<br />

allgemeine Betriebsbedingung kann beispielsweise die<br />

Überwachung des Kolonnendrucks sein.<br />

Neben dem Aufbau der Umschalt- und Überwachungslogik<br />

im Leitsystem empfiehlt sich eine Integration<br />

der APC-Anwendung in die gewohnte Bedienungsund<br />

Beobachtungsoberfläche für den Anlagenfahrer.<br />

3.3 Inbetriebnahme und Schulung<br />

Nach Abschluss aller Implementierungsarbeiten<br />

kann die APC-Anwendung in Betrieb genommen<br />

werden. Dabei wird die bisher nur grob eingestellte<br />

Regelung und Optimierung durch Beobachtung des<br />

Prozesses und der Vorhersage durch den modellprä-<br />

BILD 6: Einordnung von APC in die<br />

Automatisierungspyramide und Zykluszeiten<br />

ohne APC<br />

mit APC<br />

Vorgaben<br />

Optimierter<br />

Betriebspunkt<br />

APC<br />

Basisautomatisierung<br />

Unternehmensleitebene<br />

Betriebsleitebene<br />

Prozessleitebene<br />

Produktverluste<br />

Sensoren, Aktoren<br />

Feldebene<br />

Spezifischer Energieverbrauch<br />

BILD 7: Betrieb des Beispielprozesses mit APC<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

53


HAUPTBEITRAG<br />

diktiven Regler und vorsichtiges Nachstellen der<br />

Parameter iterativ fein eingestellt. Auch dieser Prozess<br />

erfordert Zeit, da manche Effekte sich nicht direkt<br />

auswirken.<br />

Bei der Inbetriebnahme einer solchen überlagerten<br />

Regelung ist die erneute Information aller Beteiligten<br />

über die Ziele und die Funktion der implementierten<br />

APC-Anwendung sehr wichtig. Insbesondere die Anlagenfahrer<br />

müssen für die Bedienung der gehobenen<br />

Regelung geschult werden [2, 4, 5]. Sie müssen wissen,<br />

wie sie die APC-Anwendung ein- und ausschalten können,<br />

unter welchen Bedingungen die Anwendung betrieben<br />

werden kann und wie sich Grenzwerte oder<br />

Zielwerte an aktuelle Betriebs- oder Produktionsvorgaben<br />

anpassen lassen.<br />

Die hierfür notwendige Information und Eingriffsmöglichkeiten<br />

können entweder ins Prozessleitsystem<br />

integriert, oder aber vollständig über eine separate Software<br />

auf einem separaten Rechner dem Anlagenfahrer<br />

zugänglich gemacht werden. Welche Lösung gewählt<br />

wird, sollte mit allen Projektbeteiligten gemeinsam getroffen<br />

werden, da sich so die Akzeptanz der neuen<br />

Technologie erhöht.<br />

4. ERGEBNISSE<br />

Bild 7 zeigt ein Ergebnis der APC-Anwendung für den<br />

beschriebenen Beispielprozess. Es ist ersichtlich, dass<br />

der modellprädiktive Regler den Prozess in einem engen<br />

Bereich in der Nähe eines optimalen Punktes halten<br />

kann. So können Produktverluste und Energieverbrauch<br />

verringert werden.<br />

Der in Abschnitt 3.1 vorgestellte Lebenszyklus einer APC-<br />

Anwendung sieht nach der Implementierung neben der<br />

Überprüfung des Nutzens eine kontinuierliche Überwachung<br />

der Funktion vor, um die Nachhaltigkeit der Anwendung<br />

zu gewährleisten. Sinnvoll ist hierfür eine Vor-Ort-<br />

Betreuung. Diese muss nicht durch den Prozessführungsspezialisten<br />

erfolgen, der die APC-Anwendung entwickelt<br />

hat. Der Betreuer sollte jedoch regelmäßig die Funktion der<br />

Anwendung überprüfen und in der Lage sein, bei Problemen<br />

eine erste Analyse durchzuführen und kleinere Probleme<br />

selber oder mit Unterstützung durch den APC-Experten<br />

zu beheben. So lässt sich erreichen, dass eine APC-Anwendung<br />

zu mehr als 90 % der Zeit aktiv ist. Dies wiederum<br />

bildet die Voraussetzung, um die vor Projektbeginn ausgewiesenen<br />

Einsparmöglichkeiten tatsächlich zu erreichen.<br />

AUTOREN<br />

Dr.-Ing. ANJA BRUNBERG (geb. 1980) ist Mitarbeiterin in der<br />

Gruppe Automation and Process Analytical Technology im<br />

Bereich Process Technology and <strong>Engineering</strong> der Evonik<br />

Industries AG. Ihren Arbeitsschwerpunkt bildet die Realisierung<br />

von gehobenen Prozessführungsstrategien. Nach dem<br />

Studium der Elektrotechnik an der TU Braunschweig und der<br />

University of Rhode Island promovierte sie am Institut für<br />

Regelungstechnik der RWTH Aachen.<br />

Evonik Industries AG,<br />

TE-VT-C, Postbereich 14, Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />

Tel. +49 (0) 2365 49 49 98, E-Mail: anja.brunberg@evonik.com<br />

Dipl.-Ing. BENJAMIN SCHRAMM (geb. 1978) ist Mitarbeiter in<br />

der Gruppe Automation and Process Analytical Technology im<br />

Bereich Process Technology and <strong>Engineering</strong> der Evonik<br />

Industries AG. Seine Arbeitsfelder umfassen die Implementierung<br />

von gehobenen Regelungsstrategien, die Entwicklung von<br />

automatischen Anfahrprozeduren für komplexe Anlagen, die<br />

Modellierung von Softsensoren, sowie die Ermittlung von<br />

wirtschaftlichen Potenzialen durch den Einsatz von Advanced<br />

Process Control. Sein Diplomstudium der Informationstechnik<br />

im Maschinenwesen mit Schwerpunkt Prozesssystemtechnik<br />

absolvierte er an der Technischen Universität Berlin.<br />

Evonik Industries AG,<br />

TE-VT-C, Postbereich 14, Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />

Tel. +49 (0) 2365 498 63 78, E-Mail: benjamin.schramm@evonik.com<br />

Dipl.-Ing. MICHAEL KAWOHL (geb. 1975) ist Mitarbeiter<br />

in der Gruppe Automation and Process<br />

Analytical Technology im Bereich Process Technology<br />

and <strong>Engineering</strong> der Evonik Industries AG. Er<br />

studierte Informationstechnik im Maschinenwesen<br />

an der Technischen Universität Berlin. Seinen<br />

Arbeitsschwerpunkt bildet die Realisierung von<br />

gehobenen Prozessführungsstrategien.<br />

Evonik Industries AG,<br />

TE-VT-C, Postbereich 14,<br />

Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />

Tel. +49 (0) 2365 49 52 29,<br />

E-Mail: michael.kawohl@evonik.com<br />

Dr.-Ing. MSEE UWE PIECHOTTKA (geb. 1959) leitet<br />

die Gruppe Automation and Process Analytical<br />

Technology im Bereich Process Technology and<br />

<strong>Engineering</strong> der Evonik Industries AG. Seine<br />

Hauptarbeitsfelder sind Mess-, Analysen- und<br />

Regelungstechnik, Datenanalyse sowie Informations-<br />

und Systemtechnik.<br />

Evonik Industries AG,<br />

TE-VT-C, Postbereich 1024-319,<br />

Rodenbacher Chaussee 4, D-63457 Hanau,<br />

Tel. +49 (0) 6181 59 44 65,<br />

E-Mail: uwe.piechottka@evonik.com<br />

54<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


5. APC – MEHR ALS PRÄDIKTIVE<br />

MEHRGRÖSSENREGELUNG<br />

Im Beitrag wurde die modellprädiktive Mehrgrößenregelung<br />

als ein typisches Verfahren des APC anhand<br />

eines Beispielprojekts vorgestellt. Im Folgenden sollen<br />

nun zunächst einige weitere typische APC-Verfahren<br />

und Anwendungen erläutert werden. Anschließend<br />

soll ein Ausblick auf eine mögliche Ergänzung des<br />

vorgestellten APC-Ansatzes gegeben werden.<br />

5.1 APC-Verfahren und Anwendungen<br />

Eine grundsätzliche Frage des Regelungsentwurfs ist es,<br />

wie die zeitlichen Verläufe der Stellgrößen eines Systems<br />

zu wählen sind, um relevante Systemgrößen entlang vorgegebener<br />

Trajektorien zu führen. Bei kontinierlichen<br />

Prozessen betrifft dies zum Beispiel das An- und Abfahren<br />

von Prozessen oder den Wechsel eines Arbeitspunkts.<br />

Die Kombination einer flachheitsbasierten Vorsteuerung<br />

mit einem Gain-Scheduling Regler in einer sogenannten<br />

Zwei-Freiheitsgrade-Struktur bietet eine gute Möglichkeit<br />

zur Lösung dieses Problems [3, 9]. Ein Beispiel für eine<br />

Anwendung ist die Neutralisation von Abwasser [3].<br />

Auch in Semi-Batch- und Batch-Prozessen finden sich<br />

Anwendungsmöglichkeiten für APC. Flachheitsbasierte<br />

Steuerungen können zum Beispiel zur Prozesssteuerung<br />

(Chylla-Haase-Reaktormodel, [7]) oder zur Regelung<br />

einer Temperaturverlaufs-Trajektorie für die Reaktionsmasse<br />

eines Semi-Batch-Polymerisationsprozesses<br />

[4, 9] verwendet werden. In [2, 10, 11] werden<br />

zudem Methoden beschrieben, die sowohl automatisierte,<br />

optimierte Rezepsteurerungen als auch Batchzu-Batch-Optimierungen<br />

umfassen. Dazu wird eine<br />

Interativ Lernende Regelung verwendet.<br />

5.2 Stationäre Echtzeit-Optimierung<br />

In der in diesem Beitrag vorgestellten APC-Lösung wurde<br />

beschrieben, wie mit Hilfe eines modellprädiktiven<br />

Reglers der Prozess an den optimalen Betriebspunkt<br />

bewegt werden kann. Der optimale Betriebspunkt wird<br />

dabei durch Zielgrößen beziehungsweise Grenzwerte<br />

festgelegt. Diese sind jedoch nicht immer bekannt oder<br />

fest. Oft stellt sich daher die Frage, was der aktuell<br />

optimale Betriebspunkt des Prozesses ist.<br />

Methoden der stationären Echtzeit-Optimierung<br />

(Real-Time Optimization, RTO) sind eine Möglichkeit,<br />

um dem modellprädiktiven Regler einen optimalen Betriebspunkt<br />

in Form von Sollwerten vorzugeben [4, 8].<br />

Dazu wird typischerweise ein rigoroses Prozessmodell<br />

verwendet, das beispielweise komplexe nichtlineare<br />

Thermodynamik und Reaktionskinetiken enthält. Im<br />

Gegensatz zum Mehrgrößenregler, der meist minütlich<br />

den unterlagerten Basisreglern Sollwerte vorgibt, wird<br />

die RTO in deutlich größeren Abständen durchgeführt;<br />

ein Zeitraster von Stunden bis zu Tagen ist normal.<br />

ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT<br />

In der Prozessindustrie werden kontinuierliche Teilprozesse,<br />

zum Beispiel Destillationskolonnen, meistens<br />

noch manuell durch Anlagenfahrer betrieben,<br />

die durch einige einschleifige Basisregelkreise unterstützt<br />

werden. Für den Menschen ist es allerdings fast<br />

unmöglich, einen Mehrgrößenprozess mit mehreren<br />

Stellgrößen und mehreren Regelgrößen wie Temperaturen,<br />

Füllständen und Qualitäten an einen optimalen<br />

Punkt zu bringen und dort zu halten. Advanced Process<br />

Control, im betrachteten Beispiel eine modellprädiktive<br />

Regelung, kann einen Prozess konstant an<br />

einem optimalen Betriebspunkt halten und so zu Einsparungen<br />

im Energieverbrauch und bei Produktverlusten<br />

führen.<br />

Über den Erfolg eines APC-Projektes entscheiden neben<br />

der technischen Lösung die Kommunikation und<br />

Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten.<br />

Nur so können Akzeptanz und Vertrauen in die neue<br />

Technologie entstehen und eine nachhaltige Verbesserung<br />

erzielt werden.<br />

MANUSKRIPTEINGANG<br />

24.10.2013<br />

REFERENZEN<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

[1] Bauer, M., Craig, I.: Economic assessment of advanced process control –<br />

A survey and framework. Journal of Process Control 18(1), S. 2–18, 2008<br />

[2] Hagenmeyer, V., Piechottka, U.: Innovative Prozessführung – Erfahrungen<br />

und Perspektiven. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 51(1‐2),<br />

S. 48–64, 2009<br />

[3] Abel, D., Epple U., Spohr, G.-U.: Integration von Advanced Control in der<br />

Prozessindustrie. WILEY-VCH Verlag 2008<br />

[4] Krämer, S., Bamberg, A., Dünnebier, G., Hagenmeyer, V., Piechottka, U.,<br />

Schmitz, S.: Prozessführung: Beispiele, Erfahrung und Entwicklung.<br />

<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 50(2), S. 68‐80, 2008<br />

[5] Dittmar, R., Pfeiffer, B.-M.: Modellbasierte prädiktive Regelung in der<br />

industriellen Praxis. at – Automatisierungstechnik 54(12), S. 590‐601, 2006<br />

[6] Froisy, J. B.: Model predictive control‐Building a bridge between theory and<br />

practice. Computers & Chemical <strong>Engineering</strong> 30(10‐12), S. 1426‐1435, 2006<br />

[7] Pfeiffer, B.-M., Schneider, M.: Flachheitsbasierte Steuerstrategien für<br />

Batch-Reaktoren (Flatness based Feedforward Control Strategies for Batch<br />

Reactors). at – Automatisierungstechnik 54(2), S. 78‐92, 2006<br />

[8] Tatjewski, P.: Advanced control and on-line process optimization in<br />

multilayer structures. Annual Reviews in Control 32(1), S. 71‐85, 2008<br />

[9] Hagenmeyer, V., .Nohr, M.: Flatness-based two-degree-of-freedom control<br />

of industrial semi-batch reactors using a new observation model for an<br />

extended Kalman filter approach. International Journal of Control 81(3),<br />

S. 428-438, 2008<br />

[10] Deis, W.: Ganzheitlich optimierte Prozesse – effiziente Prozessführung<br />

endet nicht mit der schnellen Lösung der Regelungsaufgabe. In: Tagungsband<br />

Automation, S. 213-216. VDI 2009<br />

[11] Kahrs, O., Dünnebier, G., Krämer, S., Luft, H.: Batch-Prozessführung<br />

– Potenziale und Herausforderungen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 53(1-2), S. 56‐60, 2011<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

55


HAUPTBEITRAG<br />

Regelgütemanagement<br />

Überwachung und Optimierung der Basisregelung<br />

Die Basisregelung einer prozesstechnischen Anlage sollte optimal eingestellt sein,<br />

um auf schwankende Anlagenauslastung flexibler reagieren und um gehobene Regelungs-<br />

und Prozessführungsstrategien erfolgreich einsetzen zu können. Dies kann<br />

nur durch kontinuierliche Überwachung und Optimierungen sichergestellt werden.<br />

Eine manuelle Überwachung und Instandhaltung aller Regelkreise ist bei größeren<br />

Anlagen schwierig. Es bietet sich der Einsatz von softwarebasierten Analysewerkzeugen<br />

an, mit denen eine Priorisierung und ein Ressourcenmanagement einfach<br />

erreicht werden kann. Diesen Prozess bezeichnen die Autoren als Regelgütemanagement.<br />

Der Beitrag beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen an ein Regelgütemanagement<br />

aus Anwendersicht. Dabei werden neben Aspekten zur Überwachung<br />

und Optimierung die Anforderungen an die verwendete Software diskutiert und<br />

Randbedingungen und organisatorische Maßnahmen für eine erfolgreiche Durchführung<br />

des gesamten Arbeitsprozesses vorgestellt.<br />

SCHLAGWÖRTER Regelgütemanagement / Controller Performance Management /<br />

PID-Regelung / Basisregelung<br />

Controller Performance Management –<br />

Monitoring and Optimisation<br />

The regulatory control layer of process plants should be tuned to make it possible to<br />

react to varying loads, but also so that advanced control and optimisation can be<br />

implemented successfully. This can only be achieved by continuous monitoring and<br />

optimisation. The larger the plant, the more difficult manual optimisation becomes.<br />

It therefore seems prudent to employ software based analysis tools for better selection<br />

and resource management. We call this process “Controller Performance Management”.<br />

We describe the requirements of controller performance management from<br />

a practical viewpoint. We discuss monitoring as well as optimisation but also software<br />

and organisational requirements for the successful implementation of the complete<br />

controller performance management workflow.<br />

KEYWORDS controller performance management / PID control / regulatory control<br />

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FLORIAN WOLFF, BASF<br />

STEFAN KRÄMER, Ineos<br />

Die zunehmende Volatilität der Märkte und die<br />

dadurch schwankende Auslastung der Anlagen<br />

in der Prozessindustrie erfordert eine immer<br />

flexiblere Fahrweise, die sich nur durch<br />

kontinuierliche Optimierungen sicherstellen<br />

lässt. In diesem Zusammenhang ist eine ständige Überprüfung<br />

und Anpassung der eingesetzten Basisregelungen<br />

im Prozessleitsystem notwendig. Typische Verbesserungsmaßnahmen<br />

reichen dabei vom einfachen<br />

Reglertuning über die Einführung erweiterter Regelkreisstrukturen<br />

(z.B. Störgrößenaufschaltung) bis zum<br />

Tausch falsch dimensionierter Stellgeräte.<br />

Die übereinstimmende Aussage in vorhandener Literatur<br />

ist, dass die Basisregelung per se gut eingestellt<br />

sein muss und als unterlagerte Regelung für gehobene<br />

Regelungs- und Prozessführungsstrategien eine wichtige<br />

Komponente darstellt [1-6]. Nur durch eine gute<br />

Basisregelung kann eine optimale Prozessführung<br />

erreicht werden. Die Korrektur einzelner beschränkender<br />

Regelkreise, die identifiziert werden müssen,<br />

erlaubt oft deutliche Durchsatzerhöhungen oder Energieersparnisse.<br />

Eine manuelle Überwachung und Instandhaltung aller<br />

Regelkreise ist nur bei kleinen Anlagen problemlos möglich,<br />

bei größeren Anlagen aufgrund der hohen Anzahl<br />

der Regelungen jedoch schwierig. Zur laufenden Überwachung<br />

und Verbesserung der Regelgüte bietet sich der<br />

Einsatz von softwarebasierten Analysewerkzeugen an,<br />

mit denen eine einfache Priorisierung der notwendigen<br />

Tätigkeiten und damit ein effizienter Ressourceneinsatz<br />

erreicht werden kann. Ziel ist es insbesondere, die limitierten<br />

Ressourcen im Bereich des Technikpersonals zur<br />

Lösung von Regelungsproblemen sinnvoll einzusetzen<br />

und Effizienzgewinne bei der Identifizierung notwendiger<br />

oder optimierender Maßnahmen zu realisieren. Diesen<br />

Prozess bezeichnen wir als Regelgütemanagement<br />

(controller performance management, CPM).<br />

Der Einsatz von spezieller Software für das Regelgütemanagement<br />

in der Prozessindustrie wird mittelfristig<br />

die Arbeitsweise und die Aufgaben des Personals<br />

der Prozessleittechnik (PLT) bedeutend beeinflussen.<br />

Es ergeben sich daraus neue Anforderungen an die PLT-<br />

Hersteller bezüglich Funktionalitäten der Produkte<br />

und Schnittstellen sowie an die Aus- und Weiterbildung<br />

des PLT-Fachpersonals.<br />

Dieser Beitrag beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen<br />

an ein Regelgütemanagement aus Anwendersicht.<br />

Dabei werden neben Aspekten zur Überwachung<br />

und Optimierung die Anforderungen an die verwendete<br />

Software diskutiert und Randbedingungen und<br />

organisatorische Maßnahmen für eine erfolgreiche<br />

Durchführung des gesamten Arbeitsprozesses vorgestellt.<br />

Die behandelten Aspekte zum Regelgütemanagement<br />

sind auch Inhalt einer geplanten Namur-Empfehlung<br />

zu diesem Thema [7].<br />

Die mathematischen Grundlagen und Methoden des<br />

Regelgütemanagements werden in der Literatur ausführlich<br />

behandelt. Einen guten Einstieg mit einer umfassenden<br />

Liste weiterer Literatur zu den Konzepten zur<br />

Überwachung von Regelkreisen bietet [8]. Dort werden<br />

aus technischer und wirtschaftlicher Sicht Methoden<br />

zur daten- oder modellbasierten Leistungsbewertung<br />

(benchmarking) sowie Algorithmen zur Erkennung einzelner<br />

Faktoren (etwa Haftreibung, Schwingungen) vorgestellt<br />

und anhand von Beispielen verdeutlicht. In [9]<br />

werden neben Methoden zur Bewertung der Regelgüte<br />

ferner Anforderungen an Software und zugehörige<br />

Dienstleistungen umrissen. Darüber hinaus gibt es zu<br />

den für eine erfolgreiche Anwendung des Regelgütemanagements<br />

ebenso wichtigen, praktischen und organisatorischen<br />

Aspekten nur wenige wissenschaftliche<br />

Veröffentlichungen, beispielsweise [10] und [11].<br />

1. BASISREGELUNGEN IM PROZESSLEITSYSTEM<br />

Die Aufgabe einer Regelung ist das Erreichen und Halten<br />

eines messbaren Prozesswertes (Ist-Wert oder Regelgröße,<br />

wie beispielsweise Durchfluss) an einem vorgegebenen<br />

Sollwert durch gezielte Veränderung einer diesen Prozesswert<br />

beeinflussenden Stellgröße ( zum Beispiel Ventilstellung).<br />

Als Basisregelung werden die die Regelungen<br />

bezeichnet, die auf der untersten Ebene der Automatisierungshierarchie<br />

im Prozessleitsystem enthalten sind.<br />

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HAUPTBEITRAG<br />

Klassisch sind dies PID-Regler (proportional integral<br />

derivative controller) in folgenden Strukturen:<br />

Regelungen, die durch Stellung eines Ventils<br />

direkt eine bestimmte Regelgröße beeinflussen<br />

(beispielsweise Durchfluss, Füllstand)<br />

Split-Range-Regelungen<br />

Auswahlregelungen (auch Überwachungs-,<br />

Override- oder Stand-by-Regelungen)<br />

Einstufige Kaskadenregelungen<br />

Regelungen mit Aufschaltung messbarer Störgrößen<br />

Die Sollwerte dieser Regelungen werden entweder vom<br />

Bediener oder von höheren Ebenen der Automatisierungshierarchie<br />

vorgegeben.<br />

Eine gute Basisregelung erfüllt die oben beschriebene<br />

Aufgabe in einem möglichst weiten Arbeitsbereich (gekennzeichnet<br />

durch beispielsweise einen großen Temperaturbereich)<br />

und unter verschiedenen Störeinflüssen<br />

(wechselnde Zulauf- oder Außentemperaturen)<br />

entsprechend der folgenden Vorgaben:<br />

Geschwindigkeit,<br />

Führungsverhalten,<br />

Störungsausregelung,<br />

Einhaltung der maximal zulässigen Abweichung<br />

vom Sollwert,<br />

keine Schwingungen,<br />

keine Bedieneingriffe.<br />

Eine typische petrochemische Anlage enthält, abhängig<br />

von ihrer Komplexität, zwischen 50 und 1 000 Regelkreise.<br />

Eine Salpetersäureanlage, eine Butadienanlage<br />

oder eine Glykolanlage benötigt zwischen 50 und<br />

100 Regelkreise, eine größere Anlage, wie eine Ammoniakanlage<br />

oder Ethylenoxidanlage, nutzt 200 bis 400<br />

Regelkreise, während ein Steamcracker bis zu 1 000<br />

Regelkreise umfasst. Von diesen Regelkreisen sind im<br />

Normalfall zirka 50 % Druck- und Durchflussregler, die<br />

häufig direkt ein Ventil ansteuern, der Rest verteilt sich<br />

auf Temperatur-, Füllstands- und Spezialregler, oft in<br />

kaskadierten Strukturen.<br />

2. KONTINUIERLICHER VERBESSERUNGSPROZESS<br />

Die Regelgüte von Basisregelkreisen lässt sich dauerhaft<br />

nur verbessern durch laufende Überwachung und regelmäßige<br />

Optimierungsmaßnahmen. Eine iterative Vorgehensweise<br />

wird aufgrund der vielen Regelkreise empfohlen,<br />

bei der in jedem Schritt nur ein Teil der Regelungen<br />

betrachtet und optimiert wird. Sich ändernde Randbedingungen<br />

führen dazu, dass viele Regelkreise wiederholt<br />

betrachtet werden müssen. Diese Ziele sind durch den<br />

Einsatz eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />

(KVP), wie er in Bild 1 dargestellt ist, erreichbar.<br />

Die grundlegenden Aufgaben in diesem Verbesserungsprozess<br />

sind:<br />

1 | Analysephase: Auf Basis der betrieblichen Messdaten<br />

der Basisregelkreise (Istwert, Sollwert,<br />

Stellwert, Reglermodus) und möglicherweise der<br />

Regelungsart (Durchfluss, Füllstand) sowie der<br />

Regelungsstruktur (Kaskade, Störgrößenaufschaltung)<br />

ist die Regelgüte für jeden Regelkreis zu<br />

bestimmen und zu bewerten . Mit den Analyseergebnissen<br />

kann dann unter Berücksichtigung<br />

der betrieblichen Gegebenheiten die notwendige<br />

Priorisierung durchgeführt werden. Bei der typischen<br />

Anlagengröße erfordert die Analysephase<br />

den Einsatz geeigneter Software.<br />

2 | Optimierungsphase: Die Hinweise auf Verbesserungspotenziale<br />

aus der Analysephase sind auf<br />

mögliche Ursachen zu untersuchen. Daraus lassen<br />

sich dann die notwendigen Maßnahmen ableiten.<br />

Sie erfordert häufig Prozesswissen und sollte in<br />

Abstimmung mit allen Beteiligten (Betriebsmannschaft,<br />

gegebenenfalls zentrale Facheinheiten)<br />

durchgeführt werden. Für jeden untersuchten<br />

Regelkreis sind Maßnahmen festzulegen, umzusetzen<br />

und zu dokumentieren (Überprüfung von<br />

Sensoren oder Ventilen, Reglertuning, Strukturoder<br />

Verfahrensänderungen).<br />

Das Ziel ist, dass Produktionsbetriebe oder kompetente<br />

Dienstleister den kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

selbstständig durchführen und nur bei Bedarf die Unterstützung<br />

von Experten in Anspruch nehmen. Für die langfristig<br />

erfolgreiche Durchführung des kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozesses sind folgende Punkte essenziell:<br />

Die regelmäßige Durchführung unter Einbeziehung<br />

aller notwendigen Teilnehmer muss von einer verantwortlichen<br />

Person koordiniert und moderiert werden.<br />

Es müssen alle Schritte des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />

durchgeführt werden.<br />

Dem Verbesserungsprozess müssen ausreichend Bearbeitungszeit<br />

und weitere notwendige Ressourcen<br />

über einen längeren Zeitraum eingeräumt werden.<br />

Um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren,<br />

ist es hilfreich, zunächst unter Anleitung eines<br />

Experten in Regelgütemanagement eine Analyse aller<br />

Regelkreise durchzuführen und einen Teil der Regelkreise,<br />

die nicht die Kriterien guter Basisregelung erfüllen,<br />

zu optimieren. Dabei sollte, falls nötig, auch das<br />

Feintuning der eingesetzten Analysesoftware erfolgen.<br />

3. ASPEKTE DER ÜBERWACHUNG UND OPTIMIERUNG<br />

Das erfolgreiche Regelgütemanagement im KVP steht<br />

auf vier Säulen,<br />

1 | der Berechnung von aussagekräftigen Kenngrößen<br />

(key performance indicators, KPI),<br />

2 | einer nutzergerecht interpretierbaren Darstellung<br />

von KPI,<br />

3 | einer Möglichkeit zum Tunen von Reglern und<br />

4 | einem gelebten Arbeitsprozess (Workflow) des Regelgütemanagements<br />

mit softwareunterstützter<br />

Handlungsdokumentation.<br />

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Prozessdaten,<br />

Zielvorgaben<br />

Softwaregestützte<br />

Analyse<br />

KPI<br />

BILD 1:<br />

Kontinuierlicher<br />

Verbesserungsprozess<br />

(KVP)<br />

Umsetzung<br />

Ableitung von<br />

Maßnahmen<br />

KPI Zustände / Wertebereich Zusatzinformationen<br />

Übersicht<br />

Global-Regelgüte In Ordnung / Verbesserungsbedarf zuverlässig: ja / nein<br />

Detailanalyse<br />

Regler benötigt 0–100% der Zeit –<br />

Regler im Eingriff<br />

Nein: Handbetrieb<br />

Nein: Sättigung<br />

Schwingungen<br />

Form<br />

Periodendauer<br />

Amplitude<br />

Regelgeschwindigkeit<br />

0–100% der Zeit<br />

0–100% der Zeit<br />

0–100% der Zeit<br />

0–100% der Zeit<br />

harmonisch / mit Oberwellen<br />

in Minuten<br />

Absolutwert / % des mittl. Ist-Werts<br />

zu langsam / in Ordnung / zu schnell<br />

(bezogen auf Zielvorgabe)<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

zuverlässig: ja / nein<br />

Schwankungsbreite<br />

Schwankungsbreite<br />

zuverlässig: ja / nein<br />

Aktorprobleme In Ordnung / signifikant zuverlässig: ja / nein<br />

Sensorprobleme<br />

In Ordnung / signifikant<br />

Signal/Rausch-Verhältnis,<br />

Ausreißer<br />

Stellaufwand In Ordnung / zu hoch zuverlässig: ja / nein<br />

Manuelle Eingriffe Anzahl pro Bediener und Tag –<br />

TABELLE 1:<br />

Übersicht der<br />

Kenngrößen und<br />

deren Ausgabe<br />

3.1 Kenngrößen (KPI)<br />

Für die Nutzung innerhalb des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />

sollte eine Software eine Mindestanzahl<br />

von Kenngrößen bereitstellen, die dem Nutzer direkt<br />

eingängig sind. Zu diesen Kenngrößen gehören:<br />

Für die Übersicht (einfache Anwendung): Für die<br />

Übersicht wird ein KPI benötigt, der die Gesamt-<br />

Regelgüte des Regelkreises möglichst objektiv abbildet.<br />

Es reicht, wenn der KPI den Regelkreis in<br />

den Kategorien In Ordnung und Es besteht Verbesserungsbedarf<br />

bewertet. Der KPI muss eine Angabe<br />

zu seiner Verlässlichkeit beinhalten. Bei Verbesserungsbedarf<br />

ist ein Hinweis auf mögliche Ursachen<br />

erforderlich. Die Auswertung muss vor allem robust<br />

sein: Wenn ein Regelkreis einen Regelfehler<br />

hat, dessen Standardabweichung kleiner als die<br />

des Messrauschens ist, ist er In Ordnung.<br />

Für die Detailanalyse (Experte) werden Einzel-KPI<br />

benötigt, die der Nutzer heranzieht, um dem Problem<br />

eines Regelkreises auf den Grund zu gehen.<br />

Diese stellen die Basis der Übersichtsbewertung<br />

dar. Folgende Information sollte aus diesen KPI<br />

hervorgehen, Tabelle 1 gibt eine Übersicht der Bewertungsart:<br />

Wurde der Regler während der Analysezeit benötigt,<br />

wenn ja, wie lange (Ausschluss von Auswahl-<br />

Reglern oder Reglern bei Anlagenabstellungen)?<br />

War der Regler im Eingriff? Wenn nein:<br />

– War der Regler auf Hand?<br />

– War der Regler in der Sättigung, war die Sättigung<br />

am oberen oder unteren Ende des Stellbereichs?<br />

Schwingt der Regler? Wenn ja,<br />

– wie häufig?<br />

– ist es eine harmonische Schwingung oder treten<br />

Oberwellen auf?<br />

– bei welcher Frequenz?<br />

– mit welcher Amplitude?<br />

Ist die Regelgeschwindigkeit adäquat für den Prozess?<br />

Gibt es Probleme mit Aktoren (hakende Ventile)?<br />

Gibt es Probleme mit Sensoren (großes Messrauschen)?<br />

Nutzt das Verhalten des Reglers den Aktor stark ab<br />

und verschenkt somit auch Steuerenergie (Stellaufwand)?<br />

Häufigkeit der Handeingriffe (Stell- oder Sollwertänderungen)?<br />

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HAUPTBEITRAG<br />

Um KPI sauber zu bewerten, müssen sie bestimmte Kriterien<br />

erfüllen:<br />

1 | Zahlenwerte sollten in Relation zu geeigneten Prozessgrößen<br />

angegeben werden, beispielsweise in<br />

Prozent des Sollwerts, des durchschnittlichen Messwerts<br />

oder Messbereichs oder des mittleren Regelfehlers;<br />

gegebenenfalls müssen sie auf Abtastung,<br />

Analysezeitraum oder Messbereich normiert werden.<br />

2 | Alle KPI werden nur für den Zeitraum, in dem der<br />

Regler benötigt wird, berechnet. Dies ist relevant<br />

für Auswahlregler, Batch-Prozesse, Anfahrregler,<br />

Anlagenstillstände und ähnliche Phänomene.<br />

3 | KPI müssen, wenn sinnvoll, für Anlagenteile aggregierbar<br />

sein, um eine Übersicht über Anlagenteile<br />

oder die Gesamtanlage zu erhalten (Mittelwert<br />

über Anlagenteile).<br />

4 | KPI müssen historisiert werden und in Plots anzeigbar<br />

sein. Hier sollten Zusammenfassungen<br />

über Zeiträume möglich sein, zum Beispiel über<br />

Box-Whisker-Plots.<br />

5 | KPI sollten korreliert werden können oder automatisch<br />

korreliert werden, beispielsweise Last<br />

mit Schwingungen oder Regelgeschwindigkeit.<br />

Zusätzlich zu den KPI sollte eine Software den Nutzer<br />

durch Hinweise auf mögliche Ursachen bei der weiteren<br />

Arbeit unterstützen, zum Beispiel bei Ventilhaken<br />

oder ungeeigneten Reglerparametern.<br />

Einige Regelkreise bedürfen einer besonderen Behandlung,<br />

was bei der Bewertung zu berücksichtigen<br />

ist. Dazu gehören Pufferstandregelungen und Analyseregelungen:<br />

Bei Pufferstandregelungen müssen Störungen<br />

im Zulauf stark gedämpft an den Ablauf weitergegeben<br />

werden, wobei der Stand in einem relativ großen<br />

Bereich gehalten werden muss. Bei Analyseregelungen<br />

sind oft lange oder unregelmäßige Abtast- und<br />

Totzeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren wird in<br />

Punkt 5 der immer vorhandene Mehrgrößencharakter<br />

von Chemieanlagen, in denen stets verkoppelte Strukturen<br />

bestehen, bereits teilweise zum Ausdruck gebracht.<br />

Bei deutlicher physikalischer Kopplung oder bei<br />

durch Regelungsstrukturen geschaffenen Kopplungen<br />

müssen die gekoppelten Regelkreise besonders betrachtet<br />

werden, da bei diesen Strukturen die optimale Einstellung<br />

aller Einzelregler nicht das Optimum für die<br />

Anlage darstellen muss.<br />

3.2 Darstellung der Kenngrößen<br />

Gute Berechnungen und gute KPI (das heißt robuste und<br />

aussagekräftige Zahlenwerte und Hinweise) sind die<br />

mathematische und inhaltliche Basis eines Regelgütemanagementsystems.<br />

Darauf aufbauend ist eine geeignete<br />

Darstellung der Ergebnisse erforderlich. Nur<br />

eine gute rollenbasierte Darstellung der Ergebnisse erlaubt<br />

es dem Benutzer, die theoretischen Ergebnisse<br />

gewinnbringend in die Praxis umzusetzen. Geeignete<br />

Schnittstellen müssen dem Benutzer die Flexibilität<br />

geben, neben der integrierten Darstellungsfunktion externe<br />

Visualisierungs-Software einzusetzen. Die integrierte<br />

Darstellungsfunktion muss eine sinnvolle Anzahl<br />

solcher Berichte bereits standardmäßig an Bord<br />

haben, vergleiche Abschnitt 4.<br />

Verfügbare Visualisierungs-Software ist gegebenenfalls<br />

besser in der Lage, ein gutes Berichtswesen durch<br />

alle Hierarchieebenen zu etablieren. Daraus ergeben<br />

sich Anforderungen an die Schnittstellen des Regelgütemanagementsystems<br />

zu anderen Softwarepaketen,<br />

siehe Abschnitt 4.1.<br />

Die Berichte müssen sich an die Ebene des Nutzers<br />

in der Hierarchie anpassen lassen (rollenbasierte Darstellung).<br />

Ein Anlagenleiter möchte eher eine Übersicht<br />

sehen und eher einen Arbeitsprozess anstoßen, während<br />

der PLT-Spezialist viele Details erfahren möchte.<br />

Die verwendete Darstellung muss ein hierarchisch gestuftes,<br />

topologisches Reporting anbieten und die Anlagenhierarchie<br />

abbilden.<br />

Die folgenden Berichte stellen Beispiele an Darstellungsmöglichkeiten<br />

dar, die das Regelgütemanagement<br />

bieten muss:<br />

Top-X-Listen von<br />

schlechten Reglern (auf Basis der Übersichts-KPI)<br />

langsamen Reglern<br />

aggressiven Reglern<br />

schwingenden Reglern<br />

Reglern auf Hand<br />

Reglern mit hakendem Ventil<br />

Reglern in Sättigung<br />

Regelgüte eines Prozesses bezogen auf die Last<br />

Regelgüte während An- und Abfahrphasen, in<br />

Batch-Prozessen und während Produktwechseln<br />

Ein Regelgütemanagementsystem sollte konfigurierbar<br />

Meldungen an Nutzer absetzen. Bei deren Konfiguration<br />

sollten die Vorgaben aus den Empfehlungen<br />

für Alarm Management [12], berücksichtigt werden.<br />

Das Verschicken einer E-Mail, ebenso die Alarmierung<br />

im Prozessleitsystem sind technische Möglichkeiten,<br />

wie ein Regelgütemanagement diese Forderung<br />

erfüllen kann.<br />

3.3 Regleroptimierung (Tuning)<br />

Zum Regelgütemanagement gehört ein Werkzeug zur<br />

Reglereinstellung, also zur Einstellung des P, I und<br />

D-Anteils eines PID-Reglers. Änderungen an den Tuning-Parametern<br />

muss das Regelgütemanagement<br />

dokumentieren.<br />

An ein Werkzeug für die Reglereinstellung werden<br />

folgende Mindestanforderungen gestellt [13]:<br />

1 | Versuchsdaten können sehr einfach (am besten<br />

mit der bestehenden Konfiguration des PLS) ausgelesen<br />

werden, historisch oder live.<br />

2 | Das Werkzeug hat einen guten Einstellalgorithmus,<br />

der aus Identifikation eines Modells und<br />

Reglereinstellregeln besteht. Der Nutzer kann<br />

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anpassen, wie schnell der Regler sein soll und<br />

welche Aufgabe er hat. Die Mindestanforderung<br />

umfasst hier:<br />

a | Führungsverhalten<br />

b | Störverhalten<br />

3 | Eine Bewertung der Zuverlässigkeit der Ergebnisse<br />

muss verfügbar sein (Warnhinweise bei ungenügender<br />

Modellgüte und daraus resultierenden<br />

unzuverlässigen Reglerparametern).<br />

4 | Die Ergebnisse werden passend für das vorhandene<br />

Leitsystem ausgegeben.<br />

3.4 Arbeitsprozess (Workflow)<br />

Der Arbeitsprozess des Regelgütemanagements ergibt<br />

sich aus dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess,<br />

den die Software unterstützen muss (siehe Bild 1). Dazu<br />

sind folgende Kompetenzen notwendig:<br />

Verfahrenskompetenz (Verfahrensingenieur): kennt<br />

den Gesamtprozess, kann Auswirkungen von Änderungen<br />

beurteilen und gegebenenfalls weitere<br />

Maßnahmen veranlassen<br />

Anlagenkompetenz (Schichtführer): kennt typische<br />

Fahrweise und Probleme und deren Historie<br />

PLT-Kompetenz (PLT-Techniker): kennt Möglichkeiten<br />

der Umsetzung im PLS & Instrumentierung,<br />

Reglertuning<br />

APC-Kompetenz (APC-Ingenieur): kann komplexe<br />

Lösungsansätze einbringen und bewerten, Berater<br />

im KVP, erkennt Potenziale für Advanced-Process-<br />

Control-Lösungen<br />

Zur Einführung des Regelgütemanagements empfehlen<br />

sich mehrere Schritte, die zu durchlaufen sind:<br />

1 | Festlegung von Rollen: Wie ein Projekt sollte der<br />

Workflow eines gelebten Regelgütemanagements<br />

Personen in verschiedenen Hierarchieebenen umfassen.<br />

Daraus ergeben sich mindestens die folgenden<br />

Rollen:<br />

a | IT-Experte: Sorgt für ein reibungslos funktionierendes,<br />

technisches System<br />

b | Initiator: Sucht Regelkreise heraus, die analysiert<br />

werden müssen<br />

c | Optimierer: Analysiert einzelne Regelkreise<br />

auf deren Verbesserungspotenzial und leitet<br />

Maßnahmen ab<br />

d | Umsetzer: Setzt Verbesserungsvorschläge an<br />

den ausgewählten Reglern um, beispielsweise<br />

Reglertuning<br />

e | Berichterstatter<br />

f | KVP-Verantwortlicher<br />

Die Rollen b bis d müssen von einem Team, dessen<br />

Mitglieder alle Aufgaben beherrschen, durchgeführt<br />

werden. Dieses Team benötigt handfeste<br />

Unterstützung aus der Ebene der Betriebsleitung,<br />

unter anderem, da unter anderem viele kleine<br />

Sprungversuche an der Anlage durchgeführt werden<br />

müssen.<br />

2 | Die Erstoptimierung sollte aus der Erfahrung der<br />

Autoren nicht entfallen. Der Grund dafür liegt<br />

in der Effizienz des einmal eingearbeiteten Personals<br />

und der Herstellung einer guten Ausgangsbasis,<br />

gegen die ein KVP dann gute Ergebnisse<br />

bringen kann. Wir empfehlen, die Erstoptimierung<br />

auf Projektbasis durchzuführen. Dabei<br />

muss das Personal, das den KVP und die<br />

Instandhaltung im Betrieb übernehmen soll,<br />

bereits aktiv eingebunden werden. Erfahrungsgemäß<br />

sind für die Erstoptimierung mindestens<br />

vier Wochen einzuplanen.<br />

Die Erstoptimierung besteht aus folgenden Schritten:<br />

a | Festlegung der Regler, die in der Erstoptimierung<br />

zu betrachten sind<br />

b | Erster Optimierungsdurchgang (ohne Anlagenkenntnis<br />

möglich)<br />

I | Hand/Automatik hinterfragen<br />

II | Schwingen und Ventilhaken beheben<br />

III | Regler mit hohen Alarm oder Eingriffswerten<br />

hinterfragen<br />

IV | Alle Durchfluss- und Druckregler, die mit<br />

einem Tuning-Werkzeug schnell einstellbar<br />

sind, einstellen<br />

c | Zweiter Optimierungsdurchgang<br />

I | Oft führt das Einstellen der Durchflussund<br />

Druckregler zu einer allgemeinen<br />

Verbesserung. Daher ist eine erneute Auswahl<br />

der zu betrachtenden Regler durch<br />

den Initiator notwendig<br />

II | Regelungsstruktur bewerten, zum Beispiel<br />

Kaskaden, Aufschaltungen<br />

III | Bei reinen Tuning-Problemen: diese Regler<br />

tunen<br />

IV | Bei Prozessproblemen: Instandhaltung<br />

einplanen<br />

V | Bei Regelungsstruktur- und deutlichen<br />

Kopplungsproblemen: Advanced-Process-<br />

Control-Personal hinzuziehen<br />

d | Übergabe in die kontinuierliche Verbesserung<br />

3 | Kontinuierliche Verbesserung: Dieser iterative<br />

Prozess nutzt dieselbe Vorgehensweise wie die<br />

Erstoptimierung, jedoch nur für Regler, die<br />

durch die KPI als Nicht in Ordnung identifiziert<br />

wurden. Der KVP ist daher einfacher, wenn die<br />

Anlage vorab durch eine Erstoptimierung gut<br />

eingestellt wurde.<br />

Für die Durchführung des KVP ist in verschiedenen<br />

Bereichen Anlagenkenntnis erforderlich, beispielsweise<br />

für die Festlegung von Zielvorgaben. Auch wenn sich<br />

30 % bis 40 % der Regler ohne Anlagenkenntnis auf ein<br />

gutes Regelungsverhalten einstellen lassen, werden mit<br />

Anlagenkenntnis bessere Ergebnisse erzielt.<br />

Einige oder alle Rollen sowie die Optimierung können<br />

externe Partner übernehmen, wenn internes Personal<br />

für die Aufgabe nicht zur Verfügung steht. Ebenso<br />

kann dafür eine passende Software nur für eine<br />

beschränkte Zeit an die Anlage angeschlossen werden<br />

(software as a service).<br />

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61


HAUPTBEITRAG<br />

4. ANFORDERUNGEN AN DIE SOFTWARE<br />

Grundsätzlich stehen zwei Ansätze zur softwarebasierten<br />

Regelgüteüberwachung zur Verfügung. Die erste Möglichkeit<br />

besteht darin, solche Analysewerkzeuge in moderne<br />

Prozessleitsysteme (PLS) zu integrieren, die die<br />

PLS-intern vorhandene Information über die Basisregelungen<br />

nutzen. Dies hat den Vorteil, dass das Analysewerkzeug<br />

über alle im PLS gesammelten Daten verfügt,<br />

ohne eine externe Schnittstelle zu benötigen, und alle<br />

Möglichkeiten des PLS berücksichtigen kann. Aus dem<br />

Einsatz verschiedener PLS-Versionen oder gar verschiedenen<br />

Produkten mehrerer PLS-Hersteller resultiert jedoch<br />

eine möglicherweise nur schwer zu beherrschende<br />

Vielfalt an Analysewerkzeugen und -möglichkeiten, sodass<br />

dieser Ansatz hauptsächlich bei einer einheitlichen<br />

PLS-Landschaft oder Einzelanlagen vorteilhaft erscheint.<br />

Die zweite Möglichkeit besteht darin, Lösungen PLSunabhängiger<br />

Lieferanten zu nutzen. In diesem Fall<br />

muss die relevante Information aus dem PLS extrahiert<br />

und der Analysesoftware übermittelt werden. Dieser<br />

Ansatz verursacht einen höheren Installations- und<br />

Konfigurationsaufwand, bietet aber ein einheitliches<br />

Werkzeug unabhängig vom PLS-Hersteller oder der eingesetzten<br />

PLS-Version. Damit muss das notwendige<br />

Know-how nur für ein System aufgebaut und vorgehalten<br />

werden, sodass sich im Fall einer vorhandenen PLS-<br />

Vielfalt erhebliche Effizienzvorteile ergeben können.<br />

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Anforderungen<br />

an Lösungen PLS-unabhängiger Lieferanten,<br />

können jedoch sinngemäß ebenso auf PLS-interne Lösungen<br />

übertragen werden. Einige Aspekte (zur Administration<br />

und Konfiguration) spielen bei PLS-internen<br />

Lösungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle.<br />

Insgesamt empfiehlt es sich, vor der Einführung eines<br />

Regelgütemanagementsystems die in Frage kommenden<br />

Softwarepakete auf die im Abschnitt 3 genannten Punkte<br />

gemäß den Anforderungen im Unternehmen zu überprüfen.<br />

4.1 Benutzeranforderungen<br />

Die grundsätzlichen Anforderungen an ein Regelgütemanagementsystem<br />

aus Benutzersicht entsprechen prinzipiell<br />

denen für andere Softwareprodukte und sind in ISO/<br />

IEC 9126 [14] beziehungsweise dem Nachfolger ISO/<br />

IEC 25000 [15] festgelegt. Vor der Entscheidung für ein Softwarepaket<br />

eines bestimmten Anbieters sollte unter Berücksichtigung<br />

der speziellen Anforderungen im Unternehmen<br />

oder der Einsatzumgebung geprüft werden, inwieweit sich<br />

das Softwarepaket für den angestrebten Zweck eignet. Die<br />

Erfahrung zeigt, dass die nachfolgend aufgeführten Aspekte<br />

intensiv und kritisch geprüft werden müssen:<br />

Funktionalität:<br />

Bietet die Software alle notwendigen Funktionen<br />

für eine erfolgreiche Durchführung des Regelgütemanagements,<br />

vergleiche Abschnitt 3?<br />

Liefert die Software zuverlässige Hinweise auf<br />

mögliche Lösungsansätze (Reglertuning, Ventilprobleme)?<br />

Sind die Analyseergebnisse korrekt oder lassen<br />

zumindest eine Aussage über ihre Verlässlichkeit<br />

zu (Angabe von Standardabweichungen oder Vertrauensintervallen)?<br />

Können alle benötigten Datenquellen eingebunden<br />

werden, vergleiche Abschnitt 4.2?<br />

Ist die Sicherheit vor unberechtigten Zugriffen gewährleistet<br />

und können einzelnen Nutzern oder<br />

Nutzergruppen ausreichend fein gestaffelte Zugriffsrechte<br />

vergeben werden?<br />

Zuverlässigkeit:<br />

Arbeiten alle Softwaremodule und Datenverbindungen<br />

fehlerfrei?<br />

Werden alle essenziellen Systemfunktionen laufend<br />

überwacht und bei Problemen angemessene<br />

Hinweise geliefert?<br />

Wie verhält sich das System bei fehlenden oder<br />

unplausiblen Daten (Messdaten, Konfigurationseinstellungen)?<br />

Steht alle Information jederzeit und zeitnah zur<br />

Verfügung oder gibt es häufig Verzögerungen oder<br />

Ausfälle?<br />

Benutzbarkeit:<br />

Ist die Analysesoftware klar und übersichtlich<br />

strukturiert?<br />

Ist alle dargestellte Information für unerfahrene Anwender<br />

verständlich und korrekt interpretierbar oder<br />

besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen?<br />

Ist eine rollenbezogene Darstellung von Informationen<br />

mit unterschiedlichem Detailgrad für verschiedene<br />

Nutzergruppen (Betriebsleitung/Management,<br />

Schichtmitarbeiter) möglich?<br />

Kann die Verfügbarkeit von Softwarefunktionen für<br />

verschiedene Nutzergruppen eingestellt werden (Root-<br />

Cause-Analysen für Nutzer mit tiefem Fachwissen)?<br />

Ist der Einarbeitungsaufwand angemessen?<br />

Lässt sich die Benutzeroberfläche generell und für<br />

einzelne Nutzer anpassen (Personalisierung von<br />

Darstellungen und Berichten)?<br />

Unterstützt die Analysesoftware durchgängig den<br />

prinzipiellen Arbeitsablauf des Regelgütemanagements<br />

(durch Dokumentationsfunktionen, Informationsaustausch<br />

zwischen Benutzern, Darstellung<br />

einer Änderungshistorie)?<br />

Können maßgeschneiderte Berichte für verschiedene<br />

Nutzergruppen automatisch erstellt und versendet<br />

werden?<br />

Wird der Nutzer/Administrator auf Änderungen in<br />

unterlagerten Systemen hingewiesen, die gegebenenfalls<br />

eine Aktion erfordern?<br />

Kann über die Analysesoftware auf Daten aus anderen<br />

Systemen zugegriffen werden und können<br />

Daten aus der Analysesoftware zu anderen Systemen<br />

exportiert werden?<br />

Effizienz:<br />

Ist die Arbeitsgeschwindigkeit ausreichend, das<br />

heißt sind alle Informationen ohne zu großen Zeitaufwand<br />

abruf- und verarbeitbar?<br />

62<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Steht der für eine ausreichende Arbeitsgeschwindigkeit<br />

notwendige Ressourceneinsatz<br />

(Hardware) in einem akzeptablen Verhältnis<br />

zum Nutzen?<br />

Wartbarkeit:<br />

Sind Modifikationen des Systems zur Anpassung<br />

an besondere Anforderungen einfach möglich<br />

(zur Berücksichtigung von Besonderheiten im<br />

betrieblichen Arbeitsablauf)?<br />

Können Fehlfunktionen einfach behoben werden?<br />

Kann ein vorheriger, fehlerfreier Zustand (nach<br />

einer Fehlkonfiguration) einfach wieder hergestellt<br />

werden?<br />

Ist das System einfach erweiterbar (Einführung<br />

zusätzlicher Funktionen oder Erweiterung auf<br />

andere Produktionsanlagen)?<br />

Können Modifikationen zu weitreichenden, unerwünschten<br />

Konsequenzen führen oder wird<br />

dies prinzipiell vermieden, zum Beispiel durch<br />

geeignete Modularisierung?<br />

Insgesamt ist es essenziell, dass alle Nutzer des Regelgütemanagementsystems<br />

ohne großen Einarbeitungsaufwand<br />

mit dem System arbeiten und sich auf die<br />

gelieferte Information verlassen können. Schon eine<br />

geringe Zahl von Fehldiagnosen kann das Vertrauen<br />

der Nutzer in die Leistungsfähigkeit des Systems als<br />

Ganzes und damit dessen Einsatz im Rahmen der täglichen<br />

Arbeit entscheidend verringern.<br />

4.2 Administration und Konfiguration<br />

Ein PLS-unabhängiges Regelgütemanagementsystem<br />

wird hardwareseitig typischerweise auf einer Client-<br />

Server-Struktur installiert und kann damit prinzipiell<br />

von beliebig vielen Nutzern dezentral genutzt werden<br />

(im Gegensatz zu einer PLS-internen Lösung, die oft<br />

nur von den <strong>Engineering</strong>-Stationen des PLS aus bedient<br />

werden kann). Der Zugriff erfolgt für alle Nutzer des<br />

Systems zum Beispiel über eine webbasierte Applikation,<br />

administrative Aufgaben können entweder ebenfalls<br />

webbasiert oder über direkten Zugriff auf die Server<br />

erledigt werden.<br />

Ein solches Regelgütemanagementsystem erfordert<br />

eine umfassende Nutzer- und Rechteverwaltung, mit<br />

der die Zugriffe auf die spezifischen Daten von Produktionsanlagen<br />

(Messdaten und Regelgüteanalysen) eindeutig<br />

festgelegt werden können und gleichzeitig ein<br />

komfortabler Datenaustausch zwischen verschiedenen<br />

Nutzern ermöglicht wird. Andererseits sind separate<br />

Berechtigungen für allgemeine administrative Aufgaben<br />

(Softwareupdates, Rechtemanagement, Datenverbindungen)<br />

und betriebsspezifische administrative<br />

Tätigkeiten (Hinzufügen von Regelkreisen, Anpassung<br />

von Benchmarks) erforderlich.<br />

Zur Vereinfachung der allgemeinen administrativen<br />

Aufgaben empfiehlt sich neben der zentralen serverbasierten<br />

Installation des Regelgütemanagementsystems<br />

der Einsatz einer zentralen Systemüberwachung, die<br />

alle Module und Datenverbindungen des Systems laufend<br />

überwacht und im Fehlerfall entsprechend alarmiert.<br />

Hilfreich sind weiterhin Schnittstellen, zum<br />

Beispiel zur Übernahme von Zugriffsberechtigungen<br />

aus anderen vorhandenen IT-Systemen.<br />

Zur Durchführung der Regelgüteanalysen benötigt<br />

die Software verschiedene Information (Messsignale,<br />

Zielvorgaben/Benchmarks, gegebenenfalls weitere Statusinformation)<br />

über jeden Regelkreis. Diese Information<br />

stammt normalerweise aus unterschiedlichen<br />

Quellen. Statische Information, wie Benchmarks, muss<br />

vom Betriebspersonal auf Basis ihres Anlagen- und<br />

Verfahrenswissens festgelegt und der Software zur<br />

Verfügung gestellt werden. Andere strukturelle Information,<br />

wie die Zugehörigkeit eines Regelkreises zu<br />

einem bestimmten Anlagenteil, kann möglicherweise<br />

aus anderen existierenden Datenquellen extrahiert<br />

werden, wofür ebenfalls geeignete Schnittstellen erforderlich<br />

sind.<br />

Veränderliche Information (Messsignale) kann aus<br />

verschiedenen Quellen (direkt aus dem PLS oder<br />

einem zwischengeschalteten BDIS/PIMS) stammen<br />

und wird über feste Bezeichner identifiziert, die ebenfalls<br />

der Analysesoftware bekannt sein müssen. Es<br />

empfiehlt sich, ein separates Kurzzeitarchiv einzusetzen,<br />

indem alle Messdaten unkomprimiert und mit<br />

ausreichend hoher Abtastrate für einen Zeitraum von<br />

mehreren Wochen gepuffert werden können. Insgesamt<br />

müssen alle für die Regelgüteanalysen notwendigen<br />

Messdaten aus den Quellsystemen (PLS, BDIS,<br />

PIMS, separates Kurzzeitarchiv) jederzeit mit hinreichend<br />

hoher Qualität (das heißt insbesondere mit<br />

ausreichend hoher Abtastrate und möglichst geringer<br />

Datenkompression) und hoher Datenrate zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Alle notwendige Information muss mit möglichst geringem<br />

manuellen Aufwand in der Analysesoftware<br />

konfiguriert und gepflegt werden können. Des Weiteren<br />

ist darauf zu achten, dass alle elektronisch gespeicherten<br />

Daten durch das Regelgütemanagementsystem aus<br />

allen im Unternehmen vorhandenen Datenquellen ausgelesen<br />

werden können.<br />

Schließlich muss die Analysesoftware durch administrative<br />

Vorgaben an den prinzipiellen Arbeitsablauf<br />

im Unternehmen anpassbar sein, ohne dadurch den<br />

einzelnen Nutzer zu sehr einzuschränken. Empfehlenswert<br />

sind die rollenbasierte Vergabe von Berechtigungen<br />

und die Einrichtung standardisierter Berichte<br />

und Auswertungen für unterschiedliche Nutzergruppen<br />

mit einstellbarem Detailgrad.<br />

FAZIT<br />

Im Beitrag werden Anforderungen an einen kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozess der Regelgüte mit Softwareunterstützung<br />

definiert. Dies bezeichnen wir als<br />

Regelgütemanagement. Für ein gutes Regelgütemanagement<br />

müssen viele Details beachtet werden, die im Artikel<br />

aufgeführt worden sind. Die beschriebenen Anforderungen<br />

erlauben eine detaillierte Prüfung,<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014<br />

63


HAUPTBEITRAG<br />

1 | ob ein Regelgütemanagement im eigenen Betrieb<br />

nötig und gewinnbringend ist,<br />

2 | ob genug Personal vorhanden ist oder ein Dienstleister<br />

einbezogen werden soll,<br />

3 | auf welche Kriterien der Bewertung zu achten ist,<br />

4 | wie ein Arbeitsprozess aufzubauen ist, und<br />

5 | ob ein Softwarehersteller die auf dieser Basis definierten<br />

Anforderungen erfüllen kann oder ein eigenes<br />

angepasstes System aufgebaut werden muss.<br />

AUTOREN<br />

MANUSKRIPTEINGANG<br />

31.10.2013<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

DANKSAGUNG<br />

Die Autoren danken den Mitgliedern des<br />

Namur-Arbeitskreises 2.02 Prozessführung<br />

für die Durchsicht des Manuskripts. Der Dank<br />

gilt insbesondere Anja Brunberg (Evonik),<br />

Achim Küpper (Bayer), Otmar Lorenz<br />

(Siemens), Axel Schild (IAV), Karsten Schulze<br />

(Linde), Constantin Wagner (RWTH Aachen)<br />

für umfangreiche Diskussionen und<br />

Verbesserungs vorschläge. Weiterhin bedanken<br />

sich die Autoren beim VDI Arbeitskreis 6.22<br />

für die konstruktive Kritik.<br />

Dr.-Ing. FLORIAN WOLFF<br />

(geb. 1980) ist Senior Automation<br />

Engineer in der Fachgruppe<br />

Advanced Process Control im<br />

Fachzentrum für Automatisierungstechnik<br />

bei der BASF SE.<br />

Seine Arbeitsschwerpunkte<br />

sind Controller Performance<br />

Management und APC-Lösungen<br />

für Konti-Anlagen. Seit 2014 ist er Obmann<br />

des Namur Arbeitskreises 2.2 Prozessführung.<br />

BASF SE,<br />

L440, D-67056 Ludwigshafen,<br />

Tel. +49 (0) 621 607 95 90, E-Mail: florian.wolff@basf.com<br />

Dr.-Ing. STEFAN KRÄMER<br />

(geb. 1972) ist Energiemanager bei<br />

Ineos in Köln. Sein früheres<br />

Arbeitsfeld umfasste Advanced<br />

Process Control. Bis 2013 war er<br />

Obmann des Namur Arbeitskreises<br />

2.2 Prozessführung. Zusätzlich<br />

unterrichtet er Batch Process<br />

Operation an der Technischen<br />

Universität Dortmund, Fachbereich Bio- und Chemieingenieurwesen.<br />

Ineos Köln GmbH,<br />

Standortentwicklung, Alte Str. 201, D-50769 Köln,<br />

Tel. +49 (0) 221 355 52 65 78, E-Mail: stefan.kraemer@ineos.com<br />

REFERENZEN<br />

[1] Krämer, S., Bamberg, A., Dünnebier, G., Hagenmeyer, V.,<br />

Piechottka, U., Schmitz, S.: Prozessführung: Beispiele,<br />

Erfahrung und Entwicklung. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 50(2), S. 68–80, 2008<br />

[2] Hagenmeyer, V., Piechottka, U.: Innovative Prozessführung<br />

– Erfahrungen und Perspektiven. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis 51(1-2), S. 48-64, 2009<br />

[3] Schuler, S. (Hrsg.): Prozessführung, Oldenbourg 1999<br />

[4] Kahrs, O.: Einsatz gehobener Automationslösungen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

– Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2), S. 62-66, 2012<br />

[5] Skogestad, S.: Simple analytic rules for model reduction<br />

and PID controller tuning. Journal of Process Control 13,<br />

S. 291-309, 2003<br />

[6] Åström, K., Hägglund, T.: PID Controllers: Theory, Design<br />

and Tuning. ISA 1995<br />

[7] NE 152: Regelgütemanagement: Überwachung und Optimierung<br />

der Basisregelung von Produktionsanlagen (Entwurf). Namur<br />

[8] Ordys, A.W.; Uduehi, D., Johnson, M.A. (Hrsg.): Process Control<br />

Performance Assessment: From Theory to Implementation.<br />

Springer 2007<br />

[9] Dittmar, R.: Control Performance Monitoring. In: Früh, K.F.,<br />

Maier, U., Schaudel, D. (Hrsg.): Handbuch der Prozessautomatisierung<br />

: Prozessleittechnik für verfahrenstechnische<br />

Anlagen, S. 142-157, Oldenbourg 2009<br />

[10] Wolff, F., Roth, M., Nohr, M., Kahrs,O.: Softwaregestützte<br />

Regelgüteoptimierung in der chemischen Industrie –<br />

Erfahrungen und zukünftige Anforderungen aus industrieller<br />

Sicht. In: Tagungsband Automation, S. 161-164. VDI 2012<br />

[11] Wolff, F.: Kontinuierliches Regelgütemanagement in der<br />

Prozessindustrie - Herausforderungen und Erfahrungen<br />

aus Anwendersicht, eingereicht bei ECV – TechnoPharm<br />

[12] NA 102: Alarm Management. Namur 2003<br />

[13] VDI 3685 Blatt 3: Adaptive Regler: Inbetriebnahmesysteme für<br />

Regelungen, 2001<br />

[14] ISO/IEC 25010: Systems and software engineering – Systems and<br />

software Quality Requirements and Evaluation (SQuaRE) – System<br />

and software quality models. ISO 2011. http://www.iso.org<br />

[15] ISO/IEC 25000: Software engineering - Software product Quality<br />

Requirements and Evaluation (SQuaRE) – Guide to SQuaRE.<br />

ISO 2005. http://www.iso.org<br />

64<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

3 / 2014


Process Control<br />

Systems <strong>Engineering</strong><br />

Process Control Systems (PCS) are distributed control systems (DCS) that are specialized<br />

to meet specific requirements of the process industries. The text book<br />

focuses on PCS engineering basics that are common to different domains of the<br />

process industries. It relates to an experimental research plant which serves for<br />

the exploration of the interaction between process modularization and process<br />

automation methods. This permits to capture features of highly specialized and integrated<br />

mono-product plants as well as application areas which are dominated by<br />

locally standardized general-purpose apparatus and multi-product schemes. While<br />

the text book’s theory is applicable for all PCS of different suppliers, the examples<br />

refer to Siemens’ control system PCS 7. Focusing on a single PCS enables readers<br />

to use the book in basic lectures on PCS engineering as well as in computer lab<br />

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Editor: L. Urbas<br />

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ISBN: 978-3-8356-3198-4<br />

Price € 49,80<br />

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DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München<br />

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PAPCSE2013


IMPRESSUM / VORSCHAU<br />

IMPRESSUM<br />

VORSCHAU<br />

Verlag:<br />

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Geschäftsführer:<br />

Carsten Augsburger, Jürgen Franke<br />

Verlagsleiterin:<br />

Kirstin Sommer<br />

Spartenleiterin:<br />

Anne Purschwitz geb. Hütter<br />

Herausgeber:<br />

Dr.rer.nat. Thomas Albers<br />

Dr. Gunther Kegel<br />

Dipl.-Ing. Hans-Georg Kumpfmüller<br />

Dr.-Ing. Wilhelm Otten<br />

Beirat:<br />

Dr.-Ing. Kurt Dirk Bettenhausen<br />

Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich<br />

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple<br />

Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay<br />

Prof. Dr.-Ing. Michael Felleisen<br />

Prof. Dr.-Ing. Georg Frey<br />

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Dr.-Ing. Jörg Kiesbauer<br />

Dipl.-Ing. Rolf Marten<br />

Dipl.-Ing. Gerald Mayr<br />

Dr. Jörg Nothdurft<br />

Dr.-Ing. Josef Papenfort<br />

Dr. Andreas Wernsdörfer<br />

Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp<br />

Dr.rer.nat. Christian Zeidler<br />

Organschaft:<br />

Organ der GMA<br />

(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />

Automatisierungs technik)<br />

und der NAMUR (Interessengemeinschaft<br />

Automatisierungstechnik<br />

der Prozessindustrie).<br />

Redaktion:<br />

Anne Purschwitz geb. Hütter (ahü)<br />

(verantwortlich)<br />

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 58<br />

E-Mail: purschwitz@di-verlag.de<br />

Aljona Hartstock (aha)<br />

Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 78<br />

E-Mail: hartstock@di-verlag.de<br />

Einreichung von Hauptbeiträgen:<br />

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />

(Chefredakteur, verantwortlich<br />

für die Hauptbeiträge)<br />

Technische Universität Dresden<br />

Fakultät Elektrotechnik<br />

und Informationstechnik<br />

Professur für Prozessleittechnik<br />

D-01062 Dresden<br />

Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />

E-Mail: urbas@di-verlag.de<br />

Fachredaktion:<br />

Dr.-Ing. Michael Blum<br />

Dipl.-Ing. Heinrich Engelhard<br />

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite<br />

Dr.-Ing. Bernhard Kausler<br />

Dr.-Ing. Niels Kiupel<br />

Prof. Dr.-Ing. Gerrit Meixner<br />

Dr.-Ing. Jörg Neidig<br />

Dipl.-Ing. Ingo Rolle<br />

Dr.-Ing. Stefan Runde<br />

Prof. Dr.-Ing. Frank Schiller<br />

Bezugsbedingungen:<br />

„<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungs technische<br />

Praxis“ erscheint monatlich mit Doppelausgaben<br />

im Januar/Februar und Juli/August.<br />

Bezugspreise:<br />

Abonnement jährlich: € 519,– + € 30,–/ € 35,–<br />

Versand (Deutschland/Ausland);<br />

Heft-Abonnement + Online-Archiv: € 704,70;<br />

ePaper (PDF): € 519,–; ePaper + Online-Archiv:<br />

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Die Preise enthalten bei Lieferung in EU-<br />

Staaten die Mehrwertsteuer, für alle übrigen<br />

Länder sind es Nettopreise. Mitglieder der<br />

GMA: 30% Ermäßigung auf den Heftbezugspreis.<br />

Bestellungen sind jederzeit über den Leserservice<br />

oder jede Buchhandlung möglich.<br />

Die Kündigungsfrist für Abonnement aufträge<br />

beträgt 8 Wochen zum Bezugsjahresende.<br />

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deivis aronaitis design | dad |<br />

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Ostring 13,<br />

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt<br />

Gedruckt auf chlor- und<br />

säurefreiem Papier.<br />

Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />

Praxis – rtp“ gegründet.<br />

DIV Deutscher Industrieverlag<br />

GmbH München<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich<br />

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne<br />

Ein willigung des Verlages strafbar.<br />

Gemäß unserer Verpflichtung nach § 8<br />

Abs. 3 PresseG i. V. m. Art. 2 Abs. 1c DVO<br />

zum BayPresseG geben wir die Inhaber<br />

und Beteiligungsverhältnisse am Verlag<br />

wie folgt an:<br />

DIV Deutscher Industrieverlag GmbH,<br />

Arnulfstraße 124, D-80636 München.<br />

Alleiniger Gesellschafter des Verlages<br />

ist die ACM-Unternehmensgruppe,<br />

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D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt.<br />

ISSN 2190-4111<br />

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Branche / Wirtschaftszweig<br />

Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B.<br />

Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform.<br />

Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH,<br />

Versandbuchhandlung, Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />

Ort, Datum, Unterschrift<br />

PAHBPA2014<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,<br />

dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />

Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.

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