atp edition Modellgestütztes Engineering (Vorschau)
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3 / 2014<br />
56. Jahrgang B3654<br />
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH<br />
Automatisierungstechnische Praxis<br />
<strong>Modellgestütztes</strong><br />
<strong>Engineering</strong> | 18<br />
Einsatz leitsystemintegrierter<br />
Prädiktivregler | 28<br />
Nichtlineare modellprädiktive<br />
Regelung auf SPS | 38<br />
Advanced Process Control in<br />
der industriellen Praxis | 48<br />
Regelgütemanagement | 56
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update
EDITORIAL<br />
Liebe Leser,<br />
Die Zusammenstellung der Artikel in diesem Heft, mit Beiträgen aus Industrie<br />
und Hochschule, zeigt sehr schön, dass Advanced Process Control<br />
schon lange nicht mehr nur ein Thema der Academia ist. Der Sprung vom<br />
Elfenbeinturm in die chemische Industrie ist schon vor Jahren gelungen und<br />
die Anwendungen leisten in Hinsicht auf Energie- und Ressourceneffizienz<br />
einen großen Wertbeitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer<br />
Unternehmen.<br />
Ein Erfolgsfaktor war dabei sicherlich, dass Advanced Process Control schon<br />
seit langem in der petrochemischen Industrie eingesetzt wird und Methoden<br />
und Vorgehensweisen auf die chemische Industrie so leicht übertragen werden<br />
konnten.<br />
Umso interessanter ist es, dass mit den Virtual-Plant-Simulatoren eine weitere<br />
Technologie, welche im Raffineriebereich schon lange etabliert ist, nun<br />
auch in der Spezialchemie an Bedeutung gewinnt.<br />
Ein Virtual-Plant-Simulator ist ein rigoroses dynamisches Modell einer Chemieanlage<br />
oder eines ganzen Verbundes, welches das Verhalten in Echtzeit<br />
oder schneller abbilden kann. Das Bedienen und Beobachten erfolgt dabei<br />
entweder über eine Stimulation oder eine Emulation eines Prozessleitsystems.<br />
Bei Evonik Industries starteten wir vor rund zehn Jahren damit Virtual-<br />
Plant-Simulatoren ausschließlich zum Training von Anlagenfahrern einzusetzen,<br />
um diese auf das Anfahren von Neuanlagen vorzubereiten. In den<br />
letzten Jahren hat sich das Anwendungsspektrum erweitert, um die rigorosen<br />
aber auch kostenintensiven Modelle besser nutzen zu können.<br />
Zum einen werden sie nun auch während des Planungsprozesses bei Investmentprojekten<br />
eingesetzt, um zum Beispiel Betriebsvorschriften oder Regelungskonzepte<br />
zu entwickeln und zu überprüfen. Selbstverständlich haben<br />
die Virtual-Plant-Simulatoren auch einen großen Nutzen beim Reglertuning<br />
und bei der Überprüfung der Prozessleitsystemkonfiguration vor dem Start-Up<br />
der Neuanlagen.<br />
Aber auch für den Betrieb von bestehenden Anlagen wächst das Einsatzfeld<br />
der Virtual-Plant-Simulatoren. Der höhere Automatisierungsgrad unserer Anlagen<br />
durch Advanced Process Control oder automatische An- und Abfahrprozeduren<br />
führt dazu, dass die Anlagenfahrer zunehmend entlastet werden<br />
und seltener situativ eingreifen müssen. Virtual-Plant-Simulatoren bieten hier<br />
eine exzellente Umgebung für die Anlagenfahrer, um den Betrieb bei ungewohnten<br />
und schwierigen Anlagenzuständen zu trainieren.<br />
Schließlich können sie auch eingesetzt werden, um lineare Mehrgrößenregler<br />
zu konfigurieren und so die Aufnahme von Sprungantworten an realen<br />
Anlagen zu reduzieren.<br />
Ich bin gespannt, wie die beiden Technologien, Advanced Process Control<br />
und Virtual-Plant-Simulatoren sich in Zukunft entwickeln werden – voneinander<br />
profitieren werden sie auf jeden Fall.<br />
DR. HANS-ROLF<br />
LAUSCH,<br />
Head of Computer Aided<br />
Process <strong>Engineering</strong><br />
& Automation<br />
Process Technology<br />
& <strong>Engineering</strong>,<br />
Evonik Industries AG<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
3
INHALT 3 / 2014<br />
FORSCHUNG<br />
6 | Plug and Work: Interaktion von Komponenten<br />
soll in Zukunft so einfach werden wie USB<br />
Call for <strong>atp</strong> experts: Energie- und Ressourceneffizienz<br />
7 | Roboter lernt mit Umgebungsreizen<br />
VERBAND<br />
8 | Industrie 4.0 stellt Forderungen bei Ausbildung,<br />
Arbeitsplatz und Informationssicherheit<br />
AALE-Konferenz vergibt zum 11. Mal den<br />
Student Award für Beste Abschlussarbeiten<br />
Nominierungen für Max-Buchner-Preis einreichen<br />
BRANCHE<br />
9 | Ingenieurmangel steigt um 10,6 Prozent<br />
NSA-Skandal lässt IT-Start-ups wachsen<br />
PRAXIS<br />
10 | System zur Erfassung von Maschinendaten<br />
erfolgreich bei Autozulieferer eingesetzt<br />
12 | Kamerasystem Safety Eye überwacht Abläufe<br />
im Überseeversand bei Opel Wien<br />
14 | Industrielle Differenztemperaturregelung<br />
ermöglicht Betriebsmittel einzusparen<br />
4<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
HAUPTBEITRÄGE<br />
18 | <strong>Modellgestütztes</strong> <strong>Engineering</strong><br />
L. CHRISTIANSEN, M. HOERNICKE UND A. FAY<br />
Produkte,<br />
Systeme<br />
und Service<br />
für die<br />
Prozessindustrie?<br />
Natürlich.<br />
28 | Einsatz leitsystemintegrierter<br />
Prädiktivregler<br />
B.-M. PFEIFFER, H. GRIEB, O. LORENZ,<br />
D. LOSERT UND D. SACK<br />
38 | Nichtlineare modellprädiktive<br />
Regelung auf SPS<br />
B. KÄPERNICK UND K. GRAICHEN<br />
48 | Advanced Process Control<br />
in der industriellen Praxis<br />
A. BRUNBERG, B. SCHRAMM, M. KAWOHL<br />
UND U. PIECHOTTKA<br />
56 | Regelgütemanagement<br />
RUBRIKEN<br />
F. WOLFF UND S. KRÄMER<br />
3 | Editorial<br />
66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong><br />
Der PostionMaster EDP300 überzeugt<br />
durch hohe Luftleistung von 50 kg/h bei<br />
10 bar, Diagnosefähigkeit nach Namur<br />
und Überdruckfestigkeit. Mit den<br />
Zulassungen für den Betrieb in Ex-Zone 1<br />
und SIL2 ermöglicht der EDP300 eine<br />
hohe Anlagensicherheit. Durch die<br />
mechanische Stellungsanzeige ist<br />
die Erfassung der Ventilstellung auch<br />
ohne Stromversorgung möglich.<br />
Zuverlässiges Regelverhalten, Flexibilität<br />
und seine kompakte Bauform zeichnen<br />
den EDP300 aus.<br />
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FORSCHUNG<br />
Plug and Work: Interaktion von Komponenten<br />
soll in Zukunft so einfach werden wie USB<br />
Die Idee hinter cyber-physischen System ist die automatische<br />
Interaktion von einzelnen Komponenten<br />
in Maschinen und Anlagen, ohne dass ein Ingenieur<br />
eingreift. Aber sicher, flexibel und zuverlässig müssen<br />
die Systeme sein. Mit einem Invest von rund 6 Millionen<br />
Euro ist nun das Projekt „Secure Plug and Work“ unter<br />
Beteiligung von mehr als zehn Projektpartnern gestartet.<br />
Eine Herausforderung der Industrie-4.0-IT-Architektur<br />
ist die Fähigkeit, sich an Änderungen anzupassen. Sei es,<br />
dass neue Anlagen oder Produktionsprozesse in das System<br />
eingebracht werden oder bestehende Produktionssysteme<br />
verändert werden, etwa weil eine Produktvariante zusätzlich<br />
gefertigt werden soll. Die Partner des Konsortiums<br />
bezeichnen diese Fähigkeit in Anlehnung an Wiendahl als<br />
Wandlungsfähige Informationstechnik, bezogen auf die<br />
physikalische Ebene und auf Software. Ähnlich dem USB-<br />
Standard bei PCs sollen Mechanismen der Selbstbeschreibung<br />
in Bezug auf Funktionalität, Identifizierung, Selbstaufbau<br />
der Kommunikation und geregeltem Datenaus-<br />
DAS ZIEL VON<br />
„PLUG AND WORK“<br />
ist die nahtlose<br />
Integration von<br />
Komponenten in den<br />
Maschinen- und Anlagenapparat,<br />
ähnlich wie<br />
mit der USB-Technik.<br />
Bild: Fraunhofer IOSB<br />
tausch genutzt werden, wenn neue Komponenten, Maschinen<br />
oder Anlagen in ein Produktionssystem eingebracht<br />
werden oder sich softwarerelevante Änderungen ergeben.<br />
Heutige IKT-Architekturen können darauf kaum reagieren:<br />
proprietäre Schnittstellen, nicht integrierte Einzelsysteme<br />
oder firmenspezifische Speziallösungen verhindern,<br />
dass mit IKT-Kapazität ausgerüstete Komponenten<br />
und Maschinen Mechanismen der Selbstkonfiguration<br />
und durchgängiges Datenmanagement nutzen.<br />
Hauptziel des Projekts „Plug and Work“ ist es, auf existierenden<br />
Standards basierende Methoden und Werkzeuge<br />
sowie Konzepte für Informations- und Softwarearchitekturen<br />
zu entwickeln, die eine durchgängige, konsistente<br />
und gesicherte Datenverarbeitung bei Änderungen<br />
in einer der beteiligten Hierarchieebenen der Fertigung<br />
an die anderen Teilnehmer der Fabrik ermöglichen. Der<br />
Zeitbedarf soll reduziert werden, in dem die Eigenschaften<br />
direkt auf der Komponente gespeichert werden und<br />
damit benötigte Information, parallel zur physischen Integration,<br />
über eine Schnittstelle direkt in der Steuerung<br />
zur Verfügung steht. Die Komponentenhersteller ermitteln<br />
vorab die hierzu benötigten Informationen und hinterlegen<br />
sie auf den Bauteilen. Durch die physische und informelle<br />
Integration wird eine Zeitersparnis von rund 20<br />
Prozent bei Erstinbetriebnahme, Instandhaltungstätigkeiten<br />
und Änderungen der Produktion möglich. (ahü)<br />
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR OPTRONIK,<br />
SYSTEMTECHNIK UND BILDAUSWERTUNG IOSB,<br />
Fraunhoferstraße 1, D-76131 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 609 10,<br />
Internet: www.secureplugandwork.de<br />
Call for <strong>atp</strong> experts: Energie- und Ressourceneffizienz<br />
AUFRUF ZUR BEITRAGSEINREICHUNG<br />
ATP EDITION 56(9) Energie- und Ressourceneffizienz<br />
in und durch Automatisierungstechnik<br />
ist ein vieldiskutiertes<br />
Thema – im Produktionsprozess, im Gebäude,<br />
bei Antrieben oder prozessnahen<br />
Komponenten. Wir laden Sie ein, Ihre<br />
praktischen Erfahrungen und Erfolge in<br />
aktuellen Effizienzprojekten und Ihre wissenschaftlich-technischen<br />
Lösungsansätze<br />
und Forschungsergebnisse in der Ausgabe<br />
56(9) der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> vorzustellen und<br />
zur Diskussion zu veröffentlichen.<br />
Idealerweise können wir durch Ihre Beiträge<br />
die gesamte Bandbreite des Themas<br />
darstellen – von der effektiven Potenzialanalyse,<br />
über innovative Lösungsansätze,<br />
Methoden und Technologien, bis zum nachhaltigen<br />
Betrieb von Ressourcenmanagementsystemen.<br />
Wir bitten Sie bis zum<br />
31.4.2014 zu diesem Themenschwerpunkt<br />
einen gemäß Autorenrichtlinien der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
ausgearbeiteten Hauptbeitrag per E-<br />
Mail an urbas@di-verlag.de einzureichen.<br />
Die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> ist die hochwertige Monatspublikation<br />
für Fach- und Führungskräfte<br />
der Automatisierungsbranche. In<br />
den Hauptbeiträgen werden Themen mit<br />
hohem wissenschaftlichen und technischen<br />
Anspruch vergleichsweise abstrakt<br />
dargestellt. Der Journalteil präsentiert<br />
praxisnahe Erfahrungen von Anwendern<br />
mit neuen Technologien, Prozessen<br />
oder Produkten. Alle Hauptbeiträge begutachtet<br />
das <strong>atp</strong>-Fachgremium. Sollten<br />
Sie sich selbst aktiv an dem Begutachtungsprozess<br />
beteiligen wollen, bitten wir<br />
um kurze Rückmeldung. Für weitere<br />
Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich<br />
gerne zur Verfügung.<br />
Redaktion <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
Leon Urbas, Anne Purschwitz,<br />
Aljona Hartstock<br />
CALL FOR<br />
Aufruf zur Beitragseinreichung<br />
Thema: Energie- und Ressourceneffizienz<br />
in und durch<br />
Automatisierungstechnik<br />
Kontakt: urbas@di-verlag.de<br />
Termin: 31. April 2014<br />
6<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Roboter lernt mit<br />
Umgebungsreizen<br />
WIE DIE HONIGBIENE lernt der Roboter, sich<br />
auf bestimmte Farben hin- und sich von anderen<br />
wegzubewegen. Bild: Freie Universität Berlin<br />
Forscher haben einen Roboter entwickelt, der Umgebungsreize<br />
wahrnehmen und lernen kann, auf<br />
sie zu reagieren. An dem Projekt beteiligt waren<br />
Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, des<br />
Bernstein Fokus „Neuronale Grundlagen des Lernens“<br />
und des Bernstein Zentrums Berlin.<br />
Als Vorbild seines Funktionsprinzips diente den<br />
Forschern das Nervensystem von Honigbienen.<br />
Dazu installierten sie eine Kamera auf ein kleines<br />
Roboterfahrzeug und schlossen es an einen Computer<br />
an. Das Computerprogramm bildete vereinfacht<br />
das sensomotorische Netzwerk des Insektengehirns<br />
nach. Seine Eingangsdaten erhielt es von<br />
der Kamera, die – ähnlich einem Auge – visuelle<br />
Informationen aufnehmen und weiterleiten konnte.<br />
Das neuronale Netzwerk selbst trieb wiederum die<br />
Motoren der Roboterräder an und steuerte so seine<br />
Bewegungsrichtung.<br />
In dem Lernexperiment setzten die Wissenschaftler<br />
den netzwerkgesteuerten Roboter in die Mitte<br />
einer kleinen Arena. An deren Wänden waren rote<br />
und blaue Objekte angebracht. Sobald der Roboter<br />
mit seiner Kamera ein Objekt mit der gewünschten<br />
Farbe anvisiert hatte, lösten die Wissenschaftler ein<br />
Lichtsignal aus. Dieses Signal aktivierte eine sogenannte<br />
Belohnungs-Nervenzelle im künstlichen<br />
Netzwerk. Die Verarbeitung der roten Farbe mit der<br />
zeitgleichen Belohnung führte nun zu gezielten Veränderungen<br />
in dem Teil des Netzwerks, das die<br />
Kontrolle über die Roboterräder ausübte. Die Folge:<br />
„Sah“ der Roboter ein weiteres rotes Objekt, so bewegte<br />
er sich darauf zu. Blaue Gegenstände führten<br />
zu einem Rückzug.<br />
(aha)<br />
FREIE UNIVERSITÄT BERLIN,<br />
Kaiserswerther Str. 16-18,<br />
D-14195 Berlin,<br />
Tel. +49 (0) 30 83 81,<br />
Internet: www.fu-berlin.de
VERBAND<br />
Industrie 4.0 stellt Forderungen bei Ausbildung,<br />
Arbeitsplatz und Informationssicherheit<br />
Was Industrie 4.0 für den Standort Deutschland bedeutet,<br />
erläuterten unlängst Dipl.-Wirtsch.-Ing.<br />
Ralph Appel, VDI-Direktor, und Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen,<br />
Vorsitzender der VDI/VDE-Gesellschaft<br />
Mess- und Automatisierungstechnik auf der VDI-Tagung<br />
„Industrie 4.0“. „Das Neue: Die Ideen und Ziele<br />
zum Erfolg des Standorts Deutschland gemeinsam<br />
umzusetzen. Perspektiven für die Produktion in<br />
Deutschland und für heimische Ausrüster und Dienstleistungsanbieter<br />
werden sich ergeben“, so Bettenhausen.<br />
Aus Sicht des VDI wird die industrielle Welt mit<br />
der Umsetzung von „Industrie 4.0“ zunächst nicht<br />
einfacher. Im Gegenteil, meint Bettenhausen: „Die Vernetzung<br />
von Geräten und Systemen sowie die ansteigende<br />
Informationsdichte machen industrielle Anlagen<br />
komplexer.“<br />
Dementsprechend steigen die Herausforderungen<br />
hinsichtlich Informationssicherheit, Arbeitsplatzbeschreibungen<br />
und Ausbildungsszenarien. Aber: „Wir<br />
benötigen keine neuen Studiengänge. Die Ausbildung<br />
jedoch muss auf die Erfordernisse von Industrie 4.0<br />
abgestimmt sein. Ein solides Studium des Maschinenbaus<br />
oder der Elektrotechnik muss und wird ausreichen,<br />
um nach entsprechender Einarbeitung in den<br />
Fabriken der ‚vierten industriellen Generation‘ zu bestehen“,<br />
stellt Appel klar.<br />
(ahü)<br />
VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,<br />
VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,<br />
Tel. +49 (0) 211 621 40,<br />
Internet: www.vdi.de<br />
AALE-Konferenz vergibt zum 11. Mal den<br />
Student Award für Beste Abschlussarbeiten<br />
Der Verein der Angewandten Automatisierungstechnik<br />
in Lehre und Entwicklung an Hochschulen<br />
(VFAALE e.V.) richtet am 8. und 9. Mai 2014 zum elften<br />
Mal die AALE-Konferenz aus. Veranstalter ist in diesem<br />
Jahr die Fakultät für Maschinenbau und das Zentrum<br />
DIE AALE-KONFERENZ<br />
versammelt Lehre und<br />
Praxis der Automatisierungstechnik<br />
an Hochschulen<br />
für angewandte<br />
Wissenschaften, wie<br />
hier im vergangenen<br />
Jahr in Stralsund.<br />
Bild: Archiv/Purschwitz<br />
für Weiterbildung und Wissensmanagement (ZWW) an<br />
der Ostbayerisch Technischen Hochschule Regensburg.<br />
Dort werden erneut die beste Master- und Bachelor-<br />
Arbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften<br />
(University of Applied Sciences) mit dem AALE Student<br />
Award ausgezeichnet. Eine Jury aus Industrieexperten<br />
und Hochschulfachleuten bewertet die eingereichten<br />
Beiträge. Dem Erstplatzierten unter den Mater-Absolventen<br />
winkt ein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro, die<br />
beste Bachelor-Arbeit ist mit 500 Euro dotiert. Gesponsert<br />
sind die Preise von der BASF Ludwigshafen und<br />
Phoenix Contact in Blomberg.<br />
(ahü)<br />
OTH REGENSBURG, FAKULTÄT MASCHINENBAU,<br />
Galgenbergstr. 30, D-93053 Regensburg,<br />
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Nominierungen für Max-Buchner-Preis einreichen<br />
Kandidaten für den Max-Buchner-Forschungspreis können<br />
ab sofort bis zum 25. April 2014 nominiert werden.<br />
Die mit 20 000 Euro dotierte Auszeichnung der Dechema<br />
würdigt herausragende Forschungsarbeiten in Technischer<br />
Chemie, Verfahrenstechnik, Biotechnologie und Chemischer<br />
Apparatetechnik. Besonders Arbeiten jüngerer<br />
Forscher werden berücksichtigt. Sie sollen von grundsätzlicher<br />
Bedeutung sein und eine enge Verflechtung von<br />
Forschung und Praxis zeigen. Besonders willkommen sind<br />
auch Kandidatenvorschläge aus dem Bereich der industriellen<br />
Forschung. Die Arbeiten sollen vorzugsweise von<br />
Europäern an Hochschul-Instituten, wissenschaftlichen<br />
Forschungseinrichtungen oder in industrieller Tätigkeit<br />
ausgeführt worden sein. Der Preis wird im Rahmen eines<br />
Festkolloquiums am 28. November 2014 im Dechema-<br />
Haus in Frankfurt am Main verliehen. Er wird seit 1951<br />
jährlich vergeben. <br />
(ahü)<br />
MAX-BUCHNER-FORSCHUNGSSTIFTUNG,<br />
Theodor-Heuss-Allee 25, D-60486 Frankfurt am Main,<br />
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8<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
BRANCHE<br />
Ingenieurmangel steigt<br />
um 10,6 Prozent<br />
VDI-/IW-INGENIEUR-<br />
MONITOR:<br />
Neue Arbeitsmarktdaten<br />
für Ingenieurberufe<br />
erscheinen<br />
jeden Monat<br />
Bild: Ernsting/LAIF<br />
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26.03.2014<br />
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Frankfurt am Main<br />
Stand A6<br />
Laut VDI-Ingenieurmonitor sind im Dezember 2013<br />
insgesamt 63 700 Stellen für Ingenieure in<br />
Deutschland offen geblieben. Damit stieg der Fachkräftemangel<br />
in den Ingenieurberufen um 10,6 Prozent<br />
an. Doch wuchs auch die Zahl derjenigen, die<br />
einen Job in der Ingenieursbranche suchen. Insgesamt<br />
27 208 Personen, die eine Laufbahn als Ingenieur<br />
anstreben, meldeten sich arbeitslos.<br />
“Die zum Jahresausklang positivere Grundstimmung<br />
in der deutschen Wirtschaft schlägt sich deutlich<br />
in der Nachfrage nach Ingenieuren nieder“, kommentiert<br />
VDI-Direktor Ralph Appel die Daten des<br />
neuen VDI-/IW-Ingenieurmonitor. „Die offenen Ingenieurstellen<br />
sind ein Frühindikator für die wirtschaftliche<br />
Entwicklung. Nachdem das Jahr 2013 nahezu<br />
durchweg von einer Seitwärtsbewegung dieses Indikators<br />
gekennzeichnet war, deutet dessen aktuelle<br />
Entwicklung auf eine anziehende Konjunktur hin“, so<br />
IW-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Klös. (ahü)<br />
VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,<br />
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NSA-Skandal lässt<br />
IT-Start-ups wachsen<br />
Kleine und mittelständische Unternehmen und Startups,<br />
profitieren jetzt vom Skandal um den Datenklau<br />
durch die Amerikanische National Security Agency<br />
(NSA). Das Portal www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de<br />
hat dazu verschiedene IT-Schutzsoftware-<br />
Anbieter befragt. Das Geschäftsfeld wächst. Mitarbeiter<br />
werden eingestellt. „Der NSA-Skandal hat für uns einiges<br />
in Bewegung gesetzt“, sagt Philipp Baumgärtel von<br />
Protonet, einem Hamburger Start-up, das Mittelständlern<br />
selbst entwickelte Server verkauft. Das Unternehmen<br />
wächst. Baumgärtel spricht von dreistelligen Prozentzahlen,<br />
Details will er aber nicht verraten. (ahü)<br />
Mit über 50 weitgehend selbstständigen<br />
Tochtergesellschaften<br />
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Kontinenten kundennah vertreten.<br />
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PRAXIS<br />
System zur Erfassung von Maschinendaten<br />
erfolgreich bei Autozulieferer eingesetzt<br />
TRW Automotive GmbH spürt mit Signaltechnik Stillstandszeiten auf<br />
ZUR VISUALISIERUNG<br />
von Maschinendaten<br />
hat der Automobilkonzern<br />
Großbildschirme<br />
an unterschiedlichen<br />
Stationen<br />
im Unternehmen<br />
anbringen lassen.<br />
SIGNAL SÄULE<br />
zur Maschinendatenüberwachung<br />
in der TRW-<br />
Niederlassung<br />
Blumberg.<br />
DAS ROUTINGMODUL der Software zeigt mit Hilfe einer Baumstruktur Qualität<br />
und Aufbau der Funkverbindungen zwischen den einzelnen Elementen an.<br />
Um ungeplanten Stillstandzeiten entgegenzusteuern,<br />
sowie latente Kapazitätsreserven aufzuspüren,<br />
nutzt die TRW Automotive aus Blumberg das Maschinendaten-Erfassungssystem<br />
von Werma. Der schwäbische<br />
Signalgerätehersteller hat bereits vor einigen<br />
Jahren das TRW-Werk mit dem „Wireless Information<br />
Network“ (WIN) ausgestattet und weitet die Zusammenarbeit<br />
stetig aus.<br />
„Als ich hier angefangen habe“, erklärt Fertigungsentwickler<br />
Bernd Müller „fehlte es oft an Transparenz<br />
in der Produktion, denn das TRW-Werk in Blumberg<br />
wurde immerzu erweitert“.<br />
Unterschiedliche Gebäude kamen im Laufe der Jahre<br />
hinzu, es wurde immer schwieriger den Überblick über<br />
zahlreiche Maschinenzustände zu behalten. Ein Problem<br />
stellte auch der große Umfang an verschiedenen Maschinensteuerungen,<br />
bedingt durch die Baujahre, dar.<br />
Anfang 2010 wurde Bernd Müller dann auf Werma<br />
aufmerksam. Der Signalgerätehersteller aus Rietheim-<br />
Weilheim hat sich auf ein einfaches Maschinendaten-<br />
Erfassungssystem spezialisiert: Das „Wireless Information<br />
Network“.<br />
KABELLOSE INTEGRATION IN ÄLTEREM<br />
FABRIKGEBÄUDE<br />
Bernd Müller kennt sich mit Maschinenüberwachung<br />
aus und weiß auch, dass es viele kostspielige und komplizierte<br />
Systeme auf dem Markt gibt. Hinzu kam die<br />
Herausforderung, eine kabellose Überwachung zu finden,<br />
da es in den älteren Gebäuden oft nur mit großem<br />
Aufwand möglich ist, nachträglich Kabelleitungen zu<br />
verlegen. Mit dieser Anforderung hatte es Werma Signaltechnik<br />
in die Zielgerade bei TRW geschafft.<br />
Angefangen hat der Automobilanbieter mit der Überwachung<br />
von zehn Schwerpunktmaschinen mit zehn<br />
Sendern zur Zustandsüberwachung. Mit WIN konnte sich<br />
TRW innerhalb weniger Minuten genauen Überblick über<br />
deren Zustände verschaffen. Das funkbasierte System war<br />
ohne Vorkenntnisse schnell per „Plug & Play“ installiert<br />
und konnte sofort in Betrieb genommen werden.<br />
In kurzer Zeit kristallisierte sich heraus, dass WIN alle<br />
Anforderungen an Flexibilität, Modularität und Erweiterbarkeit<br />
von TRW erfüllte. Per Funk wurden Signale<br />
an einen zentralen PC übermittelt – eine komplexe<br />
Schnittstelle zu den Maschinen selber war nicht notwendig,<br />
da als Basis die vorhandene Signalsäule diente.<br />
INSTALLATION OHNE PROGRAMMIERKENNTNISSE<br />
„Positiv aufgefallen ist mir die mitgelieferte WIN-Software,<br />
die sicher durch die einzelnen Schritte zum eigenen<br />
Wireless-Netzwerk führt“, erzählt Elmar Giner.<br />
Der Datenbank-Experte ist bei der Firma TRW in der<br />
IT-Abteilung beschäftigt und von dem Routingmodul<br />
der Software überzeugt. Sie zeigt mit einer Baumstruktur<br />
die Qualität und den Aufbau der Funkverbindungen<br />
zwischen den einzelnen Komponenten an.<br />
Diese Ansicht visualisiert dem Nutzer auch, wo er<br />
Funkverbindungen verstärken sollte, damit das WIN-<br />
Netzwerk sicher funktioniert und Daten problemlos<br />
übertragen kann.<br />
10<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Als IT-Hersteller legt Giner großen Wert auf Transparenz<br />
in der Fertigung. Die WIN-Software erlaubt es, auf<br />
einen Blick alles am PC zu überwachen. Kinderleicht<br />
kann man Fehler suchen, Produktivität analysieren und<br />
somit die Effizienz steigern. Die einfache, übersichtlich<br />
gestaltete Menüführung in der Software erleichtert die<br />
Bedienung und Maschinenüberwachung.<br />
SCHNELLE NACHRÜSTUNG PER FUNK<br />
80 Slaves mit WIN-überwachten Maschinen statten nun<br />
den Automobilzulieferer aus. Dieser weitet sein WIN-<br />
Netzwerk ständig aus. Dank Funk steht einer schnellen<br />
und einfachen Nachrüstung nichts im Wege. Ganz im<br />
Gegenteil: Die einfache Infrastruktur ermöglicht es,<br />
ohne spezielle Verkabelung weitere WIN-Elemente in<br />
das Netzwerk zu integrieren.<br />
Insgesamt fünf Großbildschirme visualisieren bei<br />
TRW die Produktion. Der Wartungsbereich, die Linienproduktion,<br />
die Elektroabteilung sowie die Instandhaltung<br />
(Mechanik und Elektrik) profitieren tagtäglich<br />
davon. Probleme werden schichtübergreifend und zeitnah<br />
erkannt.<br />
Mittels der in WIN integrierten E-Mail-Funktion werden<br />
Störungen sofort und an jeden Ort an die angebundenen<br />
Smartphone-User übermittelt. So können sie<br />
schnell reagieren und längere Stillstände sowie Produktionsausfälle<br />
vermeiden. Kein Wunder, dass der<br />
IT-Spezialist Elmar Giner „mehr will“ – er weiß wie<br />
flexibel das WIN-System ist und schätzt daran, dass die<br />
Einführungszeit neuer Funktionen kurz und keine zusätzliche<br />
Konfiguration notwendig ist.<br />
AUSWERTUNGEN VON STILLSTANDSURSACHEN<br />
Transparenz erhöhen, Produktivität steigern, Flexibilität<br />
verstärken, Stillstandzeiten reduzieren sowie Kosten<br />
und Zeit sparen sind nur ein paar Vorteile des<br />
WIN-Systems. Im Handumdrehen hatte TRW einen<br />
Überblick über kostenintensive Abläufe und verborgene<br />
Kapazitäten. Fertigungsentwickler Bernd Müller<br />
hatte sich besonders der Lean-Production-Ausrichtung<br />
gewidmet und damit die Wettbewerbsfähigkeit des<br />
Blumberger Unternehmens gesteigert.<br />
Mit WIN stehen ihm allzeit sämtliche Kennzahlen<br />
zum laufenden Auftrag, wie produzierte Stückzahlen,<br />
Ausschuss oder die detaillierte Aufstellung von Stillstandzeiten<br />
zur Verfügung. Mit diesen Auswertungen<br />
gelang es ihm, die Stillstandsursachen über einen definierten<br />
Zeitraum nach Häufigkeit auszuwerten. Dadurch<br />
konnten Maßnahmen entwickelt werden, um die<br />
Produktivität der Maschinen nachhaltig zu steigern.<br />
KOOPERATION ENTWICKELTE SIGNALTECHNIK WEITER<br />
Auch Werma Signaltechnik profitierte von der Kooperation.<br />
Ohne TRW wären viele Funktionen des WIN-<br />
Systems heute noch nicht ausgereift. So gab das Werk<br />
aus Blumberg den Anstoß für die Entwicklung der Zu-<br />
satzfunktion „Stückzahlermittlung“. Der in eine modulare<br />
Signalsäule integrierte WIN slave performance<br />
überwacht dabei bis zu sechs unterschiedliche Maschinenzustände<br />
und erfasst den Zählimpuls. Diese Daten<br />
werden an einen zentralen Empfänger gesendet und in<br />
einer Datenbank gespeichert.<br />
Doch auch darüber hinaus gilt TRW als gutes Beispiel<br />
für das WIN-System in der Praxis: Der Automobilzulieferer<br />
liefert nützliches Feedback an das Werma-Entwicklungsteam.<br />
So können zeitnah neue Ideen<br />
im Soft- und Hardwarebereich ausgearbeitet und umgesetzt<br />
werden. „Es ist ein Geben und Nehmen“, erklärt<br />
Bernd Müller. „Wir sind froh, in Sachen Signalisierung,<br />
einen Partner zu haben, mit dem wir gemeinsam<br />
Herausforderungen angehen können. Davon<br />
profitieren beide Seiten.“<br />
NAHTLOSE INTEGRATION BESONDERS REIZVOLL<br />
Neben WIN setzt der Automobilzulieferer auch weitere<br />
Werma-Produkte ein. Als zukunftsweisend haben sich die<br />
„Andon“-Produkte des Signalgeräteherstellers erwiesen.<br />
Bei Lean-Management-Experten ist der japanische Begriff<br />
„Andon“ schon lange bekannt. Dieser steht für eine gut<br />
sichtbar angebrachte Leuchte, die ein auftretendes Problem<br />
signalisiert und somit zum Handeln auffordert.<br />
Dieses Prinzip gibt es nun auch für Signalsäulen – ein<br />
ganz neuer Ansatz, der unter anderem Materialnachschub<br />
oder Qualitätsmangel signalisieren kann. Der<br />
Mitarbeiter, der das Signal auslöst, braucht also nicht<br />
lange nach einem Ansprechpartner zu suchen. Wege<br />
und Zeit können eingespart, Prozesse schlanker und<br />
effizienter gestaltet werden.<br />
Für die Zukunft plant der Automobilzulieferer, das<br />
WIN-System weiter auszubauen. „Gerade die nahtlose<br />
Integration ist für uns besonders reizvoll“, schließt der<br />
Fertigungsspezialist ab.<br />
AUTOR<br />
CHRISTOPH MÜLLER ist<br />
Gebietsverkaufsleiter bei<br />
der Werma Signaltechnik<br />
GmbH & Co. KG.<br />
Werma Signaltechnik GmbH & Co. KG,<br />
Dürbheimer Str. 15, D-78604 Rietheim-Weilheim,<br />
Tel. +49 (0) 7424 955 70,<br />
E-Mail: info@werma.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
11
PRAXIS<br />
Kamerasystem Safety Eye überwacht Abläufe<br />
im Überseeversand bei Opel Wien<br />
Schutzräume lassen sich definieren und mit verschiedenen Sicherheitsfunktionen hinterlegen<br />
BEI DER SEHENDEN SICHERHEITS-<br />
TECHNOLOGIE SAFETY EYE von Pilz<br />
umgibt ein dreidimensionaler Schutzkokon<br />
den Gefahrenbereich oder<br />
ein zu überwachendes Objekt.<br />
AUSGEHEND<br />
VON DER<br />
KAMERAEINHEIT<br />
an der Hallendecke<br />
erzeugt<br />
das System einen<br />
pyramidenförmigen<br />
Schutzschirm,<br />
innerhalb<br />
dessen sich<br />
beliebige Schutz-<br />
(rot) und Warnräume<br />
(gelb) frei<br />
definieren lassen.<br />
Grün zeigt einen<br />
ausgenommen<br />
Bereich.<br />
BEI OPEL<br />
kommen das<br />
dreidimensionale<br />
Kamerasystem<br />
Safety Eye<br />
und das programmierbare<br />
Steuerungssystem<br />
PSS 3000<br />
(links unten)<br />
zusammen.<br />
Bilder: Pilz<br />
Mehr als 500 000 Motoren und an die 750 000 Getriebe<br />
pro Jahr fertigt Opel aktuell in Wien-Aspern.<br />
Rund 70 % davon gehen per LKW und Bahn an die europäischen<br />
Fahrzeug-Produktionsstätten, die restlichen<br />
30 % gelangen per Schiff zu den weltweiten<br />
Standorten des General Motors-Konzerns. Für die Überseetransporte<br />
werden diese Aggregate in spezielle Kartons<br />
verpackt, damit sie geschützt sind. Am Ende des<br />
dafür notwendigen Verpackungsprozesses verschließt<br />
eine Umreifungsanlage die Transportkisten vollautomatisiert.<br />
Das Besondere dabei: Die normgerechte Absicherung<br />
dieses Arbeitsbereiches realisiert Opel nicht<br />
klassisch mit Schutzzäunen, -türen oder Lichtvorhängen,<br />
sondern barrierefrei mit dem weltweit ersten kamerabasierten<br />
Sicherheitssystem Safety Eye.<br />
GRÖSSTES GM-MOTORENWERK<br />
Seit 1982 fertigt General Motors (GM) am Standort Wien<br />
Getriebe und Motoren. Insgesamt 21 Millionen Fünfund<br />
Sechsganggetriebe sowie zirka 12 Millionen Dreizylinder-<br />
und Vierzylinder-Benzinmotoren verließen<br />
in zahlreichen Varianten bis Ende 2012 das weltweit<br />
größte Motoren- und Getriebewerk innerhalb des GM-<br />
Konzerns. Pro Minute produziert Opel Wien zwei Motoren<br />
und vier Getriebe. Beliefert werden Produktionsstätten<br />
rund um den Globus, 80 % aller in Europa neu<br />
zugelassenen Opel-Modelle, darunter auch das neue<br />
Modell Adam, sind mit Antriebseinheiten aus Wien-<br />
Aspern ausgestattet.<br />
SPEZIELLER SCHUTZ FÜR ÜBERSEEVERSAND<br />
Knapp ein Drittel der in Wien produzierten Getriebe<br />
und Motoren erhält für den Versand in die Produktionsstätten<br />
von GM außerhalb Europas einen speziellen<br />
Transportschutz. In einer so genannten Überseeverpackung<br />
– eine holzverstärkte Kartonage – werden jeweils<br />
mehrere Aggregate stoß-, rutsch- und vor allem<br />
wasserfest zusammengepackt. „Früher erledigte diese<br />
aufwendige Verpackung ein externer Partner für uns“,<br />
erzählt Peter Czetina, Safety Engineer bei Opel Wien.<br />
„Heute machen wir das selbst – wir beladen die Container<br />
direkt hier im Werk. Dadurch konnten wir nicht<br />
nur die Flexibilität und letztendlich die Produktivität,<br />
sondern vor allem die Qualität der Verpackung steigern<br />
– die entsprechende Qualitätskontrolle erfolgt nun im<br />
Haus.“ An Spitzentagen sind es bis zu zehn Container.<br />
12<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Geschwindigkeit spielt hier eine große Rolle, dabei war<br />
in der Vergangenheit die Bänderung der bis zu knapp<br />
2,7 Kubikmetern großen Transportkisten ein verhältnismäßig<br />
zeit- sowie arbeitsintensiver Verpackungsschritt,<br />
der per Hand erfolgte. Die Idee, diesen Prozess<br />
zu automatisieren, lag nahe. „Wir entschieden uns,<br />
eine vollautomatisierte Umreifungsmaschine einzusetzen“,<br />
berichtet Peter Czetina weiter. Dafür wurde im<br />
Vorfeld eine Risikoanalyse durchgeführt und anhand<br />
dieser die zu treffenden sicherheitsrelevanten Vorkehrungen<br />
definiert.<br />
Die Sicherheit der Mitarbeiter war ein wichtiges Thema<br />
vor der Inbetriebnahme der Maschine. „Sicherheit<br />
braucht aber die Akzeptanz der Mitarbeiter“, weiß Peter<br />
Czetina. Ein Schutzzaun beispielsweise birgt generell die<br />
Gefahr in sich, unter Umständen umgangen zu werden.<br />
Bei der neuen Umreifungsmaschine für die Überseeverpackung<br />
war klar: Es müssen entsprechende Sicherheitsvorkehrungen<br />
getroffen werden, sodass kein Mitarbeiter<br />
während des Umreifungsvorgangs gefährdet ist.<br />
Deshalb sollte eine effiziente und kostengünstige, dabei<br />
aber auch flexible und kompakte Lösung, die den laufenden<br />
Betrieb nicht behindert, zum Einsatz kommen.<br />
DREIDIMENSIONAL AUS DER VOGELPERSPEKTIVE<br />
Die Transportkisten werden mit Hilfe eines Gabelstaplers<br />
der Anlage zu- und wieder abgeführt. Mehrere Absicherungsvarianten<br />
standen zur Diskussion, von klassischen<br />
Schutzzäunen und -türen über eine komplette<br />
Einhausung mit Rolltoren bis hin zu Lichtschranken<br />
mit Mutingfunktion. Was den Platzaufwand als auch<br />
die Alltagstauglichkeit betrifft, waren diese Lösungen<br />
jedoch nicht optimal. Entschieden hat sich Opel<br />
schließlich für das dreidimensionale Kamerasystem<br />
Safety Eye des Automatisierungsunternehmens Pilz.<br />
Ausschlaggebend war, dass das System eine wartungsarme<br />
und sichere Lösung darstellt.<br />
Das Kamerasystem besteht aus den Komponenten<br />
Sensoreinheit, Hochleistungsrechner sowie Sicherheitssteuerung.<br />
Die aus drei Kameras bestehende Sensoreinheit<br />
ist einige Meter über den zu überwachenden<br />
Raum, bei Opel der Versandanlage, montiert und liefert<br />
permanent Bilddaten. Der Hochleistungsrechner dient<br />
als Auswerteeinheit. Diese berechnet auf Basis der erfassten<br />
Bilddaten und anhand komplexer Algorithmen<br />
ein räumliches Bild. Somit ist es möglich, Objekte<br />
räumlich wahrzunehmen und ihre Position exakt zu<br />
bestimmen. Die so gewonnenen Daten werden mit den<br />
konfigurierten Schutzräumen überlagert. Das System<br />
erkennt dadurch, wenn eine Verletzung des Schutzraumes<br />
vorliegt. Ist das der Fall, meldet der Rechner<br />
ohne Verzug dem programmierbaren Steuerungssystem<br />
PSS 3000, ebenfalls von Pilz, die entsprechende Information.<br />
Über die Ein- und Ausgänge als Schnittstelle<br />
zur Maschinensteuerung würde dann eine definierte<br />
Sicherheitsfunktion – etwa Not-Halt oder sichere Ge-<br />
schwindigkeit – ausgelöst. Die komplette Installation,<br />
Programmierung und Justierung des Systems führte<br />
Pilz im Auftrag von Opel Wien durch. Für die Schutzraumüberwachung<br />
wurden insgesamt acht Schutz- und<br />
Warnräume geschaffen, sodass der Zugang von allen<br />
Seiten – auch von oben – gesichert und ein Übersteigen<br />
des Schutzraums ausgeschlossen ist. Das sichere 3-D<br />
Kamerasystem kann in bis zu 7,5 m Höhe installiert<br />
werden, daraus resultiert auch der erfassbare, pyramidenförmige<br />
Bereich, dessen Grundfläche bei maximaler<br />
Einbauhöhe der Sensoreinheit rund neun auf acht Meter<br />
beträgt. Innerhalb dieser Pyramide lassen sich beliebige<br />
Schutzräume frei definieren beziehungsweise<br />
mit unterschiedlichen Sicherheitsfunktionen hinterlegen.<br />
Bei Opel sind die äußeren vier Räume als Warnräume<br />
eingerichtet – betritt ein Mitarbeiter einen dieser<br />
Räume, so ertönen ein akustisches sowie zeitgleich ein<br />
optisches Warnsignal. Erst wenn diese Warnzone überschritten<br />
und einer der vier eigentlichen Schutzräume<br />
betreten wird, erfolgt der sofortige Stopp der Maschine.<br />
Dabei sind es lediglich 150 Lux Beleuchtungsstärke, die<br />
für den zuverlässigen Betrieb des sicheren Kamerasystems<br />
notwendig sind.<br />
PRODUKTIONSABLAUF WIRD NICHT GESTÖRT<br />
Der Einsatz des Kamerasystems erhöht die Sicherheit<br />
und die Produktivität der Anlage: Denn für das Wechseln<br />
der Bandrolle muss nun keine Schutztür mehr<br />
geöffnet werden und im Störfall kann der Fehler<br />
schneller behoben werden. Das Kamerasystem ist wartungsfrei,<br />
der Produktionsablauf wird nicht gestört.<br />
Die zu umreifenden Verpackungskisten, die über<br />
Transportrollen durch das eigentliche Bandportal geführt<br />
werden, werden von Safety Eye als solche erkannt<br />
und durchgelassen ohne, dass eine Sicherheitsabschaltung<br />
ausgelöst wird.<br />
Auf Basis der Erfahrungen mit dem Kamerasystem<br />
erwägt der Automobilhersteller den Einsatz im deutschen<br />
Opel-Stammhaus in Rüsselsheim.<br />
AUTOR<br />
STEPHAN MARBAN<br />
Pilz GmbH Sichere Automation,<br />
Modecenterstraße 14,<br />
A-Wien,<br />
Tel. +43 (0) 1 798 62 63 13,<br />
E-Mail: s.marban@pilz.at<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
13
PRAXIS<br />
Industrielle Differenztemperaturregelung<br />
ermöglicht Betriebsmittel einzusparen<br />
Mit Bluetooth-Modul werden Geräteeinstellungen drahtlos vorgenommen<br />
Der Begriff Energieeffizienz ist das Schlagwort der<br />
Gegenwart, jedoch erweist sich die technische Umsetzung<br />
oft als schwer realisierbar. Viele Produktionsstätten<br />
haben noch ungeregelte Prozesse, bei denen<br />
Energieeinsparungen effizient möglich wären.<br />
Samson bietet hierzu Lösungen an. Eine der jüngsten<br />
Projekte des Herstellers von Mess- und Regeltechnik<br />
war die Umsetzung einer industriellen Differenztemperaturregelung<br />
für Kühlwalzen. Aus der gestellten<br />
Anforderung wurde mit einer Kombination aus Ventil,<br />
elektrischem Antrieb mit integriertem Prozessregler<br />
sowie fertig konfektionierter Sensorik ein gutes Ergebnis<br />
erzielt.<br />
EINSPARPOTENZIALE IN BETRIEBEN<br />
Ansätze für Optimierungsmöglichkeiten gibt es bei<br />
der Materialbeschaffung, im Produktionsprozess und<br />
bei den Betriebsmitteln. Während die erst genannten<br />
traditionell stark im Fokus stehen, sind die Möglichkeiten<br />
bei den Betriebsmitteln oft nicht voll ausgeschöpft.<br />
Gerade in Produktionsbetrieben sind viele<br />
Temperaturprozesse im Einsatz, die ungeregelt und<br />
unbemerkt ihren Dienst verrichten. Hier stellt sich bei<br />
genauerem Betrachten die Frage: sind diese Prozesse<br />
hinreichend effizient?<br />
In vielen Fällen muss geheizt oder gekühlt werden.<br />
Häufig sind ungeregelte oder sehr einfach geregelte<br />
Temperaturprozesse vorzufinden. Bei näherer Untersuchung<br />
ergeben sich hier Verbesserungsmöglichkeiten<br />
durch eine Regelung oder durch Steigerung der Regelgüte<br />
und damit zu Einsparungen von Betriebsmitteln<br />
und deren Transport.<br />
SCHNELLE AMORTISIERUNG<br />
Im Idealfall für die Betriebe amortisieren sich die Anschaffungskosten<br />
in ein bis zwei Jahren. Ausgehend<br />
von der ungeregelten Kühlung wurde das durchschnittliche<br />
Einsparungspotenzial gegenüber einer geregelten<br />
Kühlung auf 50 % geschätzt.<br />
Bei Einsatz der Regelkomponente von Samson werden<br />
Einsparungen im Schnitt von knapp 60 % erzielt.<br />
So amortisiert sich die Investition bereits nach etwa<br />
einem Jahr. Die Zielvorstellungen der Betriebe sind damit<br />
erfüllt.<br />
EINSPARUNGEN ZWISCHEN 30 UND 80 %<br />
Eine effektive Methode zur Umsetzung der Temperaturregelung<br />
ist die Integration eines Motorventils in<br />
die bestehende Rohrleitung des Heiz- beziehungsweise<br />
Kühlmediums. Im elektrischen Antrieb des Motorventils<br />
wiederum befindet sich neben dem prozessorgesteuerten<br />
Zweikanalregler auch ein Bedienfeld,<br />
um im laufenden Betrieb vor Ort Einfluss nehmen zu<br />
können.<br />
Die Anwendung in diesem Fall beschreibt eine Kühlwalzenregelung,<br />
dessen Kühlwasser ursprünglich zu<br />
0 oder 100 % zugeführt wurde. Durch Regelung des<br />
benötigten Volumens sind gemäß praktischer Tests Einsparungen<br />
zwischen 30 und 80 % möglich. Dazu dient<br />
eine Differenztemperaturregelung zwischen Eintrittsund<br />
Austrittstemperatur, gemessen jeweils an den<br />
Rohrleitungen zu und von den Kühlwalzen. Die konfektionierte<br />
Kabelsensorik erlaubt den Einsatz als Anlege-<br />
oder Tauchsensoren durch entsprechendes Zubehör.<br />
Zusätzlich zur Differenztemperaturregelung des<br />
ersten Reglerkanals wird eine Rücklauftemperaturregelung<br />
des zweiten Reglerkanals als Begrenzungsregelung<br />
mit Minimalauswahl gefahren. Damit sind zwei<br />
Regelfunktionen mit nur einem Motorventil sehr kompakt<br />
realisiert.<br />
EINFACHE KOMPONENTE MIT HOHEM NUTZEN<br />
Die Regelkomponente hat eine kompakte Bauform, eine<br />
bereits konfektionierte Anschlussleitung sowie konfektionierte<br />
Kabelsensoren. Damit entfällt ein sonst üblicher<br />
Schaltschrank mit seiner gesamten Regelelektronik<br />
inklusive Verdrahtung. Diese Einheit aus Ventil<br />
und elektrischem Prozessregelantrieb ist universell<br />
einsetzbar: Sie kann mit unterschiedlichen Ventilen<br />
für Industrie oder Gebäudeautomation kombiniert werden,<br />
die Kabelsensoren lassen sich auch als Tauch- oder<br />
Anlegesensoren einsetzen und es ist eine einfache Auswahl<br />
vorkonfektionierter Anlagenkennziffern für Heizoder<br />
Kühlapplikationen möglich.<br />
PARAMETRIEREN VIA BLUETOOTH<br />
Das integrierte Bluetooth Modul schafft erhöhten Inbetriebnahme-<br />
und Bedienkomfort durch die drahtlose<br />
Verbindung zur Konfigurier- und Bediensoftware<br />
Trovis-View.<br />
Alle Geräteeinstellungen zur Regelfunktion, Geräte-<br />
und Anlagendokumentation, Aufzeichnung und<br />
Protokollierung der Prozessdaten sowie Konvertierung<br />
in das XLS-Datenformat werden mit dem PC-<br />
Programm erfüllt. Der PC muss über Bluetooth ab<br />
Version 2.1 verfügen. Für den Transfer der Daten zwischen<br />
PC und Regeleinheit sind keine weiteren Hilfsmittel<br />
erforderlich.<br />
Das Bedienfeld weist nur die wichtigsten Funktionen<br />
auf, um dem Anlagenfahrer die Bedienung für den laufenden<br />
Prozessbetrieb zu erleichtern. Neben der Ist-<br />
Wertanzeige und der Eingabe des Sollwertes ermöglicht<br />
es, die Betriebsarten zu steuern. Sonderfunktionen<br />
dienen zum Initialisierungslauf und zur elektrischen<br />
Handverstellung. Bei Wegfall der elektrischen Speisung<br />
ermöglicht das Handrad die mechanische Verstellung<br />
des Ventilhubes.<br />
UMSETZUNG WEITERER ANWENDUNGEN<br />
Eine Sammlung von Anwendungen existiert bereits<br />
und wird fortlaufend erweitert. Nachfolgend drei Beispiele<br />
umgesetzter Industrieanwendungen:<br />
14<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
EINGEBAUTE REGELKOMPONENTE zur Kühlwasserregelung<br />
für Kühlwalzen Bilder: Samson<br />
REGELKOMPONENTE VENTIL mit elektrischem<br />
Prozessregelantrieb im Einsatz<br />
BEDIENFELD für<br />
den Anlagenfahrer<br />
PROZESS-<br />
REGELEINHEIT<br />
Typ 3222/5724-8<br />
von SAMSON<br />
FESTWERT-<br />
REGELUNG mit<br />
Mittelwertbildung<br />
1 | Festwertregelung Heizen mit Mittelwertbildung<br />
und Sollwertumschaltung<br />
2 | Differenztemperaturregelung Kühlen mit Begrenzung<br />
der Rücklauftemperatur<br />
3 | Kaskadenregelung Heizen mit Sollwertbegrenzung<br />
und Start/Stopp der Regelung<br />
1. Heizen mit Mittelwertbildung<br />
und Sollwertumschaltung<br />
In der Grundeinstellung arbeitet das Gerät mit einem<br />
Sensor (T1 mit roter Markierung) als Festwertregler<br />
Heizen mit Sollwertumschaltung über die Tasten I und<br />
O. Alternativ lässt sich die Sollwertumschaltung durch<br />
einen Binäreingang steuern. Der Sollwert ist am Gerät<br />
mit den Tasten Pfeil Auf und Pfeil Ab innerhalb des<br />
Einstellbereiches verstellbar.<br />
Durch Änderung der Anlagenkennziffer kann einfach<br />
die Festwertregelung Heizen zur Festwertregelung<br />
Kühlen umkonfiguriert werden.<br />
Wird die Festwertregelung zum Beispiel mit dem blau<br />
markierten Sensor (T2) ergänzt, so kann mit Hilfe beider<br />
Sensoren (T1 und T2) ein Mittelwert gebildet werden. Ein<br />
mögliches Anwendungsfeld ist die Regelung einer Flüssigkeit<br />
in einem Reaktionskessel mit mehreren Temperaturschichtungen.<br />
Zwei unterschiedlich lange Tauchhülsen<br />
dienen zur Lokalisierung zweier Messpunkte. Im<br />
besonderen Fall kann die Mittelwertbildung gleichwertig<br />
und mit unterschiedlicher Bewertung gestaltet werden,<br />
das heißt der eine Messpunkt wird zum Beispiel mit<br />
5-facher und der andere mit 1-facher Wertung berechnet.<br />
Regelgröße PV =<br />
a · T1 + b · T2<br />
z<br />
Setzt man die Parameter wie oben erläutert<br />
a = +5; b = +1 und z = +6<br />
ergibt sich daraus<br />
Regelgröße PV =<br />
5 · T1 + 1 · T2<br />
6<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
15
PRAXIS<br />
2. Kühlen mit Begrenzung der<br />
Rücklauftemperatur<br />
Diese Anwendung beschreibt die Regelung einer Differenztemperatur<br />
zwischen Rücklauf- (T1) und Vorlauftemperatur<br />
(T2) eines Kühlprozesses, die in der eingangs<br />
beschriebenen Applikation zum Einsatz kommt.<br />
In diesem Fall dient die Formel der Regelgröße PV zur<br />
Bestimmung der Differenztemperatur.<br />
Regelgröße PV =<br />
a · T1 + b · T2<br />
z<br />
Setzt man a = +1; b= –1 und z = +1<br />
ergibt sich die Regelgröße PV = T1 – T2.<br />
DIFFERENZ-<br />
TEMPERATUR-<br />
REGELUNG<br />
mit Begrenzung<br />
der Rücklauftemperatur<br />
KASKADEN-<br />
REGELUNG<br />
zur Pasteurisierung<br />
von<br />
Lebensmitteln<br />
KASKADEN-<br />
REGELUNG<br />
zur Temperaturregelung<br />
einer<br />
Flüssigkeit<br />
in einem<br />
Reaktionskessel<br />
Die gewünschte Temperaturdifferenz wird durch den<br />
Sollwert vorgegeben. Die Kennlinie substituiert einen<br />
mechanischen Bypass während des Regelprozesses. Bei<br />
erhöhtem Kühlbedarf öffnet das Regelventil gemäß den<br />
Einstellungen des integrierten Reglers.<br />
3. Kaskadenregelung Heizen mit<br />
Sollwertbegrenzung<br />
Für die Kaskadenregelung stehen in der Regeleinheit<br />
zwei Kanäle zur Verfügung, die jeweils als Führungsund<br />
Folgeregler dienen. Hierbei wird ein Sensor (T1)<br />
für die Erfassung der primär zu regelnden Größe im<br />
Führungsregelkreis genutzt. Der zweite Sensor (T2)<br />
hingegen dient zur Erfassung der Hilfsregelgröße im<br />
Folgeregelkreis. Als Anwendungsbereich ist die Pasteurisierung<br />
von Lebensmitteln denkbar. Dabei ist vor<br />
allem darauf zu achten, dass die Führungsgröße des<br />
Folgereglers begrenzt werden muss, damit das Produkt<br />
nicht überhitzt. Die Begrenzungsfunktion ist im Regler<br />
integriert.<br />
Durch einfache Auswahl der vorkonfektionierten<br />
Anlagenkennziffer wird die gewünschte und dokumentierte<br />
Konfiguration aus der Sammlung der Kennziffern<br />
aufgerufen und anschließend in den Prozessregelantrieb<br />
übertragen. Mit diesen Voreinstellungen ist<br />
die Regeleinheit zunächst betriebsbereit und kann bei<br />
Bedarf individuell angepasst werden.<br />
AUTOREN<br />
Dipl.-Ing. RAINER SCHWAN<br />
ist Leiter Industrieregler und<br />
elektrische Antriebe.<br />
Samson AG,<br />
Weismüllerstraße 3,<br />
D-60314 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 40 09 15 19,<br />
E-Mail: rschwan@samson.de<br />
Dipl.-Ing. GERT NAHLER<br />
ist Zentralabteilungsleiter<br />
Entwicklung Elektronik Gebäudeautomation<br />
und Regler.<br />
Samson AG,<br />
Weismüllerstraße 3,<br />
D-60314 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 40 09 13 38,<br />
E-Mail: gnahler@samson.de<br />
Dipl.-Ing. RUDOLF LÄSSLER<br />
ist Zentralabteilungsleiter<br />
Entwicklung Regler ohne Hilfsenergie<br />
und Stellventile.<br />
Samson AG,<br />
Weismüllerstraße 3,<br />
D-60314 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 40 09 13 10,<br />
E-Mail: rlaessler@samson.de<br />
16<br />
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3 / 2014
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HAUPTBEITRAG<br />
<strong>Modellgestütztes</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Basis für die Automatisierung der Automatisierung<br />
Über die Vorteile bei der Nutzung von Modellen im <strong>Engineering</strong>-Prozess herrscht<br />
Konsens. Ein wesentlicher Ansatz ist die Unterstützung bei der Planung des Automations-<strong>Engineering</strong>s<br />
durch Automatisierung der Automatisierung (automation of<br />
automation, AoA). Die dazu benötigten Modelle werden zumeist manuell aus Planungsdaten<br />
erzeugt, insbesondere dem R&I-Fließbild. Der Beitrag beschreibt, wie<br />
auf Grundlage eines Vergleichs verschiedener Anwendungsfälle, die mittels geeigneter<br />
Modelle unterstützt werden können, funktionale und nicht-funktionale Anforderungen<br />
abgeleitet wurden, die an diese Modelle gestellt werden. Durch eine<br />
Analyse dieser Anforderungen konnten Synergieeffekte in Form von einer sich überlappenden<br />
Teilmenge an Modellinhalten innerhalb der für AoA-Aufgaben benötigten<br />
Modelle ermittelt werden. Die Synergien lassen sich nutzen, indem diese Modellinhalte<br />
in einem übergeordneten Modell gespeichert werden und dieses als Quelle zur<br />
Erzeugung verschiedener spezifischer AoA-Modelle herangezogen wird.<br />
SCHLAGWÖRTER Anforderungsdefinition / <strong>Engineering</strong> / Automatisierung der<br />
Automatisierung<br />
Model-based <strong>Engineering</strong> –<br />
Common Model as a Basis for ‘Automation of Automation’<br />
There is consensus about the benefits offered by the use and application of models<br />
in the engineering process. One promising approach relates to the support of planning<br />
activities by “automation of automation” (AoA). Models are conventionally<br />
generated manually using planning data, in particular the P&ID. Functional and<br />
non-functional requirements are derived from a comparison of different applications<br />
which can be supported by appropriate models. Through analysis and evaluation of<br />
these requirements, synergies have been determined for AoA purposes. Synergies<br />
may be exploited by storing them in a higher-level model, which is used as a source<br />
for generating specific AoA models.<br />
KEYWORDS automation of automation / requirements’ definition / model-based<br />
engineering<br />
18<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
LARS CHRISTIANSEN, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg<br />
MARIO HOERNICKE, ABB Forschungszentrum<br />
ALEXANDER FAY, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg<br />
Das <strong>Engineering</strong> verfahrens- und fertigungstechnischer<br />
Automatisierungssysteme ist<br />
durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher<br />
Gewerke, Fachbereiche und <strong>Engineering</strong>-<br />
Organisationen geprägt und unterliegt einer<br />
phasenorientierten Bearbeitung. Das Ergebnis am Ende<br />
einer Planungsphase dient als Informationsbasis für<br />
die jeweils nachfolgenden Phasen und Gewerke. Planungstätigkeiten<br />
werden mittels einer Vielzahl unterschiedlicher<br />
und damit phasen- sowie gewerkspezifischer<br />
CAE-Planungswerkzeuge durchgeführt. Diese<br />
basieren meist auf proprietären Datenmodellen, die<br />
eine durchgängige Nutzung der darin enthaltenen Informationen<br />
erschweren. Beispiele für Modelle, die ein<br />
wesentliches Ergebnis einer Planungsphase darstellen,<br />
sind das Anlagenlayout oder das Rohrleitungs- und<br />
Instrumentenfließbild (R&I-Fließbild).<br />
Der Einsatz von Modellen im <strong>Engineering</strong>-Prozess<br />
wird mit den Begriffen Model Driven <strong>Engineering</strong><br />
(MDE) und Model Based <strong>Engineering</strong> (MBE) umschrieben<br />
[1]. Dabei werden im Kontext des MDE <strong>Engineering</strong>-<br />
Artefakte, wie Dokumente oder SW-Code, durch den<br />
Einsatz von Modellen automatisch erzeugt, wohingegen<br />
MBE den Umstand beschreibt, dass auf der Grundlage<br />
eines Modells spezifische Tätigkeiten, wie Design, Lösungsauswahl,<br />
Funktionstests oder Optimierungen,<br />
durchgeführt werden. Der durchgängige Einsatz von<br />
Modellen sowie die damit verbundene Möglichkeit zur<br />
Wieder- beziehungsweise Weiterverwendung der Information<br />
können einen wesentlichen Hebel darstellen,<br />
den <strong>Engineering</strong>-Aufwand [2] und damit die Projektlaufzeiten<br />
und -kosten [3, 4] zu reduzieren. Dieser<br />
Schritt erfordert allerdings, neben den entsprechenden<br />
Daten- und Informationsmodellen, geeignete Vorgehensweisen<br />
innerhalb des <strong>Engineering</strong>-Prozesses, die<br />
den Aspekt der Durchgängigkeit unterstützen können<br />
[4]. Zur Reduzierung des <strong>Engineering</strong>-Aufwands in Verbindung<br />
mit geeigneten Modellen spielt zum Beispiel<br />
die Automatisierung von Tätigkeiten eine wesentliche<br />
Rolle. Dies wird mit dem Begriff der Automatisierung<br />
der Automatisierung [5] (automation of automation,<br />
AoA) umschrieben.<br />
1. STAND DER WISSENSCHAFT<br />
Über die in der Einleitung genannten Vorteile hinaus versprechen<br />
sich die Unternehmen durch den Einsatz von<br />
MDE und MBE im <strong>Engineering</strong>-Prozess beispielsweise die<br />
Möglichkeit der frühzeitigen Absicherung von <strong>Engineering</strong>-Ergebnissen<br />
[1], die automatisierte Wiederholung von<br />
<strong>Engineering</strong>-Tätigkeiten [2] sowie die Verringerung von<br />
Übertragungsfehlern und damit Inkonsistenzen zwischen<br />
den Modellen [6]. Dennoch stehen dem Einsatz von<br />
MDE und MBE Probleme und Herausforderungen gegenüber,<br />
die gelöst werden müssen, bevor diese Vorteile zum<br />
Tragen kommen können. Im Folgenden wird ein Überblick<br />
über die diesbezügliche Forschung gegeben.<br />
1.1 Modelle für modellgestütztes <strong>Engineering</strong><br />
Im Kontext der digitalen Fabrik werden in [7] unterschiedliche<br />
Modellansätze diskutiert und grundsätzliche<br />
Anforderungen an <strong>Engineering</strong>-Modelle gestellt:<br />
zum Beispiel der erforderliche Formalisierungsgrad, die<br />
Ausdrucksstärke sowie die Möglichkeit zur Beschreibung<br />
statischer und dynamischer Systemzusammenhänge.<br />
Darauf aufbauend wird in [8] eine Bewertungsmethodik<br />
vorgestellt, mit der unterschiedliche im <strong>Engineering</strong><br />
genutzte Modelle hinsichtlich der durchgängigen<br />
Nutzung untersucht und bewertet werden können.<br />
Ebenfalls im Kontext der digitalen Fabrik wird in [9],<br />
basierend auf einem mechatronischen Domänen-Modell,<br />
ein Konzept für die digitale Anlagenplanung vorgestellt.<br />
Ein Domänen-Modell wird dabei als ein zentrales<br />
<strong>Engineering</strong>-Modell definiert, welches sich innerhalb<br />
des <strong>Engineering</strong>-Workflows oder bedingt durch<br />
unterschiedliche CAE-Werkzeuge nicht verändert.<br />
Dennoch soll dieses Modell eine Integration in die heterogene<br />
Werkzeuglandschaft unterstützen, wodurch<br />
es gleichzeitig alle am <strong>Engineering</strong>-Prozess beteiligten<br />
Organisationen und Disziplinen auf sich vereinigt.<br />
In [1] wird grundsätzlich zwischen zwei Arten von<br />
<strong>Engineering</strong>-Modellen unterschieden: a) Modelle, die<br />
sich zur Entwicklung der Automatisierungslösung nut-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
19
HAUPTBEITRAG<br />
zen lassen und b) Modelle, die zur disziplinübergreifenden<br />
Kommunikation zwischen Projektbeteiligten<br />
geeignet sind, wie das R&I-Fließbild. Des Weiteren werden<br />
Modelle c) hinsichtlich des Datenaustauschs zwischen<br />
den CAE-Systemen der am <strong>Engineering</strong> beteiligten<br />
Disziplinen definiert. Ziel ist es, aus Quellmodellen<br />
entwicklungsbegleitend Zielmodelle zu erzeugen,<br />
die die Lösungsfindung und damit die in den Phasen<br />
durchzuführenden Aufgaben und Tätigkeiten unterstützen.<br />
Dies deckt sich in der Intention mit der Definition<br />
der Nutzenaspekte in [2]. Dazu sind verschiedene<br />
Modelltransformationen erforderlich, die mit einer<br />
Transformation der Modelle in eine domänenspezifische<br />
Sprache abgeschlossen werden.<br />
Hinsichtlich der Problematik, dass proprietäre Datenmodelle<br />
auf Grund der gewerkespezifischen CAE-<br />
Werkzeuge existieren, die eine durchgängige Nutzung<br />
erschweren, gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten: Zum<br />
einen besteht die Möglichkeit der spezifischen Modelltransformation<br />
zwischen proprietären Datenmodellen,<br />
und zum anderen kann auf herstellerneutrale Datenformate<br />
zurückgegriffen werden. Erstere erfordert geeignete<br />
Transformationsmechanismen zwischen den<br />
einzelnen, in der Regel domänenspezifischen Modellen<br />
beziehungsweise deren Schnittstellen [3]. Der transformationsbasierte<br />
Ansatz erfordert allerdings einen langfristigen<br />
Einsatzhorizont, da die Entwicklung geeigneter<br />
Mechanismen zur Transformation einen beträchtlichen<br />
Aufwand sowie eine möglichst detaillierte Anforderungsdefinition<br />
erfordern [10]. Aus dem geplanten<br />
Einsatz des Modells innerhalb des <strong>Engineering</strong>s resultiert<br />
der Detaillierungsgrad [10]. Die spezifischen, mit<br />
hohem Aufwand erzeugten Transformationsmechanismen<br />
sind daher nur für eine geringe Anzahl von Zielmodellen<br />
geeignet. Dies gilt insbesondere hinsichtlich<br />
der kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung der<br />
Mechanismen, die zum Beispiel durch Änderungen des<br />
Quell- oder Zielformats notwendig werden. Weiterhin<br />
führt die Nutzung von vielen unterschiedlichen Modellen<br />
zu zwei wesentlichen Problemen: Es muss sichergestellt<br />
werden, dass bei Änderungen innerhalb<br />
eines Modells diese Änderungen in den abhängigen<br />
Modellen übernommen werden, damit dies nicht zu<br />
Inkonsistenzen innerhalb der Modelle führt, welche<br />
sich direkt auf die Qualität des <strong>Engineering</strong>-Prozesses<br />
auswirken würden. Das Problem der Pflege der spezifischen<br />
Transformationsmechanismen zwischen domänenspezifischen<br />
Modellen kann durch Nutzung eines<br />
herstellerneutralen – das heißt nicht-proprietären – Datenformats<br />
umgangen werden. Hier hat sich in den letzten<br />
Jahren CAEX beziehungsweise AutomationML als<br />
geeignet und vielversprechend herausgestellt. Dennoch<br />
unterliegt die Nutzung von CAEX/AutomationML ebenfalls<br />
Vor- und Nachteilen [11], die an dieser Stelle aber<br />
nicht weiter betrachtet werden.<br />
1.2 Modellgetriebene Ansätze im Kontext AoA<br />
Die grundsätzliche Idee von AoA besteht darin, Aufgaben<br />
und Tätigkeiten, die während des <strong>Engineering</strong>s der<br />
Automatisierungstechnik, das heißt der Planung und<br />
Realisierung, der Inbetriebnahme und der Wartung<br />
anfallen, zu automatisieren und somit den Planungsingenieur<br />
von Aufgaben, die häufig „gleichartigen, sich<br />
wiederholend und monoton anmutenden Charakter<br />
aufweisen“ [12], zu entlasten.<br />
Als Informationsgrundlage und Ausgangsbasis wird<br />
bei der Planung der Automatisierungstechnik verfahrenstechnischer<br />
Anlagen in den meisten Fällen auf das<br />
R&I-Fließbild zurückgegriffen. Dieses bildet ein zentrales<br />
Modell für die Automatisierungstechnik und<br />
weist bereits einen sehr hohen Informationsgehalt hinsichtlich<br />
der zu projektierenden Anlage und ihres Automatisierungssystems<br />
auf. Dazu zählt die topologische<br />
Verknüpfung von Anlagenobjekten wie Behälter, Rohrleitungen<br />
und Automatisierungskomponenten (AT-<br />
Komponenten), zum Beispiel Sensoren und Aktoren<br />
und teilweise zugehörigen AT-Funktionen.<br />
Im Bereich der Erstellung von Bedienbildern (human<br />
machine interface, HMI) existieren umfassende Untersuchungen<br />
und Ansätze, die eine automatische Generierung<br />
unterstützen [13-16]. Um den manuellen Aufwand<br />
zur Erstellung der für die virtuelle Inbetriebnahme<br />
automatisierter Systeme beziehungsweise zur<br />
Durchführung des Integrationstests und der Werksabnahme<br />
benötigten Simulationsmodelle zu reduzieren,<br />
werden in [17-20] verschiedene Ansätze vorgestellt.<br />
Neben der Unterstützung zur automatisierten Erstellung<br />
von Modellen sind für die automatische Generierung<br />
der Steuerungsfunktionen ebenfalls Methoden<br />
entwickelt worden. In [21] wird ein wissensbasiertes<br />
Konzept zur Erstellung von Steuerungscode für Fertigungsmaschinen<br />
und -anlagen beschrieben, in [22] ein<br />
Konzept zur Ableitung und Gewinnung von Verriegelungslogik<br />
und in [23] eine Unterstützung zur Erstellung<br />
von Asset-Management-Funktionen. In [24] wird<br />
die Ableitung von Testszenarien zur frühzeitigen Überprüfung<br />
der Steuerungslogik präsentiert.<br />
Darüber hinaus gibt es vielversprechende Ansätze<br />
auf Basis des Verfahrens- beziehungsweise R&I-Fließbilds,<br />
um die Ursachenanalyse, also den Diagnoseprozess,<br />
systematisch zu unterstützen [25, 26].<br />
2. GEMEINSAMES TOPOLOGIEMODELL ALS GRUNDLAGE<br />
Die innerhalb der Forschung entwickelten und vielversprechend<br />
erscheinenden AoA-Ansätze werden im<br />
industriellen Umfeld bisher kaum angewandt. Ein<br />
wesentliches Hindernis für den ausgebliebenen<br />
Transfer in die Industrie sehen die Autoren darin,<br />
dass die benötigten Daten und die erforderliche Information<br />
zumeist in Dokumenten wie Word, PDF oder<br />
Excel-Tabellen gespeichert sind [27]. Auf Grund einer<br />
fehlenden Formalisierung sowie nicht standardisierten<br />
Datenformaten sind diese in der Regel nicht für<br />
softwarebasierte Analysen und Auswertungen nutzbar<br />
oder zur Erzeugung von Modellen geeignet. Um<br />
dennoch die im vorherigen Abschnitt genannten AoA-<br />
Ansätze zu ermöglichen, greifen diese auf XML-basierte<br />
Datenformate und -modelle, wie CAEX [28],<br />
20<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
AutomationML [28] oder PandIX [30] zurück. Des<br />
Weiteren wird davon ausgegangen, dass die benötigte<br />
Information grundsätzlich in einer geeigneten Struktur<br />
zur Verfügung steht.<br />
Aus Sicht der Autoren besteht beim modellgetriebenen<br />
und beim modellbasierten <strong>Engineering</strong> in der<br />
Automatisierungstechnik und damit auch bei der AoA<br />
das Problem, dass für jeden Ansatz eigene, neue und<br />
sehr spezifische Modelle genutzt werden, die teilweise<br />
mit hohem Aufwand und manchmal manuell erstellt<br />
werden müssen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass<br />
Teilmengen der spezifischen Modelle identisch sind,<br />
insbesondere hinsichtlich der Komponenten- und<br />
Strukturinformation, gegebenenfalls mit unterschiedlichem<br />
Detaillierungsgrad. Deshalb müssen zunächst<br />
die spezifischen Anforderungen geeigneter Anwendungsfälle<br />
untersucht und anschließend deren Überlappung<br />
überprüft werden. Im nächsten Schritt können<br />
dann die übereinstimmenden Anforderungen mit<br />
einem allgemeinen, übergeordneten Topologiemodell<br />
(top level topology model, TLT-Modell) der zu projektierenden<br />
Anlage erfüllt werden. Dieses TLT-Modell<br />
dient anschließend als Ausgangsbasis, um die spezifischen,<br />
für AoA-Ansätze erforderlichen und geeigneten<br />
Teilmodelle zu erzeugen. Unter der Topologie einer<br />
Anlage wird die physikalische Verbindung zwischen<br />
Anlagenelementen, zum Beispiel zum Material- und<br />
Energietransport, und die informationstechnische Verknüpfung,<br />
beispielsweise zwischen Sensoren und<br />
Aktoren, verstanden.<br />
Diesem Konzept folgend werden, wie in Bild 1 (li.)<br />
dargestellt, die spezifischen Teil-Modellinhalte (MI)<br />
MI-1 (grün), MI-2 (gelb) und MI-3 (blau) aus dem TLT-<br />
Modell (graues Rechteck) abgeleitet. Die Modellinhalte<br />
repräsentieren daraufhin ein spezifisches Teilmodell<br />
(M S , Rechteck). Da diese Teilmodelle domänenunabhängig<br />
sind, werden diese in domänenspezifische Modelle<br />
(M D , Sechseck) transformiert (re.), um in spezialisierten<br />
CAE-Werkzeugen, wie zum Beispiel Simulationswerkzeugen,<br />
verwendet werden zu können.<br />
Eine Rücktransformation eines spezifischen Teilmodells<br />
beziehungsweise domänenspezifischen Modells in<br />
das TLT-Modell ist bei diesem Konzept nicht vorgesehen.<br />
Das TLT-Modell fungiert als zentrales, umfassendes Modell,<br />
aus dem sich bei Veränderungen und anlassbezogen<br />
mehrfach neue Modelle generieren lassen.<br />
Für diesen Ansatz wird im nächsten Schritt ermittelt,<br />
für welche <strong>Engineering</strong>-Tätigkeiten ein TLT-Modell<br />
grundsätzlich geeignet sein kann und dementsprechend<br />
auch, welchen Detaillierungsgrad sowie Informationsgehalt<br />
das TLT-Modell aufweisen muss. Hierfür<br />
werden typische AoA-Anwendungsfälle und die zur<br />
Nutzung erforderlichen spezifischen Modellinhalte<br />
(wie Objekte, Attribute, Strukturen) untersucht und<br />
abgeleitet (Bild 2). Diese repräsentieren nun die Anforderungen<br />
an die Modellinhalte des TLT-Modells.<br />
3. ANFORDERUNGEN DER ANWENDUNGSFÄLLE<br />
AN EIN TLT-MODELL<br />
Um die spezifischen Modellinhalte als konkrete Anforderungen<br />
an ein gemeinsames Topologiemodell abzuleiten,<br />
wurden in weltweiter Zusammenarbeit mit Experten<br />
(unter anderem Projektierer, Entwickler, Projektleiter<br />
AT-<strong>Engineering</strong> aus den Bereichen Öl, Gas, Petrochemie,<br />
Mining, Marine und Power der ABB AG)<br />
insgesamt zwölf Anwendungsfälle diskutiert, die<br />
grundsätzlich ein großes Potenzial für AoA bieten. Im<br />
Rahmen einer inhaltlichen sowie wirtschaftlichen Betrachtung<br />
wurde vier Anwendungsfällen eine besonders<br />
hohe Bedeutung zugesprochen. Diese Fälle wurden<br />
vertieft analysiert. Im Rahmen dieses Beitrags<br />
werden zwei Anwendungsfälle (use case, UC), die Generierung<br />
von Prozesssimulationsmodellen und die<br />
Validierung von Ursachenanalysen, vorgestellt. Diese<br />
dienen im nächsten Schritt dazu, die einzelnen Anforderungen<br />
aus Sicht des Anwendungsfalls an das gemeinsame,<br />
übergeordnete TLT-Modell abzuleiten und<br />
daraufhin potenzielle Synergieeffekte aufzuzeigen.<br />
3.1 Betrachtete Anwendungsfälle der AoA<br />
UC-1: Generierung von Prozesssimulationsmodellen<br />
für denIntegrationstest und die Werksabnahme<br />
Die finalen Tests eines Automatisierungssystems vor der<br />
Inbetriebnahme gliedern sich in zwei Phasen: a) Integra-<br />
TLT-Model der zu<br />
projektierenden Anlage<br />
Spezifische<br />
Teilmodelle<br />
Domänenspezifische<br />
Modelle<br />
MI-3<br />
MI-1<br />
MI-2<br />
Ableitung<br />
M S -1<br />
M S -2<br />
M S -3<br />
Transformation<br />
M D -1<br />
M D -2<br />
M D -3<br />
Ableitung<br />
Spezifische Modellinhalte:<br />
- Daten<br />
- Informationen<br />
- Strukturen<br />
- Sichtweisen<br />
- Beziehungen<br />
- …<br />
Anforderung<br />
Modellinhalte des<br />
TLT-Models<br />
BILD 1: Vorgehen zur Erzeugung domänenspezifischer<br />
Modelle aus einem TLT-Modell<br />
BILD 2: Ableitung von Anforderungen an das TLT-Modell<br />
auf Basis spezifischer Modellinhalte<br />
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3 / 2014<br />
21
HAUPTBEITRAG<br />
tionstest, bei dem die Logik der Automatisierungstechnik<br />
und deren Subsystem, inklusive der Interaktionen<br />
zwischen den Subsystemen, gegen die Kundenspezifikation<br />
getestet wird, um die Resultate des <strong>Engineering</strong><br />
zu verifizieren und b) die Werksabnahme, bei der der<br />
Kunde anwesend ist und einige stichprobenartige Tests<br />
am System durchführt, um das System zu validieren.<br />
Während beider Phasen muss das Automatisierungssystem,<br />
sei es real vorhanden oder emuliert, wie in [31]<br />
beschrieben, stimuliert werden, um Reaktionen hervorzurufen<br />
und damit die Logik des Systems zu testen.<br />
Heute wird dies manuell oder mittels geeigneter, kostengünstiger<br />
Methoden, wie in [19] beschrieben, durchgeführt.<br />
Ein Prozesssimulationsmodell wird selten eingesetzt,<br />
da der manuelle Entwicklungsaufwand hierfür<br />
zu hoch ist. Mögliche Herangehensweisen, dieses automatisch<br />
zu erstellen, werden in [19] beschrieben. Dazu<br />
wird das R&I-Fließbild genutzt, um daraus ein domänenspezifisches<br />
Simulationsmodell abzuleiten.<br />
UC-2: Validierung von Ursachenanalysen<br />
Während des Betriebs einer Anlage treten des Öfteren<br />
auf Grund zunächst unbekannter Ursachen Fehler auf,<br />
die im Verlauf eventuell zu größeren Problemen, wie<br />
zum Beispiel Anlagenstillstand, führen. Um die zunächst<br />
schwer erkennbaren Fehlerursachen zu finden,<br />
können statistische Methoden zur Ursachenanalyse<br />
eingesetzt werden, welche auf Analyse von Signalverläufen<br />
basieren [32]. Signalbasierte Analysen sind jedoch<br />
Blackbox-Verfahren, die die physikalischen Zusammenhänge<br />
der Signale innerhalb der Anlage nicht<br />
berücksichtigen. Deshalb bieten diese Verfahren oft<br />
verschiedene Algorithmen an, die divergierende Ergebnisse<br />
für die gleichen Messdaten liefern können. Jeder<br />
der Algorithmen hat seine Daseinsberechtigung, da er<br />
für spezielle Klassen von Signalverläufen aussagekräftige<br />
Ergebnisse liefert.<br />
Diese Vielfalt führt jedoch oft zu Missverständnissen<br />
bei den Servicetechnikern, da diese üblicherweise verschiedene<br />
Algorithmen ausprobieren und deren Ergebnisse<br />
manuell analysieren. Um dies zu vermeiden, kann<br />
ein Topologiemodell helfen [25], welches auf Basis der<br />
Anlagentopologie fehlerhafte Ergebnisse, insbesondere<br />
physikalisch nicht nachvollziehbare Verbreitungspfade,<br />
analysiert und herausfiltert. Um die Ursachenanalyse<br />
systematisch zu unterstützen, bietet es sich an,<br />
den Fehlerverbreitungspfad entgegengesetzt der Ausbreitungsrichtung<br />
physikalischer Wirkungen in der<br />
Anlagentopologie zu analysieren. Um den Aufwand zur<br />
Analyse und genauen Eingrenzung der Fehlerursache<br />
zu reduzieren beziehungsweise zu optimieren, besteht<br />
im ersten Schritt die Möglichkeit, den Fehler modulübergreifend<br />
zu analysieren, um die Ursache grob einzugrenzen<br />
und anschließend das Modul detailliert zu<br />
betrachten, um die konkrete Ursache zu ermitteln.<br />
3.2 Klassifikation von Anforderungen<br />
Für eine strukturierte und konsistente Betrachtung der<br />
einzelnen Anforderungen erfolgt eine Klassifikation in<br />
technologisch (A-1), funktional/nicht-funktional (A-2)<br />
und objekt-/prozess-/projektspezifisch (A-3). Basierend<br />
auf dieser Klassifikation erfolgt im nächsten Schritt,<br />
bezogen auf die betrachteten Anwendungsfälle, die Zuordnung<br />
einer Priorität zu den technologischen Anforderungen.<br />
Die Priorität einer Anforderung beschreibt<br />
die Wichtigkeit der Existenz einer Information im TLT-<br />
Modell für den jeweiligen Anwendungsfall. Darauf<br />
aufbauend werden die technologischen Anforderungen<br />
durch die Zuordnung zu A-2 und A-3 näher charakterisiert.<br />
Dieses Sortierkriterium unterstützt einerseits<br />
eine einfachere Verwaltung der Anforderungen, andererseits<br />
ermöglicht es die Identifizierung der potenziellen<br />
Informationsquellen sowie eine Abschätzung,<br />
zu welchem Zeitpunkt im <strong>Engineering</strong> die Information<br />
zur Verfügung steht. Weiterhin können Aussagen hinsichtlich<br />
der Qualität der Anforderungen gemacht werden,<br />
zum Beispiel ob Information syntaktisch oder<br />
semantisch beschrieben ist oder ob sie direkt oder nur<br />
indirekt aus einem Objekt ableitbar ist.<br />
A-1: Technologische Anforderungen<br />
Aus Sicht der Anwendungsfälle werden unterschiedliche<br />
Anforderungen hinsichtlich Informationsgehalt<br />
und -strukturen an das spezifische Modell gestellt. Die<br />
Einzelanforderungen werden aus Gründen der besseren<br />
Übersicht übergeordneten Klassen von technologischen<br />
Anforderungen zugeordnet (Bild 3) und orientieren sich<br />
unter anderem an der Klassifizierung des erforderlichen<br />
Informationsgehaltes von Simulationsmodellen<br />
für FAT-Testszenarien [33] .<br />
Bild 4 zeigt einen Ausschnitt für die Anforderungsklassen<br />
Strukturaspekt (li.) und Rohrleitung (re.). Die<br />
Anlage beziehungsweise Anlagenobjekte können innerhalb<br />
des Topologiemodells einem oder mehreren Systemaspekten/Sichtweisen<br />
zugeordnet werden. Aus dieser<br />
Zuordnung könnte im nächsten Schritt ein Teilmodell<br />
abgeleitet werden, welches nur die Objekte und Verknüpfungen<br />
enthält, die der spezifischen Sichtweise<br />
zugeordnet sind. Beschreibt das Anlagenobjekt zum<br />
Beispiel eine Rohrleitung, kann, je nach betrachtetem<br />
Anwendungsfall, unterschiedliche spezifische Information,<br />
wie geometrische oder physikalische Eigenschaften,<br />
(= objektspezifisch) relevant sein. Des Weiteren<br />
ist es möglich, dass ein Rohrleitungsobjekt zusätzliche<br />
(projekt-/prozessspezifische) Information, wie<br />
Druck oder Temperatur des Mediums, bereitstellt.<br />
A-2: Funktionale und nicht-funktionale Anforderungen<br />
Weiterhin werden die Anforderungen der Anwendungsfälle<br />
hinsichtlich des Kriteriums der funktionalen<br />
und nicht-funktionalen Anforderungen unterschieden.<br />
Funktionale Anforderungen beschreiben,<br />
was das Produkt beziehungsweise System leisten soll,<br />
wohingegen nicht-funktionale Anforderungen definieren,<br />
wie eine Funktion des Produktes oder des Systems<br />
ausgeführt werden soll.<br />
Im Kontext von Topologiemodellen kann eine funktionale<br />
Anforderung eine konkrete Eigenschaft eines<br />
Objekts beschreiben, zum Beispiel den Durchmesser<br />
einer Rohrleitung oder eines Behälterstutzens. Der Wert<br />
22<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
PLT-Funktion<br />
Graphikelemente<br />
Strukturaspekt<br />
Anlageneinheit<br />
BILD 3:<br />
Klassifikation der<br />
technologischen<br />
Anforderungen<br />
Funktionalität<br />
Technologische<br />
Anforderungen<br />
Anlagenobjekt<br />
Kommunikation<br />
MSR-<br />
Zusammenhang<br />
Prozesswissen<br />
Rohrleitung<br />
BILD 4: Detaillierte Betrachtung der Klassen Strukturaspekt und Rohrleitung<br />
DIN 81346: Funktion, Produkt, Ort<br />
Geometrisch: Länge, Durchmesser,…<br />
Strukturaspekt<br />
VDI 4499: Produkt, Prozess, Ressource<br />
Rohrleitung<br />
Physikalisch: Material, Rauigkeit,…<br />
DIN 61512-2: prozedurorientiert,<br />
prozessorientiert, physikalisch-orientiert<br />
Prozess: Druck, Temperatur,<br />
Durchfluss,…<br />
…<br />
…<br />
des Rohrdurchmessers kann in Form einer Wertangabe<br />
erfolgen und explizit im Modell als Eigenschaft des<br />
Objekts beschrieben werden. Die Anforderung, dass ein<br />
Bedienbild dem Anlagenfahrer eine einfache Orientierung<br />
ermöglicht beziehungsweise als mentales Modell<br />
des Prozesses dient [34], ist eine nicht-funktionale Anforderung.<br />
Im Vergleich zu einer funktionalen Anforderung<br />
kann eine nicht-funktionale Anforderung nicht<br />
explizit modelliert werden. Nicht-funktionale Anforderungen<br />
müssen operationalisiert, das heißt soweit<br />
konkretisiert werden, bis sie „in realisierbare, prüfbare<br />
Anforderungen münden“ [35] und somit modelliert<br />
werden können.<br />
Demgegenüber steht die Problematik, dass nichtfunktionale<br />
Anforderungen häufig eine personenabhängige<br />
Forderung darstellen, die sich schwer operationalisieren<br />
lässt. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit,<br />
dass nicht-funktionale Anforderungen durch eine<br />
geeignete, das heißt auch intelligente Verknüpfung von<br />
im Modell vorhandener Information umgesetzt werden<br />
können. Was zu der Vermutung führt, dass nicht-funktionale<br />
Anforderungen nicht unbedingt innerhalb des<br />
TLT-Modells enthalten sein müssen, sondern erst bei<br />
der Ableitung eines anwendungsfallbezogenen Modells<br />
erzeugt werden können. Dies ist im besonderen Maße<br />
bei strukturellen oder hierarchischen Modellaspekten<br />
zu beobachten, wie der Zuordnung von einzelnen Anlagenobjekten<br />
zu übergeordneten Anlageneinheiten.<br />
Das TLT-Modell wird nicht in der Lage sein, die Vielzahl<br />
an verschiedenen Sichtweisen des Systems und<br />
der daraus resultierenden topologischen Strukturen<br />
innerhalb dieses einen Modells zu repräsentieren. Es<br />
besteht dennoch die Möglichkeit, einzelne Anlagenobjekte<br />
einer oder mehreren Sichtweisen zuzuordnen.<br />
A-3: Objekt-, prozess- und projektspezifische<br />
Anforderungen<br />
Neben den beiden genannten Kriterien erfolgt eine dritte<br />
Klassifizierung in objekt-, prozess- und projektspezifische<br />
Anforderungen. Diese Unterscheidung ermöglicht<br />
die strukturierte und systematische Zuordnung<br />
von einzelnen die Anwendungsfälle betreffenden Anforderungen<br />
zu den im Modell enthaltenen Daten.<br />
Objektspezifische Information kann mit geringem<br />
Aufwand abgeleitet werden. Der Durchmesser oder die<br />
Höhe des Behälters repräsentiert eine objektspezifische<br />
Eigenschaft. Dieser Informationsgehalt ist zum Beispiel<br />
grundsätzlich unabhängig vom auf der Anlage ablaufenden<br />
Produktionsprozess.<br />
Soll hingegen ein Behälter einer speziellen Anlageneinheit<br />
beziehungsweise einem Modul zugeordnet werden,<br />
so handelt es sich bei dieser Zuordnung um eine<br />
prozess- oder projektspezifische Anforderung. Die Zuordnung<br />
eines Objekts zu einer übergeordneten funktionalen<br />
Einheit kann über einen zusätzlichen Verweis/<br />
Zuordnung einer Sichtweise am Objekt erfolgen. Dies<br />
ist besonders dann von Interesse, wenn es sich um eine<br />
Mehrprodukt-/Mehrstrang-Anlage handelt. Bei diesem<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
23
HAUPTBEITRAG<br />
Anlagentyp kommt es vor, dass für verschiedene Prozesse<br />
unterschiedliche Produktionswege möglich und<br />
damit auch verschiedene Anlagenzusammenhänge/-<br />
topologien relevant sind. Zur Projektierung solcher<br />
Anlagen unterliegt der erforderliche Informationsgehalt<br />
daher prozessspezifischen Anforderungen und<br />
kann weiterhin von anderen Faktoren beeinflusst werden,<br />
wie der Prozessstruktur des gewählten Automatisierungskonzepts.<br />
Ein weiteres Beispiel für prozessspezifische Anforderungen<br />
lässt sich insbesondere am Beispiel der Fließrichtung<br />
des Prozesses aufzeigen. Dabei kann eine<br />
Rohrleitung prinzipiell die Information der möglichen<br />
Fließrichtung bereitstellen. Dennoch ist die tatsächliche<br />
Fließrichtung in der Regel vom technischen Produktionsprozess<br />
abhängig und gegebenenfalls auch<br />
veränderlich, in Verbindung mit Automatisierungskomponenten<br />
wie zum Beispiel Pumpen. Die Fließrichtung<br />
stellt dementsprechend prozess- und nicht objekt-spezifisches<br />
Wissen dar. Die Integration prozessspezifischen<br />
Informationsgehalts erfordert daher die Erweiterung<br />
hinsichtlich Elementen der Verfahrens- oder<br />
Prozessbeschreibung, wie sie mittels der formalisierten<br />
Prozessbeschreibung [36] bereitgestellt werden.<br />
4.3 Priorisierung von Anforderungen<br />
Grundsätzlich ist es erforderlich, dass Anforderungen<br />
priorisiert werden müssen, um konkurrierende sowie<br />
widersprüchliche Anforderungen in geeigneter Weise<br />
berücksichtigen und umsetzen zu können. Die Priorisierung<br />
kann quantiativ und qualitativ erfolgen. Dabei ist<br />
zu beachten, dass sich die Priorisierung der Anforderung<br />
auf das Vorhandensein der erforderlichen Modellinhalte<br />
zur Erfüllung der spezifischen Anforderung im<br />
TLT-Modell bezieht. Das TLT-Modell kann, hypothetisch<br />
betrachtet, alle während des <strong>Engineering</strong>s entstehenden<br />
Daten enthalten und innerhalb der <strong>Engineering</strong>-Phasen<br />
zu bestimmten Zeitpunkten bereitstellen. Weil die Daten<br />
nicht alle zur gleichen Zeit, sondern sukzessive während<br />
des <strong>Engineering</strong>s erarbeitet werden, kann es vorkommen,<br />
dass für einen Anwendungsfall bestimmte Information<br />
benötigt wird, um diesen lösbar zu machen.<br />
Hieraus lässt sich bereits erkennen, dass Information<br />
existieren kann, die für die Anwendung zwingend erforderlich<br />
ist und somit eine hohe Priorität hat und andere,<br />
die informative Eigenschaften repräsentiert und<br />
somit eine geringere Priorität erhält. Diese Eigenschaften<br />
können zur Erhöhung der Ergebnisqualität beitragen,<br />
sind aber nicht entscheidend für die grundsätzliche Anwendung<br />
des Modells auf die Anwendungsfälle.<br />
3.4 Zuordnung der Anforderungen<br />
Basierend auf der Klassifikation der Anforderungen<br />
zeigt Bild 5 einen Ausschnitt der Anforderungsdefinition.<br />
Im linken Teil sind die technologischen Anforderungen<br />
(A-1) am Beispiel der Klassen PLT-Funktion,<br />
MSR-Zusammenhang, Anlagenobjekt und Rohrleitung<br />
sowie die detaillierten Anforderungen dargestellt, daneben<br />
die Anforderungen A-2 und A-3. Diese werden,<br />
falls zutreffend, mit einem „x“ markiert. Die Zuordnung<br />
der technologischen Anforderungen erfolgt direkt in<br />
Kombination mit der Priorität (farblich markiert), wobei<br />
diese den Wert 0 (= weniger wichtig, blau), 1 (= wichtig,<br />
gelb) oder 2 (= sehr wichtig, grün) annehmen kann.<br />
Die Priorisierung der technologischen Anforderungen<br />
sowie die Zuordnung der Anforderungen A-2 und<br />
A-3 basieren einerseits auf der Grundlage von Gesprächen<br />
mit den Experten aus den Fach- und Industriebereichen,<br />
andererseits auf der Analyse der vorgestellten<br />
AoA-Ansätze.<br />
Die Gegenüberstellung in Bild 5 zeigt, dass die beiden<br />
betrachteten Anwendungsfälle UC-1 und UC-2 häufig<br />
gleiche (Differenz = 0) oder ähnliche Prioritäten (Differenz<br />
max. 1) hinsichtlich der technologischen Anforderungen<br />
(A-1), das heißt an die erforderlichen Modellinhalte<br />
der spezifischen Teilmodelle, aufweisen. Die<br />
Auswertung ergibt für die Klassen PLT-Funktion und<br />
MSR-Zusammenhang eine 55 %ige beziehungsweise<br />
60 %ige Übereinstimmung hinsichtlich der Prioritäten.<br />
Das bedeutet, dass in beiden Fällen die Art des benötigten<br />
Informationsgehalts im spezifischen Modell übereinstimmt.<br />
Dennoch können geringere Übereinstimmungen<br />
auftreten, wie bei der Klasse Anlagenobjekt<br />
(25 %) und Rohrleitung (33 %).<br />
Grundsätzlich zeigt der Vergleich, dass ein gemeinsamer<br />
Informationsbedarf innerhalb der Anwendungsfälle<br />
und damit der Modelle besteht. Somit kann die in<br />
Abschnitt 3 aufgestellte Vermutung, dass sich Teilmengen<br />
des Informationsbedarfs überlappen, bestätigt werden.<br />
Gleichzeitig bildet dies die Basis für die Aussage,<br />
dass die Verwendung eines zentralen Topologiemodells<br />
für verschiedene modellbasierte Anwendungen sinnvoll<br />
erscheint. Hierdurch könnte der mit der Erstellung<br />
unterschiedlicher, domänenspezifischer Modelle verbundene<br />
Aufwand künftig reduziert werden. Das TLT-<br />
Modell kann somit als Schritt verstanden werden, um<br />
grundsätzlich Information zur Verfügung zu stellen,<br />
und damit als Ausgangspunkt für einen durchgängigen<br />
Einsatz in <strong>Engineering</strong> und Betrieb dienen – insbesondere<br />
für Ansätze hinsichtlich der Automatisierung der<br />
Automatisierung.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
Wenn für jede modellbasierte oder modellgetriebene<br />
Vorgehensweise im <strong>Engineering</strong> jeweils ein spezifisches<br />
Modell genutzt wird, bedeutet dies einen hohen<br />
vorbereitenden Aufwand zur Sammlung der notwendigen<br />
Information und zur manuellen oder EDV-gestützten<br />
Überführung in das jeweils benötigte Modell.<br />
Dies stellt ein wesentliches Hemmnis für die weitere<br />
industrielle Verbreitung modellbasierter und modellgetriebener<br />
Methoden, insbesondere auch der Methoden<br />
der Automatisierung der Automatisierung, dar.<br />
Der Vergleich von Anwendungsfällen, basierend auf<br />
der Formulierung von Anforderungen an die Modellinhalte,<br />
konnte Synergieeffekte in Form von überlap-<br />
24<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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BILD 5: Zuordnung der spezifischen<br />
Modellinhalte als Anforderungen<br />
der Anwendungsfälle<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
25
HAUPTBEITRAG<br />
REFERENZEN<br />
[1] Maurmaier, M., Göhner, P.: Systematischer Einsatz von<br />
Modellen in der Entwicklung von Automatisierungssystemen.<br />
In: at – Automatisierungstechnik 61(6), S. 436–452, 2013<br />
[2] Wagner, T., Löwen, U.: Modellierung: Grundlage für<br />
integriertes <strong>Engineering</strong>. In. Tagungsband Automation,<br />
S. 35-38. VDI 2010<br />
[3] Schlereth, M., Rose, S., Schürr, A.: Model Driven Automation<br />
<strong>Engineering</strong> – Characteristics and Challenges. In:<br />
Informatik-Berichte 2009-01 – Modellbasierte Entwicklung<br />
eingebetteter Systeme, S.1-15. TU Braunschweig 2009<br />
[4] Fay, A., Schleipen, M., Mühlhause, M.: Wie kann man den<br />
<strong>Engineering</strong>-Prozess systematisch verbessern? <strong>atp</strong> - Automatisierungstechnische<br />
Praxis 52 (1-2), S. 80-85, 2009<br />
[5] Schmitz, S., Schluetter, M., Epple, U.: Automation of<br />
Automation – Definition, components and challenges. In:<br />
Proc. IEEE Int. Conf. ETFA 2009, S.1-7. IEEE 2009<br />
[6] Schenk, B., Schlereth, M.: Modellgetriebene Entwicklung<br />
in der Automatisierungtechnik. In. Tagungsband<br />
Automation 2008, S. 195-198. VDI 2008<br />
[7] Diedrich, C., Mühlhause, M.: Modellansätze für die digitale<br />
Fabrik. In: Tagungsband Entwurf komplexer Automatisierungssysteme<br />
2010, S. 11-20. ifak 2010<br />
[8] Mühlhause, M.: Konzept zur durchgängigen Nutzung von<br />
<strong>Engineering</strong>modellen der Automation. Dissertation<br />
Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg. Logos 2012<br />
[9] Böhm, B., Gewald, N., Köhlein, J.: Mechatronic models as<br />
a driver for digital plant engineering: In: Proc. IEEE Int.<br />
Conf. Emerging Technologies & Factory Automation,<br />
S.1-8. IEEE 2011<br />
[10] Böhm, B., Gewald, N.: Durchgängiges <strong>Engineering</strong> durch<br />
Automatisierung von Modelltransformationen. In:<br />
Tagungsband Automation, S. 437-440. VDI 2010<br />
[11] Drath, R., Fedai, M.: CAEX – ein neutrales Datenaustauschformat<br />
für Anlagendaten – Teil 1. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 46(2), S. 52-56, 2008<br />
[12] Fay, A.: Effizientes <strong>Engineering</strong> komplexer Automatisierungssysteme.<br />
In: Schnieder, E., Ständer, T. (Hrsg.) Wird<br />
der Verkehr automatisch sicherer? S. 43-60. iVA 2009<br />
[13] Schmitz, S., Epple, U.: Automatisierte Projektierung von<br />
HMI-Oberflächen. In: Tagungsband Automation 2007,<br />
S. 127-138. VDI 2007<br />
[14] Kirmas, M.: Anwenderbericht zur Nutzung von typischen<br />
Funktionsbausteinen (Typicals) bei der Erstellung von<br />
penden Teilmengen zwischen für AoA-Aufgaben benötigten<br />
Modellen aufdecken. Die Anforderungen fokussieren<br />
hierbei im ersten Schritt auf strukturelle Systemaspekte,<br />
können aber auf Basis einer Betrachtung geeigneter Anwendungsfälle<br />
erweitert werden, zum Beispiel hinsichtlich<br />
des zeitlichen Verhaltens von Modellobjekten zur<br />
Berücksichtigung dynamischer Aspekte.<br />
Mit einem übergeordneten Topologie-Modell (TLT-<br />
Modell), welches als Basis für die Generierung spezifischer<br />
AoA-Modelle verwendet werden kann, ließe<br />
sich somit der aufgabenbezogene Modellierungsaufwand<br />
für modellbasierte und modellgetriebene <strong>Engineering</strong>-Aufgaben<br />
reduzieren.<br />
Die weitere Forschung der Autoren fokussiert auf die<br />
Datenquellen, die eine geeignete Basis für die Erstellung<br />
des TLT-Modells darstellen – insbesondere Datenquellen,<br />
die im Falle von Altanlagen, die noch nicht mit objektorientierten<br />
CAE-Werkzeugen geplant wurden, verfügbar<br />
und computergestützt auswertbar sind [37]. Die automatische<br />
oder zumindest semiautomatische Erzeugung eines<br />
TLT-Modells ist eine wesentliche Voraussetzung dafür,<br />
dass das TLT-Modell, wie zum Beispiel in [1] und [9] disleittechnischer<br />
Anwendersoftware. In: Tagungsband<br />
Automation 2007, S. 783-790. VDI 2007<br />
[15] Doherr, F., Urbas, L., Franze, V., Drumm, O.: Automatische<br />
Generierung von Prozessbedienbildern aus <strong>Engineering</strong>daten.<br />
In: 8. Symposium Informationstechnologien für Entwicklung und<br />
Produktion in der Verfahrenstechnik (IEPV8), 2.-3. März 2011<br />
[16] Doherr, F., Drumm, O., Franze, V., Urbas, L.: Bedienbilder auf<br />
Knopfdruck - Modellbasierte Erstellung von Fließbilddarstellungen.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische Praxis<br />
53(11), S. 30-39, 2011<br />
[17] Hoyer, M.: Catalogue based computer aided engineering<br />
(CAE) of process models. Dissertation University of<br />
Clamorgan, erarbeitet an der University of Applied Science<br />
and Art Hannover, 2007<br />
[18] Franze, V., Drumm, O.: CAE-gespeiste Anlagensimulation<br />
- Simulation zum Nulltarif? In: Tagungsband Automation<br />
2009, S. 209-212. VDI 2009<br />
[19] Barth, M.: Automatisch generierte Simulationsmodelle verfahrenstechnischer<br />
Anlagen für den Steuerungstest. Dissertation<br />
Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg. VDI-Verlag 2011<br />
[20] Sokolov, S., Liu, Z., Diedrich, C.: Semi-automatisierte<br />
Modellgenerierung für virtuelle Inbetriebnahme verfahrenstechnischer<br />
Anlagen. In: Tagungsband Entwurf komplexer<br />
Automatisierungssysteme 2012, S. 227-238. ifak 2012<br />
[21] Güttel, K., Weber, P., Fay, A.: Konzept zur Generierung von<br />
Steuerungscode unter Verwendung wissensbasierter<br />
Methoden in der Fertigungsautomatisierung. In: Tagungsband<br />
Automation, S. 309-312. VDI 2009<br />
[22] Drath, R., Fay, A., Schmidberger, T.: Computer-aided design<br />
and implementation of interlock control code. In: Proc. IEEE<br />
Conf. Computer Aided Control System Design, S. 2652-2658.<br />
IEEE 2006<br />
[23] Schmidberger, T., Fay, A., Drath, R., Horch, A.: Von Anlagenstrukturinformationen<br />
automatisch zum Asset Management.<br />
<strong>atp</strong> - Automatisierungstechnische Praxis 48(6), S. 54-61, 2006<br />
[24] Kumar, B., Gilani, S., Niggemann, O., Schäfer, W.: Automated<br />
test case generation from complex environment models for<br />
PLC control software testing and maintenance. In: Tagungsband<br />
Automation 2013, S. 129-134. VDI 2013<br />
[25] Yim, S.Y., Ananthakumar, H.G., Benabbas, L., Horch, A.,<br />
Drath, R., Thornhill, N.F.: Using the Process Schematic<br />
in Plant-wide Disturbance Analysis. In: Tagungsband<br />
ESCAPE-16 & PSE-2006, S. 1431-1436. Elsevier 2006<br />
26<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
kutiert, als potenzielles Quellmodell innerhalb des <strong>Engineering</strong>s<br />
dienen kann. Dementsprechend bedarf es für<br />
die Ableitung spezifischer, aufgabenbezogener Modelle<br />
aus dem TLT-Modell der Definition geeigneter Regeln, die<br />
einerseits Ableitung und Erstellung des erforderlichen<br />
spezifischen Modellinhaltes ermöglichen. Andererseits<br />
wird ein Konzept benötigt, welches die Informationsdurchgängigkeit<br />
an den entstehenden Modellschnittstellen<br />
sicherstellt.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
26.10.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
[26] Di Geronimo Gil, G.J., Alabi, D.B., Iyun, O.E., Thornhill,<br />
N.F.: Merging Process Models and Plant Topology.<br />
In: Proc. 4th Int. Symp. Advanced Control of Industrial<br />
Processes, S. 15–21. IEEE 2011<br />
[27] Scherwietes, T.: Neues CAE/PLS-Interface vereinfacht<br />
den Austausch von Automatisierungsdaten. In: <strong>atp</strong><br />
<strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2),<br />
S. 24-26, 2012<br />
[28] IEC 62424: Festlegung für die Darstellung von Aufgaben<br />
der Pozessleittechnik in Fließbildern und für den<br />
Datenaustausch zwischen EDV-Werkzeugen zur<br />
Fließbilderstellung und CAE-Systemen, 2010<br />
[29] IEC 62714: Datenaustauschformat für Planungsdaten<br />
industrieller Automatisierungssysteme (AutomationML)<br />
- Teil 1: Architektur und allgemeine Festlegungen, 2012<br />
[30] Epple, U., Remmel, M., Drumm, O.: Modellbasiertes<br />
Format für RI-Informationen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische<br />
Praxis 53(1-2), S. 62-71, 2011<br />
[31] Hoernicke, M., Greifeneder, J., Barth, M.: Effizientes<br />
Testen heterogener Leitsystemkonfigurationen –<br />
Integration gewerkeübergreifender Hardware-Emulatoren.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />
54(11), S. 46-54, 2012<br />
[32] Bauer, M., Horch, A.: Systematische Fehlerdiagnose von<br />
anlagenweiten Störungen. Eine Anwendung aus der<br />
Prozessindustrie. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 50(5), S. 20-25, 2008<br />
[33] Barth, M., Fay, A., Greifeneder, J., Weber, P.: Simulationsbasierte<br />
Steuerungsfunktionstest. Generierung von<br />
Anlagenmodellen aus CAE-Planungsdaten. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> –<br />
Automatisierungstechnische Praxis 54(5), S. 54-61, 2012<br />
[34] Hollifield, B.: The high performance HMI handbook.<br />
A comprehensive guide to designing, implementing<br />
and maintaining effective HMIs for industrial plant<br />
operations. PAS 2008<br />
[35] Herrmann, A., Knauss, E., Weißbach, R.: Requirements<br />
<strong>Engineering</strong> und Projektmanagement. Springer Vieweg 2013<br />
[36] VDI/VDE 3682: Formalisierte Prozessbeschreibungen,<br />
2008<br />
[37] Hoernicke, M., Christiansen, L., Fay, A.: Anlagentopologien<br />
automatisch erstellen – Erzeugen von Modellen aus<br />
der Mensch-Maschine Schnittstelle. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 56(4), im Druck, 2014<br />
AUTOREN<br />
Dipl.-Ing. (FH) LARS<br />
CHRISTIANSEN (geb. 1984) ist<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
an der Professur für Automatisierungstechnik<br />
an der<br />
Helmut-Schmidt-Universität/<br />
Universität der Bundeswehr<br />
Hamburg. Sein Forschungsschwerpunkt<br />
ist die Unterstützung<br />
der Anlagendiagnose mittels Modellen<br />
aus dem <strong>Engineering</strong>-Prozess.<br />
Institut für Automatisierungstechnik,<br />
Helmut-Schmidt-Universität/<br />
Universität der Bundeswehr Hamburg,<br />
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,<br />
Tel. +49 (0) 40 65 41 23 26,<br />
E-Mail: lars.christiansen@hsu-hh.de<br />
Dipl.-Ing. (FH) MARIO<br />
HOERNICKE (geb. 1984) ist<br />
Principal Scientist am ABB<br />
Forschungszentrum in Ladenburg.<br />
Sein Arbeitsschwerpunkt<br />
umfasst die Entwicklung neuer<br />
und innovativer <strong>Engineering</strong>-<br />
Konzepte im Bereich Emulation<br />
von Leitsystemfunktionen und<br />
Subsystemen, Simulation von Prozessen sowie der<br />
Automation des <strong>Engineering</strong>s.<br />
ABB AG Forschungszentrum,<br />
Wallstadter Str. 59, D-68526 Ladenburg,<br />
Tel. +49 (0) 6203 71 62 66,<br />
E-Mail: mario.hoernicke@de.abb.com<br />
Prof. Dr.-Ing. ALEXANDER FAY<br />
Alexander Fay (geb. 1970) ist<br />
Professor für Automatisierungstechnik<br />
an der Fakultät<br />
für Maschinenbau der Helmut-<br />
Schmidt-Universität/Universität<br />
der Bundeswehr Hamburg.<br />
Sein Forschungsschwerpunkt<br />
sind Beschreibungsmittel,<br />
Methoden und Werkzeuge für einen effizienten<br />
Entwurf von Automatisierungssystemen.<br />
Institut für Automatisierungstechnik,<br />
Helmut-Schmidt-Universität/<br />
Universität der Bundeswehr Hamburg,<br />
Holstenhofweg 85, D-22043 Hamburg,<br />
Tel. +49 (0) 40 654 27 19,<br />
E-Mail: alexander.fay@hsu-hh.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
27
HAUPTBEITRAG<br />
Einsatz leitsystemintegrierter<br />
Prädiktivregler<br />
Unit Templates für die chemische Industrie<br />
Ein in das Prozessleitsystem integrierter modellbasierter Prädiktivregler bietet hinsichtlich<br />
Verfügbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, Wartung und Kosten dieselben<br />
Vorzüge wie ein konventioneller PID-Regler, hat aber das Potenzial zu deutlich höherer<br />
Regelgüte. Dies ermöglicht die Erschließung neuer Einsatzmöglichkeiten, bei<br />
denen ein separates full-blown MPC-Softwarepaket auf einem externen PC aus wirtschaftlichen<br />
Gründen nicht zu rechtfertigen ist. Der Beitrag fasst Aspekte zusammen,<br />
die bei der Auswahl von Einsatzmöglichkeiten für leitsystemintegrierte MPC-Lösungen<br />
relevant sind. Durch die Einbindung von MPC-Funktionen in wiederverwendbare<br />
Module auf der Ebene von Equipment Modules und auf der Ebene verfahrenstechnischer<br />
Units (Unit Templates) kann APC-Know-how einfach angewendet<br />
und der <strong>Engineering</strong>-Aufwand für MPC-Projekte reduziert werden.<br />
SCHLAGWÖRTER Gehobene Regelungsverfahren / Prädiktivregelung / Einzelsteuerung<br />
/ Automatisierungslösung<br />
Applications of DCS embedded Model Predictive Control –<br />
Solution Templates for Chemical Industry<br />
DCS embedded Model Predictive Control offers the same degree of availability,<br />
usability, ease of maintenance, and cost-efficiency as conventional PID controllers,<br />
while offering a potential for better control performance. This opens up potential<br />
new application fields where separate full-scale MPC software packages are not<br />
profitable. This article summarizes general aspects related to the selection of attractive<br />
applications for embedded MPC. By integrating MPC functionality in re-usable<br />
software modules at the layer of equipment modules and at the layer of process units<br />
(“unit templates”) APC expertise can easily be used in real world applications and<br />
the engineering input required for MPC projects can be reduced.<br />
KEYWORDS advanced process control / model predictive control / equipment<br />
module / unit template<br />
28<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
BERND-MARKUS PFEIFFER, HERBERT GRIEB, OTMAR LORENZ, DIRK LOSERT, DÖRTE SACK,<br />
Siemens<br />
Advanced-Process-Control-Projekte (APC) im<br />
Allgemeinen und Model-Predicitve-Control-<br />
Projekte (MPC) im Speziellen können von<br />
verschiedenen Seiten ihren Ausgangspunkt<br />
nehmen:<br />
In einer Anlage gibt es ein Regelungsproblem, das<br />
sich mit konventionellen Mitteln nur schwer oder<br />
gar nicht lösen lässt. Dies kann im Zusammenhang<br />
mit einer Erhöhung des Automatisierungsgrades<br />
stehen, das heißt mit der Reduktion manueller Eingriffe<br />
in die Prozessführung.<br />
Eine bestimmte verfahrenstechnische Teilanlage<br />
soll ohne kostspielige mechanische/verfahrenstechnische<br />
Umbaumaßnahmen optimiert werden,<br />
beispielsweise hinsichtlich Durchsatz oder Ressourcenverbrauch.<br />
Aus überlagerter Sicht wird geprüft, an welchen<br />
Stellen einer Anlage durch den Einsatz gehobener<br />
Regelungsverfahren, wie MPC, ein Optimierungspotenzial<br />
besteht.<br />
In allen Fällen wird vor der Durchführung eines Projektes<br />
geprüft, ob die Chance besteht, den investierten<br />
Aufwand zu amortisieren. Je geringer die geplante Investition,<br />
desto geringer sind die Anforderungen an den<br />
erwarteten wirtschaftlichen Nutzen, und desto geringer<br />
ist der Aufwand, der in eine vorherige Abschätzung<br />
des Nutzenpotenzials gesteckt werden muss.<br />
1. AUSWAHL VON MPC-APPLIKATIONEN<br />
Wenn aufgrund eines Problems mit Basisreglern oder<br />
eines Optimierungsbedarfs ohnehin eine Teilanlage<br />
oder ein Apparat im Fokus steht, stellt sich die Frage,<br />
ob ein MPC-Projekt überhaupt gestartet werden soll.<br />
Wenn ganze Standorte oder einzelne Anlagen nach<br />
Einsatzmöglichkeiten durchsucht werden, werden zuerst<br />
solche Unit-Typen betrachtet, zu denen es einschlägige<br />
MPC-Referenzen in der betreffenden Branche gibt<br />
beziehungsweise die als Einsatzfelder für Mehrgrößenregler<br />
bekannt sind; zum Beispiel Destillationskolonnen,<br />
Rührkesselreaktoren, Steam-Reformer, Mühlen<br />
und Trockner in der Chemie oder Schmelzöfen und<br />
Speiserinnen in der Glasindustrie. Full-blown MPC-<br />
Software wird ebenso auf der Ebene der anlagenweiten<br />
Automatisierung eingesetzt, beispielsweise bei Kolonnenverbünden,<br />
Crackern oder Kreislaufprozessen.<br />
1.1 Abschätzung des Nutzenpotenzials<br />
Die Ziele, die im Hinblick auf Durchsatz, Ressourceneinsparung<br />
und Produktqualität mit einer APC-Anwendung<br />
(wie MPC) in verfahrenstechnischen Anlagen verfolgt<br />
werden, sind in [9] ausführlich beschrieben. Oftmals<br />
werden solche Ziele in zwei Schritten erreicht:<br />
1 | Reduktion der Schwankungen (Streuung, Varianz)<br />
von Prozessgrößen durch eine verbesserte Regelung.<br />
2 | Durch die reduzierte Streuung wird es möglich,<br />
bestimmte Sollwerte näher an kritische Nebenbedingungen<br />
zu fahren, ohne Gefahr zu laufen, diese<br />
Nebenbedingungen häufig zu verletzen. Durch<br />
dieses Ausreizen der Anlage bis zum physikalischen<br />
Limit (Kapazität, Sicherheit, Produktqualität)<br />
kann zum Beispiel der Durchsatz erhöht<br />
oder der Energieverbrauch reduziert werden.<br />
Der wirtschaftliche Nutzen kann in verschiedenen Fahrweisen<br />
oder Betriebszuständen des Prozesses erbracht<br />
werden, die in einer vereinfachten Nutzen-Matrix entsprechend<br />
Tabelle 1 dargestellt sind. Eine qualitative Nutzenabschätzung<br />
lässt sich im Gespräch mit Anlagenfahrern,<br />
Verfahrensingenieuren und Betriebsleitern meist sehr<br />
leicht ermitteln, während eine quantitative Nutzenabschätzung,<br />
siehe [2], [3], einen höheren Aufwand erfordert<br />
und dennoch mit gewissen Unsicherheiten behaftet bleibt.<br />
Bei leitsystemintegrierten MPC-Anwendungen sind die<br />
Einstandskosten so gering, dass eine aufwendige, quantitative<br />
Nutzenabschätzung vor Projektbeginn erfahrungsgemäß<br />
einen vergleichbaren Aufwand wie eine<br />
tatsächliche Probeimplementierung erfordern würde<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
29
HAUPTBEITRAG<br />
TABELLE 1:<br />
Matrix zur Nutzenabschätzung<br />
für kleine und<br />
mittelgroße<br />
APC-Projekte<br />
und daher nicht zwingend erforderlich ist. Das ändert<br />
nichts an der Tatsache, dass sich die Kosten der MPC-<br />
Applikation aus Sicht des Anlagenbetreibers wirtschaftlich<br />
amortisieren sollen.<br />
1.2 Eingrößenregelung versus Mehrgrößenregelung<br />
Wenn es an einer Teilanlage mehrere Stell- und Regelgrößen<br />
gibt, die sich gegenseitig beeinflussen, haben wir<br />
es mit der Aufgabenstellung einer Mehrgrößenregelung<br />
zu tun. Trotzdem ist nicht in jedem Fall tatsächlich ein<br />
Mehrgrößenregler erforderlich. Ziel der Regelung ist es<br />
immer, jede Regelgröße auf ihren individuellen Sollwert<br />
zu führen, unabhängig von den anderen Regelgrößen.<br />
Dies wird dadurch erschwert, dass ein Eingriff an<br />
einer Stellgröße (zum Beispiel MV1) nicht nur über die<br />
Hauptstrecke (beispielsweise G(1,1)) auf eine Regelgröße<br />
(wie CV1) wirkt, sondern auf alle Regelgrößen, über<br />
alle Koppelstrecken (zum Beispiel G(i,1)).<br />
Wenn die Wirkung der Koppelstrecken (im Beispiel<br />
G(2,1) und G(1,2)) schwach gegenüber den Hauptstrecken<br />
(im Beispiel G(1,1) und G(2,2)) ist, kann es gelingen,<br />
das Mehrgrößenproblem mit einzelnen PID-Reglern<br />
zu lösen (dezentrale Regelung). Eventuell können<br />
einzelne Koppelstrecken mit Hilfe einer Störgrößenaufschaltung<br />
kompensiert werden. Wenn die Wirkung<br />
der Koppelstrecken jedoch zu stark ist (große Verstärkungen,<br />
geringe Verzugszeiten), oder es um mehr als<br />
zwei bis drei verkoppelte Größen geht, wird ein echter<br />
Mehrgrößenregler erforderlich. Folgende Fragen können<br />
bei der Entscheidung Eingrößen- oder Mehrgrößenregler<br />
relevant sein:<br />
Gibt es Auswirkungen an anderen Regelkreisen,<br />
wenn an einem Regelkreis ein Sollwertsprung<br />
durchgeführt wird? Entstehen Schwierigkeiten bei<br />
der Einstellung der Einzelregelkreise, weil sich eine<br />
veränderte Reglerparametrierung an einem einzigen<br />
PID-Regler auf benachbarte Regelkreise auswirkt?<br />
Werden die Variablen, die einen Einfluss auf benachbarte<br />
Regelstrecken haben, im Betrieb der<br />
Anlage tatsächlich verändert? Gegenbeispiel: einen<br />
Zusammenhang zwischen Druck und Temperatur<br />
in einem Gasvolumen (in einem Reaktor oder Tank)<br />
ist zu vernachlässigen, wenn entweder Druck oder<br />
Temperatur im Betrieb konstant gehalten werden.<br />
Sind die Regelgrößen, die stark gekoppelt sind, bezüglich<br />
ihrer Regelgüte tatsächlich relevant für den<br />
wirtschaftlichen Betrieb der Anlage? Gegenbeispiel:<br />
Füllstandsregelungen, bei denen eine besonders<br />
genaue Einhaltung des Füllstands prozesstechnisch<br />
nicht erforderlich ist.<br />
Sind in der Vergangenheit Versuche gescheitert,<br />
Verkopplungsprobleme in der betrachteten Unit<br />
mit Hilfe einer Störgrößenaufschaltung zu lösen,<br />
beziehungsweise musste unverhältnismäßig viel<br />
Aufwand in Entwurf und Projektierung spezieller<br />
Entkopplungsmaßnahmen bei verwandten Problemstellungen<br />
investiert werden?<br />
Im Zweifelsfall lässt sich ein Mehrgrößen-Prozessmodell<br />
mit Hilfe eines MPC- Werkzeugs identifizieren. In der Matrix<br />
der Übertragungsfunktionen kann das Verhalten der<br />
Koppelstrecken im Vergleich zu den Hauptstrecken auf der<br />
Diagonalen der Matrix beurteilt werden. Obwohl es theoretisch<br />
eine Reihe verschiedener Algorithmen für Mehrgrö-<br />
30<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Softwarepaketen realisierbar (zum Beispiel Inca MPC-<br />
4Batch von Ipcos und Pavilion8 von Rockwell).<br />
DV1<br />
ModPreCon<br />
MV1<br />
MV2<br />
G(1,d)<br />
G(1,1)<br />
G(2,1)<br />
G(1,2)<br />
G(2,2)<br />
G(2,d)<br />
BILD 1: Mehrgrößenregelung.<br />
CV: Regelgröße (controlled variable),<br />
MV: Stellgröße (manipulated variable),<br />
DV: Störgröße (disturbance variable).<br />
Eine Teilübertragungsfunktion G(i,j) beschreibt die<br />
Wirkung von Stellgröße j auf Regelgröße i. Das Bild<br />
zeigt eine 2x2-Strecke; es können aber auch mehr<br />
als zwei Stell- und Regelgrößen eine Rolle spielen.<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+ +<br />
ßenregler gibt, hat sich in der Prozessindustrie die modellbasierte<br />
Prädiktivregelung als Standardlösung für Mehrgrößenprobleme<br />
durchgesetzt, siehe zum Beispiel [15].<br />
1.3 Batch- und Konti-Prozesse<br />
Die meisten verfahrenstechnischen Prozesse sind bei<br />
genauer Betrachtung von Thermodynamik oder Reaktionskinetik<br />
nichtlineare Prozesse. Wenn sie im Konti-<br />
Betrieb an einem festen Arbeitspunkt betrieben werden,<br />
lässt sich das Prozessverhalten in der Umgebung<br />
dieses Arbeitspunktes jedoch linearisieren, sodass<br />
Regelalgorithmen einsetzbar sind, die auf linearen Prozessmodellen<br />
beruhen. Die meisten MPC-Anwendungsfälle<br />
finden sich daher in Konti-Prozessen.<br />
Im Gegensatz dazu durchläuft ein Batch-Prozess im<br />
Verlauf der Herstellung einer Charge verschiedene Arbeitspunkte,<br />
sodass die Nichtlinearitäten des Prozessverhaltens<br />
tatsächlich sichtbar werden. Der Einsatz<br />
linearer Regelalgorithmen (PID oder MPC) erfordert in<br />
diesem Fall zusätzliche Maßnahmen, wie<br />
Automatikbetrieb nur in bestimmten Arbeitspunkten,<br />
das heißt in bestimmten Phasen der Rezeptsteuerung.<br />
Arbeitspunkt-abhängige oder rezeptgesteuerte PID-<br />
Parametersätze oder MPC-Prozessmodelle.<br />
Trajektorienregelung [6]<br />
Das MPC-Konzept erlaubt es prinzipiell, nichtlineare<br />
Modelle im Prädiktivregler zu verwenden. Solche Algorithmen<br />
sind jedoch derzeit Gegenstand von Forschungsprojekten<br />
und nur in wenigen kommerziellen<br />
CV1<br />
CV2<br />
1.4 Online-Optimierung versus Offline-Optimierung<br />
Einer der Erfolgsfaktoren von MPC ist, ein Regelungsproblem<br />
als Optimierungsproblem aufzufassen. Die<br />
Grundform des Gütekriteriums lautet:<br />
(1)<br />
w enthält die Zeitreihen der zukünftigen Sollwerte,<br />
y enthält den Verlauf der Regelgrößen in der Zukunft<br />
(innerhalb des Prädiktionshorizonts),<br />
Δu enthält die zukünftigen Änderungen der Stellgröße<br />
(innerhalb des Steuerhorizonts).<br />
Q und R sind Gewichtungsmatrizen. Wenn die Gewichtung<br />
in der Matrix Q vergrößert wird, muss der Regler<br />
seine Stellgrößen vorsichtiger bewegen, sodass ein<br />
langsameres, aber robusteres Regelverhalten entsteht.<br />
Über die Gewichtsfaktoren in der Matrix R wird die<br />
relative Bedeutung der einzelnen Regelgrößen vorgegeben.<br />
Eine höhere Gewichtung (Priorität) für eine einzelne<br />
Regelgröße bedeutet, dass diese sich schneller<br />
zum Sollwert hinbewegt und im stationären Zustand<br />
genauer am Sollwert bleibt, falls sich nicht alle Sollwerte<br />
exakt erreichen lassen.<br />
Als Nebenbedingungen für das Optimierungsproblem<br />
sind in erster Linie die Begrenzungen der Stellgrößen<br />
relevant; aber es können zusätzlich weitere<br />
Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Wird das<br />
Optimierungsproblem zunächst gelöst, ohne Nebenbedingungen<br />
zu berücksichtigen, und werden die<br />
Stellgrößen erst nachträglich begrenzt, ergibt sich ein<br />
MPC-Algorithmus, der mit relativ geringem Rechenaufwand<br />
auskommt und sich daher zur Implementierung<br />
in der prozessnahen Komponente eines Leitsystems<br />
besonders anbietet. Ein Beispiel für eine solche<br />
Implementierung ist der MPC-Funktionsbaustein<br />
ModPreCon, der zum serienmäßigen Lieferumfang<br />
des Prozessleitsystems Simatic PCS 7 gehört. Dieser<br />
rechenzeitsparende Algorithmus kann jedoch in bestimmten<br />
Fällen zu suboptimalen Lösungen führen.<br />
Daher gibt es MPC-Algorithmen, die tatsächlich in<br />
jedem Abtastschritt das dynamische Optimierungsproblem<br />
iterativ unter Berücksichtigung aller Begrenzungen<br />
lösen. Jede Auswertung des Gütekriteriums in<br />
einem Iterationsschritt der Optimierung bedeutet dabei<br />
eine Simulation des Mehrgrößen-Prozessmodells über<br />
den kompletten Prädiktionshorizont. Daher erfordern<br />
solche Algorithmen einen um Größenordnungen höheren<br />
Rechenaufwand. Dieser Aufwand ist in folgenden<br />
Fällen gerechtfertigt:<br />
Regelungsprobleme mit einer Vielzahl von relativ<br />
eng beschränkten Stellgrößen, bei denen damit zu<br />
rechnen ist, dass die Begrenzungen im Regelbetrieb<br />
eine entscheidende Rolle spielen.<br />
Regelungsprobleme mit individuellen Formulierungen<br />
des Optimierungsproblems, bei denen die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
31
HAUPTBEITRAG<br />
Fähigkeit zur Online-Lösung komplexer Optimierungsprobleme<br />
das wichtigste Argument für den<br />
MPC-Einsatz ist.<br />
2. IMPLEMENTIERUNGSVARIANTEN<br />
Eine ausführliche Diskussion der Frage, welche Funktionen<br />
generell und im Zusammenhang mit MPC in ein Prozessleitsystem<br />
integriert werden sollen, findet sich in [1].<br />
Im Beitrag werden nur die Gesichtspunkte Funktionsumfang,<br />
Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit betrachtet.<br />
2.3 Kosten<br />
Der Einstandspreis für eine schlüsselfertige embedded<br />
MPC-Applikation (Hardware, Software und <strong>Engineering</strong>)<br />
ist um eine ganze Größenordnung geringer als für<br />
ein separates MPC-System, sodass auch kleinere Anwendungen<br />
lukrativ werden, bei denen es keine Möglichkeit<br />
gibt, die Kosten für einen separaten full-blown<br />
MPC zu amortisieren. Oft werden leitsystemintegrierte<br />
MPC-Applikationen mit eigenem EMR-Personal aus der<br />
Betriebsbetreuung (Elektro-, Mess- und Regelungstechnik)<br />
durchgeführt.<br />
2.1 Funktionsumfang<br />
Full-blown MPC-Softwarepakete als separates System,<br />
die auf einem externen PC installiert und an das Prozessleitsystem<br />
angeschlossen werden, haben einen sehr<br />
viel größeren Funktionsumfang als leitsystemintegrierte<br />
(embedded) MPC-Bausteine:<br />
Größere oder praktisch unbegrenzte Anzahl von<br />
Stell- und Regelgrößen<br />
Online-Optimierung unter Berücksichtigung von<br />
Nebenbedingungen<br />
Maximale Flexibilität bei der Formulierung des<br />
Gütekriteriums für die dynamische Optimierung<br />
von Übergangsvorgängen und die statische Arbeitspunktoptimierung<br />
Hierarchisches Regelungskonzept mit Zielen verschiedener<br />
Prioritätsklassen<br />
2.2 Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit<br />
Im Hinblick auf Verfügbarkeit und Benutzerfreundlichkeit<br />
bietet ein embedded MPC wesentliche Vorteile:<br />
Es sind keine separate Hardware und keine externe<br />
Kommunikationsschnittstelle erforderlich.<br />
Der MPC-Baustein entspricht von seiner Verfügbarkeit<br />
her dem konventionellen PID-Regler. Es sind<br />
daher keine Backup-Strategien und keine Maßnahmen<br />
zur Überwachung der Kommunikation mit<br />
externen PCs nötig. Die Möglichkeiten redundanter<br />
Prozessrechensysteme (Automation Station, AS)<br />
können voll genutzt werden, was die Verfügbarkeit<br />
der APC-Funktionen erhöht.<br />
Der MPC-Baustein kann im Rahmen des <strong>Engineering</strong>s<br />
aufwandsarm verschaltet werden, genau wie<br />
ein konventioneller PID-Regler, unter Verwendung<br />
vorgefertigter Messstellen-Typen (Muster-Signalflusspläne<br />
im Continuous Function Chart (CFC)).<br />
Bedienen und Beobachten des MPC-Bausteins erfolgen<br />
mit einem Standard-Bildbaustein (faceplate).<br />
Weil das Look-and-feel dem eines konventionellen<br />
PID-Reglers entspricht, reduziert sich der Einarbeitungsaufwand,<br />
und meist entfällt der Bedarf, externe<br />
Dienstleister als Experten für spezielle MPC-<br />
Softwarepakete hinzuzuziehen.<br />
2.4 Wartung<br />
Leitsystemintegrierte MPC-Lösungen lassen sich in der<br />
Regel wie konventionelle Regelungsanwendungen<br />
durch das vorhandene betriebsnahe EMR-Personal vor<br />
Ort warten und pflegen. Damit entfallen aufwendige<br />
Vor-Ort-Einsätze externer APC-Experten von global<br />
agierenden APC-Dienstleistern, zum Beispiel im Falle<br />
von Störungen oder Leitsystem-Migrationen. Darüber<br />
hinaus lässt sich die Gefahr der Abschaltung solcher<br />
MPC-Lösungen aufgrund von reduzierter Regelgüte<br />
mangels angemessener Wartung verringern, da sich das<br />
Personal vor Ort darum kümmern kann.<br />
2.5 Verfügbare MPC-Software<br />
Separate MPC-Systeme<br />
In [4] ist eine Marktübersicht zu MPC-Programmsystemen<br />
von verschiedenen Anbietern zu finden. Die wesentlichen<br />
Anbieter sind auch heute noch am Markt.<br />
Neben spezialisierten und leitsystemunabhängigen<br />
Software-Firmen wie AspenTech (Produkt DMCplus)<br />
oder Ipcos (Produkt Inca MPC) bieten die meisten Hersteller<br />
von Prozessleitsystemen zusätzliche MPC-Software-Pakete<br />
an, zum Beispiel ABB Predict&Control,<br />
Honeywell Profit Controller oder Yokogawa Exasmoc.<br />
Veränderungen haben sich in den letzten Jahren durch<br />
Firmenübernahmen ergeben: Pavilion gehört jetzt zu<br />
Rockwell Automation, Matrikon zu Honeywell, Invensys<br />
(einschließlich Simsci-Esscor und Produkt Connoisseur)<br />
zu Schneider Electric.<br />
Leitsystemintegrierte MPC<br />
Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 von Siemens<br />
gibt es seit 2007 einen embedded MPC für bis zu 4x4<br />
miteinander verkoppelte Stell- und Regelgrößen. Für<br />
2014 (Version 8.1) ist darüber hinaus erstmals die Lieferung<br />
eines embedded MPC für bis zu 10x10 Stell- und<br />
Regelgrößen sowie dynamische Online-Optimierung<br />
geplant. Dieses Produkt wird die Lücke zwischen fullblown<br />
und embedded MPC schließen. Der MPC10x10-<br />
Funktionsbaustein bietet bezüglich Verfügbarkeit und<br />
Benutzerfreundlichkeit die Vorteile eines embedded<br />
MPC, reicht von seinem Funktionsumfang her aber sehr<br />
nahe an einen full-blown MPC heran. Ein ähnliches Produkt<br />
wird von Emerson angeboten: DeltaV PredictPro.<br />
32<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
3. ENGINEERING-EFFIZIENZ BEI APC-APPLIKATIONEN<br />
Bei den Gesamtkosten eines APC-Projekts spielen neben<br />
den Kosten für die Aufnahme von Lerndaten am Prozess<br />
die <strong>Engineering</strong>-Kosten meist eine dominierende Rolle.<br />
Lassen sich die <strong>Engineering</strong>-Kosten spürbar reduzieren,<br />
steigt die Zahl der wirtschaftlich attraktiven APC- beziehungsweise<br />
MPC-Applikationen deutlich an. Ein Schlüssel<br />
zur Reduktion von <strong>Engineering</strong>-Kosten ist die Wiederverwendung<br />
von Software-Modulen. Dies scheint auf den<br />
ersten Blick im Widerspruch zum individuellen Charakter<br />
vieler verfahrenstechnischer Anlagen und vieler APC-<br />
Applikationen zu stehen. Dennoch gibt es tatsächlich<br />
wiederholbare Muster bei der Automatisierung verfahrenstechnischer<br />
Anlagen. In solchen Anlagen gibt es neben<br />
echten Package-Units eine Vielzahl weiterer Anlagenkomponenten,<br />
die sich bestimmten Klassen zuordnen<br />
lassen und immer wieder in ähnlicher Form vorkommen.<br />
Die Grundidee einer Unit-oriented Automation besteht<br />
darin, die gesamte Automatisierungslösung für solche<br />
Units in Form von Vorlagen (Templates) zu vereinheitlichen<br />
und als Musterlösung vorgefertigt auszuliefern, sodass<br />
der <strong>Engineering</strong>-Aufwand und die Know-how-Anforderungen<br />
für die konkrete Applikation auf die Instanz<br />
einer Unit deutlich reduziert werden. Die Automatisierungslösung<br />
für eine Unit kann als Software-Modul in<br />
einem zentralen Prozessleitsystem untergebracht werden.<br />
Sie ist daher nicht an eine dedizierte lokale Automatisierungshardware<br />
wie bei einer Package-Unit gebunden.<br />
Im Rahmen der Musterlösungen kann Erfahrungswissen<br />
des Systemlieferanten an Kunden weitergegeben<br />
und das zur Applikationsentwicklung erforderliche<br />
Know-how reduziert werden. Darüber hinaus<br />
reduziert sich der Wartungsaufwand bei einer späteren<br />
Migration. Aus diesem Grund besteht ein besonderes<br />
Interesse an Unit Templates für APC.<br />
Wiederholbare Elemente gibt es auf mehreren Ebenen<br />
einer Automatisierungslösung. Auf der untersten<br />
Ebene werden schon lange wiederholbare Elemente<br />
eingesetzt, nämlich vorgefertigte Funktionsbausteine<br />
(zum Beispiel PID-Regler, Motor-Ansteuerung), die im<br />
Rahmen von Bibliotheken geliefert werden. Messstellentypen<br />
(Control Modules) als vorgefertigte Signalflusspläne<br />
auf der Einzelsteuerebene, beispielsweise<br />
für eine Analogwert-Erfassung oder einen PID-Regelkreis,<br />
sind bereits in manchen Prozessleitsystemen<br />
verfügbar (beispielsweise in der Simatic PCS 7 Advanced<br />
Process Library). Unter der Bezeichnung Control<br />
Module Type (CMT) gibt es jetzt Messstellentypen, die<br />
die Konstruktion von Varianten mit optionalen Bausteinen<br />
zulassen.<br />
Ferner sind auf den darüberliegenden Ebenen wiederholbare<br />
Elemente vorhanden. Auf der Ebene der Anlagenteile<br />
(zum Beispiel Dosierung, Temperierung) gibt<br />
es für Batch-Prozesse schon länger Equipment Modules<br />
gemäß ISA-S88 (DIN EN 61512). Solche Equipment-Module-Typen<br />
werden mit einem Software-Werkzeug wie<br />
Sequential Function Chart (SFC) realisiert. Eine Beschreibung<br />
mit Beispielen ist in [14] verfügbar. In ähnlicher<br />
Form existieren für Konti-Prozesse technische<br />
Funktionen als Kombination mehrerer CFC-Pläne, die<br />
im Kommitee ISA 106 ebenfalls als Equipment Modules<br />
bezeichnet werden. Noch eine Ebene höher finden sich<br />
Musterlösungen (Unit Templates) für komplette Apparate<br />
oder Teilanlagen (Units), wie Rührkesselreaktoren<br />
oder Destillationskolonnen. Auf der Ebene der technischen<br />
Funktionen und auf Unit-Ebene können auch<br />
APC-Funktionen, wie MPC, in die Musterlösungen integriert<br />
werden, wenn die betreffende technische Funktion<br />
oder Unit dadurch einen höheren Nutzen erzielt.<br />
Die vorgefertigten Musterlösungen lassen sich leicht auf<br />
konkrete Anwendungen anpassen.<br />
BILD 2: Beispiele für<br />
wiederholbare<br />
Elemente einer Automatisierungslösung,<br />
Einzelsteuerebene:<br />
Control Modules (CM),<br />
Anlagenteile: Equipment<br />
Modules (EM),<br />
Teilanlage Rührkesselreaktor:<br />
Unit Template<br />
(gesamtes Bild)<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
33
HAUPTBEITRAG<br />
3.1 Equipment Modules<br />
Eine technische Funktion im Sinne von DIN EN 61512<br />
dient zur Steuerung eines Anlagenteils wie einer Dosierung,<br />
einer Temperierung. Zum Anlagenteil Temperierung<br />
können zum Beispiel folgende Komponenten (Feldgeräte)<br />
gehören: Temperatur-Sensor, Temperatur-Regler,<br />
Aktoren zur Betätigung der Ventile für die Verstellung<br />
von Heizdampf- und Kühlwasserstrom. Die technische<br />
Funktion setzt sich daher aus mehreren Einzelsteuereinheiten<br />
(Control Modules) zusammen. Jede Einzelsteuereinheit<br />
ist als Signalflussplan (CFC) realisiert, der von<br />
einem generischen Messstellentyp abgeleitet sein kann.<br />
Die logische Verbindung mehrerer Einzelsteuereinheiten<br />
erfordert eine große Zahl von planübergreifenden<br />
Signalverbindungen. Der Regler muss beispielsweise<br />
seinen Stellwert an das Ventil weitergeben und eine<br />
Rückmeldung bekommen, und zwar nicht nur zur aktuellen<br />
Ventilstellung, sondern auch zur Betriebsart und<br />
zum möglichen Stellbereich des Ventils. Der Analogwert-Eingangstreiber<br />
gibt den Messwert und den zugehörigen<br />
Signalstatus, die physikalische Einheit und den<br />
Wertebereich an die folgenden Bausteine weiter.<br />
Eine spürbare Erleichterung des <strong>Engineering</strong>s lässt<br />
sich erreichen, indem definierte Schnittstellen zur Verbindung<br />
der Einzelsteuereinheiten bereitgestellt werden.<br />
Dadurch werden alle relevanten Variablen zusammengefasst,<br />
sodass beispielsweise nur noch zwei planübergreifende<br />
Verbindungen zwischen Regler-Plan und Ventil-<br />
Plan gezogen werden müssen, um aus zwei Control-Modules<br />
PID-Führungsregler und Stetigventil ein Equipment<br />
Module Durchflussregelung zu kombinieren. Eine technische<br />
Funktion kann eine einfache Simulation (basierend<br />
auf Standard-Funktionsbausteinen des Leitsystems)<br />
enthalten, damit bei einer virtuellen Inbetriebnahme<br />
simulierte Prozesswerte zur Verfügung stehen.<br />
Beispiele für Equipment-Modules<br />
Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 steht bereits<br />
eine Reihe von Equipment-Modules zum kostenlosen<br />
Download zur Verfügung [11]:<br />
Durchflussregelung über Ventil<br />
Verhältnisregelung<br />
Füllstandsregelung<br />
Druckregelung mit Split-Range<br />
Temperaturregelung<br />
Kaskadenregelung<br />
pH-Wert-Regelung (gegebenenfalls mit MPC)<br />
Weitere technische Funktionen sind in Vorbereitung:<br />
Grob-/Feinstromregelung<br />
Pumpenansteuerung mit Verrieglung und<br />
Überwachung (PumpMon)<br />
Durchflussregelung mit Ventilüberwachung<br />
(ValveMon)<br />
3.2 Unit Templates<br />
Eine Unit ist eine Einheit in verfahrenstechnischen<br />
Anlagen, bestehend aus Fluidik/Mechanik (Anlagenkomponente/Apparat/Maschine)<br />
mitsamt der Sensorik,<br />
Aktorik und zugeordneter Automatisierungs-Software,<br />
die in dieser Zusammenstellung der Komponenten<br />
häufig benötigt wird. Typische Beispiele sind<br />
Rührkesselreaktoren oder Destillationskolonnen.<br />
Dabei wird ein ganzheitlicher Automatisierungsansatz<br />
verfolgt, der alle Facetten der Automatisierung<br />
einbezieht. Ein Template für eine Unit umfasst mindestens<br />
Basisautomatisierung und Human-Machine-<br />
Interface. Dazu kommen gegebenenfalls Funktionen<br />
für APC, Performance Monitoring, Diagnose und<br />
Alarm-Management.<br />
BILD 3: Schema einer<br />
pH-Wert-Regelung als<br />
Equipment Module.<br />
Die inverse Titrationskennlinie<br />
wird an drei<br />
Stellen verwendet.<br />
34<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Beispiele für Unit Templates<br />
Für das Prozessleitsystem Simatic PCS 7 steht bereits<br />
eine Reihe von Unit Templates zum kostenlosen Download<br />
zur Verfügung. Diejenigen Unit Templates, bei<br />
denen sich im Sinne von Abschnitt 2 ein Mehrgrößenregler<br />
empfiehlt, sind mit einem MPC-Funktionsbaustein<br />
ausgestattet.<br />
Destillationskolonne inklusive MPC [12]<br />
Rührkesselreaktor [13]<br />
Fermenter<br />
Wirbelschichttrockner einschließlich MPC<br />
In Vorbereitung sind:<br />
Polymerisationsreaktor mit MPC<br />
Reverse-Osmosis-Unit (Meerwasserentsalzung)<br />
inklusive MPC<br />
4. AUSFÜHRUNGSBEISPIELE<br />
4.1 Technische Funktion pH-Wert-Regelung<br />
Bei einer pH-Wert-Regelung wird der pH-Wert eines Produktes<br />
in einem kontinuierlich durchflossenen Behälter<br />
eingestellt, indem die passende Menge an Neutralisationsmittel<br />
hinzudosiert wird. Der pH-Wert ist ein Maß<br />
für die Stärke der sauren beziehungsweise basischen<br />
Wirkung einer wässrigen Lösung. Als logarithmische<br />
Größe ist er durch den mit −1 multiplizierten dekadischen<br />
Logarithmus der Oxoniumionenkonzentration<br />
definiert. Die Titrationskurve beschreibt den Zusammenhang<br />
zwischen dem pH-Wert und der Konzentrationsdifferenz<br />
zwischen H+ (beziehungsweise H3O+)-Ionen<br />
(Säure) und OH--Ionen (Lauge) in der Lösung. Aufgrund<br />
der stark nichtlinearen Form der Titrationskurve<br />
bedeutet dies, dass die Verstärkung der Regelstrecke je<br />
nach Arbeitspunkt extrem unterschiedlich ist.<br />
Nur bei Anwendungen, in denen der pH-Wert in<br />
einem sehr engen Bereich konstant gehalten werden<br />
soll und die Störeinflüsse begrenzt sind, ist eine pH-<br />
Wert-Regelung mit einem fest parametrierten PID-Regler<br />
möglich. Typische Beispiele sind Bio-Fermenter, in<br />
denen die Bakterien nur in einem bestimmten pH-Wert-<br />
Bereich überhaupt lebensfähig sind und beim Gärungsvorgang<br />
in geringem Ausmaß Säure produzieren.<br />
Schwieriger gestaltet sich dagegen die Neutralisiation<br />
von Abwässern aus Chemieanlagen oder andere pH-<br />
Wert-Regelungen in Chemie-Reaktoren. Die Besonderheit<br />
der hier vorgestellten technischen Funktion liegt<br />
in der Umwandlung des pH-Sollwerts und des pH-Prozesswerts<br />
in Konzentrationsdifferenzen, um eine Linearisierung<br />
der Regelstreckencharakteristik über den<br />
gesamten relevanten pH-Wert-Bereich zu erreichen. Die<br />
Umwandlung erfolgt anhand einer invertierten Titrationskurve,<br />
die das Verhalten der chemischen Reaktion<br />
des gegebenen Prozesses zumindest näherungsweise<br />
beschreibt.<br />
Bei Anwendungen mit großen Totzeiten, aufgrund der<br />
Messtotzeit der pH-Sonde, Zeitbedarf für die Vermischung<br />
und Reaktionszeit der Neutralisationsreaktion<br />
und Bedarf für eine dynamische Störgrößenaufschaltung<br />
auf Basis des pH-Werts im Zulauf, empfiehlt sich ein embedded<br />
MPC. Anstelle der aufwendigen manuellen Projektierung<br />
einer Kombination aus PID-Regler, Smith-<br />
Prädiktor und Störgrößenaufschaltung. pH-Soll- und<br />
-Istwert werden mit Hilfe der inversen Titrationskennlinie<br />
näherungsweise auf Konzentrationsdifferenzen [10 –6<br />
Mol/L] zwischen OH--und H+-Ionen umgerechnet.<br />
(2)<br />
BILD 4: Schema eines<br />
Wirbelschichttrockners<br />
als UnitTemplate<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
35
HAUPTBEITRAG<br />
Im Anwendungsfall sind zwei Parameter dieser<br />
Kennlinie zu bestimmen:<br />
Der zu durchlaufende Amplitudenbereich pH ampl auf<br />
der pH-Wert-Skala, das heißt die maximal erreichbaren<br />
Abweichungen vom neutralen pH-Wert 7<br />
Der Pufferparameter α, als Maß für die Steilheit<br />
der Kennlinie im neutralen Punkt<br />
Bei einer gepufferten Flüssigkeit verläuft die Titrationskennlinie<br />
im neutralen Punkt weniger steil als bei einer<br />
wässrigen Lösung. Typische Werte für den Pufferparameter<br />
α liegen zwischen 3 500 und 12 000. Die Ausgangsgröße<br />
des Reglers (gedanklich eine Konzentration) wird mit<br />
der normierten Zulaufmenge des Abwassers multipliziert,<br />
um ein Maß für die erforderliche Menge an Neutralisationsmittel<br />
zu berechnen.<br />
4.2 Unit-Template-Wirbelschichttrockner<br />
Trockner (beispielsweise Wirbelschichttrockner, Sprühtrockner)<br />
sind häufig vorkommende Apparate in der verfahrenstechnischen<br />
Industrie und gelten generell als<br />
energieintensive Unit Operations. Daher sind sie lohnende<br />
Anwendungsfälle für gehobene Regelungsverfahren<br />
und Maßnahmen zur Optimierung der Prozessführung.<br />
Es gibt zahlreiche unterschiedliche Arten von<br />
Trocknern. Generell wird unterschieden zwischen Kontakttrocknern,<br />
bei denen das Feuchtgut durch direkten<br />
Kontakt mit einer Heizfläche erwärmt wird, und Konvektionstrocknern,<br />
bei denen das Trockengut mit heißer Luft<br />
erwärmt wird. Sehr weit verbreitet sind Konvektionstrockner<br />
in Form von Wirbelschicht- oder Sprühtrocknern.<br />
Bei einem Wirbelschichttrockner wird das Trockengut<br />
von unten durchströmt, in Schwebe gehalten und<br />
durchmischt. Durch die turbulente Vermischung werden<br />
hohe Wärme- und Stoffübergangskoeffizienten erreicht.<br />
Die Teilchen, die bereits trocken genug sind, werden mit<br />
der Luft ausgetragen. Nach der Fahrweise wird unterschieden<br />
in kontinuierliche und chargenweise Trocknung.<br />
Das Unit Template fokussiert sich auf die Automatisierung<br />
und Regelung kontinuierlicher Trockner.<br />
Eine genaue Regelung der Produktfeuchte ist von großer<br />
wirtschaftlicher Bedeutung. Bei ungenügender Trocknung<br />
drohen Schwierigkeiten in nachgelagerten Prozessstufen,<br />
bei der Lagerung oder Endanwendung (zum Beispiel<br />
Verklumpungen, Fäulnis, Schimmel). Durch eine<br />
Übertrocknung dagegen wird Energie verschwendet und<br />
das Gewicht des Produkts reduziert, was sich gegebenenfalls<br />
negativ auf den Verkaufserlös (nach Gewicht) auswirkt.<br />
Es gilt der Grundsatz: so trocken wie nötig, nicht<br />
so trocken wie möglich! Beim Trocknungsvorgang muss<br />
die Erhaltung der Produktqualität gewährleistet werden,<br />
was der thermischen Beanspruchung des Trockenguts,<br />
das heißt den Temperaturen klare Grenzen setzt und daher<br />
eine Regelung der Produkttemperatur erfordert.<br />
Als Stelleingriffe stehen bei einem Konvektionstrockner<br />
die Temperatur und der Massenstrom der Zuluft zur<br />
Verfügung. Diese lassen sich durch unterlagerte PID-<br />
Regelkreise problemlos einstellen, zum Beispiel durch<br />
Stelleingriffe an der Heizdampfzufuhr und dem Heißluftgebläse.<br />
In vielen Fällen stehen außerdem weitere<br />
messbare Störgrößen für ein Regelungskonzept zur Verfügung,<br />
wie die Edukt-Feuchte (MoistFeed) und/oder die<br />
Feuchte der Zuluft (MoistFreshAir). Je nach Fahrweise<br />
kann die Edukt-Zufuhr (Massenstrom, Durchsatz) als<br />
messbare Störgröße oder sogar als aktive beeinflussbare<br />
Stellgröße für ein Regelungskonzept betrachtet werden.<br />
Aufgrund physikalischer Effekte ist offensichtlich, dass<br />
eine Änderung des Heißluftmassenstroms die Produktfeuchte<br />
und die Produkttemperatur beeinflusst;<br />
dasselbe gilt für die Temperatur der zugeführten Heißluft.<br />
Es ergibt sich also ein Mehrgrößen-Regelungsproblem<br />
mit zwei Regelgrößen (CV: controlled variable):<br />
CV1 Produktfeuchte (MoistProduct) und<br />
CV2 Produkttemperatur (TI_Product)<br />
sowie zwei bis drei Stellgrößen (MV: manipulated<br />
variable, DV: disturbance variable)<br />
MV1 Volumenstrom der Zuluft (FIC_HotAir),<br />
MV2 Luft-Temperatur (TIC_HotAir) und<br />
MV3 oder DV Edukt-Zufuhr (FIC_Feed).<br />
Ein Benchmarking-Beispiel [10] zeigt die Vorteile einer<br />
Mehrgrößenregelung per MPC gegenüber einer konventionellen<br />
dezentralen PID-Regelung und die Bedeutung einer<br />
dynamischen Störgrößenaufschaltung für die Regelgüte.<br />
Durch eine höhere Regelgüte lässt sich der Prozess näher<br />
an kritischen Nebenbedingungen (constraints) betreiben<br />
und damit der Energieverbrauch signifikant senken. Eine<br />
in den MPC integrierte Optimierung des stationären Arbeitspunktes<br />
findet in jeder Situation automatisch die wirtschaftlich<br />
optimale Kombination von Luftmassenstrom<br />
und Lufttemperatur, um die Trocknungsaufgabe zu lösen.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Seit Prozessleitsysteme wie Simatic PCS 7 integrierte<br />
Funktionen für Advanced Process Control preiswert zur<br />
Verfügung stellen, bietet sich der Einsatz gehobener Regelungsverfahren<br />
bei energieintensiven oder aus anderen<br />
Gründen für den Gesamtprozess besonders bedeutsamen<br />
Unit Operations in verfahrenstechnischen Anlagen an.<br />
Beispielsweise liefert ein MPC-Mehrgrößenregler mit<br />
integrierter Störgrößenaufschaltung und Arbeitspunktoptimierung<br />
bei Destillationskolonnen, Wirbelschichttrocknern<br />
und Polymerisationsreaktoren erhebliches<br />
wirtschaftliches Nutzenpotenzial. In speziellen Situationen,<br />
beispielsweise bei schwierigen pH-Wert-Regelungen,<br />
kann ein MPC-Funktionsbaustein auch im Eingrößenfall<br />
hilfreich sein. Durch wiederverwendbare<br />
Software-Module (equipment modules und unit templates)<br />
lassen sich erfolgversprechende MPC-Einsatzfälle<br />
aufzeigen und der <strong>Engineering</strong>-Aufwand für MPC-Applikationen<br />
deutlich senken.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
18.10.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
36<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
REFERENZEN<br />
AUTOREN<br />
[1] Kahrs, O: Einsatz gehobener Automatisierungslösungen<br />
– Plattformwahl und Akzeptanz bei Anwendern.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2),<br />
S. 62-66, 2012<br />
[2] Bauer, M., Craig, I.K.: Economic assessment of advanced<br />
process control – a survey and framework.<br />
Journal of process control 18(1), S. 2-18, 2008<br />
[3] Dittmar, R., Pfeiffer, B-M.: Modellbasierte prädiktive Regelung<br />
– Eine Einführung für Ingenieure. Oldenbourg 2004<br />
[4] Dittmar, R., Pfeiffer, B-M.: Modellbasierte prädiktive<br />
Regelung in der industriellen Praxis. at – Automatisierungstechnik<br />
54(12), S. 590-601, 2006<br />
[5] Pfeiffer, B-M.: Standardisierung gehobener Regelungsfunktionen<br />
als Messstellen-Typen. In: Tagungsband<br />
GMA-Kongress 2007, S. 83-94. VDI 2007<br />
[6] Vollbrecht, B., Himmler, K., Olschewski, F., Pfeiffer,<br />
B-M.: Bessere Prozessführung von Batch-Rührkesseln<br />
durch Trajektorienregelung. Chemie-Ingenieur-Technik<br />
79(7), S. 1081-1088, 2007.<br />
http://dx.doi.org/10.1002/cite.200700072<br />
[7] Pfeiffer, B-M., Lorenz, O.: Unit-orientierte Musterlösungen<br />
für Advanced Control (Unit-oriented solution<br />
templates for advanced control) - Beispiel Destillationskolonne<br />
(Example distillation column). In: Tagungsband<br />
Automation 2008, S. 11-14, VDI 2008<br />
[8] Pfeiffer, B-M., Wieser, R., Lorenz, O.: Wie verbessern Sie<br />
die Performance Ihrer Anlage mit Hilfe der passenden<br />
APC-Funktionen? Teil 1: APC-Werkzeuge in Prozessleitsystemen.<br />
<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />
51(4), S. 36-44, 2009<br />
[9] Pfeiffer, B-M., Wieser, R., Lorenz, O.: Wie verbessern Sie<br />
die Performance Ihrer Anlage mit Hilfe der passenden<br />
APC-Funktionen? Teil 2: Vorgehensweise zur Performance-Verbesserung<br />
und Fallbeispiel. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 51(5), S. 26-35, 2009<br />
[10] Pfeiffer, B-M.: Effizienter Betrieb von Wirbelschichttrocknern<br />
mit Advanced Process Control. In: Tagungsband<br />
Automation 2013, S. 201-206, VDI 2013<br />
[11] Panus, P., Losert, D.: Technische Funktionen für PCS 7 am<br />
Beispiel der Chemischen Industrie. Applikationsbeschreibung.<br />
Siemens AG. Karlsruhe, Mai 2013. http://support.<br />
automation.siemens.com/WW/view/de/57184952<br />
[12] Panus, P., Kempf, S.: PCS 7 Unit Template am Beispiel<br />
der Chemischen Industrie: „Destillationskolonne“.<br />
Applikationsbeschreibung. Siemens AG. Karlsruhe,<br />
Juni 2013. http://support.automation.siemens.com/WW/<br />
view/de/48418663<br />
[13] Panus, P., Kempf, S.: PCS 7 Unit Template am Beispiel<br />
der Chemischen Industrie: „Rührkesselreaktor“.<br />
Applikationsbeschreibung. Siemens AG. Karlsruhe,<br />
Juni 2013. http://support.automation.siemens.com/WW/<br />
view/de/60546560<br />
[14] Prozessleitsystem SIMATIC PCS 7 Kompendium Teil C<br />
– Technische Funktionen mit SFC-Typen.<br />
[15] Maciejowski, J.M.: Predictive control with constraints.<br />
Prentice Hall 2002<br />
Dr.-Ing. BERND-MARKUS PFEIFFER (geb. 1966) ist Key<br />
Expert Control & Automation Technologies – APC in der<br />
Vorfeldentwicklung für Prozess-Automatisierung bei<br />
Siemens Karlsruhe. Er ist Mitglied im GMA Fachausschuss<br />
6.22 Prozessführung und gehobene Regelungsverfahren<br />
und Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie<br />
(KIT).<br />
Siemens AG,<br />
I IA ATS 3 2, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 59 73,<br />
E-Mail: bernd-markus.pfeiffer@siemens.com<br />
HERBERT GRIEB (geb. 1959) ist Gruppenleiter für Operation<br />
& Optimization in der Vorfeldentwicklung für Prozess-<br />
Automatisierung bei Siemens Karlsruhe. Er leitet darüber<br />
hinaus den GMA Fachausschuss 6.23 Plant Asset Management<br />
und den VDI Arbeitskreis Mess- und Automatisierungstechnik<br />
(GMA).<br />
Siemens AG,<br />
I IA ATS 3 2, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 22 03,<br />
E-Mail: herbert.grieb@siemens.com<br />
Dr. OTMAR LORENZ (geb. 1961) ist seit 2006 Manager<br />
Technical Concepts and Support für die chemische Industrie.<br />
Arbeitsschwerpunkte bilden Konzepte und Anwendungen<br />
in den Bereichen gehobene Regelungstechnik,<br />
dynamische Simulation und modellbasierte Optimierung<br />
verfahrenstechnischer Prozesse. Er ist Mitglied im Namur<br />
Arbeitskreis 2.2 Prozessführung.<br />
Siemens AG,<br />
I IA AS PA CHEM 3, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 66 00, E-Mail: otmar.lorenz@siemens.com<br />
DIRK LOSERT (geb. 1967) ist Manager für Business Development<br />
in der chemischen Industrie und unter anderem für<br />
das Thema Unit Templates verantwortlich.<br />
Siemens AG,<br />
I IA AS PA CHEM 1, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 69 98, E-Mail: dirk.losert@siemens.com<br />
Dipl.-Phys. DÖRTE SACK (geb. 1963) ist Gruppenleiterin für<br />
Technologie und Konzepte der Prozessautomatisierung in<br />
der chemischen Industrie.<br />
Siemens AG,<br />
I IA AS PA CHEM 3, Östliche Rheinbrückenstr. 50, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 21 31, E-Mail: doerte.sack@siemens.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
37
HAUPTBEITRAG<br />
Nichtlineare modellprädiktive<br />
Regelung auf SPS<br />
Ein Ansatz zur MPC-Verwendung in der Automatisierung<br />
Die modellprädiktive Regelung ist ein modellbasiertes Regelungsverfahren, das sich<br />
gut für die Regelung nichtlinearer Systeme mit Beschränkungen eignet. Es basiert<br />
auf der Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems und ist in der Regel mit<br />
einem erheblichen numerischen Aufwand verbunden. In diesem Beitrag wird ein<br />
effizientes Verfahren diskutiert, das sich zur Regelung von nichtlinearen Systemen<br />
mit Stellgrößenbeschränkungen und Abtastzeiten im Millisekundenbereich auf einer<br />
speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) verwenden lässt. Ein experimenteller<br />
Aufbau eines Laborkrans demonstriert die Leistungsfähigkeit des Verfahrens.<br />
SCHLAGWÖRTER Nichtlineare modellprädiktive Regelung / Speicherprogrammierbare<br />
Steuerung / Echtzeitfähigkeit<br />
Nonlinear Model Predictive Control on a PLC –<br />
An Approach for the Use of MPC in Automation<br />
Model predictive control (MPC) is a model based method which is well suited for<br />
controlling nonlinear systems with constraints. It relies on the solution of an underlying<br />
optimal control problem (OCP) and typically requires considerable computational<br />
effort. This paper discusses an efficient MPC approach for nonlinear input<br />
constrained systems with sampling times in the millisecond range that is suitable<br />
for implementation on a programmable logic controller (PLC). The efficiency of the<br />
MPC scheme is demonstrated by means of a laboratory crane setup.<br />
KEYWORDS nonlinear model predictive control / programmable logic controller /<br />
real-time capability<br />
38<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
BARTOSZ KÄPERNICK, KNUT GRAICHEN, Universität Ulm<br />
Die nichtlineare modellprädiktive Regelung<br />
(model predictive control, MPC) ist ein Regelungskonzept,<br />
das sich sehr gut für die Regelung<br />
von nichtlinearen Mehrgrößensystemen<br />
mit Beschränkungen eignet. Es basiert auf der<br />
Lösung eines dynamischen Optimierungsproblems,<br />
welches zu festen Abstastzeiten wiederholt gelöst wird.<br />
Der aktuelle Systemzustand dient dabei als Initialwert<br />
für das Optimierungsproblem. Eine Herausforderung<br />
in Zusammenhang mit MPC ist jedoch der hohe numerische<br />
Aufwand, der den Einsatz eines MPC-Reglers<br />
zur Regelung von nichtlinearen hochdynamischen Systemen<br />
mit niedrigen Abtastzeiten und/oder einen Betrieb<br />
auf Standard-Automatisierungshardware limitiert,<br />
wie zum Beispiel einer speicherprogrammierbaren<br />
Steuerung.<br />
In den letzten Jahren wurden Verfahren und Algorithmen<br />
im Bereich der nichtlinearen modellprädiktiven<br />
Regelung entwickelt, die einen echtzeitfähigen<br />
Betrieb erlauben [1-3]. Darüber hinaus wurden in den<br />
Arbeiten [4, 5] Ansätze vorgestellt, die den Betrieb von<br />
modellprädiktiven Reglern auf speicherprogrammierbaren<br />
Steuerungen (SPS) aufzeigen. Die präsentierten<br />
Ergebnisse [4, 5] waren jedoch beschränkt auf lineare<br />
Systeme.<br />
In diesem Beitrag wird ein echtzeitfähiges MPC-<br />
Verfahren diskutiert, das für die Regelung von nichtlinearen<br />
Systemen mit Stellgrößenbeschränkungen<br />
und Abtastzeiten im Millisekundenbereich auf speicherprogrammierbaren<br />
Steuerungen geeignet ist. Um<br />
die Anwendbarkeit des Ansatzes zu demonstrieren,<br />
wird der modellprädiktive Regler auf einer SPS implementiert<br />
und für die Regelung einer experimentellen<br />
Verladebrücke im Labormaßstab verwendet.<br />
1. NICHTLINEARE MODELLPRÄDIKTIVE REGELUNG<br />
Die wiederholte Lösung eines unterlagerten Optimierungsproblems<br />
zu festen Abtastzeiten ist die Grundlage<br />
eines nichtlinearen modellprädiktiven Reglers. Die<br />
Nutzung eines gradientenbasierten Ansatzes ermöglicht<br />
eine effektive Implementierung auf einer SPS mit<br />
Rechenzeiten im Bereich von Millisekunden.<br />
1.1 Allgemeine Funktionsweise<br />
Bei der modellprädiktiven Regelung handelt es sich um<br />
ein modellbasiertes Verfahren, bei dem ein dynamisches<br />
Optimierungsproblem entlang eines bewegten<br />
Horizonts gelöst wird [6, 7]. Das im Beitrag betrachtete<br />
Optimierungsproblem hat die folgende Form:<br />
minimiere bezüglich der Eingangsgrößen ,<br />
unter Berücksichtung von<br />
(1a)<br />
(1b)<br />
(1c)<br />
wobei die Zustände beziehungsweise<br />
die Stellgrößen (Eingangsgrößen) des zu regelnden Systems<br />
bezeichnen. Gewünschte Optimalitätskriterien,<br />
wie beispielsweise ein zeit- oder energieoptimales Regelverhalten,<br />
können über das Kostenfunktional (1a)<br />
formuliert werden, wobei die Endkostengewichtung<br />
und der Integralanteil<br />
positiv semi-definite und stetig differenzierbare Funktionen<br />
sind. Die Dynamik des nichtlinearen Systems<br />
(1b) wird durch die ebenfalls stetig differenzierbare<br />
Systemfunktion<br />
beschrieben. Dabei<br />
stellt<br />
den Systemzustand zum aktuellen<br />
Abtastzeitpunkt<br />
mit der Abtastzeit<br />
dar. Der in der Praxis häufig auftretende Fall physikalischer<br />
oder technischer Beschränkungen der Stellgrößen,<br />
zum Beispiel die begrenzte Leistung von Aktoren,<br />
wird durch die Bedingung (1c) berücksichtigt, wobei<br />
vektorwertige Schranken darstellen. Der Prädiktionshorizont<br />
wird mit bezeichnet. Auf Zustands-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
39
HAUPTBEITRAG<br />
beschränkungen, die im Allgemeinen bei MPC mitberücksichtigt<br />
werden können, wird an dieser Stelle im<br />
Hinblick auf eine effektive Implementierung verzichtet.<br />
Die Aufgabe zum Lösen des Optimierungsproblems<br />
(1) besteht nun darin, aus den in der Regel unendlich<br />
vielen Stellgrößen, die die Dynamik mit der Anfangsbedingung<br />
(1b) erfüllen, eine optimale Steuerfunktion<br />
zu finden, die das Kostenfunktional (1a) unter<br />
Berücksichtung der Beschränkungen (1c) erfüllt. Die<br />
entsprechend optimalen Zustände (impliziert durch<br />
(1b)) sind dabei .<br />
Im Allgemeinen wird bei MPC davon ausgegangen,<br />
dass in jedem Abtastzeitpunkt die optimale Lösung<br />
des dynamischen Optimierungsproblems<br />
(1) berechnet wird. Anschließend wird der erste Teil der<br />
optimalen Stellgröße<br />
im Abtastintervall<br />
auf das zu regelnde System geschaltet.<br />
Im nächsten Abtastschritt<br />
wird das dynamische<br />
Optimierungsproblem (1) mit dem neuen Systemzustand<br />
erneut gelöst (siehe Bild 1).<br />
Diese generelle Funktionsweise eines MPC-Reglers ist<br />
zusätzlich in Bild 1 veranschaulicht. Zum Abtastzeitpunkt<br />
wird der aktuelle Zustand des Systems ermittelt<br />
und als Initialwert für die Lösung von (1) verwendet.<br />
Der erste Teil der optimalen Stellgröße wird dann als<br />
Steuerung genutzt und bewirkt entsprechend eine Reaktion<br />
des Systems. Zudem lässt sich mit Hilfe der gesamten<br />
Stellgröße und in Bezug auf das verwendete<br />
Systemmodell eine Prädiktion des zukünftigen Systemverhaltens<br />
entlang des MPC-Horizonts durchführen.<br />
Im nächsten Abtastschritt wird der Horizont entsprechend<br />
verschoben und das Optimierungsproblem (1) mit<br />
dem neuen Systemzustand gelöst. Aufgrund von Modellierungsfehlern<br />
und/oder Unsicherheiten und Störungen<br />
im realen System weichen die Trajektorien des<br />
geschlossenen Regelkreises von den prädizierten Ergebnissen<br />
ab, was die Notwendigkeit der Lösung von (1) in<br />
jedem neuen Abtastschritt verdeutlicht.<br />
Dem Verlauf der Stellgröße in Bild 1 kann entnommen<br />
werden, dass die zeitkontinuierliche Lösung<br />
in jedem Abstastintervall<br />
verwendet<br />
wird. In der Praxis werden häufig auch diskrete Implementierungen<br />
verwendet, zum Beispiel in Form einer<br />
stückweise konstanten Stellgröße im Abtastintervall.<br />
Der Einsatz eines nichtlinearen MPC-Reglers für hochdynamische<br />
Systeme mit entsprechend geringen Abtastzeiten<br />
stellt eine große Herausforderung dar. Diese<br />
Problematik wird weiter erschwert durch die Zielhardware,<br />
auf der der MPC implementiert werden soll<br />
und die gewissen Beschränkungen unterliegt, wie<br />
beispielsweise einer geringen Rechenleistung und/<br />
oder Speicherkapazität. Aus diesem Grund müssen<br />
echtzeitfähige Verfahren für eine schnelle und effiziente<br />
numerische Lösung des Optimierungsproblems<br />
(1) angewandt werden. Das in diesem Beitrag verwendete<br />
MPC-Verfahren basiert auf einem projizierten<br />
Gradientenverfahren aus der Optimalsteuerungstheorie<br />
[8,9]. Zunächst muss dazu die Hamilton-Funktion<br />
(2)<br />
definiert werden, wobei den zum Originalzustand<br />
adjungierten Zustand bezeichnet. Gemäß<br />
Pontryagin’s Maximumprinzip existieren adjungierte<br />
Zustände<br />
, sodass auf dem Prädiktionsintervall<br />
die folgenden Optimalitätsbedingungen<br />
erfüllt sind:<br />
(3a)<br />
(3b)<br />
(3c)<br />
wobei und die partiellen Ableitungen<br />
der Endkostengewichtung und der Hamilton-Funktion<br />
nach den Zuständen beschreiben. Die<br />
Beziehungen (3) stellen notwendige Bedingungen dar,<br />
die eine optimale Lösung<br />
des Optimierungsproblems<br />
(1) erfüllen muss, und die im weiteren<br />
Verlauf als Grundlage für die Formulierung eines modellprädiktiven<br />
Reglers genutzt werden.<br />
Der im Beitrag verwendete MPC-Algorithmus ist in<br />
Bild 2 dargestellt. Er nutzt die charakteristische Form<br />
der Optimalitätsbedingungen (3). Dazu wird die<br />
Systemdynamik (3a) (siehe auch (1b)), ausgehend von<br />
einer initialen Trajektorie<br />
für die<br />
Stellgröße und dem aktuellen Systemzustand des<br />
Systems vorwärts in der Zeit integriert. Anschließend<br />
wird die ermittelte Lösung zum Endzeitpunkt<br />
ausgewertet, um die entsprechende Endbedingung<br />
für den adjungierten Zustand<br />
zu berechnen. Dieses Ergebnis wird dann verwendet,<br />
um die adjungierte Dynamik (3b) in Rückwärtzeit zu<br />
integrieren. Im letzten Schritt einer Iteration wird dann<br />
eine Aktualisierung der Stellgröße durchgeführt (siehe<br />
Bild 2), wobei<br />
den Gradienten der Hamilton-Funktion<br />
bezüglich der Stellgröße darstellt.<br />
Die Projektionsfunktion<br />
1.2 Echtzeitfähiges Gradientenverfahren<br />
(4)<br />
dient zur Berücksichtigung der Stellgrößenbeschränkungen<br />
(1c). Die Schrittweite für die Aktualisierung<br />
der Steuerung wird mit Hilfe eines Liniensuchverfahrens<br />
bestimmt, das im nächsten Abschnitt näher<br />
erläutert wird. Anschließend wird mit der neuen Stellgröße<br />
der Integrationsprozess von neuem gestartet<br />
und somit eine neue Iteration begonnen. Der Algorithmus<br />
besteht damit prinzipiell aus zwei Integrationen<br />
und einer Stellgrößenaktualisierung pro Iteration<br />
und lässt sich somit effizient implementieren. Zudem<br />
40<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
BILD 1:<br />
Veranschaulichung<br />
der generellen<br />
Funktionsweise eines<br />
modellprädiktiven<br />
Reglers<br />
BILD 3: Veranschaulichung der Grundidee zur<br />
Bestimmung einer geeigneten Schrittweite<br />
BILD 2: Gradienten-Algorithmus des echtzeitfähigen MPC-Verfahrens<br />
benötigt die sequenzielle Abarbeitungsfolge, vergleiche<br />
Bild 2, einen geringen Speicherbedarf.<br />
Um nun ein echtzeitfähiges Verhalten zu garantieren,<br />
wird die Anzahl der maximalen Gradienteniterationen<br />
fest vorgegeben. Damit wird anstelle der optimalen<br />
Lösung die suboptimale Stellgröße<br />
im Abtastintervall<br />
zur Regelung des<br />
Systems und zur Reinitialisierung des MPC-Reglers im<br />
nächsten Abtastschritt verwendet. Eine Konvergenzund<br />
Stabilitätsanalyse des projizierten Gradientenverfahrens<br />
und des gradientenbasierten MPC-Reglers kann<br />
in [8] beziehungsweise in [10] nachgelesen werden.<br />
1.3 Verfahren zur Liniensuche<br />
Um eine hinreichende Verbesserung der Stellgröße<br />
und damit eine deutliche Reduktion der Kostenfunktion<br />
(1a) in jeder neuen Gradienteniteration zu erzielen, muss<br />
eine geeignete Schrittweite bestimmt werden, siehe Bild<br />
2. Ein Verfahren, das dazu sehr gut geeignet ist, wurde<br />
in [2] vorgestellt. Dabei wird zunächst eine Menge von<br />
drei Stichproben für die Schrittweite gebildet und das<br />
Kostenfunktional (1a) mittels der Strichproben durch ein<br />
quadratisches Polynom approximiert. Anschließend<br />
wird das Minimum der Approximation, und damit eine<br />
geeignete Schrittweite, bestimmt und die Stichprobenmenge<br />
zur Verfolgung des Minimums adaptiert.<br />
Eine alternative Strategie zur Berechnung einer geeigneten<br />
Schrittweite, die ursprünglich in [11] vorgestellt<br />
und in [12] für dynamische Optimierungsprobleme<br />
angepasst wurde, soll an dieser Stelle aufgezeigt<br />
werden, um den Rechenaufwand weiter zu reduzieren.<br />
Die Grundidee ist dabei die Distanz von zwei<br />
aufeinanderfolgenden Aktualisierungen der Stellgröße<br />
zu minimieren, um zwischen zwei Iterationen<br />
der Stellgröße keine zu großen Differenzen zu erhalten.<br />
In der Nähe einer optimalen Lösung soll die Aktualisierung<br />
zudem einen geringeren Einfluss auf die<br />
nächste Iteration ausüben. Das unterlagerte statische<br />
Optimierungsproblem für die Bestimmung einer entsprechenden<br />
Schrittweite ist somit gegeben durch<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
41
HAUPTBEITRAG<br />
mit den Differenzen<br />
(5a)<br />
(5b)<br />
Dabei wird angenommen, dass die gleiche Schrittweite<br />
für beide Aktualisierungen verwendet wird, die Stellgrößenbeschränkungen<br />
(1c) nicht berücksichtigt werden<br />
und keine Störungen auf das System wirken. Die<br />
Minimierung (5a) führt dann auf die folgende Lösung<br />
.(6)<br />
Dieser Lösungsansatz ist in Bild 3 angedeutet und<br />
kann sehr effizient implementiert werden, da nur die<br />
Eingangstrajektorie und der entsprechende Gradient<br />
aus der vorherigen Iteration gespeichert und lediglich<br />
zwei numerische Integrationen durchgeführt werden.<br />
Weiteren ist ein Gewicht mit einer Masse von 0.5 kg<br />
über ein Seil direkt mit der Laufkatze verbunden, das<br />
sich über einen Motor entsprechend auf- und abrollen<br />
lässt. Zur Bestimmung der Wagenposition und der Seillänge<br />
werden Inkrementalgeber mit einer Auflösung<br />
von 2500 Impulsen pro Umdrehung (Laufkatze) beziehungsweise<br />
1000 Impulsen pro Umdrehung (Seil) verwendet.<br />
Zusätzlich wird die Winkelauslenkung des<br />
Seils mit Bezug zum Zentrum des Wagens über einen<br />
weiteren Inkrementalgeber mit 1500 Impulsen pro Umdrehung<br />
erfasst.<br />
Die Zustände , welche die Dynamik der Verladebrücke<br />
beschreiben, sind die Wagenposition und<br />
-geschwindigkeit , die Seillänge und -geschwindigkeit<br />
sowie die Auslenkung und<br />
die zugehörige Winkelrate des Seils. Die Beschleunigung<br />
des Wagens und des Seils dienen<br />
als Stellgrößen für das System. Durch die Verwendung<br />
von schnellen unterlagerten Geschwindigkeitsreglern<br />
kann die Dynamik der Verladebrücke mit Hilfe des<br />
Lagrange-Formalismus wie folgt angegeben werden:<br />
2. SPS-IMPLEMENTIERUNG<br />
In diesem Abschnitt wird die Implementierung des<br />
echtzeitfähigen MPC-Verfahrens auf einer Standard-<br />
SPS diskutiert und anhand eines experimentellen Aufbaus<br />
einer Verladebrücke im Labormaßstab validiert.<br />
2.1 Beschreibung der verwendeten SPS<br />
Das gradientenbasierte MPC-Verfahren wird zusammen<br />
mit der effizienten Schrittweitenbestimmung (6) auf<br />
einer SPS vom Typ CECX-X-C1 von Festo implementiert,<br />
welche über einen Power-PC-Prozessor mit 400 MHz<br />
als CPU-Einheit verfügt. Darüber hinaus werden jeweils<br />
zwei E/A-Module CECX-A-4A4E-V und CECX-C-<br />
2G2 für die Ansteuerung der experimentellen Komponenten<br />
und für die Erfassung von Sensordaten verwendet.<br />
Die Kommunikation zwischen der SPS und einem<br />
herkömmlichen PC erfolgt über einen Ethernet-Anschluss.<br />
Bild 4 zeigt die verwendete SPS, die zur Kommunikation<br />
an einen PC angeschlossen ist. Weitere<br />
Informationen zur SPS und den verwendeten Modulen<br />
können dem Handbuch beziehungsweise der Internet-<br />
Seite von Festo entnommen werden.<br />
2.2 Experimentelle Verladebrücke<br />
Bild 5 zeigt ein Foto und eine schematische Skizze des<br />
experimentellen Aufbaus einer Verladebrücke, die in<br />
diesem Beispiel zur Validierung der modellprädiktiven<br />
Regelung verwendet wird. Am Gerüst des Laborkrans<br />
ist eine Laufkatze montiert, die sich entlang der dargestellten<br />
Führungsschiene bewegen kann und über einen<br />
Zahnriemen mit einem Motor verbunden ist. Des<br />
(7),<br />
wobei die Erdbeschleunigung darstellt. Die berechneten<br />
Stellgrößen (Beschleunigung des Wagens und des<br />
Seils) werden dann integriert und als Eingangsgrößen<br />
an die Geschwindigkeitsregler übergeben.<br />
2.3 Implementierungsdetails<br />
Für die Implementierung des gradientenbasierten MPC-<br />
Reglers auf der SPS wird der Simulink PLC Coder, der<br />
in der verwendeten Matlab 2013a Version zur Verfügung<br />
steht, genutzt. Dieses Werkzeug ermöglicht eine direkte<br />
Generierung von separaten Funktionsbausteinen aus<br />
Matlab/Simulink-Blöcken, wobei die Funktionsbausteine<br />
als strukurierter Text zur Verfügung stehen.<br />
Das in Bild 6 dargestellte Matlab/Simulink-Modell<br />
zeigt die wichtigsten Komponenten der verwendeten<br />
Regelung. Es besteht aus einem Block zur Zustandsrekonstruktion<br />
und dem gradientenbasierten MPC. In<br />
dem Block zur Zustandsrekonstruktion werden die<br />
Signale der Inkrementalgeber verarbeitet und eine Zustandsschätzung<br />
mittels eines erweiterten Kalman-<br />
Filters (EKF) durchgeführt. Der MPC-Algorithmus<br />
selbst ist in einer Matlab-Funktion implementiert. Wie<br />
in Bild 6 zu sehen ist, erhält der Block den aktuellen<br />
Systemzustand (Initialzustand für das Optimierungsproblem<br />
(1)), gewünschte Arbeitspunkte und einen Satz<br />
von Parametern als Eingabe-Argumente. Weitere notwendige<br />
Funktionen für den Betrieb der Verladebrücke<br />
wie eine Reglerfreigabe oder Überwachungsmodule,<br />
werden ebenfalls in Matlab/Simulink-Modellen realisiert<br />
und werden im Beitrag nicht näher behandelt.<br />
42<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
BILD 4: Verwendete SPS<br />
mit PC-Ethernet-Anschluss<br />
BILD 5: Foto und schematische Skizze<br />
der experimentellen Verladebrücke<br />
BILD 6: Matlab/Simulink-Modell des MPC-Funktionsblocks für die SPS<br />
BILD 7:<br />
SPS-Implementierung<br />
des MPC-Reglers<br />
Als Entwicklungsumgebung für die Programmierung der<br />
SPS wurde eine von Festo modifizierte Version der Programmierumgebung<br />
Codesys verwendet. Die generierten Funktionsbausteine<br />
werden dann in einem Hauptprogramm<br />
eingebunden, das einer Task zugeordnet und mit einer festen<br />
Zykluszeit von<br />
betrieben wird und somit einer<br />
Abtastzeit von<br />
entspricht. Bild 7 zeigt die<br />
Implementierung des MPC-Reglers in einer Übersicht.<br />
2.4 Experimentelle Ergebnisse<br />
Für die experimentelle Validierung des modellprädiktiv<br />
geregelten Laborkrans werden die Endkostengewichtung<br />
und der Integralanteil des Kostenfunktionals<br />
(1a) als quadratische Funktionen<br />
(8)<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
43
HAUPTBEITRAG<br />
mit den (positiv semi-definiten) Gewichtungsmatrizen<br />
und<br />
formuliert. Die Nutzung<br />
quadratischer Funktionen (8) für die Formulierung<br />
des Kostenfunktionals (1a) ist ein übliches Vorgehen<br />
zur Forderung einer gewissen Regelgüte einzelner Zustände<br />
und Stellgrößen, da auf diese durch eine geeignete<br />
Gewichtung Einfluss genommen werden kann.<br />
Die Variablen und beschreiben<br />
dabei die Differenz zu einem gewünschten<br />
Arbeitspunkt . Für die numerische Integration<br />
wird ein Euler-Vorwärts-Verfahren mit 16 Diskretisierungspunkten<br />
verwendet und der Prädiktionshorizont<br />
wird zu gesetzt. Diese Wahl ergibt<br />
sich dabei mit Blick auf eine effektive Implementierung<br />
des MPC-Reglers, da so der Prädiktionshorizont<br />
in Kombination mit der Anzahl der Diskretisierungspunkte<br />
ein Vielfaches der Abtastzeit beschreibt. Die<br />
Stellgrößenbeschränkungen (1c) werden zudem zu<br />
gewählt und die Anzahl der Gradienteniterationen<br />
ist .<br />
Im Folgenden wird ein einfacher Arbeitspunktwechsel<br />
des Krans von einem Anfangspunkt<br />
in einen gewünschten Arbeitspunkt<br />
, betrachtet.<br />
In Bild 8 sind die experimentellen Ergebnisse für den<br />
modellprädiktiv geregelten Laborkran dargestellt,<br />
wobei vor dem Arbeitspunktwechsel das Auftreten<br />
einer Störung durch manuelles Auslenken der Masse<br />
demonstriert wird. Das Störszenario und der Arbeitspunktwechsel<br />
sind zur besseren Kenntlichkeit durch<br />
eine vertikal gestrichelte Linie getrennt. Es ist gut zu<br />
erkennen, wie der Regler einer dauerhaften Auslenkung<br />
der Masse entgegenwirkt, indem der Wagen in<br />
Richtung der Störung bewegt und die Seillänge verändert<br />
wird. Nach Freigabe der Masse (das heißt das<br />
System wird nicht mehr gestört, nachdem der Wagen<br />
etwa 40 cm in die jeweilige Richtung gefahren ist)<br />
wird der Schwingung entgegengesteuert und die Verladebrücke<br />
wieder zurück in die Ruhelage geregelt.<br />
Des Weiteren verdeutlichen die Ergebnisse, dass die<br />
zugehörigen Stellgrößen ihre Beschränkungen einhalten.<br />
Die Ergebnisse des Arbeitspunktwechsels zeigen die<br />
gute Regelgüte des verwendeten MPC-Reglers auf. Die<br />
Laufkatze sowie die Seillänge erreichen die gewünschte<br />
Position mit geringem Überschwingen und in knapp<br />
drei Sekunden. Die Rechenzeit für einen MPC-Schritt<br />
des verwendeten Verfahrens liegt im Bereich von einer<br />
Millisekunde und ist damit deutlich unterhalb der Abtast-<br />
beziehungsweise Zykluszeit der SPS.<br />
2.5 Trajektorienplanung<br />
In diesem Abschnitt soll abschließend demonstriert<br />
weden, wie die Regelgüte des modellprädiktiv geregelten<br />
Laborkrans weiter gesteigert werden kann. Dazu<br />
soll vor einem Arbeitspunktwechsel zunächst<br />
eine geeignete Trajektorienplanung durchgeführt und<br />
der MPC-Regler dann zur Verfolgung dieser Trajektorie<br />
genutzt werden. Die Trajektorienplanung hat den zusätzlichen<br />
Vorteil, einen Arbeitspunktwechsel in<br />
einem definierten und endlichen Zeitintervall<br />
zu ermöglichen, anstatt ein asymptotisches Verhalten<br />
zu realisieren, wie ihn ein PID-Regler beispielweise<br />
aufweist.<br />
Eine sehr elegante Methode für eine geeignete Trajektorienplanung<br />
bietet die Theorie der differenziellen<br />
Flachheit [13-15]. Besitzt ein System<br />
einen<br />
flachen Ausgang , so können alle Zustände und<br />
Stellgrößen durch den flachen Ausgang und seinen<br />
Zeitableitungen parametriert werden, das heißt<br />
.<br />
(9a)<br />
.(9b)<br />
Für eine Trajektorienplanung kann zunächst der<br />
flache Ausgang herangezogen werden, um eine Referenztrajektorie<br />
innerhalb eines Intervalls zu<br />
konstruieren, zum Beispiel durch ein hinreichend oft<br />
stetig differenzierbares Polynom. Anschließend können<br />
die entsprechenden Referenztrajektorien für die<br />
Zustände und die Stellgrößen mit Hilfe des flachen<br />
Ausgangs und seiner Zeitableitungen via (9) bestimmt<br />
werden.<br />
Für den Laborkran mit der Dynamik (7) kann nun<br />
gezeigt werden, dass die Position der Last, vergleiche<br />
Bild 5,<br />
(10a)<br />
(10b)<br />
einen flachen Ausgang darstellt, wobei und<br />
in (9) gilt. Die genaue Parametrierung der Zustände<br />
und Stellgrößen wird an dieser Stelle aufgrund<br />
der Komplexität weggelassen. Mit (10) können nun geeignete<br />
Referenztrajektorien und im<br />
Intervall<br />
bestimmt werden und für eine<br />
Trajektorienverfolgung mit Hilfe des MPC-Reglers genutzt<br />
werden.<br />
Die Endkostengewichtung und der Integralanteil<br />
werden für die Berücksichtung der Referenztrajektorien<br />
wie folgt angepasst:<br />
(11)<br />
mit<br />
und<br />
, wobei die Zeitabhängigkeit aus Platzgründen<br />
in (11) weggelassen wurde. Durch das Berücksichtigen<br />
der Referenztrajektorien kann der Prädiktionshorizont<br />
auf<br />
verkürzt werden.<br />
Die Ergebnisse des MPC-Reglers mit Trajektorienplanung<br />
für einen Arbeitspunktwechsel, wie er im vorherigen<br />
Abschnitt betrachtet wurde, und mit der Transitionszeit<br />
sind in Bild 9 dargestellt. Die Referenztrajektorien<br />
sind grau gestrichelt angegeben. Die<br />
44<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
u<br />
u<br />
x<br />
x<br />
u<br />
u<br />
x<br />
x<br />
BILD 8: Experimentelle<br />
Ergebnisse der modellprädiktiv<br />
geregelten<br />
Verladebrücke<br />
t t<br />
t<br />
t<br />
u<br />
u<br />
x<br />
x<br />
u<br />
u<br />
x<br />
x<br />
BILD 9: Experimentelle<br />
Ergebnisse der modellprädiktiven<br />
Regelung<br />
mit flachheitsbasierter<br />
Trajektorienplanung<br />
t<br />
t<br />
t<br />
t<br />
Ergebnisse zeigen eine sehr gute Regelgüte und eine<br />
signifikante Verbesserung im Vergleich zur Regelung<br />
ohne Trajektorienplanung.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
In diesem Beitrag wurde ein echtzeitfähiges modellprädiktives<br />
Regelungsverfahren behandelt, das auf einem<br />
projizierten Gradientenverfahren basiert. Dabei wurde<br />
die Form der Optimalitätsbedingungen der Problemformulierung<br />
in Kombination mit einer festen Anzahl<br />
an Gradienteniterationen für eine effiziente numerische<br />
Berechnung ausgenutzt. Der modellprädiktive Regler<br />
wurde anschließend auf einer Standard-SPS implementiert<br />
und mit Hilfe einer experimentellen Verladebrücke<br />
im Labormaßstab validiert. Um eine verbesserte<br />
Regelgüte zu erreichen, wurde der MPC um eine flachheitsbasierte<br />
Trajektorienplanung erweitert.<br />
Das vorgestellte gradientenbasierte MPC-Verfahren<br />
wurde von den Autoren in die Software GRAMPC integriert,<br />
die unter http://sourceforge.net/projects/<br />
grampc als Open Source Code heruntergeladen werden<br />
kann. GRAMPC beinhaltet ebenfalls eine Matlab/Simulink-Schnittstelle<br />
sowie eine Matlab-GUI zur komfortablen<br />
MPC-Auslegung.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
45
HAUPTBEITRAG<br />
AUTOREN<br />
Zukünftige Forschungsarbeiten befassen sich mit der<br />
zusätzlichen Berücksichtigung von Zustandsbeschränkungen<br />
im MPC-Entwurf. Außerdem soll mit Blick auf<br />
eine schnellere und effizientere Berechnung der MPC-<br />
Algorithmus weiter verbessert werden und geeignete<br />
Strategien für einen einfachen Reglerentwurf erarbeitet<br />
werden.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
18.10.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
DANKSAGUNG<br />
Die präsentierten Ergebnisse wurden im Rahmen<br />
eines Projekts des österreichischen Fonds zur<br />
Förderung der wissenschaftlichen Forschung<br />
(FWF) mit der Projektnummer P21253-N22<br />
erarbeitet. Die Verfasser danken zudem der<br />
Firma Festo Ag & Co. KGund insbesondere<br />
Dr. Alexander Hildebrandt und Martin Ehrle für<br />
die Bereit stellung der verwendeten SPS.<br />
Dipl.-Ing. BARTOSZ KÄPERNICK<br />
(geb. 1985) studierte Elektro- und Informationstechnik<br />
an der Universität<br />
Stuttgart (Diplom 2010) und ist seit Januar<br />
2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik<br />
der Universität Ulm tätig. Sein<br />
Haupt arbeitsgebiet ist die modellprädiktive<br />
Regelung und optimale Trajektorienplanung<br />
für nicht lineare Systeme.<br />
Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik,<br />
Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 41, D-89081 Ulm,<br />
Tel. +49 (0) 731 502 63 05, E-Mail: bartosz.kaepernick@uni-ulm.de<br />
Prof. Dr.-Ing. KNUT GRAICHEN<br />
(geb. 1977) ist Professor am<br />
Institut für Mess-, Regel- und<br />
Mikrotechnik der Universität<br />
Ulm. Seine Hauptarbeits gebiete<br />
sind die optimale und modellprädiktive<br />
Regelung, nichtlineare<br />
Steuerungs- und Regelungsverfahren<br />
sowie schnelle<br />
mechatronische Systeme.<br />
Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik,<br />
Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 41, D-89081 Ulm,<br />
Tel. +49 (0) 731 502 63 04, E-Mail: knut.graichen@uni-ulm.de<br />
REFERENZEN<br />
[1] Ohtsuka, T.: A continuation/GMRES method for fast computation<br />
of nonlinear receding horizon control. Automatica 40(4),<br />
S. 563-574, 2004<br />
[2] Graichen, K., Egretzberger, M., Kugi, A.: Ein suboptimaler Ansatz<br />
zur schnellen modellprädiktiven Regelung nichtlinearer Systeme.<br />
at-Automatisierungstechnik 58(8), S. 447-456, 2010<br />
[3] Houska, B., Ferreau, H.J., Diehl, M.: An auto-generated real-time<br />
iteration algorithm for nonlinear MPC in the microsecond range.<br />
Automatica 47(10), S. 2279-2285, 2011<br />
[4] Valencia-Palomo, G., Rossiter, J.A.: Efficient suboptimal parametric<br />
solutions to predictive control for PLC applications. Control <strong>Engineering</strong><br />
Practice 19(7), S. 732-743, 2011<br />
[5] Huyck, B., Ferreau, H.J., Diehl, M., De Brabanter, J., Van Impe, J.F.M.,<br />
De Moor, B., Logist, F.: Towards Online Model Predictive Control on a<br />
Programmable Logic Controller: Practical Considerations.<br />
Mathematical Problems in <strong>Engineering</strong> 2012, S. 1-20, 2012<br />
[6] Mayne, D.Q., Rawlings, J.B., Rao, C.V., Scokaert, P.O.M: Contrained<br />
model predictive control: Stability and optimality. Automatica 36(6),<br />
S. 789-814, 2000<br />
[7] Grüne, L., Pannek, J.: Nonlinear Model Predictive Control – Theory<br />
and Algorithms. London, Springer-Verlag 2011<br />
[8] Dunn, J.C.: On sufficient conditions and the gradient projection<br />
method for optimal control problems. SIAM Journal on Control and<br />
Optimization 34(4), S. 1270-1290, 1996<br />
[9] Papageorgiou, M., Leibold, M., Buss, M.: Optimierung<br />
– Statische, dynamische, stochastische Verfahren für die<br />
Anwendung. Berlin. Springer-Verlag 2012<br />
[10] Graichen, K., Kugi, A.: Stability and incremental improvement<br />
of suboptimal MPC without terminal constraints.<br />
IEEE Transactions on Automatic Control 55(11),<br />
S. 2576-2580, 2010<br />
[11] Barzilai, J., Borwein, J.M.:Two-point step size gradient<br />
method. IMA Journal of Numerical Analysis 8(1),<br />
S. 141-148, 1988<br />
[12] Käpernick, B., Graichen, K.: Model predictive control of<br />
an overhead crane using constraint substitution.<br />
Proceedings of the 2013 American Control Conference,<br />
S. 3979-3984, 2013<br />
[13] Fliess, M., Lévine, J., Martin, P., Rouchon, P.: Flatness<br />
and defect of nonlinear systems: introductory theory and<br />
examples. International Journal of Control 61(6),<br />
S. 1327-1361, 1995<br />
[14] Rothfuß, R., Rudolph, J., Zeitz, M.: Flachheit: Ein neuer<br />
Zugang zur Steuerung und Regelung nichtlinearer Systeme.<br />
at-Automatisierungstechnik 45(11), S. 517-525, 1997<br />
[15] Hagenmeyer, V., Zeitz, M.: Flachheitsbasierter Entwurf<br />
von linearen und nichtlinearen Vorsteuerungen.<br />
at-Automatisierungstechnik 52(1), S. 3-12, 2004<br />
46<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
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Band 4 –<br />
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Hrsg. F. Schiller, 1. Auflage 2010, 146 Seiten, Broschur<br />
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dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.<br />
PAATPK2014
HAUPTBEITRAG<br />
Advanced Process Control<br />
in der industriellen Praxis<br />
Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Lösung<br />
Kontinuierliche Prozesse in der chemischen Industrie werden so betrieben, dass ein<br />
Anlagenfahrer einschleifige Regelkreise durch Sollwertvorgaben aufeinander abstimmt.<br />
Ein konstanter Betrieb an einem optimalen Punkt ist so nicht möglich, lässt<br />
sich aber durch gehobene Regelungsverfahren (advanced process control/APC) erreichen.<br />
Der Beitrag beschreibt die erfolgreiche Durchführung eines APC-Projektes<br />
und stellt die Ergebnisse dar. Die Erfahrungen zeigen, dass die Amortisierungszeit<br />
eines APC-Projektes zum Teil bei deutlich unter einem Jahr liegt.<br />
SCHLAGWÖRTER Prozessführung / Advanced Process Control / modellprädiktive<br />
Regelung<br />
Advanced Process Control in Industrial Applications –<br />
Key Aspects for a Sustainable Solution<br />
Continuous processes in the chemicals industry are typically controlled by an operator,<br />
who adjusts set values for various single-loop control systems. However, constant<br />
operation at an optimum point cannot be achieved in this way. Methods of<br />
advanced process control (APC) can offer a solution. A successful APC project is<br />
described and the results are presented. The experience shows that APC projects<br />
can in some cases pay off within one year.<br />
KEYWORDS process operation and control / advanced process control / model<br />
predictive control<br />
48<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
ANJA BRUNBERG, BENJAMIN SCHRAMM, MICHAEL KAWOHL, UWE PIECHOTTKA,<br />
Evonik Industries<br />
Verfahrenstechnische Produktionsanlagen in<br />
der chemischen Industrie unterliegen vielen<br />
Einflussfaktoren. Hohe Anforderungen<br />
an Prozessverfügbarkeit und Flexibilität,<br />
ebenso steigende Qualitäts-, Umweltverträglichkeits-<br />
und Rentabilitätsanforderungen sind<br />
nur einige Beispiele hierfür. Folglich müssen die<br />
Prozesse kontinuierlich verbessert werden. Dabei<br />
sind intelligente Verfahren in der Automatisierungstechnik,<br />
wie gehobene Regelungs- und Prozessführungsstrategien,<br />
essenzielle Werkzeuge. Diese Methoden<br />
werden als Advanced Process Control (APC)<br />
bezeichnet [1‐4].<br />
Die APC-Verfahren sind insbesondere dort zu bevorzugen,<br />
wo größere Apparate, zum Beispiel Kolonnen<br />
oder Teilanlagen mit vielen Stell- und Regelgrößen<br />
sowie systeminternen Kopplungen mit Hilfe<br />
mehrerer einschleifiger Regelungen im Wesentlichen<br />
über eine manuelle Sollwertvorgabe durch Anlagenfahrer<br />
betrieben werden [2].<br />
Die erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung entsprechender<br />
Projekte zur Implementierung gehobener<br />
regelungstechnischer Methoden hängt von<br />
verschiedenen Einflussfaktoren ab, elementar ist<br />
jedoch die frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung<br />
der Betriebsmannschaft. Das bei Anlagenfahrern,<br />
Meistern und der Betriebsleitung vorhandene<br />
Wissen über den Prozess und seinen Betrieb wird<br />
in allen Stufen der Projektdurchführung benötigt.<br />
Es muss unter anderem bei der Planung und Durchführung<br />
von Anlagenversuchen, der Entwicklung<br />
einer Regelungsstruktur und dem Einstellen von<br />
Parametern an der fertigen Anwendung genutzt<br />
werden. Gleichzeitig können eventuelle Ängste<br />
und Vorbehalte frühzeitig erkannt und abgebaut<br />
werden [2‐5].<br />
In diesem Beitrag wird ein typisches APC-Projekt<br />
mit Hilfe kommerzieller Software (APC-State-<br />
Space-Controller der Firma AspenTech [6]) erläutert.<br />
Anhand dieses Beispiels werden die technischen<br />
und die betrieblichen Einflussfaktoren herausgearbeitet.<br />
1. MOTIVATION<br />
1.1 Typische Regelungsaufgabe der chemischen<br />
Industrie<br />
Destillationskolonnen sind häufig vorkommende Apparate<br />
eines Prozesses in der chemischen Industrie. Bild 1<br />
zeigt einen typischen Aufbau einer solchen Kolonne.<br />
Prozesse dieser Art werden meist manuell von den Anlagenfahrern<br />
betrieben. Dies bedeutet, dass viele einschleifige<br />
Durchflussregelkreise aufgebaut sind; im Beispiel<br />
von Bild 1 für den Zulauf in die Kolonne, die Destillatmenge,<br />
den Rücklauf, den Sumpfabgang und die<br />
Dampfmenge. Der Anlagenfahrer gibt auf Basis der Betriebsanweisung<br />
sowie seiner Erfahrung und Prozesskenntnis<br />
Sollwerte für diese Durchflussregelkreise vor.<br />
Dabei wird der Anlagenfahrer oft durch weitere einschleifige<br />
Regelkreise unterstützt. In Bild 1 werden der<br />
Füllstand der Kolonne und des Destillatbehälters in<br />
Füllstand-Durchfluss-Kaskaden geregelt. Zudem wird<br />
der Sollwert der Rücklaufmenge im Verhältnis zum Zulauf<br />
automatisch angepasst.<br />
Ziel der in Bild 1 gezeigten Anlage ist die Reinigung<br />
des Zulaufs. Das gereinigte Produkt befindet sich im<br />
Sumpf. Dadurch ergeben sich folgende Rahmenbedingungen<br />
für eine Regelung:<br />
Die Verunreinigung in Sumpf darf ein vorgegebenes<br />
Maximum nicht überschreiten,<br />
der Anteil des Produkts im Destillat soll minimal<br />
sein,<br />
die Füllstände im Kolonnensumpf und im Destillatbehälter<br />
müssen sich in vorgegebenen Bereichen<br />
bewegen.<br />
Die Sumpftemperatur darf ein Maximum nicht<br />
überschreiten (Möglicher Zerfall beziehungsweise<br />
Bildung von Nebenkomponenten aus dem Produkt).<br />
Der maximale Kolonnendifferenzdruck darf nicht<br />
überschritten werden (Maß für die Kolonnenlast).<br />
Menge und Zusammensetzung des Zulaufs wirken als<br />
Störgrößen für diesen Prozess: Die Zulaufmenge wird<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
49
HAUPTBEITRAG<br />
entsprechend den aktuellen Erfordernissen im vorangehenden<br />
Anlagenteil vorgegeben; gleichzeitig können<br />
kontinuierlich Schwankungen in der Zulaufkonzentration<br />
auftreten.<br />
2. REGELUNGSTECHNISCHE BETRACHTUNG<br />
2.1 Konventioneller Betrieb des Beispielprozesses<br />
Systemtheoretisch stellt der betrachtete Prozess ein<br />
Mehrgrößensystem mit mehreren Eingangsgrößen<br />
(Stell- und Störgrößen) sowie mehreren Ausgangsoder<br />
Regelgrößen dar [3]. Der Anlagenfahrer erfüllt<br />
durch die Vorgabe von Sollwerten für die unterlagerten<br />
Regelkreise die Aufgaben eines übergeordneten<br />
Reglers. Allerdings sind die Aufgabenstellung und die<br />
verschiedenen Kopplungen zwischen Ein- und Ausgangsgrößen<br />
des Systems zu komplex, um von einem<br />
Menschen dauerhaft in einem optimalen Punkt betrieben<br />
zu werden.<br />
Im Beispiel haben die Füllstände im Kolonnensumpf<br />
und im Destillatbehälter für die Anlagenfahrer eine<br />
höhere Relevanz als die Konzentrationsmessungen im<br />
Sumpf- und Destillatstrom. Dies ist typisch, da sich<br />
Änderungen in den Niveaus meist schneller zeigen und<br />
direkter auf eine Ursache zurückverfolgbar sind, während<br />
Konzentrationsänderungen oftmals verzögert auftreten<br />
oder festgestellt werden.<br />
Die Folge ist ein breit gestreuter Betriebsbereich, wie<br />
in Bild 2 dargestellt. Da zudem ein solches komplexes<br />
System manuell nicht präzise von einem Betriebspunkt<br />
zu einem anderen Betriebspunkt gefahren<br />
werden kann, und da die Auswirkungen etwaiger<br />
Störungen berücksichtigt werden müssen, liegt dieser<br />
Betriebsbereich stets in einem hinreichend großen<br />
Abstand zu den zulässigen Anlagengrenzen. Diese<br />
sind in Bild 2 durch die schraffierten Grenzen links<br />
und unten angedeutet. Da die Anlagenfahrer außerdem<br />
ihre Aufmerksamkeit in der Regel mehreren<br />
Anlagen widmen müssen, sind sie bestrebt, die<br />
Anlage in hinreichend großer Entfernung von den<br />
Anlagengrenzen zu betreiben.<br />
2.2 Vorteile des Betriebs mit Mehrgrößenregelung<br />
Eine Mehrgrößenregelung ist im Gegensatz dazu in der<br />
Lage, den Betriebsbereich des Prozesses deutlich einzuschränken,<br />
siehe Bild 3. Zudem ist es mit einer Mehrgrößenregelung<br />
möglich, gezielt einzelne Betriebspunkte<br />
anzufahren, sofern dies die eventuell vorhandenen<br />
Störungen zulassen.<br />
Dadurch, dass nicht nur die Streuung des Betriebsbereichs<br />
verringert wurde, sondern auch einzelne Betriebspunkte<br />
präziser angefahren werden können, lässt<br />
sich der Sicherheitsabstand zu den Anlagengrenzen<br />
verringern. In der Folge kann, wie in Bild 3 dargestellt,<br />
der Arbeitspunkt des Prozesses näher an die Grenzen<br />
verschoben werden. Dieser Schritt beinhaltet eine Optimierung<br />
hin zu den bekannten Prozessgrenzen und<br />
gegebenenfalls in der Folge eine Aufweitung dieser<br />
Grenzen, die in einer manuellen Fahrweise nicht möglich<br />
wäre.<br />
2.3 Betrieb des Beispielprozesses mit APC<br />
Die Anwendung einer Mehrgrößenregelung kombiniert<br />
mit einer Optimierung hin zu vorgegebenen Prozessgrenzen<br />
oder Zielgrößen fällt in den Bereich der gehobenen<br />
Regelungsverfahren.<br />
Am Beispielprozess lässt sich, wie in Bild 4 gezeigt,<br />
durch eine Darstellung von Betriebspunkten aus der<br />
Vergangenheit (bei konventioneller Fahrweise durch<br />
die Anlagenfahrer) abschätzen, welche Einsparungen<br />
durch APC möglich sind. Das Bild verdeutlicht entsprechend<br />
der in Abschnitt 2.1 beschriebenen konventionellen<br />
Fahrweise eine Häufung von Betriebspunkten<br />
in bestimmten Bereichen sowie einige Ausreißer. Die<br />
Erfahrung zeigt, dass mit APC die Streuung des Betriebsbereichs<br />
und damit Produktverlust und Energieverbrauch<br />
deutlich verringert werden können. Das<br />
Vorgehen sowie die erzielten Ergebnisse werden in den<br />
folgenden Abschnitten erläutert.<br />
Die modellprädiktive Regelung umfasst eine Klasse<br />
von Regelungsalgorithmen, die ein dynamisches Modell<br />
des zu regelnden Prozesses verwenden, um eine<br />
Vorhersage des Prozessverhaltens zu berechnen. Auf<br />
der Basis dieser Prädiktion wird prozessbegleitend im<br />
Betrieb zu festgelegten Zeitschritten eine Optimierungsrechnung<br />
durchgeführt, die die Stellgrößenänderungen<br />
ergibt, die zu optimalen Ausgangsgrößenverläufen<br />
führen [5].<br />
Bild 5 zeigt den Aufbau des verwendeten APC-Ansatzes,<br />
der in die Klasse der modellprädiktiven Regelungsverfahren<br />
fällt. Wesentlicher Bestandteil des<br />
Ansatzes ist ein dynamisches Modell des Prozesses.<br />
Dieses Modell ist ein an einem typischen Arbeitspunkt<br />
des Prozesses aufgenommenes lineares Modell<br />
des normalerweise nichtlinearen Prozesses. Es wird<br />
auf Basis von sprungförmigen Änderungen der Stellgrößen<br />
ermittelt. Im Beispiel handelt es sich dabei um<br />
ein zeitdiskretes Zustandsraummodell. Im Filter werden<br />
Störkanäle für alle unbekannten Störungen und<br />
Modellungenauigkeiten definiert. Der Optimierer erhält<br />
Kosten für Energie, Produktverluste und Produktverunreinigungen<br />
sowie Grenzen für Stell- und<br />
Regelgrößen als Nebenbedingungen für das Optimierungsproblem.<br />
Im Regler wird vorgegeben, wie die<br />
dynamische Bewegung des Prozesses zum berechneten<br />
optimalen Betriebspunkt erfolgen soll. Dies geschieht<br />
zum Beispiel über die Gewichtung des Einflusses<br />
der Stellgrößen sowie die Limitierung der<br />
Änderungsgeschwindigkeit einer Stellgröße. Anhand<br />
dieser Vorgaben wird im Regler ein weiteres Optimierungsproblem<br />
gelöst und so die optimale Stellgrößen-<br />
Folge zum Erreichen des neuen Betriebspunkts be-<br />
50<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
FFC-21<br />
PC-23<br />
B-2<br />
LC-22<br />
FC-23<br />
T-21<br />
T-22<br />
T-23<br />
K-2<br />
PD-21<br />
FC-21<br />
FC-22<br />
BILD 2: Gebiet,<br />
in dem sich ein<br />
Prozess bei<br />
konventioneller<br />
Fahrweise bewegt.<br />
Q-21<br />
T-24<br />
FC-24<br />
T-25<br />
FC-25<br />
BILD 1: Regelung einer Destillationskolonne als Beispiel für die<br />
Regelung eines Mehrgrößensystems in der Prozessindustrie<br />
LC-21<br />
Q-22<br />
BILD 3: Gebiet,<br />
in dem sich ein<br />
System mit einem<br />
Mehrgrößenregler<br />
bewegt, und<br />
Annäherung an<br />
die bekannten<br />
Prozessgrenzen.<br />
Externe<br />
Vorgaben<br />
Produktverluste<br />
Optimierer Regler Prozess<br />
Wo soll der Prozess<br />
betrieben werden?<br />
optimaler<br />
Betriebspunkt<br />
Wie kommt der<br />
Prozess dort hin?<br />
Dynamik des<br />
geregelten Prozesses<br />
Modell<br />
Wo befindet sich der<br />
Prozess aktuell?<br />
Und wohin bewegt er sich?<br />
Spezifischer Energieverbrauch<br />
Filter<br />
BILD 4: Gebiet, in dem sich eine reale Anlage bei<br />
konventioneller Fahrweise bewegt hat.<br />
BILD 5: Aufbau des verwendeten<br />
APC-Ansatzes, vergleiche [2]<br />
rechnet. Das Verfahren wird in [6] im Detail beschrieben.<br />
Eine umfassende Übersicht über Aufbau und<br />
Funktion verschiedener kommerziell erhältlicher<br />
MPC-Software für prozesstechnische Anwendungen<br />
ist zudem in [5] dargestellt.<br />
Identisch zur ursprünglichen konventionellen Prozessführung<br />
werden durch eine solche APC-Anwendung<br />
Sollwerte für eine unterlagerte Basisregelung<br />
vorgegeben, zum Beispiel eine Durchflussregelung für<br />
den Dampf. Die Regelgrößen umfassen zum einen Größen,<br />
die ein Maß für die zu optimierenden Größen<br />
sind; dies kann beispielweise der spezifische Energieverbrauch<br />
sein. Zum anderen sind kritische Größen<br />
wie Füllstände, Temperaturen oder Drücke Teil der<br />
Regelgrößen, damit ein optimaler Betriebspunkt innerhalb<br />
der bestehenden Anlagengrenzen erreicht wird.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
51
HAUPTBEITRAG<br />
3. PROJEKTABLAUF<br />
3.1 Lebenszyklus eines APC-Projektes<br />
In Abschnitt 2.2 wurde erläutert, wie sich bereits in<br />
der Betrachtung historischer Betriebspunkte eines<br />
Prozesses das Potenzial und damit der finanzielle Nutzen<br />
des Einsatzes von APC abschätzen lässt. Der gesamte<br />
Lebenszyklus eines APC-Projektes umfasst jedoch<br />
weitere Schritte, die sich in fünf Phasen unterteilen<br />
lassen [1]:<br />
Abschätzen des Nutzens und der Kosten eines APC-<br />
Projektes vor Start dieses Projektes<br />
Implementierung der APC-Anwendung<br />
Analyse der mit APC erreichten Performance<br />
Überwachung und Wartung bestehender APC-Anwendungen<br />
während des Betriebs<br />
Regelmäßige Neubewertung der Betriebsbedingungen<br />
und der Performance und gegebenenfalls<br />
Anpassung der APC-Anwendung an geänderte Betriebsbedingungen<br />
3.2 Vorgehen bei Implementierung einer APC-Anwendung<br />
Die meisten APC-Verfahren, wie die in diesem Beispiel<br />
betrachtete modellprädiktive Regelung, laufen in deutlich<br />
langsameren Zeitintervallen ab als beispielsweise<br />
eine Durchflussregelung. Zudem erfüllen APC-Anwendungen<br />
normalerweise die Aufgaben einer überlagerten<br />
Regelung. Häufig verwendete Abtastzeiten liegen<br />
im Bereich von Minuten. In der Automatisierungspyramide,<br />
wie in Bild 6 dargestellt, liegen sie daher an<br />
einer Schnittstelle zwischen Prozessleit- und Betriebsleitebene<br />
[3].<br />
Auf Grund der notwendigen hohen Rechenleistung<br />
erfolgt die Implementierung normalerweise nicht als<br />
Teil des bestehenden Prozessleitsystems (PLS), sondern<br />
auf separaten Rechnern. Anbieter von Software für<br />
APC-Anwendungen, die über kein eigenes Leitsystem<br />
verfügen, haben keine andere Möglichkeit, als solche<br />
Anwendungen auf separaten Rechnern zu realisieren.<br />
Die Anbindung der APC-Rechner an das Leitsystem<br />
erfolgt über eine OPC-Schnittstelle (object linking and<br />
embedding for process control). Obwohl die OPC-<br />
Schnittstelle über Standards beschrieben ist, wird die<br />
Kopplung von zwei verschiedenen Systemen unter den<br />
Rahmenbedingungen eines konzernweiten IT-Sicherheitskonzepts<br />
entsprechende Aufmerksamkeit erfordern<br />
und gegebenenfalls angepasst werden müssen. Die<br />
mit einer externen APC-Anwendung verbundene Notwendigkeit,<br />
auf Sollwerte im Leitsystem schreiben zu<br />
müssen, erfordert häufig, Richtlinien in den betroffenen<br />
Bereichen zu ändern.<br />
Nach der erfolgreichen Bereitstellung einer Hardund<br />
Softwareumgebung beinhaltet der nächste<br />
Schritt eine Überprüfung und ein Tuning der vorhandenen<br />
Basisautomatisierung. Zunächst muss dazu<br />
untersucht werden, ob die vorhandene Messtechnik<br />
ausreicht und richtig arbeitet. Als nächstes wird geprüft,<br />
ob die Stellglieder in sinnvollen Bereichen arbeiten.<br />
Probleme, die an dieser Stelle auftreten, müssen<br />
behoben werden, bevor weitere Schritte im Projekt<br />
anstehen.<br />
Wie in Abschnitt 2 beschrieben, bleiben beispielsweise<br />
Durchflussregler als unterlagerte Regler erhalten.<br />
Weitere Regler, die nicht direkt Teil der übergeordneten<br />
Regelungsstrategie sein werden, sind zum Beispiel häufig<br />
Regler für den Druck in einer Kolonne. Die Funktion<br />
dieser Regler muss überprüft und wenn nötig durch<br />
Neueinstellung verbessert werden. In manchen Fällen<br />
macht es zudem Sinn, die Struktur der vorhandenen<br />
Basisregelung zu hinterfragen und anzupassen.<br />
Durch die Überprüfung und Verbesserung der Basisautomatisierung<br />
entsteht bereits beim Projektbeginn<br />
ein enger Austausch zwischen APC-Ingenieuren,<br />
der Abteilung für Elektro-, Mess- und Regelungstechnik<br />
und den Anlagenfahrern. Dieser Kontakt muss<br />
genutzt werden, um ein gutes Prozessverständnis zu<br />
erlangen. Dies ist essenziell, um den am besten geeigneten<br />
APC-Ansatz auszuwählen, da die jahrelange<br />
Erfahrung der Betriebsmannschaft mit dem Prozess<br />
wichtige Hinweise gibt, wie der Prozess betrieben<br />
werden sollte und wo mögliche Probleme liegen.<br />
Gleichzeitig müssen die Anlagenfahrer möglichst<br />
frühzeitig über die Ziele des Projekts und ihre Rolle<br />
dabei informiert werden.<br />
Der direkte Nutzen von APC für die Anlagenfahrer<br />
kann sich dabei vom Nutzen für beispielsweise den<br />
Betriebsleiter unterscheiden, da sich für die Anlagenfahrer<br />
deutlich stärker bemerkbar macht, dass mit APC<br />
die Anlage ruhiger läuft, das heißt an einem definierten<br />
Betriebspunkt bleibt. Eine merkliche Einsparung von<br />
Dampf pro Jahr liegt dagegen eher im Interesse des Betriebsleiters.<br />
Im Bezug auf die Ziele der APC-Anwendung ist es<br />
wichtig, zu betonen, dass APC zwar die Regelung und<br />
Optimierung im Normalbetrieb der Anlage übernimmt,<br />
den Anlagenfahrern aber immer noch eine Überwachungsfunktion<br />
und gegebenenfalls die Anpassung von<br />
ausgewählten Parametern zufällt. Die Anlagenfahrer<br />
sind ebenso für das An- und Abfahren und den Betrieb<br />
bei außergewöhnlichen Situationen zuständig, da typische<br />
APC-Anwendungen, wie die vorgestellte modellprädiktive<br />
Regelung, hierfür nicht ausgelegt sind.<br />
Den nächsten Schritt in der Implementierung der<br />
APC-Anwendung bilden Anlagenversuche, auch<br />
Sprungversuche genannt. Diese werden in enger Abstimmung<br />
mit den Anlagenfahrern durchgeführt. So<br />
können Vertrauen und Akzeptanz der neuen Technologie<br />
schon vor der Fertigstellung aufgebaut werden.<br />
Vor allem lässt sich die Prozesskenntnis der Anlagenfahrer<br />
nutzen, um<br />
eine ausreichend große Sprunghöhe auszuwählen,<br />
damit in den Zielgrößen Änderungen beobachtet<br />
werden können,<br />
52<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
ein Verletzen von Grenzwerten oder Erreichen von<br />
Stellbegrenzungen durch zu hohe Sprunghöhen zu<br />
vermeiden,<br />
die Sprungversuche so durchzuführen, dass der<br />
Produktionsablauf möglichst wenig gestört wird.<br />
Weiterhin müssen mehrere Sprünge mit unterschiedlicher<br />
Sprunghöhe und unterschiedlichem Vorzeichen<br />
durchgeführt werden. Zudem ist darauf zu achten,<br />
dass nach dem Aufbringen eines Sprungs gewartet<br />
wird, bis erneut ein stationäres Verhalten der<br />
Zielgrößen erreicht ist, bevor ein weiterer Sprung<br />
begonnen wird. Hektik oder Zeitdruck führen zu<br />
schlechten Modellen und damit zu einem nicht optimalen<br />
Ergebnis.<br />
Im nächsten Schritt wird die eigentliche APC-Anwendung<br />
entwickelt. Dazu werden zunächst aus den<br />
Daten der Sprungversuche Modelle identifiziert. Dabei<br />
ist es wesentlich, die modellierten Teilsysteme<br />
aufeinander abzustimmen. Anschließend erfolgt die<br />
Einstellung von Regler und Optimierer durch Festlegung<br />
von Größen wie Grenzwerten, Zielwerten, Kosten<br />
oder erlaubten Änderungsgeschwindigkeiten.<br />
Diese Einstellungen sind zunächst grobe Einstellungen,<br />
mit denen die grundsätzliche Funktionsweise<br />
des Reglers, zum Beispiel in Offline-Simulationen,<br />
getestet werden kann.<br />
Der letzte Schritt vor der Inbetriebnahme ist die<br />
Konfiguration des Leitsystems. Nur wenn eine Reihe<br />
von Bedingungen erfüllt ist, kann und darf der<br />
überlagerte Regler die berechneten Werte für Zulauf,<br />
Dampf, Rücklauf, Destillat und Sumpfabgang<br />
auf die Sollwerteingänge der unterlagerten Regler<br />
im Leitsystem schreiben. Diese Bedingungen umfassen:<br />
Der Ein-Schalter der APC-Anwendung muss betätigt<br />
worden sein.<br />
Die Schnittstelle zwischen Leitsystem und APC-<br />
Anwendung muss funktionieren, das heißt sie<br />
muss im geforderten Zeittakt Daten in beide Richtungen<br />
übertragen.<br />
Prozess- oder leitsystemspezifische Einschaltbedingungen<br />
müssen beim Einschalten erfüllt sein.<br />
Prozess- oder leitsystemspezifische Betriebsbedingungen<br />
müssen während des Normalbetriebs erfüllt<br />
sein.<br />
Eine Einschaltbedingung ist zum Beispiel, dass ein<br />
unterlagerter Durchflussregler bereits im Modus Automatik<br />
betrieben wird, damit beim Einschalten die Abweichung<br />
zwischen Soll- und Istwert möglichst gering<br />
ist. Beim Einschalten erfolgt dann eine Modusänderung<br />
dieses Reglers, und während des Normalbetriebs<br />
wird dann in den Betriebsbedingungen überwacht, ob<br />
der Regler im Betriebsmodus Extern ist. Eine weitere<br />
allgemeine Betriebsbedingung kann beispielsweise die<br />
Überwachung des Kolonnendrucks sein.<br />
Neben dem Aufbau der Umschalt- und Überwachungslogik<br />
im Leitsystem empfiehlt sich eine Integration<br />
der APC-Anwendung in die gewohnte Bedienungsund<br />
Beobachtungsoberfläche für den Anlagenfahrer.<br />
3.3 Inbetriebnahme und Schulung<br />
Nach Abschluss aller Implementierungsarbeiten<br />
kann die APC-Anwendung in Betrieb genommen<br />
werden. Dabei wird die bisher nur grob eingestellte<br />
Regelung und Optimierung durch Beobachtung des<br />
Prozesses und der Vorhersage durch den modellprä-<br />
BILD 6: Einordnung von APC in die<br />
Automatisierungspyramide und Zykluszeiten<br />
ohne APC<br />
mit APC<br />
Vorgaben<br />
Optimierter<br />
Betriebspunkt<br />
APC<br />
Basisautomatisierung<br />
Unternehmensleitebene<br />
Betriebsleitebene<br />
Prozessleitebene<br />
Produktverluste<br />
Sensoren, Aktoren<br />
Feldebene<br />
Spezifischer Energieverbrauch<br />
BILD 7: Betrieb des Beispielprozesses mit APC<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
53
HAUPTBEITRAG<br />
diktiven Regler und vorsichtiges Nachstellen der<br />
Parameter iterativ fein eingestellt. Auch dieser Prozess<br />
erfordert Zeit, da manche Effekte sich nicht direkt<br />
auswirken.<br />
Bei der Inbetriebnahme einer solchen überlagerten<br />
Regelung ist die erneute Information aller Beteiligten<br />
über die Ziele und die Funktion der implementierten<br />
APC-Anwendung sehr wichtig. Insbesondere die Anlagenfahrer<br />
müssen für die Bedienung der gehobenen<br />
Regelung geschult werden [2, 4, 5]. Sie müssen wissen,<br />
wie sie die APC-Anwendung ein- und ausschalten können,<br />
unter welchen Bedingungen die Anwendung betrieben<br />
werden kann und wie sich Grenzwerte oder<br />
Zielwerte an aktuelle Betriebs- oder Produktionsvorgaben<br />
anpassen lassen.<br />
Die hierfür notwendige Information und Eingriffsmöglichkeiten<br />
können entweder ins Prozessleitsystem<br />
integriert, oder aber vollständig über eine separate Software<br />
auf einem separaten Rechner dem Anlagenfahrer<br />
zugänglich gemacht werden. Welche Lösung gewählt<br />
wird, sollte mit allen Projektbeteiligten gemeinsam getroffen<br />
werden, da sich so die Akzeptanz der neuen<br />
Technologie erhöht.<br />
4. ERGEBNISSE<br />
Bild 7 zeigt ein Ergebnis der APC-Anwendung für den<br />
beschriebenen Beispielprozess. Es ist ersichtlich, dass<br />
der modellprädiktive Regler den Prozess in einem engen<br />
Bereich in der Nähe eines optimalen Punktes halten<br />
kann. So können Produktverluste und Energieverbrauch<br />
verringert werden.<br />
Der in Abschnitt 3.1 vorgestellte Lebenszyklus einer APC-<br />
Anwendung sieht nach der Implementierung neben der<br />
Überprüfung des Nutzens eine kontinuierliche Überwachung<br />
der Funktion vor, um die Nachhaltigkeit der Anwendung<br />
zu gewährleisten. Sinnvoll ist hierfür eine Vor-Ort-<br />
Betreuung. Diese muss nicht durch den Prozessführungsspezialisten<br />
erfolgen, der die APC-Anwendung entwickelt<br />
hat. Der Betreuer sollte jedoch regelmäßig die Funktion der<br />
Anwendung überprüfen und in der Lage sein, bei Problemen<br />
eine erste Analyse durchzuführen und kleinere Probleme<br />
selber oder mit Unterstützung durch den APC-Experten<br />
zu beheben. So lässt sich erreichen, dass eine APC-Anwendung<br />
zu mehr als 90 % der Zeit aktiv ist. Dies wiederum<br />
bildet die Voraussetzung, um die vor Projektbeginn ausgewiesenen<br />
Einsparmöglichkeiten tatsächlich zu erreichen.<br />
AUTOREN<br />
Dr.-Ing. ANJA BRUNBERG (geb. 1980) ist Mitarbeiterin in der<br />
Gruppe Automation and Process Analytical Technology im<br />
Bereich Process Technology and <strong>Engineering</strong> der Evonik<br />
Industries AG. Ihren Arbeitsschwerpunkt bildet die Realisierung<br />
von gehobenen Prozessführungsstrategien. Nach dem<br />
Studium der Elektrotechnik an der TU Braunschweig und der<br />
University of Rhode Island promovierte sie am Institut für<br />
Regelungstechnik der RWTH Aachen.<br />
Evonik Industries AG,<br />
TE-VT-C, Postbereich 14, Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />
Tel. +49 (0) 2365 49 49 98, E-Mail: anja.brunberg@evonik.com<br />
Dipl.-Ing. BENJAMIN SCHRAMM (geb. 1978) ist Mitarbeiter in<br />
der Gruppe Automation and Process Analytical Technology im<br />
Bereich Process Technology and <strong>Engineering</strong> der Evonik<br />
Industries AG. Seine Arbeitsfelder umfassen die Implementierung<br />
von gehobenen Regelungsstrategien, die Entwicklung von<br />
automatischen Anfahrprozeduren für komplexe Anlagen, die<br />
Modellierung von Softsensoren, sowie die Ermittlung von<br />
wirtschaftlichen Potenzialen durch den Einsatz von Advanced<br />
Process Control. Sein Diplomstudium der Informationstechnik<br />
im Maschinenwesen mit Schwerpunkt Prozesssystemtechnik<br />
absolvierte er an der Technischen Universität Berlin.<br />
Evonik Industries AG,<br />
TE-VT-C, Postbereich 14, Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />
Tel. +49 (0) 2365 498 63 78, E-Mail: benjamin.schramm@evonik.com<br />
Dipl.-Ing. MICHAEL KAWOHL (geb. 1975) ist Mitarbeiter<br />
in der Gruppe Automation and Process<br />
Analytical Technology im Bereich Process Technology<br />
and <strong>Engineering</strong> der Evonik Industries AG. Er<br />
studierte Informationstechnik im Maschinenwesen<br />
an der Technischen Universität Berlin. Seinen<br />
Arbeitsschwerpunkt bildet die Realisierung von<br />
gehobenen Prozessführungsstrategien.<br />
Evonik Industries AG,<br />
TE-VT-C, Postbereich 14,<br />
Paul-Baumann-Straße 1, D-45772 Marl,<br />
Tel. +49 (0) 2365 49 52 29,<br />
E-Mail: michael.kawohl@evonik.com<br />
Dr.-Ing. MSEE UWE PIECHOTTKA (geb. 1959) leitet<br />
die Gruppe Automation and Process Analytical<br />
Technology im Bereich Process Technology and<br />
<strong>Engineering</strong> der Evonik Industries AG. Seine<br />
Hauptarbeitsfelder sind Mess-, Analysen- und<br />
Regelungstechnik, Datenanalyse sowie Informations-<br />
und Systemtechnik.<br />
Evonik Industries AG,<br />
TE-VT-C, Postbereich 1024-319,<br />
Rodenbacher Chaussee 4, D-63457 Hanau,<br />
Tel. +49 (0) 6181 59 44 65,<br />
E-Mail: uwe.piechottka@evonik.com<br />
54<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
5. APC – MEHR ALS PRÄDIKTIVE<br />
MEHRGRÖSSENREGELUNG<br />
Im Beitrag wurde die modellprädiktive Mehrgrößenregelung<br />
als ein typisches Verfahren des APC anhand<br />
eines Beispielprojekts vorgestellt. Im Folgenden sollen<br />
nun zunächst einige weitere typische APC-Verfahren<br />
und Anwendungen erläutert werden. Anschließend<br />
soll ein Ausblick auf eine mögliche Ergänzung des<br />
vorgestellten APC-Ansatzes gegeben werden.<br />
5.1 APC-Verfahren und Anwendungen<br />
Eine grundsätzliche Frage des Regelungsentwurfs ist es,<br />
wie die zeitlichen Verläufe der Stellgrößen eines Systems<br />
zu wählen sind, um relevante Systemgrößen entlang vorgegebener<br />
Trajektorien zu führen. Bei kontinierlichen<br />
Prozessen betrifft dies zum Beispiel das An- und Abfahren<br />
von Prozessen oder den Wechsel eines Arbeitspunkts.<br />
Die Kombination einer flachheitsbasierten Vorsteuerung<br />
mit einem Gain-Scheduling Regler in einer sogenannten<br />
Zwei-Freiheitsgrade-Struktur bietet eine gute Möglichkeit<br />
zur Lösung dieses Problems [3, 9]. Ein Beispiel für eine<br />
Anwendung ist die Neutralisation von Abwasser [3].<br />
Auch in Semi-Batch- und Batch-Prozessen finden sich<br />
Anwendungsmöglichkeiten für APC. Flachheitsbasierte<br />
Steuerungen können zum Beispiel zur Prozesssteuerung<br />
(Chylla-Haase-Reaktormodel, [7]) oder zur Regelung<br />
einer Temperaturverlaufs-Trajektorie für die Reaktionsmasse<br />
eines Semi-Batch-Polymerisationsprozesses<br />
[4, 9] verwendet werden. In [2, 10, 11] werden<br />
zudem Methoden beschrieben, die sowohl automatisierte,<br />
optimierte Rezepsteurerungen als auch Batchzu-Batch-Optimierungen<br />
umfassen. Dazu wird eine<br />
Interativ Lernende Regelung verwendet.<br />
5.2 Stationäre Echtzeit-Optimierung<br />
In der in diesem Beitrag vorgestellten APC-Lösung wurde<br />
beschrieben, wie mit Hilfe eines modellprädiktiven<br />
Reglers der Prozess an den optimalen Betriebspunkt<br />
bewegt werden kann. Der optimale Betriebspunkt wird<br />
dabei durch Zielgrößen beziehungsweise Grenzwerte<br />
festgelegt. Diese sind jedoch nicht immer bekannt oder<br />
fest. Oft stellt sich daher die Frage, was der aktuell<br />
optimale Betriebspunkt des Prozesses ist.<br />
Methoden der stationären Echtzeit-Optimierung<br />
(Real-Time Optimization, RTO) sind eine Möglichkeit,<br />
um dem modellprädiktiven Regler einen optimalen Betriebspunkt<br />
in Form von Sollwerten vorzugeben [4, 8].<br />
Dazu wird typischerweise ein rigoroses Prozessmodell<br />
verwendet, das beispielweise komplexe nichtlineare<br />
Thermodynamik und Reaktionskinetiken enthält. Im<br />
Gegensatz zum Mehrgrößenregler, der meist minütlich<br />
den unterlagerten Basisreglern Sollwerte vorgibt, wird<br />
die RTO in deutlich größeren Abständen durchgeführt;<br />
ein Zeitraster von Stunden bis zu Tagen ist normal.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT<br />
In der Prozessindustrie werden kontinuierliche Teilprozesse,<br />
zum Beispiel Destillationskolonnen, meistens<br />
noch manuell durch Anlagenfahrer betrieben,<br />
die durch einige einschleifige Basisregelkreise unterstützt<br />
werden. Für den Menschen ist es allerdings fast<br />
unmöglich, einen Mehrgrößenprozess mit mehreren<br />
Stellgrößen und mehreren Regelgrößen wie Temperaturen,<br />
Füllständen und Qualitäten an einen optimalen<br />
Punkt zu bringen und dort zu halten. Advanced Process<br />
Control, im betrachteten Beispiel eine modellprädiktive<br />
Regelung, kann einen Prozess konstant an<br />
einem optimalen Betriebspunkt halten und so zu Einsparungen<br />
im Energieverbrauch und bei Produktverlusten<br />
führen.<br />
Über den Erfolg eines APC-Projektes entscheiden neben<br />
der technischen Lösung die Kommunikation und<br />
Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten.<br />
Nur so können Akzeptanz und Vertrauen in die neue<br />
Technologie entstehen und eine nachhaltige Verbesserung<br />
erzielt werden.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
24.10.2013<br />
REFERENZEN<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
[1] Bauer, M., Craig, I.: Economic assessment of advanced process control –<br />
A survey and framework. Journal of Process Control 18(1), S. 2–18, 2008<br />
[2] Hagenmeyer, V., Piechottka, U.: Innovative Prozessführung – Erfahrungen<br />
und Perspektiven. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 51(1‐2),<br />
S. 48–64, 2009<br />
[3] Abel, D., Epple U., Spohr, G.-U.: Integration von Advanced Control in der<br />
Prozessindustrie. WILEY-VCH Verlag 2008<br />
[4] Krämer, S., Bamberg, A., Dünnebier, G., Hagenmeyer, V., Piechottka, U.,<br />
Schmitz, S.: Prozessführung: Beispiele, Erfahrung und Entwicklung.<br />
<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 50(2), S. 68‐80, 2008<br />
[5] Dittmar, R., Pfeiffer, B.-M.: Modellbasierte prädiktive Regelung in der<br />
industriellen Praxis. at – Automatisierungstechnik 54(12), S. 590‐601, 2006<br />
[6] Froisy, J. B.: Model predictive control‐Building a bridge between theory and<br />
practice. Computers & Chemical <strong>Engineering</strong> 30(10‐12), S. 1426‐1435, 2006<br />
[7] Pfeiffer, B.-M., Schneider, M.: Flachheitsbasierte Steuerstrategien für<br />
Batch-Reaktoren (Flatness based Feedforward Control Strategies for Batch<br />
Reactors). at – Automatisierungstechnik 54(2), S. 78‐92, 2006<br />
[8] Tatjewski, P.: Advanced control and on-line process optimization in<br />
multilayer structures. Annual Reviews in Control 32(1), S. 71‐85, 2008<br />
[9] Hagenmeyer, V., .Nohr, M.: Flatness-based two-degree-of-freedom control<br />
of industrial semi-batch reactors using a new observation model for an<br />
extended Kalman filter approach. International Journal of Control 81(3),<br />
S. 428-438, 2008<br />
[10] Deis, W.: Ganzheitlich optimierte Prozesse – effiziente Prozessführung<br />
endet nicht mit der schnellen Lösung der Regelungsaufgabe. In: Tagungsband<br />
Automation, S. 213-216. VDI 2009<br />
[11] Kahrs, O., Dünnebier, G., Krämer, S., Luft, H.: Batch-Prozessführung<br />
– Potenziale und Herausforderungen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 53(1-2), S. 56‐60, 2011<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
55
HAUPTBEITRAG<br />
Regelgütemanagement<br />
Überwachung und Optimierung der Basisregelung<br />
Die Basisregelung einer prozesstechnischen Anlage sollte optimal eingestellt sein,<br />
um auf schwankende Anlagenauslastung flexibler reagieren und um gehobene Regelungs-<br />
und Prozessführungsstrategien erfolgreich einsetzen zu können. Dies kann<br />
nur durch kontinuierliche Überwachung und Optimierungen sichergestellt werden.<br />
Eine manuelle Überwachung und Instandhaltung aller Regelkreise ist bei größeren<br />
Anlagen schwierig. Es bietet sich der Einsatz von softwarebasierten Analysewerkzeugen<br />
an, mit denen eine Priorisierung und ein Ressourcenmanagement einfach<br />
erreicht werden kann. Diesen Prozess bezeichnen die Autoren als Regelgütemanagement.<br />
Der Beitrag beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen an ein Regelgütemanagement<br />
aus Anwendersicht. Dabei werden neben Aspekten zur Überwachung<br />
und Optimierung die Anforderungen an die verwendete Software diskutiert und<br />
Randbedingungen und organisatorische Maßnahmen für eine erfolgreiche Durchführung<br />
des gesamten Arbeitsprozesses vorgestellt.<br />
SCHLAGWÖRTER Regelgütemanagement / Controller Performance Management /<br />
PID-Regelung / Basisregelung<br />
Controller Performance Management –<br />
Monitoring and Optimisation<br />
The regulatory control layer of process plants should be tuned to make it possible to<br />
react to varying loads, but also so that advanced control and optimisation can be<br />
implemented successfully. This can only be achieved by continuous monitoring and<br />
optimisation. The larger the plant, the more difficult manual optimisation becomes.<br />
It therefore seems prudent to employ software based analysis tools for better selection<br />
and resource management. We call this process “Controller Performance Management”.<br />
We describe the requirements of controller performance management from<br />
a practical viewpoint. We discuss monitoring as well as optimisation but also software<br />
and organisational requirements for the successful implementation of the complete<br />
controller performance management workflow.<br />
KEYWORDS controller performance management / PID control / regulatory control<br />
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FLORIAN WOLFF, BASF<br />
STEFAN KRÄMER, Ineos<br />
Die zunehmende Volatilität der Märkte und die<br />
dadurch schwankende Auslastung der Anlagen<br />
in der Prozessindustrie erfordert eine immer<br />
flexiblere Fahrweise, die sich nur durch<br />
kontinuierliche Optimierungen sicherstellen<br />
lässt. In diesem Zusammenhang ist eine ständige Überprüfung<br />
und Anpassung der eingesetzten Basisregelungen<br />
im Prozessleitsystem notwendig. Typische Verbesserungsmaßnahmen<br />
reichen dabei vom einfachen<br />
Reglertuning über die Einführung erweiterter Regelkreisstrukturen<br />
(z.B. Störgrößenaufschaltung) bis zum<br />
Tausch falsch dimensionierter Stellgeräte.<br />
Die übereinstimmende Aussage in vorhandener Literatur<br />
ist, dass die Basisregelung per se gut eingestellt<br />
sein muss und als unterlagerte Regelung für gehobene<br />
Regelungs- und Prozessführungsstrategien eine wichtige<br />
Komponente darstellt [1-6]. Nur durch eine gute<br />
Basisregelung kann eine optimale Prozessführung<br />
erreicht werden. Die Korrektur einzelner beschränkender<br />
Regelkreise, die identifiziert werden müssen,<br />
erlaubt oft deutliche Durchsatzerhöhungen oder Energieersparnisse.<br />
Eine manuelle Überwachung und Instandhaltung aller<br />
Regelkreise ist nur bei kleinen Anlagen problemlos möglich,<br />
bei größeren Anlagen aufgrund der hohen Anzahl<br />
der Regelungen jedoch schwierig. Zur laufenden Überwachung<br />
und Verbesserung der Regelgüte bietet sich der<br />
Einsatz von softwarebasierten Analysewerkzeugen an,<br />
mit denen eine einfache Priorisierung der notwendigen<br />
Tätigkeiten und damit ein effizienter Ressourceneinsatz<br />
erreicht werden kann. Ziel ist es insbesondere, die limitierten<br />
Ressourcen im Bereich des Technikpersonals zur<br />
Lösung von Regelungsproblemen sinnvoll einzusetzen<br />
und Effizienzgewinne bei der Identifizierung notwendiger<br />
oder optimierender Maßnahmen zu realisieren. Diesen<br />
Prozess bezeichnen wir als Regelgütemanagement<br />
(controller performance management, CPM).<br />
Der Einsatz von spezieller Software für das Regelgütemanagement<br />
in der Prozessindustrie wird mittelfristig<br />
die Arbeitsweise und die Aufgaben des Personals<br />
der Prozessleittechnik (PLT) bedeutend beeinflussen.<br />
Es ergeben sich daraus neue Anforderungen an die PLT-<br />
Hersteller bezüglich Funktionalitäten der Produkte<br />
und Schnittstellen sowie an die Aus- und Weiterbildung<br />
des PLT-Fachpersonals.<br />
Dieser Beitrag beschreibt die grundsätzlichen Anforderungen<br />
an ein Regelgütemanagement aus Anwendersicht.<br />
Dabei werden neben Aspekten zur Überwachung<br />
und Optimierung die Anforderungen an die verwendete<br />
Software diskutiert und Randbedingungen und<br />
organisatorische Maßnahmen für eine erfolgreiche<br />
Durchführung des gesamten Arbeitsprozesses vorgestellt.<br />
Die behandelten Aspekte zum Regelgütemanagement<br />
sind auch Inhalt einer geplanten Namur-Empfehlung<br />
zu diesem Thema [7].<br />
Die mathematischen Grundlagen und Methoden des<br />
Regelgütemanagements werden in der Literatur ausführlich<br />
behandelt. Einen guten Einstieg mit einer umfassenden<br />
Liste weiterer Literatur zu den Konzepten zur<br />
Überwachung von Regelkreisen bietet [8]. Dort werden<br />
aus technischer und wirtschaftlicher Sicht Methoden<br />
zur daten- oder modellbasierten Leistungsbewertung<br />
(benchmarking) sowie Algorithmen zur Erkennung einzelner<br />
Faktoren (etwa Haftreibung, Schwingungen) vorgestellt<br />
und anhand von Beispielen verdeutlicht. In [9]<br />
werden neben Methoden zur Bewertung der Regelgüte<br />
ferner Anforderungen an Software und zugehörige<br />
Dienstleistungen umrissen. Darüber hinaus gibt es zu<br />
den für eine erfolgreiche Anwendung des Regelgütemanagements<br />
ebenso wichtigen, praktischen und organisatorischen<br />
Aspekten nur wenige wissenschaftliche<br />
Veröffentlichungen, beispielsweise [10] und [11].<br />
1. BASISREGELUNGEN IM PROZESSLEITSYSTEM<br />
Die Aufgabe einer Regelung ist das Erreichen und Halten<br />
eines messbaren Prozesswertes (Ist-Wert oder Regelgröße,<br />
wie beispielsweise Durchfluss) an einem vorgegebenen<br />
Sollwert durch gezielte Veränderung einer diesen Prozesswert<br />
beeinflussenden Stellgröße ( zum Beispiel Ventilstellung).<br />
Als Basisregelung werden die die Regelungen<br />
bezeichnet, die auf der untersten Ebene der Automatisierungshierarchie<br />
im Prozessleitsystem enthalten sind.<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
Klassisch sind dies PID-Regler (proportional integral<br />
derivative controller) in folgenden Strukturen:<br />
Regelungen, die durch Stellung eines Ventils<br />
direkt eine bestimmte Regelgröße beeinflussen<br />
(beispielsweise Durchfluss, Füllstand)<br />
Split-Range-Regelungen<br />
Auswahlregelungen (auch Überwachungs-,<br />
Override- oder Stand-by-Regelungen)<br />
Einstufige Kaskadenregelungen<br />
Regelungen mit Aufschaltung messbarer Störgrößen<br />
Die Sollwerte dieser Regelungen werden entweder vom<br />
Bediener oder von höheren Ebenen der Automatisierungshierarchie<br />
vorgegeben.<br />
Eine gute Basisregelung erfüllt die oben beschriebene<br />
Aufgabe in einem möglichst weiten Arbeitsbereich (gekennzeichnet<br />
durch beispielsweise einen großen Temperaturbereich)<br />
und unter verschiedenen Störeinflüssen<br />
(wechselnde Zulauf- oder Außentemperaturen)<br />
entsprechend der folgenden Vorgaben:<br />
Geschwindigkeit,<br />
Führungsverhalten,<br />
Störungsausregelung,<br />
Einhaltung der maximal zulässigen Abweichung<br />
vom Sollwert,<br />
keine Schwingungen,<br />
keine Bedieneingriffe.<br />
Eine typische petrochemische Anlage enthält, abhängig<br />
von ihrer Komplexität, zwischen 50 und 1 000 Regelkreise.<br />
Eine Salpetersäureanlage, eine Butadienanlage<br />
oder eine Glykolanlage benötigt zwischen 50 und<br />
100 Regelkreise, eine größere Anlage, wie eine Ammoniakanlage<br />
oder Ethylenoxidanlage, nutzt 200 bis 400<br />
Regelkreise, während ein Steamcracker bis zu 1 000<br />
Regelkreise umfasst. Von diesen Regelkreisen sind im<br />
Normalfall zirka 50 % Druck- und Durchflussregler, die<br />
häufig direkt ein Ventil ansteuern, der Rest verteilt sich<br />
auf Temperatur-, Füllstands- und Spezialregler, oft in<br />
kaskadierten Strukturen.<br />
2. KONTINUIERLICHER VERBESSERUNGSPROZESS<br />
Die Regelgüte von Basisregelkreisen lässt sich dauerhaft<br />
nur verbessern durch laufende Überwachung und regelmäßige<br />
Optimierungsmaßnahmen. Eine iterative Vorgehensweise<br />
wird aufgrund der vielen Regelkreise empfohlen,<br />
bei der in jedem Schritt nur ein Teil der Regelungen<br />
betrachtet und optimiert wird. Sich ändernde Randbedingungen<br />
führen dazu, dass viele Regelkreise wiederholt<br />
betrachtet werden müssen. Diese Ziele sind durch den<br />
Einsatz eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
(KVP), wie er in Bild 1 dargestellt ist, erreichbar.<br />
Die grundlegenden Aufgaben in diesem Verbesserungsprozess<br />
sind:<br />
1 | Analysephase: Auf Basis der betrieblichen Messdaten<br />
der Basisregelkreise (Istwert, Sollwert,<br />
Stellwert, Reglermodus) und möglicherweise der<br />
Regelungsart (Durchfluss, Füllstand) sowie der<br />
Regelungsstruktur (Kaskade, Störgrößenaufschaltung)<br />
ist die Regelgüte für jeden Regelkreis zu<br />
bestimmen und zu bewerten . Mit den Analyseergebnissen<br />
kann dann unter Berücksichtigung<br />
der betrieblichen Gegebenheiten die notwendige<br />
Priorisierung durchgeführt werden. Bei der typischen<br />
Anlagengröße erfordert die Analysephase<br />
den Einsatz geeigneter Software.<br />
2 | Optimierungsphase: Die Hinweise auf Verbesserungspotenziale<br />
aus der Analysephase sind auf<br />
mögliche Ursachen zu untersuchen. Daraus lassen<br />
sich dann die notwendigen Maßnahmen ableiten.<br />
Sie erfordert häufig Prozesswissen und sollte in<br />
Abstimmung mit allen Beteiligten (Betriebsmannschaft,<br />
gegebenenfalls zentrale Facheinheiten)<br />
durchgeführt werden. Für jeden untersuchten<br />
Regelkreis sind Maßnahmen festzulegen, umzusetzen<br />
und zu dokumentieren (Überprüfung von<br />
Sensoren oder Ventilen, Reglertuning, Strukturoder<br />
Verfahrensänderungen).<br />
Das Ziel ist, dass Produktionsbetriebe oder kompetente<br />
Dienstleister den kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />
selbstständig durchführen und nur bei Bedarf die Unterstützung<br />
von Experten in Anspruch nehmen. Für die langfristig<br />
erfolgreiche Durchführung des kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozesses sind folgende Punkte essenziell:<br />
Die regelmäßige Durchführung unter Einbeziehung<br />
aller notwendigen Teilnehmer muss von einer verantwortlichen<br />
Person koordiniert und moderiert werden.<br />
Es müssen alle Schritte des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
durchgeführt werden.<br />
Dem Verbesserungsprozess müssen ausreichend Bearbeitungszeit<br />
und weitere notwendige Ressourcen<br />
über einen längeren Zeitraum eingeräumt werden.<br />
Um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren,<br />
ist es hilfreich, zunächst unter Anleitung eines<br />
Experten in Regelgütemanagement eine Analyse aller<br />
Regelkreise durchzuführen und einen Teil der Regelkreise,<br />
die nicht die Kriterien guter Basisregelung erfüllen,<br />
zu optimieren. Dabei sollte, falls nötig, auch das<br />
Feintuning der eingesetzten Analysesoftware erfolgen.<br />
3. ASPEKTE DER ÜBERWACHUNG UND OPTIMIERUNG<br />
Das erfolgreiche Regelgütemanagement im KVP steht<br />
auf vier Säulen,<br />
1 | der Berechnung von aussagekräftigen Kenngrößen<br />
(key performance indicators, KPI),<br />
2 | einer nutzergerecht interpretierbaren Darstellung<br />
von KPI,<br />
3 | einer Möglichkeit zum Tunen von Reglern und<br />
4 | einem gelebten Arbeitsprozess (Workflow) des Regelgütemanagements<br />
mit softwareunterstützter<br />
Handlungsdokumentation.<br />
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Prozessdaten,<br />
Zielvorgaben<br />
Softwaregestützte<br />
Analyse<br />
KPI<br />
BILD 1:<br />
Kontinuierlicher<br />
Verbesserungsprozess<br />
(KVP)<br />
Umsetzung<br />
Ableitung von<br />
Maßnahmen<br />
KPI Zustände / Wertebereich Zusatzinformationen<br />
Übersicht<br />
Global-Regelgüte In Ordnung / Verbesserungsbedarf zuverlässig: ja / nein<br />
Detailanalyse<br />
Regler benötigt 0–100% der Zeit –<br />
Regler im Eingriff<br />
Nein: Handbetrieb<br />
Nein: Sättigung<br />
Schwingungen<br />
Form<br />
Periodendauer<br />
Amplitude<br />
Regelgeschwindigkeit<br />
0–100% der Zeit<br />
0–100% der Zeit<br />
0–100% der Zeit<br />
0–100% der Zeit<br />
harmonisch / mit Oberwellen<br />
in Minuten<br />
Absolutwert / % des mittl. Ist-Werts<br />
zu langsam / in Ordnung / zu schnell<br />
(bezogen auf Zielvorgabe)<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
zuverlässig: ja / nein<br />
Schwankungsbreite<br />
Schwankungsbreite<br />
zuverlässig: ja / nein<br />
Aktorprobleme In Ordnung / signifikant zuverlässig: ja / nein<br />
Sensorprobleme<br />
In Ordnung / signifikant<br />
Signal/Rausch-Verhältnis,<br />
Ausreißer<br />
Stellaufwand In Ordnung / zu hoch zuverlässig: ja / nein<br />
Manuelle Eingriffe Anzahl pro Bediener und Tag –<br />
TABELLE 1:<br />
Übersicht der<br />
Kenngrößen und<br />
deren Ausgabe<br />
3.1 Kenngrößen (KPI)<br />
Für die Nutzung innerhalb des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses<br />
sollte eine Software eine Mindestanzahl<br />
von Kenngrößen bereitstellen, die dem Nutzer direkt<br />
eingängig sind. Zu diesen Kenngrößen gehören:<br />
Für die Übersicht (einfache Anwendung): Für die<br />
Übersicht wird ein KPI benötigt, der die Gesamt-<br />
Regelgüte des Regelkreises möglichst objektiv abbildet.<br />
Es reicht, wenn der KPI den Regelkreis in<br />
den Kategorien In Ordnung und Es besteht Verbesserungsbedarf<br />
bewertet. Der KPI muss eine Angabe<br />
zu seiner Verlässlichkeit beinhalten. Bei Verbesserungsbedarf<br />
ist ein Hinweis auf mögliche Ursachen<br />
erforderlich. Die Auswertung muss vor allem robust<br />
sein: Wenn ein Regelkreis einen Regelfehler<br />
hat, dessen Standardabweichung kleiner als die<br />
des Messrauschens ist, ist er In Ordnung.<br />
Für die Detailanalyse (Experte) werden Einzel-KPI<br />
benötigt, die der Nutzer heranzieht, um dem Problem<br />
eines Regelkreises auf den Grund zu gehen.<br />
Diese stellen die Basis der Übersichtsbewertung<br />
dar. Folgende Information sollte aus diesen KPI<br />
hervorgehen, Tabelle 1 gibt eine Übersicht der Bewertungsart:<br />
Wurde der Regler während der Analysezeit benötigt,<br />
wenn ja, wie lange (Ausschluss von Auswahl-<br />
Reglern oder Reglern bei Anlagenabstellungen)?<br />
War der Regler im Eingriff? Wenn nein:<br />
– War der Regler auf Hand?<br />
– War der Regler in der Sättigung, war die Sättigung<br />
am oberen oder unteren Ende des Stellbereichs?<br />
Schwingt der Regler? Wenn ja,<br />
– wie häufig?<br />
– ist es eine harmonische Schwingung oder treten<br />
Oberwellen auf?<br />
– bei welcher Frequenz?<br />
– mit welcher Amplitude?<br />
Ist die Regelgeschwindigkeit adäquat für den Prozess?<br />
Gibt es Probleme mit Aktoren (hakende Ventile)?<br />
Gibt es Probleme mit Sensoren (großes Messrauschen)?<br />
Nutzt das Verhalten des Reglers den Aktor stark ab<br />
und verschenkt somit auch Steuerenergie (Stellaufwand)?<br />
Häufigkeit der Handeingriffe (Stell- oder Sollwertänderungen)?<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
Um KPI sauber zu bewerten, müssen sie bestimmte Kriterien<br />
erfüllen:<br />
1 | Zahlenwerte sollten in Relation zu geeigneten Prozessgrößen<br />
angegeben werden, beispielsweise in<br />
Prozent des Sollwerts, des durchschnittlichen Messwerts<br />
oder Messbereichs oder des mittleren Regelfehlers;<br />
gegebenenfalls müssen sie auf Abtastung,<br />
Analysezeitraum oder Messbereich normiert werden.<br />
2 | Alle KPI werden nur für den Zeitraum, in dem der<br />
Regler benötigt wird, berechnet. Dies ist relevant<br />
für Auswahlregler, Batch-Prozesse, Anfahrregler,<br />
Anlagenstillstände und ähnliche Phänomene.<br />
3 | KPI müssen, wenn sinnvoll, für Anlagenteile aggregierbar<br />
sein, um eine Übersicht über Anlagenteile<br />
oder die Gesamtanlage zu erhalten (Mittelwert<br />
über Anlagenteile).<br />
4 | KPI müssen historisiert werden und in Plots anzeigbar<br />
sein. Hier sollten Zusammenfassungen<br />
über Zeiträume möglich sein, zum Beispiel über<br />
Box-Whisker-Plots.<br />
5 | KPI sollten korreliert werden können oder automatisch<br />
korreliert werden, beispielsweise Last<br />
mit Schwingungen oder Regelgeschwindigkeit.<br />
Zusätzlich zu den KPI sollte eine Software den Nutzer<br />
durch Hinweise auf mögliche Ursachen bei der weiteren<br />
Arbeit unterstützen, zum Beispiel bei Ventilhaken<br />
oder ungeeigneten Reglerparametern.<br />
Einige Regelkreise bedürfen einer besonderen Behandlung,<br />
was bei der Bewertung zu berücksichtigen<br />
ist. Dazu gehören Pufferstandregelungen und Analyseregelungen:<br />
Bei Pufferstandregelungen müssen Störungen<br />
im Zulauf stark gedämpft an den Ablauf weitergegeben<br />
werden, wobei der Stand in einem relativ großen<br />
Bereich gehalten werden muss. Bei Analyseregelungen<br />
sind oft lange oder unregelmäßige Abtast- und<br />
Totzeiten zu berücksichtigen. Des Weiteren wird in<br />
Punkt 5 der immer vorhandene Mehrgrößencharakter<br />
von Chemieanlagen, in denen stets verkoppelte Strukturen<br />
bestehen, bereits teilweise zum Ausdruck gebracht.<br />
Bei deutlicher physikalischer Kopplung oder bei<br />
durch Regelungsstrukturen geschaffenen Kopplungen<br />
müssen die gekoppelten Regelkreise besonders betrachtet<br />
werden, da bei diesen Strukturen die optimale Einstellung<br />
aller Einzelregler nicht das Optimum für die<br />
Anlage darstellen muss.<br />
3.2 Darstellung der Kenngrößen<br />
Gute Berechnungen und gute KPI (das heißt robuste und<br />
aussagekräftige Zahlenwerte und Hinweise) sind die<br />
mathematische und inhaltliche Basis eines Regelgütemanagementsystems.<br />
Darauf aufbauend ist eine geeignete<br />
Darstellung der Ergebnisse erforderlich. Nur<br />
eine gute rollenbasierte Darstellung der Ergebnisse erlaubt<br />
es dem Benutzer, die theoretischen Ergebnisse<br />
gewinnbringend in die Praxis umzusetzen. Geeignete<br />
Schnittstellen müssen dem Benutzer die Flexibilität<br />
geben, neben der integrierten Darstellungsfunktion externe<br />
Visualisierungs-Software einzusetzen. Die integrierte<br />
Darstellungsfunktion muss eine sinnvolle Anzahl<br />
solcher Berichte bereits standardmäßig an Bord<br />
haben, vergleiche Abschnitt 4.<br />
Verfügbare Visualisierungs-Software ist gegebenenfalls<br />
besser in der Lage, ein gutes Berichtswesen durch<br />
alle Hierarchieebenen zu etablieren. Daraus ergeben<br />
sich Anforderungen an die Schnittstellen des Regelgütemanagementsystems<br />
zu anderen Softwarepaketen,<br />
siehe Abschnitt 4.1.<br />
Die Berichte müssen sich an die Ebene des Nutzers<br />
in der Hierarchie anpassen lassen (rollenbasierte Darstellung).<br />
Ein Anlagenleiter möchte eher eine Übersicht<br />
sehen und eher einen Arbeitsprozess anstoßen, während<br />
der PLT-Spezialist viele Details erfahren möchte.<br />
Die verwendete Darstellung muss ein hierarchisch gestuftes,<br />
topologisches Reporting anbieten und die Anlagenhierarchie<br />
abbilden.<br />
Die folgenden Berichte stellen Beispiele an Darstellungsmöglichkeiten<br />
dar, die das Regelgütemanagement<br />
bieten muss:<br />
Top-X-Listen von<br />
schlechten Reglern (auf Basis der Übersichts-KPI)<br />
langsamen Reglern<br />
aggressiven Reglern<br />
schwingenden Reglern<br />
Reglern auf Hand<br />
Reglern mit hakendem Ventil<br />
Reglern in Sättigung<br />
Regelgüte eines Prozesses bezogen auf die Last<br />
Regelgüte während An- und Abfahrphasen, in<br />
Batch-Prozessen und während Produktwechseln<br />
Ein Regelgütemanagementsystem sollte konfigurierbar<br />
Meldungen an Nutzer absetzen. Bei deren Konfiguration<br />
sollten die Vorgaben aus den Empfehlungen<br />
für Alarm Management [12], berücksichtigt werden.<br />
Das Verschicken einer E-Mail, ebenso die Alarmierung<br />
im Prozessleitsystem sind technische Möglichkeiten,<br />
wie ein Regelgütemanagement diese Forderung<br />
erfüllen kann.<br />
3.3 Regleroptimierung (Tuning)<br />
Zum Regelgütemanagement gehört ein Werkzeug zur<br />
Reglereinstellung, also zur Einstellung des P, I und<br />
D-Anteils eines PID-Reglers. Änderungen an den Tuning-Parametern<br />
muss das Regelgütemanagement<br />
dokumentieren.<br />
An ein Werkzeug für die Reglereinstellung werden<br />
folgende Mindestanforderungen gestellt [13]:<br />
1 | Versuchsdaten können sehr einfach (am besten<br />
mit der bestehenden Konfiguration des PLS) ausgelesen<br />
werden, historisch oder live.<br />
2 | Das Werkzeug hat einen guten Einstellalgorithmus,<br />
der aus Identifikation eines Modells und<br />
Reglereinstellregeln besteht. Der Nutzer kann<br />
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anpassen, wie schnell der Regler sein soll und<br />
welche Aufgabe er hat. Die Mindestanforderung<br />
umfasst hier:<br />
a | Führungsverhalten<br />
b | Störverhalten<br />
3 | Eine Bewertung der Zuverlässigkeit der Ergebnisse<br />
muss verfügbar sein (Warnhinweise bei ungenügender<br />
Modellgüte und daraus resultierenden<br />
unzuverlässigen Reglerparametern).<br />
4 | Die Ergebnisse werden passend für das vorhandene<br />
Leitsystem ausgegeben.<br />
3.4 Arbeitsprozess (Workflow)<br />
Der Arbeitsprozess des Regelgütemanagements ergibt<br />
sich aus dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess,<br />
den die Software unterstützen muss (siehe Bild 1). Dazu<br />
sind folgende Kompetenzen notwendig:<br />
Verfahrenskompetenz (Verfahrensingenieur): kennt<br />
den Gesamtprozess, kann Auswirkungen von Änderungen<br />
beurteilen und gegebenenfalls weitere<br />
Maßnahmen veranlassen<br />
Anlagenkompetenz (Schichtführer): kennt typische<br />
Fahrweise und Probleme und deren Historie<br />
PLT-Kompetenz (PLT-Techniker): kennt Möglichkeiten<br />
der Umsetzung im PLS & Instrumentierung,<br />
Reglertuning<br />
APC-Kompetenz (APC-Ingenieur): kann komplexe<br />
Lösungsansätze einbringen und bewerten, Berater<br />
im KVP, erkennt Potenziale für Advanced-Process-<br />
Control-Lösungen<br />
Zur Einführung des Regelgütemanagements empfehlen<br />
sich mehrere Schritte, die zu durchlaufen sind:<br />
1 | Festlegung von Rollen: Wie ein Projekt sollte der<br />
Workflow eines gelebten Regelgütemanagements<br />
Personen in verschiedenen Hierarchieebenen umfassen.<br />
Daraus ergeben sich mindestens die folgenden<br />
Rollen:<br />
a | IT-Experte: Sorgt für ein reibungslos funktionierendes,<br />
technisches System<br />
b | Initiator: Sucht Regelkreise heraus, die analysiert<br />
werden müssen<br />
c | Optimierer: Analysiert einzelne Regelkreise<br />
auf deren Verbesserungspotenzial und leitet<br />
Maßnahmen ab<br />
d | Umsetzer: Setzt Verbesserungsvorschläge an<br />
den ausgewählten Reglern um, beispielsweise<br />
Reglertuning<br />
e | Berichterstatter<br />
f | KVP-Verantwortlicher<br />
Die Rollen b bis d müssen von einem Team, dessen<br />
Mitglieder alle Aufgaben beherrschen, durchgeführt<br />
werden. Dieses Team benötigt handfeste<br />
Unterstützung aus der Ebene der Betriebsleitung,<br />
unter anderem, da unter anderem viele kleine<br />
Sprungversuche an der Anlage durchgeführt werden<br />
müssen.<br />
2 | Die Erstoptimierung sollte aus der Erfahrung der<br />
Autoren nicht entfallen. Der Grund dafür liegt<br />
in der Effizienz des einmal eingearbeiteten Personals<br />
und der Herstellung einer guten Ausgangsbasis,<br />
gegen die ein KVP dann gute Ergebnisse<br />
bringen kann. Wir empfehlen, die Erstoptimierung<br />
auf Projektbasis durchzuführen. Dabei<br />
muss das Personal, das den KVP und die<br />
Instandhaltung im Betrieb übernehmen soll,<br />
bereits aktiv eingebunden werden. Erfahrungsgemäß<br />
sind für die Erstoptimierung mindestens<br />
vier Wochen einzuplanen.<br />
Die Erstoptimierung besteht aus folgenden Schritten:<br />
a | Festlegung der Regler, die in der Erstoptimierung<br />
zu betrachten sind<br />
b | Erster Optimierungsdurchgang (ohne Anlagenkenntnis<br />
möglich)<br />
I | Hand/Automatik hinterfragen<br />
II | Schwingen und Ventilhaken beheben<br />
III | Regler mit hohen Alarm oder Eingriffswerten<br />
hinterfragen<br />
IV | Alle Durchfluss- und Druckregler, die mit<br />
einem Tuning-Werkzeug schnell einstellbar<br />
sind, einstellen<br />
c | Zweiter Optimierungsdurchgang<br />
I | Oft führt das Einstellen der Durchflussund<br />
Druckregler zu einer allgemeinen<br />
Verbesserung. Daher ist eine erneute Auswahl<br />
der zu betrachtenden Regler durch<br />
den Initiator notwendig<br />
II | Regelungsstruktur bewerten, zum Beispiel<br />
Kaskaden, Aufschaltungen<br />
III | Bei reinen Tuning-Problemen: diese Regler<br />
tunen<br />
IV | Bei Prozessproblemen: Instandhaltung<br />
einplanen<br />
V | Bei Regelungsstruktur- und deutlichen<br />
Kopplungsproblemen: Advanced-Process-<br />
Control-Personal hinzuziehen<br />
d | Übergabe in die kontinuierliche Verbesserung<br />
3 | Kontinuierliche Verbesserung: Dieser iterative<br />
Prozess nutzt dieselbe Vorgehensweise wie die<br />
Erstoptimierung, jedoch nur für Regler, die<br />
durch die KPI als Nicht in Ordnung identifiziert<br />
wurden. Der KVP ist daher einfacher, wenn die<br />
Anlage vorab durch eine Erstoptimierung gut<br />
eingestellt wurde.<br />
Für die Durchführung des KVP ist in verschiedenen<br />
Bereichen Anlagenkenntnis erforderlich, beispielsweise<br />
für die Festlegung von Zielvorgaben. Auch wenn sich<br />
30 % bis 40 % der Regler ohne Anlagenkenntnis auf ein<br />
gutes Regelungsverhalten einstellen lassen, werden mit<br />
Anlagenkenntnis bessere Ergebnisse erzielt.<br />
Einige oder alle Rollen sowie die Optimierung können<br />
externe Partner übernehmen, wenn internes Personal<br />
für die Aufgabe nicht zur Verfügung steht. Ebenso<br />
kann dafür eine passende Software nur für eine<br />
beschränkte Zeit an die Anlage angeschlossen werden<br />
(software as a service).<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
4. ANFORDERUNGEN AN DIE SOFTWARE<br />
Grundsätzlich stehen zwei Ansätze zur softwarebasierten<br />
Regelgüteüberwachung zur Verfügung. Die erste Möglichkeit<br />
besteht darin, solche Analysewerkzeuge in moderne<br />
Prozessleitsysteme (PLS) zu integrieren, die die<br />
PLS-intern vorhandene Information über die Basisregelungen<br />
nutzen. Dies hat den Vorteil, dass das Analysewerkzeug<br />
über alle im PLS gesammelten Daten verfügt,<br />
ohne eine externe Schnittstelle zu benötigen, und alle<br />
Möglichkeiten des PLS berücksichtigen kann. Aus dem<br />
Einsatz verschiedener PLS-Versionen oder gar verschiedenen<br />
Produkten mehrerer PLS-Hersteller resultiert jedoch<br />
eine möglicherweise nur schwer zu beherrschende<br />
Vielfalt an Analysewerkzeugen und -möglichkeiten, sodass<br />
dieser Ansatz hauptsächlich bei einer einheitlichen<br />
PLS-Landschaft oder Einzelanlagen vorteilhaft erscheint.<br />
Die zweite Möglichkeit besteht darin, Lösungen PLSunabhängiger<br />
Lieferanten zu nutzen. In diesem Fall<br />
muss die relevante Information aus dem PLS extrahiert<br />
und der Analysesoftware übermittelt werden. Dieser<br />
Ansatz verursacht einen höheren Installations- und<br />
Konfigurationsaufwand, bietet aber ein einheitliches<br />
Werkzeug unabhängig vom PLS-Hersteller oder der eingesetzten<br />
PLS-Version. Damit muss das notwendige<br />
Know-how nur für ein System aufgebaut und vorgehalten<br />
werden, sodass sich im Fall einer vorhandenen PLS-<br />
Vielfalt erhebliche Effizienzvorteile ergeben können.<br />
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Anforderungen<br />
an Lösungen PLS-unabhängiger Lieferanten,<br />
können jedoch sinngemäß ebenso auf PLS-interne Lösungen<br />
übertragen werden. Einige Aspekte (zur Administration<br />
und Konfiguration) spielen bei PLS-internen<br />
Lösungen keine oder nur eine untergeordnete Rolle.<br />
Insgesamt empfiehlt es sich, vor der Einführung eines<br />
Regelgütemanagementsystems die in Frage kommenden<br />
Softwarepakete auf die im Abschnitt 3 genannten Punkte<br />
gemäß den Anforderungen im Unternehmen zu überprüfen.<br />
4.1 Benutzeranforderungen<br />
Die grundsätzlichen Anforderungen an ein Regelgütemanagementsystem<br />
aus Benutzersicht entsprechen prinzipiell<br />
denen für andere Softwareprodukte und sind in ISO/<br />
IEC 9126 [14] beziehungsweise dem Nachfolger ISO/<br />
IEC 25000 [15] festgelegt. Vor der Entscheidung für ein Softwarepaket<br />
eines bestimmten Anbieters sollte unter Berücksichtigung<br />
der speziellen Anforderungen im Unternehmen<br />
oder der Einsatzumgebung geprüft werden, inwieweit sich<br />
das Softwarepaket für den angestrebten Zweck eignet. Die<br />
Erfahrung zeigt, dass die nachfolgend aufgeführten Aspekte<br />
intensiv und kritisch geprüft werden müssen:<br />
Funktionalität:<br />
Bietet die Software alle notwendigen Funktionen<br />
für eine erfolgreiche Durchführung des Regelgütemanagements,<br />
vergleiche Abschnitt 3?<br />
Liefert die Software zuverlässige Hinweise auf<br />
mögliche Lösungsansätze (Reglertuning, Ventilprobleme)?<br />
Sind die Analyseergebnisse korrekt oder lassen<br />
zumindest eine Aussage über ihre Verlässlichkeit<br />
zu (Angabe von Standardabweichungen oder Vertrauensintervallen)?<br />
Können alle benötigten Datenquellen eingebunden<br />
werden, vergleiche Abschnitt 4.2?<br />
Ist die Sicherheit vor unberechtigten Zugriffen gewährleistet<br />
und können einzelnen Nutzern oder<br />
Nutzergruppen ausreichend fein gestaffelte Zugriffsrechte<br />
vergeben werden?<br />
Zuverlässigkeit:<br />
Arbeiten alle Softwaremodule und Datenverbindungen<br />
fehlerfrei?<br />
Werden alle essenziellen Systemfunktionen laufend<br />
überwacht und bei Problemen angemessene<br />
Hinweise geliefert?<br />
Wie verhält sich das System bei fehlenden oder<br />
unplausiblen Daten (Messdaten, Konfigurationseinstellungen)?<br />
Steht alle Information jederzeit und zeitnah zur<br />
Verfügung oder gibt es häufig Verzögerungen oder<br />
Ausfälle?<br />
Benutzbarkeit:<br />
Ist die Analysesoftware klar und übersichtlich<br />
strukturiert?<br />
Ist alle dargestellte Information für unerfahrene Anwender<br />
verständlich und korrekt interpretierbar oder<br />
besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen?<br />
Ist eine rollenbezogene Darstellung von Informationen<br />
mit unterschiedlichem Detailgrad für verschiedene<br />
Nutzergruppen (Betriebsleitung/Management,<br />
Schichtmitarbeiter) möglich?<br />
Kann die Verfügbarkeit von Softwarefunktionen für<br />
verschiedene Nutzergruppen eingestellt werden (Root-<br />
Cause-Analysen für Nutzer mit tiefem Fachwissen)?<br />
Ist der Einarbeitungsaufwand angemessen?<br />
Lässt sich die Benutzeroberfläche generell und für<br />
einzelne Nutzer anpassen (Personalisierung von<br />
Darstellungen und Berichten)?<br />
Unterstützt die Analysesoftware durchgängig den<br />
prinzipiellen Arbeitsablauf des Regelgütemanagements<br />
(durch Dokumentationsfunktionen, Informationsaustausch<br />
zwischen Benutzern, Darstellung<br />
einer Änderungshistorie)?<br />
Können maßgeschneiderte Berichte für verschiedene<br />
Nutzergruppen automatisch erstellt und versendet<br />
werden?<br />
Wird der Nutzer/Administrator auf Änderungen in<br />
unterlagerten Systemen hingewiesen, die gegebenenfalls<br />
eine Aktion erfordern?<br />
Kann über die Analysesoftware auf Daten aus anderen<br />
Systemen zugegriffen werden und können<br />
Daten aus der Analysesoftware zu anderen Systemen<br />
exportiert werden?<br />
Effizienz:<br />
Ist die Arbeitsgeschwindigkeit ausreichend, das<br />
heißt sind alle Informationen ohne zu großen Zeitaufwand<br />
abruf- und verarbeitbar?<br />
62<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Steht der für eine ausreichende Arbeitsgeschwindigkeit<br />
notwendige Ressourceneinsatz<br />
(Hardware) in einem akzeptablen Verhältnis<br />
zum Nutzen?<br />
Wartbarkeit:<br />
Sind Modifikationen des Systems zur Anpassung<br />
an besondere Anforderungen einfach möglich<br />
(zur Berücksichtigung von Besonderheiten im<br />
betrieblichen Arbeitsablauf)?<br />
Können Fehlfunktionen einfach behoben werden?<br />
Kann ein vorheriger, fehlerfreier Zustand (nach<br />
einer Fehlkonfiguration) einfach wieder hergestellt<br />
werden?<br />
Ist das System einfach erweiterbar (Einführung<br />
zusätzlicher Funktionen oder Erweiterung auf<br />
andere Produktionsanlagen)?<br />
Können Modifikationen zu weitreichenden, unerwünschten<br />
Konsequenzen führen oder wird<br />
dies prinzipiell vermieden, zum Beispiel durch<br />
geeignete Modularisierung?<br />
Insgesamt ist es essenziell, dass alle Nutzer des Regelgütemanagementsystems<br />
ohne großen Einarbeitungsaufwand<br />
mit dem System arbeiten und sich auf die<br />
gelieferte Information verlassen können. Schon eine<br />
geringe Zahl von Fehldiagnosen kann das Vertrauen<br />
der Nutzer in die Leistungsfähigkeit des Systems als<br />
Ganzes und damit dessen Einsatz im Rahmen der täglichen<br />
Arbeit entscheidend verringern.<br />
4.2 Administration und Konfiguration<br />
Ein PLS-unabhängiges Regelgütemanagementsystem<br />
wird hardwareseitig typischerweise auf einer Client-<br />
Server-Struktur installiert und kann damit prinzipiell<br />
von beliebig vielen Nutzern dezentral genutzt werden<br />
(im Gegensatz zu einer PLS-internen Lösung, die oft<br />
nur von den <strong>Engineering</strong>-Stationen des PLS aus bedient<br />
werden kann). Der Zugriff erfolgt für alle Nutzer des<br />
Systems zum Beispiel über eine webbasierte Applikation,<br />
administrative Aufgaben können entweder ebenfalls<br />
webbasiert oder über direkten Zugriff auf die Server<br />
erledigt werden.<br />
Ein solches Regelgütemanagementsystem erfordert<br />
eine umfassende Nutzer- und Rechteverwaltung, mit<br />
der die Zugriffe auf die spezifischen Daten von Produktionsanlagen<br />
(Messdaten und Regelgüteanalysen) eindeutig<br />
festgelegt werden können und gleichzeitig ein<br />
komfortabler Datenaustausch zwischen verschiedenen<br />
Nutzern ermöglicht wird. Andererseits sind separate<br />
Berechtigungen für allgemeine administrative Aufgaben<br />
(Softwareupdates, Rechtemanagement, Datenverbindungen)<br />
und betriebsspezifische administrative<br />
Tätigkeiten (Hinzufügen von Regelkreisen, Anpassung<br />
von Benchmarks) erforderlich.<br />
Zur Vereinfachung der allgemeinen administrativen<br />
Aufgaben empfiehlt sich neben der zentralen serverbasierten<br />
Installation des Regelgütemanagementsystems<br />
der Einsatz einer zentralen Systemüberwachung, die<br />
alle Module und Datenverbindungen des Systems laufend<br />
überwacht und im Fehlerfall entsprechend alarmiert.<br />
Hilfreich sind weiterhin Schnittstellen, zum<br />
Beispiel zur Übernahme von Zugriffsberechtigungen<br />
aus anderen vorhandenen IT-Systemen.<br />
Zur Durchführung der Regelgüteanalysen benötigt<br />
die Software verschiedene Information (Messsignale,<br />
Zielvorgaben/Benchmarks, gegebenenfalls weitere Statusinformation)<br />
über jeden Regelkreis. Diese Information<br />
stammt normalerweise aus unterschiedlichen<br />
Quellen. Statische Information, wie Benchmarks, muss<br />
vom Betriebspersonal auf Basis ihres Anlagen- und<br />
Verfahrenswissens festgelegt und der Software zur<br />
Verfügung gestellt werden. Andere strukturelle Information,<br />
wie die Zugehörigkeit eines Regelkreises zu<br />
einem bestimmten Anlagenteil, kann möglicherweise<br />
aus anderen existierenden Datenquellen extrahiert<br />
werden, wofür ebenfalls geeignete Schnittstellen erforderlich<br />
sind.<br />
Veränderliche Information (Messsignale) kann aus<br />
verschiedenen Quellen (direkt aus dem PLS oder<br />
einem zwischengeschalteten BDIS/PIMS) stammen<br />
und wird über feste Bezeichner identifiziert, die ebenfalls<br />
der Analysesoftware bekannt sein müssen. Es<br />
empfiehlt sich, ein separates Kurzzeitarchiv einzusetzen,<br />
indem alle Messdaten unkomprimiert und mit<br />
ausreichend hoher Abtastrate für einen Zeitraum von<br />
mehreren Wochen gepuffert werden können. Insgesamt<br />
müssen alle für die Regelgüteanalysen notwendigen<br />
Messdaten aus den Quellsystemen (PLS, BDIS,<br />
PIMS, separates Kurzzeitarchiv) jederzeit mit hinreichend<br />
hoher Qualität (das heißt insbesondere mit<br />
ausreichend hoher Abtastrate und möglichst geringer<br />
Datenkompression) und hoher Datenrate zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Alle notwendige Information muss mit möglichst geringem<br />
manuellen Aufwand in der Analysesoftware<br />
konfiguriert und gepflegt werden können. Des Weiteren<br />
ist darauf zu achten, dass alle elektronisch gespeicherten<br />
Daten durch das Regelgütemanagementsystem aus<br />
allen im Unternehmen vorhandenen Datenquellen ausgelesen<br />
werden können.<br />
Schließlich muss die Analysesoftware durch administrative<br />
Vorgaben an den prinzipiellen Arbeitsablauf<br />
im Unternehmen anpassbar sein, ohne dadurch den<br />
einzelnen Nutzer zu sehr einzuschränken. Empfehlenswert<br />
sind die rollenbasierte Vergabe von Berechtigungen<br />
und die Einrichtung standardisierter Berichte<br />
und Auswertungen für unterschiedliche Nutzergruppen<br />
mit einstellbarem Detailgrad.<br />
FAZIT<br />
Im Beitrag werden Anforderungen an einen kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozess der Regelgüte mit Softwareunterstützung<br />
definiert. Dies bezeichnen wir als<br />
Regelgütemanagement. Für ein gutes Regelgütemanagement<br />
müssen viele Details beachtet werden, die im Artikel<br />
aufgeführt worden sind. Die beschriebenen Anforderungen<br />
erlauben eine detaillierte Prüfung,<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014<br />
63
HAUPTBEITRAG<br />
1 | ob ein Regelgütemanagement im eigenen Betrieb<br />
nötig und gewinnbringend ist,<br />
2 | ob genug Personal vorhanden ist oder ein Dienstleister<br />
einbezogen werden soll,<br />
3 | auf welche Kriterien der Bewertung zu achten ist,<br />
4 | wie ein Arbeitsprozess aufzubauen ist, und<br />
5 | ob ein Softwarehersteller die auf dieser Basis definierten<br />
Anforderungen erfüllen kann oder ein eigenes<br />
angepasstes System aufgebaut werden muss.<br />
AUTOREN<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
31.10.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
DANKSAGUNG<br />
Die Autoren danken den Mitgliedern des<br />
Namur-Arbeitskreises 2.02 Prozessführung<br />
für die Durchsicht des Manuskripts. Der Dank<br />
gilt insbesondere Anja Brunberg (Evonik),<br />
Achim Küpper (Bayer), Otmar Lorenz<br />
(Siemens), Axel Schild (IAV), Karsten Schulze<br />
(Linde), Constantin Wagner (RWTH Aachen)<br />
für umfangreiche Diskussionen und<br />
Verbesserungs vorschläge. Weiterhin bedanken<br />
sich die Autoren beim VDI Arbeitskreis 6.22<br />
für die konstruktive Kritik.<br />
Dr.-Ing. FLORIAN WOLFF<br />
(geb. 1980) ist Senior Automation<br />
Engineer in der Fachgruppe<br />
Advanced Process Control im<br />
Fachzentrum für Automatisierungstechnik<br />
bei der BASF SE.<br />
Seine Arbeitsschwerpunkte<br />
sind Controller Performance<br />
Management und APC-Lösungen<br />
für Konti-Anlagen. Seit 2014 ist er Obmann<br />
des Namur Arbeitskreises 2.2 Prozessführung.<br />
BASF SE,<br />
L440, D-67056 Ludwigshafen,<br />
Tel. +49 (0) 621 607 95 90, E-Mail: florian.wolff@basf.com<br />
Dr.-Ing. STEFAN KRÄMER<br />
(geb. 1972) ist Energiemanager bei<br />
Ineos in Köln. Sein früheres<br />
Arbeitsfeld umfasste Advanced<br />
Process Control. Bis 2013 war er<br />
Obmann des Namur Arbeitskreises<br />
2.2 Prozessführung. Zusätzlich<br />
unterrichtet er Batch Process<br />
Operation an der Technischen<br />
Universität Dortmund, Fachbereich Bio- und Chemieingenieurwesen.<br />
Ineos Köln GmbH,<br />
Standortentwicklung, Alte Str. 201, D-50769 Köln,<br />
Tel. +49 (0) 221 355 52 65 78, E-Mail: stefan.kraemer@ineos.com<br />
REFERENZEN<br />
[1] Krämer, S., Bamberg, A., Dünnebier, G., Hagenmeyer, V.,<br />
Piechottka, U., Schmitz, S.: Prozessführung: Beispiele,<br />
Erfahrung und Entwicklung. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 50(2), S. 68–80, 2008<br />
[2] Hagenmeyer, V., Piechottka, U.: Innovative Prozessführung<br />
– Erfahrungen und Perspektiven. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 51(1-2), S. 48-64, 2009<br />
[3] Schuler, S. (Hrsg.): Prozessführung, Oldenbourg 1999<br />
[4] Kahrs, O.: Einsatz gehobener Automationslösungen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
– Automatisierungstechnische Praxis 54(1-2), S. 62-66, 2012<br />
[5] Skogestad, S.: Simple analytic rules for model reduction<br />
and PID controller tuning. Journal of Process Control 13,<br />
S. 291-309, 2003<br />
[6] Åström, K., Hägglund, T.: PID Controllers: Theory, Design<br />
and Tuning. ISA 1995<br />
[7] NE 152: Regelgütemanagement: Überwachung und Optimierung<br />
der Basisregelung von Produktionsanlagen (Entwurf). Namur<br />
[8] Ordys, A.W.; Uduehi, D., Johnson, M.A. (Hrsg.): Process Control<br />
Performance Assessment: From Theory to Implementation.<br />
Springer 2007<br />
[9] Dittmar, R.: Control Performance Monitoring. In: Früh, K.F.,<br />
Maier, U., Schaudel, D. (Hrsg.): Handbuch der Prozessautomatisierung<br />
: Prozessleittechnik für verfahrenstechnische<br />
Anlagen, S. 142-157, Oldenbourg 2009<br />
[10] Wolff, F., Roth, M., Nohr, M., Kahrs,O.: Softwaregestützte<br />
Regelgüteoptimierung in der chemischen Industrie –<br />
Erfahrungen und zukünftige Anforderungen aus industrieller<br />
Sicht. In: Tagungsband Automation, S. 161-164. VDI 2012<br />
[11] Wolff, F.: Kontinuierliches Regelgütemanagement in der<br />
Prozessindustrie - Herausforderungen und Erfahrungen<br />
aus Anwendersicht, eingereicht bei ECV – TechnoPharm<br />
[12] NA 102: Alarm Management. Namur 2003<br />
[13] VDI 3685 Blatt 3: Adaptive Regler: Inbetriebnahmesysteme für<br />
Regelungen, 2001<br />
[14] ISO/IEC 25010: Systems and software engineering – Systems and<br />
software Quality Requirements and Evaluation (SQuaRE) – System<br />
and software quality models. ISO 2011. http://www.iso.org<br />
[15] ISO/IEC 25000: Software engineering - Software product Quality<br />
Requirements and Evaluation (SQuaRE) – Guide to SQuaRE.<br />
ISO 2005. http://www.iso.org<br />
64<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
3 / 2014
Process Control<br />
Systems <strong>Engineering</strong><br />
Process Control Systems (PCS) are distributed control systems (DCS) that are specialized<br />
to meet specific requirements of the process industries. The text book<br />
focuses on PCS engineering basics that are common to different domains of the<br />
process industries. It relates to an experimental research plant which serves for<br />
the exploration of the interaction between process modularization and process<br />
automation methods. This permits to capture features of highly specialized and integrated<br />
mono-product plants as well as application areas which are dominated by<br />
locally standardized general-purpose apparatus and multi-product schemes. While<br />
the text book’s theory is applicable for all PCS of different suppliers, the examples<br />
refer to Siemens’ control system PCS 7. Focusing on a single PCS enables readers<br />
to use the book in basic lectures on PCS engineering as well as in computer lab<br />
courses, allowing students to gain hands-on experience.<br />
Editor: L. Urbas<br />
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ISBN: 978-3-8356-3198-4<br />
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IMPRESSUM<br />
VORSCHAU<br />
Verlag:<br />
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www.di-verlag.de<br />
Geschäftsführer:<br />
Carsten Augsburger, Jürgen Franke<br />
Verlagsleiterin:<br />
Kirstin Sommer<br />
Spartenleiterin:<br />
Anne Purschwitz geb. Hütter<br />
Herausgeber:<br />
Dr.rer.nat. Thomas Albers<br />
Dr. Gunther Kegel<br />
Dipl.-Ing. Hans-Georg Kumpfmüller<br />
Dr.-Ing. Wilhelm Otten<br />
Beirat:<br />
Dr.-Ing. Kurt Dirk Bettenhausen<br />
Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich<br />
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple<br />
Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay<br />
Prof. Dr.-Ing. Michael Felleisen<br />
Prof. Dr.-Ing. Georg Frey<br />
Prof. Dr.-Ing. Peter Göhner<br />
Dipl.-Ing. Thomas Grein<br />
Prof. Dr.-Ing. Hartmut Haehnel<br />
Dr.-Ing. Jörg Kiesbauer<br />
Dipl.-Ing. Rolf Marten<br />
Dipl.-Ing. Gerald Mayr<br />
Dr. Jörg Nothdurft<br />
Dr.-Ing. Josef Papenfort<br />
Dr. Andreas Wernsdörfer<br />
Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp<br />
Dr.rer.nat. Christian Zeidler<br />
Organschaft:<br />
Organ der GMA<br />
(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />
Automatisierungs technik)<br />
und der NAMUR (Interessengemeinschaft<br />
Automatisierungstechnik<br />
der Prozessindustrie).<br />
Redaktion:<br />
Anne Purschwitz geb. Hütter (ahü)<br />
(verantwortlich)<br />
Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 58<br />
E-Mail: purschwitz@di-verlag.de<br />
Aljona Hartstock (aha)<br />
Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 78<br />
E-Mail: hartstock@di-verlag.de<br />
Einreichung von Hauptbeiträgen:<br />
Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />
(Chefredakteur, verantwortlich<br />
für die Hauptbeiträge)<br />
Technische Universität Dresden<br />
Fakultät Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik<br />
Professur für Prozessleittechnik<br />
D-01062 Dresden<br />
Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />
E-Mail: urbas@di-verlag.de<br />
Fachredaktion:<br />
Dr.-Ing. Michael Blum<br />
Dipl.-Ing. Heinrich Engelhard<br />
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite<br />
Dr.-Ing. Bernhard Kausler<br />
Dr.-Ing. Niels Kiupel<br />
Prof. Dr.-Ing. Gerrit Meixner<br />
Dr.-Ing. Jörg Neidig<br />
Dipl.-Ing. Ingo Rolle<br />
Dr.-Ing. Stefan Runde<br />
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Praxis“ erscheint monatlich mit Doppelausgaben<br />
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Staaten die Mehrwertsteuer, für alle übrigen<br />
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Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />
Praxis – rtp“ gegründet.<br />
DIV Deutscher Industrieverlag<br />
GmbH München<br />
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Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
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Branche / Wirtschaftszweig<br />
Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B.<br />
Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform.<br />
Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH,<br />
Versandbuchhandlung, Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
PAHBPA2014<br />
Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,<br />
dass ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.