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Sinn durch Sinnlichkeit? - Institut für Sexualpädagogik

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Vortrag<br />

22<br />

Wir wollen<br />

natürlich alles<br />

viel, viel<br />

besser<br />

machen …<br />

man sich nach öffentlichen Normen gestreckt<br />

hat, ihnen aber so gut wie nie genügen konnte<br />

und glaubte, die anderen kriegten das alles viel<br />

besser hin, daß das Geld immer knapp war und<br />

trotzdem wahnsinnige Dinge geschehen konnten,<br />

die endlich die Welt aus den Angeln hoben<br />

… wer in der Erinnerung an sich selbst ungefähr<br />

zu dieser Beschreibung der Pubertät<br />

kommt, der bzw. die weiß ziemlich genau über<br />

die Jugendlichen von heute Bescheid.<br />

Der Unterschied ist natürlich: Wir haben die<br />

Positionen getauscht. Nun sind nicht es nicht<br />

mehr die Eltern, die uns gelegentlich vom Sex<br />

abhalten, sondern die eigenen Kinder – zumindest,<br />

wenn sie noch klein sind. Früher mußte<br />

man das Schäferstündchen planen, falls die<br />

Eltern denn mal wegfuhren; heute plant man,<br />

eventuell mal wieder bei Tageslicht miteinander<br />

zu schlafen, wenn die Kleinen denn mal „abgegeben“<br />

werden können. Wir (das heißt: Sie –<br />

bei mir ist es noch nicht so weit) sind nicht<br />

mehr die Jugendlichen, sondern die Eltern, oder<br />

die Lehrerinnen und Lehrer, erziehend, wachsam,<br />

kontrollierend und gewährend. Wir wollen<br />

natürlich alles viel, viel besser machen, und<br />

müssen doch immer wieder feststellen, wie<br />

schwer es ist, es wenigstens nicht schlechter<br />

zu machen (als die eigenen Eltern).<br />

Natürlich haben sich die Zeiten trotzdem<br />

geändert. In einem Kulturbeutel ist zwar immer<br />

noch keine Kultur drin, sondern wie eh und je<br />

Waschzeug, diverse Cremes und Wässerchen.<br />

Aber: Wir sind doch viel sauberer geworden.<br />

Seit den „Strahler 70“-Küssen (Sie erinnern<br />

sich an die Zahnpastareklame vor dreißig Jahren:<br />

Strahler-Küsse schmecken besser, Strahler-Küsse<br />

schmecken gut …) – seitdem haben<br />

sich wichtige Einstellungen verändert. Zum<br />

Beispiel duscht man sich heute täglich, wo wir<br />

uns früher noch jeden Samstag darum gestritten<br />

haben, wer als letzter das Familien-Badewasser<br />

benutzen mußte. Oder: Heute zieht man<br />

sich jeden Tag eine frische Unterhose an, was<br />

früher höchstens die reichen Leute taten, die<br />

sich eine Waschmaschine leisten konnten.<br />

(Kaum zu glauben, aber wahr: Als meine Mutter<br />

ihre erste Waschmaschine kriegte, kam ich<br />

gerade in die Pubertät). Selbstverständlich rasieren<br />

sich heute die Mädchen und Frauen unter<br />

den Armen und an den Beinen (– was in<br />

unseren hochsexualisierten Zeiten in gewisser<br />

Weise komisch ist; schließlich sind behaarte<br />

Körper in den Mythologien ein Symbol <strong>für</strong><br />

urwüchsigen und unbändigen Sex). Kann man<br />

in unserer Kultur einem Menschen heute<br />

eigentlich etwas Gemeineres an den Kopf werfen<br />

als: „Du riechst!“? Oder gar: „Du stinkst!“?<br />

Ich glaube, da gab es Schlimmeres, als die Zeiten<br />

noch nur „modern“ waren.<br />

Die Geschlechterverhältnisse sind schon<br />

seit langem in Bewegung geraten (und sie waren<br />

es vor 20 Jahren erheblich heftiger als heute).<br />

Auch an der Pluralisierung der Lebensformen<br />

haben wir uns schon vor 20-30 Jahren versucht.<br />

(Die Zahl der Eheschließungen hat sich<br />

übrigens seit Anfang der 70er Jahre nicht mehr<br />

verändert. Außerdem werden immer noch weit<br />

mehr als achtzig Prozent aller Kinder ehelich geboren<br />

– und auch diese Zahl ist seit etwa 15<br />

Jahren stabil.) Die öffentliche Darstellung sexueller<br />

Geschehnisse hat dagegen zugenommen.<br />

Aber – ist das ein Problem? Natürlich sorgen<br />

wir uns, daß Jugendliche – und vor allem Kinder<br />

– <strong>durch</strong> die Geständnisse des berühmt-berüchtigten<br />

Windelfetischisten am frühen Nachmittag<br />

nachhaltig verwirrt werden könnten, und daß<br />

sich vor allem die Jungs ständig aus dem Internet<br />

mit harter Pornographie versorgen. Aber tun

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