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Tour de France 1998. 15. Etappe.

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Renner: Live-Sportkommentator - aktueller Stand: 20.1.2005- - S. 2 v 13 -<br />

um eine möglichst attraktive Gestaltung. Sie entwickeln einen an<strong>de</strong>ren Darstellungsmodus als Nachrichten. Sie<br />

benutzen sie alle journalistischen Stilmittel, die „das TV-Erlebnis aufwerten und <strong>de</strong>n Spannungswert erhöhen“<br />

(Scheu 1994, S. 272). Ist <strong>de</strong>r zentrale Darstellungsmodus von Nachrichten das Berichten, so ist es bei Live-<br />

Übertragungen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Erzählens<br />

Der Ausdruck „Live-Reportage“, <strong>de</strong>r als ein Synonym für „Live-Übertragung“ verwen<strong>de</strong>t wird, weist ebenfalls<br />

in diese Richtung. Denn die Reportage wird in <strong>de</strong>r Journalistik oft als eine unterhalten<strong>de</strong> Darstellungsform verstan<strong>de</strong>n.<br />

Achtet man aber auf ihre Darstellungstechniken, so ist sie nichts an<strong>de</strong>res als eine nicht-fiktionale Erzählung.<br />

Ihr Ziel ist es „die Zuhörer / Leser am Geschehen geistig und emotional teilhaben, sie miterleben lassen<br />

durch die authentische Erzählung.“ (Haller 1995, S. 62, Hervorhebung KNR).<br />

An<strong>de</strong>rerseits besteht seit jeher eine enge Verwandtschaft von Erzählen und Unterhalten. Man erzählt Geschichten,<br />

um sich und die Gesellschaft zu unterhalten. Erinnert sei an Goethes 1795 veröffentliche Sammlung von<br />

Erzählungen, <strong>de</strong>n Unterhaltungen <strong>de</strong>utscher Ausgewan<strong>de</strong>rten. Das Ziel dieser Unterhaltung ist - so Klaus Kanzog<br />

unter Bezug auf Erich Feldmann - „die durch ‘stimulieren<strong>de</strong> Kommunikation erzeugte befriedigen<strong>de</strong> Beschäftigung’<br />

mit <strong>de</strong>m aufgeworfenen Problem“ (Kanzog 1976, S. 26).<br />

2.2. Die Geschichte und die Erzählinstanz einer Sportübertragung<br />

Versteht man eine Sportübertragung als eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Erzählung, dann ist zu fragen, inwieweit sie<br />

jene Komponenten besitzt, die die Erzähltheorie als die elementaren Bestandteile <strong>de</strong>r Erzählung i<strong>de</strong>ntifiziert.<br />

Das ist auf die Ebene <strong>de</strong>s Erzählten das Vorliegen einer Geschichte und auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s Erzählens die Organisation<br />

und Ausgestaltung dieser Geschichte durch eine Erzählinstanz.<br />

Die Geschichten, die von Sportübertragungen erzählt wer<strong>de</strong>n, sind nicht so elaboriert wie die etablierter Erzählungen.<br />

Sie sind auf einen elementaren Handlungskern reduziert: auf <strong>de</strong>n Wettkampf <strong>de</strong>r Athleten. Dieses Sujet<br />

ist in einem autonomen Handlungsraum angesie<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Alltagswelt geschie<strong>de</strong>n ist und als Spielfeld,<br />

Stadion o<strong>de</strong>r Wettkampfstrecke konkrete Form annimmt. Den Extrempunkt, <strong>de</strong>r in diesem semantischen Feld<br />

alle Handlungsabläufe organisiert, bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Sieg.<br />

Überschreitet ein Held die Grenze eines semantischen Fel<strong>de</strong>s, dann führt ihn <strong>de</strong>r Weg innerhalb<br />

dieses Fel<strong>de</strong>s zu <strong>de</strong>ssen Extrempunkt. Kehrt er in seinen Ausgangsraum zurück, dann<br />

än<strong>de</strong>rt sich dort seine Bewegungsrichtung: Der Extrempunkt ist ein Wen<strong>de</strong>punkt. Ansonsten<br />

en<strong>de</strong>t hier <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>s Hel<strong>de</strong>n: Der Extrempunkt ist <strong>de</strong>r Endpunkt (Renner 1986, S. 128).<br />

Alle Handlungen <strong>de</strong>r Wettkämpfer sind auf <strong>de</strong>n Sieg ausgerichtet, auch die von <strong>de</strong>nen, die im Wettkampf unterliegen.<br />

Seine beson<strong>de</strong>re Spannung gewinnt dieses Sujet, weil man zu Beginn <strong>de</strong>s Wettkampfes <strong>de</strong>n Sieger noch<br />

nicht kennt. Man weiß nur, einer <strong>de</strong>r Protagonisten wird <strong>de</strong>r Sieger sein.<br />

So einfach dieses Handlungsschema ist, so schwierig ist die Organisation seiner Erzählung. Das ist einerseits auf<br />

die komplexe Ausdruckssubstanz <strong>de</strong>s Mediums Fernsehen zurückzuführen, das sich aus Bil<strong>de</strong>rn, Wörtern und<br />

an<strong>de</strong>ren Zeichensystemen zusammensetzt. Das ist aber ebenso <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren Status dieser großen Sportereignisse<br />

geschul<strong>de</strong>t. Denn ein einzelner Wettkampf steht hier nie für sich allein, er ist immer in größere Zusammenhänge<br />

eingebun<strong>de</strong>n. Sei es in ein Turnier, in eine Meisterschaft o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n nicht en<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zyklus <strong>de</strong>r<br />

Olympischen Spiele. Alle diese Zusammenhänge müssen beim Akt <strong>de</strong>s Erzählens vergegenwärtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Organisation dieser Erzählung aus bewegten Bil<strong>de</strong>rn und gesprochener Sprache ist eine Leistung, die Regie<br />

und Kommentar gemeinsam erbringen. Live-Kommentator und Regisseur erfüllen gemeinsam jene Erzählerfunktionen,<br />

die sie als journalistische Gegenstücke <strong>de</strong>r Erzählinstanzen literarischer Texte ausweisen.<br />

Genau diese Erzählerfunktionen führen zu <strong>de</strong>n oft erwähnten Konflikten mit <strong>de</strong>n etablierten Normen <strong>de</strong>s Journalismus.<br />

„Denn die Feststellung einer Erzählstrategie (über die Erzählperspektive) und damit die ‘Anwesenheit’<br />

eines Erzählers ist stets mit <strong>de</strong>m Akzeptieren o<strong>de</strong>r Verwerfen eines Norm- und Wertsystems verbun<strong>de</strong>n“ (Kanzog<br />

1976, S. 81). Wegen dieser systemimmanent vorgegebenen subjektiven Erzählerperspektive kann ein Sportkommentator<br />

nie jene quasi objektive Position einnehmen, welche die Trennung von Information und Meinung<br />

von ihm verlangt.<br />

2.3. Der Erzähler vom Typ <strong>de</strong>s dämonologischen Grenzüberschreiters<br />

Der Off-Kommentator einer Sportübertragung ist aber nicht nur ein auktorialer Erzähler, wie er in vielen Romanen<br />

und Erzählungen auftritt Er scheint vielmehr jenem beson<strong>de</strong>ren Typ von Erzähler zu entsprechen, die von<br />

Volker Hoffmann als „dämonologischer Grenzüberschreiter“ charakterisiert wur<strong>de</strong>.<br />

Dieser Typ ist vor allem in <strong>de</strong>n phantastischen Teufelspaktgeschichten <strong>de</strong>r Goethezeit und <strong>de</strong>s Realismus anzutreffen.<br />

Er wird auf <strong>de</strong>r Textoberfläche als ein alter, meist unverheirateter und kin<strong>de</strong>rloser Mann gezeichnet, <strong>de</strong>r

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