Praxishilfe (68 Seiten) - PDF-Format Gemeinsam mit anderen Trägern
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Kapitel 5<br />
Erfahrungen und Empfehlungen aus der<br />
Praxis des Modellprojekts<br />
Einbeziehung von Jugendlichen aus sozial benachteiligten<br />
Gruppen in der Internationalen<br />
Jugendarbeit<br />
In vielen Förderprogrammen und Projekten ist<br />
die Rede von Jugendlichen aus „sozial benachteiligten<br />
Gruppen“, „<strong>mit</strong> sozialer Benachteiligung“<br />
oder aus „bildungsfernen Zielgruppen“. In der<br />
Praxis wird auch regelmäßig von „schwierigen<br />
Teilnehmenden“ oder „Jugendlichen aus sozialen<br />
Brennpunkten“ gesprochen.<br />
Dies ist eine klassische defizitorientierte Haltung,<br />
die pädagogisch reflektiert werden muss. Eine<br />
differenzierte Perspektive ist in diesem Diskurs<br />
notwendig, da<strong>mit</strong> Jugendliche lebenswelt- und<br />
ressourcenorientiert an Programmen beteiligt<br />
werden können.<br />
In der Realität der Internationalen Jugendarbeit<br />
und in der Praxis der Jugendhilfe müsste es demnach<br />
vor allem darum gehen, <strong>Format</strong>e und Inhalte<br />
von Projekten, an denen kaum benachteiligte<br />
junge Menschen partizipieren, neu zu überdenken<br />
sowie eigene Organisationsformen, das Auftreten<br />
von MitarbeiterInnen, Haltungen, Strukturen und<br />
fehlende Zugänge kritisch zu reflektieren. Institutionen<br />
müssten sich selbstkritisch fragen, warum<br />
die Jugendlichen ihre Angebote nicht wahrnehmen.<br />
Welche Konzepte und personellen Besetzungen<br />
müssen überdacht werden, wenn Jugendzentren<br />
in Stadtteilen, in denen es viele Jugendliche<br />
gibt, leer bleiben? Warum nehmen Jugendliche<br />
nicht an einem internationalen Hip-Hop- und Videoprojekt<br />
teil, das das Jugendamt <strong>mit</strong> erheblichen<br />
Mitteln bezuschusst, um die Integration zu<br />
fördern? Liegt es vielleicht daran, dass es nicht<br />
gemeinsam von und <strong>mit</strong> den Jugendlichen entwickelt<br />
wurde? Vielleicht ist auch der Anbieter dieses<br />
Projekts im Stadtteil nicht gern gesehen, weil er<br />
bisher keine wertschätzenden Projekte und Angebote<br />
umgesetzt hat. Oder möglicherweise erlauben<br />
die Eltern eine Teilnahme nicht, weil parallel<br />
ein Familienurlaub ansteht, Misstrauen gegenüber<br />
dem Veranstalter besteht oder das Geld fehlt. In<br />
jedem Fall sollten neue oder auch bewährte Konzepte,<br />
Methoden und Räume beispielsweise aus<br />
der lebensweltorientierten Jugendkulturarbeit<br />
angewendet werden, bei denen auch offenere<br />
und informelle Lernsituationen geschaffen werden,<br />
in denen die Inhalte greifbar sind und die<br />
Jugendlichen Wertschätzung erfahren.<br />
Eins plus eins ist mehr als zwei — die Vorteile<br />
und Probleme im Tandem<br />
Bei vielen Tandems im Projekt InterKulturell on<br />
Tour kam es zu einer gegenseitigen inhaltlichen<br />
Bereicherung im organisatorischen und methodischen<br />
Bereich sowie bei der Programmgestaltung,<br />
so dass beide <strong>Seiten</strong> von der Zusammenarbeit profitiert<br />
haben. Zum Teil entstand ein gegenseitiger<br />
Erwartungsdruck im positiven Sinne: Beide <strong>Seiten</strong><br />
legten sich richtig ins Zeug, um organisatorisch<br />
und methodisch gut vor dem Partner dazustehen.<br />
Die fehlende Erfahrung des Partners in einem bestimmten<br />
Bereich kann dabei als positive Herausforderung<br />
gesehen werden, vor allem wenn ein<br />
Erfahrungsvorsprung nicht arrogant oder im Sinne<br />
einer Hierarchie „ausgelebt“ wird, sondern „auf<br />
Augenhöhe“ <strong>mit</strong> vorhandenen Unterschieden umgegangen<br />
wird. Es gab allerdings auch Situationen,<br />
in denen der erfahrene Partner aus falsch<br />
verstandener Rücksichtnahme auf steuernde oder<br />
gestaltende Eingriffe zugunsten der Maßnahme<br />
verzichtet hat. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe<br />
bedeutet aber nicht, dass sich beide Partner<br />
auf dem niedrigsten gemeinsamen Niveau treffen,<br />
sondern gerade, dass sie sich gegenseitig <strong>mit</strong> ihren<br />
Kompetenzen und Kenntnissen bereichern. Die<br />
wichtigste Fähigkeit in diesem Zusammenhang ist<br />
eine zutreffende Einschätzung über die eigenen<br />
Stärken und Schwächen. Ein offenes Gespräch<br />
kann hier Wunder wirken.<br />
Raum für einen Wissenszuwachs und die Übernahme<br />
von Leitungsfunktionen durch einen strukturell<br />
schwächeren oder unerfahreneren Tandempartner,<br />
im Projekt vielfach die Migrantenjugend(selbst)<br />
organisationen, kann demnach nur entstehen,<br />
wenn der im jeweiligen Aufgabenfeld souveräne<br />
Tandempartner bereit ist, sich aus der Verantwortung<br />
für einzelne Aufgaben zurück zu ziehen. Für<br />
eine ausbalancierte und gleichzeitig erfahrungsreiche<br />
Kooperation müssen Gelegenheiten des<br />
Einbringens von Erfahrungen und Gelegenheiten<br />
des Lernens gegeben sein. Diese Sichtweise auf<br />
„Begegnung auf Augenhöhe“ hat auch die wissenschaftliche<br />
Begleitung als wichtiges Thema in<br />
den Kooperationen identifiziert. Formen der Ko-<br />
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