Stärkenheft der Jugendstiftung
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Von Stärken zu Kompetenzen – die vier Schritte <strong>der</strong> Stärkenarbeit<br />
So einfach dies zunächst klingt, ist es jedoch lei<strong>der</strong> so,<br />
dass Jugendliche (wie auch viele Erwachsene) oft keinen<br />
klaren Blick auf Stärken haben, selbst wenn es die eigenen<br />
sind. Es hat sich gezeigt, dass es gezielter Unterstützung<br />
bedarf, diese Stärken aufzudecken, bewusst zu machen<br />
und zu formulieren. Ein Grund mag sein, dass es unserer<br />
Alltagsgewohnheit und auch dem Schulsystem in hohem<br />
Maße methodisch innewohnt, den Fokus eher auf „Fehler“<br />
zu richten – also auf die Aspekte, die noch nicht <strong>der</strong> Leistungsnorm<br />
entsprechen – als auf bisher Geleistetes. Ein<br />
an<strong>der</strong>er mag sein, dass Reflexionsfähigkeit im Jugendalter<br />
noch nicht ausgeprägt ist. Auch die Selbstwertproblematik,<br />
die die pubertäre körperliche Entwicklung mit sich bringt,<br />
drängt eigene Stärken aus dem Blickfeld. Diese Entwicklungsphase<br />
ist unausweichlich und braucht die jeweils ganz<br />
individuelle Zeitspanne. Eine wertvolle Unterstützung in<br />
dieser Zeit sind Verständnis und Sensibilität für die einzelnen<br />
Jugendlichen und ihre Leistungen bei <strong>der</strong> Bewältigung<br />
dieser Entwicklungsaufgabe.<br />
Vier wichtige Schritte zur Vertiefung <strong>der</strong> Stärken<br />
Wir möchten Ihnen vorschlagen, die Stärkenarbeit entsprechend<br />
<strong>der</strong> oben genannten Definition von Kompetenz als<br />
einen Prozess mit vier Schritten aufzufassen:<br />
1. Erkennen von persönlichen Erfahrungen,<br />
Lernfel<strong>der</strong>n und Erfolgen.<br />
2. Eigene Tätigkeiten und Interessen reflektieren<br />
und Stärken sichten.<br />
3. Daraus Stärken, Prinzipien und Herangehensweisen<br />
individuell formulieren und sie damit zu bewusst<br />
einsetzbaren Kompetenzen weiterentwickeln.<br />
4. Den Zusammenhang von verschiedenen Stärken/Kompetenzen<br />
und die Transfermöglichkeit erkennen.<br />
Im Ergebnis liegt für die Jugendlichen die teilweise neue,<br />
aber nun auf jeden Fall fundierte Erkenntnis, welches die<br />
eigenen Kompetenzen sind, die sie für ihren weiteren beruflichen<br />
und privaten Werdegang einsetzen können.<br />
Der erste Schritt: Erkennen von persönlichen<br />
Erfahrungen, Lernfel<strong>der</strong>n und Erfolgen<br />
Der erste Schritt besteht darin, den Jugendlichen die eigenen<br />
Tätigkeiten und Erfahrungen als mögliche Lernfel<strong>der</strong><br />
und Quellen ihrer Stärken zu verdeutlichen. Neben<br />
den schulischen Erfahrungen soll <strong>der</strong> Blick <strong>der</strong> Stärkensuche<br />
auch in die Bereiche Familie, Hobby, Interessen,<br />
Vereine und Ehrenämter etc. gehen. Bei dieser Reflexion<br />
o<strong>der</strong> Erkundung ist auch <strong>der</strong> Blick in den Qualipass 8 hilfreich,<br />
<strong>der</strong> Dokumente über Praktika und (außer-)schulische<br />
Tätigkeiten enthält. Die wesentliche Botschaft an<br />
dieser Stelle ist, den Jugendlichen den Blick nach innen<br />
zu weisen und sie bereits als kompetente Gesprächspartner<br />
wahrzunehmen.<br />
Der zweite Schritt: Eigene Tätigkeiten und Interessen<br />
reflektieren und Stärken sichten<br />
In dieser Phase geht es um die Herleitung persönlicher Stärken<br />
aus den bisherigen Erfahrungen und um die Stärkung<br />
des Selbstwertes <strong>der</strong> Jugendlichen.<br />
Eine Beschäftigung mit den bisherigen Erfahrungen kann<br />
sich manches Mal schwierig gestalten, vor allem, wenn darauf<br />
abgezielt wird, in diesen Erfahrungen Stärken sichtbar<br />
zu machen. Der Erfolg dieses Unterfangens hängt stark<br />
von den „Botschaften“ eines Coaches ab. Oft ist es nötig,<br />
die Jugendlichen konkret darin zu unterstützen, ihre Verhaltensweisen<br />
in persönliche Stärken zu „übersetzen“. Zum<br />
Beispiel heißt das, einem Jugendlichen, <strong>der</strong> im Unterricht<br />
durch Störungen auffällt, in einem an<strong>der</strong>en Kontext etwa<br />
Durchsetzungsfähigkeit o<strong>der</strong> Originalität zuzusprechen.<br />
O<strong>der</strong> man vermittelt einem Computerspiel- o<strong>der</strong> Spielkonsolen-Fan,<br />
dass er über technisches Wissen und strategische<br />
Fähigkeiten verfügt. Wichtig ist dabei, nicht in eine<br />
Beliebigkeit abzugleiten, son<strong>der</strong>n sorgfältig herauszuarbeiten,<br />
wo genau die Stärke in dem beobachteten Verhalten<br />
liegt.<br />
Diese Art <strong>der</strong> Neu-Interpretation kann Jugendlichen und<br />
Coaches den Horizont erweitern, um Stärken zu entdecken,<br />
die auf ein späteres berufliches Anfor<strong>der</strong>ungsprofil hin entwickelt<br />
werden können, auch wenn die Quelle <strong>der</strong> Stärke<br />
diesem Beruf zunächst nicht ähnlich ist. Watzlawick bezeichnet<br />
diese Art <strong>der</strong> Interpretation als „sanfte Kunst des<br />
Umdeutens“ 9 . Eine wichtige Botschaft in dieser Phase ist:<br />
Bei allem, was du gut und gerne machst, hast du auch<br />
etwas für dich gelernt.<br />
8<br />
Das Instrument Qualipass wird im Kapitel „Der Qualipass – zeigt Engagement und Können und schafft Anerkennung“ näher beschrieben.<br />
9<br />
Watzlawick, Paul & al. (1997): Lösungen. Verlag Hans Huber.<br />
10<br />
<strong>Stärkenheft</strong> <strong>der</strong> <strong>Jugendstiftung</strong> Baden-Württemberg