21.03.2014 Aufrufe

Kinderfehler - Klinik und Poliklinik für Kinder - Ludwig-Maximilians ...

Kinderfehler - Klinik und Poliklinik für Kinder - Ludwig-Maximilians ...

Kinderfehler - Klinik und Poliklinik für Kinder - Ludwig-Maximilians ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Klinik</strong> <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />

Psychosomatik <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

<strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-Universität München<br />

<strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong><br />

<strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong><br />

(Alterstypische, habituelle Verhaltensweisen)<br />

W. v. Suchodoletz<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Daumenlutschen (F98.8)<br />

Nägelknabbern (= Onychophagie) (F98.8)<br />

Nasebohren (F98.8)<br />

Augen- <strong>und</strong> Ohrenbohren (F98.4)<br />

rhythmisches Schaukeln (= Jaktationen) (F98.4)<br />

Haare ausreißen (= Trichotillomanie) (F63.3)<br />

Masturbation (F98.8)<br />

Wiederkäuen (= Ruminieren) (F98.2)<br />

motorische Stereotypien <strong>und</strong> Tics (F95)<br />

Häufigkeit von <strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong>n<br />

(nach Angaben der Mütter)<br />

Kriterien psychischer Störungen<br />

Alter der <strong>Kinder</strong><br />

2 Jahre 6 Jahre<br />

Jaktationen beim Einschlafen 4,9% 2,9%<br />

Genital Manipulationen 1,0% 1,8%<br />

Daumen- bzw. Fingerlutschen 12,3% 21,2%<br />

Nägelknabbern 1,0% 8,6%<br />

Haare ausreißen 2,1%<br />

Schlafstörung 12,9% 10,4%<br />

Appetitstörung 20,7% 7,5%<br />

Einnässen in der Nacht 6,3%<br />

Einnässen am Tage 16,1% 0,7%<br />

Pavor nocturnus 16,0% 3,2%<br />

Tics 1,5%<br />

<br />

<br />

Abweichungen des Verhaltens hinsichtlich<br />

Art<br />

Ausprägungsgrad<br />

Häufigkeit<br />

Persistenz<br />

Unangemessenheit des Verhaltens hinsichtlich<br />

Alter<br />

Geschlecht<br />

Situation<br />

soziokulturellem Hintergr<strong>und</strong>


Ätiologie von <strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong>n<br />

Kriterien <strong>für</strong> Behandlungsbedürftigkeit<br />

psychischer Störungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Einschleifen durch<br />

Gewohnheitsbildung<br />

Ersatzbefriedigung/Lustgewinn<br />

Regression<br />

leichte Irritierbarkeit des Kindes<br />

evt. mangelhafte emotionale Geborgenheit<br />

evtl. Ausdruck einer neurotischen Störung<br />

subjektiver Leidensdruck<br />

Entwicklungsbeeinträchtigung<br />

soziale Einengung<br />

Beeinträchtigung anderer<br />

Therapie von <strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong>n (Habituelle<br />

Verhaltensweisen )<br />

Daumenlutschen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Aufklärung der Eltern über die “Normalität”<br />

Aufbau alternativer Verhaltensweisen<br />

Entspannungsübungen<br />

verhaltenstherapeutische Maßnahmen<br />

emotionale Zuwendung<br />

motorische Entfaltungsmöglichkeiten<br />

Daumenlutschen ist von klinischer Relevanz, wenn<br />

es exzessiv auftritt, über das dritte Lebensjahr<br />

hinaus erhalten bleibt <strong>und</strong> noch an Intensität<br />

zunimmt.<br />

<br />

<br />

evtl. Konfliktverarbeitung<br />

evtl. vorübergehend sedierende Medikamente


Folgen exzessiven Daumenlutschens<br />

Mögliche Ursachen des Daumenlutschens<br />

Zahnstellungsanomalien<br />

Kieferdeformierungen<br />

Lutschfinger<br />

natürliches Saugbedürfnis<br />

persistierende Gewohnheitsbildung<br />

Ersatzbefriedigung in Mangelsituationen<br />

Therapie des Daumenlutschens<br />

Nägelbeißen (Onychophagie)<br />

<br />

<br />

<br />

Anbieten alternativer Verhaltensweisen<br />

Verhaltenstherapeutisch mit Belohnungssystem<br />

Umstrittene Maßnahmen:<br />

<br />

<br />

Mechanische Fixierung<br />

Bestreichen mit übel riechenden/schmeckenden<br />

Substanzen<br />

Symptomatik: insbesondere in Stress-, Angst- <strong>und</strong><br />

Konfliktsituationen. Abbeißen/kauen/schlucken der Nägel oder<br />

Haut mit der Gefahr der Entzündung des Nagelbettes<br />

Beginn der Symptomatik: meist nach dem 4. Lebensjahr<br />

Maximum der Häufigkeit: 8. – 10. Lebensjahr<br />

Häufigkeit: 15 – 20 % bei 7- bis 10-Jährigen


Mögliche Ursachen des Nägelbeißens<br />

Therapie des Nägelbeißens<br />

<br />

<br />

Besonderheiten des Kindes<br />

motorisch unruhig, hyperaktiv, leicht erregbar<br />

überängstlich, leicht verunsicherbar<br />

Faktoren in der Umwelt<br />

einengende, autoritäre Erziehung<br />

motorische Einengung<br />

Überreaktion auf aggressive Verhaltensweisen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Nägel kurz schneiden<br />

Aufbau alternativer Verhaltensweisen<br />

Entspannungsübungen<br />

Angstreduktion<br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> motorische Aktivitäten<br />

<br />

<br />

inadäquate Affektabfuhr<br />

Ersatzbefriedigung<br />

<br />

verhaltenstherapeutische Maßnahmen mit<br />

Belohnungssystemen<br />

Symptomatik beim Haare ausreißen<br />

(Trichotillomanie)<br />

Mögliche Ursachen der Trichotillomanie<br />

<br />

<br />

drehen, zupfen <strong>und</strong> ausreißen von Haaren<br />

gelegentlich Schlucken ausgerissener Haare<br />

(Gefahr der Bildung von Trichobezoaren)<br />

<br />

Gewohnheitsbildung mit Fixierung<br />

durch Lustgewinn<br />

<br />

häufig kombiniert mit anderen Auffälligkeiten<br />

<br />

Verdrängte aggressive Impulse<br />

<br />

<br />

geistiger Retardierung<br />

depressiver Verstimmung<br />

<br />

Unterstimulation<br />

<br />

anderen <strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong>n<br />

Häufigkeit: 2 – 5 % der 7- bis 11-Jährigen


Therapie der Trichotillomanie<br />

Jaktationen<br />

<br />

<br />

<br />

in Absprache mit dem Kind:<br />

Haare sehr kurz schneiden<br />

Verhaltenstherapie mit Belohnungssystemen<br />

bei umfassenden psychischen Störungen: Therapie<br />

der zentralen Symptome<br />

Definition<br />

stereotype, rhythmische Bewegungen - meist vor<br />

dem Einschlafen oder bei Langeweile<br />

häufige Formen<br />

Kopfschaukeln: Jaktatio capitis<br />

Schaukeln mit dem ganzen Körper: Jaktatio<br />

corporis<br />

Häufigkeit:<br />

4 % bei 10- bis 11jährigen <strong>Kinder</strong>n,<br />

Jungen:Mädchen = 2:1<br />

Mögliche Ursachen von Jaktationen<br />

Gewohnheitsbildung<br />

Deprivation, Vernachlässigung, unzureichende<br />

<br />

<br />

<br />

Therapie von Jaktationen<br />

meist nicht erforderlich<br />

bei Belästigung der Nachbarn durch Wackeln des Bettes:<br />

Festbinden des Bettes<br />

bei Verletzungsgefahr: Auspolstern des Bettes<br />

<br />

<br />

emotionale Zuwendung<br />

geistige Retardierung<br />

hirnorganische Schädigungen<br />

falls störend (z. B. da in inadäquaten Situationen auftretend)<br />

verhaltenstherapeutische Maßnahmen<br />

Einschleifen anderer Verhaltensweisen<br />

motorische Aktivitäten<br />

Behandlung einer evtl. vorliegenden Gr<strong>und</strong>störung


Rumination<br />

Definition:<br />

bewusst herbeigeführtes Heraufwürgen von Nahrung,<br />

die erneut gekaut <strong>und</strong> dann wieder geschluckt oder<br />

ausgespuckt wird<br />

meist im Säuglingsalter auftretend<br />

wenn nach dem Säuglingsalter auftretend:<br />

oft kombiniert mit anderen <strong><strong>Kinder</strong>fehler</strong>n, geistiger<br />

Behinderung, hirnorganischer Schädigung oder<br />

schwerwiegenden Konflikten<br />

Mögliche Ursachen <strong>für</strong> Rumination<br />

Fehlernährung<br />

Bindungsstörung<br />

Psychische Erkrankung der Mutter<br />

geistige Behinderung oder Hirnschädigung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Therapie bei Rumination<br />

Beratung <strong>und</strong> Training der Mutter zur Verbesserung<br />

der Mutter-Kind-Interaktion, insbesondere in der<br />

Essenssituation<br />

Stärkung des Selbstwertgefühls der Mutter mit<br />

Abbau von Ängsten <strong>und</strong> Be<strong>für</strong>chtungen<br />

Behandlung einer Gr<strong>und</strong>krankheit<br />

bei extremen Formen: operativer Eingriff am<br />

Magenausgang<br />

Motorische Stereotypien<br />

Definition: Gleichförmige sich wiederholende motorische<br />

Aktivität ohne Zweckbestimmung, oft mit dem Charakter von<br />

Verlegenheitsgesten<br />

Erscheinungsbild: z. B. rhythmische Fingerbewegungen,<br />

schaukeln mit den Armen, drehende Bewegungen des<br />

Oberkörpers, rhythmisches Hin- <strong>und</strong> Herbewegen gespreizter<br />

Finger vor den Augen, Kopfbewegungen mit Schnüffeln,<br />

Ausstoßen von Lauten oder Wörtern<br />

Häufigkeit: im Kleinkindalter 15 – 20 %, Abnahme nach dem<br />

dritten Lebensjahr<br />

oft kombiniert mit: geistiger Behinderung, Deprivation,<br />

Hirnschädigung oder Blindheit<br />

gelegentlich Ausdruck von Autismus oder Psychose


Mögliche Ursache motorischer<br />

Stereotypien<br />

Therapie motorischer Stereotypien<br />

<br />

Beschäftigung mit sinnvollen Tätigkeiten<br />

<br />

Gewohnheitsbildung<br />

<br />

<br />

motorische Aktivität<br />

Verhaltenstherapie<br />

<br />

<br />

Selbststimulation mit Belohnungscharakter<br />

Folge von Unter- oder Überstimulation<br />

<br />

<br />

operantes Konditionieren mit<br />

Belohnungssystemen<br />

Aversiv-Therapie<br />

<br />

Aufbau alternativer Verhaltensweisen<br />

Ticstörung - Symptomatik<br />

Ätiologie von Tics<br />

<br />

<br />

rasche, unwillkürliche, wiederholte,<br />

nichtrhythmische Bewegung<br />

meist bestimmter Muskelgruppen<br />

<strong>und</strong>/oder Lautproduktion,<br />

die keinem Zweck dienen<br />

mögliche Begleitsymptomatik<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

motorische Unruhe<br />

emotionale Störung<br />

Zwangsphänomene<br />

Entwicklungsstörung<br />

<br />

<br />

<br />

organische Genese<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Reifungsverzögerung mit unzureichender motorischer<br />

Hemmung<br />

frühkindliche Hirnschädigung<br />

genetisch bedingt<br />

dopaminerge Überfunktion in extrapyramidalen Zentren<br />

psychoreaktiver Erklärungsansatz<br />

<br />

<br />

restriktive <strong>und</strong> motorisch einengende Erziehung<br />

Tics als symbolischer Ausdruck von Konflikten<br />

lerntheoretischer Ansatz<br />

<br />

<br />

Überlernen kindertypischer stereotyper Bewegungen<br />

zufällige Kopplung von Bewegungen <strong>und</strong> Angstreduktion


Einteilung von Ticsymptomen<br />

einfache Ticmechanismen<br />

<br />

<br />

Blinzeln, Kopfwerfen, Grimmassieren,<br />

Schulterzucken<br />

Räuspern, Bellen, Schnüffeln, Zischen<br />

komplexe Ticmechanismen<br />

<br />

<br />

Springen, Hüpfen, Sich-Schlagen<br />

Wiederholung bestimmter Wörter<br />

(obszöne Wörter = Koprolalie)<br />

Yale-Tourette-Syndrom-Symptomliste<br />

(Cohen <strong>und</strong> Mitarb. 1985, bearbeitet von H.-C. Steinhausen)<br />

Beurteilen Sie bitte jedes Symptom, indem Sie die angemessene Zahl <strong>für</strong> jeden<br />

Tag in das zugehörige Kästchen eintragen!<br />

0 = überhaupt nicht oder symptomfrei 3 = sehr oft<br />

1 = ein wenig 4 = extrem oft<br />

2 = oft 5 = fast immer<br />

Einfache motorische Symptome<br />

Datum Mo Die Mi Do Fr Sa<br />

Augenzwinkern<br />

Andere Gesichtstics<br />

Kopfwerfen<br />

...<br />

Summe einfacher motorischer Symptome: ____________<br />

Summe komplexer motorischer Symptome: ____________<br />

Summe einfacher Phoniationssymptome: ____________<br />

Summe komplexer Phoniationssymptome: ____________<br />

Summe an Verhaltenssymptomen: ____________<br />

Therapie von Tics<br />

<br />

<br />

<br />

Beratung<br />

Keine Beachtung der Symptomatik<br />

Verminderung von psychischen Belastungen<br />

verstärkte emotionale Zuwendung<br />

Möglichkeiten zu motorischen Aktivitäten<br />

Psychotherapie<br />

Training der Selbstwahrnehmung<br />

positive Verstärkung<br />

Entspannungsübungen<br />

(paradoxe Innervation = Hemmung durch Erschöpfung)<br />

ggf. Konfliktbearbeitung<br />

Pharmakotherapie mit Neuroleptika<br />

Tiaprid (Tiapridex R )<br />

Haloperidol (Haldol R )

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!