Freeletics-Athleten haben den Schmerz lieben gelernt. Viele trainieren jeden Tag.
AUFGEBEN IST KEINE OPTION Bei Extremtrainings wie Freeletics verausgaben sich manche Sportler, bis sie weinen. Andere, bis sie kotzen. Im Internet stacheln sie sich gegenseitig an. Ist das krank oder einfach nur effektiv? Ein Selbstversuch TEXT: SONJA SALZBURGER // FOTOS: DANIEL SAMER Dem Muskelkater entgegen: Autorin Sonja Salzburger I ch kann nicht mehr. Meine Arme zittern, meine Bauchmuskeln glühen. Ich will aufhören. Mich auf die Matte werfen, endlich wieder richtig Luft bekommen. Spüren, wie der Schmerz aus meinen Muskeln weicht. „Es ist gut, wenn es brennt. Es muss brennen!“, ruft Vanessa, mein Freeletics-Instructor. Sie kniet neben mir und zählt: „62, 61, noch 60 Sit-ups! Nur an die nächste Wiederholung denken!“ Ich bin beim Freeletics-Training einer Münchner Frauengruppe und will herausfinden, wie sich die neue Trendsportart anfühlt. Nie zuvor habe ich mich körperlich derart angestrengt. Über die Facebookgruppe „Freeletics Femme“ hat Instructor Vanessa Gebhardt, 25, zum gemeinsamen Training auf der Theresienwiese eingeladen. Gekommen sind zehn schlanke, junge Frauen Mitte 20. Alle Übungen tragen griechische Götternamen, das steht für Macht. Das heutige Work-out ist nach der griechischen Göttin Dione benannt, der Mutter der Liebesgöttin Aphrodite. Es besteht aus 75 Hampelmännern, 25 Burpees – Sprünge in die Liegestützposition und zurück –, 50 Leg-Levers – Beinhebern auf dem Rücken –, weiteren 75 Hampelmännern, 50 Sit-ups und 25 Burpees. Das Ganze dreimal – auf Zeit. Um Freeletics zu trainieren, braucht man bloß eine Matte und ein Smartphone. Alle versuchen, die Übungen so schnell und sauber wie möglich durchzuziehen. Mit einer Smartphone-App stoppen die Sportler ihre Zeit. So können sie ihre Leistungen vergleichen. Wer Freeletics ernst nimmt, geht bei jedem Work-out an seine körperliche Belastungsgrenze – oder darüber hinaus. Vanessa hat schon einige Mädchen weinen sehen und viele junge Männer kotzen. Manchmal verabreden sich Freeletics-Athleten über das Internet zu sogenannten Hell Days oder Hell Weeks. An einem Hell Day trainieren sie dreimal am Tag, in einer Hell Week eine Woche täglich. Neben mir höre ich Anja leise stöhnen. Sie ist bei ihren letzten Hampelmännern angelangt. In einem wahnsinnigen Tempo springt sie auf und ab, verzieht das Gesicht und zählt laut mit. Ich wundere mich, wie jemand Hampelmänner springen kann, als hinge sein Leben davon ab. Aber irgendwie motiviert mich Anjas Passion. Mit Sportlerinnen wie Anja hat Joshua Cornelius, 25, gerechnet, als er letztes Jahr zusammen mit zwei Freunden die Work-outs entwickelte. Er glaubt, dass „Menschen bereit sind, sich extrem anzustrengen, wenn sie motiviert sind“. FLUTLICHT -- 17 --