Morbus Crohn der DGVS
Morbus Crohn der DGVS
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Leitlinie<br />
Die Arzneimittel <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Therapierichtung (Phytopharmaka,<br />
Homçopathika und Anthroposophika) waren bisher bei<br />
ihrer Zulassung bzw. beim In-Verkehr-bringen weniger strengen<br />
Regularien als Allopathika unterworfen (meist sog. Registrierungsverfahren).<br />
In den letzten Jahren wurde bei <strong>der</strong> WHO<br />
eine zunehmende Anzahl von unerwünschten Arzneimittelwirkungen<br />
(UAW) von Phythopharmaka registriert. Deshalb hat<br />
die WHO Leitlinien für nationale Gesundheitsbehçrden verçffentlicht,<br />
um kontextspezifische und zuverlässige Informationen<br />
zum Gebrauch von Phytopharmaka und komplementären<br />
Arzneimitteln zu schaffen [621]. In Deutschland müssen für<br />
diese Arzneimittel – analog zu allopathischen Arzneimitteln –<br />
regelmäßig Pharmakovigilanzdaten und Sicherheitsdaten (Periodic<br />
Safety Update Reports, PSUR) erbracht werden.<br />
Das große çffentliche Interesse an Alternativ- und Komplementärmedizin<br />
rechtfertigt eine weitere Evaluation dieser Methoden.<br />
Das schließt die folgenden Methoden ein: Traditionelle Chinesische<br />
Medizin inklusive Akupunktur, Anthroposophische<br />
Medizin, Aromatherapie, Ayurvedische Medizin, Homçopathie,<br />
immunmodulative Therapien, manuelle Therapien (Osteopathie,<br />
Massagen etc.), Mind/Body-Medizin, Nahrungsergänzungsmittel,<br />
Naturheilkunde, Qi Gong, Reiki.<br />
Definition<br />
Statement 12.1<br />
Unkonventionelle Therapien sind alle Verfahren, die als nicht<br />
anerkannt und/o<strong>der</strong> wissenschaftlich überprüft gelten (dazu gehçren<br />
Verfahren, die mit Begriffen wie Erfahrungsmedizin/Erfahrungsheilkunde,<br />
integrierte Medizin, holistische Medizin umschrieben<br />
werden). Komplementärmedizinische Verfahren (z. B.<br />
Homçopathie, Naturheilverfahren, Traditionelle Chinesische Medizin<br />
[TCM] inklusive Akupunktur, Anthroposophische Therapieverfahren<br />
und Ayurvedische Medizin) werden als Ergänzung zu<br />
konventionellen Standardtherapien angewendet. Verfahren, die<br />
die konventionellen Standardtherapien ausschließen, werden als<br />
alternative Therapieverfahren bezeichnet (D).<br />
Die Definition wurde erstmals auf <strong>der</strong> Konsensuskonferenz 1999<br />
zum Verständnis <strong>der</strong> unterschiedlichen Begriffe verwendet und<br />
wird in <strong>der</strong> Literatur und in Lexika (z. B. Pschyrembel) überwiegend<br />
dementsprechend angewendet. In an<strong>der</strong>en Auslegungen<br />
werden unkonventionelle Therapieverfahren definiert als Methoden,<br />
die nicht in <strong>der</strong> medizinischen Ausbildung an den Universitäten<br />
gelehrt werden o<strong>der</strong> Verfahren, die nicht zur Standardversorgung<br />
in den Krankenhäusern gehçren.<br />
Die angloamerikanische Literatur unterscheidet weniger in alternativ<br />
und komplementär und verwendet den gemeinsamen<br />
Terminus „Complementary and alternative Medicine“ (CAM).<br />
Neuere Literatur spricht bei kombinierter Anwendung von konventioneller<br />
und komplementärer Methoden auch von integrativer<br />
Medizin [619, 622 – 625].<br />
Methodik<br />
Methodik und Fragestellung bestimmen nach EbM-Regeln das<br />
jeweilige Studiendesign und damit die Bewertung für eine EbM-<br />
Hierarchisierung. Dieser Sachverhalt ist bei <strong>der</strong> Bewertung komplementärmedizinischer<br />
Literatur zu berücksichtigen [626].<br />
Einige komplementäre Therapieverfahren beziehen sich auf<br />
das salutogenetische Potenzial des Patienten und schließen<br />
die Arzt-Patienten-Beziehung als Wirkprinzip ein. Eine randomisierte<br />
kontrollierte Studie ist daher nicht immer durchführbar,<br />
dies ist bei einer EbM-Hierarchisierung zu berücksichtigen<br />
[627].<br />
Ferner zeichnen sich komplementär- und alternativmedizinische<br />
Verfahren meist durch komplexe Verfahrensweisen aus,<br />
die durch einfache Wirknachweise eines Einzelfaktors nicht<br />
zu belegen sind, son<strong>der</strong>n systemisch erfasst werden müssen.<br />
Dazu kçnnen Beobachtungsstudien herangezogen werden, die<br />
systemische Wirkungen abbilden kçnnen und als Evaluationsmethode<br />
geeignet wären [627], da ihre Ergebnissen meist zu<br />
RCTs gleichwertig sind [628, 629].<br />
Anwendung und Prävalenz<br />
Statement 12.2<br />
Patienten sollten über die Anwendung komplementärer Heilmethoden<br />
befragt werden. Es wird empfohlen, mit ihnen über ihre<br />
Gründe für die Anwendung komplementärmedizinischer Verfahren<br />
zu sprechen (D).<br />
Statement 12.3<br />
Aufgrund des hohen Anteils an Patienten, die komplementärmedizinische<br />
Therapien anwenden, sollten ¾rzte sich über diese Verfahren<br />
informieren (D).<br />
Kommentar<br />
In mehreren Studien wurde beschrieben, dass mindestens die<br />
Hälfte (31 bis 78 %) <strong>der</strong> erwachsenen Patienten mit CED komplementäre<br />
Heilmethoden anwendet [611, 616, 617, 630 – 632].<br />
In einer repräsentativen Studie für Deutschland zu dem Thema<br />
lag die Inanspruchnahme bei 52,9 % [615]. Bei Kin<strong>der</strong>n mit CED<br />
ist <strong>der</strong> Gebrauch von CAM nicht geringer als bei Erwachsenen<br />
[619, 620, 633–635].<br />
30 – 70 % <strong>der</strong> Patienten informiert ihre ¾rzte nicht über die<br />
Anwendung komplementärer Heilmethoden [611, 614, 617].<br />
Die Anwendung und das Verschweigen komplementärer Heilmethoden<br />
wird durch die konventionell behandelnden ¾rzte<br />
unterschätzt. Als Gründe für die Anwendung komplementärmedizinischer<br />
Verfahren wurden in den Studien die Suche<br />
nach <strong>der</strong> optimalen Therapie, <strong>der</strong> Wunsch, ohne Kortison auszukommen,<br />
Nebenwirkungen <strong>der</strong> konventionellen Therapie,<br />
<strong>der</strong> Wunsch nach Stärkung <strong>der</strong> Eigenaktivität und <strong>der</strong> Eigenverantwortung,<br />
ein ganzheitlicher Therapieansatz sowie Unzufriedenheit<br />
mit <strong>der</strong> konventionellen Therapie und (relatives)<br />
Therapieversagen genannt [613, 615, 616, 619, 620, 630, 633,<br />
636 – 639]. Über 70 % <strong>der</strong> Anwen<strong>der</strong> von CAM ziehen subjektiv<br />
einen Benefit aus diesen Therapien.<br />
Die am häufigsten benutzten komplementären Methoden durch<br />
CED-Patienten sind Homçopathie, Phythotherapie, Traditionelle<br />
Chinesische Medizin einschließlich Akupunktur, Diäten, Vitamine<br />
und Nahrungsergänzungsmittel [611, 614, 615, 617, 619, 620].<br />
Bei Kin<strong>der</strong>n korrelierte <strong>der</strong> Gebrauch von CAM mit <strong>der</strong> Zunahme<br />
von Fehlstunden in <strong>der</strong> Schule, Internetgebrauch und einem<br />
schlechteren Verlauf des <strong>Morbus</strong> <strong>Crohn</strong> [620, 633].<br />
Prädiktoren für den Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren<br />
sind ein hçherer Bildungsstand, eine Vollwerternährung<br />
sowie eine kumulative Kortison-Tabletteneinnahme von mehr<br />
als 10 g Gesamtmenge. Ein hçherer Body-Mass-Index (BMI) war<br />
negativ mit dem Einsatz von CAM verbunden [615].<br />
Hoffmann JC et al. Diagnostik und Therapie… Z Gastroenterol 2008; 46: 1094–1146