Ganzes Heft als PDF (5,1 MB) - Knickbein
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Seite 7<br />
Glosse<br />
9, nein 10 Monate und 1 Jahr<br />
Resümee zum ersten Geburtstag meines Sohnes<br />
Von Julia Hohler<br />
Eine gute Waschmaschine, guten Schlaf und<br />
gute Nerven wünschte mir eine liebe Cousine<br />
zur Geburt meines Sohnes. Sie ist selbst Mutter<br />
zweier gut geratener Kinder bei gleichzeitigem<br />
Erhalt ihrer gazellenhaften Figur. Wie elementar<br />
diese Wünsche gemeint waren, habe ich dam<strong>als</strong><br />
im Schwall der Glückshormone nicht erahnen<br />
können, denn ich war einfach froh,<br />
dass er endlich da war, unser Junior.<br />
Schließlich ist man heutzutage ja<br />
nicht nur 9 Monate, sondern ganze<br />
280 Tage schwanger – <strong>als</strong>o<br />
fast 10 Monate. Da ich diese<br />
Neuerung der Schwangerschaftsberechnung<br />
einige<br />
dutzend Mal erklären durfte,<br />
kam mir die Wartezeit seit<br />
der Befruchtung nur noch<br />
länger vor.<br />
Wie noch nie in meinem Leben<br />
stand seit diesem Zeitpunkt<br />
mein Bauch im Fokus<br />
meiner Aufmerksamkeit. Als<br />
sei sie festgewachsen ruhte<br />
meine Hand auf dem Kugelbauch,<br />
damit mir auch ja<br />
nicht die noch so sanfte erste<br />
Bewegung entginge, von der andere<br />
Schwangere mir stolz seit ihrer<br />
10. Schwangerschaftswoche <strong>als</strong><br />
dem Schlagen eines Schmetterlingsflügels<br />
vorschwärmten. Bei mir flatterte allerdings<br />
lange nichts, und so habe ich die langen<br />
Wochen zwar nicht in zärtlicher Unterhaltung mit<br />
einem quersitzenden Pups verbracht, aber mich<br />
zumindest äußerlich hingebungsvoll um meinen<br />
Bauch und mein unzuverlässiges Bindegewebe<br />
gekümmert. Ich habe gestreichelt, gecremt und<br />
gezupft oder mir in weiser Voraussicht auf zukünftige<br />
Einschlafrituale eine Spieluhr auf den<br />
Bauch gehalten.<br />
Ansonsten habe ich viel desinfiziert, oft mit dem<br />
Arzt telefoniert (wenn meine Frauenärztin schon<br />
nicht bei uns einziehen wollte) und akribisch<br />
auf meine Nahrung geachtet. Noch nie habe<br />
ich im Restaurant ein Stück Fleisch gleich drei<br />
Mal zurück in die Küche geschickt, um es noch<br />
etwas mehr durchbraten zu lassen. Der arme<br />
spanische Koch ließ uns schließlich mitteilen, er<br />
brächte es bei seiner Ehre nicht übers Herz das<br />
arme Filet weiter zu quälen und ließ mir etwas<br />
Vegetarisches servieren.<br />
Meine Sorgen waren immer unbegründet, aber<br />
man beginnt wohl ab dem Moment der Zeugung<br />
sich Gedanken um den Nachwuchs zu machen.<br />
Wahrscheinlich endet das nicht einmal, wenn<br />
das Kind 18 Jahre alt ist und einen Motorradführerschein<br />
macht, ein Intimpiercing bekommt,<br />
Fernfahrer wird oder die f<strong>als</strong>che Partei wählt.<br />
Jaja, Sie merken schon, wir haben einen Jungen...<br />
Bei allen, und auch bei meinem Mann,<br />
war der enttäuschte Blick trotz Gorillagebrüll<br />
und Stammhalterparolen nicht zu übersehen,<br />
<strong>als</strong> uns die Frauenärztin mit dem Ultraschall<br />
den nicht zu übersehenden Beweis lieferte: ein<br />
Junge! „Hauptsache gesund“ war dann auch die<br />
häufigste Antwort, wenn ich stolz von meinem<br />
erwarteten Sohn erzählte. War ich eigentlich<br />
die einzige Erstgebärende, die einen Jungen<br />
wollte? Natürlich bin auch ich frustriert, wenn<br />
die Bandbreite an passenden Vornamen ebenso<br />
beschränkt wie unschön ist und auch ich<br />
schaue wehmütig auf schweinchenrosafarbene<br />
Spitzenkleidchen, wenn ich in der Kinderabteilung<br />
mal wieder die Auswahl zwischen Pirat<br />
und Walfisch habe. Man kann jedoch für einen<br />
Jungen auch sehr viel Geld ausgeben. Das ungeübte<br />
Jungelternglück wird beim Einkauf von<br />
Essentiellem wie Kinderwagen und Heizstrahler<br />
wie auch bei weniger Wichtigem wie Badeeimer<br />
oder Babysonnenbrille von einer erfahrenen<br />
Verkäuferin und Mutter vorwurfsvoll beraten:<br />
„Aber Sie wollen doch sicher nur das Beste für<br />
Ihr Baby, oder?“<br />
Wir hatten bereits vor der Geburt 10 Pakete<br />
in Windelgröße 1 – ein unschlagbares<br />
Sonderangebot – jetzt haben<br />
wir allerdings immer noch 5<br />
Päckchen davon…<br />
Glücklicherweise kam<br />
unser Sohn schneller<br />
<strong>als</strong> gedacht auf<br />
die Welt, und auch<br />
mein Mann hat die<br />
Aufregung gut überstanden.<br />
Wir wurden<br />
dann noch gefragt,<br />
ob ich meine Plazenta<br />
mitnehmen<br />
wolle, um Globuli<br />
daraus herstellen zu<br />
lassen oder sie im<br />
Garten zu vergraben…<br />
Ich stammelte<br />
etwas von unserer<br />
hungrigen Katze…<br />
nein danke!<br />
Die ersten Stunden<br />
zu Hause mit unserem<br />
Junior waren natürlich sehr<br />
aufregend. Kaum daheim angekommen<br />
zog ich, endlich wieder<br />
bauchlos und superselbständig, los<br />
zum nächsten Drogeriemarkt, um Stilleinlagen<br />
zu kaufen. Die freundliche Dame an der Kasse<br />
brachte mich dann aber gleich zurück in die<br />
Realität: „Ja, wann soll es denn endlich kommen,<br />
Ihr Baby?“ Das war zugegebenermaßen<br />
recht ernüchternd, andererseits lässt sich der<br />
Milcheinschuß figurtechnisch positiv verbuchen.<br />
Meine beiden Jungs waren begeistert von der<br />
üppigen Milchbar und auch mich freute die nicht<br />
gekannte Körbchengröße C, denn darunter<br />
sieht selbst der weichste Bauch irgendwie flacher<br />
aus.<br />
Unser Baby war ein guter Trinker, ein schlechter<br />
Schläfer und äußerst unternehmungslustig.<br />
Also waren wir beim Schwimmen, in der Krabbelgruppe<br />
oder beim PEKiP. Für alle Nicht-<br />
Jungeltern: PEKiP ist die Abkürzung für Prager-<br />
Eltern-Kind-Programm, bei dem voll gepinkelte<br />
Mütter in einem saunaheißen Raum ungewollt<br />
mehrstimmig Kinderlieder singen. Für mich gab<br />
es zudem Rückbildungsgymnasik, ein unnötiger<br />
Termin, bei dem wir uns gegenseitig über