Optisches Zweikreisgoniometer
Optisches Zweikreisgoniometer
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Kristallographisches Praktikum I 3<br />
Kristallographisches Praktikum I<br />
Versuch G1: <strong>Optisches</strong> <strong>Zweikreisgoniometer</strong><br />
1. Erläuterungen zum Zweikreis-Reflexionsgoniometer<br />
Nach dem Gesetz der Winkelkonstanz (Nicolaus Steno, 1669) bilden bei verschiedenen<br />
Individuen derselben Kristallart gleichindizierte Flächen (gleiche Millersche Indizes) stets<br />
die gleichenWinkel. Wie groß der Winkel zwischen zwei Flächen mit bestimmten Indizes ist,<br />
hängt von der Metrik des Kristalls ab, d. h. vom Verhältnis der Längen der<br />
kristallographischen Achsen a, b und c sowie von den Winkeln α, β und γ zwischen diesen<br />
Achsen. Die an einem Kristall ausgebildeten Flächen spiegeln, wenn eine allgemeine Form<br />
{hkl} vorhanden ist, die Kristallsymmetrie wider (Sind nur spezielle Formen ausgebildet, so<br />
kann eine höhere Symmetrie vorgetäuscht werden!). Durch Messen der Winkel zwischen den<br />
Kristallflächen und eine anschließende stereographische Projektion des Kristalls ist es also<br />
möglich, Informationen über die Kristallsymmetrie zu erhalten. Dies ist besonders von<br />
Interesse bei der Untersuchung von Kristallen, über die noch keine anderen Informationen<br />
(z.B. röntgenographische) vorliegen.<br />
Die genauesten Ergebnisse bei Winkelmessungen erhält man - ebene Kristallflächen<br />
vorausgesetzt - mit einem Reflexionsgoniometer. Das Prinzip dieser Winkelmessung ist<br />
schematisch in Abb. 1 dargestellt: Hierbei wird ein feiner Lichtstrahl zunächst an der ersten<br />
Fläche (1) reflektiert und mit einem Fernrohr beobachtet. Dann wird der Kristall mit Hilfe<br />
einer Drehvorrichtung so einjustiert, dass die zweite Fläche (2) den Lichtstrahl in das<br />
Fernrohr reflektiert. Dann ist der Drehwinkel gleich dem Winkel zwischen den beiden<br />
Flächennormalen. Der auf den Kristall fallende Lichtstrahl und das Fernrohr, in welchem der<br />
reflektierte Strahl beobachtet wird, bilden dabei einen festen Winkel.<br />
Das Zweikreis-Reflexionsgoniometer bietet die Möglichkeit, durch Drehung des Kristalls um<br />
zwei zueinander senkrechte Achsen jede Kristallfläche in "Reflexionsstellung" zu bringen.<br />
Die Wirkungsweise eines solchen Gerätes ist in Abb. 2 stark vereinfacht dargestellt<br />
(Lichtquelle und Fernrohr sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingezeichnet)
Versuch G1: <strong>Optisches</strong> <strong>Zweikreisgoniometer</strong> 4<br />
Abb. 1: Prinzip des optischen <strong>Zweikreisgoniometer</strong>s<br />
Der Kristall K wird, wie in Abb. 2 gezeigt, auf einem Goniometerkopf befestigt, der um die<br />
horizontale Achse A 1 drehbar ist. Auf der Winkelskala der Drehachse A 1 lässt sich der<br />
Winkel ρ ablesen. Der Drehkreis A 1 ist über einen Arm H mit einem weiteren Drehkreis A 2<br />
mit einer vertikalen Drehachse verbunden ⇒ Winkel ρ. Durch eine kombinierte Drehung um<br />
A 1 und A 2 ist es so möglich, jede Fläche in Reflexionsstellung zu bringen. Jede Fläche ist bei<br />
einem ganz bestimmten Wert von ϕ (Azimuth) und ρ (Poldistanz) in Reflexionsstellung. Man<br />
erhält so einen Satz von (ϕ, ρ)-Werten, der direkt in die stereographische Projektion<br />
übernommen werden kann.<br />
Abb. 2: (a) schematisch (b) Originalgerät
Kristallographisches Praktikum I 5<br />
Für das praktische Arbeiten empfiehlt es sich, den Kristall mit Hilfe des Goniometerkopfes<br />
so zu justieren, dass eine makroskopisch erkennbare wichtige Zonenachse (meist ausgeprägte<br />
Kantenrichtung) zur Drehachse A 1 parallel ist. Dies bedeutet, dass die zu dieser Zone<br />
gehörenden Flächen alle denselben ρ-Wert aufweisen (siehe Abb. 2). Ferner haben alle<br />
Flächen der zu A 1 senkrechten Zonenachsen denselben ϕ-Wert.<br />
2. Die Bestimmung des kristallographischen Achsenverhältnisses<br />
Nach dem Gesetz der rationalen Achsenabschnitte bzw. Indizes sind Achsenabschnitte (das<br />
ist die Strecke vom Ursprung des kristallographischen Achsensystems bis zum Schnittpunkt<br />
einer Fläche mit der Achse) bzw. Indizes ein Vielfaches der Grundvektoren a, b und c. Es ist<br />
demnach<br />
r r r<br />
OA = m a , OB = n b , OC = p c<br />
(siehe hierzu Abb. 3), wobei m, n, p = ganzzahlig sind. Die Millerschen Indizes (hkl) stehen<br />
dabei in folgender Beziehung zu m, n, p:<br />
1 1 1<br />
h : k :l = : :<br />
m n p<br />
Die Winkel zwischen den Flächennormalen und den Achsen seien n a , n b , n c . Dann ist<br />
d<br />
d<br />
d<br />
cos n<br />
a<br />
= , cos n<br />
b<br />
= , cos n<br />
c<br />
=<br />
ma nb pc<br />
Abb. 3:<br />
Zusammenhang der Millerschen Indizes und den Achsenabschnitten m, n, p
Versuch G1: <strong>Optisches</strong> <strong>Zweikreisgoniometer</strong> 6<br />
Indem man die Indizes (111) auf sinnvolle Weise einer ganz bestimmten Fläche zuordnet,<br />
lässt sich das Achsenverhältnis a:b:c ermitteln. Normalerweise wird das Achsenverhältnis auf<br />
b = 1 normiert angegeben, also a:1:c. In Tabelle 1 sind die im Praktikum zur Verfügung<br />
stehenden Kristalle aufgelistet.<br />
Literatur:<br />
W. Kleber, Einführung in die Kristallographie, VEB Verlag Technik, Berlin.<br />
P. Terpstra and W. L. Codd, Crystallometry, Verlag Longmans, London, 1961.<br />
Grundwissen:<br />
Kristallographie I-Vorlesung und -Übungen, Aufbau eines Kristalls, grundlegende<br />
kristallographische Gesetze, Goniometer, stereographische Projektion, Wulffsches Netz.<br />
Aufgaben:<br />
1. Vermessung eines unbekannten Kristalls auf dem Zweikreis-Reflexionsgoniometer.<br />
2. Anfertigung einer Skizze des Kristalls, aus der die Zuordnung der (ϕ, ρ)-Werte zu den<br />
Flächen hervorgeht.<br />
3. Anfertigung einer stereographischen Projektion des Kristalls unter Verwendung der<br />
gemessenen (ϕ, ρ)-Werte und des Wulffschen Netzes.<br />
4. Ermittlung der Symmetrieelemente des Kristalls und damit der Kristallklasse aus der<br />
stereographischen Projektion. Um die Symmetrieelemente zu finden, ist die<br />
stereographische Projektion gegebenenfalls zu wälzen.<br />
5. Einzeichnen der gefundenen Zonen in die stereographische Projektion.<br />
6. Ermittlung des Achsenverhältnisses a:1:c. Hierzu ist, wie unter 2. der Erläuterung<br />
beschrieben, auf sinnvolle Weise einer Fläche die Indizes (111) zuzuordnen.<br />
7. Ermittlung der unbekannten Substanz. Hierzu liegt eine Auswahl von<br />
Achsenverhältnissen von verschiedenen Kristallen vor.<br />
8. Ein ausführliches Versuchsprotokoll mit einer am Computer erstellten Kristallzeichnung<br />
(Programm SHAPE).
Kristallographisches Praktikum I 7<br />
Tabelle 1: Achsenverhältnissen verschiedener Kristalle<br />
Name/Formel Kristallklasse Achsenverhältnis zusätzliche<br />
Angabe<br />
Augit 2/m 1.092 : 1 : 0.589 β = 105°50'<br />
Titanit 2/m 0.752 : 1 : 0.853 β = 119°43'<br />
Topas mmm 0.528 : 1 : 0.955<br />
KAl(SO 4 ) 2 x 12 H 2 O m3 1 : 1 : 1<br />
(K – Alaun)<br />
Calcit 3 m 1 : 1 : 0.855<br />
KH 2 PO 4<br />
4 2m 1 : 1 : 0.98<br />
Biphosphanit<br />
β - Quarz 32 1 : 1 : 1<br />
Apatit 6/m 1 : 1 : 0.731<br />
C 2 H 2 O 4 x 2 H 2 O<br />
2/m 1.697 : 1 : 3.344 β = 106°16'<br />
(Oxalsäure)<br />
C 2 H 6 O 6<br />
2 1.2747 : 1 : 1.0266 β = 100°17'<br />
(Weinsäure)<br />
NaNO 3<br />
3 m 1 : 1 : 3.316<br />
Natronsalpeter<br />
Rutil 4/mmm 1 : 1 : 0.645<br />
Na 2 SO 4<br />
(Thenardit)<br />
KNaC 4 H 6 O 6 x 4 H 2 O<br />
(Seignettesalz)<br />
(CH 2 NH 2 COOH) 3 x H 2 SO 4<br />
(Triglycinsulfat)<br />
CuSO 4 x 5H 2 O<br />
(Chalkanthit)<br />
mmm 0.794 : 1 : 0.476<br />
222 0.8317 : 1 : 0.4296<br />
2 0.72 : 1 : 0.4515 β = 105°40'<br />
1 0.572:1:0.558<br />
α = 97°35'<br />
β = 107°10'<br />
γ = 77°33'