DAS ÄRZTLICHE GUTACHTEN - Schweizerische Gesellschaft für ...
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<strong>DAS</strong> <strong>ÄRZTLICHE</strong> <strong>GUTACHTEN</strong><br />
DEFINITION<br />
Ärztliche Gutachten dienen dazu, nicht eindeutige medizinische Sachverhalte so weit aufzuklären,<br />
dass eine Beantwortung der mit ihnen verknüpften Rechtsfragen möglich wird. Um den Beweisregeln<br />
der Rechtsordnung zu genügen, muss der medizinische Sachverständige sich in seinem Gutachten<br />
auf gesicherte medizinische Erkenntnisse beschränken. Nur der objektiv belegbare – und damit auch<br />
in der Befunderhebung reproduzierbare Befund (Reliabilität) eröffnet die Möglichkeit seiner<br />
Bewertung hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen, im Schadensfall also u. a. der Begründung<br />
einer einmaligen Entschädigung bzw. dauerhaften Rentenleistung (ggf. Versicherungsleistung).<br />
Ein Gutachten kann ausschliesslich die medizinischen Grundlagen liefern, die <strong>für</strong> die Beantwortung<br />
von Rechtsfragen erforderlich sind.<br />
Dazu zählen insbesondere:<br />
- Klärung des medizinischen Sachverhalts bei Zweifeln und Unklarheiten<br />
- Klärung des Restleistungsvermögens aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen (zur<br />
Bestimmung von Eintritt, Ausmass, Dauer und gegebenenfalls Ende einer Arbeitsunfähigkeit)<br />
in Bezug auf eine konkrete Tätigkeit gemäss seitens Auftraggeber vorzulegendem<br />
Tätigkeitsprofil: welche Tätigkeiten sind im geforderten Ausmass nicht mehr möglich? Zeitliche<br />
Einschränkungen?<br />
Erstellung eines Zumutbarkeitsprofiles bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt: welche<br />
Tätigkeiten allgemeiner Art sind noch/nicht mehr zumutbar? Zeitliche Einschränkungen?<br />
Es ist Sache der Rechtsanwendung, aus den medizinischen Einschränkungen den daraus<br />
resultierenden Minder-Erwerb in der konkreten Situation zu errechnen.<br />
- Diskussion/Klärung aller divergierenden ärztlicher Aussagen im Dossier<br />
Es darf davon ausgegangen werden, dass nach Vorliegen eines medizinischen Gutachtens der<br />
erfragte medizinische Sachverhalt als geklärt zu betrachten ist.<br />
Insbesondere sollten anhand des Gutachtens folgende Aspekte eindeutig bestimmbar sein:<br />
- Gesundheitszustand und -schaden (bei Unfall/Haftpflicht bzw. fraglichem Versicherungsschutz<br />
unter allfälliger Abgrenzung des Vorzustandes); eventuell gemäss Fragestellung (bei<br />
entsprechender Echtzeitdokumentation) zu verschiedenen Zeitpunkten bis maximal zur<br />
Begutachtung<br />
- Diagnose(n) mit und ohne Einfluss auf Arbeitsfähigkeit<br />
- Bei Unfällen: Kausalität und Auswirkungen auf die Integrität und Arbeitsfähigkeit<br />
- Ressourcen (Restleistungsfähigkeit) bezogen auf die angestammte Tätigkeit sowie den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
- Gesundheitsbedingte Leistungseinschränkungen (funktional, qualitativ und zeitlich bzw.<br />
quantitativ)<br />
- Bisherige und zukünftig sinnvolle medizinisch-therapeutische Behandlung im Sinne der<br />
nachhaltigen Verbesserbarkeit des Gesundheitszustandes und/oder Bewahrung vor<br />
Verschlechterung: Intensität/Dauer der Massnahmen<br />
- Dauerhaftigkeit des Gesundheitsschadens<br />
- Voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes unter Ausschöpfung sinnvoller<br />
Therapiemöglichkeiten (Prognose)<br />
- Privatunfallversicherung nach VVG: medizinisch-theoretische Invalidität<br />
Vom medizinischen Gutachter wird folgender Beitrag erwartet:<br />
- Das medizinische Gutachten als Endprodukt soll in sich konsistent und plausibel sein, die<br />
gestellten Fragen beantworten, Wertungen des Gutachters nachvollziehbar begründen und<br />
präzis sowie differenziert formuliert, aber auch <strong>für</strong> einen medizinischen Laien verständlich<br />
sein.<br />
Das Bundesgericht stellt auf die folgenden Kriterien ab:<br />
- umfassender Bericht zu den zu beurteilenden Aspekten<br />
- auf allseitiger Untersuchung beruhend<br />
- geklagte Beschwerden wurden berücksichtigt<br />
- wurde erstattet in Kenntnis aller die strittigen Fragen betreffenden Vorakten bzw. der Anamnese
- die berichteten medizinischen Zusammenhänge und die Beurteilung daraus sollen einleuchtend<br />
sein<br />
- Die Schlussfolgerungen werden plausibel begründet<br />
- Unsicherheiten in der Beurteilung oder verbleibende Unklarheiten bzw. Diskrepanzen, die eine<br />
Beantwortung der Fragen erschweren oder verunmöglichen, werden exakt deklariert und<br />
begründet<br />
Damit ein medizinisches Gutachten diese rechtlichen Ansprüche erfüllt, wird folgender Aufbau<br />
erwartet:<br />
a) Einleitung und Begründung <strong>für</strong> Gutachtenauftrag<br />
b) Aktenlage<br />
c) subjektive Angaben der versicherten Person<br />
d) objektive Befunde<br />
e) Diagnosen<br />
– mit Auswirkung auf Arbeitsfähigkeit<br />
– ohne Auswirkung auf Arbeitsfähigkeit<br />
f) fachspezifische Stellungnahme mit schlüssiger Begründung der Arbeitsfähigkeit in zuletzt<br />
ausgeübter und leidensangepasster Tätigkeit im zeitlichen Verlauf<br />
g) Nennung medizinischer Massnahmen, die die Arbeitsfähigkeit substanziell verbessern<br />
Auswahl externer Gutachter:<br />
- Facharzttitel: der Gutachter verfügt über einen anerkannten Facharzttitel auf dem <strong>für</strong> die<br />
Begutachtung relevanten Gebiet<br />
- Subspezialität: der Gutachter verfügt, nebst der geeigneten Facharztrichtung, nachweislich<br />
über spezielle Kenntnisse auf dem <strong>für</strong> die Begutachtung im Einzelfall relevanten Teilgebiet<br />
(belegt z.B. durch Publikationen oder früher auf demselben Teilgebiet angefertigte,<br />
qualitativ hochstehende Gutachten), falls dies erforderlich ist (z.B. Epileptologe)<br />
- Versicherungsmedizinische Kompetenz: von Vorteil, jedoch nicht Bedingung, sind<br />
Zusatzausbildungen wie MAS Versicherungsmedizin, UPIM Versicherungsmedizin, SIM-<br />
Zertifikat Medizinischer Gutachter, SIM-Zertifikat, Arbeitsfähigkeitsassessor, FMH-<br />
Fähigkeitsausweis Vertrauensarzt oder vergleichbare im In- oder Ausland erworbene<br />
Fachkompetenzen auf dem Gebiet der Versicherungsmedizin<br />
- Sprachkompetenz: Der Gutachter kann sich in der Sprache des Exploranden mit diesem<br />
so verständigen, dass sprachkenntnisbedingte Unsicherheiten ausgeräumt sind. Im<br />
Zweifelsfall ist ein professioneller Übersetzungsdienst einzuschalten. Die der<br />
Begutachtung zugrundeliegenden Dokumente werden bei Bedarf übersetzt.<br />
- Fragestellung: Sollte diese <strong>für</strong> den Gutachter nicht genügend verständlich sein, oder hat<br />
der Gutachter Vorschläge betreffend der Vorgehensweise der Begutachtung (weitere<br />
Fachdisziplinen, welche beizuziehen wären; Untersuchung des Exploranden, wo lediglich<br />
ein Aktengutachten angefordert wurde, etc) nimmt der Gutachter mit dem Auftraggeber<br />
Kontakt auf und führt das Gutachten erst durch, wenn die offenen Punkte geklärt sind.<br />
Hier ist klar auf die Gefahr der Medikalisierungstendenz nicht-medizinischer Probleme<br />
hinzuweisen, und die Wichtigkeit zu unterstreichen, dass sich Mediziner lediglich zu<br />
medizinischen Sachverhalten zu äussern haben, und die Aussagekraft eines Gutachtens<br />
nachhaltig geschwächt wird, wenn die Grenzen der Medizin, rsp. der eigenen<br />
Fachrichtung überschritten werden.<br />
(Zusammengestellt aus diversen Unterlagen von SUVA, IV, SIM)<br />
Weiterführende Links:<br />
Versicherungsmedizin<br />
Was ist wo zu finden? Eine nicht abschliessende Auswahl:<br />
Suva:<br />
Wegleitung durch die Unfallversicherung:<br />
http://www.suva.ch/startseite-suva/service-suva/informationsmittel-suva/informationsmittelversicherung-suva.htm
Versicherungsmedizin Suva, inkl. Vorlesungen Uni Bern:<br />
http://www.suva.ch/startseite-suva/unfall-suva/versicherungsmedizin-suva.htm<br />
Swiss Insurance Medicine:<br />
http://www.swiss-insurance-medicine.ch/<br />
Brochuren AUF; e-learning etc.:<br />
http://www.swiss-insurance-medicine.ch/index.php?MenuID=144&UserID=1&ContentID=66<br />
asim (Academy of Swiss Insurance Medicine)<br />
http://www.asim.unibas.ch/index.cfm<br />
Winterthurer Institut <strong>für</strong> Gesundheitsökonomie:<br />
http://www.wig.zhaw.ch/<br />
<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> Traumatologie und Versicherungsmedizin:<br />
http://www.sgtv.org/<br />
<strong>Schweizerische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> der Vertrauensärzte:<br />
http://www.vertrauensaerzte.ch/<br />
Standeskommission<br />
Marc Daniel Zumstein<br />
2013