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April 2014 2

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Musik | Verden<br />

Sense. Er machte elektronische<br />

Musik in Richtung Cure, The<br />

Chameleons und so. Bei ihm auf<br />

dem Dachboden haben wir unsere<br />

erste Kassette aufgenommen.<br />

"Amok" und "Paul" <strong>2014</strong> Foto: ja<br />

Die haben wir zu einem Überspielwerk<br />

geschickt, das kostete<br />

natürlich Geld. Wir haben dann<br />

200 Tapes bekommen, aber damals<br />

war keiner bereit auch nur<br />

2,­ DM in ein unbekanntes Tape<br />

zu investieren.<br />

Wir haben die Kassetten dann<br />

mit anderen Bands getauscht und<br />

auch verschenkt. So kamen sie in<br />

den Umlauf. Es war uns sehr<br />

wichtig die Musik unter die Leute<br />

zu bringen. Für so eine Einrichtung<br />

wie Youtube, wären wir damals<br />

dankbar gewesen.<br />

Im Vordergrund stand aber immer<br />

der Spaß an der Musik.<br />

Wenn wir am Ende auf Plus minus<br />

Null standen waren wir zufrieden.<br />

So haben wir es eigentlich<br />

die ganzen acht Jahre<br />

gehalten, in denen Agen unterwegs<br />

war. Gage? Okay, wenn etwas<br />

über war, fanden wir es auch<br />

gut mal entlohnt zu werden. Ansonsten<br />

galt Sprit und Sprit, was<br />

zu essen und wenn es weiter<br />

weg war, ein Pennplatz.<br />

Den wichtigsten Aspekt der<br />

ganzen Geschichte, hat man damals<br />

vielleicht noch gar nicht so<br />

gesehen: Das war DIY ­ der<br />

selbstverständliche Do it yourself­Gedanke.<br />

Du warst ja quasi<br />

gezwungen selbst aktiv zu werden,<br />

wenn du deinen Kram veröffentlichen<br />

wolltest; mit allem<br />

was dazu gehört. Du musstest<br />

deine Cover selber gestalten und<br />

an Fanzines schreiben. Die gab<br />

es ja damals wie Sand am Meer<br />

und fast jede Stadt hatte ihr eigenes<br />

Fanzine. Es gab Comiczeichner,<br />

die ihre eigenen<br />

www.oeverblick.de<br />

Comics unters Volk gebracht haben,<br />

wie zum Beispiel Maura<br />

oder Donald Punk. Die Kopierindustrie<br />

muss damals sehr viel an<br />

uns verdient haben.<br />

Dieser Gedanke ging damals<br />

durch die ganze Gesellschaft.<br />

Wer keine Musik gemacht hat,<br />

hat sich eben etwas anderes gesucht,<br />

mit dem er sich ausdrücken<br />

konnte. Es gab einfach<br />

das enorme Bedürfnis seine<br />

Kreativität in die ganze Welt hinauszuwerfen.<br />

Dazu waren auch<br />

einfachste Stilmittel, Mittel zum<br />

Zweck.<br />

Tapes gab es damals tausende,<br />

so dass man sich die kaum<br />

noch angehört hat. Mit einer Platte<br />

war das natürlich etwas anderes:<br />

Da gab man Geld aus und<br />

wollte sie dann auch hören. Darum<br />

hat natürlich jeder davon geträumt,<br />

eine Platte rauszubringen.<br />

Aber dafür brauchte man Geld.<br />

Wir haben dann unsere erste,<br />

noch ziemlich mies klingende<br />

Single "Ich wünsch Dir für die Zukunft<br />

ein wenig Glück" gemach.<br />

Den Cover­Schriftzug habe damals<br />

ich entwickelt und das Cover<br />

selber hat Gabi<br />

Kühn für uns entworfen.<br />

Das war schon klasse,<br />

auch wenn es<br />

scheiße klang, wir keine<br />

Ahnung vom Produzieren<br />

hatten, der<br />

Tonmischer quasi die<br />

Rolle des Produzenten<br />

übernehmen musste,<br />

weil wir von Tuten und<br />

Blasen keine Ahnung<br />

hatten. Aber wir haben<br />

etwas rausgebracht: 500 von der<br />

Single und später dann 1000 von<br />

der EP. Glücklicherweise hat sich<br />

alles selbst getragen.<br />

Irgendwann gab es uns ja nicht<br />

mehr, weil Todde zum Studieren<br />

nach Hamburg musste, Goldi<br />

nach Braunschweig und Michel<br />

ging sogar nach Stuttgart.<br />

Irgendwann hat Todde dann<br />

die Abrechnung gemacht, er<br />

konnte das mit den Finanzen am<br />

besten. Ich hielt dann meinen<br />

Kontoauszug in der Hand mit einem<br />

Plusbetrag von 400 DM. Im<br />

Vermerk stand „Der Lohn für 8<br />

Jahre harte Arbeit!“<br />

Als das Jugendzentrum noch<br />

neu war, haben sich unten im<br />

Keller die "Kastrierten Philosophen"<br />

einen ziemlich schicken<br />

Proberaum eingerichtet. Nachdem<br />

KP nicht mehr da waren, hat<br />

sich Agen53 da reingeschummelt.<br />

Aus dieser Situation heraus entstand<br />

dann der "offene Übungsraum"<br />

im Jugendzentrum. Es<br />

probten etwa ein halbes dutzend<br />

Bands dort. Manchmal war es<br />

ziemlich eng, da musste man die<br />

Übungstermine richtig übereinander<br />

bringen. Einige der Bands<br />

blieben reine Übungsraumbands.<br />

Andere widerum starteten dort.<br />

Unten stand ein Schlagzeug,<br />

da hat sich jeder der Lust hatte<br />

dran gesetzt oder es kamen Leute,<br />

die sich einfach ein paar<br />

Bassläufe beibringen lassen wollten.<br />

Einige Leute haben so angefangen,<br />

Rüdi (Rüdiger Dudda –<br />

Schlagzeuger von "Die Brut")<br />

zum Beispiel. Der Übungsraum<br />

war wirklich wichtig, denn es hat<br />

die nächste Generation von Autodidakten<br />

hervorgebracht.<br />

Nochmal zurück zum DIY­Gedanken<br />

– ich hatte damals von<br />

Olaf Thomas ein Yamaha 4­<br />

Spurtape abgekauft, mit dem<br />

man Dubaufnahmen machen, also<br />

mehr als 4 Spuren aufnehmen<br />

Agen53 in ihrer "wilden Zeit" Foto: pf<br />

konnte. Das war damals eine<br />

kleine Sensation, denn auf einmal<br />

konnten alle ihre Aufnahmen mit<br />

diesem 4­Spurtape machen. Das<br />

war quasi nur unterwegs das<br />

Ding! Wenn einer etwas neues<br />

hatte, standen sie alle auf der<br />

Matte. Aber ich hab mich da auch<br />

nicht angestellt. Wenn einer was<br />

brauchte, hieß es geh mal zu<br />

Amok, der macht das schon. Und<br />

ich hab mich dann hingesetzt und<br />

das elende Teil bedient. Schon<br />

hatten die Bands wieder etwas in<br />

der Hand, mit dem sie sich um<br />

Auftritte bewerben konnten.<br />

Heute gibt es ja alles vorgefertigt<br />

am Computer. Früher mussten<br />

wir alles noch selber machen.<br />

Wenn man von vornherein etwas<br />

scheiße eingestellt hatte, dann<br />

war es scheiße und blieb auch<br />

scheiße. Wenn wir die ganzen<br />

Möglichkeiten gehabt hätten, die<br />

es heute gibt, wäre es aber lange<br />

nicht so kreativ geworden und<br />

auch nicht so befriedigend.<br />

Zur Selbstverwaltung im Jugendzentrum<br />

habe ich hier noch<br />

einen Satz, den man den Verdener<br />

Politikern eigentlich mal um<br />

die Ohren hauen sollte. Als die<br />

Selbständigkeit aufgegeben wurde,<br />

wollte die CDU es ja eigentlich<br />

ganz platt machen. Unter<br />

Hand sollen sie ja gesagt haben,<br />

dass sie es für überflüssig halten.<br />

Ich glaube den Stadtvätern war<br />

einfach nicht bewusst, wie viele<br />

Menschen die Stadt<br />

Verden nur kennen, weil<br />

es hier das Jugendzentrum<br />

gibt. Ich glaube die<br />

wissen gar nicht, was für<br />

einen Einzugsbereich<br />

und welche Bedeutung<br />

die Punkrockkonzerte<br />

gehabt haben. Die Leute<br />

kamen aus ganz<br />

Norddeutschland hier<br />

her. Das JUZ hat<br />

zehntausende in die<br />

Stadt gelockt. Die übernachteten<br />

zwar nicht in Hotels<br />

und haben deswegen keine Steuern<br />

gebracht, aber es hat geholfen<br />

den Namen Verden in ganz<br />

Norddeutschland bekannt zu machen.<br />

Das hat leider nie einer geschnallt,<br />

wie wichtig das JUZ<br />

dafür war." (ja)<br />

Överblick ∙ Das Kulturmagazin<br />

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