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Vom Schuster zum Hauptmann<br />
Zuckmayer erzählt die Geschichte des Schusters<br />
Wilhelm Voigt, der wegen Dokumentenfälschung<br />
jahrelang im Gefängnis saß. Nach der Haftentlassung<br />
ist er arbeitslos und ohne Aufenthaltsgenehmigung.<br />
Doch diese erhält er nur, wenn er eine<br />
Arbeitstelle nachweisen kann, eine Arbeitstelle<br />
erhält er wiederum nur mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung.<br />
Ein Teufelskreis. Um endlich die<br />
lang ersehnten Dokumente zu bekommen, wird<br />
er erneut straffällig. Wieder im Gefängnis, eignet<br />
er sich jene militärischen Kenntnisse an, die ihm<br />
zu seiner späteren Karriere als Hauptmann von<br />
Köpenick verhelfen: Kaum aus der Haft entlassen,<br />
erwirbt er eine alte Uniform, bringt als überzeugender<br />
Hauptmann einen Trupp Soldaten unter<br />
sein Kommando und besetzt das Rathaus von<br />
Köpenick. Unter der Bedingung, einen Pass zu<br />
erhalten, stellt er sich alsbald den Behörden. Die<br />
echte Geschichte des Hauptmanns von Köpenick<br />
ist natürlich ein bisschen weniger lustig als die<br />
literarische Aufbereitung. Interessant ist jedoch<br />
der Medienrummel und die Aufmerksamkeit, die<br />
die reale Köpenickiade damals hervorgerufen<br />
hat: Voigt war durch seine Geschichte zu einer<br />
Figur der Unterhaltungslandschaft geworden und<br />
tingelte durch ganz Deutschland, erzählte seine<br />
Geschichte und gab Autogramme. So lernte Zuckmayer<br />
seinen Protagonisten auch kennen: bei einer<br />
Signierstunde während des Mainzer Karnevals.<br />
„Jahrelang hat der Kaiser seinem<br />
Volk Ehrfurcht vor der Allmacht<br />
des Militarismus eingetrichtert,<br />
dessen heiligstes Symbol die deutsche<br />
Uniform ist.“ illustrated london new 1906<br />
Vom Schein und Sein<br />
Der Hauptmann von Köpenick ist eine feine Parabel<br />
für den Untertanengeist der wilhelminischen Gesellschaft.<br />
Zwar lachte damals ganz Deutschland<br />
über den Geniestreich. Doch schon bald machte<br />
sich Nachdenklichkeit breit: Konnte es wirklich<br />
sein, dass ein Mann ohne jegliche Legitimation<br />
außer seiner Uniform die Zivilgewalt außer Kraft<br />
setzte? Dieser Vorfall galt vielen als ein bedenkliches<br />
Symptom für den Militarismus im Kaiserreich.<br />
Die Berliner Morgenpost schrieb am Tag<br />
nach dem Überfall: „Dass ein ganzes Gemeinwesen<br />
mit allen seinen öffentlichen Funktionen,<br />
ja dass eine Abteilung Soldaten selbst auf so<br />
überwältigend komische und dabei doch völlig<br />
gelungene Art von einem einzigen Menschen<br />
stadtgespräch 5