neben - Arbeitsstelle Pastoral für Menschen mit Behinderung
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16 _ <strong>Behinderung</strong> & <strong>Pastoral</strong> / Themenschwerpunkt: <strong>Behinderung</strong> und Sport<br />
Selbstbewusstsein von Frauen und Mädchen stärken<br />
Selbstverteidigungskurse bedenken eine neue Herausforderung <strong>für</strong> den<br />
Rehabilitationssport<br />
Martina Puschke*<br />
Rehabilitationssport gehört zu einer wichtigen ergänzenden<br />
Leistung in der medizinischen und beruflichen<br />
Rehabilitation behinderter oder von <strong>Behinderung</strong> bedrohter<br />
<strong>Menschen</strong>. Zu den Rehabilitationssportarten zählen<br />
Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen sowie Bewegungsspiele<br />
in Gruppen. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe von<br />
Angeboten im Breitensport des Behindertensports.<br />
Mit der Einführung des Neunten Buch des<br />
Sozialgestzbuchs (SGB IX) im Jahr 2001 wurden speziell<br />
<strong>für</strong> behinderte und von <strong>Behinderung</strong> bedrohte Frauen<br />
und Mädchen Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins<br />
im Rahmen des Rehabilitationssports eingeführt<br />
(im § 44, Abs. 1 Nr. 3).<br />
Wie kam es zu diesen speziellen Übungen <strong>für</strong> behinderte<br />
Frauen und Mädchen? Behinderte Frauen und<br />
Mädchen sind in hohem Maße von (sexualisierter) Gewalt<br />
betroffen. Studien zufolge haben mehr als 60% der behinderten<br />
Frauen, die in Einrichtungen leben, sexualisierte<br />
Gewalt erfahren. Diese hat verschiedene Ursachen.<br />
Abhängigkeitsverhältnisse z.B. durch die Notwendigkeit<br />
einer körperlichen Pflege verstärken das Machtgefälle zwischen<br />
Pfleger/Pflegerin und der behinderten Frau und begünstigen<br />
so das Entstehen von Gewalt. Zudem haben<br />
viele Frauen <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> durch häufige Klinikaufenthalte<br />
und körperliche Therapien nie gelernt, ihre<br />
Grenzen zu bewahren, nach dem Motto: „An mir darf jede<br />
und jeder herumfummeln: der Arzt, der Pfleger, die<br />
Krankenschwester, der Therapeut.“<br />
Viele Frauen, gerade auch in Einrichtungen, aber<br />
auch gehörlose Frauen, haben nur ungenügende<br />
Kenntnisse über Sexualität. Ihnen sind oftmals die Grenzen<br />
zwischen z.B. Pflege und Übergriffen bis hin zu Gewalt<br />
nicht deutlich. Aus Unsicherheit wehren sie sich nicht.<br />
Doch jede Frau kann sich wehren! Aus dieser<br />
Erkenntnis heraus haben behinderte Frauen gemeinsam<br />
<strong>mit</strong> Trainerinnen spezielle Selbstbehauptungs- und<br />
Selbstverteidigungskurse als Gewaltprävention <strong>für</strong> behinderte<br />
Frauen und Mädchen entwickelt. In diesen Kursen<br />
lernen die Teilnehmerinnen in speziell <strong>für</strong> ihre<br />
Beeinträchtigung angepassten Übungseinheiten, ihre<br />
Grenzen zu erkennen und zu wahren.<br />
Während der Gesetzgebungsphase des SGB IX verdeutlichten<br />
behinderte Frauen und ihre Interessenvertreterinnen<br />
ihre enorme Bedrohung durch (sexuali-<br />
sierte) Gewalt und ihre positiven Erfahrungen <strong>mit</strong> speziellen<br />
Kursen zur Prävention von Gewalt. Auf Initiative des<br />
Bundesministeriums <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend wurden schließlich die Übungen zur Stärkung des<br />
Selbstbewusstseins im SGB IX aufgenommen.<br />
Selbstbewusstsein stärken<br />
Selbstbewusstsein kann auf verschiedene Weisen gestärkt<br />
werden. Viele Fachleute empfehlen, zu lernen, <strong>mit</strong> Kritik<br />
umzugehen und selbstsichere Gedanken zu entwickeln,<br />
sich selbst <strong>für</strong> Tagesleistungen zu loben, Gelassenheit zu<br />
lernen, das Selbstwertgefühl zu stärken, Körperbewusstsein<br />
zu entwickeln und zu lernen, selbst „Nein“ zu sagen.<br />
Vor dem speziellen Hintergrund der Lebenssituation<br />
behinderter Frauen und Mädchen ist es wichtig, in Kursen<br />
zu lernen, sich selbst als wertvolle und starke Persönlichkeit<br />
kennen zu lernen, die ihre Gefühle und Bedürfnisse kennt.<br />
In einem nächsten Schritt muss gelernt werden, Grenzen<br />
zu setzen, Nein zu sagen und sich je nach Beeinträchtigung<br />
gezielt und angemessen zu verteidigen.<br />
Einbettung in den Rehabilitationssport<br />
Derzeit setzt die Rahmenvereinbarung über den<br />
Rehabilitationssport und das Funktionstraining einen groben<br />
Rahmen <strong>für</strong> die speziellen Übungen <strong>für</strong> Frauen und<br />
Mädchen. Demnach müssen die eigenständigen Übungsveranstaltungen,<br />
wie alle Rehabilitationssportarten, ärztlich<br />
verordnet werden. Sie müssen von Übungsleiterinnen<br />
durchgeführt werden, wobei Elemente aus Judo, Karate,<br />
Tae-kwon-Do, Jiu-Jitsu und Entspannungsübungen eingebunden<br />
werden können.<br />
Eine gesonderte Empfehlung <strong>für</strong> die inhaltliche<br />
Gestaltung dieser Übungen sowie ein Curriculum zur<br />
Ausbildung von Übungsleiterinnen liegen noch nicht vor.<br />
Diese werden derzeit in einem Projekt namens SELBST<br />
Selbstbewusstsein <strong>für</strong> behinderte Mädchen und Frauen<br />
(§ 44 SGB IX) in Kooperation <strong>mit</strong> dem Deutschen<br />
Behindertensportverband e.V. – DBS erarbeitet. Das<br />
Projekt endet im Herbst 2006.<br />
Probleme bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs<br />
Aktuell werden die Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins<br />
noch nicht über die Landesbehindertensportverbände<br />
angeboten, wie eine Umfrage des