Weichenstellung: - BVGD
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CEN Spezial<br />
Urs Lehmann – „Auf uns alle kommen<br />
große Aufgaben zu“<br />
CICERONE: Was waren die Streitpunkte zwischen<br />
den beteiligten Staaten, wo wurde<br />
hart um Kompromisse gerungen?<br />
Bianco: Wir waren sehr glücklich, dass es<br />
ganz wenige Knackpunkte gab. Das Interesse<br />
an den Inhalten dieser Richtlinien war<br />
in etwa das gleiche bei allen Ländern. Eine<br />
fast unüberwindliche Hürde war die Stundenzahl,<br />
die für diese Richtlinie gefordert<br />
wurde. Und da lagen die großen Unterschiede<br />
zum Beispiel zwischen Griechenland,<br />
Malta und Spanien als regulierte<br />
Länder, und Deutschland und England als<br />
nicht regulierte Länder, weil es hier die Spitzenforderung<br />
von etwa 2.000 Stunden gab<br />
und dort den Wunsch, es auf vielleicht 400<br />
Stunden zu begrenzen. Und darüber wurde<br />
lange und heiß verhandelt.<br />
CICERONE: Wie viele Staaten werden die<br />
EU-Norm künftig anerkennen und welche<br />
Vorteile bietet sie den Gästeführern, die<br />
innerhalb der EU an unterschiedlichen<br />
Orten arbeiten?<br />
Dr. Jäger: Die Anerkennung hat bereits<br />
stattgefunden. Es sind 28 Staaten, die auf<br />
dieser Normungsebene mitarbeiten und<br />
sich dieser Forderung freiwillig unterwerfen.<br />
Soweit ich weiß, gibt es verschiedene<br />
Aspiranten auf Mitgliedschaft bei CEN.<br />
Jeder der künftig dazu stoßen wird, wird<br />
automatisch auch diese Norm dann mit<br />
übernehmen. Das geht über die EU sogar<br />
hinaus. Vor kurzem bekam ich einen Anruf<br />
aus Slowenien und die Kollegin in Slowenien<br />
hat explizit nach Ausbildungsrichtlinien<br />
auf europäischer Ebene gefragt. Es gibt ein<br />
Grundprinzip, das der CEN-Standard vertritt,<br />
dass nämlich der Gästeführer primär ein<br />
lokal tätiger Mensch ist. Wir haben in dem<br />
CEN-Standard vorgesehen, dass über die<br />
lokalen Kenntnisse hinaus auch ein überregionaler<br />
Bereich an Wissen erforderlich<br />
ist und sind in den Arbeitsgruppen übereingekommen,<br />
dass dieser überall erwor-<br />
4 Cicerone 1/2008<br />
Gisela Bianco – „Vorleistungen können<br />
angerechnet werden“<br />
ben werden kann. Nur lokalspezifi sches<br />
Wissen und die dazugehörige praktische<br />
Ausbildung müssen vor Ort erworben werden.<br />
Dann haben wir im Sinne der Dienstleistungsfreiheit<br />
keinen Hinderungsgrund<br />
mehr für Gästeführer, grenzüberschreitend<br />
zu arbeiten, auch nicht in den so genannten<br />
regulierten Staaten<br />
CICERONE: Gibt es Verlierer und Gewinner<br />
oder sind alle EU-Staaten glücklich mit der<br />
neuen Regelung?<br />
Lehmann: Über die Glücksgefühle anderer<br />
kann ich nichts sagen. Ich denke aber, dass<br />
wir alle, um die Norm umzusetzen, große<br />
Anstrengungen machen müssen. Die einen<br />
mehr auf theoretischem Gebiet, das wir aufstocken<br />
müssen, und die anderen mit ihren<br />
sehr umfangreichen Ausbildungskonzepten,<br />
die nun sehr viel mehr in den praxisbezogenen<br />
Teil übernehmen müssen. Also kommen<br />
auf uns alle große Aufgaben zu. Ich glaube<br />
aber, dass alle, die bei der Norm mitgearbeitet<br />
haben, stolz darauf sind, dass sie es<br />
erreicht haben, eine Norm zu entwickeln,<br />
die wirklich den Anforderungen an einen<br />
Gästeführer und dem spezifi schen Profi l<br />
des Gästeführers gerecht wird.<br />
CICERONE: Entspricht die Norm Ihren<br />
Erwartungen oder hätten Sie sich in einzelnen<br />
Punkten ein anderes Ergebnis<br />
gewünscht?<br />
Lehmann: Damals, als wir die Norm im<br />
Arbeitsausschuss abgeschlossen haben,<br />
hätte ich mir gewünscht, dass wir mit sehr<br />
viel weniger Stunden herauskommen. Nachdem<br />
ich aber jetzt sehe, welches Konzept im<br />
<strong>BVGD</strong> daraus entwickelt wurde, um diese<br />
Stundenzahl von 600 dann wirklich umzusetzen,<br />
muss ich sagen: Damit können wir<br />
leben und das ist für uns gut!<br />
CICERONE: Der <strong>BVGD</strong> überarbeitet sein bisheriges<br />
Ausbildungskonzept und passt es<br />
möglichst schnell an die neuen Kriterien an.<br />
Dr. Ute Jäger – „Grenzüberschreitendes<br />
Arbeiten wird leichter möglich“<br />
Welche Schritte sind dafür nötig?<br />
Bianco: Der erste Schritt ist, dass wir die<br />
neuen Richtlinien, die wir erarbeitet haben,<br />
durch die Normungsinstitute anerkennen<br />
lassen (dieser Prozess wurde im Mai 2008<br />
erfolgreich abgeschlossen, Anm. d. Red.).<br />
Schließlich muss die praktische Durchführung<br />
geregelt werden.<br />
CICERONE: Seit Jahren haben sich viele<br />
Gästeführer in Deutschland mit Erfolg um<br />
das <strong>BVGD</strong>-Fortbildungszertifi kat bemüht.<br />
Ist das Zertifi kat ein Vorteil für die Beteiligung<br />
an einer weiteren Ausbildung nach<br />
EU-Norm?<br />
Dr. Jäger: Durchaus – Fortbildung macht<br />
immer Sinn! Nicht nur, um den großen<br />
Anstrengungen, die viele unserer Mitglieder<br />
bereits unternommen haben, Rechnung zu<br />
tragen, haben wir in unseren neuen Richtlinien<br />
einen Modus geschaffen, der das<br />
bisher Erreichte anerkennt und es möglich<br />
macht, das <strong>BVGD</strong>-Zertifi kat nach DIN-EN<br />
aufzustocken.<br />
Bianco: Eine ganz wichtige Neuerung in<br />
unserem Konzept ist, dass Vorleistungen,<br />
das heißt Berufsausbildungen oder schon<br />
abgeleistete Kurse, anerkannt werden.<br />
CICERONE: Ab wann wird das neue <strong>BVGD</strong>-<br />
Ausbildungskonzept zur Verfügung stehen<br />
und wer kann es anfordern?<br />
Bianco: Voraussichtlich werden diese Zertifi<br />
zierungen im Sommer 2008 schon vollzogen<br />
sein. Ab dann wird das Konzept zur<br />
Verfügung stehen. Anfordern kann es dann<br />
jeder, der ausbilden und den Anforderungen<br />
gerecht werden möchte.<br />
Frau Bianco, Dr. Jäger, Frau Lehmann, ich<br />
danke Ihnen für das Gespräch.<br />
Georg Reichlmayr, <strong>BVGD</strong> –<br />
Redaktion CICERONE<br />
reichlmayr@bvgd.org