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Das Problem der 100 Gefangenen

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<strong>Das</strong> <strong>Problem</strong> <strong>der</strong> <strong>100</strong> <strong>Gefangenen</strong><br />

Tim Heinrich<br />

9. Juni 2008<br />

<strong>Problem</strong>beschreibung<br />

<strong>100</strong> Gefangene bekommen eine einmalige Gelegenheit. Die <strong>Gefangenen</strong> sind von<br />

1-<strong>100</strong> durchnummeriert. Die Nummern <strong>der</strong> <strong>Gefangenen</strong> wurden in <strong>100</strong> hölzernen<br />

Boxen platziert, in je<strong>der</strong> Box eine, jede Nummer genau ein Mal. Die Boxen<br />

sind auch von 1-<strong>100</strong> durchnummeriert. Die <strong>Gefangenen</strong> haben kurze Zeit sich<br />

abzusprechen. Sie werden danach nacheinan<strong>der</strong> in den Raum mit den Boxen<br />

geführt und dürfen 50 <strong>der</strong> Boxen öffnen, dabei ist jeweils nur ein Gefangener<br />

im Raum. Ziel ist es, die eigene Nummer zu finden. Eingang und Ausgang des<br />

Raumes münden in unterschiedlichen Trakten, so haben die <strong>Gefangenen</strong> keine<br />

Möglichkeit, mit <strong>Gefangenen</strong>, die noch nicht in dem Raum waren, zu kommunizieren,<br />

nachdem sie in den Raum geführt wurden.<br />

Wenn alle <strong>Gefangenen</strong> auf diese Weise ihre eigene Nummer finden, werden<br />

alle <strong>Gefangenen</strong> freigelassen. Ansonsten, wenn mindestens ein Gefangener seine<br />

Nummer nicht findet, werden alle noch am selben Abend gehängt.<br />

Lösungen<br />

Naiver Lösungsansatz<br />

Eine naive Lösung des <strong>Problem</strong>s ist, dass je<strong>der</strong> Gefangene zufällig ausgewählte<br />

Boxen öffnet und hofft, seine eigene Nummer zu finden. Der Wahrscheinlichkeitsraum<br />

ist dabei die Menge aller n! Permutationen und die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

ist die Gleichverteilung auf diesem Wahrscheinlichkeitsraum. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass ein Gefangener seine Nummer findet, ist dabei trivialerweise<br />

1 2<br />

. Bei <strong>100</strong> <strong>Gefangenen</strong> beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass je<strong>der</strong> seine<br />

Nummer findet also 1<br />

2<br />

, eine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeit.<br />

<strong>100</strong><br />

Nun muss man sich die Frage stellen, ob es nicht auch besser geht. Dabei<br />

gibt es das verblüffende Ergebnis, dass dieses <strong>Problem</strong> mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

von über 30% gelöst werden kann.<br />

Lösungsstrategie<br />

Eine bessere Lösungsstrategie ist es, dass ein Gefangener zuerst die Box öffnet,<br />

die seiner Nummer entspricht. Wenn darin seine eigene Nummer ist, muss er<br />

keine weiteren Boxen öffnen. Ansonsten öffnet er die Box, die <strong>der</strong> Nummer<br />

in <strong>der</strong> geöffneten Box entspricht (und so weiter), bis er seine eigene Nummer<br />

gefunden o<strong>der</strong> 50 Boxen geöffnet hat.<br />

1


Wie soll das nun aber die Wahrscheinlichkeit, dass alle ihre Nummer finden,<br />

verbessern? Zur besseren Veranschaulichung beschränken wir uns bei beim<br />

folgenden Schaubild auf 10 Gefangene. Wir betrachten also eine beliebige Neuanordnung<br />

von Zahlen bzw. eine bijektive Selbstabbildung, mathematisch betrachtet<br />

ist das eine Permutation:<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

3 6 8 10 9 7 2 4 5 1<br />

Eine an<strong>der</strong>e Schreibweise für Permutationen ist die Zykelschreibweise:<br />

( 1 3 8 4 10 ) ( 2 6 7 ) ( 5 9 )<br />

Diese Schreibweise macht sich zunutze, dass Permutationen sogenannte Zykel<br />

bilden, also Sequenzen, die sich wie<strong>der</strong>holen. Wenn ein Gefangener also mit <strong>der</strong><br />

Box anfängt, die die selbe Nummer hat, wie er selbst, stellt er sicher, dass er<br />

irgendwann auch die Box mit <strong>der</strong> eigenen Nummer findet, schließlich betrachten<br />

wir ja solche Zykel. Haben die <strong>Gefangenen</strong> also eine Permutation erwischt, bei<br />

<strong>der</strong> alle Zykel kleiner o<strong>der</strong> gleich 50 sind, kommen sie nach dieser Strategie frei.<br />

Wenn die Permutation aber einen größeren Zykel enthält, kommen sie nicht frei.<br />

Permutationen<br />

Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit für eine solche Permutation? Es gibt<br />

<strong>100</strong>! mögliche Permutationen. Wenn wir davon alle Permutationen abziehen, die<br />

Zykel enthalten, die größer als 50 sind, haben wir alle “guten” Permutationen.<br />

Um einen Zykel <strong>der</strong> Länge 51 zu erhalten wählen wir 51 <strong>der</strong> <strong>100</strong> Zahlen.<br />

Es gibt ( )<br />

<strong>100</strong><br />

51 Möglichkeiten dafür. Desweiteren gibt es 50! mögliche Anordnungen,<br />

damit ein Zykel mit 51 Zahlen entsteht ((51 − 1)!). Außerdem gibt es 49!<br />

Möglichkeiten, die restlichen Zahlen anzuordnen. Insgesamt ergeben sich also<br />

( ) <strong>100</strong><br />

· 49! · 50! = <strong>100</strong>!<br />

<strong>100</strong>!<br />

· 49! · 50! =<br />

51<br />

51! · 49! 51<br />

Permutationen mit 51-stelligen Zykeln. Diese Formel gilt, da nicht mehr als ein<br />

Zykel <strong>der</strong> Größe > 50 in einer Permutation enthalten sein kann, denn es sind ja<br />

nur noch


Allgemein<br />

Betrachte folgendes Schaubild:<br />

Abbildung 1: [1]<br />

<strong>Das</strong> Bild macht deutlich, dass die Summe für die Wahrscheinlichkeit einer<br />

“schlechten” Permutation kleiner als die Gesamtfläche unter dem Graphen in<br />

den Grenzen von 50 bis <strong>100</strong> sein muss, also<br />

1<br />

51 + 1<br />

52 + . . . + 1<br />

99 + 1<br />

<strong>100</strong><br />

<strong>100</strong> = ∑<br />

n=51<br />

∫<br />

1 <strong>100</strong><br />

n < 1<br />

50 x dx<br />

∫ <strong>100</strong><br />

1<br />

∣ ∣∣<br />

⇒ 1 −<br />

50 x dx = 1 − ln x <strong>100</strong><br />

50<br />

= 1 − ln(<strong>100</strong>) − ln(50) = 1 − ln( <strong>100</strong> ) = 1 − ln 2 ≈ 0, 307<br />

50<br />

Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die <strong>Gefangenen</strong> freikommen, für eine<br />

beliebige Anzahl von <strong>Gefangenen</strong>, immer größer als ≈ 30, 7%<br />

Eugene Curtain und Max Washauer haben mittlerweile sogar bewiesen, dass<br />

diese Lösung nicht mehr verbessert werden kann.<br />

Literatur<br />

[1] “The condemned prisoners and the boxes.”,<br />

http://www.mast.queensu.ca/∼peter/inprocess/prisoners.pdf, 06.05.2008<br />

[2] “Prisoners and permutations”, http://www.math.princeton.edu/∼wwong/<br />

blog/blog200608191813.shtml, August 2006<br />

[3] “Puzzling Names in Boxes”, http://www.sciencenews.org/articles/20060819/mathtrek.asp,<br />

August 2006<br />

[4] “Cycles and fixed points”, http://en.wikipedia.org/wiki/Cycles and fixed points,<br />

20.05.2008<br />

[5] “Kombinatorik”, http://de.wikipedia.org/wiki/Kombinatorik, 20.05.2008<br />

3


[6] “<strong>100</strong> prisoners need to find their names”,<br />

http://forums.xkcd.com/viewtopic.php?f=3&t=7435&view=next,<br />

20.05.2008<br />

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