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Julian Charrière: We are all astronauts aboard a little spaceship called earth, 2013, 13 historic globes, table construction. Copyright: The Artist and ARNDT Berlin<br />

Installationsansicht Hamburger Bahnhof, Berlin, 2013, Raum von Mariana Castillo Deball, Foto: David von Becker<br />

Landkarte der Stadt verwandelte. Indem das Quartett<br />

die Fenster des einzigartigen Raumes <strong>als</strong> Membranen<br />

recht ungewöhnlicher Lautsprecher zweckentfremdete<br />

und darüber seismographisch gewonnene Schwingungen<br />

aus dem gesamten Stadtraum abspielte, öffnete der<br />

Pavillon in zentraler Bestlage nicht nur örtlich, sondern<br />

auch metaphorisch seine Fenster zur Stadt.<br />

Solche und andere innerstädtische Dynamiken wussten<br />

auch andere Künstler und Kuratoren für sich zu nutzen.<br />

Die weitestreichende Aufmerksamkeit für ein lokalpolitisches<br />

Kunstwerk erregte die Eigeninitiative eines<br />

Künstlerpaares, das anlässlich der Retrospektive zu<br />

Ehren Santiago Sierras kurzerhand eine seiner Performances<br />

nachspielen ließ. Denn während im September<br />

in den Hamburger Deichtorhallen ein Überblick über<br />

die oftm<strong>als</strong> grenzgängerischen Aktionen des Spaniers<br />

und der von ihm engagierten und zu Mindestlohn beschäftigten<br />

Migranten gegeben wurde, besetzten einige<br />

Flüchtlinge auf Geheiß des Pärchens die Sierra-Arbeit<br />

„Acht Arbeiter, die dafür bezahlt werden, in Pappkartons<br />

zu sitzen“, um sie zu neuem Leben zu erwecken. Vor dem<br />

Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt in der St. Pauli-<br />

Kirche ausharrenden Schar an Asylbewerbern und der<br />

darüber entbrannten Stadtdebatte, war es schließlich<br />

ein Verwaltungsakt, der aus Versicherungsgründen, so<br />

hieß es, dem Spuk ein Ende setzte. Während sowohl<br />

Sierra <strong>als</strong> auch Falckenberg, in dessen Sammlung sich<br />

das Ereignis abspielte, die Aktion begrüßten, und auch<br />

das Hamburger Publikum seine Sympathien bekundete,<br />

war es wieder einmal die Stadt, die den fortlaufenden<br />

Konflikt zu unterdrücken versuchte. Eine gelungenere<br />

Retrospektive <strong>als</strong> diese, die ihm seine Studienstadt und<br />

ihre Bürger schenkten, hätte sich Sierra wohl kaum<br />

wünschen können.<br />

Allerdings war sein Gastspiel in der Elbmetropole nur<br />

eine von vielen hochkarätigen Überblicksausstellungen<br />

sonst hierzulande nur spärlich gezeigter Künstler, die in<br />

diesem Jahr bundesweit ausgetragen wurden. Gleich zu<br />

Jahresbeginn lockte Yoko Ono nicht nur die Frankfurter,<br />

sonder auch das zahlreich aus der Ferne angereiste<br />

Publi kum in die Schirn. Pünktlich zum 80. Geburtstag<br />

lud die Grande Dame der Performance Art noch einmal<br />

alle Begeisterten zu einer Serie gemeinsamer Happenings<br />

ein, die nach all den Jahrzehnten zwar eine gewisse<br />

Ruhe und Zufriedenheit erkennen ließen, aber noch immer<br />

von derselben Anziehungskraft beflügelt waren.<br />

Frankfurt war gerade dem Zauber der Yoko Ono erlegen,<br />

<strong>als</strong> in München eine erstaunlich wenig öffentlich rezipierte<br />

Retrospektive zu Ehren Gillian Wearings eröffnet<br />

wurde. Das Museum Brandthorst widmete sein gesamtes<br />

Unter geschoss jener prägenden Figur der Young British<br />

Artists, die seit mehr <strong>als</strong> 20 Jahren die oftm<strong>als</strong> übersehenen,<br />

aber so vielsagenden Details des britischen<br />

Alltags dokumentierte. Das inhaltlich überwältigende,<br />

aber formal bescheidene Werk der Turner-Preisträgerin<br />

wurde vielleicht erst so einem breiteren deutschen<br />

Publikum bekannt, sodass zu hoffen bleibt, Wearing<br />

auch im kommenden Jahr nicht nur in München, sondern<br />

auch in weiteren Städten kennenzulernen.<br />

Diese besondere Aufmerksamkeit musste Anish Kapoor<br />

wiederum nicht erst zuteil werden, schließlich konnte<br />

sich die große Werkschau des auch hierzulande längst<br />

berühmten Landsmannes im Martin-Gropius-Bau wohl<br />

kraft seiner Popularität zu dem Kassenschlager entwickeln,<br />

an dem wohl niemand zu zweifeln gewagt hatte.<br />

Doch noch während in Berlin blutrote Wachsschwarten<br />

durch die Räume sausten, konnte das Lenbachhaus bereits<br />

einen ganz eigenen Trumpf ausspielen: Der Kunstbau<br />

der Münchener Traditionsinstitution gewährte<br />

pünktlich zum Jahresende einen umfassenden Einblick<br />

in Gerhard Richters sagenumwittertes Archiv, das<br />

während seiner jahrzehntelangen Schaffensphasen<br />

immer wieder <strong>als</strong> wertvolle Inspirationsquelle diente.<br />

Nachdem Richter erst im vergangenen Jahr seine überfällige<br />

Monument<strong>als</strong>chau in der Neuen Nationalgalerie<br />

erhielt, konnte das Publikum dem Volkskünstler der<br />

Gegenwart nun ungewöhnlich nah kommen und die<br />

Entstehung etlicher seiner bekanntesten Werke nachvollziehen.<br />

Denn auch das war 2013: Ob Richter oder Sierra, Ono<br />

oder Kippenberger – die Kunstwelt scheute sich nicht,<br />

ordentlich auf Tuchfühlung zu gehen. Hoffen wir, dass<br />

es im kommenden Jahr so bleiben wird, und freuen wir<br />

uns auf einen spannenden Kunstkalender!<br />

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