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sprache basiert und amorphe netzartige Muster generiert,<br />

ist eng mit dem Digitalen verstrickt. Sie ermöglicht<br />

dem Betrachter sinnbildlich im Internet spazieren zu<br />

gehen – und sich zugleich im scheinbar unendlichen<br />

Feld des Textilen zu verlieren. Koglers Arbeit schließt den<br />

Kreis insofern, <strong>als</strong> dass aus der Lochkartenweberei der<br />

Binärcode hervorgegangen ist. Das Zusammenspiel von<br />

Kunsthandwerk und Technik war Basis für die heutige<br />

Programmiersprache, ohne die die moderne Welt nicht<br />

mehr vorstellbar ist.<br />

Die textile Stofflichkeit erscheint unerschöpflich und<br />

crossmedial. Die Ausstellung zeigt, dass das Textile in einem<br />

ungeheuren Facettenreichtum in der Kunst auftritt<br />

und mit den gegenübergestellten Bildwerken ähnliche<br />

bis vergleichbare Texturen in der Kunst der Moderne<br />

zu finden sind. Die Bedeutung des Textilen erweist sich<br />

hier <strong>als</strong> universell. Wenn in einer Zeit der zunehmenden<br />

Virtualisierung das Stoffliche, das Materielle, das Textile<br />

an Bedeutung gewinnt, weil wir davon umgeben und<br />

umhüllt sind, dann kommt die Frage auf: Wie lässt sich<br />

die Bedeutung des Textilen in der Kunst positionieren?<br />

Hiermit setzt sich SEPIA auseinander. „Veränderte<br />

Produktionsbedingungen führen zu veränderten Ansichten<br />

von dem, was autonome Kunst, was angewandte<br />

Kunst, was wahre Architektur ist und welche gesellschaftliche<br />

Relevanz jeweils besteht“, so Ulrich Reimkasten.<br />

Das Verständnis des Textilen in der Kunst ist<br />

bei SEPIA eng verwoben mit der klassischen Tapisserie<br />

beziehungsweise dem Gobelin und deren originären<br />

Verbindungen zur Malerei. Deshalb ist einer der<br />

Forschungsschwerpunkte die Frage nach dem Bildtypus<br />

der Tapete: „Es ist ein Ideal unserer Kunstgattung, die<br />

Wände eines Raumes oder ganzer Raumfluchten komplett<br />

mit textilen Bildern, mit einer Bildtapete zu bekleiden.<br />

Damit werden die üblichen Dimensionen des Einzelwerks<br />

und Kunsthandelsobjektes überschritten und<br />

man erreicht die 'Grenzbefestigungen zum Fürstlichen'<br />

oder des Öffentlichen – und hier liegen vielleicht die<br />

Übergänge zu den künftigen Möglichkeiten und zum<br />

Begriff der Textilen bzw. Gewebten Wand.“ 2<br />

Auch in der Ausstellung „Kunst & Textil“ spielt die<br />

Architektur eine Rolle. Als Höhepunkt der Ausstellung<br />

treffen die Tapisserie „La Broderie“ (1520) mit zwei<br />

Wandteppichen von Gerhard Richter aufeinander und<br />

ermöglichen einen direkten Vergleich traditioneller<br />

Stickereien und Webtechniken mit modernen Mitteln<br />

wie der Digitalfotografie. 3 Wie eng die moderne Welt<br />

mit der Entwicklung der Textilverarbeitung zusammenhängt,<br />

bringt der Architekturprofessor Emmanuel Petit<br />

auf den Punkt: Seit den 1960er-Jahren verbinde „das<br />

Leitmotiv textiler Webkunst die Vorstellung, die Struktur<br />

selbst enthalte den Formencode für die Architektur“ 4 .<br />

2 Professor Ulrich Reimkasten, Direktor von SEPIA – Institut für Textile<br />

Künste e.V.: Tendenzen Textiler Künste, Grußwort, 2011<br />

3 Denn Richter dienten <strong>als</strong> Ausgangspunkte jeweils vierfach gespiegelte<br />

Digitalfotografien seinen abstrakten Gemäldes Nr. 724-4, 1990. Auf<br />

textilem Untergrund (Leinwand) Gemaltes wird in das zeitgenössische<br />

Medium der Digitalfotografie übersetzt und im nächsten Schritt durch<br />

eine traditionelle Handarbeitstechnik ausgeführt. Vgl. Katalog „Kunst &<br />

Textil“, Kunstmuseum Wolfsburg, Hatje Cantz, 2013, S. 271.<br />

4 vgl. Emmanuel Petit: Architektur im Zeitalter freier Urheberschaft<br />

– Textile Impulse seit den 60er-Jahren, Katalog „Kunst & Textil“,<br />

Kunstmuseum Wolfsburg, Hatje Cantz, 2013, S. 80.<br />

Der Architekt wird vom Urheber zum Geburtshelfer.<br />

Christos Reichstagsverhüllung kann so in einem völlig<br />

neuen Licht betrachtet werden, <strong>als</strong> er mit riesigen<br />

Stoffbahnen das Bauwerk in eine monumentale Skulptur<br />

verwandelte. SEPIA betont darüber hinaus jedoch<br />

vor allem die Verbindung von künstlerischem mit<br />

architektonischem Denken und sozialem Handeln.<br />

Unter der Prämisse, dass Textilkunst architektonische<br />

Räume schafft, werden vor allem anwendungsbezogene<br />

künst lerische Praktiken aus Vergangenheit und Gegenwart<br />

untersucht, um Aufschluss über das Potenzial für<br />

denkbare Nutzungen und Reaktivierungen dieser vergessenen<br />

Meisterschaft im öffentlichen Raum zu erhalten.<br />

Derzeit arbeitet das Institut im Auftrag der Stiftung<br />

Luthergedenkstätten Sachsen-Anhalt für das „Sterbe haus<br />

Luther“ in Eisleben an einer Lösung in Form einer „Gewebten<br />

Wand“. In ein überdimensionales Jacquardgewebe (30 x<br />

2,26 m) wird ein zeitgenöss isches, abstrahiertes, narratives<br />

Bildprogramm entwickelt.<br />

Die aktuellen Erscheinungen zeigen, dass der gedachte<br />

Graben zwischen Kunsthandwerk und freier Kunst immer<br />

schmaler wird. Die nachgewiesene tiefe Faszination<br />

für alles Gewebte, Gestrickte, Geflochtene könnte auf<br />

eine nächste Entwicklungsstufe hinweisen, die sich jenseits<br />

der virtuellen Welt abspielt.<br />

Kunst & Textil, Stoff <strong>als</strong> Material und Idee in der Moderne<br />

von Klimt bis heute<br />

Kunstmuseum Wolfsburg<br />

Hollerplatz 1, 38440 Wolfsburg<br />

bis 2.3.2014<br />

www.kunstmuseum-wolfsburg.de<br />

SEPIA – Institut für Textile Künste<br />

Neuwerk 11, 06108 Halle (Saale)<br />

www.sepia-institut.eu<br />

Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Kunst & Textil.<br />

Stoff <strong>als</strong> Idee und Material in der Moderne von Klimt bis<br />

heute“, Hg. Kunstmuseum Wolfsburg, Hatje Cantz 2013.<br />

Dt., ca. 400 S., ca. 500 farb. Abb., Leinen 45 €<br />

ISBN: 978-3-7757-3626-8<br />

Robert Filipski: Entwurf „Fensterlider“, Gewebeentwicklung, Jacquard und Drehergewebe, 2012, Foto: SEPIA/Juliane Sieber<br />

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