Rede vom 26.02.2013 [ PDF , 259.1 KB] - Landtag Brandenburg
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- Es gilt das gesprochene Wort-<br />
<strong>Rede</strong> des <strong>Landtag</strong>spräsidenten zum 20. Jubiläum der Stiftung<br />
<strong>Brandenburg</strong>ische Gedenkstätten am 26. Februar 2013<br />
Sehr geehrte(r)<br />
Herr Ministerpräsident Platzeck<br />
Herr Stiftungsdirektor Prof. Dr. Morsch<br />
Frau Dr. Eva Bäckerova (Vizepräsidentin des Internationalen Ravensbrück<br />
Komitees)<br />
Herr Roger Bordage (Präsident des Internationalen Sachsenhausen<br />
Komitees)<br />
Herr Horst Jänichen (ehem. Vorsitzender der Beiratskommission zur<br />
Geschichte der Speziallager)<br />
Herr Bernd Faulenbach (Stiftungsratmitglied, Ersatz für Avi Primor)<br />
Exzellenzen<br />
Vertreter der Opferverbände<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung<br />
Damen und Herren, liebe Gäste<br />
Besonders freue ich mich auch, den Präsidenten des Verfassungsgerichts Jes Möller<br />
und den ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Manfred Stolpe im Saal begrüßen zu<br />
können.<br />
Heute begehen wir ein für das Land <strong>Brandenburg</strong> bedeutendes Jubiläum. Vor<br />
20 Jahren wurde unter dem Namen „Stiftung <strong>Brandenburg</strong>ische Gedenkstätten“ eine<br />
gemeinnützige rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Oranienburg<br />
errichtet.<br />
Ihr Zweck ist:<br />
„an Terror, Krieg und Gewaltherrschaft zu erinnern, die Auseinandersetzung der<br />
Öffentlichkeit mit diesem Thema zu fördern und ein würdiges Gedenken der Opfer<br />
und Hinterbliebenen an die Verbrechen der Gewaltherrschaft zu ermöglichen,<br />
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indem sie<br />
a. ) die ehemaligen Nationalen Mahn- und Gedenkstätten Sachsenhausen<br />
und Ravensbrück fortführt,<br />
b. ) die Dokumentationsstelle "Zuchthaus <strong>Brandenburg</strong>" aufbaut,<br />
c. ) eine Begegnungsstätte in Ravensbrück errichtet.“<br />
So der Wortlaut der Satzung.<br />
Von den drei Satzungsaufträgen ist der des Aufbaus einer Dokumentationsstelle<br />
„Zuchthaus <strong>Brandenburg</strong>“ zwar noch nicht abgeschlossen, jedoch wurde im<br />
vorigen Jahr in <strong>Brandenburg</strong> an der Havel eine Gedenkstätte fertiggestellt, die<br />
an die dort begangenen Euthanasiemorde der Nationalsozialisten erinnert.<br />
Schön wäre es, wenn die Euthanasiegedenkstätte Teil eines<br />
Dokumentationszentrums in der Stadt <strong>Brandenburg</strong> werden würde, in dem am<br />
Sitz des höchsten Gerichts des Landes und der Generalstaatsanwaltschaft auf<br />
verschiedenen Ebenen sowohl die NS-Justiz als auch die SED-Justiz dargestellt<br />
wird, was einen Vergleich ermöglicht, der zu dem Ergebnis führt, dass sich eine<br />
Gleichsetzung verbietet.<br />
Über den Satzungsauftrag hinaus betreut die Stiftung noch das Museum des<br />
Todesmarsches in Below und die Gedenk- und Begegnungsstätte in der<br />
Potsdamer Leistikowstraße, wo seit April 2012 die Dauerausstellung<br />
„Sowjetisches Untersuchungsgefängnis Leistikowstraße Potsdam“ über die<br />
Geschichte des Haftortes und das Schicksal der Häftlinge informiert.<br />
Nach der Satzung hat die Stiftung auch Archive zu bewahren und zu ergänzen,<br />
Geschichte zu erforschen, Dokumentationen zu veröffentlichen, Ausstellungen<br />
durchzuführen.<br />
Sie hat Besucher zu betreuen, Forschungsarbeit durchführen, mit Initiativen und<br />
Trägern der politischen Bildung zusammenzuarbeiten.<br />
Und die Stiftung hat sich ausdrücklich den Themen „Struktur und Entwicklung der<br />
Konzentrationslager in <strong>Brandenburg</strong> und ihrer Außenlager“ sowie „weiterer<br />
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Einrichtungen des SS-Terrors sowie Geschichte der NKWD-Lager und des<br />
politischen Strafsystems der DDR“ zu widmen.<br />
Ein bedeutender Komplex, dem sich die Stiftung widmet ist die Geschichte des<br />
sowjetischen Speziallagers Nr.7/Nr.1 (1945-1950) in Sachsenhausen. Politisch<br />
einseitige Nationale Mahn- und Gedenkstätten der DDR wurden in demokratische<br />
Gedenkorte und zu modernen zeithistorischen Museen entwickelt.<br />
Diese kurze Aufgabenbeschreibung lässt den Umfang der von der Stiftung zu<br />
realisierenden Aufgaben nur erahnen. Wir werden heute noch mehr darüber erfahren<br />
Ich möchte aber an dem heutigen Tage besonders die gute Zusammenarbeit von<br />
<strong>Landtag</strong> und Stiftung würdigen.<br />
Gemeinsam veranstalten Stiftung und <strong>Landtag</strong> jährlich das Gedenken an die Opfer<br />
des Nationalsozialismus sowie die Jugend- und Begegnungstage in Ravensbrück.<br />
Weitere Veranstaltungen mit aktuellen Anlässen kommen hinzu. Dabei ist besonders<br />
wichtig, dass jedes Jahr durch die Stiftung die Schicksale bestimmter Opfergruppen<br />
in den Mittelpunkt des Gedenkens gestellt werden. Hier ist Prof. Morsch sehr zu<br />
danken, da damit alle Opfergruppen in besonderer Weise gewürdigt werden. Es<br />
verdient Anerkennung, wie Prof. Morsch die eigentlich unlösbare Aufgabe bewältigt,<br />
die verschiedenen Opferverbände mit zum Teil gegensätzlichen Interessen gerecht<br />
zu behandeln.<br />
Das Gedenken an die Opfer und die Erinnerung an unsere Geschichte<br />
wachzuhalten, ist unser aller Aufgabe, gerade vor dem Hintergrund, dass immer<br />
weniger Zeitzeugen berichten können.<br />
Die Geschichte lehrt uns, dass es furchtbare Folgen hat, wenn die Demokratie nicht<br />
wehrhaft verteidigt wird. Diese Erkenntnis wird in den <strong>Brandenburg</strong>ischen<br />
Gedenkstätten, denen nationale Bedeutung zukommt, exemplarisch vermittelt. Es<br />
verdient unser aller Anerkennung und Unterstützung, dass die Stiftung Gedenken<br />
und Erinnerungskultur auch als Bildungsauftrag für die nachwachsende Generation<br />
begreift. Denn nur so kann verhindert werden, dass sich die Geschichte wiederholt.<br />
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Dieser Bildungsauftrag ist von den Schulen allein nicht zu leisten. Denn es muss<br />
nicht nur vermittelt werden, wie die parlamentarische Demokratie funktioniert,<br />
sondern auch die Bereitschaft einer aktiven Beteiligung an demokratischen<br />
Entscheidungsprozessen geweckt und an die nachwachsende Generation die<br />
Erkenntnis weiter gegeben werden, dass die Demokratie keine ideale<br />
Regierungsform ist, es aber keine bessere gibt und sie deshalb verteidigt werden<br />
muss.<br />
Dazu gehört auch ein differenzierender Vergleich unserer heutigen Demokratie mit<br />
den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Dabei verbietet sich eine<br />
Gleichsetzung des NS- und des SED-Staates allein wegen des systematischen<br />
Völkermordes der Nationalsozialisten, dem die Leugnung der Gleichwertigkeit aller<br />
Menschen als Grundlage unserer Zivilisation zugrunde lag.<br />
Der stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der „Stiftung zur Aufarbeitung des<br />
SED-Unrechts“ und Stiftungsratsmitglied der Stiftung <strong>Brandenburg</strong>ische<br />
Gedenkstätten Bernd Faulenbach – der heute anwesend ist und auch noch zu uns<br />
sprechen wird – hat es auf den Punkt gebracht.<br />
Nach seinen Worten darf in der Bildungsarbeit weder eine Relativierung der<br />
nationalsozialistischen Verbrechen noch eine Bagatellisierung des SED-Unrechts<br />
erfolgen.<br />
Dies könnte vor allem an „Orten mit doppelter Diktaturvergangenheit“ gelingen. In<br />
<strong>Brandenburg</strong> an der Havel sind z.B. die Themenbereiche „NS-Justiz“ und „NS-<br />
Euthanasie“ sowie „SED-Justiz“ präsent. So war das Zuchthaus <strong>Brandenburg</strong>-<br />
Görden nicht nur Haftanstalt und Hinrichtungsort in der NS-Diktatur, sondern auch<br />
nach 1945 waren dort politische Gefangene inhaftiert.<br />
Diese Stätten der politischen Bildung bedürfen der besonderen Unterstützung durch<br />
die Politik. Das große Interesse zeigen auch die steigenden Besucherzahlen in den<br />
Gedenkstätten. So haben in den 20 Jahren fast 9 Millionen Menschen die<br />
Gedenkstätte in Sachsenhausen besucht.<br />
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Anrede,<br />
gerade in diesem Jahr wird vielfach an den Beginn der NS-Diktatur erinnert: Mit der<br />
Machtergreifung Hitlers und seiner Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar<br />
1933 begann die schrittweise Umgestaltung der Weimarer Republik zum Führerstaat.<br />
Am 28. Februar 1933, wurde die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz<br />
von Volk und Staat“ - die sogenannte „Reichstagsbrandverordnung“ erlassen, mit der<br />
garantierte Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft gesetzt<br />
wurden. Anlass war die in der Nacht zuvor erfolgte, den Kommunisten<br />
zugeschriebene Brandstiftung im Reichstagsgebäude.<br />
Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ <strong>vom</strong> 24. März 1933, das<br />
sogenannte Ermächtigungsgesetz, machten den Reichskanzler Adolf Hitler sowohl<br />
von Reichstag und Reichsrat als auch <strong>vom</strong> Notverordnungsrecht des<br />
Reichspräsidenten unabhängig.<br />
Die Annahme des eine Zweidrittelmehrheit erfordernden Gesetzes hatten die<br />
bürgerlichen Parteien der Mitte den Regierungsparteien ermöglicht. Die 94<br />
anwesenden Sozialdemokraten hatten dagegen gestimmt, während 15 Abgeordnete<br />
der SPD und sämtliche der KPD, die zuvor aufgrund der Notverordnung des<br />
Reichspräsidenten <strong>vom</strong> 28. Februar 1933 verhaftet worden waren, als<br />
„unentschuldigt fehlend“ behandelt wurden.<br />
Nunmehr konnten Reichsgesetze auch durch die Reichsregierung beschlossen<br />
werden. Gesetze wurden auch nicht mehr <strong>vom</strong> Reichspräsidenten, sondern <strong>vom</strong><br />
Reichskanzler ausgefertigt und im Gesetzblatt verkündet.<br />
Zusammen mit der Notverordnung des Reichspräsidenten <strong>vom</strong> 28. Februar 1933<br />
bildete das Ermächtigungsgesetz die rechtliche Grundlage der<br />
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bis zu deren Ende. Der Rechtsstaat wurde<br />
beseitigt, die Diktatur war errichtet. Das Recht wurde durch den „Führerwillen“<br />
ersetzt. Damit war der Weg für Terror und Völkermord frei. Der Wille des Führers<br />
entschied über Leben und Tod.<br />
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Allerdings mussten die Nationalsozialisten zunächst darauf bedacht sein, nicht in<br />
Widerspruch zu dem konservativen Reichspräsidenten zu geraten, weil dieser bei<br />
großen Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen genoss.<br />
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels nutzte daher die Eröffnung des neu<br />
gewählten Reichstags in der Potsdamer Garnisonskirche am 21. März 1933 – „Tag<br />
von Potsdam“ - für eine Inszenierung der Harmonie, bei der Hitler durch seine<br />
Verbeugung vor dem Reichspräsidenten das von ihm verkörperte Dritte Reich in die<br />
Tradition des Wilhelminischen Kaiserreichs stellte, das Hindenburg trotz seiner<br />
Funktion als republikanisches Staatsoberhaupt noch repräsentierte.<br />
Andererseits erhob Hindenburg keinen Widerspruch mehr gegen das von der<br />
Reichsregierung beschlossene „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und<br />
Staat“ <strong>vom</strong> 1. Dezember 1933. In § 1 heißt es: „Nach dem Sieg der<br />
nationalsozialistischen Revolution ist die Nationalsozialistische Deutsche<br />
Arbeiterpartei die Trägerin des deutschen Staatsgedankens und mit dem Staat<br />
unlöslich verbunden. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Satzung<br />
bestimmt der Führer.“<br />
Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang aber auch an einen der wenigen<br />
Menschen des Widerstandes gegen den beginnenden NS-Staat: Lothar Kreyssig,<br />
damals Vormundschaftsrichter am Amtsgericht in <strong>Brandenburg</strong> an der Havel, der<br />
gegen die 1939 einsetzenden Euthanasiemorde protestierte.<br />
Nachdem er im Juli 1940 auch noch persönlich Strafanzeige gegen den Reichsleiter<br />
der NSDAP Philipp Bouhler wegen Mordes erstattet und am 27. August den<br />
Anstalten, in denen sich seine Mündel befanden, untersagt hatte, diese ohne seine<br />
Zustimmung zu verlegen, wurde er am 13. November 1940 in das<br />
Reichsjustizministerium beordert, wo ihm Reichsjustizminister Gürtner das<br />
„Ermächtigungsschreiben“ Hitlers zu der Euthanasieaktion vorlegte.<br />
Auf die Frage, ob er anerkenne, dass die Tötungsmaßnamen damit rechtens seien,<br />
antworte Kreyssig: „Nein!“. Darauf entgegnete Gürtner: „Wenn Sie nicht anerkennen<br />
können, dass der Wille des Führers Recht schafft, können Sie nicht Richter sein!“<br />
Zum Abschluss richte ich meinen Dank an alle Aufbauhelfer der Stiftung, aber v.a.<br />
Auch an Prof. Morsch und sein Team für die herausragende und vielfältige Arbeit der<br />
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Stiftung, die als ein solides Fundament der Politischen Bildung im Land <strong>Brandenburg</strong><br />
nicht mehr wegzudenken ist. Vielen Dank auch für die gute Zusammenarbeit mit dem<br />
<strong>Landtag</strong>. Sie sind ein wichtiger Partner für uns; auf Sie und Ihre Mitarbeiter ist immer<br />
Verlass!<br />
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