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Maja Baumann, Mietrechtliche Stolpersteine bei der Umnutzung von Liegenschaften, in: Jusletter 25. November 2013<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Einführung<br />
2. Kündigung der Mietverhältnisse zwecks Totalsanierung und Umnutzung<br />
2.1. Recht zum Umbau und Gründe für eine «Leerkündigung»<br />
2.2. Problematik der Anfechtung der Kündigung wegen Missbräuchlichkeit<br />
2.2.1. Kündigung als schonungslose Rechtsausübung<br />
2.2.2. Widersprüchliches Verhalten<br />
2.2.3. Zu wenig ausgereiftes Projekt<br />
2.2.4. Kündigung zur Erzielung einer höheren Rendite<br />
2.3. Erstreckung des Mietverhältnisses<br />
2.4. Schadenersatz aufgrund kalter Erstreckung<br />
3. Abschluss von befristeten Mietverträgen im Hinblick auf einen Umbau<br />
4. Hausbesetzer als neue «Mieter»<br />
5. Fazit<br />
1. Einführung<br />
[Rz 1] In den Schweizer Wirtschaftszentren, wie Genf oder<br />
Zürich, zeigt sich mehr und mehr eine Tendenz hin zu hochwertigen<br />
(und hochpreisigen) Geschäfts- und Wohnräumlichkeiten.<br />
1 In den grossen Ballungsgebieten wandeln sich<br />
ganze Quartiere, in denen zuvor Räume an Künstler oder<br />
Besitzer kleinerer Läden und Restaurants vermietet wurden,<br />
zu neuen Trendgebieten, in welchen Design Hotels, Büros<br />
oder Wohnungen für High-End Mieter und grosszügige Läden<br />
entstehen. 2<br />
[Rz 2] Die Eigentümer der entsprechenden Liegenschaften<br />
wollen – bzw. in gewissen Fällen, wie beispielsweise Immobilienfonds<br />
oder Pensionskassen, müssen – dieser Entwicklung<br />
Rechnung tragen und durch eine entsprechend angepasste<br />
Nutzung ihrer Liegenschaften eine nachhaltige und<br />
attraktive Rendite auf dem investierten Kapital sicher stellen.<br />
So werden ehemalige Industrieareale nicht mehr länger an<br />
Nachtclubs vermietet, sondern sollen in Lofts umgewandelt<br />
werden, oder es ist geplant, ein durch Reparaturwerkstätten<br />
und Autohändler genutztes Areal mit einem Bürohochhaus<br />
zu überbauen.<br />
[Rz 3] Die juristische Beratung im Zusammenhang mit solchen<br />
Umbauprojekten umfasst ein breites Spektrum an<br />
Rechtsgebieten. Währenddem Themen bau- und zonenrechtlicher<br />
bzw. denkmalschützerischer Natur in der Regel<br />
1<br />
Vgl. Immo-Monitoring 2013/2, Wüest & Partner, S. 43; Büromarktbericht<br />
Schweiz 2011, Colliers International, S. 14 f.; Du simple au double pour le<br />
loyer d'un quatre-pièces, Tribune de Genève online, 16. Juni 2013; Goldgrube<br />
Zürich-West, www.nzz.ch, 7. Februar 2013; Der grosse Goldrausch<br />
in Zürichs «Wildem Westen», Mieten & Wohnen, Nr. 5, Juli 2012.<br />
2<br />
Dieser Beitrag soll keine Stellungnahme zu politischen, sozialen bzw. urbanistischen<br />
Fragen und Problemen in diesem Zusammenhang darstellen,<br />
sondern ausschliesslich ausgewählte mietrechtliche Themen erörtern. Es<br />
sei hier jedoch der Vollständigkeit halber angemerkt, dass auch der Bund<br />
die intensivere Nutzung «untergenutzter» Industrie- und Gewerbeareale,<br />
das heisst von industriellen oder gewerblichen Liegenschaften, bei denen<br />
die gute Lage bzw. die baurechtlichen Bestimmungen ein höhere Ausnützung<br />
zulassen würden, anstrebt (vgl. Umnutzung von Industrie- und Gewerbebrachen<br />
– Massnahmenplan zur Förderung vom 18. Juni 2008, Bericht<br />
des Bundesrates).<br />
bereits in einem frühen Stadium der Planung erkannt werden<br />
und entsprechend in die Projektplanung einfliessen, kommen<br />
mögliche Problemstellungen mietrechtlicher Natur vielfach<br />
erst später auf. Dabei können auch diese zu erheblichen<br />
Zeitverzögerungen und Kosten führen, insbesondere wenn<br />
sie nicht rechtzeitig und richtig adressiert werden.<br />
[Rz 4] In diesem Beitrag werden ausgewählte mietrechtliche<br />
Fragen näher erörtert, die sich in der Praxis bei Totalsanierungs-<br />
bzw. Umbauprojekten mit geplanter Umnutzung stellen<br />
können. Indem soll ein Denkanstoss im Hinblick auf den<br />
Trend zur steten Verschärfung der Auslegung mieterschutzrechtlicher<br />
Normen in diesem Zusammenhang zu Lasten der<br />
Grundeigentümer gegeben werden.<br />
2. Kündigung der Mietverhältnisse<br />
zwecks Totalsanierung und<br />
Umnutzung<br />
2.1. Recht zum Umbau und Gründe für eine<br />
«Leerkündigung»<br />
[Rz 5] Gemäss Art. 256 des Obligationenrechts (OR) ist der<br />
Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem zum vorausgesetzten<br />
Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten. Darüber<br />
hinaus besteht nur ein Recht, jedoch keine Pflicht, des Vermieters,<br />
Erneuerungs- oder Änderungsarbeiten am Mietobjekt<br />
durchzuführen. 3 Art. 260 Abs. 1 OR schränkt allerdings<br />
das Recht des Vermieters, Erneuerungen bzw. Änderungen<br />
an der vermieteten Sache durchzuführen, dahingehend ein,<br />
dass das Mietverhältnis nicht in gekündigtem Zustand sein<br />
darf und die Arbeiten für den Mieter zumutbar sein müssen.<br />
Zudem ist bei der Durchführung der Arbeiten auf die Interessen<br />
des Mieters Rücksicht zu nehmen, und der Mieter kann<br />
unter Umständen eine Herabsetzung des Mietzinses und,<br />
sofern er wegen der Arbeiten einen Schaden erleidet, Schadenersatz<br />
verlangen. 4<br />
[Rz 6] Bei grösseren Renovationsvorhaben, welche oftmals<br />
nur bei Leerstand zeit- und kosteneffizient durchgeführt werden<br />
können, kann es für den Vermieter daher mehr Sinn machen,<br />
das Gebäude im Hinblick auf die geplanten Arbeiten<br />
«leer zu kündigen». Dadurch entsteht zwar ein Mietzinsausfall,<br />
doch fällt das Risiko von Verzögerungen während des<br />
Umbaus durch Einsprachen und Verfahren mit den Mietern,<br />
z.B. betreffend Zumutbarkeit der Umbauarbeiten oder Herabsetzung<br />
des Mietzinses, weg. Dafür besteht das Risiko<br />
mietrechtlicher Verfahren vor Beginn des Umbaus (dazu<br />
nachfolgend Ziffern 2.2 und 2.3). Der Vermieter kann somit<br />
3<br />
SVIT, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, Zürich 2008, 3. A.,<br />
Art. 260–260a OR, Rz. 20; David L achat/Markus Wy t tenbach, in: Das Mietrecht<br />
für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, Rz. 12/1.4.<br />
4<br />
Art. 260 Abs. 3 OR.<br />
2