Read more (PDF/238 KB) - Lenz & Staehelin
Read more (PDF/238 KB) - Lenz & Staehelin
Read more (PDF/238 KB) - Lenz & Staehelin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Maja Baumann, Mietrechtliche Stolpersteine bei der Umnutzung von Liegenschaften, in: Jusletter 25. November 2013<br />
November 2001 klar festgehalten, dass nicht jeder verlorene<br />
Prozess ein widerrechtliches Verhalten darstelle, sondern<br />
dass eine Haftung nur bei einem gegen die guten Sitten verstossenden,<br />
absichtlichen oder grobfahrlässigen Verhalten<br />
i.S.v. Art. 41 OR in Frage kommt. Für die Begründung einer<br />
Haftung bedarf es einer missbräuchlichen Inanspruchnahme<br />
eines staatlichen Verfahrens oder eines treuwidrigen bzw.<br />
böswilligen Verhaltens in diesem Verfahren. Nur in Ausnahmefällen<br />
und unter Anwendung höchster Zurückhaltung<br />
kann eine sittenwidrige Handlung als gegeben angenommen<br />
werden, da die Sittenwidrigkeit nicht dazu dienen darf, das<br />
Erfordernis der Widerrechtlichkeit auszuhöhlen. Die Sittenwidrigkeit<br />
erfasst primär die Schikane: Ein Verstoss gegen<br />
die guten Sitten i.S.v. Art. 41 Abs. 2 OR liegt vor, wenn das<br />
Handeln nicht der Wahrnehmung eigener Interessen dient,<br />
sondern ausschliesslich oder primär darauf abzielt, andere<br />
zu schädigen. 32<br />
[Rz 23] Dieser Entscheid wurde jedoch auch kritisiert: Christine<br />
Chappuis vertritt die Ansicht, dass nicht die Sittenwidrigkeit<br />
nach Art. 41 Abs. 2 OR Gegenstand der richterlichen<br />
Prüfung hätte sein sollen, sondern die Widerrechtlichkeit<br />
nach Art. 41 Abs. 1 OR, welche keinen derartigen Ausnahmecharakter<br />
kennt wie die Sittenwidrigkeit. Ein widerrechtliches<br />
Verhalten liegt bei einer missbräuchlichen Anhebung<br />
des Prozesses oder bei einem treuwidrigen Verhalten während<br />
des Verfahrens vor. In dem durch das Bundesgericht zu<br />
beurteilenden Fall war sehr deutlich, dass die Interessen des<br />
Vermieters schwerer wiegen als die durch den Mieter vorgebrachten<br />
Interessen. Gemäss Chappuis wäre es daher durchaus<br />
vertretbar gewesen, ein treuwidriges Verhalten, welches<br />
eine Widerrechtlichkeit i.S.v. Art. 41 Abs. 1 OR begründet, zu<br />
bejahen. Im Weiteren gibt es auch Argumente für eine vertragliche<br />
Schadenersatzpflicht des Mieters. Dies gestützt auf<br />
die Hypothese, dass wenn durch das Gericht keine Mieterstreckung<br />
gewährt wird, der Mietvertrag am ursprünglichen<br />
Kündigungstermin geendet hat und nur die Auswirkungen<br />
der Beendigung bis zum rechtskräftigen Urteil aufgeschoben<br />
wurden. Das Mietverhältnis wurde somit nicht rechtlich,<br />
sondern nur faktisch verlängert und die Rückgabe der Sache<br />
gemäss Art. 267 OR wäre bereits am Kündigungstermin fällig<br />
gewesen. Die zumindest in Kauf genommene Verletzung<br />
der Rückgabepflicht durch den Mieter kann ihn gegenüber<br />
dem Vermieter für den dadurch entstandenen Schaden ersatzpflichtig<br />
machen. 33<br />
[Rz 24] Angesichts der sehr extremen Sach- und Interessenlage<br />
des Bundesgerichtsentscheids 34 ist die Kritik von<br />
32<br />
Urteil des Bundesgerichts 4C.256/2001 vom 14. November 2001, E.1;<br />
mietrechtspraxis 2004, S. 207 ff.<br />
33<br />
Christine Chappuis, Droit du Bail 2003, p. 29 ff.<br />
34<br />
Ein Hauseigentümer vermietet wegen vorübergehendem Arbeitseinsatz an<br />
einem anderen Ort sein Heim für vier Jahre (gemäss Vertrag explizit nicht<br />
verlängerbar). Der Mieter wird durch den Vermieter sechs Monate vor Beendigung<br />
explizit darüber informiert, dass der Einsatz tatsächlich auf den<br />
Christine Chappuis gut nachvollziehbar und zu teilen. Vor allem<br />
da der Mieter, wie dies auch im Entscheid festgehalten<br />
wird, die Erstreckung verlangte, um möglichst lange von einem<br />
günstigen Mietzins zu profitieren und nicht etwa weil er<br />
mehr Zeit für die Suche nach neuen Wohnräumen benötigte.<br />
Dieses Verhalten hatte sodann zur Folge, dass dafür der Vermieter<br />
für diese Zeit für sich selbst ein teureres Objekt mieten<br />
musste. In solch krassen Fällen erscheint es als stossend,<br />
wenn der Vermieter keinen Ersatz für den entstandenen<br />
Schaden erhält. Indem nicht nur Ersatzansprüche gestützt<br />
auf Art. 41 Abs. 2 OR, sondern auch auf Art. 41 Abs. 1 OR<br />
und Art. 97 Abs. 1 OR geltend gemacht werden können, findet<br />
nicht die hohe Messlatte der Schikane Anwendung, so<br />
dass ein Ersatzanspruch des Vermieters bei illoyalem Verhalten<br />
des Mieters eher erfolgreich ist.<br />
3. Abschluss von befristeten Mietverträgen<br />
im Hinblick auf einen Umbau<br />
[Rz 25] Im Schweizer Mietrecht gilt zunächst der Grundsatz,<br />
dass die Parteien beim Abschluss eines Mietvertrages die<br />
Rechte des Mieters im Zusammenhang mit der Kündigung<br />
in keiner Weise beschneiden können: Der Mieter kann demnach<br />
grundsätzlich nicht im Voraus verpflichtet werden, auf<br />
eine Kündigungsanfechtung oder die Geltendmachung einer<br />
Mieterstreckung zu verzichten. 35 Eine entsprechende Klausel<br />
im Mietvertrag wäre nichtig, was ein Gericht von Amtes wegen<br />
zu berücksichtigen hätte.<br />
[Rz 26] Das Gesetz sieht jedoch eine für Vermieter, die<br />
ein Umbauprojekt planen, wichtige Ausnahme von diesem<br />
Grundsatz vor: In Mietverträgen, welche im Hinblick auf ein<br />
bevorstehendes Umbau- oder Abbruchprojekt abgeschlossen<br />
werden, können die Parteien vereinbaren, dass das<br />
Mietverhältnis nur für die beschränkte Zeit bis zum Baubeginn<br />
oder bis zum Erhalt der Baubewilligung abgeschlossen<br />
wird und die Erstreckung ausgeschlossen ist. 36<br />
[Rz 27] Diese Bestimmung eröffnet dem Vermieter einerseits<br />
die Möglichkeit, für bereits rechtsgültig gekündigte und zurückgegebene<br />
Mietflächen temporäre Mietverträge abzuschliessen,<br />
wenn mit dem Bau noch nicht begonnen werden<br />
kann (z.B. weil andere Mieter die Kündigung angefochten<br />
oder Erstreckung verlangt haben oder weil die rechtskräftige<br />
Baubewilligung aufgrund von Einsprachen noch aussteht).<br />
vereinbarten Zeitpunkt endet und der Vermieter ab dann wieder in sein<br />
Haus einziehen werde. Der Mieter hat sich eher spät erst auf dem Immobilienmarkt<br />
umgesehen und sodann drei Monate vor Mietende beschlossen,<br />
Land zu kaufen und darauf ein Haus zu bauen, anstatt zu mieten (da es<br />
ihm zu teuer war, zu mieten). Der Mieter wäre jedoch durchaus in der Lage<br />
gewesen, an einem anderen Ort ein Objekt zu mieten bis sein Bau beendet<br />
ist.<br />
35<br />
David Lachat/Irène Spirig (Fn. 21), Rz. 30/10.1. Nach Erhalt der Kündigung<br />
können die Parteien jedoch über die Erstreckung verhandeln.<br />
36<br />
Art. 272a Abs. 1 lit. d OR.<br />
6