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Maja Baumann, Mietrechtliche Stolpersteine bei der Umnutzung von Liegenschaften, in: Jusletter 25. November 2013 welchem sie die Räumlichkeiten bewohnen dürfen und im Gegenzug Heiz- und andere Nebenkosten bezahlen und der eine «Kündigungsfrist» von einem oder mehreren Monaten enthält oder bis zur Erteilung der Baufreigabe befristet ist. Ein Mietzins wird jedoch nicht erwähnt und ist von den Hausbesetzern auch nicht beabsichtigt zu zahlen. Entsprechend fehlt es denn auch an der Einigung zu einem der essentialia negotii des Mietverhältnisses. 46 Gemäss herrschender Lehre gibt es bei der Miete selbst bei grundsätzlicher Einigung auf entgeltliche Gebrauchsüberlassung kein faktisches Vertragsverhältnis. 47 [Rz 32] Auch ohne Angebot, einen Vertrag abzuschliessen, wird von Hausbesetzern teilweise argumentiert, sie hätten durch Unterhalt und Renovationen des Gebäudes eine Art Miete gezahlt und dadurch ein Mietverhältnis mit dem Vermieter begründet. 48 Die Begründung eines Mietverhältnisses oder eines anderen Gebrauchsüberlassungsvertrages zwischen Hausbesetzern und Eigentümer durch konkludentes Handeln bzw. durch Schweigen oder Dulden wird jedoch in der Lehre zu Recht abgelehnt. 49 Entsprechend haben die Hausbesetzer kein vertragliches Recht, welches sie legitimiert, im besetzten Gebäude zu verbleiben. [Rz 33] Aus Sicht des Vermieters ist dies einerseits positiv, da dadurch keine mietrechtliche Erstreckung verlangt werden kann, 50 wenn er die Besetzung zu beenden sucht. Andererseits fehlt ihm die vertragliche Rechtsgrundlage, um die Rückgabe der Sache und Ersatz für den durch die Besetzung verursachten Schaden (namentlich Beschädigungen der Mietsache, entgangener Mietzins, Kosten für die Räumung) zu fordern, und es stellt sich die Frage, ob allenfalls die mietrechtliche Schlichtungsbehörde für die Ausweisung und/oder die Entschädigungsforderungen des Hauseigentümers zuständig ist. [Rz 34] Um dem Vermieter dennoch die Möglichkeit zu geben, das Haus von den Personen, welche die Sache 46 BGE 119 II 347, E.5; BGE 120 II 341 E.5.c; vgl. auch Gwendoline Egger Rochat, Les squatters – et autres occupants sans droit d'un immeuble, Zürich, 2002, Rz. 110, 168. 47 Peter Higi (Fn. 7), Art. 253 OR, Rz. 35; Cl aire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3.A., Zürich, 2008, Rz. 454. A.M.: Roger Weber (Fn. 5), Art. 253 OR, Rz. 6 SVIT-Kommentar (Fn. 3), Art. 253 OR, Rz. 5; Hans Giger, in: Heinz Hausheer/Hans Peter Walter, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Die Miete, Art. 253–273c OR, Grundsatzanalyse, Vorbemerkungen und Art. 253–273c OR, Art. 253 OR, Rz. 170. In diesem Sinne wohl auch BGE 119 II 347, E.5. Zu beachten ist auch BGE 110 II 244 E.2.c und 2.d., welcher bei einem nichtigen Leasing- bzw. Mietvertrag, der jedoch über längere Zeit gutgläubig erfüllt wurde, das Institut des faktischen Vertrages anwendet (s. auch die Kritik hierzu von Susanne Polydor-Werner, L'indemnité pour l'usage d'une chose due par un locataire ou un acheteur de bonne foi en cas de nullité du contrat de bail ou de vente, SJZ 82(1986) 194 ff.). 48 Vgl. z.B. Pierre Bayenet, Rhino – les squatters ont-ils des droits?, plaedoyer 2/06, S. 58 ff. 49 Gwendoline Egger Rochat (Fn. 46), Rz. 1007. 50 BGE 119 II 347, E.5. eigenmächtig in Besitz genommen haben, zurückzuverlangen und Entschädigung von den Hausbesetzern zu fordern, haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Lösungen erarbeitet. Der Vermieter kann sich dementsprechend gegen die eigenmächtige Besitzergreifung aufgrund der gesetzlichen Regeln über den Besitzesschutz oder über das Eigentum wehren. 51 Zudem steht ihm die Möglichkeit offen, einen Entschädigungsanspruch aufgrund der Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung oder die Haftung aus unerlaubter Handlung zu fordern. 52 [Rz 35] Es stellt sich jedoch die Frage, ob neben dem Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Eigentums durch die actio negatoria bzw. einer Besitzesschutzklage beim Zivilgericht, der Vermieter auch ein Verfahren bei der mietrechtlichen Schlichtungsbehörde anstrengen kann. Sofern von Seiten des Vermieters oder des Hausbesetzers geltend gemacht wird, es bestehe ein Mietverhältnis, und somit der Gegenstand der Streitigkeit der Bestand bzw. Nichtbestand des Mietvertrages ist, liegt ein «mietrechtlicher Tatbestand» vor und die sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde ist gegeben. In diesem Fall könnten auch Entschädigungsforderungen vorgebracht bzw. die Ausweisung verlangt werden. Macht jedoch keine der Parteien den Bestand eines Mietverhältnisses geltend, so besteht auch keine sachliche Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde für Entschädigungsforderungen gegen die Hausbesetzer oder ein Begehren um Räumung des besetzten Gebäudes. 53 Diese Forderungen bzw. Begehren hat der Hauseigentümer somit bei den ordentlichen Zivilgerichten geltend zu machen. Zudem besteht die Möglichkeit einer strafrechtlichen Anzeige, namentlich wegen Hausfriedensbruchs 54 oder Sachbeschädigung 55 . 5. Fazit [Rz 36] Die obigen Ausführungen zeigen, dass sich bei einem Umbauprojekt mit neuer Nutzungsart verschiedene 51 Art. 926 ff. ZGB zum Besitzesschutz und Art. 641 ZGB, Abs. 2 zur Eigentumsfreiheitsklage. Vgl. auch Hans Giger, (Fn. 47), Art. 253 OR, Rz. 170; David Lachat/Richard Püntener, in: Das Mietrecht für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, Rz. 2/2.6; Gwendoline Egger Rochat (Fn. 46), Rz. 739 ff. 52 Art. 62 ff. OR zur ungerechtfertigten Bereicherung und Art. 41 ff. OR zur Haftung aus unerlaubter Handlung. Vgl. auch David L achat/Richard Püntener (Fn. 51), Rz. 2/2.6; SVIT-Kommentar (Fn. 3), Art. 253 OR, Rz. 5. In der Literatur wird zudem die Ansicht vertreten, dass auch aufgrund eines faktischen Vertragsverhältnisses, auf das analog die mietrechtlichen Bestimmungen anzuwenden sind, eine Entschädigung in der Höhe eines hypothetischen Mietzinses verlangt werden kann (David L achat/Richard Püntener (Fn. 51), Rz. 2/2.6; Peter Gauch/ Walter R. Schluep/Jörg Schmid/Susanne Emmenegger (Fn. 39) Rz. 1189 mit weiteren Hinweisen). 53 Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 4. Januar 2013 (ZK2 11 61) E.3.a/bb; Mat thias Tschudi, Zuständigkeit und Befugnisse der Schlichtungsbehörde – ein Überblick, MRA 2/06, S. 45 ff. 54 Art. 186 StGB. 55 Art. 144 StGB. 8
Maja Baumann, Mietrechtliche Stolpersteine bei der Umnutzung von Liegenschaften, in: Jusletter 25. November 2013 Probleme mietrechtlicher Natur stellen können, aber dass sich bei einer sorgfältigen Projektplanung mit entsprechender juristischer Begleitung deren Konsequenzen mildern oder gar vermeiden lassen. Namentlich kann eine gute und rechtzeitige Information der Mieter und eine Berücksichtigung aller mietrechtlicher Anforderungen helfen, Verzögerungen und Leerstände zu minimieren. Am besten werden jedoch in einem frühen Projektstadium mögliche Szenarien evaluiert und Lösungen für absehbare Probleme erarbeitet. So können beispielsweise Mieter frühzeitig angegangen, nach Problemen bei einem Standortwechsel befragt und ihnen eventuell hierbei unterstützt werden. Auch für solche Lösungen sind jedoch genügend Zeit und Budget einzuplanen. Eine Garantie für die Vermeidung von Auseinandersetzungen mit Mietern (oder falls die Umstände ungünstig mitspielen, Hausbesetzern) gibt es leider selbst bei guter und rechtzeitiger Analyse der mietrechtlichen Situation, sorgfältiger Planung und redlichem Umgang mit den Mietern nicht. Es sei daher hier angeregt, dass Lehre und Rechtsprechung bei der Weiterentwicklung der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung, zur Erstreckung und zum Erstreckungsausschluss bei befristeten im Hinblick auf einen Umbau abgeschlossenen Mietverträgen neben den – durchaus berechtigten und schützenswerten – Interessen des Mieters vermehrt auch wieder die vermieterseitigen Interessen mit gleicher Gewichtung mitberücksichtigen und sich auf die Ahndung wirklich gegen Treu und Glauben verstossender Verhaltensweisen konzentrieren, so dass nicht die redlich handelnden Grundeigentümer durch stete Praxisverschärfung mitbestraft und deren legitime Umbauprojekte unnötig verkompliziert werden. Dr. iur. Maja Baumann, LL.M. (NYU), Fachanwältin SAV Bauund Immobilienrecht, ist Rechtsanwältin in der Kanzlei <strong>Lenz</strong> & <strong>Staehelin</strong>, Zürich. Beat Kühni, LL.M., Fürsprecher, danke ich herzlich für die kritische Durchsicht des Manuskripts. * * * 9
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