Stadtleben Stadtleben Umweltbewusster Neubau Die Familien Borscheid und Wenig mit Mitarbeiterin Margot Krick Die neue Produktionshalle Dr. Jens-Christian Wagner, Josef Pröll und Dr. Bernhard Lehmann (v.l.) Jacke für Zwangsarbeiter Neue Fertigungsstätte für Borscheid + Wenig Zukunftsorientiert: Das Familienunternehmen verlagert Produktion, Logistik, Werkzeuglager und Verwaltung Anzeige Dr. Bernhard Lehmann bei seinem Vortrag Die Eröffnung fand viel Interesse „Zwangsarbeit für den Endsieg“ Ballonmuseum Gersthofen zeigt Ausstellung der beiden Gesichter des Wernher von B. Nach knapp einem Jahr Bauzeit hat die Borscheid + Wenig GmbH nun ihre zweite Fertigungsstätte in Betrieb genommen. Der zweite, autarke Produktionsstandort des Kunststoff verarbeitenden Familienunternehmens mit Sitz in Diedorf liegt verkehrsgünstig an der Autobahn A 8 in der Daimlerstraße im Gersthofener Industriegebiet. 80 Arbeitsplätze sowie 13 Maschinen wurden vom Diedorfer Stammwerk in den hochmodernen und umweltbewussten Neubau in Gersthofen verlagert, um hier die Fertigungskapazitäten im Bereich Spritzgießen von Kunststoffteilen erweitern zu können. Zudem besteht nun an beiden Standorten die Möglichkeit, bei entsprechendem Bedarf die Kapazitäten nochmals erweitern zu können. Auf dem rund 23.000 m² großen Grundstück befinden sich eine Produktions- und eine Logistikhalle, ein Werkzeuglager sowie ein Verwaltungsgebäude. Zeitgemäß und zugleich zukunftsorientiert ist auch die Tatsache, dass Borscheid + Wenig ihrem Umweltmanagementsystem folgend gezielt große Anstrengungen unternommen hat, um in der neuen Fertigungsstätte den Einsatz von Primärenergien auf ein Minimum zu reduzieren. So wird die Gesamtnutzfläche von rund 11.000 m² mit der Abwärme aus der Produktion beheizt. Auch der Einsatz von Frei- kühlern anstelle von elektrisch betriebenen Kältemaschinen zur Erzeugung des notwendigen Produktionskühlwassers trägt zur Einsparung von Primärenergie und zur CO2-Entlastung bei. „Unser neues Werk wird pro Jahr eine CO2-Entlastung erreichen, die einer jährlichen Fichtenanpflanzung von 213.400 Bäumen entspricht“, erklärt Carlo Wenig, als technischer Geschäftsführer verantwortlich für das innovative Bauprojekt. Bürgerreporter Gerhard Fritsch: Das Ballonmuseum Gersthofen hat sich in den letzten Jahren nicht nur zu einem Mekka für den Ballonsport und seinen Freunden entwickelt, sondern sich auch einen guten Ruf als Begegnungsstätte bei Themen aus Unterhaltung und Zeitgeschehen erworben. Insofern passt die Ausstellung „Zwangsarbeit für den Endsieg“ gut zu dem Repertoire bisheriger Veranstaltungen. Gezeigt wird das Leiden und Sterben der Zwangsarbeiter im KZ Mittelbau Dora. Der Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie e. V. Augsburg“, Veranstalter der Ausstellung, hat zusammen mit Dr. Bernhard Lehmann und dem Kulturamt der Stadt Gersthofen die Wanderausstellung nach Gersthofen geholt. Die Eröffnung der Ausstellung, die bis zum 25. Juli zu sehen war, war gut besucht; im Gegensatz zur Anwesenheit von nur wenigen Stadträten sowie erstem Bürgermeister Jürgen Schantin. Schantin führte in seiner Begrüßungsrede u.a. aus, er wolle mit dieser Ausstellung ein Zeichen als „Brückenbauer“ setzen zu „Differenzen“ in früheren Jahren. Gleichzeitig wies er auf eine Fortsetzung der Thematik „Widerstand im 3. Reich“ mit dem Film „Jeder stirbt für sich allein“ hin, der am 14. März 2015 im Ballonmuseum aufgeführt werden soll. Dr. Lehmann stellte in seinen Ausführungen die Widerstandskämpfer aus der Familie Pröll vor; zuletzt Anna Pröll, die lange Jahre in Gersthofen lebte. Er verwies auf den früheren Gersthofer Rüstungsbetrieb „Transehe“, einem Tochterunternehmen der IG Farben, das den Treibstoff für die V1- und V2-Raketen herstellte; eben die Raketen, die in dem KZ Mittelbau Dora von Zwangsarbeitern gebaut wurden. In einem bewegenden Vortrag schilderte Josef Pröll das kurze Leben seines Onkels und Widerstandskämpfers Fritz Pröll, der im KZ Dora starb. Als letzter Redner „beleuchtete“ Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora, das Leben des Raketenbauers Wernher von Braun. Von Braun hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Vergeltungswaffen V1 und V2 und war nach dem Krieg in Amerika ein hoch angesehener Wissenschaftler, der mit seinem Know-how über Raketenantrieb, die Mondlandung durch amerikanische Astronauten ermöglichte. Wagner ging der Frage nach: Wie verhielt sich von Braun angesichts der Kenntnis von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen, welchen die Zwangsarbeiter beim Bau der Produktionsstätten und Raketen ausgesetzt waren? Tatsache ist, dass er in der Produktion der „Vergeltungswaffen“ im KZ Mittelbau Dora eingebunden war. Braun hatte Zugang zu Heinrich Himmler, dem als Reichsführer die SS unterstand. Die SS wiederum sorgte für Nachschub an Häftlingen für den Bau der Produktionsstätten wie z.B. Mittelbau Dora – eine frühe Form des Menschenhandels. Braun suchte selbst die Spezialisten für die Raketenmontage aus. Er wusste also von den grausamen Bedingungen, unter denen die Zwangsarbeiter und Häftlinge arbeiten mussten. Er sah aber als Technokrat und Wissenschaftler nur „seine Raketen“, die er einmal als „notwendige Etappe zur Weltraumfahrt“ bezeichnete. Der mit dem Ritterkreuz ausgezeichnete von Braun rechtfertigte später sein Verhalten u.a. mit dem Hinweis, dass man in Kriegszeiten seinen Mann stehen müsse; entweder als Soldat oder als Ingenieur, wie in seinem Fall. Mit dieser Ausstellung wird Wernher von Braun mit seinem „zweiten Gesicht“ vorgestellt, das in der Geschichtsschreibung oft zu kurz kommt. Vielleicht die Ursache dafür, dass immer noch Straßen und Schulen seinen Namen tragen. Trotz allem findet Josef Pröll in seiner Rede versöhnliche Worte: „Lassen Sie uns gemeinsam die Völkerverständigung mit dem Blick nach vorne ausbauen.“ Zum Beitrag: http://www.myheimat. de/2528837/ 4 | Stadtleben Stadtleben | 5