Heft 1/2004 - Offene Kirche Württemberg
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<strong>Offene</strong> <strong>Kirche</strong><br />
Frauen und Wirtschaften –<br />
der Arbeitsstil der Zukunft<br />
Gabriele Bartschi<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
Wie sieht der kirchliche Arbeitsstil der Zukunft aus? Keine Frage – wir werden<br />
uns darauf einstellen müssen, dass wir nicht nur kurzfristig „sparen“ müssen,<br />
sondern auf lange Zeit hin weniger Geld zur Verfügung haben, als kirchliche<br />
Führungskräfte dies in den letzten 20 Jahren gewöhnt waren. Und zweifellos<br />
muss jeder Bereich unter die Lupe genommen werden. Wer einmal gewöhnt<br />
war, aus dem Vollen zu schöpfen, wird sich und seinen Arbeitsstil umstellen<br />
müssen. Haushalterisches Wirtschaften ist angesagt. Dafür gibt es in der<br />
Landeskirche ein gutes Vorbild: Frauen!<br />
Sowohl das Frauenwerk – der Bereich,<br />
der die ehrenamtlich tätigen Frauen auf<br />
<strong>Kirche</strong>ngemeinde- und <strong>Kirche</strong>nbezirksebene<br />
unterstützt und qualifiziert – als<br />
auch die Frauenarbeit, der Dachverband<br />
der evangelischen Frauenorganisationen<br />
und -abteilungen, praktizieren seit ihrem<br />
Bestehen, seit mehr als 80 Jahren,<br />
Wirtschaftliches Handeln. Es gibt wohl<br />
keinen Bereich in der Landeskirche, der<br />
mit so wenigen Finanzmitteln eine so<br />
große Wirkung erzielt. Noch nie gab es<br />
in der Frauenarbeit oder im Frauenwerk<br />
Geld für Hochglanzbroschüren, wie in<br />
anderen Bereichen, mit denen man bei<br />
wichtigen Figuren und bei entscheidenden<br />
Stellen glänzen kann (ohne dass<br />
jemand fragt, was eigentlich dahinter<br />
steckt). Es gab auch noch nie Geld für<br />
regelmäßig wiederkehrende Großveranstaltungen<br />
(wie den ökumenischen<br />
Frauenkongress), auf denen sichtbar<br />
wird, wie groß die Zielgruppe ist, für die<br />
man arbeitet. Oder hauptamtliche<br />
frauenspezifische Stellen auf Gemeindeoder<br />
Bezirksebene? Weitgehend Fehlanzeige.<br />
Dennoch sind nach einer Erhebung des<br />
Frauenwerks über 5.000 Frauengruppen<br />
in den württembergischen <strong>Kirche</strong>nbezirken<br />
aktiv. Das ist das Verdienst<br />
wirtschaftlichen Handelns von Frauen.<br />
Es ist doch erstaunlich, wie wenig<br />
Aufmerksamkeit diese Zahlen in der<br />
<strong>Kirche</strong>nleitung und in der Öffentlichkeit<br />
erfahren. Es wäre auch schön, könnte<br />
man einmal die Zahl errechnen, die<br />
Frauen durch vielfältige Aktionen an<br />
Spenden für <strong>Kirche</strong> und Diakonie<br />
jährlich zusammentragen.<br />
Statt Respekt Nörgeln<br />
Lob und Respekt gebührt diesem<br />
effektiven und effizienten Handeln.<br />
Doch was erleben wir: keine Anerkennung,<br />
keine Wertschätzung für diese<br />
herausragende Leistung von Frauen.<br />
Stattdessen: Herumnörgeln hinter<br />
vorgehaltener Hand. Das gegenwärtige<br />
Modell der kirchlichen Frauenarbeit<br />
wird von manchen Zeitgenossinnen und<br />
auch -genossen gar als Auslaufmodell<br />
angesehen, auf das die Landeskirche<br />
auch verzichten könne. Zu altbacken<br />
und unmodern, zu wenig profiliert und<br />
lautstark. Außerdem würden fast nur<br />
noch ältere Frauen angesprochen.<br />
Gewiss muss sich hier manches ändern.<br />
Und es ist sicher notwendig, dass die<br />
kirchliche Frauenarbeit ein größeres<br />
Profil entwickelt.<br />
Andererseits kann man sich langsam des<br />
Eindrucks nicht mehr erwehren, dass<br />
dieses Profil gerade durch mangelnde<br />
Finanzausstattung und durch end- und<br />
ziellose Strukturdebatten, die von der<br />
<strong>Kirche</strong>nleitung schon vor Jahren oktroyiert<br />
wurden, verhindert werden soll.<br />
Andere fügen hinzu: Wozu brauchen<br />
wir noch eine Frauenbeauftragte? Oder:<br />
Kann man nicht alles zusammenlegen<br />
und dadurch ein paar Stellen einsparen?<br />
Es gibt doch schon genügend Pfarrerinnen.<br />
Eine weitere Variante: Frauen<br />
profitieren doch am meisten von der<br />
pfarramtlichen Arbeit vor Ort. Es ist<br />
schon irgendwie haarsträubend, auf<br />
welchem Niveau gerade im Frauenbereich<br />
argumentiert wird.<br />
Es waren Frauen, die in der 10. Landessynode<br />
der Meinung waren, dass die<br />
<strong>Kirche</strong> neben der gemeindebezogenen<br />
Arbeit (Frauenwerk) und dem Dachverband<br />
(Frauenarbeit) eine strukturpolitische<br />
Einheit (Frauenbeauftragte)<br />
braucht, und dies aus gutem Grund.<br />
Obwohl die <strong>Kirche</strong> – statistisch gesehen<br />
– eine Frauenorganisation ist, spiegelt<br />
sich dies noch nicht genügend in den<br />
Leitungsstrukturen und im liturgischseelsorgerlichen<br />
Angebot wider. Will<br />
heißen, es gibt noch zu wenig Frauen in<br />
Führungspositionen, die durch ihre<br />
Statusmacht die Möglichkeit haben,<br />
Themen und Kultur der kirchlichen<br />
Organisation für beide Geschlechter<br />
attraktiv zu gestalten. Beim Gottesdienst<br />
und dem seelsorgerlichen Angebot wird<br />
Frauen immer noch zugemutet, sich<br />
mitgemeint zu fühlen. „Mitgemeint“ ist<br />
vielleicht „gut gemeint“, aber eben nicht<br />
passend. Denn alles, was nicht differenziert<br />
und expliziert ist, ist nicht gedacht<br />
und bleibt deshalb unbewusst. Deshalb<br />
braucht es frauenspezifische Stellen, die<br />
genau diesen Blick fachlich einbringen.<br />
Auch in Zukunft.<br />
Frauenbeauftragte ist nötig<br />
Gewiss gibt es Erfolge. Es gibt Frauen in<br />
der <strong>Kirche</strong>, die sich redlich bemühen,<br />
Frauenspezifisches anzubieten. Dies<br />
bleibt aber so lange die Ausnahme,<br />
solange es nicht gleichrangig und gleich<br />
selbstverständlich daherkommt und<br />
anerkannt ist. Hier hat die Frauenbeauftragte<br />
ein Wächterinnen-Amt. Im<br />
Gegensatz zu den beiden anderen<br />
genannten Säulen kirchlicher Frauenarbeit<br />
ist ihr Ziel dann erreicht, wenn sie<br />
strukturell überflüssig geworden ist. Der<br />
einfachste Gradmesser dafür ist die<br />
Personalstatistik, geregelte Verfahrensabläufe<br />
bei Fällen sexualisierter Gewalt<br />
und die Analyse, wie sich die <strong>Kirche</strong><br />
nach innen und außen repräsentiert –<br />
und hier ist nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit<br />
gemeint, sondern auch die<br />
spirituellen und liturgischen Ausdrucksformen<br />
der <strong>Kirche</strong> und ihre Leitungsstrukturen.<br />
Und da hat <strong>Kirche</strong> noch<br />
Schritte vor sich.<br />
Aus organisationsbezogener Sicht ist es<br />
schon erstaunlich, mit welcher Vehemenz<br />
die Organisation <strong>Kirche</strong> ihre<br />
aktivste, wichtigste und „sicherste“<br />
Zielgruppe systematisch ausblendet.<br />
Eine Erklärung liegt sicherlich darin,<br />
dass dies ein gesamtgesellschaftliches<br />
Phänomen ist und viele Frauen sich<br />
systemimmanent verhalten, nämlich so,<br />
wie sie darin erzogen und aufgewachsen<br />
sind: bescheiden und angepasst. Der<br />
andere Grund liegt aber darin, dass<br />
<strong>Kirche</strong>nleitung erfahrungsbezogen und<br />
beziehungsorientiert agiert und auf dem<br />
strukturellen Auge blind ist. Indizien<br />
dafür sind die verzettelte Organisationslandschaft<br />
und die geringe Zielorien-<br />
Nr. 1, April <strong>2004</strong> OFFENE KIRCHE<br />
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