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Heft 1/2004 - Offene Kirche Württemberg

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<strong>Offene</strong> <strong>Kirche</strong><br />

Träume wagen und Widerstand leisten<br />

Renate Lücki<br />

○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />

Warum fällt es immer wieder so schwer, nach Wissen und Gewissen zu<br />

handeln? Warum richten auch Christen ihr Leben nicht danach ein, was sie<br />

für richtig und notwendig erkannt haben? Dorothea Margenfeld, Prälatin<br />

i.R., versuchte in Herrenberg eine Antwort auf diese Fragen zu geben.<br />

gie und Poesie,<br />

Spiritualität und<br />

Kampf zusammengehörten.<br />

Diese<br />

gelebte Spannung<br />

gebe Antworten auf<br />

das Warum. Noah,<br />

der eine Arche baut,<br />

als es noch gar nicht<br />

regnet, wird<br />

ausgelacht. Auch<br />

Abraham, der seine<br />

Heimat immer<br />

wieder verlässt und auf Gottes Geheiß<br />

Neuland sucht, muss verrückt sein.<br />

Ebenso Mose, der sein Volk 40 Jahre<br />

lang durch die Wüste führt und dafür<br />

viel einzustecken hat. Dorothee Sölle<br />

dichtete: „Es kommt eine Zeit, da haben<br />

alle genug zu tun und bauen die Gärten<br />

chemiefrei wieder auf – in den Arbeitsämtern<br />

wirst du ältere Leute summen<br />

und pfeifen hören...“ Auf Träume zu<br />

bauen, ist vielleicht nicht so verrückt,<br />

wie man denkt. Der Hirnforscher Gerald<br />

Hüther fand heraus: „Wenn das Herz<br />

etwas Neues im Leben sucht, macht das<br />

Gehirn gerne mit.“ Der Mensch müsse<br />

sich eine innere Haltung aneignen, die<br />

ihn zwinge, sein Hirn anders zu benutzen<br />

als bisher, so Margenfeld. Er sollte<br />

achtsam und behutsam gegenüber<br />

seiner Umwelt sein. Dann berücksichti-<br />

Wie können <strong>Kirche</strong>,<br />

Gesellschaft, Wirtschaft<br />

und Politik die<br />

spürbare Diskrepanz<br />

von Wissen und<br />

Handeln überwinden?<br />

– Es war ein<br />

breites Feld, das die<br />

Ruheständlerin zu<br />

beackern hatte. Sie<br />

versuchte es persönlich<br />

und bildlich. Vor<br />

einem Jahr habe sie<br />

sich vorgenommen, nach der Pensionierung<br />

ihren Haushalt zu halbieren.<br />

Stattdessen habe sie noch einiges<br />

gekauft und dazu beigetragen, dass<br />

„wir, die Menschen, der Welt zur Last<br />

sind“, wie der römische Jurist und<br />

Theologe Tacitus im dritten Jahrhundert<br />

n. Chr. schrieb. Andererseits solle man<br />

seinen Träumen mehr trauen und nicht<br />

vor Angst klein beigeben, ermunterte<br />

Dorothea Margenfeld. „Der Weg vom<br />

Wissen zum Handeln ist ein Weg mit<br />

Umwegen und Verzögerungen. Die<br />

wichtigste Frage ist vielleicht nicht die<br />

nach unserer Glaubwürdigkeit, sondern<br />

nach dem, was unsere Träume und<br />

unseren Glauben nährt.“<br />

Die Theologin suchte Anleihen bei<br />

Dorothee Sölle und Fulbert Steffensky,<br />

für die Mystik und Widerstand, Theologe<br />

er, welche Wirkungen sein Handeln<br />

auf andere, auf die Natur und die Welt<br />

hat.<br />

Zu den Auswirkungen der Globalisierung<br />

zitiert Dorothea Margenfeld<br />

Carl Amery, der sich überlegt, was die<br />

<strong>Kirche</strong>n gegen die Ausbreitung des<br />

totalen Marktes tun können. Gegen das<br />

Totschlag-Argument „Es gibt keinen<br />

anderen Weg“ sollten sie für eine<br />

planvolle Globalisierung einstehen. Der<br />

totale Kapitalmarkt sei kein Naturereignis.<br />

„Es liegt an ihnen, ob sie zusehen<br />

wollen, wie der Totale Markt die<br />

Lebensgrundlage der Menschheit<br />

zerstört.“ Ohnmachtsgefühle in Zeiten<br />

der Unsicherheit, das Hinausschieben<br />

von Problemen (auch an Gefahren kann<br />

man sich gewöhnen) und so genannte<br />

Systemzwänge – gegen diese Blockaden<br />

setzt auch Manfred Linz vom Wuppertal-Institut<br />

für Klima, Umwelt und<br />

Energie Gewinn von Lebensqualität,<br />

„wenn wir die Natur bewahren, uns um<br />

sozialen Ausgleich und um mehr<br />

Gerechtigkeit im eigenen Land und<br />

weltweit bemühen.“ JedeR Einzelne<br />

sollte sich fragen, was er tun kann und<br />

mit wem er sich verbünden könnte. Wo<br />

brauche es Anreize, wo Druck? Wenn<br />

das große Ziel erkennbar sei, machten<br />

auch kleine Schritte Sinn.<br />

Eine Schlüsselfrage sei die Teilung der<br />

Erwerbsarbeit, um die zunehmende<br />

Armut zu stoppen und den Frieden im<br />

Land zu erhalten. „Widerstand entsteht<br />

durch eigenen Schmerz. Wir müssen<br />

unterscheiden lernen, was wichtig ist<br />

und wo wir uns bescheiden können. Es<br />

ist eine spirituelle Frage, von welchem<br />

Geist wir uns im Alltag leiten lassen“,<br />

schloss Dorothea Margenfeld ihre<br />

Überlegungen zum Nachdenken.<br />

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<strong>Offene</strong> <strong>Kirche</strong><br />

Das war „<strong>Kirche</strong> 2003“ – war es das?<br />

90 Seiten umfasst der Jahresbericht, den<br />

die <strong>Kirche</strong>nleitung kürzlich herausgegeben<br />

hat. Obwohl er grafisch aufwändig<br />

gestaltet ist – den meisten Raum<br />

nehmen graue oder weiße Flächen ein,<br />

außer den Autoren mit ihren Passbildern<br />

gibt es nur Illustrationen von eigenen<br />

Reklametafeln – ist der Inhalt auf der<br />

ganzen Linie enttäuschend. Nur teilweise<br />

wird vom „Leben, Gestalten und<br />

Handeln der Menschen in den Gemeinden“<br />

erzählt. Da jeder etwas aus seinem<br />

Arbeitsbereich herausgreift, wird kein<br />

roter Faden erkennbar. Es wird nicht<br />

klar, ob sich die <strong>Kirche</strong> für das Jahr<br />

bestimmte Ziele gesetzt hat und diese<br />

erreicht worden sind. Deswegen sind<br />

die Berichte immer wieder mit geistlichen<br />

Meditationen durchsetzt. Ein<br />

Bezug zu früheren Berichten wird kaum<br />

hergestellt. Gern wird der Ökumenische<br />

<strong>Kirche</strong>ntag in Berlin zitiert, der ja wohl<br />

wahrlich keine württembergische<br />

Veranstaltung war. Positiv sticht der<br />

Bericht von OKR Heiner Küenzlen<br />

hervor, der sich auf „Das Jahr der Bibel“<br />

Nr. 1, April <strong>2004</strong> OFFENE KIRCHE<br />

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