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Swedenborg im Kontext des Leib-Seele-Problems PDF - Orah.ch

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<strong>Swedenborg</strong> <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> <strong>des</strong> <strong>Leib</strong>-<strong>Seele</strong>-<strong>Problems</strong> 2<br />

alismus. Denn »die <strong>Seele</strong> ist eine geistige Substanz (substantia spiritualis)« 3 oder, wie<br />

man au<strong>ch</strong> sagt, eine <strong>im</strong>materielle Substanz. Und der Körper ist »eine materielle Substanz<br />

(substantia materialis)« 4 . Der Mens<strong>ch</strong> wird na<strong>ch</strong> dem Tode fortleben, denn hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

seiner <strong>Seele</strong> ist er »unsterbli<strong>ch</strong> (<strong>im</strong>mortalis)« 5 . <strong>Swedenborg</strong> befindet si<strong>ch</strong> mit<br />

dieser Position in Übereinst<strong>im</strong>mung mit seiner Zeit, denn in der frühen Neuzeit, der Zeit<br />

zwis<strong>ch</strong>en Descartes und Kant, ist der Substanzdualismus vorherrs<strong>ch</strong>end.<br />

Innerhalb der dualistis<strong>ch</strong>en Position muss man si<strong>ch</strong> für eine von drei oder vier Unterpositionen<br />

ents<strong>ch</strong>eiden, je na<strong>ch</strong> der Antwort auf die Frage, wel<strong>ch</strong>e Beziehung zwis<strong>ch</strong>en<br />

der ni<strong>ch</strong>t-physis<strong>ch</strong>en <strong>Seele</strong> und dem physis<strong>ch</strong>en <strong>Leib</strong> besteht. 6 Die Zeitgenossen <strong>Swedenborg</strong>s<br />

diskutierten drei Antworten. I<strong>ch</strong> präsentiere sie hier anhand einer Zusammenfassung<br />

<strong>des</strong> lutheris<strong>ch</strong>en Theologen Johann Georg Abi<strong>ch</strong>t (1672–1740), der 1729 seine<br />

»Disputatio De Commercio An<strong>im</strong>ae Et Corporis« herausgab. Sie beginnt mit den folgenden<br />

Worten:<br />

»Fest steht, dass von den Gelehrten sehr viele Abhandlungen über die We<strong>ch</strong>selwirkung zwis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Seele</strong> und Körper angefertigt worden sind, deren Bespre<strong>ch</strong>ung i<strong>ch</strong> (hier) für überflüssig era<strong>ch</strong>te.<br />

Einige glaubten: Weder sei die <strong>Seele</strong> <strong>im</strong> Körper tätig, no<strong>ch</strong> der Körper in der <strong>Seele</strong>, aber die <strong>Seele</strong><br />

gebe wenigstens die Gelegenheit (occasionem), damit Gott <strong>im</strong> Körper (das) ma<strong>ch</strong>e, was sie will,<br />

und der Körper gebe die Gelegenheit (occasionem), damit Gott dem Gemüt (menti) bekannt ma<strong>ch</strong>e,<br />

was <strong>im</strong> Körper ges<strong>ch</strong>ehe. Daher ist das System der Gelegenheitsursa<strong>ch</strong>en (systema Causarum occasionalium)<br />

entstanden, das Descartes zuges<strong>ch</strong>rieben wird. Andere meinten: Die <strong>Seele</strong> beeinflusse<br />

den Körper und der Körper die <strong>Seele</strong>, und dur<strong>ch</strong> die physis<strong>ch</strong>e Bewegung beider werden die Tätigkeiten<br />

hervorgebra<strong>ch</strong>t. Das nannten sie das System <strong>des</strong> Einflusses (systema influxus), sein Urheber<br />

ist Aristoteles. Wieder andere haben s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> das System der prästabilierten Harmonie (systema<br />

Harmoniae praestabilitae) erda<strong>ch</strong>t und gelehrt, wona<strong>ch</strong> weder die <strong>Seele</strong> <strong>im</strong> Körper no<strong>ch</strong> der<br />

Körper in der <strong>Seele</strong> tätig sei, sondern der Körper na<strong>ch</strong> den Gesetzen der Wirkursa<strong>ch</strong>en bewegt werde<br />

und die <strong>Seele</strong> na<strong>ch</strong> den logis<strong>ch</strong>-sittli<strong>ch</strong>en Gesetzen und aus den allerweisesten Bes<strong>ch</strong>lüssen Gottes<br />

tätig sei, und die Willensakte der <strong>Seele</strong> harmonis<strong>ch</strong> auf die Tätigkeiten und Empfindungen <strong>des</strong><br />

Körpers antworten. Diese Hypothese hat <strong>Leib</strong>niz eingeführt.«<br />

Abi<strong>ch</strong>t nennt also »das System der Gelegenheitsursa<strong>ch</strong>en« na<strong>ch</strong> Descartes, »das System<br />

<strong>des</strong> Einflusses« na<strong>ch</strong> Aristoteles und »das System der prästabilierten Harmonie«<br />

na<strong>ch</strong> <strong>Leib</strong>niz.<br />

Aus heutiger Si<strong>ch</strong>t sind vier Theorien zu nennen: 1. der interaktionistis<strong>ch</strong>e Dualismus<br />

oder kurz der Interaktionismus 2. der Parallelismus, 3. der Okkasionalismus und 4. der<br />

Epiphänomenalismus, der erst <strong>im</strong> 19. Jahrhundert unter dem Eindruck neuer Ergebnisse<br />

in den Naturwissens<strong>ch</strong>aften entstand. Die wesentli<strong>ch</strong>en Inhalte dieser Theorien sind die<br />

folgenden: Der Interaktionismus behauptet: »Physis<strong>ch</strong>e Zustände (z.B. Gewebeverletzungen)<br />

verursa<strong>ch</strong>en mentale Zustände (z.B. S<strong>ch</strong>merzen), aber au<strong>ch</strong> mentale Zustände<br />

(z.B. Wüns<strong>ch</strong>e) verursa<strong>ch</strong>en physis<strong>ch</strong>e Zustände (z.B. Körperbewegungen).« Der Parallelismus<br />

behauptet: »Es gibt einen systematis<strong>ch</strong>en Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en physis<strong>ch</strong>en<br />

und mentalen Zuständen; aber dieser Zusammenhang beruht ni<strong>ch</strong>t auf einer Kausalbeziehung,<br />

sondern auf einer ›prästabilierten Harmonie‹. Gott hat es so eingeri<strong>ch</strong>tet, dass<br />

Zuständen <strong>im</strong> Körper Zustände <strong>im</strong> Geist entspre<strong>ch</strong>en und umgekehrt, so wie ein Uhrma<strong>ch</strong>er,<br />

der zwei Uhren syn<strong>ch</strong>ronisiert, dafür sorgt, dass sie beide dieselbe Zeit anzeigen,<br />

ohne dass zwis<strong>ch</strong>en ihnen ein kausaler Zusammenhang bestünde.« Der Okkasionalismus<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Die We<strong>ch</strong>selwirkung zwis<strong>ch</strong>en <strong>Seele</strong> und Körper 1.<br />

H<strong>im</strong>mlis<strong>ch</strong>e Gehe<strong>im</strong>nisse 3726.<br />

H<strong>im</strong>mlis<strong>ch</strong>e Gehe<strong>im</strong>nisse 8944.<br />

Siehe Ansgar Beckermann: »Jeder, der die Auffassung vertritt, dass Mens<strong>ch</strong>en außer einem Körper au<strong>ch</strong> einen<br />

von allen körperli<strong>ch</strong>en Dingen vers<strong>ch</strong>iedenen ni<strong>ch</strong>t-physis<strong>ch</strong>en Geist besitzen, muss die Frage beantworten,<br />

wel<strong>ch</strong>e Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Geist und Körper besteht.« (Das <strong>Leib</strong>-<strong>Seele</strong>-Problem: Eine Einführung in die Philosophie<br />

<strong>des</strong> Geistes, 2008, Seite 38).

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