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Swedenborg im Kontext des Leib-Seele-Problems PDF - Orah.ch

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<strong>Swedenborg</strong> <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> <strong>des</strong> <strong>Leib</strong>-<strong>Seele</strong>-<strong>Problems</strong> 6<br />

rung von Denis Diderot (1713–1784) propagiert. 24 <strong>Swedenborg</strong> verstand sein Werk als<br />

ein Bollwerk gegen die drohende totale Übers<strong>ch</strong>wemmung <strong>des</strong> Geisteslebens dur<strong>ch</strong> den<br />

Materialismus und den Sensualismus, der si<strong>ch</strong> <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Gefolge der Verdunklung alles<br />

Geistigen befindet. <strong>Swedenborg</strong> erkannte, dass das Starkwerden <strong>des</strong> Materialismus die<br />

direkte Folge <strong>des</strong> S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>werdens <strong>des</strong> Gottesglaubens ist, wobei die innerste Ursa<strong>ch</strong>e<br />

dieses S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>werdens die dreipersönli<strong>ch</strong>e Trinitätslehre ist, denn ein einziger Gott und<br />

zuglei<strong>ch</strong> drei Personen, das ist unvorstellbar, undenkbar. Daher blieb dem denkenden<br />

Geist gar ni<strong>ch</strong>ts anderes übrig als si<strong>ch</strong> von diesem heiligen Unsinn abzuwenden und si<strong>ch</strong><br />

anderen Quellen der Erkenntnis zuzuwenden. Diese anderen Quellen sind die fünf Sinne.<br />

Sie verspre<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong>ere Erkenntnis, bes<strong>ch</strong>ränken aber die Weltsi<strong>ch</strong>t auf das empiris<strong>ch</strong><br />

Erfahrbare, von dem sie behaupten, dass es die ganze Wirkli<strong>ch</strong>keit sei. Vermutli<strong>ch</strong><br />

wird man geistesges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> sagen können, dass <strong>Swedenborg</strong>s Gegenwehr <strong>im</strong> deuts<strong>ch</strong>en<br />

Ideal<strong>im</strong>us eine gewisse Wirkung entfaltete. Jedo<strong>ch</strong> war der Dammbru<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr zu verhindern. Na<strong>ch</strong> dem Tod Hegels überfluteten der philosophis<strong>ch</strong>e und naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Materialismus das Denken der gottentfremdeten Gemüter, und das<br />

hatte Wirkungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Der Philosophiehistoriker Johannes<br />

Hirs<strong>ch</strong>berger meinte, dass der Materialismus »das s<strong>ch</strong>werste Erbe ist, das uns das 19.<br />

Jahrhundert mit auf den Weg gegeben hat.« 25 Und obwohl man sagen kann, dass er<br />

dur<strong>ch</strong> die Erkenntnisse gerade der Physik theoretis<strong>ch</strong> überwunden ist, beherrs<strong>ch</strong>t er<br />

praktis<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> das Denken der Masse. Und bezogen auf die Philosophie <strong>des</strong> Geistes<br />

ist festzustellen: »Das Gros der heutigen westli<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aftler, die si<strong>ch</strong> mit Bewusstseinsfors<strong>ch</strong>ung<br />

befassen, wie Gehirnfors<strong>ch</strong>er, Psy<strong>ch</strong>ologen, Psy<strong>ch</strong>iater und Philosophen,<br />

ist der Meinung, dass si<strong>ch</strong> das Bewusstsein materialistis<strong>ch</strong> und reduktionistis<strong>ch</strong><br />

erklären lässt«. 26<br />

Dessen ungea<strong>ch</strong>tet müssen <strong>Swedenborg</strong>ianer den dualistis<strong>ch</strong>en Ansatz weiterentwickeln.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Arbeitsfelder sind zu bearbeiten? Erstens: Die historis<strong>ch</strong>e Bedingtheit <strong>des</strong><br />

Materialismus müsste dargestellt werden. Seine Vereinnahmung <strong>des</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftsbegriffs<br />

wäre zu problematisieren. Wissens<strong>ch</strong>aft muss ni<strong>ch</strong>t per se materialistis<strong>ch</strong> sein.<br />

Zumal der Materialismus theoretis<strong>ch</strong> überwunden ist, denn mit Karl Ra<strong>im</strong>und Popper<br />

kann man sagen, »daß die Ergebnisse der modernen Physik es nahelegen, die Vorstellung<br />

[von Materie als] von einer Substanz oder einem Wesen aufzugeben … Mit dem<br />

Programm, die Struktur der Materie zu erklären, war die Physik gezwungen, über den<br />

Materialismus hinauszugehen.« 27 Und der Physiker und Heisenbergs<strong>ch</strong>üler Hans-Peter<br />

Dürr meint sogar: »Die Grund-Wirkli<strong>ch</strong>keit hat mehr Ähnli<strong>ch</strong>keit mit dem unfassbaren,<br />

lebendigen Geist als mit der uns geläufigen greifbaren stoffli<strong>ch</strong>en Materie. Die Materie<br />

ers<strong>ch</strong>eint mehr als eine ›Kruste‹ <strong>des</strong> Geistes.« 28 Anzustreben ist eine Wissens<strong>ch</strong>aft, die<br />

si<strong>ch</strong> aus der ideologis<strong>ch</strong>en Umklammerung dur<strong>ch</strong> den Materialismus befreit hat. In diesem<br />

Zusammenhang könnten sehr bea<strong>ch</strong>tenswerte erkenntnistheoretis<strong>ch</strong>e Überlegungen<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

Denis Diderot »wurde zum Führer der materialistis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule der französis<strong>ch</strong>en Aufklärung … Es gehören<br />

hierher Julien de La Mettrie (gest. 1751) mit seinem Bu<strong>ch</strong> L'homme ma<strong>ch</strong>ine (1748), Paul-Henri Holba<strong>ch</strong><br />

(gest. 1789) mit seinem Système de la nature (1770), Claude-Adrien Helvetius (gest. 1771) mit seinem Entrüstung<br />

hervorrufenden Bu<strong>ch</strong> Sur l'esprit (1758), der Sensualist Etienne Bonnot de Condillac (gest. 1780) mit seinem<br />

Traité <strong>des</strong> sensations (1754) und der radikalste dieser materialistis<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>ologen Georges Cabanis<br />

(gest. 1808), der s<strong>ch</strong>lankweg erklärte: Körper und Geist sind unbedingt ein und dasselbe … Er ist der unmittelbare<br />

Vorläufer der Psy<strong>ch</strong>ophysik wie <strong>des</strong> modernen Monismus.« (Johannes Hirs<strong>ch</strong>berger, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Philosophie,<br />

Band 2: Neuzeit und Gegenwart, 1991, Seite 249f.).<br />

Johannes Hirs<strong>ch</strong>berger, Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Philosophie, Band 2: Neuzeit und Gegenwart, 1991, Seite 468.<br />

P<strong>im</strong> van Lommel, Endloses Bewusstsein: Neue medizinis<strong>ch</strong>e Fakten zur Nahtoderfahrung, 2011, Seite 259.<br />

Karl R. Popper, John C. Eccles, Das I<strong>ch</strong> und sein Gehirn, 1991, Seite 26.<br />

Hans-Peter Dürr, Au<strong>ch</strong> die Wissens<strong>ch</strong>aft spri<strong>ch</strong>t nur in Glei<strong>ch</strong>nissen: Die neue Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Religion und<br />

Naturwissens<strong>ch</strong>aften, 2008, Seite 29.

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