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Präsentation Prof. Dr. Markus Dederich, Universität Köln - Netzwerk ...

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Inklusion von Menschen mit<br />

eingeschränkter Hörfähigkeit.<br />

Die Sichtweise der Heil- und<br />

Sonderpädagogik<br />

<strong>Markus</strong> <strong>Dederich</strong><br />

<strong>Universität</strong> zu <strong>Köln</strong><br />

Lehrstuhl für Allgemeine Heilpädagogik<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Dederich</strong>


Einleitung: Inklusion zwischen Wunsch und<br />

Wirklichkeit<br />

Ausgangslage:<br />

Die gegenwärtige Debatte über Inklusion ist ein vielstimmiger,<br />

uneinheitlicher, moralisch aufgeladener und z.T. kontrovers<br />

geführter Diskurs.<br />

Inklusion beruht im Kern auf der Idee, vorgängige Ausschlüsse<br />

überhaupt zu vermeiden – alle sind von Anfang an ‚dabei‘.<br />

Integration (das ältere Konzept) verfolgt das Ziel, bereits<br />

stattgefundene Ausschlüsse rückgängig zu machen.<br />

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Lehrstuhl für Allgemeine Heilpädagogik<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Dederich</strong>


These: Da heute die Vermeidung von vorgängigen Ausschlüssen<br />

eher die Ausnahme ist als die Regel, wäre es immer noch angemessener,<br />

von Integration zu reden!<br />

Verschiedene Unklarheiten in der Debatte:<br />

1. Meint Inklusion den Zugang zu Systemen oder<br />

uneingeschränkte Teilhabe in Systemen?<br />

2. Ist Inklusion ein beschreibender Begriff oder ein Wertbegriff?<br />

3. Ist Inklusion ein pragmatisches bildungspolitisches und<br />

erziehungswissenschaftliches Konzept oder eine<br />

sozialrevolutionäre Weltanschauungslehre?<br />

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Lehrstuhl für Allgemeine Heilpädagogik<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Dederich</strong>


Was bedeutet Inklusion?<br />

Biewer definiert inklusive Pädagogik wie folgt: „Inklusive Pädagogik<br />

bezeichnet Theorien zur Bildung, Erziehung und Entwicklung, die<br />

Etikettierungen und Klassifizierungen ablehnen, ihren Ausgang von<br />

den Rechten vulnerabler und marginalisierter Menschen nehmen,<br />

für deren Partizipation in allen Lebensbereichen plädieren und auf<br />

eine strukturelle Veränderung der regulären Institutionen zielen, um<br />

der Verschiedenheit der Voraussetzungen und Bedürfnisse aller<br />

Nutzer/innen gerecht zu werden“ (Biewer 2009, 193).<br />

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Grundideen:<br />

• Anerkennung der Einmaligkeit und Einzigartigkeit des<br />

Individuums; Prinzip der „egalitären Differenz“ (Prengel).<br />

• Menschenrecht auf Teilhabe und Abwendung von jeder Form<br />

von Marginalisierung.<br />

• Abwendung von Zwei-Gruppen-Theorien wie „Deutsche und<br />

Ausländer“, „Behinderte und Nichtbehinderte“.<br />

• Anpassung der Systeme an die Menschen und nicht<br />

Anpassung der Menschen an die Systeme.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Dederich</strong>


Eine soziologische Kritik am umfassenden Anspruch der<br />

Inklusionsbefürworter lautet:<br />

Inklusion in die Gesellschaft als Ganze kann es ebenso wenig<br />

geben wie Teilhabe an der ganzen Gesellschaft .<br />

Vielmehr ist zu fragen:<br />

• Wer wird<br />

• auf welche Weise<br />

• worin<br />

• mit welchem Status<br />

• mit welchen (intendierten und nicht intendierten)<br />

Folgeeffekten inkludiert?<br />

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Gegenwärtige Herausforderungen:<br />

• In der Praxis spielt die Unterscheidung von ‚integrierbar‘ bzw.<br />

‚nicht integrierbar‘ immer noch eine wichtige Rolle.<br />

• Der Idee der Inklusion stehen vielfältige Ausgrenzungstendenzen<br />

bzw. Marginalisierungsprozesse gegenüber.<br />

• Das Thema Inklusion muss interdisziplinär bearbeitet werden<br />

und nicht allein durch die Heil- und Sonderpädagogik.<br />

• Inklusion ist ein Thema der Gesellschaft insgesamt und<br />

beginnt in den Köpfen.<br />

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Inklusion hörgeschädigter Schülerinnen und<br />

Schüler – Was sagt die Forschung?<br />

In empirischen Studien werden häufig folgende Variablen<br />

untersucht: die soziale und emotionale Integration sowie die<br />

Leistungsmotivation (vgl. Haeberlin u.a. 1989, Leonhardt 2009).<br />

→<br />

→<br />

Alle befragten Gruppen schreiben dem Sprachverständnis<br />

der hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler eine<br />

zentrale Bedeutung für das Gelingen von Inklusion zu<br />

In der Regel fühlen sich die hörgeschädigten und hörenden<br />

Schülerinnen und Schüler in den untersuchten Klassen<br />

gleichermaßen sozial integriert<br />

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→<br />

Bei der Erfassung des Wohlbefindens (emotionale<br />

Integration) spielt die Bezugsgröße eine wichtige Rolle<br />

Die psychisch erlebte Integration fällt „dann besonders negativ<br />

aus […], wenn die Betroffenen kein soziales <strong>Netzwerk</strong> aufbauen<br />

konnten und ihre Kommunikationsbedürfnisse nicht entsprechend<br />

(an-)erkannt werden. […] Aus den Interviews konnte abgeleitet<br />

werden, dass es vor allem die Peergroup ist, die das Maß der<br />

psychisch erlebten Integration bestimmt. Die Gruppenidentifikation<br />

wird umso wichtiger, je älter die Kinder werden“ (Hänel-Faulhaber<br />

2008, 129).<br />

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→<br />

Hinsichtlich der leistungsmotivationalen Integration fühlen<br />

sich hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler „hoch<br />

signifikant schlechter integriert […] als die hörenden<br />

Schülerinnen und Schüler“ (S. 128)<br />

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Nach Hintermair (2008) ist die Gestaltung von Kommunikationsprozessen<br />

entscheidend für das Gelingen von Inklusion:<br />

• Sprachliche Fähigkeiten<br />

• Kommunikationsgeschwindigkeit<br />

• Räumliche Arrangements<br />

• ggf. Gebärdensprache<br />

Nach Wessel (2012) gibt es zwei Kardinalkriterien für das<br />

Gelingen von Inklusion:<br />

• Identitätsstiftende und -fördernde Lernumgebungen<br />

• kommunikative Barrierefreiheit und förderbedarfsspezifische<br />

Expertise<br />

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Fazit<br />

Während auf der Vorderbühne von Inklusion geredet wird, wird<br />

„auf der Hinterbühne weiter ausgegrenzt und unsichtbar<br />

gemacht“ (Jantzen 2012, 42).<br />

Diese Unsichtbarmachung betrifft vor allem den als nichtinkludierbar<br />

bezeichneten ‚Rest‘, den sog. ‚harten Kern‘.<br />

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Solange die Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssysteme vorwiegend<br />

ökonomisch ausgerichtet sind und die existierenden<br />

Ausgrenzungsmechanismen ungebrochen greifen, werden die<br />

gut gemeinten und ohne Frage sympathischen Bekenntnisse zur<br />

Inklusion ins Leere laufen bzw. an unüberwindbar scheinende<br />

Grenzen stoßen.<br />

Wenn Inklusion ein Passungsverhältnis ist, dann reicht es nicht<br />

aus, kleinere Justierungen vorzunehmen. Dann muss man die<br />

Gesellschaft und Kultur insgesamt in den Blick nehmen und<br />

kritisch untersuchen, wo und wie systematisch in Ausschluss<br />

oder Marginalisierung mündende Nicht-Passungen hergestellt<br />

bzw. aufrechterhalten werden.<br />

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Literatur:<br />

Hänel-Faulhaber, Barbara (2008): Außenklasse und Präventive<br />

Integration: Wege zur Integration? In: Hörgeschädigte Kinder –<br />

erwachsene Hörgeschädigte. Heft 3, S. 126-130<br />

Hintermair, Manfred (2008): Inklusion, Community Care, Partizipation<br />

als innovative Leitideen einer gesundheitsförderlichen Lebensführung<br />

für Menschen mit (Hör-)Behinderung. In: Hörgeschädigte Kinder –<br />

erwachsene Hörgeschädigte. Heft 3, S.106-114<br />

Jantzen, Wolfgang (2012): Behindertenpädagogik in Zeiten der Heiligen<br />

Inklusion. In: Behindertenpädagogik, 51 Jg., Heft 1, S. 35-53<br />

Leonhardt, Annette (Hg.) (2009): Hörgeschädigte Schüler in der<br />

allgemeinbildenden Schule. Stuttgart<br />

Wessel, Jürgen (2012): Inklusive Beschulung hörgeschädigter Kinder<br />

und Jugendlicher – Anforderungen an eine ‚Schule für alle‘. In: In:<br />

Sonderpädagogische Förderung heute, 57. Jg., Heft 2, S. 145-159<br />

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