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Josef Bordat (Berlin) - Philosophia online

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Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine<br />

Wege!“ (Röm 11,33). Nach Karl Barth gibt es in diesem Sinne keine Lösung des Theodizee-<br />

Problems. Wir sind nicht berechtigt, Gott anzuklagen. Daraus folgt dann, wenn man weiter an<br />

Gott glauben will, zum zweiten das bedingungslose Vertrauen auf Gott. Hans Küng führt dazu<br />

in seinem Werk Christ sein aus, dass unbedingtes und restloses Vertrauen zu Gott, trotz der<br />

Unfähigkeit, das Rätsel des Leids und des Bösen lösen zu können, dem leidenden,<br />

zweifelnden, verzweifelten Menschen einen letzten Halt gebe und sich das Leid damit zwar<br />

nicht ursächlich „erklären“, aber doch bestehen lasse.<br />

Fatalismus à la Barth ist natürlich eine mögliche Lösung, aber es fällt trotz allem schwer,<br />

diese als eine zu verstehen, welche die Theodizee-Frage zum Verstummen bringt. Denn es ist<br />

eher so, dass schlicht gefordert wird, sie nicht zu stellen. Sie wird zur Ketzer-Frage erklärt -<br />

auf mehr läuft dieser Ansatz nicht hinaus. Küngs Vertrauen scheint kaum besser, doch gibt es<br />

hier zumindest eine Perspektive für das leidende Individuum. Die Frage nach dem Ursprung<br />

des Bösen wird zwar auch umgangen, aber zumindest wird dem leidenden Individuum ein<br />

Ausweg aufgezeigt, der auf die Überwindung des Leids ausgerichtet ist.<br />

Daran schließt der dritte Ansatz an. Die Depotenzierung des Gottesbegriffs betreibt auch den<br />

Perspektivwechsel von der Ursachenforschung zur Bewältigung des Übels und nimmt den<br />

Menschen in die Verantwortung.<br />

Der jüdische Philosoph Hans Jonas, der den Vernichtungslagern des Dritten Reiches selbst<br />

nur knapp entrann, beschreibt in seinem Büchlein Der Gottesbegriff nach Auschwitz (1984)<br />

eben jenen Gott als den, welcher um der Verstehbarkeit Willen seine Allmacht radikal<br />

einschränkt. Ein allmächtiger Gott, der nicht zu verstehen ist, bereitet Jonas mithin mehr<br />

Schwierigkeiten, als ein Gott, der zwar nicht mehr allmächtig ist, aber verstehbar bleibt.<br />

Die Aufgabe der Allmacht geschieht dabei im Zuge der Schöpfung. Damit wir zu existieren<br />

beginnen können, hört Gott partiell zu existieren auf. Der Schöpfer-Gott bindet sich selbst in<br />

seine Schöpfung ein und unterwirft sich gleichermaßem dem Leiden seiner Geschöpfe. Gott<br />

begibt sich damit in eine Schicksalsgemeinschaft mit dem Menschen. Aus Allmacht wird<br />

Ohnmacht. Zu hoffen bleibt ihm nur, so Jonas, dass der Mensch diese selbstindizierte<br />

Interdependenz von Schöpfer und Geschöpf in Verantwortung annimmt und sich mit Gott und<br />

für Gott darum bemüht, das Leid aus der Schöpfung – so weit es ihm möglich ist – zu<br />

entfernen. Also nicht mehr Wo warst Du, Gott?, sondern: Wo waren wir Menschen? Gott hat<br />

keine anderen Hände als unsere, ist ein bekanntes Diktum der Theologin Dorothee Sölle. Mit<br />

diesen sollen wir am Aufbau der unfertigen Schöpfung (Berger) mitwirken.

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