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Cicero Der letzte Sommer des Rock'n'Roll (Vorschau)

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POSTSCRIPTUM<br />

N°-6<br />

LEYEN-TRUPPE<br />

Wer wissen möchte, was der vom Politologen<br />

Herfried Münkler geprägte<br />

Begriff <strong>des</strong> „postheroischen Westens“ (im<br />

Interview auf Seite 115) konkret bedeutet,<br />

konnte unlängst in der Herzschmerz-<br />

Presse fündig werden. Dort präsentierte<br />

sich die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt<br />

als eine Art Supernanny, die<br />

während eines Besuchs deutscher Truppen<br />

in Afrika und im Nahen Osten den stets<br />

verständnisvollen Friedensapostel mit Dauerlächeln<br />

und blondem Engelshaar gibt.<br />

Das Gefolge Ursula von der Leyens<br />

war zu diesem Zweck handverlesen: Reporterinnen<br />

von Bunte, Gala, Tina, Laura<br />

und Brigitte sollten dafür sorgen, dass die<br />

Bun<strong>des</strong>wehr mitsamt deren ziviler Chefin<br />

als Wohlfühlkompanie erscheint, die es<br />

aus unerfindlichen Gründen in exotische<br />

Weltgegenden verschlagen hat. Abenteuer<br />

pur zum All-inclusive-Tarif: Vor der ostafrikanischen<br />

Küste haben die Männer<br />

und Frauen an Bord der Fregatte „Brandenburg“<br />

mit allerlei Unbill zu kämpfen<br />

– etwa hohen Temperaturen von bis<br />

zu 35 Grad, denen die Verteidigungsministerin<br />

„im hellgrauen Blazer mit dunkler<br />

Hose“ (Gala) trotzt, während „der Wind<br />

mit ihren schulterlangen Haaren spielt“<br />

(Bunte). Die „stets frisch und perfekt gestylte“<br />

Frau von der Leyen zeigt selbstverständlich<br />

auch in dieser Situation eiserne<br />

Selbstdisziplin: „Den Zwetschgen-Streuselkuchen<br />

mit dem Klacks Sahne lässt sie<br />

zurückgehen“, heißt es im Bunte-Fronttagebuch.<br />

Und Gala beschreibt einfühlsam,<br />

wie die „Mutter von sieben Kindern“<br />

ihre aus Unachtsamkeit für kurze Zeit auf<br />

einem Stahlhelm ruhende Hand zurückzieht,<br />

als ein Fotograf sich nähert. Denn<br />

„solche Bilder möchte sie vermeiden – auch<br />

Posieren mit Waffe oder an anderem<br />

schweren Gerät ist nicht drin“. Eine Verteidigungsministerin<br />

neben einem 76-Millimeter-Geschütz?<br />

Nicht, dass da noch<br />

jemand auf die falschen Gedanken kommt!<br />

Ursula von der Leyens Versuch, die<br />

Bun<strong>des</strong>wehr als familienfreundliche Lifestyle-Army<br />

mit angeschlossener Krabbelgruppe<br />

ins postheroisch-milde Licht zu<br />

rücken, hat nur einen Nachteil: Er wirkt<br />

vor dem aktuellen Hintergrund <strong>des</strong> geopolitischen<br />

Kräftemessens in der Ukraine<br />

geradezu grotesk. Im Vergleich zur Verkitschung<br />

der deutschen Streitkräfte durch<br />

die amtierende Ministerin nehmen sich<br />

sogar die albernen Profilierungsversuche<br />

ihres Amtsvorgängers Guttenberg beinahe<br />

staatstragend aus. Die Bun<strong>des</strong>wehr<br />

aber ist der falsche Ort für boulevar<strong>des</strong>ke<br />

Selbstinszenierungen, heute mehr denn je.<br />

Eine Frau, die gern Kanzlerin wäre, sollte<br />

das eigentlich wissen.<br />

ALEXANDER MARGUIER<br />

ist stellvertretender Chefredakteur<br />

DIE NÄCHSTE CICERO-AUSGABE ERSCHEINT AM 26. JUNI<br />

Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators<br />

138<br />

<strong>Cicero</strong> – 6. 2014

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